Den Ärger wert von RedRidingHoodie ================================================================================ Kapitel 1: Foxtrott ------------------- Verschlafen starrte ich auf meinen Radiowecker. Die Zahlen darauf wollten einfach keinen Sinn ergeben, verschwammen immer wieder vor meinen Augen, und das Lied, das mich geweckt hatte, bereitete mir höchstens noch Kopfschmerzen, aber sicher kein waches Gefühl. Hinter dem Nachtkästchen malte das Morgenlicht, welches durch die Holzlamellen vorm Fenster hereindrang, Gold auf die schwebenden Staubpartikel in der Luft und alles hätte so friedlich sein können, wäre nicht ein Klopfen vom Boden zu hören gewesen. "Mach den Wecker aus, wenn du leben willst, Junge.", rief die tiefe Stimme meines Großvaters und er unterstrich die Warnung mit weiteren Schlägen des Besenstiels gegen die unschuldige Decke. "Er macht Tsunade wahnsinnig." Bei der Vorstellung einer wahnsinnigen Tsunade grunzte ich zuerst amüsiert, bevor ich mir den Ernst der Lage bewusst machte; Mit der Frau war nicht zu spaßen. Folgsam streckte ich den Arm, der bis dato träge über dem Bettrahmen gebaumelt hatte, nach dem Wecker aus und legte den Schalter auf ´Off`, sodass Chester und Mike von Linkin Park aufhörten, ´In the End` in mein Zimmer zu grölen. Seufzend stemmte ich mich in den Schneidersitz und ließ den Blick durch das große, unordentliche Zimmer wandern. Irgendwo auf dem Boden, versteckt zwischen leeren Chipstüten, getragenen Boxershorts und Staub musste ja wohl ein tragbares Shirt rumliegen. Zwei Wände des Raums waren verglast, die eine zeigte auf den Balkon, unter welchem sich die großzügige Küche meiner Großeltern befand, die andere wies zum offenen Wohnzimmer, in das ich über eine Treppe gelangen konnte. Zum Leidwesen von Tsunade waren die Gläser meist nicht gerade sauber, aber seit meinem achtzehnten Geburtstag weigerte sie sich, bei mir zu putzen und da es mich nicht störte blieben sie halt so. Die Wand hinter meinem Bett war mit Fotos von Freunden und mir und Postern von Bands, Stränden und nackten Frauen vollgehängt. Die dem Bett gegenüberliegende Seite teilte sich ein offen stehender Schrank mit einer Regalwand, auf der ein Flachbildfernseher sowie diverse Pokale und Urkunden, die mich als den Sieger irgendwelcher Sportveranstaltungen auswiesen, Platz gefunden hatten. Die einzige Pflanze des Hauses, eine Orchidee, stand auch dort; Tsunade hatte absolut keinen grünen Daumen und als sie durch einen Zufall herausgefunden hatte, dass mein mangelndes Interesse genau das war, was die Tropenblume brauchte, hatte sie sie wiederwillig bei mir zwischengelagert. "Stehst du jetzt endlich auf?", polterte dieses Mal eine Frauenstimme aus dem Erdgeschoss. "Bin ich doch schon, Oma.", antwortete ich, während ich in eine schwarze Jeans schlüpfte, die an den Knien schon zerschlissen war. Ich bemerkte, dass ich mein Shirt falschrum übergezogen hatte und drehte es gerade um, als Tsunade gleich einer Furie ins Zimmer stürmte. "Was hast du gesagt?!", fauchte sie, denn es gab nichts, was die zweite Frau meines Großvaters mehr hasste, als diesen Kosenamen. Ich schlüpfte nur vorne in ausgelatschte Turnschuhe und schnappte mir meine Tasche, wobei ich geschickt dem Pantoffel auswich, den die Frau nach mir warf. "Nur guten Morgen!", grinste ich süßlich, während ich den Rückzug zur Balkontür antrat. Tsunade verengte die Augen, dann wanderte ihr Blick durch das sie umgebende Chaos. Eine Gelegenheit, die ich nutzte, um nach draußen zu flüchten und die circa zwei Meter vom Balkon in den Garten zu springen. Ich hörte sie noch über meine Unordnung schimpfen, rappelte mich aber nur auf die Beine und sah zu meinem Großvater, der mich mit einem erschöpften Lächeln begrüßte. "Sie wird langsam zu alt für so was, Naruto. Reiß dich mal zusammen!", ermahnte er sanft und reichte mir eine Flasche Apfelsaft durchs Küchenfenster. Ich schnaubte nur, weil ich wusste, dass er es nicht ernst meinte. "Ach was, das hält sie jung.", lachte ich und rief beiden noch "Schönen Tag!" zu, während ich die Lederjacke überstreifte und in die Garage ging, wo mein Baby schon auf mich wartete. Meine Großeltern hatten mir das Motorrad, eine schwarze, nagelneue Honda Varadero 125, zum Geburtstag geschenkt und seither war ich Feuer und Flamme. Glaubt jetzt aber nicht, ich sei ein verwöhntes Kind, weil ich so ein teures Geschenk bekommen hatte; Normalerweise machten sie so etwas nicht, aber ich hatte schon seit Jahren von so einer Maschine geschwärmt und nach einer Probefahrt angefangen, darauf zu sparen. Da ich aber meine Unigebühren selbst bezahlen musste und auch sonst mit dem kleinen Gehalt aus dem Café, in dem ich arbeitete, auskommen wollte, hätte das ewig gedauert und so hatten sie sich entschieden, die Hälfte des Preises zu übernehmen. Tsunade sagte immer, dafür schuldete ich ihr ein Leben voller Sklavenarbeit, aber eigentlich hatten sie es gerne gemacht, weil sie wussten, dass ich nie nach so etwas gefragt hätte. Ich zog den schwarzen Helm über, betätigte die Zündung und genoss einen Moment, wie die Vibration meinen Körper erfasste, bevor ich losfuhr. Wie schon seit sechs Monaten täglich war ich eigentlich auf dem Weg zur Uni, aber davor würde ich noch einen Abstecher bei jemandem machen. Tsunade hätte nie gedacht, dass ich überhaupt irgendeinen Abschluss bekäme und jetzt war ich auf dem besten Wege, Sport- und Englischlehrer zu werde. Ok, ´auf dem besten Weg` war vielleicht etwas übertrieben; Ich würde bald meine ersten Klausuren schreiben und dann mal sehen. Aber es machte mir Spaß und ich gab mir Mühe, also würde das schon werden. Im Moment war ich aber erst mal auf dem besten Weg zu meinem besten Kumpel Kyubi Kurama. Er war ziemlich durchgeknallt und ich glaube, er hatte auch schon das eine oder andere auf dem Kerbholz, aber sein Humor war genau auf meiner Wellenlänge, er konnte auf sportlichem Niveau mit mir mithalten und man konnte, wenn es drauf ankam, das ganze Wochenende mit ihm Zocken, ohne dass er sich beklagte. Noch dazu ging er gerne feiern und verstand was von Mädels und dem Geschäft als Wingman, was mir schon die eine oder andere Bekanntschaft beschert hatte. Ich parkte das Motorrad vor einem Schild auf dem ´Fahrräder abstellen verboten!` stand - Hey, es war kein Fahrrad, oder? - Welches an der Wand eines Hochhauses angebracht war. Den Helm unter den Arm geklemmt klingelte ich im obersten, dem zehnten, Stockwerk. "Passwort?", fragte eine ernste Stimme und ich verdrehte die Augen. "Lass mich rein, Arsch." "Check... Was willst du´n so früh schon hier, Naruto?", wurde weiter gefragt als das Schloss surrend aufging. "Hatte Sehnsucht nach dir.", antwortete ich sarkastisch und ignorierte die angewiderten Laute des anderen, als ich die Tür aufdrückte. Ich rief den Aufzug, drückte, als er ankam, auf das zehnte Stockwerk und rannte los, um die Treppen zu nehmen. Etwa zwischen sechstem und siebtem Geschoss holte der Fahrstuhl mich ein und wartete bereits mit offener Tür, als ich schnaufend ganz oben ankam. "Tche, du warst schon mal schneller, Mann.", feixte der Mann, der mich vorhin auch begrüßt hatte; Einer der acht Mitbewohner meines Kumpels. Er war recht behäbig, hatte kurzes, dickes, dunkelbraunes Haar und war ziemlich klein, sodass ich ihm durch die Locken wuschelte, als ich an ihm vorbei in den Flur trat, wo ich Jacke und Schuhe ablegte. "Und du warst schon mal dünner, Isobu... Ist Kyubi gar nicht da?" "Doch, klar.", meldete sich der Gesuchte aus dem Wohnzimmer, das sich im Zentrum von neun Schlafzimmern, einem Bad und der offenen Küche befand. "Bist früh dran." Kyubi war bei seiner beachtlichen Größe von mehr als einem Meter neunzig sehr schlank, wodurch er leicht schlaksig wirkte, doch das täuschte, wie ich schon in mehreren kleinen Gerangeln hatte feststellen müssen; Jeder Zentimeter an ihm war sehnig und trainiert. Sein feurrotes Haar, das er stets zu einem straffen Zopf hochband, reichte ihm bis über den Rücken und passte gut zu der sogar im Winter gebräunten Haut und den rostfarbenen Augen, die im richtigen Licht rot zu leuchten schienen. Im Moment ließ er die Finger durch die langen Strähnen seiner Haare gleiten und musterte mich mit seinem füchsischem Grinsen, das immer, wenn es aufblitzte, seine spitz gefeilten Eckzähne offenbarte. Ich hatte nie verstanden, warum er das gemacht hatte, aber ihm gefiel das raubtierhafte Aussehen, dass ihm diese Veränderung verlieh, außerdem stand es ihm ebenso gut wie die Tätowierungen und Piercings, die er so ziemlich am ganzen Körper verteilt hatte. "Tsunade hat mich mehr oder weniger rausgeschmissen; Ich schätze, ich sollte mir mal nen anderen Wecker zulegen.", erklärte ich mit schiefem Grinsen und Kyubi lachte. "Ich benutz mal eure Dusche." Einladend deutete der Rothaarige auf die benötigte Tür, bevor er sich lässig erhob, um einen Kaffee aufzusetzen. Er hatte eine Seelenruhe weg, um die ich ihn oftmals beneidete, die ihn jedoch älter wirken ließ als seine vierundzwanzig Jahre. Oft genug hatte ich mich schon gefragt, ob er mich wegen seines Alters belog, aber das konnte gar nicht sein, immerhin kannten wir uns schon seit der Grundschule. Er hatte auch einen Faible für ältere Frauen; Seine letzte Freundin war Ende dreißig gewesen, weil er meinte, er könne nichts mit jungen, unerfahrenen Hühnern anfangen. Ich stieg unter die Dusche und wusch den letzten Rest Müdigkeit von mir ab, bevor ich zurück zu den anderen beiden ging und mich am Kühlschrank der WG bediente. "Was machen eigentlich die anderen?", fragte ich, da anscheinend die restlichen sieben Bewohner nicht anwesend waren. Isobu lehnte mit einer Tasse Kaffee - Vermutlich seiner vierten oder fünften; Er war geradezu abhängig von dem Zeug. - Am Küchentresen und zuckte die Schultern. "Vögeln, wenn sie Glück haben." "Pf... Was ist mit deiner Freundin?" Erneut hob er die Schultern. "Mit der ist nichts mehr; Seit sie schwanger ist, lässt sie mich nich mehr ran. Ich sag´s dir, behalt deinen Lümmel bei dir, wenn du keinen Gummi hast, sonst ist dein Leben im Arsch!" Kyubi stellte mir eine Tasse Kaffee hin. Er musterte seinen Mitbewohner nachdenklich. "Vermutlich kannst du froh sein, dass du deinen ´Lümmel` überhaupt jemals irgendwo hin stecken durftest.", meinte er gelassen und setzte sich neben mich, wo er eine Zeitung zur Hand nahm. Ich war der einzige, der über seinen Witz lachte, und das auch nur kurz, bevor ich nachdachte. Ich spielte mit meiner Kaffeetasse. "Also ich möcht schon mal Kinder. Nicht jetzt, klar!", fügte ich rasch hinzu. "Aber es ist doch schön, mit der Richtigen eine Familie zu gründen." "Naaaah!", machte Isobu, der sich mit einer dramatischen Geste die Hand vors Gesicht schlug. "Jetzt fängt er wieder mit seinen romantischen kleinen Vorstellungen an!" "Hey, was soll das heißen?! Nur, weil ich ne Familie haben will...!" "Bitte, verschone mich damit, Shakespeare. Ich muss jetzt sowieso zur Arbeit, damit ich Strampler und eine Wiege für die Frucht meiner Lenden kaufen kann; Juhu, welch Freude." In schlecht gemimter Freude stieß er die Faust in die Luft und stürzte seinen Kaffee runter. "Wie auch immer. Bis dann, ihr beiden." "Mhmn..." Kyubi sah nicht mal auf, aber seine Augen blitzten belustigt. Ich stocherte in meinen Cornflakes, bis diese matschig wurden, dann schob ich mir einen Löffel in den Mund und sah meinen Freund nachdenklich an. "Findest du Kinder auch so schrecklich?" Der andere blätterte eine Seite um, warf mir über das Tagesblatt einen Blick zu, den ich nicht deuten konnte. "Es hat sicher seine schönen Seiten." Ich starrte ihn an, dann riss ich Augen und Mund gleichermaßen auf. "Du hast doch nicht etwa schon Kinder?!", platzte ich lauthals heraus. Der Rothaarige lächelte ein nicht definierbares Lächeln und hob die Zeitung ein Stück an, antwortete jedoch nicht, so sehr ich auch auf ihn eindrang. "Du bist echt so ein Arsch!", kommentierte ich sowohl sein Schweigen als auch die Möglichkeit, dass er Kinder hatte, ohne mir davon zu berichten. "Und du bist so leicht zu beeindrucken.", lachte Kyubi. Er warf einen Blick auf die Uhr, faltete die Zeitung zusammen und erhob sich. Schimpfend folgte ich ihm in sein Zimmer; Wie auch seine Kleidung war seine Einrichtung ausschließlich rot und schwarz. Ich schmollte. "Stimmt doch gar nicht... Sag mal, weißt du eigentlich echt nicht, was Isobu arbeitet?", wechselte ich das Thema, den Blick auf die gekreuzten Schwerter über seinem Bett gerichtet. Mein bester Freund stand auf alles, was mit Kampfkunst zu tun hatte, beherrschte selbst einige Disziplinen und hatte großen Spaß daran, mich jedes Mal auf die Matte zu schicken, wenn wir rangelten, weil ich mir eigentlich einiges auf meine Kraft einbildete. Scheinbar amüsiert zuckte Kyubi die Schultern. "Keinen Schimmer. Dieses Geheimnis hütet er wie seinen Augapfel. Du kannst ja versuchen, es herauszufinden, aber ich fürchte, dann müsste er dich töten." "Vielleicht ist er ja Agent oder so.", staunte ich. Der Rothaarige schüttelte amüsiert den Kopf - "Sicher. Und ich betreibe einen Drogenhandel." - Und räumte weiter seine Tasche zusammen. "Wie läuft eigentlich deine Ausbildung zum Tyrannen?" Ich lachte, obwohl mir bewusst war, dass er es ernst meinte. Er hielt nicht viel vom Schulsystem und die meisten Lehrer waren für ihn zurückgebliebene Arschlöcher, denen nichts Besseres eingefallen war, um wehrlose Menschen zu schikanieren. Aber weil er wusste, dass ich das alles mit Leidenschaft machte, nahm ich die Sticheleien nicht besonders ernst. "Super. Heute lernen wir die richtige Aufstellung beim Marschieren." Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass ich auch los musste; Kyubi war ja eh schon in Aufbruchstimmung. "Sehen wir uns später, damit ich dich bei Battlefield zocken kann?" "Nah, sorry, ich muss lernen. Wir haben ja auch Klausuren." "Du fängst jetzt schon an zu lernen?", fragte ich leicht erstaunt, denn ich kannte meinen Kumpel als jemanden, der seine Noten immer irgendwie aus dem Ärmel geschüttelt hatte, ohne dafür zu arbeiten. Die roten Brauen des anderen wanderten in dessen Stirn, als er mich ansah. "Ich lerne seit über einem Monat. Ist dir klar, wie viel Stoff das ist?" Unbeeindruckt zuckte ich die Schultern. "Sooo schlimm kann das doch gar nicht sein. Und es ist immerhin noch fast ein Monat." "Keine drei Wochen mehr… Naruto, du musst den Stoff aus jeder einzelnen Lesung der letzten drei Monate können. Ich nehme an, du hast noch nicht mal angefangen, es zusammen zu fassen, oder?" Als ich ihn irritiert ansah, seufzte er und schulterte die Tasche. "War irgendwie klar, dass du es in den Sand setzt... Aber na ja, du hast ja noch einen Versuch, wenn es nicht klappt." Gemeinsam gingen wir zur Tür. Inzwischen hatte Kyubi es geschafft, mich zu beunruhigen, doch dann schnaubte ich nur unbekümmert und nahm mir vor, mich etwas weiter umzuhören bei den anderen Studenten. "Pah, übertreib nicht, du Streber!" Auf dem Weg zur Uni grübelte ich über das nach, was Kyubi gesagt hatte und fragte meine Kommilitonen, wie ihre Prüfungsvorbereitungen abliefen. Zu meinem Schrecken sahen fast alle die Sache wie mein bester Freund - Und die, die ebenso wenig vorbereitet waren wie ich, waren die, von denen ich wusste, dass sie keines der Testexamen, die uns einige Professoren gegeben hatten, bestanden hatten. Völlig fertig saß ich in den Lesungen und stellte Fragen, die vor Wochen schon beantwortet worden waren. In den Freistunden machte ich Notizen und fasste die Informationen zusammen, wie Kyubi es mir geraten hatte. Ich erstellte sogar einen Fragenkatalog und übernahm Übungen, die die anderen bereits gemacht hatten. Insgesamt arbeitete ich so hart wie noch mein ganzes Studium lang nicht, nur, um am Schluss vor einem riesigen Ordner zu sitzen, den ich innerhalb der nächsten drei Wochen durchbüffeln musste. Im Klartext hieß das: Ich war sowas von im Arsch. Ich wohnte gratis bei meinen Großeltern, aber Tsunade hatte klar gemacht, dass sie das nicht ewig mitmachen würde. Sicher, ich half am Haus wo ich konnte, kochte, ging einkaufen und reparierte, was so anfiel, doch ich konnte mir gut vorstellen, dass die Oma mich in einem Wutanfall rausschmeißen würde, wenn ich die Prüfungen versaute - Wonach es im Moment stark aussah. Und ich arbeitete zwar in einem kleinen Café auf dem Campus, aber das Geld würde trotz BaFÖG nie für einen eigenen Haushalt reichen. Das war mit einem zarten Alter von zweiundzwanzig schon peinlich, aber mit dem Umweg über Haupt- und Realschule war es nicht schneller zum Abitur gegangen. Ich hatte erst zu spät angefangen, mich für die Schule zu interessieren, etwa Mitte der neunten Klasse, also erst kurz vor der Quali-Prüfung. Damals hatten meine Großeltern mich auf ein Berufsbildungsseminar geschleppt auf dem lauter langweilige Bürojobs angeboten wurden. Schon nach kurzer Zeit war ich mit ein paar Kindern abgezogen und hatte mit ihnen Fußball gespielt, bis ihre Eltern sie einsammelten. Bei der ganzen Aktion war ein junger Professor auf mich aufmerksam geworden und hatte ein langes Gespräch mit mir geführt, aus dem mein Wunsch nach Studium und Abitur und eine bis heute währende Freundschaft entstanden war. Von da an war meine Karriere als Schwänzer und Krawallmacher weitestgehend beendet und ich war wohl selbst am meisten überrascht von den positiven Ergebnissen, die ich mit ein bisschen Engagement erzielen konnte. Ich wiederholte die neunte Klasse, machte einen Quali der gut genug war, um auf die Realschule zu wechseln und bestand trotz einiger Hänseleien der anderen Kinder auch meine Mittlere Reife Prüfung. Viele zeigten sich beeindruckt von meinem Kampfgeist und aus dieser Zeit hatte ich ein paar meiner besten Freunde behalten, genauso wie aus den drei Jahren, die ich anschließend auf dem Gymnasium verbracht hatte. Im Umkehrschluss hatte ich aber auch viele meiner früheren Freunde aus der Hauptschule verloren, weil sie mich als Streber abstempelten, sobald meine Noten über einen Vierer-Durchschnitt wanderten. Ich schätze, es war auch ein bisschen Neid im Spiel, aber damals hat mich das nicht aufhalten können und heute bin ich mehr als stolz auf das, was ich erreicht habe. Aus diesem Grund jedoch bestand mein Bekanntenkreis heute vorrangig aus jüngeren Leuten. Die meisten, die mit mir Abitur gemacht hatten, waren zwischen achtzehn und neunzehn gewesen als ich schon einundzwanzig war und die Leute aus der Realschule waren jetzt auch höchstens zwanzig. Einzig Kyubi war nach einer Ausbildung zum Fotografen einen ähnlichen Weg wie ich gegangen - Er war allerdings auf der Fachoberschule gewesen - Und mir als Freund erhalten geblieben. Und all das stand jetzt auf dem Spiel, aber nicht etwa, weil ich zu faul gewesen wäre, um zu lernen, sondern nur wegen meiner Schludrigkeit, was für mich doppelt bitter war. Am Abend erzählte ich meinen Freunden von meinem Problem, aber es stieß nicht auf das erwartete Entsetzen sondern eher auf Resignation, als wären ihre Erwartungen bestätigt worden. "Typisch du.", seufzte Sakura Haruno und warf sich das rosane Haar über die Schulter. Sie studierte Medizin, hatte sich aber auch schon vor dem Abitur für Heilkunde interessiert und sich wohl zuerst nur mit mir angefreundet, um mit Tsunade bekannt zu werden. Diese war nämlich eine Art Koryphäe auf dem Gebiet der Krebsforschung. Oftmals führten die beiden stundenlange Gespräche, von denen ich kein Wort verstand. "Sakura-chan, das ist echt ernst!", quengelte ich. "Hat echt keiner von euch Zeit, mir Nachhilfe zu geben?" Sakura schüttelte den Kopf. "Tut mir leid, aber ich muss selbst noch eine umfangreiche Arbeit fertig machen. Außerdem helfe ich Ino bei der Eröffnung ihres Ladens." "Wann ist es denn so weit?", erkundigte Tenten Ama sich vom Schoß ihres Freundes Neji aus. Sie war die einzige, die erst im Studium kennengelernt hatte. Wir hatten einige Kurse zusammen, denn sie studierte Sport-, Mathe- und Physiklehramt. Ihr Freund, mit dem sie schon seit Ewigkeiten zusammen war, studierte Jura und war schon seit einem Jahr dabei. Er hatte mit siebzehn Abitur gemacht, da er die achte Klasse übersprungen und danach eine Ausbildung zum Anwaltsgehilfen in New York absolviert hatte, um jetzt hier zu studieren. Mit einundzwanzig war er einer der Älteren meines Bekanntenkreises, aber wohl so ziemlich der jüngste Student seines Semesters. Lustiger Weise war er der Cousin einer meiner besten Freundinnen aus gymnasialen Zeiten, aber bevor ich Tenten kennengelernt hatte, hatte ich ihn noch nie gesehen. "Drei Monate noch.", antwortete Sakura gerade. "Es gibt noch verdammt viel zu tun und Ino ist jetzt schon total fertig, obwohl ihr Vater ihr unter die Arme greift." "Wundert mich immer noch, dass sie nicht Design oder so was studiert.", meinte Kiba, der sich die öligen Hände an seinen Arbeitshosen abwischte, bevor er eine Cola aufmachte. Wie die bald selbstständige Floristin kannte ich ihn aus meiner Realschulzeit, nur, dass er eine Lehre zum Mechaniker gemacht hatte und im Moment an seinem Meisterbrief arbeitete. "Na ja, sie hat schon immer bei ihren Eltern mitgeholfen." Sakura zuckte die Schultern und wandte sich ihrem Buch zu. "Das ist ja alles schön und gut, aber können wir jetzt wieder über etwas Wichtiges reden: Mich und mein bald beendetes Studium, zum Beispiel?" Allgemeines Augenrollen war die Antwort; Sie dachten alle, ich wäre einfach zu faul gewesen, um zu lernen und egal, was ich ihnen beteuerte, das Gegenteil konnte ich ihnen nicht glaubhaft machen. Schließlich erbarmte Tenten sich mit einem Seufzen. "Ich werde das zwar noch bereuen... Aber am Mittwochabend findet von neun bis halb elf ein Nachhilfekurs statt. Der Professor, Iruka Umino, hat echt was drauf und die Fragen, die er durchnimmt, sind prüfungsrelevant. Ich meine, ich hab zwar kein Englischlehramt, aber vielleicht würde es dir trotzdem was helfen. Wenn du willst, können wir ja gemeinsam hingehen." "Echt jetzt?!", strahlte ich und mein Lächeln wurde noch breiter, als sie nickte. "Du bist meine Rettung, ohne Scheiß! Soll ich dich dann abholen?" "Nein.", mischte sich jetzt auch Neji ein und musterte mich dabei missbilligend. "Sie fährt sicher nicht auf dieser Höllenmaschine mit, vor allem, wenn du am Steuer bist." "Was soll das jetzt heißen?", schmollte ich, doch er schnaubte nur, als wäre schon alles gesagt. "Das soll heißen, dass du Geschwindigkeitsbegrenzungen eher als Herausforderung zu sehen scheinst.", seufzte Sakura, die ihre Lektüre beendete und sich das Haar hinters Ohr strich. Anmutig erhob sie sich, den schmalen Träger ihrer Handtasche um die Schulter geschlungen. "Aber ich würde auf eigene Gefahr trotzdem mitkommen, wenn du mich heim bringst." Glücklich stand ich auf und sammelte mein Zeug ein. "Bis dann, Leute... Und danke, Tenten!", rief ich, während ich dem Mädchen zu meiner Maschine nachlief. Kurz druckste ich mit meinem Schlüssel herum, dann warf ich ihr einen scheinbar völlig beiläufigen Blick zu. "Und, wie sieht´s aus mit Freitag?" Mit hochgezogenen Brauen beobachtete Sakura, wie ich ihre und meine Tasche unter dem Sitz verstaute. Es war etwa dieselbe Mischung aus Widerwillen und Mitleid in ihrem Gesicht, die sie auch schon letztens gezeigt hatte, als ich sie nach dem Date fragte. "Du solltest lieber lernen als Eis essen gehen.", meinte sie schließlich langsam und zog meine Lederjacke und meinen Helm über. "Ah... Klar.", antwortete ich mit unbekümmertem Grinsen und stieg auf die Honda, nachdem ich ihr den Riemen am Kinn festgezogen hatte. Etwas umständlich krabbelte sie hinter mich, dann fuhren wir los - Ließen das Thema weit hinter uns. Sie hatte ja Recht, aber irgendeine Ausrede hatte sie schon seit zwei Jahren immer, um nicht mit mir auszugehen. Ich wusste echt nicht, was sie nicht in mir sah; Ich sah gut aus, war treu, brachte sie zum Lachen, kümmerte mich um sie... Und trotzdem hatte sie mich in die Friend-Zone verbannt. Vielleicht dachte sie, ich würde im Leben nichts auf die Reihe bringen - Wie meine momentane Notenlage bestätigte. Ich meine, Sakura war eine Klassefrau, die in Erwartung eines hoch dotierten Jobs promovieren würde, wenn sie in ein paar Jahren fertig war mit ihrem Studium, da bestand keine Frage für mich. Und natürlich erwartete so eine Frau auch einen Mann, der ihr etwas bieten konnte, einen, der mit ihrem Intellekt mithalten konnte. Nicht so einen Dorftrottel wie der, für den sie mich offensichtlich hielt... Aber ich tat mein Bestes für dieses Studium - Hatte es schon seit Jahren getan. Und die Erfahrung hatte gezeigt, dass ich absolut alles schaffen konnte, wenn ich mich nur da hineinhängte. Ihr, dachte ich, als ich zusah, wie sie im Haus ihrer Eltern verschwand, würde ich das auch noch beweisen, egal, was sie oder die anderen dachten. "Damit bist du spät dran. Die anderen haben schon lange gesagt, dass sie nicht mehr so viel arbeiten können und ich brauche jemanden, der da ist." "Bitte, Chef! Ich hab echt keine Zeit, abgestandenen Kaffee an die Leute zu verscherbeln... Vier zwanzig, bitte, die Dame.", fügte ich an die wartende Kundin gewandt hinzu, die mich und ihren Becher böse anstarrte, während sie mir das Geld gab. Ich ignorierte sie. Nicht mal Trinkgeld hatte sie gegeben, die alte Ziege. Auch mein Chef schien wenig erfreut über meine Ausdrucksweise. "Zum einen ist das hier der beste Kaffee der ganzen Gegend.", behauptete er und gab der Kaffeemaschine, die schon seiner Urgroßmutter gehört hatte, wie er behauptete, einen liebevollen Klaps. "Und zum anderen sind deine Prüfungen nicht mein Problem, yo? Entweder, du findest einen Ersatz - Oder du arbeitest die vereinbarten Stunden, ganz einfach, mein Schatz." Ich verzog das Gesicht wegen des miesen Reims - Ganz abgesehen von dem unpassenden Kosenamen - Und seiner Abfuhr. "Wie soll ich denn jetzt einen Ersatz finden?", stöhnte ich erschöpft. Ich schob einer anderen Studentin Zucker und Sahne hin, die sie bei ihrer Figur lieber weggelassen hätte, und wandte mich meinem Chef mit verzweifeltem Gesichtsausdruck zu. "Es müssen doch alle arbeiten für die Prüfungen." Ich mochte den großen, schwarzen Mann, der meist eine Sonnenbrille trug und sich die Rastas blond gefärbt hatte, obwohl er schon ein Vogel war. Meist sprach er in Reimen und hielt sich für den größten Rapper auf Erden, von seinem aufgeplusterten Ego mal ganz zu schweigen. Aber wenn er einem nicht gerade den dringend benötigten Urlaub verweigerte, war B ein netter Kerl, mit dem man Spaß haben konnte und der eine gute Menschenkenntnis besaß. Jetzt gerade drückte er mir eine Tasse Cappuccino für Tisch drei in die Hand und zuckte die Schultern. "Das ist dein Problem - Da musst du selbst weiter sehn. Diesen Weg wirst du alleine gehn - Und deine Prüfungen bestehn!" Während er das lauthals von sich gab, wandte ´Killer` B sich ab und ich schnitt ihm eine ungnädige Grimasse, obwohl mir das natürlich auch nicht weiter half. Die nächsten zwei Stunden verbrachte ich damit, die perfekte Möglichkeit auszutüfteln, gleichzeitig Milch in Herzform in eine Tasse zu kippen, die Kaffeemaschine zu bedienen, mir Notizen zu machen und in meinem Buch zu lesen und das alles, ohne dass etwas daneben kleckerte. Diese Arbeitsweise führte dazu, dass eine Dame, die einen laktosefreien Milchkaffee mit extra Schaum bestellt hatte - Ich bitte euch; Was soll denn das? - Von ihren Sitznachbarn schräg angeschaut wurde, weil ihr des Öfteren Mal ein laues Lüftchen entfuhr. Davon bekam ich natürlich nichts mit, sonst hätte ich wahrscheinlich ganz schnell die Sahne verschwinden lassen, die ich in ihr Getränk gekippt hatte ohne nachzudenken. Als meine Schicht endlich um war, verzog ich mich mit einem großen Latte Macchiato und einem noch viel größeren Donut in die hintere Ecke des Cafés vor einen Computer um zu arbeiten, bis mir die Augen zufielen. Ich wachte erst auf, als mein Handy klingelte. "Hä...?", nuschelte ich in den Hörer und wischte mir etwas Speichel aus dem Mundwinkel, was ein Mädchen, das in der Nähe saß, mit angewidertem Gesicht beobachtete. Ich wandte mich ab. "Nette Begrüßung.", lachte Tenten und mir fiel der blöde Kurs wieder ein. "Wo bist du?" "Scheiße... Oh, Fuck, tut mir leid! Ich war den ganzen Tag arbeiten und bin eingeschlafen...", haspelte ich, während ich meine Sachen einsammelte und in meine Tasche stopfte. "Bei deinem Arbeitstempo kein Wunder.", kicherte das Mädchen und ich grummelte widerwillig. "Haha, sehr witzig... Scheiße, Mann, ich hab echt total verpennt." "Hab ich mir schon gedacht." Noch immer klang sie amüsiert. "Zimmer hundertzwei, ja?" "Jup, bis gleich." Ich legte auf und dann legte ich den Sprint meines Lebens hin. Drei Treppen runter, ein Mal quer über den Campus und einen scheinbar endlosen Flur entlang, bevor ich die Tür von besagtem Raum hundertzwei aufriss. Und das alles in nicht mal zehn Minuten - Wo waren die Leute vom Guinnessbuch der Rekorde, wenn man sie mal brauchte? Dreißig verwirrte, entnervte Augenpaare richteten sich auf mich, darunter auch das von Tenten, die beschämt das Gesicht abwandte und die Hand vor die Augen legte, als ich laut "Sorry, ich bin spät dran!" rief und mich in ihre Richtung durchkämpfte. Einiges Gerangel entstand, als ich mich zwischen den Studenten und ihren geliebten Tablets durchkämpfte. Wirklich, die sahen mich alle an, als würden sie mich erschlagen, wenn ich ihren Babys auch nur einen Blick zuwarf, und das, obwohl ich absolut nicht verstand, was an den Dingern so geil sein sollte. Ich meine, die sahen aus wie Brotzeitbretter. Der Dozent hatte die Unruhe genutzt, um mich ausgiebig zu mustern und fragte jetzt mit kühler Stimme: "Und Sie sind?" "Uzumaki Naruto, Sir! Zu Ihren Diensten, Sir!", salutierte ich grinsend und ließ mich neben meine Freundin auf einen Stuhl plumpsen. Aus irgendeinem Grund nuschelte sie auf meine freundliche Begrüßung nur beschämt ´Hi...`, ohne mich anzusehen. "Lassen Sie sich von mir nicht aufhalten.", fuhr ich an den Professor gewandt fort. "Ich nehme an, das ist der Bekannte, von dem Sie sprachen, Tenten?", fragte er und seufzte, als sie verhalten nickte. Ein mahnender Blick in meine Richtung, dann fuhr er fort. Ich ignorierte seine stumme Aufforderung, mich bedeckt zu halten, indem ich mehrere Fragen in den Raum warf, die teilweise noch nicht mal zum Thema der Stunde gehörten - Immerhin lag der Schwerpunkt dessen, was ich in meinen Prüfungen brauchen würde, wo anders als der, den die Studenten hier haben würden. Aber das störte mich weniger, immerhin war das da ein Lehrer und der musste auf all seine Schüler eingehen. "Wenn man das Verb also...", fing ich gerade an, nachdem wir schon fünf Minuten über einen bestimmten Sachverhalt diskutiert hatten, und jetzt reichte es Iruka endgültig. "Schreiben Sie Ihre Fragen auf, dann beantworte ich sie nach der Stunde, wenn sie sich nicht ergeben." "Aber das Verb..." "RUHE JETZT!", blaffte er mich an und ich fügte mich unwillig; Sein erregtes Schnaufen und die langen Haare, die sich schon aus seinem sonst säuberlichen Zopf gelöst hatten, verliehen ihm ein irgendwie bedrohliches Aussehen. Ich war immer gut in Englisch gewesen und auch stolz darauf, aber das, was der da erzählte, half mir kaum bei den Prüfungsvorbereitungen, sodass ich langsam das Gefühl hatte, das hier wäre ein zusätzlicher Fleiß-Kursus. Und dafür hatte ich wirklich keine Zeit. Trotzdem blieb ich bis zum Schluss, einfach, weil Iruka mich vermutlich geköpft hätte, wenn ich noch mal aufgestanden wäre. Außerdem wollte ich Tenten gegenüber nicht unhöflich erscheinen. "Nächstes Mal sei doch nicht ganz so laut.", bat Tenten, sichtlich erleichtert, dass es vorbei war. "Hey, ich war gar nicht laut!", protestierte ich laut und mürrisch, während ich meine Sachen wegräumte. "Außerdem weiß ich nicht, ob es ein nächstes Mal geben wird - So hilfreich war das alles nicht." "Finden Sie?", fragte eine Stimme, die mich ertappt zusammenfahren ließ. Unbemerkt von uns beiden war Iruka Umino zu uns getreten und sah mich aus seinen braunen Augen offen verärgert an. "So war das nicht gemeint, Professor. Jeder hat ja seine eigen Lernmethoden und so..." Verlegen kratzte ich mich am Kopf und grinste unschlüssig. Am liebsten wäre ich ganz wo anders. Der Dozent gab ein Schnauben von sich. "Wenn Sie meinen. Also, haben Sie noch Fragen?" Er klang nicht begeistert von der Vorstellung, mich noch länger an der Backe zu haben, und auch ich war nicht besonders scharf darauf, weiter hier zu bleiben, aber es gab tatsächlich noch ein paar Unklarheiten, bei denen er mir helfen konnte, auch solche, die nicht erst in dieser Stunde aufgetaucht waren. Nach einer halben Stunde verabschiedete Iruka sich von uns und ich schenkte ihm ein ehrliches Lächeln, ehe er über den dunklen, leeren Kampus davon ging. "So übel ist er doch nicht.", teilte ich Tenten mit. "Siehst du?" Das Mädchen lächelte leicht. Auch sie war geblieben, um noch etwas zu lernen. Und vermutlich, weil Neji keine Zeit hatte, sie abzuholen und sie keine Lust hatte, alleine im Dunklen auf ihren Bus zu warten. "Probier jetzt mal ein paar der Prüfungsfragen aus. Du wirst sehen, dass es leichter geht." "Dann kann das Examen ja kommen!", rief ich ausgelassen grinsend und sie lachte, aber insgeheim war ich besorgt, immerhin waren es bis dahin nur noch zweieinhalb Wochen. "Für den tollen Tipp bringst du mich jetzt aber heim." Ich legte überrascht den Kopf schief. "Ich dachte, Neji fände es nicht gut, wenn du bei mir mitfährst?" "Und ich dachte, er wäre mein Freund und nicht mein Dad.", gab sie, offensichtlich mürrisch, zurück. Darüber hatten die beiden wohl auch schon des Öfteren diskutiert. Ich wollte nicht, dass sie schlechte Laune hatte, und überlegte einen Moment, bevor ich wieder lächelte. "Wie wär´s mit einer Tour, bevor ich dich zu Hause absetze? Zum See oder so." Sie setzte den Helm auf, den ich ihr gegeben hatte, und sah mich unter dem Visier hervor prüfend an. "Musst du nicht...?" "Wenn ich heute noch ein Wort lese, lauf ich Amok, echt jetzt. Also? Wir können ja die anderen anrufen, ob sie auch baden wollen.", schlug ich vor, als mir aufging, dass sie das womöglich für eine Anmache hielt, was es nun wirklich nicht war. Ich wollte sie aufheitern und selbst den Kopf frei bekommen, das war alles. Sie war hübsch und alles, aber es war nicht mein Stil, Mädels mit einem Freund anzugraben. Kurz überlegte sie, dann grinste Tenten. "Nee, machen wir das zu zweit. Ich wollte eh schon ewig, dass du mir zeigst, wie man das Ding fährt.", meinte sie mit einem Nicken in Richtung meines Motorrads. Der See war eine halbe Autostunde von der Stadt entfernt und lag mitten im Wald. Ich genoss die warme Nachtluft auf Gesicht und Haaren und die Selbstsicherheit, mit der Tenten sich hinter mir in die Kurven der Landstraße legte. Der Wind blies mir die Anspannung aus dem Kopf und ich beschloss, die nächsten paar Stunden einfach zu genießen ohne der verlorenen Lernzeit nachzutrauern. Es war so spät, dass ich sowieso nur noch ins Bett gegangen wäre. Der Steg, an dem meine Freunde sich im Sommer immer trafen, lag etwas abseits des eigentlichen Strands, an dem sich tagsüber Familien mit ihren Kindern und nachts Teenager mit ihrem Schnaps herumtrieben. Zwischen den sanften Hügeln, die dicht mit Bäumen bestanden waren, glänzte das jetzt schwarze Wasser im Mondlicht. Wir feierten hier des Öfteren, aber es war auch ziemlich cool, nur zu zweit die Anlegestelle aus verwittertem Holz entlang zu laufen. Unter einer Holzplanke verborgen hatten wir ein Versteck für Alkohol, Decken, Luftmatratzen, Süßigkeiten und Zigaretten angelegt. Von letzteren zündete Tenten sich erst mal eine an, als wir es uns dort waren. Ich als aktiver Nichtraucher rümpfte die Nase, während ich Schuhe, Shirt und Hose auszog. "Du als Sportlehrerin solltest es eigentlich besser wissen.", kommentierte ich ihren Laster. "Noch bin ich keine Lehrerin.", entgegnete sie gelassen und stieß den Rauch in die Nacht. "Außerdem ist meine Kondition gut genug. Du weißt, dass ich nur selten Rauche.", grinste sie und hielt mir die Schachtel hin, doch ich schnaubte nur und sprang mit einem perfekten Hecht in das tiefschwarze Wasser. In großen, gleichmäßigen Zügen schwamm ich zum anderen Ufer und zurück, wofür ich einen spöttischen Applaus von meiner Zuschauerschaft erhielt. "Lahmarsch.", spöttelte Tenten vom Steg aus. "Mach´s besser.", verlangte ich und hörte schon das Klatschen eines schlanken Körpers im Wasser. Ich wollte etwas sagen, doch bevor ich das konnte, stürzte Tenten sich auf meine Schultern, wodurch sie mich unter die Oberfläche drückte. Überrascht trieb ich ein paar Sekunden unter ihr, bevor ich sie an der Taille packte und von mir drückte. Schnaubend tauchte ich wieder auf und griff nach ihr, doch sie lachte nur und schwamm blitzschnell davon. Ich setzte ihr nach und wir jagten uns durchs Wasser, bis sie sich auf den Steg rettete. "Siehst du? So macht man es besser.", lachte sie ausgelassen und schnappte sich eines der Handtücher aus dem Versteck. Ich trocknete mich ab, als sie mir das Handtuch gab, dann musterte ich Tenten einen Moment und grinste schließlich. Schon als ich auf sie zuging, wich sie wie in böser Vorahnung zurück, aber es war zu spät. Alles Zetern half nichts; Ich packte sie, trug sie zum Rand des Stegs und warf sie in den See aus dem sie nach ein paar Sekunden prustend und strampelnd wieder auftauchte. "Vendetta! Vendetta Farfalla!", zitierte sie eine Simpsons-Folge, über die wir uns mal so köstlich amüsiert hatten, dass der Spruch ab und zu wieder ausgegraben wurde, und drohte mir gespielt mit der Faust, doch ich lachte nur. "Komm raus da, dann zeig ich dir, wie man Motorrad fährt." Die Rachegedanken waren vergessen, als sie ihr durchweichtes Top auszog und gegen mein Shirt tauschte. Wenig später standen wir am Parkplatz und ich erklärte einer sichtlich ungeduldigen Tenten erst mal die Mechanik, bevor ich sie auf die Maschine ließ. In Schrittgeschwindigkeit fuhr sie die ersten Meter neben mir her, ließ das Motorrad ein paar Mal absaufen, stellte sich aber insgesamt nicht dumm an, sodass ich ihr schließlich erlaubte, etwas mehr Gas zu geben. "Schalt mal in den zweiten Gang... Das Fußpedal.", half ich weiter, als sie instinktiv nach dem nicht vorhandenen Schaltknüppel fasste. Mein Helm auf ihrem Kopf ruckte nach hinten, als sie nickte, doch als sie nach der Kupplung griff, zog sie versehentlich das Gas an. Ein hoher Schrei war zu hören, ich rief erschrocken "Scheiße, brems!", aber die Honda machte bereits einen Satz nach vorne. Vor Schreck klammerte Tenten sich fester an die Griffe und vergaß dabei völlig, das Gas loszulassen. Ich rannte ihr nach, sah sie schon auf den Abhang zusteuern und brüllte, sie solle halten, weil ich sie nicht einholen konnte, aber es war zu spät. Noch ein Schrei, dann hatte die Nacht das Mädchen und mein Motorrad verschluckt wie ich einen Tortilla. Mit rasendem Herzen lief ich zu der Stelle, an der sie von der Fahrbahn abgekommen war. Ein paar Meter weiter unten am steilen Hang sah ich den Scheinwerfer der Honda, doch Tenten konnte ich in der Dunkelheit nicht erkennen. Ohne nachzudenken sprang ich die Böschung runter und rief ihren Namen. Ein halb ersticktes Geräusch führte mich zu einem Busch in der Nähe, wo ich das etwas verhedderte, dreckige, aber dennoch lebendige Mädchen vorfand. "Alles ok?", fragte ich besorgt und zog sie aus dem Gestrüpp. "E-Entschuldige, ich hab mich so erschrocken als es plötzlich schneller w-wurde...!", fiepste die schockierte Tenten und warf dem an einem Baum verkeilten Motorrad einen unglücklichen, fast schon mitleidigen Blick zu. "Hör auf! Ich bin nur froh, dass du in Ordnung bist, ohne Scheiß!" Ich zupfte ihr Blätter aus dem Haar und half ihr nach oben, wo ich sie nach Verletzungen inspizierte, aber wie durch ein Wunder schien sie bis auf ein paar Kratzer unverletzt. Schnell holte ich Schnaps, Schokolade und Decken vom Steg und versorgte sie mit allem, obwohl sie immer wieder betonte, es ginge ihr gut. Als ich mir sicher war, dass sie nicht in Ohnmacht fallen würde, machte ich mich an die Bergung meiner Maschine. Das war bei der Steigung der Böschung allerdings gar nicht so einfach und ein paar Mal rutschte ich auch ab, aber schließlich half Tenten mir, den ersten Reifen auf den Asphalt zu heben. Endlich konnte ich mein Baby abstellen und begutachten, aber es sah nicht aus, als wäre etwas Größeres kaputt. "Es tut mir so leid!", wiederholte das Mädchen traurig, da sie wusste, wie ich an dem Ding hing, doch ich winkte nur ab. Viel zu erleichtert war ich über unser unverschämtes Glück, dass Tenten nichts passiert war. "Ich hab dich ja fahren lassen, also ist es meine Schuld. Da wirft Kiba mal einen Blick drauf und dann ist alles gut. Ich bin echt heilfroh, dass du dich nicht verletzt hast. Als du verschwunden bist, hab ich mir fast in die Hose gemacht, Alter." Einen Moment herrschte Schweigen, in welchem wir beide auf die Unfallstelle blickten. Dann meinte Tenten: "Das erzählen wir Neji lieber nicht." "Ich bitte darum!", erwiderte ich und wir lachten beide, nervös, aber erleichtert. Nachdem wir uns eine Ausrede für die Kratzer ausgedacht hatten und ich Tenten bei Neji abgeliefert hatte, trudelte ich zu Hause ein, ausnahmsweise sogar durch die Haustür und nicht über den Balkon. Die warme Luft hatte meine Kleider fast getrocknet, die vom Schwimmen durchweicht gewesen waren, aber mein Haar klebte mir verräterisch in Gesicht und Nacken, als ich in die Küche trat, an deren Tisch mein Großvater noch saß. "Wow, du lebst ja noch.", sagte er scherzhaft, während ich mir eine Portion Instantramen warm machte. "Seit letztem Freitag hat man dich ja kaum noch zu Gesicht bekommen." "Ich hab viel zu tun für die Uni. Bald sind doch Prüfungen." Bekräftigend deutete ich mit dem Löffel auf ihn, ehe ich mir diesen in den Mund stopfte um Wasser in die kleine Plastikschale zu kippen und diese in die Mikrowelle zu befördern. Abwartend lehnte ich an der Küchenzeile. Von meinen Defiziten hatte ich den beiden nichts erzählt; Ich wollte die Enttäuschung auf ihren Gesichtern wirklich nicht sehen. "Ah, natürlich. Obwohl du eher nach Baden als nach Büffeln aussiehst." "Jaa. Ich hab die Woche nur gelernt und brauchte etwas Abkühlung. War mit Tenten am See." "Ist das deine neue Freundin?", erkundigte er sich interessiert, schloss sogar die Zeitung, in welcher er bis dahin geblättert hatte. Es war eine FHM und das Covergirl war unbestreitbar heiß; Wahrscheinlich der Grund, warum Jiraija das Magazin jetzt, um halb zwei Uhr Nachts, las. "Neeehehehe!" Ich unterstrich meinen Protest lebhaft mit abwehrenden Handbewegungen. "Die ist mit nem Kumpel liiert. Außerdem hab ich keine Zeit für ne Freundin." Amüsiert zog der Ältere eine Augenbraue hoch. "Immer noch kein Glück mit Sakura?", traf er den Nagel auf den Kopf. Seufzend ließ ich mich auf den Stuhl neben seinem plumpsen, als ich meine Suppe aus der Mikrowelle geholt hatte, und erdolchte die Nudeln fast mit dem Löffel. "Keine Chance." "Mhm... Konzentrier dich doch erst mal auf dein Studium. Alles andere ergibt sich dann schon." "Das hat sie auch gesagt.", schmollte ich und schob mir einen Löffel in den Mund. "Ist doch total ätzend! Andere Leute arbeiten Fulltime und kriegen eine ganze Familie auf die Reihe und ich bin schon ewig Single. Du warst in meinem Alter sogar verheiratet." "Das waren ja auch noch andere Zeiten, Junge.", beschwichtigte mein Großvater lachend. "Außerdem; Hör auf zu jammern! Das ist ja schrecklich! Wenn du eine Frau willst, musst du mit Gefühl um sie werben, dann wird sie dir schon nachgeben, oh ja!" Ich grinste leicht, als ich sein wissendes Nicken sah, das so typisch für ihn war. Er war und blieb einfach ein Casanova. "Tche... Hast ja Recht.", ergab ich mich und er lächelte. Ich aß meine Ramen fertig, schmiss den Becher weg und räumte die Spülmaschine ein. Dann sorgte ich in der Küche noch etwas für Ordnung - Jaaa, wenn es nicht um mein Zimmer ging, konnte ich durchaus sauber machen - Bevor ich zu der Tür ging, die nach oben führte, und meinen Großvater noch mal ansah. "Bist du gar nicht müde?" "Alte Leute sind manchmal eben rastlos. Denk dir nichts dabei.", erwiderte Jiraija ohne von seiner Zeitung aufzusehen. Ich dagegen musterte ihn genauer. Er und Tsunade waren beide fast siebzig und obwohl sie mir nie alt erschienen waren, waren sie es doch sicher müde, einen Studenten im Haus zu haben, der kaum etwas zum Haushalt beitragen konnte. Natürlich brauchten sie es nicht - Tsunade dozierte noch immer, hatte mehrere erfolgreiche Sachbücher geschrieben und Jiraija war ein bekannter Autor - Aber trotzdem fühlte ich mich nutzlos. Überrascht von meinen eigenen Gedanken nuschelte ich "Nacht..." und verzog mich in mein Zimmer. Ich brauchte dringend eine Mütze voll Schlaf, um diesen Quatsch aus meinem Kopf zu bekommen. Mein Zimmer war für meine Verhältnisse extrem ordentlich, da ich auf der Suche nach ein paar Unterlagen alles aufgeräumt hatte. Auf dem Schreibtisch, der am Fenster zum Balkon stand, lagen Blätter und Ordner, genauso wie auf der Seite des Bettes, auf der ich nicht schlief. Dort türmten sich zusätzlich noch CD-Hüllen, DVDs, die ich längst mal zurückgeben sollte, Fotos, Zeitschriften und Bücher; Alles in allem ein großes, trauriges Zeugnis für mein übermäßig langes Singledasein, welches bereits seit fast einem Jahr andauerte. Nicht, dass ich zwischendrin nicht das eine oder andere Mädchen gehabt hätte, aber das war nie etwas Festes gewesen, obwohl ich richtige Beziehungen lockeren Affären eindeutig vorzog. Deprimiert von dem Gedanken ging ich zu meinem Arbeitsplatz und schaltete den PC ein. Ich zog mir das Shirt aus und machte gerade die Hose auf, als mir auffiel, dass ich beobachtet wurde. Verkniffen lächelnd winkte ich der alten Dame zu, die gegenüber wohnte. Sie schien einen Narren an mir gefressen zu haben, seit ich mal ihre Katze aus dem Baum gerettet hatte, und jetzt belagerte sie mich ständig mit irgendwelchen kleinen Bitten; Das Gartenhaus streichen, den Rasen mähen, mit den Enkeln spielen, den Keller aufräumen... Das wiederum belohnte sie mit Unmengen von Keksen, die aber zumindest gut schmeckten. Im Moment allerdings hatte ich weder Zeit noch Lust für so etwas - Mein Gott, es war mitten in der Nacht, warum schlief diese alte Lady eigentlich nicht?! - Und ich zog die Vorhänge zu. Erschöpft schaltete ich leise Musik ein, bevor ich duschen ging. Das heiße Wasser tat mir gut, half, mich zu entspannen und meine Gedanken zu sortieren. Heute war erfolgreich gewesen, es gab keinen Grund für meine miese Laune. Und wenn ich es schaffte, das Lernpensum zu halten, das ich mir in den letzten fünf Tagen angeeignet hatte, würde ich die Prüfung bestehen. Jetzt würde ich noch zwei Übungen machen, bevor ich zu Bett ging, und morgen würde ich mit der Übersetzung eines Gedichts anfangen, das Iruka ausgesucht hatte; Der Rabe von Edgar Allan Poe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)