Drowning von attackonpsycho (LawxRuffy) ================================================================================ Kapitel 1: Coming back ---------------------- „Jetzt bleibt uns nichts von Dir als die Erinnerung an Deine Augen Dein Lächeln Deine Hände in den Herzen der Menschen die Dich lieben.“  Als ich die Augen öffnete und aus dem Fenster sah, konnte ich feststellen, dass wir uns nicht mehr ganz so hoch oben in der Luft befanden. Als ich das letzte Mal nachgesehen hatte, war der Himmel so unklar gewesen, dass man nichts hatte sehen können. Ein kleines Lächeln erschien auf meinen Lippen, als ich Häuser weit unter den letzten Wolken sah, die aus dieser Entfernung ziemlich mickrig wirkten.  Es fühlte sich merkwürdig an, an den Ort zurückzukehren, den ich vor so langer Zeit verlassen hatte. Besonders jetzt, wo sich so viel verändert hatte. Diese Veränderungen stimmten mich unruhig und ließen meine Hände unangenehm kribbeln. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwarten würde. Doch trotzdem durchströmte mich übermäßige Freude bei dem Gedanken an meine besten Freunde, welche ich nun, nach vier Jahren wiedersehen würde. Ich hatte sie alle sehr vermisst, besonders in der letzten Zeit, die sehr schwer für mich gewesen war. Ob es nun die geizige Nami oder die beiden Streithähne Zorro und Sanji waren, jede Erinnerung an sie zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht. Auch meine restlichen Freunde ließen die Vorfreude auf ein Wiedersehen steigen. Genau aus diesen Gründen hoffte ich, dass es die richtige Entscheidung war, zurückzukehren.  Ich wusste nicht einmal, wie es hier werden würde, ob sich meine Freunde stark verändert hatten und ob die Orte, die in meinen Erinnerungen etwas Magisches an sich hatten, noch immer die gleiche Wirkung auf mich ausübten. Vielleicht taten sie dies nicht mehr, vielleicht würde nichts so werden, wie ich es mir vorgestellt hatte. Jedoch konnte ich mit Sicherheit sagen, dass es kein Fehler war, von Michigan wegzugehen. Ich wollte mir gar nicht erst ausmalen, was geschehen wäre, wenn ich tatsächlich dort geblieben wäre. Ich seufzte laut auf und zog mein schwarzes Smartphone aus der Hosentasche.  Mein Display zeigte mir sofort die Uhrzeit. 12:43. In weniger als einer halben Stunde würde ich landen. Aufgeregt wie ich war, packte ich mein Handy wieder weg und spielte mit meinen leicht zitternden Fingern herum. Ich vermutete, dass die Aufregung noch lange anhalten würde, auch wenn ich versuchte cool zu bleiben. Immerhin waren es nur meine Freunde, die ich wieder traf. Ich wollte an etwas anderes denken, mich ablenken, doch dies wollte nicht funktionieren. Egal wie sehr ich es versuchte - meine Gedanken kreisten immerzu um Georgia, meine Freunde und mein neues Leben, welches ich schon bald beginnen würde. Währenddessen steigerte sich meine Nervosität von Sekunde zu Sekunde. Jeder Atemzug schien mir schwerer zu fallen. Vier Jahre waren eine lange Zeit. Dieser Gedanke war mir in den letzten Tagen schon verdammt oft gekommen. Diese Jahre waren so schnell an mir vorbeigegangen und trotzdem bemerkte ich im Nachhinein, dass sie in Wirklichkeit lange angedauert hatten. Dazu kam, dass diese Jahre voller Leid gewesen waren, nie war ich wirklich vollkommen glücklich gewesen. Besonders im letzten Jahr. Der Zweifel in mir flüsterte mir immer wieder ein „Vielleicht ist dies eine zu lange Zeit“, während mein Verstand versuchte, diese Stimme zu ignorieren. Ich wollte neu anfangen, nach allem was in dem letzten Jahr geschehen war. So viel Schlechtes war mir widerfahren und ich hatte so vieles durchmachen müssen, wie nur wenige Male zuvor. Ich wollte wieder leben, wie jeder andere 18-Jährige in meinem Alter. Nie wieder wollte ich so zurückgezogen, traurig und einsam leben, ohne Kontakt zu jeglichen Menschen außerhalb. Ich wollte alles besser machen. Besser, als jemals zuvor. Damit meinte ich, dass ich mich anstrengen würde, damit hier alles gut verlaufen würde. Ich würde alles tun, was nötig war, um endlich glücklich zu werden. Denn seit den Ereignissen in meiner Vergangenheit war dies mein größter, wirklich erfüllbarer Wunsch. Natürlich gab es Wünsche, die noch weitaus größer waren, doch diese würde niemand – weder ich noch sonst irgendwer – jemals verwirklichen können. Mein Blick glitt wieder aus dem Fenster, zurück auf die grünliche Landschaft unterhalb des Flugzeugs. Ich betrachtete die Felder und ebenfalls einige Wälder weit unter mir. Ihre grünen und gelben Farben vermischten sich ineinander, bildeten ein idyllisches Bild. Ich fragte mich plötzlich, wie mein Großvater wohl mit der Situation umging. Dass er mich ausziehen und alleine nach Georgia hatte fliegen lassen, zeigte mir zumindest, dass er es für die richtige Entscheidung hielt, an den Ort zurückzukehren, an dem ich am Glücklichsten gewesen war. Er vermutete, dass ich es hier schaffen konnte. Wahrscheinlich war es seine Meinung, die mich so bestärkte. Als das Flugzeug nach gefühlten Stunden endlich gelandet war und ich meinen Koffer nach Ewigkeiten gefunden hatte, verließ ich so entspannt wie möglich den großen Flughafen und ließ ihn hinter mir. Ich seufzte lächelnd auf, als ich den altbekannten Geruch meiner ehemaligen Heimat wieder wahrnahm und mich die angenehme kühlere Luft streifte. Ich erinnerte mich sofort daran, wie ich mich vor mehr als vier Jahren genau an diesem Ort von meinen Freunden verabschiedet hatte. Wie wir uns in die traurigen, teilweise vom Weinen geröteten Augen gesehen hatten und uns versprachen, per Internet in Kontakt zu bleiben. Niemals hätten wir damals erwartet, dass wir uns irgendwann aus den Augen verlieren würden, was bei dieser Entfernung unvermeidbar war. Nami hatte mir vorher geschrieben, wo genau sie mich abholen würde, weshalb ich schließlich auf einer Bank in der Nähe des Flughafens Platz nahm. Hoffentlich würde sie mich hier finden, denn heute war nicht wirklich wenig los. Überall um mich herum liefen Menschen mit Koffern, Aktentaschen oder Smartphones herum und eilten in verschiedene Richtungen. Alle waren beschäftigt, nur ich sah ihnen neugierig hinterher. Schon nach wenigen Minuten empfand ich die Luft außerhalb des Gebäudes genauso heiß wie vorher und verzog angewidert das Gesicht, als ich feststellen durfte, dass mein T-Shirt wie eine zweite Haut an mir klebte. Dabei hatte ich extra versucht, mich nicht übermäßig zu bekleiden, was recht ungewohnt war, wenn man gerade aus dem Norden kam. Dieser Versuch war kläglich gescheitert. Ich schwitzte furchtbar und wünschte mir nichts mehr, als dass meine Freunde endlich hier aufkreuzten. Ich wippte gelangweilt mit meinen Füßen und versuchte den Fluss von Schweiß, der sich über meinen Rücken bahnte, zu ignorieren. Warum musste auch ausgerechnet heute so ein verdammt heißer Tag sein? Es war, als würde mich die Sonne auslachen wollen, da ich ihr sowieso nicht entkommen konnte. Wirklich ärgerlich. Doch dann, ganz plötzlich bog ein dunkelroter BMW um die Ecke und zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Eigentlich war dies nichts wirklich Ungewöhnliches, wäre da nicht die laute Musik, die aus dem offenen Fenster dröhnte und ein orangehaariges Mädchen, welches ihren Kopf soweit wie möglich aus dem Fenster presste, um um sich blicken zu können.  Als es mich erblickte, weiteten sich ihre Augen und sie rief dem Fahrer des Autos etwas zu, das ich nicht verstehen konnte. Jedoch kam der Wagen kurz darauf mit einem ohrenbetäubendem Quietschen zum Stehen und die Tür wurde augenblicklich aufgeschwungen. „RUFFY!“, das Mädchen lief auf mich zu und zwang mich zum Aufstehen, um mich dann in eine innige Umarmung zu ziehen. Irritiert sah ich auf den orangen Haarschopf unter mir herab. Das ist doch nicht etwa..? „Nami?“, sprach ich die Frage in meinem Kopf laut aus, weshalb sich die Orangehaarige von mir löste und grinsend nickte. Meine Augen weiteten sich ein Stück, als ich sie noch einmal näher betrachtete. Unglaublich, was vier Jahre aus einem kleinem Mädchen machen konnten... Nami war sicherlich über fünfzehn Zentimeter gewachsen und auch ihre Statur hatte sich sehr verändert. Passend zu dem heutigen Wetter trug sie ein buntes, blumiges Sommerkleid, welches ihrer schlanken Figur schmeichelte und dazu braune Sandaletten. Ihre gewellten und sehr lang gewordenen Haare, hatte sie zu einem unordentlichen Zopf gebunden, während an ihren Ohren kleine Ohrringe baumelten. Sie war nicht mehr das winzige Mädchen, welches immer noch in meiner Erinnerung lebte. „Du hast dich aber auch ganz schön verändert“, stellte Nami strahlend fest und betrachtete mich mit ihren haselnussbraunen Augen, welche sie leicht geschminkt hatte. „Aber ich wette, du bist immer noch nicht erwachsen geworden“, fügte sie hinzu und kicherte leicht. Ihr Lachen klang noch immer so wie früher, so herzlich und unglaublich warm, dass man ihr gerne dabei lauschte. Ich wollte dies gerade bestreiten, da stiegen zwei weitere Personen aus dem Auto, die ich mindestens genauso sehr wie Nami vermisst hatte. Gerade in den Momenten, in denen man diese Menschen wiedersah, bemerkte man, wie sie das Loch im Inneren wieder schlossen. Erst dann wurde einem klar, wie sehr sie doch gefehlt hatten. „Ruffy und erwachsen?“, fragte der Grünhaarige von ihnen lachend und stellte sich neben unsere beste Freundin. „Niemals“, fügte der Blonde beim Näherkommen hinzu, wobei ein riesiges Grinsen über seine Lippen glitt. Sie waren genauso glücklich wie ich, das sah ich ihnen nur zu eindeutig an. „Ich freue mich auch euch wiederzusehen“, entkam es mir lachend, ehe ich auch von meinen beiden besten Freunden in den Arm genommen wurde. Sah man davon ab, dass sie beide viel erwachsener und muskulöser aussahen als früher, könnte man schon fast sagen, dass sie sich kaum verändert hatten. Sanji hatte noch immer längere, blonde Haare, wobei der Pony sein rechtes, hellblaues Auge verdeckte. Zorros Haare dagegen waren genauso kurz wie früher. Auch die ungewöhnlich grüne Farbe, die bei seinen dunklen Augen noch besser zur Geltung kam, schien immer noch dieselbe zu sein. „Gott, ich bin so froh, dass du zurück bist“, seufzte Nami und deutete auf Zorro und Sanji. „Die beiden kosten mich meine gesamten Nerven.“ Zorro grinste, wahrscheinlich wusste er wovon die Orangehaarige sprach. Ich hielt es allerdings nicht für nötig nachzufragen, da sie mir später sowieso davon erzählen würden. So gut wie ich sie kannte, wusste ich einfach, dass sie es tun würden. Besonders, wenn Nami erst einmal im Redemodus war. Dann konnte sie nämlich reden, bis einem die Ohren abgefallen waren. Sanji deutete noch auf meinen Koffer. „Ist das alles?“, er schien ziemlich überrascht darüber, dass ich nicht mehr mit mir genommen hatte.  „Das Meiste habe ich per Post geschickt“, informierte ich ihn, warum mein Gepäck nur aus einer Tasche bestand und Nami nickte. „Kid hat gesagt, dass er schon alles in dein Zimmer gebracht hat.“ Und so stiegen wir ein und fuhren los. So gut wie alles erinnerte mich an früher, ob es die Umgebung war oder die Atmosphäre im Auto, konnte ich nicht sagen. Zum ersten Mal seit langem fühlte ich mich allerdings wirklich gut. Das Gefühl der Geborgenheit suchte mich zum ersten Mal seit langer Zeit heim und setzte sich in meinem Inneren fest. Es wärmte mich, gab mir das Gefühl, hier willkommen zu sein. Wahrscheinlich hatte mein Großvater wirklich recht gehabt, als er sagte, dass dies nun der beste Ort für mich sei. „Die Anderen kommen später auch noch dazu“, erklärte Nami und versuchte gleichzeitig Zorro zu navigieren, der sich ohne sie sicherlich schon tausendmal verfahren hätte. Sie seufzte. „Verdammt, Zorro, du musst jetzt rechts abbiegen!“, versuchte sie ihn auf die Abzweigung aufmerksam zu machen, während er genervt mit den Augen rollte. „Ich weiß“, keifte er sie an, obwohl wir alle vom Gegenteil überzeugt waren. „Jedenfalls“, fuhr Nami etwas gereizter fort, „treffen wir uns später noch mit Lysop und Chopper in Robins Café. Sie sind alle neugierig darauf, was du zu erzählen hast.“ Dabei gab es nicht einmal wirklich viel zu erzählen, wie ich fand. Vielleicht eher von ihrer Seite aus, doch bei mir hatte sich kaum etwas geändert. Ich biss mir auf die Unterlippe, als mir klar wurde, dass das Einzige, was wirklich ein Gespräch wert war, letztes Jahr stattgefunden hatte. Doch darüber wollte ich nicht reden. Ich konnte es einfach nicht. „Verdammt, Zorro!“, schrie plötzlich Sanji neben mir, sodass ich augenblicklich zusammen zuckte. Er klatschte sich vor Verzweiflung mit der Hand auf die Stirn. „Du hast die Abzweigung verpasst, Vollidiot.“ „Wenn nennst du hier Vollidiot, Blondie?“, kam es nun überaus gereizt von Zorro, der einen Killerblick in den Rückspiegel warf. Seine Augen musterten Sanji. „Jetzt, wo ich dich sehe, fällt mir ein, dass ich noch den Müll raus bringen muss“, warf er noch ein und ein provokantes Grinsen erschien auf seinen Lippen, welches ich durch den Rückspiegel erkennen konnte. Sanji kniff seine braunen Augen zusammen, während ich schon beinahe sehen konnte, wie sein Kopf nach einer guten, provokanten Antwort suchte. „Wenn Dummheit schön machen könnte, hätte sie bei dir wohl ganz versagt, Mooskopf“, konterte er letztendlich bissig. Ehe Zorro etwas erwidern konnte, brachte Nami sich alles andere als freundlich klingend ein. „Könnt ihr nicht einmal eure Klappe halten? Zorro, konzentrier' dich endlich auf die beschissene Straße und fahr was langsamer, wenn du nicht wieder deinen Führerschein abgenommen bekommen möchtest. Und du Sanji“, sie warf einen ihrer Killerblicke, die viel effektiver waren nach hinten, „guckst aus dem Fenster und überlässt mir die Navigation bei diesem hoffnungslosem Idioten.“ Sie beide seufzten synchron, taten allerdings das, was Nami ihnen sagte, weshalb ich lachen musste und gleich alle Blicke auf mir spürte. „Ihr habt euch kein bisschen verändert und dann sagt ihr zu mir, dass ich nicht erwachsen geworden sei.“ Für diesen Satz bekam ich gleich drei Kopfnüsse, die mich schmollend meine Arme verschränken ließen.  „Ich habe mich verändert“, Sanji fingerte sich stolz aussehend eine Zigarette aus seiner Tasche und zündete sie an. Er blies den Rauch aus dem geöffnetem Fenster und grinste. „Ich träume nicht mehr von Frauen, sondern bekomme Echte ab“, erklärte er überzeugt, während Nami und Zorro anfingen zu lachen. „Meint er etwa SexyAmy?“, fragte Zorro darauf und prustete erneut los. Es hörte sich fast so an, als würde er keine Luft mehr kriegen. Etwas, was man nicht oft von ihm zu hören bekam, zumal er eher zu den mürrischen Menschen auf dieser Welt gehörte. Nami wischte sich Lachtränen aus den Augen. „Nein, ich bin mir total sicher, dass er LadyMaria meint.“ „Wer ist bitte SexyAmy?“, fragte ich grinsend, mich in Gedanken über den Namen lustigmachend und bekam dafür einen amüsierten Blick von Zorro zugeworfen, der sich wieder einigermaßen eingekriegt hatte. „Eine von Sanjis echten Frauen“, grinste er, seine Stimme triefte vor Sarkasmus.  Nami kicherte. „Er hat sie auf einer Dating Seite kennengelernt... bei dem Treffen kam allerdings raus, dass sie nicht 16, sondern 60 ist... und dass sie Sanjis Augenbrauen überaus attraktiv findet.“ Nun musste ich anfangen zu lachen. Sanji und Frauen... das waren wirklich zwei Dinge, die einfach nicht zusammen passten und auch nie zusammen passen würden. Schon in der Elementary hatte er es immer wieder geschafft, sich bei jeglichen weiblichen Wesen unbeliebt zu machen. Ich weiß noch, wie sauer er immer gewesen war, wenn ich mit Mädchen gesprochen hatte. Obwohl ich mich noch nie ernsthaft für eines interessiert hatte. Sanji hatte währenddessen seine Arme verschränkt und biss ärgerlich auf seine qualmende Zigarette. „Haltet doch einfach eure Fresse“, schien sein genervter Blick zu sagen, der mich allerdings nur noch stärker lachen ließ, sodass mein Bauch fast schon schmerzte. „Bei dem Mooskopf läuft es nur besser, weil er es ins Footballteam geschafft hat“, der Blonde schmiss seine Zigarette aus dem Fenster und schloss es dann endgültig. Sein Blick fokussierte den Grünhaarigen mit einer gewissen Gereiztheit. Nami verdrehte darauf die Augen. Es schien, als ob sie ihm zustimmen wollte. „Zorro ist das komplette Gegenteil von Sanji. Jeden zweiten Tag hat er eine andere, echte Frau. Das ist nicht auszuhalten.“ „Bist du etwa eifersüchtig?“, Ironie schwang in der Stimme des Grünhaarigen mit, als er seiner besten Freundin einen belustigten Seitenblick zuwarf. Er machte Spaß, das war uns allen klar. In ihren Augen blitzte allerdings für einen Moment etwas Undeutbares auf, ehe auch sie ein gekünsteltes Grinsen auf ihre Lippen legte. „Natürlich“, kam ihre Antwort, in dem selben ironischen Tonfall, wie die des Grünhaarigen.  Ich beobachtete sie überaus skeptisch. Ich war alles andere als sicher, dass das, was sie gerade von sich gegeben hatte, wirklich ernst gemeint war. Sie schien irgendetwas verstecken zu wollen und Zorro, welcher nichts von Sensibilität verstand, sah dies natürlich nicht. „Und möchtest du nicht mal von dir erzählen?“, warf der Grünhaarige plötzlich ein, weshalb Nami automatisch ihre Stirn runzelte.  „Es gibt nichts zu sagen, schätze ich“, meinte sie nach kurzer Bedenkzeit, woraufhin Sanji energisch den Kopf schüttelte. „Was ist mit der Band, die dich zu ihrer Leadsängerin gemacht hat?“ „Oder deinem inzwischen noch schlimmer gewordenen Egoismus?“, fragte Zorro, der sogleich eine Kopfnuss erhielt.  „Gleich steigst du aus!“, drohte Nami mit erhobenem Zeigefinger, sodass er grummelnd weiterfuhr und der Orangehaarigen immer wieder einen beleidigten Seitenblick zuwarf. „Eine Band?“, fragte ich interessiert, woraufhin die Orangehaarige ihren Blick von Zorro abwand und erfreut nickte. „Seit einem Jahr bin ich Leadsängerin, ist das nicht toll? Besonders, weil es neben der Schule so gut klappt und ich echt viel Geld damit verdiene.“ Bei dem Wort Schule, verdunkelte sich mein Blick allerdings sofort, was auch sie merkte. Die Highschool war ein Ort für mich, an dem es die meisten Erinnerungen gab. „Bist du überhaupt vorbereitet? Du weißt, dass es gleich morgen losgeht oder?“, fragte sie fürsorglich nach, während sich auf ihrer Stirn die bekannte Sorgenfalte bildete. Ich nickte nur, auch wenn meine Vorbereitung zu wünschen übrig ließ. „Mir wäre es nur lieber, wenn sie mich nicht so sehr an Ace erinnern würde“, gab ich mit zusammengebissenen Zähnen zu. Beinahe sofort verdunkelten sich ebenfalls die Blicke meiner Freunde.  Es wurde ziemlich still im Auto. Das einzige Geräusch machte der Motor. Auch die Atmosphäre wirkte plötzlich anders. Voller Spannung und Kälte, kaum auszuhalten. Doch niemand traute sich, diese Spannung zu durchbrechen und so blieben wir still sitzen. Zumindest bis der Audi irgendwann zum Stehen kam. „Gut gemacht, Zorro“, lobte Nami den Grünhaarigen, der sie daraufhin böse anfunkelte und durchbrach damit endlich die störende Stille. Ein paar Sekunden später stiegen wir auch schon aus und die warme Luft von draußen empfing mich, vertrieb die restliche Kälte aus meinen Gliedern. Vor uns lag ein großes Mehrfamilienhaus. Und genau in diesem würde ich fortan leben. An sich war es nichts Besonderes. Weiße Steinwände, ein flaches Dach, kleine Fenster. Doch ich war trotz dessen aufgeregt. Automatisch malte ich mir aus, wie ich das Haus verlassen und zur Schule gehen würde. In aller Frühe, wenn die Sonne aufging und es noch nicht ganz so warm war. Hoffentlich würde ein Lächeln auf meinen Lippen liegen, wenn ich die Tür hinter mir schloss. Denn das war es, was ich hier erreichen wollte. Meine beste Freundin deutete nach kurzer Betrachtung des Gebäudes auf eine Wohnung in der zweiten Etage. „Das Zimmer ganz rechts ist deins“, lächelte sie, ehe sie mich fragend anblickte. „Lust es anzusehen?“ Kapitel 2: New acquaintances ---------------------------- Der muffige Geruch des Treppenhauses kroch in meine Nase, als ich zusammen mit meiner besten Freundin die letzten Treppenstufen zu meinem zukünftigem Zuhause erklomm. Ich war schon wieder total aufgeregt, meine Hände schwitzten dauerhaft, sodass ich mir gar nicht mehr die Mühe machte sie an meiner Hose abzuwischen. Zorro und Sanji hatten sich vor geschätzten fünf Minuten auf den Weg zum Café gemacht, in dem wir uns später treffen würden. Sie wollten uns scheinbar nicht begleiten. Vor einer Tür mit der Nummer 8 hielten wir schließlich an. Nami lächelte freudig und drückte auf die Klingel rechts neben der Tür. „Erschreck dich nicht“, bat sie mich, während wir darauf warteten, dass die Tür geöffnet wurde. „Warum sollte i-“, setzte ich überrascht an, wurde jedoch durch das Öffnen der Wohnungstür unterbrochen. „Oh“, entkam es mir, als ich verstand, was Nami meinte. Der Mann, der soeben die Tür geöffnet hatte, war nicht nur um die zwei Meter groß, sondern schaute auch nicht wirklich freundlich auf uns herab. Seine rotorangen Haare, die Namis zum Verwechseln ähnlich sahen, standen wild von seinem Kopf ab und er fing an uns mit seinen goldenen Augen zu mustern. Er trug eine Jogginghose, passend zu seinem grauen T-Shirt und einer winzigen goldenen Kette, die auf seiner muskulösen Brust lag. „Brüderchen“, trällerte Nami, nahm mein Handgelenk und schob sich mit mir im Schlepptau an Kid, der scheinbar ihr Bruder war, vorbei in die Wohnung. „Ja, natürlich darfst du reinkommen, was für eine Frage“, entgegnete Kid ironisch und schloss die Tür mit einem leichten Tritt nach hinten. Seufzend reichte er mir die Hand, der zunächst unfreundliche Ausdruck auf seinem Gesicht war verschwunden. Ich nahm diese und schüttelte sie. „Kid“, entgegnete er kurz. „Ruffy“, stellte ich mich ebenfalls vor. Er grinste. „Hab schon viel von dir gehört.“ Meine Augenbraue wanderte in die Höhe. „Ach wirklich?“, fragte ich ihn interessiert und warf Nami einen kurzen Seitenblick zu. „Oh ja“, entgegnete er und gebot mit einer Handbewegung, dass wir uns auf die Sofas, die gleich beim Eingangsbereich waren, setzen sollten. Ich stellte meinen Koffer ab, ehe wir seiner Bitte nachgingen. Er verschwand kurz in einen anderen Raum und kehrte mit drei Gläsern Wasser wieder zurück. Kid stellte sie auf dem Couchtisch vor uns ab und setzte sich dann auf die Couch uns gegenüber. „Beinahe jeden verdammten Tag rief Nami hier an und erinnerte mich daran, dass ich noch alles aufräumen soll. So eine Art Mutter, nur noch viel schlimmer“, er rollte genervt die Augen, während Nami ihm einen empörten Blick zuwarf. „Ich will nicht wissen, wie es hier aussehen würde, wenn ich es nicht getan hätte“, warf sie bissig ein, was mich dazu veranlasste mich umzusehen. Dass hier erst vor kurzem aufgeräumt worden war, war deutlich zu erkennen. Es kam mir beinahe so vor, als würde sich nicht mal mehr ein Staubkörnchen auf den Möbeln befinden. Das Wohnzimmer, in dem wir uns gerade befanden, gefiel mir ziemlich gut. Während der Boden aus einem hellen Parkett bestand, war die Wand dunkelrot tapeziert. Die Möbel waren in Weiß gehalten, was einen schönen Kontrast darstellte. Neben der Tür befand sich zunächst ein Kleiderhaken, der mit Jacken überfüllt war. Gleich daneben, in der Mitte des Raumes, standen die zwei Sofas, in deren Mitte sich ein Glastisch befand und links davon auch noch ein großer Fernseher, vor dem einige DVDs lagen. An den Wänden waren einige Bücherregale und Schränke, sowie Fenster, welche das Zimmer mit Licht durchfluteten. Kid zuckte mit den Schultern. „Ich hab nicht aufgeräumt, sondern Trafalgar.“ Nami seufzte. „Warum war mir das klar?“, fragte sie eher sich, als den Rothaarigen. „Wo wir schon bei Law sind, wo ist er eigentlich?“, fragte sie ihren Bruder, der darauf genervt die Augen verdrehte. „Wir hatten heute Morgen einen kleinen Streit“, meinte er konfus, „und dann ist er gegangen.“ „Wie immer“, entgegnete Nami und seufzte erneut. Ich nahm mir ein Glas Wasser vom Tisch und nippte ein paar Male daran, während ich mich fragte, weshalb die beiden sich wohl gestritten haben könnten. „Willst du dir den Rest der Wohnung ansehen?“, fragte Kid schließlich, nach ein paar Sekunden der Stille, woraufhin ich gespannt nickte. Er richtete sich mit einem kleinem Lächeln auf und ging in den Raum, aus dem er eben erst das Wasser geholt hatte. „Das ist die Küche“, meinte er, als ich diese betrat und ließ mir kurz Zeit alles zu überblicken. Sie war nicht wirklich groß, es gab einen kleineren Kühlschrank, neben dem eine leere Bierkiste stand, eine lange Theke, sowie Schränke und einen Esstisch in der rechten Ecke, an dem vier Klappstühle standen. Er deutete auf eine andere Tür. „Da ist die Vorratskammer.“ Kurz darauf verließen wir den Raum auch schon wieder und er zeigte mir das Bad, welches auch etwas kleiner, dafür aber ziemlich hell und sauber schien. Als letztes kam er zu meinem Zimmer. Seines und das unseres dritten Mitbewohners ließ er aus, warum auch immer. Ich staunte nicht schlecht, als ich das Zimmer betrat und bemerkte, dass meine beiden Mitbewohner meine Möbel als „Willkommensgeschenk“ bereits aufgestellt hatten. Auch meine Kartons mit persönlichen Sachen standen bereits in einer Ecke. Die Wände waren violett und parallel zu der Tür erleuchtete ein großes Fenster den Raum, unter dem mein Kingsize Bett seinen Platz gefunden hatte. Gleich daneben stand ein Nachttisch aus Glas, während sich an der Wand rechts ein Kleiderschrank und ein kleiner Spiegel befanden. In einer Ecke standen ein leeres Regal, ein Sessel und eine Stehlampe, die den Rest des Zimmers ausfüllten. Glücklich, wie ich war, drehte ich mich zu Kid um, der sich lässig an den Türrahmen gelehnt hatte und mich amüsiert betrachtete. „Danke!“, rief ich erfreut, Kid jedoch winkte ab. „Kein Problem. Ich hoffe dich stört die Farbe der Tapete nicht, vorher hat hier eine Tunte gewohnt.“ Ich lachte auf und schüttelte den Kopf. „Geht schon.“ Kid nickte. „Nun kommen wir zu den zehn magischen Regeln“, sagte er. „Magische Regeln?“, fragte ich etwas verwirrt nach, während Nami sich auf meinem Bett niederließ. „Lass es einfach über dich ergehen“, seufzte sie und kuschelte sich in meine weiße Bettdecke ein. Kid warf seiner kleinen Schwester einen bösen Blick zu, ehe er mich wieder ansah. „Diese Regeln wurden aufgestellt, nachdem wir unseren letzten Mitbewohner, genannt „die Tunte“ rausgeekelt haben“, erklärte er und klang dabei ziemlich ernst. „Und wieso zehn?“, fragte ich noch immer verwirrt. Kid zuckte mit den Schultern. „Hört sich besser an“, gab er die Antwort, die mich zum Schmunzeln brachte. „Nummer eins“, begann er. „Keine One-Night-Stands, egal welchem Geschlecht sie angehören, verstanden?“ Ich nickte. „Nummer zwei“, fuhr er fort. „Der Schokopudding im Kühlschrank gehört verdammt nochmal mir.“ Er sprach es in so einem verärgertem Ton aus, dass ich am Liebsten ein salutierendes „Ja Sir!“ von mir gegeben hätte. „Nummer drei. Es gibt einen Putzplan und der wird eingehalten.“ Bei dem Gedanken daran putzen zu müssen, wurde mir schon schlecht, doch das würde ich wohl über mich ergehen lassen müssen, wenn ich nicht so wie „die Tunte“ enden wollte. „Nummer vier“, er grinste, „betritt niemals mein Zimmer, egal was passiert.“ Aus irgendeinem Grund beunruhigte mich diese Regel, jedoch nickte ich einfach vorsichtig und gab ihm damit das Zeichen zum Weiterreden. „Nummer fünf... Wenn du kacken warst, machst du das Klo gefälligst sauber.“ Irritiert nickend versuchte ich nicht mein Gesicht zu verziehen. Wenn das für die Mitglieder dieser Wohngemeinschaft nicht selbstverständlich war, mussten das wirklich sehr seltsame Menschen sein... „Nummer sechs“, er schien langsam genervt von seinen eigenen Worten, „nur ich darf Trafalgar provozieren. Nur ich. Okay?“ Ich nickte erneut, es schien mir nicht so, als würde es etwas bringen klare Antworten zu geben, da er sowieso davon ausging, dass ich unter allen Umständen seine Regeln befolgen würde. „Kommen wir zu Nummer sieben – Sollte ich dich jemals dabei erwischen, wie du mit meiner Playstation zockst, ermorde ich dich.“ Die Regeln, die sie wohl ziemlich mühsam aufgestellt hatten, erschienen mir langsam wirklich unsinnig und ich fragte mich, ob er das alles überhaupt ernst meinte. „Nummer acht, betrete niemals Trafalgars Zimmer ohne anzuklopfen. Er wird richtig zickig, wenn du das machst.“ Ein Grinsen zeichnete sich auf seinen Gesicht ab. Scheinbar wusste er nur zu gut wovon er redete. „Nummer neun: Keine, und mit keine meine ich auch keine, Masturbation in der Dusche. So und die letzte Regel, wir nennen sie auch die „Three-Strikes-Regel“: Wer dreimal Scheiße baut und gegen die Regeln verstößt, kann sich mit sofortiger Wirkung eine neue Bleibe suchen.“ „Verstanden“, grinste ich, jedoch schien ihm noch etwas einzufallen. „Ach ja und länger als fünf Minuten warm duschen ist auch nicht erlaubt. Heutzutage sind die Wasserpreise arschteuer.“ Ich sah ihn entsetzt an, da ich ein Warmduscher war und gar nicht daran gewöhnt war unter zehn Minuten zu duschen. „Und was ist, wenn ich es doch mache?“, fragte ich ihn. Er grinste. „Dann kommen wir wieder zur Three-Strikes-Regel zurück.“ Schmollend wendete ich mich ab. Seine behinderten Regeln waren verdammt gut durchdacht. Er klatschte in die Hände, während sich ein zufriedener Ausdruck auf sein Gesicht legte. „Das war's.“ Zwar war ich etwas überfordert, gab jedoch ein „Okay“ von mir. Nami richtete sich nach dem Ende von Kids Vortrag auf und gähnte. „Da du jetzt endlich fertig bist, können wir ins Café, um die anderen zu treffen“, meinte sie, woraufhin Kid die Arme verschränkte. „Was heißt hier endlich? Das sind überlebenswichtige Regeln gewesen“, beteuerte er, während Nami den Raum verließ. „Jaja“, murmelte sie dabei, allerdings lag ein amüsierter Ausdruck auf ihrem Gesicht. Nachdem wir uns von Kid verabschiedet und wieder ins Treppenhaus begeben hatten, lachte Nami auf. „Er war freundlicher als gedacht“, kicherte sie, weshalb ich sie mit einem fragendem Blick bedachte. „Wie meinst du das?“, fragte ich sie mit dem Kopf zu ihr nach hinten gedreht und stieg die ersten Stufen hinab. Sie zuckte mit den Schultern. „Ich hatte gedacht, dass er sich nicht von seiner freundlichen Seite zeigen würde. Schließlich ist er kein Fan von Fremden“, sie folgte mir die Treppe runter, „ Aber -“, Nami unterbrach sich selbst und sah mich mit großen Augen an. „Ruffy, pass auf!“, rief die Orangehaarige noch, jedoch knallte ich schon in diesem Moment gegen eine Person und fiel ungemütlich auf mein Hinterteil. „Fuck“, stöhnte ich auf und kniff die Augen vor Schmerz, der in diesem Moment durch meinen Körper strömte, zusammen. „Oh, tut mir leid“, hörte ich eine tiefe Stimme vor mir sagen, ehe ich wieder die Augen öffnete und die Person, die sich soeben in meinen Unfall verwickelt hatte, fixierte. Sogleich kroch ein ungewöhnlich warmes Gefühl durch meinen Körper und ich konnte meine Augen nicht mehr von meinem Gegenüber lösen. Mein Herz schlug plötzlich seltsam schnell, wahrscheinlich sogar viel zu schnell. Der Fremde, gegen den ich soeben gelaufen war, besaß schwarzes, leicht verwuscheltes Haar, einen Kinnbart, seitliche Koteletten und graublaue Augen, die mich freundlich musterten. Seine sonnengeküsste Haut war von einem gelben Sweatshirt und einer Jeans umhüllt, welche aus irgendeinem Grund perfekt zu ihm passten. Er streckte mir seine tätowierte Hand entgegen, allerdings realisierte ich erst nach ein paar Sekunden, in denen ich irritiert auf diese schaute, dass er mir hoch helfen wollte. Ich räusperte mich und gab ihm meine Hand, die bei der Berührung mit seiner sogleich anfing heftig zu kribbeln. Als ich wieder auf den Beinen war, wendete ich verlegen meinen Blick ab und versteckte meine Hände in meinen Hosentaschen. Was war das gerade gewesen? Und warum verdammt nochmal schlug mein Herz so schnell? Ich hatte wirklich Angst, dass jeder in meinem Umfeld es deutlich hören konnte. „Oh, was für ein Zufall“, hörte ich die Stimme von Nami hinter mir. Sie stellte sich neben mich auf die vorletzte Stufe und lächelte den Unbekannten an. „Law! Ich dachte schon, du würdest heute nicht mehr kommen“, meinte sie und lehnte sich an das Geländer rechts von sich. „Ruffy, das ist Law, dein zweiter Mitbewohner und von euch dreien wahrscheinlich auch der Vernünftigste“, erklärte sie mir lachend. Law musterte mich interessiert. „Du bist also Ruffy“, lächelte er. „Freut mich.“ „Mich auch“, antwortete ich krächzend und hätte mich gleich darauf für den merkwürdig unsicheren Ton in meiner Stimme ohrfeigen können. Was zur Hölle war nur los mit mir? Vielleicht war ich müde, schließlich hatte ich schon einen langen Tag hinter mir. Oh nein, es war sicherlich das heiße Wetter oder der Hunger, den ich gerade verspürte. Jedenfalls redete ich mir das ein. Erleichtert stellte ich fest, dass keinem von beidem die Veränderung meines Zustandes aufgefallen zu sein schien. „Ähm, wir wollten gerade ins Café zu ein paar Freunden. Hast du nicht Lust mitzukommen?“, fragte sie Law, der daraufhin wissend grinste. „Du hast keine Lust Geld für ein Taxi auszugeben oder?“, fragte er die Orangehaarige, die ebenfalls zu grinsen begann. „Du kennst mich“, war ihre simple Antwort. Kapitel 3: Conversations ------------------------ Es war schon etwas später, als wir an Robins Café ankamen. Law parkte auf dem Bürgersteig und schaltete anschließend den Wagen ab. Wir stiegen aus und betraten dann das gelb angestrichene Gebäude, das in einem befülltem Viertel der Stadt lag. Bereits jetzt stieg mir der Geruch von leckerem Essen in die Nase und ich musste aufpassen, damit ich nicht sabberte wie ein Wasserfall. „Hast du Hunger?“, Law schien amüsiert, Nami winkte jedoch ab. „Ruffy hat immer Hunger, gewöhn dich schon mal dran.“ Ich wollte gerade beleidigt protestieren, da stieß mein Blick auf meine Freunde, die sich allesamt in einer Ecke an einem großen Tisch versammelt hatten. Gleich daneben standen noch viele andere Tische und passende Stühle in einem sehr modernem Stil. Am anderen Ende des Raumes konnte ich die Theke erkennen, hinter der gerade niemand zu sehen war. Grinsend gingen wir auf meine Freunde zu, sodass sie uns der Reihe nach bemerkten. „Ruffy!“, Vivi stürmte auf mich zu und zog mich in eine Umarmung. Grinsend musterte ich ihren blauen Haarschopf, während mich ein warmes Gefühl überkam. „Hey“, erwiderte ich ihre Umarmung. Sie sah zu mir hoch und ließ mich erst langsam wieder los. „Ich bin froh, dass du wieder da bist“, lächelte sie freudig. „Ich auch“, entgegnete ich zaghaft und musterte sie noch einmal genauer. Seit dem Tag, an dem ich meine Heimat verlassen hatte, hatte sie sich ziemlich verändert. Sie trug ihre blauen Haare, die sie wohl gefärbt hatte, in einem Zopf, während ihre geschminkten braunen Augen mich glücklich anblickten. Genauso wie Nami trug sie ein Kleid, jedoch war ihres weiß und passte gut zu ihren blauen Schuhen. Auch Chopper und Lysop kamen auf mich zu. Der Schwarzhaarige, dessen langen Haare zu einem Zopf gebunden in seinem Nacken lagen, boxte mir freundschaftlich gegen die Schulter. „Wurde Zeit, dass du zurück kommst.“ Chopper nickte zustimmend und sah mich glücklich an. Mit geschätzten 1,60 Metern war er noch immer ziemlich klein und musste zu mir aufblicken. Seine haselnussbraunen Augen musterten mich strahlend und seine hellen Haare standen wild von seinem Kopf ab, so wie ich es von ihm kannte. Sie beide waren sehr luftig gekleidet, so wie jeder an diesem heißen Tag, wenn man von Law absah. Wir setzten uns an den Tisch und ich schnappte mir schnell die Speisekarte vom Tisch. „Hunger“, erklärte ich meinen Freunden, die sich ein Lächeln nicht verkneifen konnten. „Wäre komisch, wenn nicht“, entgegnete Zorro, der einen bösen Blick zugeworfen bekam. Ich entschied mich für ein Stück Kuchen, einen Donut und ein Eis, mein Magen würde es mir sicherlich danken. Auch Robin, eine ältere Freundin von uns, der auch gleichzeitig das Café gehörte, kam und begrüßte mich. Ich freute mich sie alle wieder zu sehen und strahlte in die Runde. Schon lange war ich nicht mehr so glücklich gewesen, wie jetzt. „Also Ruffy, erzähl schon!“, verlangte Vivi und legte sich eine blaue Strähne hinter ihr Ohr. „Ja, wie war es in Georgia?“, stimmte Lysop ihr aufgeregt fragend zu. Ich schluckte den Rest meines Kuchens herunter und überlegte was ich erzählen könnte, bevor ich mich für die Zeit kurz nach dem Umzug entschied. „Als ich dort ankam, dachte ich, dass ich mich niemals einleben würde, dafür ist hier zu viel passiert. Selbst nach drei Jahren hab ich mein Haus noch immer gehasst und wollte zurück.“ Ich lächelte über meine eigenen Worte. „Ich hab dort nicht sehr viele Freunde gefunden, irgendwie waren die meisten auf meiner Schule ziemlich merkwürdig. Ace aber schon. Kaum waren drei Wochen um, da hatte er schon eine neue Freundin.“ Nami seufzte. „Genauso wie Zorro.“ Dieser hob entschuldigend seine Hände. „Ich habe eben meine Bedürfnisse“, erklärte er seine nächtliche Lieblingsaktivität, die Nami aus irgendeinem Grund aufregte. Ich beschloss sie später darauf anzusprechen. „Du..“, Nami zögerte und sah mich nervös an, „du hast nie erzählt wie er genau gestorben ist“, meinte sie und ich nickte langsam. Vielleicht war das ungerecht von mir gewesen, da meine Freunde Ace auch kannten und sich sogar ein wenig mit ihm angefreundet hatten. Doch ich war nicht dazu bereit gewesen, hatte meine Zeit gebraucht. „Es war ein schlimmer Autounfall“, sagte ich kurz. „Er war betrunken und kam von der Straße ab, anschließend krachte er in einen Baum.“ Ich atmete aus, da ich spürte, wie sich mein Herz erneut zusammenzog. Der Schmerz, den ich empfunden hatte, als mein Großvater mir die Nachricht überbrachte, war nun noch immer so schlimm wie in dieser Sekunde. „Er war sofort tot“, fügte ich leise hinzu. Meine Freunde sahen zu Boden, einzig Law, der mir gegenüber saß, musterte mich mit ausdruckslosen Augen. Aus irgendeinem Grund verwirrte mich sein Blick. Ich wusste nicht, was er gerade dachte oder wie viel er überhaupt von meinen Worten verstand, im Grunde genommen reagierte er nicht einmal wirklich. „Das tut mir so leid“, meldete sich Vivi schließlich besorgt klingend zu Wort. Ich wand meinen Blick von Law ab und sah zu ihr herüber. Ihr Gesicht war mit Mitgefühl übersät, wie ich seufzend zur Kenntnis nahm. „Es war richtig zu uns zu kommen“, lächelte Sanji und nahm einen Schluck von seinem Eiskaffee. Die anderen stimmten ihm zu. „Nun“, ich kratzte mir etwas verlegen am Hinterkopf, „was ist bei euch so passiert?“ Alle begannen zu grinsen. „Vieles“, war die Antwort. Lysop lachte laut los. „Dieser Depp“, er zeigte auf Chopper, „mischte auf Namis 'Sweet 16' Party die Drinks falsch. Plötzlich waren keine von denen mehr Alkoholfrei und nach drei Stunden waren alle so besoffen, dass sie im Garten übernachten mussten.“ Chopper plusterte seine Backen auf, was mich lachen ließ. „Mit dieser Geschichte zieht er mich jetzt seit Jahren auf!“, beschwerte er sich. „Du wirst es schon überleben“, meinte Nami wenig mitfühlend, musste allerdings über Choppers traurigen Blick lachen. „Erzähl lieber davon, wie du Sanjis Küche angezündet und den Toaster geschrottet hast? Oder wie du vor Jeff, der dich danach zerstückeln wollte, durch die Nachbarschaft geflohen bist?“, Namis Augen tränten fast vor Lachen, während Lysop mit aus Ärger verengten Augen zu ihr herüber sah. „Hab ich dir nicht Geld gezahlt, damit du Ruffy nichts davon erzählst?“, fragte er sie energisch. Die Orangehaarige zuckte mit den Schultern. „Zu wenig“, entschied sie und streckte ihm die Zunge entgegen. Vivi kicherte. „Das erinnert mich daran, dass Newgate dich fast von der Schule geschmissen hat, als du verlangt hast, dass er dir für das scheußliche Essen in der Cafeteria Schmerzensgeld zahlt.“ Zorro nickte grinsend. „Sie hat einfach nicht locker gelassen und irgendwann war er es leid.“ Er warf Nami einen kurzen Blick zu. „Verständlich“, murmelte er dabei und bekam eine Kopfnuss. „Sei gefälligst freundlich zu ihr!“, zischte Sanji, der ihn wütend ansah. „Bist du dumm?“, keifte Zorro ihn an, allerdings unterbrach er sich selbst nach wenigen Sekunden. „Was für eine Frage! Natürlich bist du das!“ Der Blondhaarige kniff die Augen zusammen. „Ich habe wenigstens keinen IQ von zehn und einen ausgeprägten Orientierungssinn.“ Er grinste triumphierend. „Ich wäre niemals dumm genug um mich in meinem eigenen Haus zu verlaufen.“ Zorro ballte seine Hände zu Fäusten und verzog seinen Mund zu einem bösem Grinsen. „Aber dumm genug um sich an dem Anblick einer nackten Barbiepuppe aufzugeilen, weil du keine Frau abkriegst?“ Ich erinnerte mich an die Ausnahme SexyAmy8 und begann zu lachen. Sanji schnappte nach Luft. „Das.. das stimmt doch gar nicht! Ich mach Püree aus dir, Moosschädel!“ Zorros Lachen verschwand augenblicklich und er setzte seinen Ich-töte-dich-Blick auf. „Von mir aus“, entgegnete er kühl. „Wir beide, hier und jetzt.“ Der Blonde wollte aufstehen. „Klar. Ich mach dich fertig, Arschgesicht.“ Im selben Moment wurde er jedoch unsanft in seinen Stuhl gedrückt und zeitgleich mit Zorro erhielt er eine Kopfnuss, die sie beide schmerzhaft aufstöhnen ließ. „Könnt ihr euch nicht wie beschissene, normale Menschen benehmen?!“, schrie die orangehaarige Übeltäterin sauer und ballte ihre Hände zu dicken Fäusten. Ihr Gesichtsausdruck ließ vermuten, dass man sie selbst mit Millionen Dollar nicht beruhigen konnte. Trotzdem hob ich langsam die Hände. „Beruhige dich Nami“, meinte ich mutig, allerdings fixierte sie mich darauf mit einem eiskalten Blick, der alle Alarmglocken in mir zum Schellen brachte. „Ruffy“, knurrte sie und verpasste mir ebenfalls eine Kopfnuss. „Schreib mir nicht vor, was ich zu tun habe“, ihre wütende Stimme wurde von einem leisen Lachen mir Gegenüber unterbrochen. Beinahe gleichzeitig sahen alle zu Law hinüber, der gerade das erste Mal lachte. Und es stand ihm außerordentlich gut, wie mir nun auffiel. „Ihr seid wirklich..“, begann er und wurde sofleich von meinen Freunden unterbrochen. „- laut?“ „-nervig?“ „-anders?“ „-peinlich?“ „-sexy?“ Er warf Zorro, von dem der letzte Einwurf gekommen war einen verstörten Blick zu, ehe er fortfuhr. „Merkwürdig“, war seiner Meinung nach das Wort, das uns am Besten beschrieb und ich musste ihm zustimmen. Auf einen Außenstehenden musste unsere verrückte Gruppe wirklich seltsam wirken. „Was ich noch sagen wollte“, Nami, die sich nach den Worten des Schwarzhaarigen einigermaßen beruhigt hatte, sah zu mir herüber, „dieses Wochenende steigt eine Party bei mir“, verkündete sie. Ich runzelte meine Stirn. „Zu welchem Anlass?“, wollte ich wissen. Sie grinste. „Eine Willkommensparty für dich.“ „Das ist nicht nötig“, wollte ich sagen, allerdings wusste ich jetzt schon, dass sie davon nicht mehr abzubringen war. „Ich lade aller aus unserer Jahrgangsstufe ein, außerdem noch ein paar Freunde.“ Sie wandte sich an Law. „Du kannst auch kommen und jemanden mitbringen, wenn du möchtest.“ Dieser nickte. „Warum eigentlich nicht?“, fragte er und mein Herz begann unweigerlich schneller zu schlagen. „Da fällt mir ein, Kid wollte bald nochmal zu eurem Vater fahren“, Law zuckte mit den Schultern. „Er wollte fragen, ob du mitkommst.“ Nami seufzte. Da Kid bei ihrem Vater und sie bei ihrer Mutter aufgewachsen war, hatten sie sich kaum gesehen und das war auch der Grund, warum meine Freunde und ich Kid noch nicht früher kennengelernt hatten. Oftmals erklärte Nami uns, dass es bestimmt irgendeinen Grund dafür käme, dass Kid mit seinem besten Freund hierher gezogen war, doch auch, dass sie einfach nicht darauf käme, weshalb. Sie zuckte mit den Schultern. „Sag ihm, dass ich es mir überlege“, bat sie und er nickte. Sein Gesicht war noch immer ausdruckslos. So langsam wurde ich neugierig und wollte mehr über meinen neuen Mitbewohner wissen. „Danke übrigens für mein Zimmer“, bedankte ich mich für das Aufstellen meiner Möbel. Law jedoch winkte ab. „Aber ich habe eine Frage; wie seid ihr auf diese bescheuerten zehn Regeln gekommen?“ Im Hintergrund begannen sich nun auch die anderen zu unterhalten. Ich hörte Nami und Vivi über irgendein Modegeschäft plaudern, während Sanji und Zorro sich anzischten und Chopper und Lysop über irgendeine TV-Show redeten. Law runzelte die Stirn. „Was für Regeln?“, fragte er mich, woraufhin ich sprachlos meinen Mund öffnete. Hatte Kid sich diese Regeln etwa auf die Schnelle ausgedacht? „Na, von wegen ich dürfte nicht warm duschen, seinen Schokopudding essen, eure Zimmer betreten oder...“ Law grinste, was meine Aufzählung unterbrach. Ich musterte ihn und sein schönes Lächeln, das mich irgendwie aus der Fassung brachte und mein Herz laut pochen ließ. Ich glaubte wirklich, dass wir gute Freunde werden könnten, zumindest wenn mein Gefühl mich nicht betrug. „Ich glaube, die hat er nur erfunden. Trotzdem mag er es nicht, wenn man seinen Schokopudding ist. Besonders nicht, wenn er sich die Mühe gemacht hat, seinen Namen mit Edding draufzuschreiben.“ „Sowas macht er?“, fragte ich lachend nach und erhielt einen zustimmenden Laut seitens Law. Kurz darauf unterbrach ich mein Lachen jedoch und seufzte auf. Dieser Idiot hatte mich angelogen und das bei unserer ersten Begegnung. „Aber er ist ansonsten eine relativ umgängliche Person“, erklärte Law mit einem freundlichen Ausdruck in den graublauen Augen. „Ich kenne ihn schon seit Jahren.“ „Wirklich?“, fragte ich ihn interessiert und wollte mehr wissen. Schließlich würde ich mit den beiden für mindestens ein Jahr zusammenleben, wenn nicht sogar noch länger. Jedoch hatte ich das Gefühl, dass es gut klappen würde. Und ich hoffte sehnlichst, dass ich dieses Gefühl nicht missverstand. Er nickte. „Schon seit der Grundschule.“ Mehr fügte er nicht hinzu, also fragte ich auch nicht nach. Ich wollte nicht zu neugierig wirken. Wenn er mir was erzählen wollte, würde er es sicher noch tun. „Und Nami hat mir erzählt, dass du in ihre Stufe gehst?“, fragte mich Law nun mit etwas mehr Emotionen in der Stimme, was mir versicherte, dass er interessiert daran war eine Unterhaltung mit mir zu führen. Ich nickte lächelnd. „Und was machst du?“, erkundigte ich mich neugierig. Law sah nämlich nicht wirklich so aus, als ob er noch seinen Abschluss machen müsste. Viel eher, als ob er schon einen festen Job, genauso wie ein festes Einkommen hatte. „Ich studiere Medizin“, erzählte er mir lächelnd. „Und später geht es dann in Richtung Chirurgie“, fügte er hinzu. Scheinbar hatte er schon einen genauen Plan. „Also ich weiß noch nichts mit meinem Leben anzufangen“, schmunzelte ich und dachte im selben Moment an die Worte meines Großvaters; „Du bist ein hoffnungsloser Fall, Ruffy! Du musst dir mal Gedanken um deine Zukunft machen, denn, seien wir ehrlich, was wird sonst aus dir?“ Law warf mir einen aufmunternden Blick zu. „Das kommt noch“, zwinkerte er. Allerdings konnte ich es nicht lassen in Gedanken ein Hoffentlich dranzuhängen. Es vergingen Stunden, in denen ich mich mit meinen Freunden unterhielt. Und es tat mir gut. Ich fand es sogar nicht einmal so schlimm morgen wieder in die Schule gehen zu müssen, so skurril das auch klang. Als es schon fast Abend war, schleppte Nami mich noch zum Einkaufen für meine aufgezwungene Willkommensparty mit. Zwar wollte ich nur noch ins Bett, doch konnte ich ihr diesen Wunsch genauso schlecht abschlagen. Außerdem könnte ich sie so auch auf ihr merkwürdiges Verhalten Zorro gegenüber ansprechen. Als wir den Supermarkt mit einem Einkaufswagen beladen betraten, lächelte sie mich an. „Das war ein toller Tag heute.“ Ich nickte ebenfalls lächelnd. „Ihr habt euch alle kaum verändert“, meinte ich erneut, während ich abfällig das Gemüse musterte, das langsam in unser Sichtfeld drang. „Kann ich nur zurück geben“, kicherte sie und schüttelte ihren Kopf. „Für einen Moment hat es sich so angefühlt..“ „wie früher?“, fragte ich und blickte sie warm an. Nami nickte. „Wie früher“, bestätigte sie fröhlich klingend. „Du hast wirklich gefehlt.“ Diese Worte heute so oft gehört zu haben, machte mich unsagbar glücklich. Ich fand es immer besser bei Grandpa ausgezogen zu sein, als würde mir dieser Tag immer wieder bestätigen wollen, dass hier alles perfekt sein würde. Bei den Chips angekommen, schmiss sie mehrere Packungen sowie Käse und Kräuterdips in den Wagen ohne auch nur ansatzweise auf den Preis zu sehen. Ich runzelte die Stirn. Das war nun wirklich untypisch für Nami. Als sie meinen verwirrten Blick bemerkte, lachte sie auf. „Du bezahlst“, bestimmte sie und sofort machte ihr Verhalten Sinn. Ich schüttelte den Kopf und seufzte. Es wäre auch zu schön gewesen einmal nichts bezahlen zu müssen. Danach packte sie noch verschiedene Getränke, inklusive Alkohol in den Wagen, während ich in meinem Kopf den ungefähren Preis auszurechnen versuchte, es daraufhin aber wieder aufgab. Wahrscheinlich würde es ein Vermögen kosten. „Nami?“, ich beschloss, dass nun ein guter Zeitpunkt war, um sie auf Zorro anzusprechen. Sie wand ihren Blick vom Regal ab und sah fragend zu mir. „Ich wollte dich fragen, was zwischen dir und Zorro los ist“, fragte ich ein wenig unbeholfen. Ich merkte wie sie sich leicht verspannte. „Was meinst du?“, fragte sie mit verdächtig hoher Stimme. Der Blick, der ihr daraufhin von mir zugeworfen wurde, ließ sie seufzen. Die Orangehaarige sah zu Boden. „Ich habe noch mit keinem drüber geredet“, erklärte sie mir leise. „Nicht einmal Vivi.“ Und bereits in diesem Moment kam das Gefühl in mir auf, dass das nichts Gutes bedeuten konnte. „Ich“, sie sah ein wenig hoffnungslos zu mir herüber, „weiß auch nicht warum ich immer so sauer werde, wenn Zorro etwas mit anderen Mädchen unternimmt. Zumindest wusste ich das zuerst nicht.“ Sie biss sich auf die Unterlippe. „Ich glaube, dass ich mich in ihn..“, sie unterbrach sich selbst und fuhr sich mit ihrer Hand laut ausatmend durch die Haare. „Ich will das nicht, wirklich“, erklärte sie und ich streichelte ihr aufmunternd über die Schulter. Sie musste die Worte nicht mehr aussprechen, damit ich sie verstand. „Ich bin sicher, dass das noch gut wird“, versicherte ich ihr. Ihre braunen Augen sahen mich warm an. „Danke“, murmelte sie leicht lächelnd. „Und... wie kommst du mit Law klar?“, wechselte sie rapide das Thema. Ich schmunzelte. So war sie schon immer; sprach man über etwas, was ihr Unangenehm war, so wechselte sie sofort das Thema. „Gut. Er ist sehr freundlich“, antwortete ich schließlich schlicht. Mehr konnte ich auch noch nicht sagen. Sie lächelte. „Schön, dass ihr klar kommt. Allerdings kann ich dir versichern, dass mein Bruder nicht so einfach ist.“ Ich grinste und verkniff mir ein „Liegt wohl in der Familie“. Nachdem wir alles besorgt hatten, gingen wir zur Kasse. Als der hohe Preis genannt wurde, sah Nami mich auffordernd an, sodass ich murrend mein Portemonnaie aus der Hosentasche zog. Diese Frau machte mich noch arm! Nicht einen Tag lang hatte ich Grandpas Kreditkarte für Notfälle und sie wurde sofort ausgenutzt. Dabei hatte er doch gesagt, dass ich sie Nami niemals zeigen sollte.. Bereits jetzt sah ich mich als ewiger Begleiter ihrer Shoppingtouren, da sie nun die Karte zu Gesicht bekommen hatte. Draußen angekommen, ließ mich die kalte Nachtluft lächeln. Sie erinnerte mich ein wenig an mein altes Zuhause und rief ein paar Erinnerungen in mir hervor, an die ich nur zu gerne dachte. „So“, Nami, die gerade alle gekauften Lebensmittel in dem von Zorro geliehenem Auto gepackt hatte, drehte sich zu mir um. „Soll ich dich noch nach Hause fahren?“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich finde schon den Weg, immerhin bin ich nicht Zorro.“ Sie lachte, ehe sie auf die Fahrertür zuging und sie öffnete. „Na dann, bis morgen. Und verschlaf bloß nicht.“ Mit diesen Worten stieg sie ein. Grinsend entfernte auch ich mich von dem Auto. Dafür konnte ich nun wirklich nicht garantieren. Wahrscheinlich wollte ich das auch gar nicht. Kapitel 4: First day -------------------- Schon beim Frühstück wusste ich, dass der heutige Tag nicht gut werden würde. Und das nicht nur, weil Kid mich um halb sieben mit lauter Musik weckte und ich dank ihm auch noch kalt duschen musste. Nein, der Gedanke an Schule vertrieb mir sogar jeglichen Appetit. Eine komplett neue Schule, neue, grausame Lehrer und neue Mitschüler... Schlecht gelaunt rührte ich in meinen inzwischen weichen Cornflakes herum, während meine Augenlider immer wieder nach unten klappten. Verdammt, warum musste die Schule so früh anfangen? Law und Kid, die mir gegenüber saßen, warfen sich belustigte Blicke zu, die ich so gut es ging ignorierte. „Du solltest dich beeilen, Ruffy“, wies Kid mich an. „Du kommst noch zu spät.“ Ich kommentierte diese Aussage mit einem Schnaufen, ehe ich mich daran machte meine aufgeweichten Cornflakes zu essen. Law nahm währenddessen einen Schluck von seinem Kaffee und beobachtete mich mit einem Grinsen auf den Lippen. „Du bist es wohl nicht gewohnt um diese Uhrzeit auf den Beinen zu sein, was?“, schlussfolgerte er. Ich schüttelte den Kopf. „Ich hatte ein Jahr Privatunterricht“, erklärte ich und unterdrückte mir ein lautes Gähnen. Als ich den Rest meines widerlichen Frühstücks zu mir genommen hatte, stellte ich das Geschirr schnell in die Spüle und zog mir meine Schuhe an. Kid hatte recht, ich musste mich beeilen. Da es heute ziemlich warm werden sollte, ließ ich meine Jacke an der Garderobe hängen. Ich schnappte mir nur meinen abgenutzten schwarzen Rucksack, den ich schon mindestens 8 Jahre besaß und schlüpfte in meine Turnschuhe. „Warte“, hörte ich, als ich gerade die Tür öffnen wollte, Laws ruhige Stimme sagen. „Ich komme mit.“ Ich blieb ruckartig stehen. Etwas wacher als zuvor wartete ich auf den Schwarzhaarigen, der kurz darauf in langer Jeans und einem T-Shirt erschien. Traurig sah ich seine Kleidung an, woraufhin er lachte. „Du magst keine Schuluniformen“, stellte er fest und betrachtete meine falsch gebundene Krawatte. Seufzend nickte ich und versuchte meine Krawatte neu zu binden. Allerdings verknotete ich sie so nur noch mehr. Law schüttelte nur den Kopf und trat an mich heran, um die Krawatte zu entknoten. Als er näher kam, verspannte ich mich automatisch. Schwer atmend sah ich ihm dabei zu, wie seine geschickten Hände den Stoff nahmen und sorgsam zu einem ordentlichen Knoten verbanden. „Danke“, stammelte ich peinlich berührt, als er seine Tasche schulterte und die Tür öffnete. Er drehte seinen Kopf kurz nach hinten. „Kein Problem“, war seine einfache Antwort, wobei auf seinen Lippen ein kleines Lächeln lag. Die Wirkung, die er auf mich hatte, verwirrt zur Kenntnis nehmend, folgte ich ihm aus der Wohnung heraus. Während ich mit dem Schwarzhaarigen zusammen den Weg zur Schule bestritt, erklärte er mir, dass die Uni, die er besuchte, direkt gegenüber lag. So könnten wir morgens zusammen hingehen. Zwar wusste ich nicht warum, doch war ich von der Idee begeistert. Law war etwas offener als gestern und erzählte mir ein wenig von seinem Studium. Zwar verstand ich nicht viel von Medizin, doch brachte es mich zum Lächeln, wie sehr ihn das Thema faszinierte und auf eine seltsame Art und Weise glücklich stimmte. Als die Schule langsam in Sicht kam, wurde meine Laune allerdings wieder schlechter. Traurig darüber, dass ich das Gespräch nun beenden musste, wandte ich mich an Law. „Bis heute Mittag“, lächelte ich, als wir zum Stehen kamen. Ich sah in seine grauen Augen, die wieder nichts über seine Gedanken aussagten und er sah in meine braunen. Mir kam der Gedanke, dass es mich auf Dauer wahnsinnig machen könnte nicht zu wissen was genau in ihm vorging. Schließlich konnte er jegliche Emotionen meinerseits ablesen. Ich war unkontrolliert, was dies betraf. Nach einem Blickwechsel, der mir endlos vorkam, klopfte er mir sanft auf die Schulter und warf mir einen aufmunternden Blick zu. Dann war er auch schon verschwunden. Ich sah mich kurz um und betrachtete lächelnd wie er sich entfernte. Er war undurchschaubar. Noch nie hatte ich jemanden wie ihn getroffen. Mit dem Gedanken daran, dass ich die Schule direkt rechts von mir nicht vergessen durfte, betrat ich den befüllten Hof der Crosswell High. Schon als ich in der Elementary gewesen war, hatte ich immer auf diese Schule gehen wollen. Für mich war es immer erstrebenswert gewesen, später mit meinen Freunden hier den Abschluss zu machen. Es kam mir wie ein Déjà-vu vor, als sich die Blicke vieler Schüler beim Betreten des Geländes in meine Richtung drängten. Wie vor vier Jahren. Allerdings war damals Ace bei mir gewesen. An ihn hatte ich mich hilflos klammern können, als wir neu an die Schule kamen. Doch heute war er nicht da und ich war den neugierigen Blicken ausgeliefert – dachte ich zumindest. Denn genau in diesem Moment sah ich den kleinen Kreis in einer Ecke des Schulhofes, aus dem besonders ein grüner und ein blauer Haarschopf heraus stachen. Mit schnellen Schritten ging ich auf die Gruppe zu. Schließlich drehte sich die Blauhaarige, die ich schon von weitem erkannt hatte, um. Als sie mich entdeckte, winkte sie mich hysterisch zu sich herüber. Mit einem erleichterten Lächeln auf den Lippen kam ich ihrer Aufforderung nach. „Hey“, rief Vivi freundlich, als ich näher kam. Ich begrüßte sie ebenfalls, während ich die anderen musterte, die bei ihr standen. Ich bemerkte Zorro, der allerdings damit beschäftigt war, verführerische Blicke mit einem braunhaarigem Mädchen zu tauschen, welches am anderen Ende des Schulhofes stand, sowie Nami, die ihn darauf mit bösen Blicken taxierte. Aber auch Lysop, Chopper und Sanji waren da. Allerdings erschienen sie mir so müde, dass sie gar nicht erst die Mühe aufbrachten ein Gespräch mit mir zu beginnen. „Du hast also nicht verschlafen?“, Nami wandte ihren Blick von Zorro ab und blickte in meine Richtung. „Doch nicht an meinem ersten Tag!“, erwiderte ich grinsend, als wäre mir das noch nie im Leben passiert. Sie hob die Augenbrauen an. „Mein Bruder hat dich aus den Federn geschmissen?“, riet sie. „Wortwörtlich“, murrte ich darauf und erinnerte mich an die abscheuliche Rockmusik, die mich aus meinem tiefen Schlaf gerissen hatte. Nami kannte ihren Bruder zu gut. Manchmal war es schon fast gruselig, wie gut sie seine Handlungen voraussehen konnte. Sanji gähnte laut und sah mit müden Augen zu mir herüber. „Oh, hallo Ruffy“, bemerkte er mich spät. „Du siehst aus als hättest du auch nicht viel geschlafen“, fügte er hinzu, während sich sein Rücken an der Wand des Schulgebäudes abstützte. „Im Gegensatz zu dir schon“, entgegnete ich, woraufhin er erneut gähnte. Nami schüttelte bloß den Kopf. „Gleich wird er ihn bei Akainu im Mathe Kurs nachholen und wir sind alle dran“, sah sie Voraus. Falls ich in ihren Mathe Kurs kam, hoffte ich, dass sie bei dieser Vorhersage nicht so richtig lag, wie bei denen, die sie bei Kid machte. Die Schulglocke ertönte laut und die Orangehaarige streckte sich. „Auf in den Kampf“, gähnte Sanji und bewegte sich zum Haupteingang hin. Lysop und Chopper folgten ihm ebenso müde. Zorro lachte. „Ich wette sie haben die Nacht wieder vor der Playstation verbracht“, meinte er und Nami stimmte ihm die Augen verdrehend zu. „Ich kann dich zum Sekretariat bringen, wenn du möchtest“, sagte die Orangehaarige danach. Ich nahm ihr Angebot dankend an. „Dann werde ich nach dem Kartoffelschäler Ausschau halten gehen. Nicht, dass er vor Müdigkeit schon auf die Fresse geflogen ist“, grinste Zorro und machte sich ebenfalls auf dem Weg zum Haupteingang. Und wenn Sanji noch nicht hingefallen war, dann wollte Zorro sicher dabei sein. Zumindest ging ich davon aus. Der Schulhof war nun leer. Nur noch Nami und ich waren verblieben. Sie sah dem Grünhaarigen noch lange wehmütig hinterher, ehe ich mich traute, dazwischen zu funken. „Nami, wir müssen gehen.“ Sie hörte mich scheinbar nicht. „Nami“, wiederholte ich. „Ich komme zu spät.“ Noch immer kam keine Reaktion und ich seufzte. Sie in die Wange piksend, versuchte ich es noch einmal. „Nami..“ Urplötzlich schaute sie zu mir und blickte verwirrt auf meinen Finger, der auf ihrer Wange ruhte. „Was machst du da?“, fragte sie verstört nach und entfernte meinen Finger wie einen Parasiten von ihrer Haut. Ich zuckte mit den Schultern, ehe sie aufseufzte. „Also, was wollten wir machen?“, fragte sie mich ein wenig verloren und fuhr sich durchs Haar. „Du wolltest mich ins Sekretariat bringen“, wiederholte ich monoton. „Ach ja“, schien es ihr einzufallen, „natürlich.“ Der Aufenthalt bei der Schulleitung dauerte nicht lange. Eine Sekretärin überreichte mir einen kleinen Bogen Papier, indem ich alles Mögliche fand. Dazu gehörte zum Beispiel mein Stundenplan und ein Raumplan, sowie die Schulregeln und viele andere Blätter, die ich meiner Meinung nach nicht wirklich benötigte. Nami hatte sich bereits von mir verabschiedet, bevor ich meine Sachen abgeholt hatte, weshalb ich alleine von der Sekretärin Kalifa mitgezogen wurde. Ihre unfassbar hohen Absätze hinterließen ein lautes Klacken auf dem blauen Marmorboden der Schule, während ihre großen Schritte es mir unglaublich schwer machten ihr zu folgen. Nach mindestens zehn Minuten hielten wir vor Raum 206 an. „Du hast heute zuerst Mathematik bei Akainu“, informierte sie mich freundlich, während mir alle Gesichtszüge entgleisten. Warum musste ich immer so ein verdammtes Pech haben? „Den Rest schaffst du alleine“, zwinkerte sie mir zu und entfernte sich wieder mit ohrenbetäubenden Schritten. Ein wenig verängstigt schaute ich auf die Tür. Wenn alles stimmte, was Nami mir über Akainu und seinen Unterricht erzählt hatte, dann würde ich untergehen, wie viele andere vor mir. Allerdings würde es bei mir noch viel schlimmer werden. Denn ich war der einzige, der mit großer Sicherheit sagen konnte, dass er die größte Niete in Mathe war. Nun ja, zumindest hatte ich so schon mal einen Kurs mit meinen Freunden und war nicht gleich alleine. Etwas Positives gab es also doch. Nachdem ich meinen ganzen Mut zusammengenommen hatte, klopfte ich an der Tür und öffnete sie anschließend. Sogleich stach mir der Pult ins Auge, auf dem ein großer, sonnengebräunter Mann saß. Seine kleinen Augen, die auf seinem markanten Gesicht lagen, bedachten mich mit einem eiskalten Blick. Er trug ein weißes Hemd und eine schwarze Hose, die deutlich seinen muskulösen Körper betonten. „Monkey D. Ruffy?“, fragte er mit einer tiefen Stimme und ich nickte schnell. Oh Gott, dieser Mann war mir jetzt schon unheimlich. Er nickte auf die Plätze rechts von mir zu. „Setzten Sie sich“, forderte er mich auf. Schnell warf ich einen Blick auf die Sitzenden und erkannte Nami und Sanji in der letzten Reihe. Der Platz neben Nami war frei, weshalb ich mich schnell dort niederließ. Froh darüber, dass ich den Blicken der anderen Schülern entkommen war, packte ich einen Block und einen Kugelschreiber aus meiner Tasche. Als ich den Kopf wieder nach vorne wandte, spürte ich den stechenden Blick meines neuen Lehrers auf mir. Er beunruhigte mich zutiefst. „Wie Sie bestimmt schon gehört haben, bin ich Mr. Akainu und unterrichte Mathematik und Sport“, informierte er mich kühl und ich nickte schnell. „Ich hoffe für Sie, dass Sie etwas auf dem Kasten haben, denn sonst können sie sich von einem schönen Schulalltag verabschieden.“ Damit wandte er sich wieder der Tafel zu. Ich schluckte hart. Das hörte sich alles andere als gut an... War das hier auch der Grundkurs? Plötzlich hatte ich nämlich das Gefühl, dass ich verloren war. Weitaus mehr verloren, als ich zu Beginn gedacht hatte. Während er unzählige Aufgaben und Formeln an die Tafel schrieb, warf ich Nami einen ängstlichen Blick zu, den sie mit einem Grinsen kommentierte. Sie zeigte nicht einmal Mitleid! Doch auch Sanji reagierte nicht, als ich ihn ansah. Er war viel zu beschäftigt seinen verlorenen Schlaf nachzuholen. Genau wie Nami gesagt hatte. Mann, wäre sie nicht meine beste Freundin hätte ich echt Angst vor ihr. Doch dies ging nicht lange gut. Der Blonde, der bereits leise schnarchte, wurde von einer lauten Faust, die auf seinen Tisch krachte wortwörtlich aus dem Schlaf gerissen. „Das ist nun schon das dritte Mal in dieser Woche, Mr. Evans“, knurrte der Braunhaarige wütend und bedachte ihn mit verengten Augen. Sanji, der sich mehr als nur erschreckt hatte, sah mit geweiteten Augen zu Akainu hinauf. „Heute begleiten Sie mich zum Direktor“, verkündete er nun und forderte Sanji dazu auf ihm zu folgen. Mit dem Blonden im Schlepptau, schlenderte Akainu zur Tür hinaus. Die Lippen meines Freundes formten ein stummes „Hilfe“, doch Nami und ich schüttelten zeitgleich den Kopf. „Wenn ich zurückkehre sind alle Aufgaben richtig gelöst. Zusätzlich macht ihr alle Aufgaben von Seite 17 bis 23. Und wagt es nicht voneinander abzuschreiben.“ Mit diesen drohenden Worten verschwand Akainu aus der Tür und ließ seinen stöhnenden Kurs zurück. Als sie geschlossen wurde, brach ein Tuscheln unter den Schülern aus. Ich hörte Sätze wie: „Na toll, Evans“ oder „Schon wieder“, was mich grinsen ließ. Sanji war wirklich unglaublich. Ein lautes Seufzen ertönte aus Namis Richtung. „Also hast du wirklich das Glück in unseren Kurs zu kommen“, meinte sie und ich nickte laut ausatmend. „Ist es richtig davon auszugehen, dass das die Hölle für dich wird?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nicht nur die Hölle Nami.“ Scheinbar wusste auch sie, dass ich die größte Niete war, was Mathematik anging. Als wir uns auf die Aufgaben konzentrierten, wusste ich bereits nichts mit ihnen anzufangen. Hilflos spickte ich immer wieder auf Namis Blatt. Sie schien nicht gerade schlecht zu sein. Nachdem die erste Stunde vorbei war, war Akainu noch immer nicht zurückgekehrt, was eine erleichterte Stimmung auslöste. Etwas neugierig schaute ich auf meinen Stundenplan. „Was hast du jetzt?“, fragte meine Orangehaarige Freundin lächelnd. „Physik bei Kizaru“, antwortete ich die Stirn runzelnd. Sie unterdrückte sich ein Lachen und klopfte mir mitfühlend auf die Schulter. „Wenn du in der Mittagspause noch nicht gestorben bist, gebe ich dir einen Milchshake aus“, grinste sie und erhob sich. „Bis später“, damit verließ sie den Raum. Ich sah ihr schlecht gelaunt hinterher. Sah ganz so aus, als hätte ich nicht gerade das große Los gezogen, was meine Lehrer anging. Gerade als ich mich aufrichtete, kam ein Mädchen mit schulterlangen blonden Haaren und braunen Augen auf mich zu. Sie lächelte mich freundlich an, weshalb ich zurück lächelte. „Hi, ich bin Kaya“, sagte sie und lehnte sich an den leeren Tisch vor mir. „Ruffy“, stellte ich mich noch einmal vor. „Ich habe gehört, dass du jetzt Physik hast“, nuschelte sie ein wenig beschämt, da sie Nami und mir zugehört hatte. Sie betrachtete mit rötlichen Wangen den Boden. „Wir könnten zusammen hingehen, wenn du willst.“ Ich belächelte kurz ihre Schüchternheit, ehe ich nickte. „Klar.“ Der erste Teil des Schultages ging daraufhin schnell vorbei. Auch wenn ich während des Unterrichtes bei Kizaru mehrere Male am Liebsten aus dem Fenster gesprungen wäre, hatte ich es überlebt. Zusammen mit Kaya, neben der ich nun in Physik saß, betrat ich die große Cafeteria und holte mir mein Mittagessen. Es bestand aus einem schlecht aussehendem Schleim und ein paar orangen Streifen, die ich als Karotten identifizierte. Vom optischen her definitiv nicht mein Lieblingsessen. „Möchtest du dich zu uns setzen?“, fragte ich Kaya, als sie ebenfalls etwas bekommen hatte. Ich zeigte dabei auf den Tisch an dem meine Freunde Platz genommen hatten. Sie nickte schnell und folgte mir. Als wir uns niederließen fiel mir gleich Sanji auf, der mit bösem Blick auf den gelben Schleim schaute. Im selben Moment ließ sich Nami neben ihm nieder und platzierte ihr Tablett neben dem seinen. „Wie ist es gelaufen?“, fragte sie Sanji, der darauf die Augen verdrehte. „Ein Monat Küchendienst und ein Anruf bei meinen Eltern“, knurrte er. Überrascht hob Nami die Augenbrauen an. „Dafür, dass du in Akainus Kurs geschlafen hast, ist deine Strafe mild ausgefallen“, gab sie zu bedenken. „Nein“, wimmerte der Blonde sogleich. „Jeff wird mir meine Playstation wegnehmen!“ „Das kann er nicht tun!“, rief Chopper sogleich und sah ihn entsetzt an. Sanji schluckte. „Doch“, flüsterte er, „das kann er.“ Niedergeschlagen platzierte er seinen Kopf auf dem Tisch und reagierte nicht einmal auf Zorros spöttisches „Ihr habt echt kein Leben“. Auch Choppers Kopf sank nun auf die Tischplatte. Ein wenig überrascht darüber, dass Lysop es den beiden nicht gleichtat, bemerkte ich den bösen Blick, den er in meine Richtung warf. Etwas irritiert hob ich meine Augenbrauen an, doch reagierte er darauf nicht. Kopfschüttelnd wand er seinen Blick ab und begann den gelben Schleim in seinen Mund zu schaufeln. Ich sah fragend zu Zorro herüber, die ebenfalls am Tisch saß, doch er verzog seine Lippen nur zu einem schmalen Strich. Ich würde wohl später nachfragen müssen, was Lysops Problem war. „Aber nun zu dir“, Nami sah mich ernst an. „Du hast alles überstanden?“, fragte sie ungläubig nach. Ich nickte stolz, während Kaya neben mir lachte. „Auch, wenn Kizaru ihm mit seiner Fragerei sichtlich auf die Nerven gegangen ist.“ „Aber“, wand ich ein, „was ist mit meinem Milchshake?“, fragte ich meine Orangehaarige Freundin, die es sogleich bereute mir einen versprochen zu haben. „Zorro wird dir einen kaufen“, entschied sie Schulterzuckend. „Was?“, Angesprochener sah sie böse an. „Warum sollte ich?“ „Weil du viele Schulden bei mir hast, mein Lieber. Sehr viele“, erinnerte sie und Zorro gab sich geschlagen. „Welche Sorte?“, fragte er mich seufzend. „Banane“, entschied ich und sah ihm grinsend hinterher. „Das zieht immer oder?“, fragte ich meine beste Freundin, die lächelnd nickte. „Jedes Mal.“ Als Vivi ebenfalls erschien und sich setzte, sah sie aufgeregt zu Nami. „Du glaubst nicht, was passiert ist“, rief sie und Nami wirkte gespannt. „Cavendish hat zugestimmt auf die Wilkommensparty am Samstag zu kommen... mit mir“, kreischte sie und Nami nahm sie in den Arm. „Ich wusste es!“, rief sie freudig. Zwar wusste ich nicht, was oder wer Cavendish war, doch schlich sich langsam der Gedanke in meinen Kopf, dass Namis Plan nicht nur eine einfache Wilkommensparty war. Mein Gefühl sagte mir, dass sie irgendetwas vor hatte. Doch wollte ich nicht weiter darüber nachdenken. Denn die Party erinnerte mich an etwas ganz Anderes. Law würde nämlich auch kommen. Ich wusste zwar nicht warum, doch freute ich mich sehr darüber. Es würde die erste Feier mit meinem neuen Mitbewohner werden. Allerdings sagte mir ein anderes Gefühl, dass an diesem Abend etwas passieren würde. Doch ob das Geschehen positiv oder negativ für mich sein würde, konnte ich nicht einordnen. Noch nicht. Kapitel 5: Alcohol helps ------------------------ Manchmal war es schon seltsam, wie schnell das Leben eine Wendung machen konnte. Da bewegte man sich auf der Straße und hatte ein Ziel vor Augen, schon wurde man ohne es zu wollen auf eine Abzweigung geführt. Diese Abzweigung veränderte den ganzen Weg ohne, dass man etwas dagegen tun konnte. Es war angsterregend und gleichzeitig spannend, mit welcher Schnelligkeit dies geschehen konnte. Es brachte Veränderungen mit sich, auf die man sich einlassen musste. Die Frage war nur, was man tun konnte, wenn man mit keinen Veränderungen konfrontiert werden wollte. Ich suchte oft nach der Antwort, doch letztendlich gab es keine. Das Einzige, was man mit Sicherheit sagen konnte, war, dass man nur das Beste aus seinem Leben machte, wenn man Veränderungen akzeptierte. Und wollten wir das nicht alle? - Das Beste aus unserem Leben machen? ~ Die Tage waren schnell vergangen, wahrscheinlich sogar schneller, als ich wirklich wollte. Es war bereits Samstag Nachmittag und Namis Party stand in wenigen Stunden an. Nun ja, laut ihr war es meine Party, doch so richtig trauen konnte ich ihr dabei nicht. Nach der Szene mit Vivi und ihr in der Cafeteria war mein Misstrauen gewachsen. Jedoch versuchte ich dies aus meinem Gedächtnis zu verbannen. Letztendlich hatte sie eine Party organisiert, ob für mich oder sich selbst konnte mir eigentlich egal sein. Schließlich hielt sich meine Begeisterung von Anfang an in Grenzen. Mein Grauen vor dieser Party wuchs allerdings heute morgen, als ich mit dem schlimmsten Muskelkater meines Lebens aufgewacht war. Der Grund dafür war ganz simpel – Akainus Sportunterricht. Natürlich musste mir diese Woche noch einige Male bestätigt werden, dass mein Stundenplan der absolut schlimmste von allen war. Akainu in zwei Fächern... das Schicksal meinte es wirklich nicht gut mit mir. Diese Woche hatte ich mich nun schon mehr als einmal gefragt, warum man überhaupt Lehrer wurde, wenn man Menschenfeindlich war. Doch darauf wusste ich keine Antwort. Es war und blieb also ein Rätsel. Ich war nicht schlecht in Sport – ganz im Gegenteil – doch dieser Mann schaffte es mich auszupowern. Nach nur wenigen Minuten Sportunterricht war mein größter Wunsch keine Fleischkeule mehr, sondern Schlaf. Und den für immer, wenn möglich. Das sollte mal ein Anderer schaffen! Angefangen hatte er mit einem 1200-Meter-Lauf, den ich einigermaßen gut absolvierte. Er fuhr mit typischen Fitnessübungen für den Muskelaufbau fort, die ich auch noch schaffte. Doch dann fing er noch ein Basketball Spiel an, obwohl wir alle fertig gewesen waren. Inzwischen wusste ich seine Rufe auswendig. Wahrscheinlich waren sie mir in der letzten Nacht auch noch durch den Kopf geschwirrt. „Fehler! Zwanzig Liegestütze, Monkey!“ „Steht nicht solange nutzlos herum und bewegt euch! Oder wollt ihr das nächste Mal einen 2400-Meter-Lauf?“ „Los, schneller! Ihr seid doch keine Rentner!“ „Es gibt keine Pausen, es sei denn, ihr wollt heute Nachmittag noch das gesamte Schulgelände kehren!“ „Das nennt ihr einen Pass? Sogar meine Großmutter kann das besser!“ Allerdings musste ich bei der Erinnerung an diesen Satz grinsen. Ich dachte daran, wie Chopper mich flüsternd gefragt hatte, wie alt seine Großmutter wohl sein musste, wenn Akainu schon über fünfzig war. Doch der Typ hatte nicht nur Adleraugen, sondern auch ein verdammt gutes Gehör. Schließlich wurde uns offenbart, dass seine Großmutter unter der Erde lag und trotzdem besser Basketball spielen konnte. Was für ein Kompliment! Sollten Lehrer uns nicht zu guten Leistungen ermutigen? Dazu kam auch noch, dass er mich in die Mannschaft eines Mädchens steckte, welches mich von Anfang an zu hassen schien. Bei dem Gedanken an sie verzog sich mein Gesicht jedoch ebenfalls. Sie besaß pinke Haare, violettfarbene Augen und einen immerzu stechenden Blick. Sehr schlimm fand ich das nicht, wäre da nicht der arrogante Ausdruck, der stets auf ihrem Gesicht lag. Falls sie damit irgendeinen Mann auf dieser Welt beeindrucken wollte – das tat sie nicht. Nach den ersten 10 Minuten des Basketball Spiels, geschah allerdings etwas unerwartet Schlimmes. Chopper, der sowieso viel zu klein und schmächtig war, um überhaupt etwas zu bewirken, brach zusammen. Die Hitze und die Anstrengung waren wohl zu viel für ihn. Schließlich waren es um die 26° gewesen und der Sportplatz befand sich in der prallen Sonne. Außerdem war er nicht wirklich der Sportlichste. Das konnte man schon daran sehen, dass er nicht die Pässe fangen konnte, die ihm zugespielt wurde, weshalb er fast immer außen vor gelassen wurde. Doch seinem Plan nach zu urteilen, wollte er Kinderarzt werden. Wozu brauchte er dann überhaupt Sport? Noch eine Frage, die nicht beantwortet werden konnte. Allerdings hatte ich ihn ins Krankenzimmer bringen dürfen, was mich von der restlichen Stunde befreite. So war es ein Segen für mich gewesen, dass Choppers Kreislauf zusammensackte, so gemein sich das auch anhörte. Jedenfalls hatten wir beide uns ein Eis gegönnt, als es ihm besser ging und den Rest der Stunde damit verbracht ein wenig herumzualbern. Auch über das pinkhaarige Mädchen, welches nach Choppers Erzählungen Bonney hieß, hatten wir ein paar Späße gemacht. Wie gut, dass ich nur einen Kurs mit ihr hatte. Es hatte in diesem Moment Spaß gemacht mit Chopper herum zu sitzen, doch der Gedanke daran, dass ich ab jetzt jede Woche Sport bei diesem Monster haben würde, ließ meine Laune in den Keller sinken. Das war auch der Grund, weshalb ich es vermied darüber nachzudenken. Doch nun war der Tag vorbei und ich war dankbar dafür. Viel eher sollte ich mir Gedanken über die Party machen... Oh Gott, die Party! Was sollte ich anziehen? Oder sollte ich mich überhaupt umziehen? Ich richtete mich mühselig auf und sah in den Spiegel. Meine kurze Jeanshose war locker und ging mir bis zu den Knien, während das weiße T-Shirt mit einem schwarzen Schriftdruck ebenso locker saß. Was zog man überhaupt auf Partys an? Die Stirn runzelnd versuchte ich nachzudenken, brach es allerdings ab, als mein Magen laut grummelte. Mit leerem Magen würde das ganz bestimmt nichts werden. Also stand ich auf und verließ mein Zimmer. Im Wohnzimmer duftete es nach Pfannkuchen und meine Laune besserte sich sogleich. Ich liebte Pfannkuchen über alles! Mich in die Küche begebend sah ich Kid, der gerade mit einer Gabel notdürftig einen Pfannkuchen wendete. „Du kommst gerade rechtzeitig“, sagte er, als er mich bemerkt hatte und ließ den letzten Pfannkuchen auf einen Teller zu den anderen fallen. Ich begutachtete sie, wobei mir ihr verführerischer Duft in die Nase stieg. „Sind die für mich?“, fragte ich überrascht nach, während er sich umdrehte und mit dem Hintern gegen die Küchentheke lehnte. Ein Grinsen erschien auf seinen Lippen. „Für uns“, verbesserte er mich und zeigte auf den Esstisch, der noch gedeckt werden musste. Ich nahm Besteck und Teller aus den Schubladen, ehe ich mich auf einen der Klappstühle niederließ. Wir warteten nicht auf Law, da dieser noch eine Vorlesung hatte und heute Abend etwas später kommen würde. Schade eigentlich. Über die Woche hatte sich unser Verhältnis immer hin sehr verbessert. Ich ging davon aus, dass wir nun eigentlich Freunde waren. Natürlich noch keine guten, nach so kurzer Zeit war das nicht zu schaffen. Doch das könnte noch kommen. Zwar nervte ich ihn, wenn mir langweilig war, doch das tat ich auch Kid an. Und so langsam gewöhnten sie beide sich daran. Wenn Nami vorbei kam, mussten sie sich immer wieder anhören, dass sie wie ein altes Ehepaar waren, welches nun ein anstrengendes Kleinkind besaß. Ich wusste nicht, ob ich aufgrund dieser Aussage lachen oder beleidigt sein sollte. „Du siehst so aus, als hättest du noch nie in deinem Leben etwas Essbares gesehen“, schmunzelte Kid, als er sich ebenfalls an den Esstisch gesetzt hatte. Er lud einen perfekt gerundeten Pfannkuchen auf meinen Teller. „Nun ja, ich habe schon lange nichts mehr frisch Gemachtes gesehen“, grinste ich und bestrich diesen dick mit Nutella. Ihn in den Mund steckend, musste ich mich beherrschen, um nicht genüsslich die Augen zu schließen. So etwas Leckeres hatte ich schon ewig nicht mehr gegessen! „Und warum?“, fragte Kid kauend. Mittlerweile mochte ich ihn sehr. Über die Woche hinweg war er mir sehr sympathisch geworden, sodass ich ihn die Lüge mit den seltsamen Regeln vergeben hatte. Auch wenn er manchmal wirklich gruselig war. Laws Meinung nach, war Kid ein bescheuerter und vor allem perverser Punker mit einem Alkoholproblem und Aggressionen. Und das, obwohl sie doch beste Freunde waren. „Als ich mit meinem Grandpa gelebt habe, war er immer unterwegs und ich musste mich um mich selbst kümmern“, erklärte ich mampfend. „Und wer mich kennt, weiß, dass ich die größte Katastrophe in der Küche bin. Also gab es jeden Tag Dosen- und Fertiggerichte.“ Vor allem von Pizza hatte ich nach einem Jahr genug. Ich hätte nie gewusst, dass dies möglich war. Davor, als Ace noch am Leben war, hatte er immer gekocht. Und seltsamerweise hatten seine Pfannkuchen genauso wie Kids geschmeckt. Allerdings hatte er es nie geschafft sie zu runden. Meistens entstanden merkwürdige Formen, denen er immer Namen gegeben hatte. Dieser Gedanke stimmte mich allerdings traurig, weshalb ich direkt versuchte ihn zu vergessen. Warum musste ich auch immer alles mit meinem Bruder verbinden? Es ging mir selbst auf die Nerven. Es war, als würde ich mich immer an mein Leid erinnern wollen; als würde ich mir verbieten glücklich zu sein. Doch diese Zeit hatte ich hinter mir gelassen. Ich war hier her gekommen um neu anzufangen. Und das würde ich mir nicht vermiesen. Kid nickte verstehend und lehnte sich ein wenig in seinem Stuhl zurück. „Also wirst du heute Abend keine Pizza mit mir essen?“ Ich grinste. „Gut erkannt.“ Allerdings ließen mich seine Worte noch etwas ganz Anderes schlussfolgern. „Du kommst mit?“ Der Rothaarige nickte. „Natürlich.“ Genüsslich steckte er sich den letzten Pfannkuchen in den Mund und schob dann seinen Teller von sich weg. Stattdessen griff er nach einem Bier, das sich unter dem Tisch in einer Kiste befand. „Ich habe sowieso nichts Besseres zu tun.“ Ich warf ihm einen skeptischen Blick zu. „Bist du überhaupt eingeladen?“ Er lachte, ehe er das Bier mithilfe der Tischkante öffnete. Dann richtete er sich auf und klopfte mir grinsend auf die Schulter. „Ich brauche keine Einladung.“ Er erinnerte mich dabei stark an eine Berühmtheit, die keinen Ausweis brauchte, um in eine Bar zu kommen. Als auch ich aufgegessen hatte, lächelte ich zufrieden. Wenn Kid ab jetzt öfters kochte, sah ich mich bereits im Himmel. Jeden Tag würde dies allerdings nicht funktionieren, schließlich war er sehr mit seiner Ausbildung zum Maschinenmechaniker beschäftigt. Wirklich zu schade.. Doch plötzlich fiel mir wieder ein, dass ich noch gar nicht wusste, was ich heute Abend anziehen sollte. Deshalb richtete ich mich langsam auf und wandte mich an Kid. Er hatte sich inzwischen auf das Sofa im Wohnzimmer begeben und zappte gelangweilt durch die Fernsehkanäle. „Ähm Kid..“, fing ich an und plötzlich war es mir ein wenig peinlich ihn so etwas zu fragen. Wahrscheinlich weil meine letzte und einzig richtige Party Aces 18. Geburtstag gewesen war. Und dort war ich nicht richtig dabei gewesen. Seine Freunde hatten mich nicht beachtet, ich war zu jung für Alkohol gewesen und musste mir auch noch Witze darüber anhören.. Mit der schlechtesten Laune hatte ich mich daraufhin in mein Zimmer verkrochen, nur um dann ein Pärchen vögelnd in meinem Bett vorzufinden... Für einen Fünfzehnjährigen war solch ein Erlebnis wirklich verstörend! Wahrscheinlich war auch dies der Grund für die wenige Begeisterung, die sich bei dem Wort 'Party' automatisch in mich schlich. Ich zischte lautlos auf, als ich bemerkte, dass ich schon wieder etwas mit Ace verbunden hatte. Verdammt, hörte das denn nie auf? Kopfschüttelnd atmete ich aus. Das musste ich mir nun wirklich abgewöhnen. Dringend. Kid jedoch sah mich fragend an. Er zog zusätzlich seine Augenbraue in die Höhe, als ich noch immer nichts tat. Wahrscheinlich wartete er schon ziemlich lange darauf, dass ich ihm meine Frage stellte, weshalb ich etwas beschämt lächelte. „Also, ähm..“, entkam es mir und ich kratzte mir mit einem unbehaglichem Gefühl an meinem Hinterkopf. Er rollte die Augen und wirkte ein wenig genervt. „Rück schon raus mit der Sprache“, forderte er und legte die Fernbedienung neben sich auf das Sofa. Allerdings drangen gerade in diesem Moment stöhnende Laute aus dem Fernseher, die immer lauter wurden. Wir beide sahen wie von der Tarantel gestochen auf den Bildschirm. Mein Kopf lief hochrot an, als ich den Hintern einer Frau identifizierte, die gerade dabei war, den unter ihr liegenden Mann zu verwöhnen. Hecktisch suchte Kid nach der Fernbedienung, allerdings fand er sie erst nach mehreren Sekunden, die mir wie Stunden vor kamen. So schnell er konnte, betätigte er den OFF-Knopf und urplötzlich endeten die Laute, die wohl erotisch wirken sollten. Die damit einkehrende Stille war uns beiden peinlicher, als das, was soeben geschehen war. „Das ist nie passiert, okay?“, hörte ich Kid schließlich sagen, nachdem er sich ein paar Male beschämt geräuspert hatte. „Dann sind wir ja einer Meinung“, meinte ich kleinlaut. Meine Wangen prickelten noch immer. Sie waren sicherlich feuerrot. Da ich nun wusste, dass es nicht mehr viel peinlicher werden konnte, traute ich mich endlich zu fragen. „Du kannst mir nicht zufällig bei einem Outfit für die Party helfen?“, versuchte ich es zu Boden sehend. Ich wollte eigentlich nicht, dass er wusste, dass ich mit meinen 18 Jahren noch nie eine Party besucht hatte, beziehungsweise zu einer eingeladen worden war. Er lachte, was mich im ersten Moment beunruhigte. „Du wolltest mich nur das fragen?“ immer noch grinsend richtete er sich auf und klopfte sich den imaginären Staub von der Hose. „Wenn es sein muss.“ Dies als „Ja“ ansehend, ging ich sichtlich erleichtert auf mein Zimmer zu. „Also...“ ~ Einige Stunden später hielten wir vor Namis Haus an. Es war schon dunkel und am Himmel leuchteten einzelne Sterne, zusammen mit dem Mond. Die Temperatur war trotz dem Einbruch der Nacht angenehm, weshalb mir in meinem enganliegendem T-Shirt und der schwarzen langen Hose, auch nicht kalt wurde. Meine Arme lösten sich von Kids Oberkörper, ehe ich von seinem Motorrad stieg. Ihm seinen Helm reichend, grinste ich. „Danke für's herbringen.“ Der Rothaarige winkte ab. Zusammen gingen wir die wenigen Stufen zur Eingangstür des Einfamilienhauses hoch und drückten auf die Klingel. Von draußen konnte man bereits Musik und viele miteinander redenden Stimmen hören. Die Aufregung in mir wuchs mit jeder Sekunde mehr. Meine erste Party und ich benahm mich wie ein Kleinkind. Nun ja, laut Nami und meinen anderen Freunden war ich auch eines... Es dauerte nicht lange, da wurde die Tür geöffnet. Hinter ihr stand eine blauhaarige junge Frau, die mich lächelnd musterte. „Ruffy?“, sie lachte. „Oh Gott, du bist ja ein richtiger Mann geworden!“ Mit roten Wangen sah ich verlegen zu Boden. So viel dazu, dass ich ein Mann geworden wäre. „Hallo Nojiko“, begrüßte ich Namis Schwester freundlich, sodass sie noch einmal herzlich lachte. Als Kid sich mit einem Räuspern bemerkbar machte, verschwand ihr Lachen allerdings. „Was machst du denn hier?“, nicht mehr wirklich herzlich klingend, wandte sich die Blauhaarige an ihren Bruder. Plötzlich wurde die Stimmung eisig. Ich wusste nicht warum, doch wollte ich in diesem Moment lieber weiter gehen. „Ich begleite Ruffy auf die Party“, entgegnete er spitz. Seine goldenen Augen funkelten seine Schwester herausfordernd an, als würde er nur darauf warten, dass sie ihn nicht rein ließ. Dass er mich begleitete, war mir allerdings neu. Trotzdem hielt ich meine Klappe, da ich mich wirklich nicht einmischen wollte. „Wurdest du überhaupt eingeladen?“, zischte sie und lehnte sich gegen den Türrahmen. Die Situation wirkte komisch und ich blickte nicht wirklich durch. „Wie gesagt, ich bin wegen Ruffy hier“, mit diesen Worten drängte er sich an ihr vorbei und verschwand in das Innere des Hauses. Seine Laune wirkte wie umgekrempelt. Als wir hergefahren waren, war er eigentlich sehr gut drauf gewesen. Doch nun wirkte er angepisst. Richtig angepisst. Mit einem verwirrtem Lächeln glitt auch ich an Nojiko vorbei. Ich hörte sie seufzen, ehe sie die Tür schloss. „Immer das Gleiche mit diesem Kerl“, meinte sie, doch ich tat so, als ob ich sie nicht gehört hätte. „Rechts und dann die Treppe runter“, informierte mich die Blauhaarige. Ich nickte und folgte dem mir genannten Weg. Als ich die Treppe, die in den Keller führte betrat, nahm ich gleich wahr, wie die Musik und die Stimmen lauter wurden. Auch der Geruch von Alkohol und Zigaretten verstärkte sich, was ich mit gerümpfter Nase wahrnahm. Neben der Treppe stand Kid, der mit einem etwas mürrischem Ausdruck die Anwesenden musterte. „Was war das eben?“, fragte ich ihn mit hochgezogener Augenbraue. Wegen der lauten Musik musste ich ihn schon fast anschreien. Er verdrehte kurz seine Augen. „Das geht dich nichts an.“ Da er mir keine weitere Beachtung schenkte, wandte auch ich mich von ihm ab und warf einen Blick in den Raum. Ich erinnerte mich an ihn. Früher hatte ich hier mit Nami und den Anderen verstecken gespielt. Ich bemerkte den großen Schrank am Ende des Zimmers und musste grinsen. In ihm hatte ich mich fast jedes Mal versteckt und wurde immer als Erstes gefunden. Die Couch, die Sessel und die Tische waren zur Seite geräumt worden, während auf den Tischen Chips, Pizza und andere Snacks platziert worden waren. Von der Decke hingen bunte Lichtkugeln, die das Zimmer in verschiedene Farben tauchten. Die Atmosphäre war super, die Stimmung unter den Menschen noch besser. Als wären wir in einer Diskothek, obwohl es eigentlich nichts weiter als Namis Keller war. An der Seite saß Lysop auf einem Tisch und tippte auf seinem Laptop herum, der mit einigen Lautsprechern verbunden war. Wahrscheinlich hatte Nami ihn als DJ organisiert. Ich lächelte. Dabei war Lysop absolut scheußlich, was Musik anging. Scheinbar hatte er sich umsonst angeboten. Denn es gäbe keinen anderen Grund für Nami, ihn sonst wirklich zu nehmen. Gegenüber von ihm, an der anderen Wandseite, war eine improvisierte Bar aufgebaut worden. Pappbecher und viele Flaschen voller Alkohol standen überall herum. Dahinter stand ein mir unbekannter Junge mit blondem Haar und Sonnenbrille, obwohl es auch ohne Brille schon dunkel genug war. Er schien ein wenig jünger als die anderen hier, wahrscheinlich hatte Nami ihn deshalb zu diesem Job zwingen können. Ich schüttelte den Kopf. Diese Frau war wirklich unberechenbar. Hoffentlich würden wir niemals Streit miteinander haben. Unter den Tanzenden erkannte ich nicht viele. Als ein grünlicher Lichtstrahl auf ein junges Mädchen fiel, glaubte ich Vivi gesehen zu haben, die mit einem blondem Typen tanzte. Jedoch war sie schon wieder verschwunden, als das Licht erneut die Farbe wechselte. Genervt ausatmend betrat ich die Fläche, auf der getanzt wurde und hielt nach meinen Freunden Ausschau. Mal ganz ehrlich, wie viele hatte sie eigentlich eingeladen? Das musste mindestens die halbe Schule und mehrere der danebenliegenden Uni sein! Allerdings wusste ich nicht, was erschreckender war - Die Tatsache, dass so viele Menschen anwesend waren oder, dass so viele in Namis Keller passten. „Ruffy“, hörte ich plötzlich eine Stimme neben mir rufen und erkannte sie sogleich. Mit einem Lächeln drehte ich mich nach rechts und bemerkte Nami, die mich warm ansah. Die Orangehaarige hatte wahrscheinlich mehrere Stunden im Bad verbracht, wie ich nun feststellen konnte. Sie trug ein kurzes schwarzes Kleid, sowie hohe schwarze Schuhe. Außerdem hatte sie deutlich mehr Make-Up benutzt und ihre Haare zu einem kunstvollem Zopf zusammengesteckt. Sie zog mich in eine kurze Umarmung, ehe sie grinste. „Gut, dass du gekommen bist. Ich brauche deine Hilfe.“ Misstrauisch kniff ich die Augen zusammen. Ich wusste es! Sie hatte etwas vor. Als sie meinen Blick sah, vergrößerte sich ihr Grinsen noch etwas und sie musste sich Mühe geben, um nicht zu kichern. Ich öffnete den Mund, um zu fragen, was sie vor hatte, da streckte sie ihren Zeigefinger nach links. So bemerkte ich Zorro, der auf einer Couch saß und sichtlich gelangweilt von seinem Bier trank. „Sorg' dafür, dass er ordentlich intus hat und kein Mädchen abschleppt“, bat sie mich und sah mich mit großen Augen an. Ich musterte sie nachdenklich. Mein Misstrauen war immer noch nicht ganz verschwunden. „Was bekomme ich dafür?“, fragte ich sie und verschränkte die Arme vor meiner Brust. Ich hielt es für besser nicht zu wissen, was genau sie vor hatte. Falls Zorro etwas auffiel, würde ich nicht lügen können. Dies lag wohl daran, dass ich ein schlechter Lügner war. Ein verdammt schlechter Lügner. Es gab viele Beispielmomente in meiner Vergangenheit, die ich nennen könnte. „Meine Liebe?“, fragte sie und streckte einladend die Arme aus. Ich schüttelte den Kopf und bedachte sie mit verschränkten Armen. Sie seufzte darauf theatralisch und spielte mit ihren Ohrringen. „Wie wäre es mit so viel Fleisch wie du essen kannst?“, versuchte sie es erneut. Verdammt. Damit hatte sie eindeutig eine Schwachstelle getroffen. Genau dies führte dazu, dass ich mich wenige Minuten später neben einem grimmigen Zorro auf einer vergammelten Couch wiederfand. Und das sollte meine Wilkommensparty sein? Wenn das so war, dann konnte ich noch eher darauf verzichten, als sowieso schon. Auch mein grünhaariger Freund schien nicht wirklich angetan zu sein. Missmutig musterte er jeden, der sich an dem Sofa vorbei bewegte. Die negative Aura, die er versprühte, ließ sogar mich ein wenig stutzig werden. „Die Party macht dir keinen Spaß?“, fragte ich ihn, woraufhin er den Kopf schüttelte. „Bin nur müde.“ Ich nickte verstehend. Stumm musterte ich die Nächsten, die den Keller betraten und bemerkte Lysop. Er gönnte sich eine kurze Pause und steuerte die improvisierte Bar an. Ich hob die Hand an, um ihn zu uns zu winken, jedoch ignorierte er mich und verschwand schnell bei den Tischen an der anderen Seite des Raumes. Die Stirn runzelnd wandte ich mich mich an Zorro. „Weißt du, was mit dem los ist?“ „Mit Lysop?“, fragte er mich und ich nickte. Der Grünhaarige seufzte und lehnte sich zurück. „Er ist eifersüchtig“, stellte er endlich klar. Ich zog meine Augenbrauen in die Höhe. Was gab ihm den Grund dazu? Ich jedenfalls hatte keine Ahnung. Zorro musste meinen verwirrten Gesichtsausdruck bemerkt haben, da er zu einer Erklärung ansetzte. „Er versucht schon seit Jahren Kaya anzusprechen und du bringst sie an deinem ersten Tag zu uns an den Tisch“, murmelte er, wenn auch ein wenig belustigt. „Das hat ihn irgendwie“, mein bester Freund schien nach Worten zu suchen, „verletzt.“ Zwar war mir damit eine Erklärung abgeliefert worden, doch verstand ich immer noch nicht wirklich, was das große Problem daran war. „Da läuft doch nichts“, gab ich zu bedenken. Zorro zuckte bloß mit den Schultern. „Und was soll ich deiner Meinung nach tun?“, fragte ich ihn. Ich hasste es Streit mit jemandem zu haben, besonders wenn es Lysop war. Auseinandersetzungen mit ihm konnten leicht ausarten. Zumindest hatte Sanji mir das erzählt. Wahrscheinlich würde der Blonde auch bald hier aufkreuzen. „Lass ihn in Ruhe“, riet Zorro. „Er kriegt sich wieder ein.“ Damit war das Thema beendet und der Grünhaarige richtete sich auf. „Ich hole uns was zu trinken.“ Als ich ihn davon abhalten wollte, mir etwas mitzubringen, war er schon verschwunden. Seufzend ließ ich mich in das Sofa zurücksinken. Namis Plan, den ich befolgen sollte, war, Zorro abzufüllen und nicht mich. Erst etwas später bemerkte ich Kid, der sich neben mir niedergelassen hatte. Dass er schon getrunken hatte, konnte man nur zu deutlich riechen. Ich musterte ihn den Kopf belustigt schüttelnd. Er reichte mir jedoch ein Gläschen Wodka. „Du bist noch nicht besoffen“, stellte er fest und bemühte sich nüchtern zu klingen. „Und du bist zu besoffen“, gab ich zurück. Er grinste, ehe er den Inhalt des Glases in einem Zug leerte und anschließend auf einen kleinen Tisch stellte. Ich behielt meines in den Händen, da ich wusste, dass ich nicht wirklich viel Alkohol vertrug. Dies hatte sich schon einmal gezeigt, als ich wissen wollte, was Ace trank, wenn er Feierabend hatte. Meine einzige Freundin war zu diesem Zeitpunkt mein Meerschweinchen Sunny gewesen und diese war in jener Nacht spurlos verschwunden. Jedenfalls war es im Nachhinein in einem Desaster geendet, welches ich lieber nicht wiederholen wollte. Ich seufzte leise auf. Hin und wieder streifte uns ein Augenpaar, nur um dann wieder wegzusehen, als wären wir durchsichtig. Scheinbar schienen alle anderen Spaß zu haben, wenn man von unserer kleinen Gruppe absah, die auf dem Sofa herumlungerte. Dies war wahrscheinlich auch der Grund, warum niemand zu uns kam. Als hätten sie insgeheim das Schild „Für Spaßverderber“ über unsere Couch geklebt. Ich wusste nicht wirklich wieso. Vielleicht war ich einfach nicht der Mensch für so etwas. Vielleicht ging die Party aber auch später erst richtig los. Wenige Minuten danach war auch Zorro zurück und drückte mir ein Bier in die Hand, wie ich mit großen Augen zur Kenntnis nahm. Ich befand mich nun also mit zwei Säufern auf einer Couch in einem Keller, in welchem eigentlich eine Wilkommensparty stattfinden sollte und hielt Alkohol in beiden Händen. Dass die beiden mittlerweile darum konkurrierten, wer am meisten getrunken hatte, versuchte ich zu ignorieren. Doch dies war ziemlich schwer, wenn man in der Mitte saß. Auch die Musik, die Lysop spielte, war wie zu erwarten grausig. Doch würde ich ihm dies niemals sagen, schließlich war er schon sauer genug. Doch die Beleuchtung wirkte plötzlich ebenfalls hässlich und viel zu grell. Aus allen Richtungen strömte Zigarettenqualm und überall standen knutschende Pärchen oder tanzende Gruppen. So hatte ich mir das alles nicht vorgestellt. Trotzdem sah ich immer wieder auf die Uhr über der Tür, in der Hoffnung, dass dieser Horror bald enden würde. Doch es kam noch schlimmer. Kaum vergingen 5 Minuten, da öffnete sich die Tür erneut. Ich beobachtete wie ein schwarzhaariger junger Mann eintrat und ein Lächeln trat auf meine Lippen. Law. Mein Herz begann sofort schneller zu schlagen. Doch dann sah ich, wie er ein Mädchen mit sich zog. Dieses Mädchen war nicht irgendein Mädchen. Ich betrachtete sie mit finsterem Blick. Jewelry Bonney. Scheinbar beeindruckte ihre Arroganz doch einen Mann. Welch' Fehleinschätzung von mir. Meine Finger umschlossen die Bierflasche automatisch fester und ich spürte, wie meine Zähne sich in meine Unterlippe gruben. Ich versuchte krampfhaft meinen Blick abzuwenden, doch konnte ich dies einfach nicht. Es war merkwürdig. In diesem Moment fühlte es sich an, als würde mir jemand ein Messer in mein Herz rammen. Der Vergleich beschrieb es gut. Es tat weh, die Beiden zu sehen und ich wusste nicht einmal wieso. Vielleicht, weil ich Law mochte und Bonney nicht? Nein. Es fühlte sich eher so an, als wäre ich eifersüchtig, doch verstand ich dieses Gefühl nicht. Was für ein Schwachsinn. Eifersucht hörte sich in diesem Zusammenhang merkwürdig und falsch an. Ich schüttelte den Kopf. Im Moment wusste ich selbst nicht, was mit mir los war. Seufzend ließ ich meinen Kopf sinken und trank mein Glas Wodka. Ich fühlte mich plötzlich so schlecht, dass ich es einfach brauchte und meine Prinzipien über Bord warf. Hoffentlich waren sie nicht ertrunken, wenn ich wieder nüchtern sein würde und sie brauchte. Allerdings hustete ich mir beinahe die Seele aus dem Leib, wovon mir Tränen in die Augen traten. Ich spürte eine Hand, die mir daraufhin hart auf den Rücken klopfte. Kid. „Ist alles okay?“, hörte ich seine tiefe Stimme fragen. Ich nickte kurz und trank nun von meinem Bier, um den widerlichen Geschmack irgendwie loszuwerden. Der Rothaarige warf mir einen undefinierbaren Blick zu, ehe er nach einem neuen Gläschen Wodka griff. Wie er das Zeug trinken konnte, war mir ein Rätsel. Zorro grummelte währenddessen etwas Unverständliches und lehnte seinen Hinterkopf an die Lehne des Sofas. Er sah aus, als würde er in jedem Moment kotzen, weshalb ich von ihm wegrutschte. „Reine Vorsichtsmaßnahme“, sagte ich mit erhobenen Händen, als er mir einen missmutigen Blick zuwarf. Immer wieder reichte mir jemand neuen Alkohol, den ich ohne wirklich darüber nachzudenken trank. Ich konnte nicht einmal sagen, ob es Zorro, Kid oder doch jemand ganz anderes war. Die Welt drehte sich plötzlich und mir wurde schwummrig zumute. Ich wusste nicht, wie viel ich schon getrunken hatte, da spürte ich auf einmal, wie jemand näher kam. Ohne hinzusehen wusste ich, dass er es war. Ein seltsames Gefühl trat in meine Magengegend und ich heftete meinen Blick auf den Boden. In diesem Moment wollte ich, dass er einfach ging ohne mit mir zu reden. Ich hatte mich auf diesen Abend gefreut, doch nun schien es lächerlich. Vielleicht war auch meine Reaktion lächerlich. Jedenfalls wollte ich ihn nicht noch einmal so sehen. Nicht mit Bonney im Arm. „Ich muss auf Klo“, murmelte ich Kid zu, der allerdings viel zu beschäftigt damit war den schlafenden Zorro mit einem Edding anzumalen. So schnell wie es ging erhob ich mich. Taumelnd schritt ich zu einer Tür, auf der ein WC Schild hing. Mir wurde unglaublich schlecht. Wahrscheinlich hatte ich viel zu viel getrunken ohne es wirklich zu merken. Kid und Zorro hatten auch noch mitgemacht! Was für tolle Freunde. Ich stützte mich an der Wand neben der Tür ab, während ich laut ein und ausatmete und den Boden betrachtete. Verdammt, dabei wusste ich doch, dass Alkohol und ich noch nie gute Freunde gewesen waren. Ich wollte gerade das Badezimmer betreten, da spürte ich, wie etwas unglaublich Schweres mich zu Boden riss. Ich weitete vor Schreck meine Augen, konnte allerdings nichts erkennen. Mein Kopf prallte hart auf den Fliesen auf, sodass mein Hinterkopf begann zu pochen und ich einen Schmerzensschrei ausstieß. Kurz darauf wurde alles schwarz. Das Letzte, was ich spürte, waren Hände. Sie schoben sich unter meinen Rücken und meine Kniekehlen, um mich hochzuheben. Die Berührungen ließen meine Haut leicht prickeln. Ich wusste wieder, dass er es war. Kapitel 6: Unexpected Events ---------------------------- https://www.youtube.com/watch?v=9BMnXXrvcyA Manchmal geschahen Dinge, von denen wir niemals erwartet hätten, dass sie jemals passieren würden. Vielleicht hatten wir einmal über sie nachgedacht und in Betracht gezogen, dass sie sich in ferner Zeit ereignen könnten. Doch wenn es früher dazu kam, früher, als man es erwartete, fühlte es sich merkwürdig an. Man war nicht vorbereitet, wusste nicht wie man reagieren sollte. Noch schlimmer war es, wenn diese Geschehnisse negativ waren. Sie konnten schon fast mit Schlägen verglichen werden; Man tat etwas Schlimmes und wusste, dass man irgendwann einmal die Rechnung dafür tragen musste, jedoch wusste man nie wann genau. Das Vorhersehen wurde den Menschen unterbunden. Vielen würde es wohl das Leben retten, wenn es nicht so wäre. Ich fragte mich oft, ob es auch meinen Bruder gerettet hätte. Ob alles anders gewesen wäre, wenn ich die Ereignisse vorhergesehen hätte. Doch dies war wieder eine dieser Fragen, die ohne Antwort in meinem Kopf herum spukten. Ich hatte viele Fragen, sie waren schon fast unzählbar. Doch trotzdem fragte ich mich, ob ich mit dieser Macht alles verändert hätte. Denn so wie es jetzt gekommen war, war eigentlich alles gut. Auch, wenn nun ebenfalls Dinge geschahen, die ich nicht erwartete. Allerdings waren diese Dinge positiv, sie fühlten sich gut an. Und das war es, was letzendlich zählte. Als ich das erste Mal aufwachte, befand ich mich auf dem unbequemen Rücksitz eines mir unbekannten Autos. Leider hatte ich keine Ahnung, wie ich es hierher geschafft hatte. Der Stoff unter meinem Körper war kalt und ließ mich erschaudern. Ich wünschte mir, ich hätte mich doch für etwas Wärmeres entschieden. Nun ja, im Grunde genommen hatte Kid sich für mein Outfit entschieden. Ich richtete mich ganz langsam auf, da mein Kopf plötzlich unglaublich stark schmerzte und kaum zuließ, dass ich mich bewegte. Meine Sicht verschwamm immer wieder zu mehreren Bildern, nur um sich dann wieder zu einem zusammenzufügen. Ich fasste mir an den Kopf und versuchte mich zu orientieren. Ich war alleine, so viel stand schon einmal fest. Aus dem Fenster sehend erkannte ich, dass das Auto vor Namis Haus parkte. Allerdings war es nun viel dunkler und die Sterne leuchteten viel heller und intensiver am Himmel, als bei meiner Ankunft mit Kid. Apropos Kid, was war eigentlich mit ihm passiert? Das Letzte, was ich noch wusste, war, dass er auf dem Loser-Sofa gehockt hatte und Zorro mit einem Edding verschönerte. Währenddessen hatte ich mich auf den Weg zur Toilette gemacht, weil mein Mitbewohner mit seiner wundervollen Freundin aufgetaucht war... und dann? Es war merkwürdig nicht zu wissen was geschehen war oder in wessen Auto ich mich befand. Vielleicht sollte ich aussteigen und nach jemandem suchen, der mir ein paar Fragen beantwortete und mich zu irgendeinem Arzt brachte. Wenn mein Kopf sich nämlich nicht bald besserte, würde ich sicherlich umkommen. Es fühlte sich inzwischen so an, als würde jemand mit einem Hammer darauf schlagen und nicht aufhören, ehe er ihn zertrümmerte. Gut, vielleicht war dies ein wenig übertrieben. Trotzdem tat es höllisch weh. Plötzlich, als eine Wolke den Mond am Himmel freigab und das Licht auf eine Person fiel, bemerkte ich Law. Er stand gegenüber von einem pinkhaarigen Mädchen, welches ich sofort als Bonney identifizierte. Ich verzog mein Gesicht, als ich sie erkannte. Zwar konnte sie schon seit unserer ersten Begegnung in Sport nicht leiden, doch wann dieser Hass entstanden war, konnte ich mir nicht erklären. Es war, als wäre er einfach so gekommen. Die Beiden schienen sich zu streiten, wie ich an Bonneys wild gestikulierenden Händen und ihrem schlecht gelaunten Gesicht erkennen konnte. Auch Law schien etwas verspannt. Seine Hände ballten kleine Fäuste, obwohl sein Gesicht bemüht entspannt war. Ich hatte ihn noch nie so angespannt gesehen. Normalerweise brachte ihn nichts aus der Ruhe, nicht einmal Kid, wenn dieser ihn nervte. Worum es bei ihrem Streit ging, wusste ich allerdings nicht, da ich ihre Stimmen nur sehr leise und gedämpft wahrnahm. Ich konnte die Worte nicht einmal verstehen, als ich innehielt und angestrengt lauschte. Bonneys Blick war finster, als sie die Hände vor ihrem Oberkörper verschränkte. Es kam mir so vor, als wäre sie unglaublich wütend auf ihren Freund. Dieser betrachtete sie jedoch nur mit ausdruckslosen Augen, ehe er sich nach einer schier endlosen Diskussion zu dem Auto wandte. Ich zuckte zusammen und ließ mich wieder auf die Rücksitze nieder, um unbemerkt zu bleiben. Das war also Laws Auto. Die Autotür wurde kurz geöffnet und für wenige Sekunden hörte ich die nervige Stimme der Pinkhaarigen. „Dann verpiss' dich doch!“, rief sie wütend, ehe Law einstieg und die Autotür wieder schloss. Er schien sie zu ignorieren und tauschte auch keine weiteren Blicke mehr mit ihr, wie ich durch ein geöffnetes Auge wahrnahm. Seufzend steckte er schließlich den Schlüssel ein und drehte sich kurz zu mir nach hinten. „Du bist wach“, stellte er resolut fest, da ich meine Augen nicht schnell genug geschlossen hatte. Ich nickte und versuchte ihn anzulächeln. „Was ist passiert?“, wollte ich wissen und meinte dies im Zusammenhang mit mir. Das Letzte, was ich noch wusste war, dass ich zu Boden gerissen wurde, bevor ich hier wieder aufwachte. Warum gerade hier, war fast noch eine bessere Frage. Oft passierte es schließlich nicht, dass man besoffen auf Klo ging und auf dem Rücksitz eines Autos aufwachte. Und dann auch noch auf dem Rücksitz eines Mannes, vor dem man sich eigentlich verstecken wollte. Den Grund für mein plötzliches Bedürfnis vor ihm wegzulaufen, wusste ich immer noch nicht. Wahrscheinlich hatte es in dem Moment hatte es am Alkohol gelegen. Man konnte kaum eine Änderung erkennen, allerdings wirkte er auf mich etwas besorgt, als er antwortete. Dass Bonney die Treppen zum Haus wütend erklomm, schien er nicht wahrzunehmen. „So ein Fettsack namens Urouge hat den Scotch von Namis Schwester geklaut. Als er vor ihr weggelaufen ist, hat er dich umgerannt und du bist mit dem Kopf hart aufgeschlagen“, erzählte er und ich merkte, wie sehr er sich ein Grinsen verkniff. Ob er über meine Dummheit oder Urouge lachte, wollte ich lieber nicht wissen. Was für eine Geschichte... Ein weiterer Grund für mich in Zukunft Partys zu meiden. Warum ich den Typen nicht gesehen hatte, war mir ein Rätsel. Es war nun bestimmt ein großes Thema auf Namis Party. Ich seufzte. Warum konnte meine erste Feier nicht halbwegs gut verlaufen? Das Unglück musste mich ja immer heimsuchen. „Ich fahre dich jetzt ins Krankenhaus. Du hast eine Platzwunde am Kopf, die bestimmt genäht werden muss“, fügte er nun etwas langsamer hinzu und beantwortete damit die nächste Frage, die ich hatte. Dann drehte er den Schlüssel um und fuhr los. „Danke“, meinte ich nach einer längeren Zeit der Stille und dachte darüber nach, ob er sich deshalb mit Bonney gestritten hatte. Sie mochte mich nicht und war sauer, da Law sie nun alleine ließ, um dann auch noch mich ins Krankenhaus zu bringen. Er warf ein ganz kleines Lächeln in den Rückspiegel, das mein Herz schneller schlagen ließ. „Kein Problem.“ Ganz plötzlich war es nicht mehr so kalt im Auto und die Atmosphäre wirkte locker. Ich schob es auf die Klimaanlage, doch irgendwie wusste ich, dass es an ihm lag. Seine Anwesenheit gab mir immer dieses unbeschwerte Gefühl, welches mich verwirrte ohne, dass ich es zugab. Warum er mich wohl ins Krankenhaus fuhr? Es hätte schließlich auch jemand anderes tun können. Ich konnte nicht verhindern, dass diese Tatsache mich auf eine seltsame Art und Weise glücklich machte. Schließlich hatte er nun Streit mit Bonney, auch wenn ich nicht genau wusste, was der Grund dafür war. Jedoch wollte ich nicht nachfragen, sonst könnte er noch denken, dass ich ihn beobachtet hatte. Okay, vielleicht hatte ich das auch getan, doch das musste er wirklich nicht wissen. Was würde er sonst von mir denken? Ich jedenfalls fände es gar nicht cool, wenn einer meiner Mitbewohner mich stalken würde. Meine Kopfschmerzen wurden mit der Zeit immer schlimmer, allerdings wollte ich Law nicht fragen, wann wir endlich da waren. Als ich klein war, war ich so ungeduldig, dass niemand mit mir Auto fahren wollte. Meine ständige Fragerei nach der Dauer der Fahrt hatte meinen Bruder einmal dazu veranlasst mich rauszuschmeißen. So hatte ich also auf der Straße gestanden und dem alten Truck mit offenem Mund hinterher gesehen. Das war mir eine Lehre gewesen. „Warum bist du nicht zu uns gekommen, als ich gekommen bin?“, kam die Frage ganz unerwartet von Law und unterbrach damit meine Erinnerung. Ich erstarrte ganz kurz, ehe ich mit den Fingern am Stoff des Sitzes fummelte. Er hatte also gemerkt, dass ich ihn und Bonney gesehen hatte, als sie eintraten. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, als er plötzlich lachte. „Sie fand es jedenfalls alles andere als schlimm“, gab er ehrlich zu, sodass ich seufzte. Nun stand es also hundertprozentig fest; dieses Mädchen konnte mich nicht leiden. Nur zu gut, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhte. Auch wenn mir der Grund noch immer nicht ganz klar war. Ja, sie sah mich oft arrogant an und ja, sie behandelte mich auch, als wäre ich etwas Schlechteres als sie. Trotzdem störte mich eher die Tatsache, dass sie Laws Freundin war. Wie sie sich an ihn gedrängt hatte, als sie auf der Party angekommen waren... es missfiel mir auf eine merkwürdige Art und Weise. „Wir mögen uns irgendwie nicht“, erklärte ich mit einem etwas unsicherem Ton in der Stimme und sah meinen Mitbewohner nicken. Law schien kein Problem damit zu haben, was mich beruhigte. Wenn er eine Freundin hatte, die mich nicht leiden konnte, könnte dies ziemlich anstrengend für ihn werden. „Deine Freunde wollten übrigens mitkommen, aber ich habe gedacht, dass du das nicht möchtest“, meinte er noch und wechselte damit ganz plötzlich das Thema. Sein Blick war starr auf die Straße gerichtet, sodass ich durch das Licht der Straßenlaternen Teile seines Gesichtes erkennen konnte. Scheinbar hatte sich die Frage, warum ich nicht mit ihm geredet hatte für ihn geklärt, auch wenn ich ihm keine richtige Antwort gegeben hatte. „Gut, danke“, antwortete ich lächelnd. Mir war es lieber, nur mit Law zu fahren. Meine Freunde würden einen riesigen Aufstand machen und das wollte ich nicht. Ich stellte mir vor, wie Zorro mit schwindelerregendem Tempo über die Straße raste, während Sanji und Nami ihn anschrien, weil er in die falsche Richtung fuhr. Wie bei der Fahrt vom Flughafen bis hier her. Dabei würde Chopper wahrscheinlich besorgte Blicke auf mich herabwerfen und immer wieder meine Stirn fühlen, obwohl ich nicht einmal Fieber hatte. Bei dieser Vorstellung musste ich leicht lächeln. Ich hatte wirklich bekloppte Freunde. Und trotzdem waren sie die Besten, die ich mir wünschen konnte. Seufzend legte ich meinen Kopf wieder auf dem Rücksitz ab. Ich betrachtete den Schwarzhaarigen von hinten dabei, wie seine Hände das Lenkrad umfassten und es mit leichten Bewegungen drehte. Manchmal glitten seine tätowierten Hände zum Schalter und zum ersten Mal bemerkte ich, dass auf seinen Fingerknöcheln das Wort `Death´ stand. Ich überlegte noch lange, warum er sich genau dieses Wort auf die Knöchel tätowiert hatte. Ohne es zu bemerken schlief ich kurz darauf ein, während mein Körper sich durch das Schütteln des Autos ständig bewegte. Ein stärkeres Rütteln an meiner Schulter weckte mich allerdings wieder auf. Es kam mir so vor, als hätte ich mich gerade erst hingelegt. Etwas perplex öffnete ich meine Augen ein Stück, nur um Law zu erkennen, dessen Hände neben meinem Kopf platziert waren. Erschrocken öffnete ich meine Augen ganz, als ich seine plötzliche Nähe wahrnahm. Sein Gesicht befand sich direkt über meinem, da er sich in das Auto lehnte. Die Tür hinter ihm stand offen und die kühle Nachtluft drang ein. Scheinbar hatte er mich wecken wollen, da wir nun angekommen waren. Meine Augen blickten direkt in seine. In diese graublauen Augen, die mich schon von dem ersten Augenblick an fasziniert hatten. Sie erinnerten mich an den grauen Himmel, kurz bevor der Regen kam. Automatisch verband ich Laws Geruch mit dem von Regenwetter an warmen Sommertagen. Meinem Lieblingsgeruch. Der Moment kam mir so unwirklich vor, so unrealistisch. Meine Kopfschmerzen schienen in diesem Augenblick verschwunden. Nur er zählte. Keiner von uns sagte ein Wort. Wir musterten nur stumm das Gesicht des jeweils anderen. Mein Herz begann unglaublich laut gegen meinen Brustkorb zu klopfen, als ob es herausspringen wollte. Mein Blick strich über seine Augen, seine Nase, seine Lippen und analysierten anschließend erneut sein gesamtes Gesicht. In diesen Sekunden dachte ich nicht darüber nach, was ich tat. Ich war viel zu fasziniert von seinem Gesicht, welches nur wenige Zentimeter von meinem entfernt war. Seine Züge wirkten auf einmal so weich. Ich hatte ihn bis jetzt noch nie so gesehen. Sein warmer Atem streifte mein Gesicht und bescherte mir eine prickelnde Gänsehaut. Die Reaktionen meines Körpers verwirrten mich. Ich konnte nicht nachvollziehen, warum er so eine Wirkung auf mich ausübte. Eine Wirkung, die noch nie jemand auf mich gehabt hatte. Das Mondlicht drang durch die Windschutzscheibe hinein und tauchte uns in ein leicht bläuliches Licht. Ich könnte ewig lang so liegen bleiben und sein unfassbar schönes Gesicht betrachten, welches vom Mondlicht umhüllt wurde und deshalb geheimnisvoll wirkte. Nur langsam kam mir der Gedanke, dass ich mich von seinem Anblick losreißen musste. Wir sollten ins Krankenhaus gehen, erklärte eine leise Stimme in mir. Ich wollte sie vertreiben, doch sie setzte sich durch. Erst langsam, dann immer schneller, bis ich, ohne es zu wollen, ihren Befehl ausführte. Ich räusperte mich leise und war mir sicher, dass meine Wangen bereits einen dunkelroten Schimmer angenommen hatten. Er erschrak ein wenig. Es würde bestimmt nicht vielen auffallen, doch aus irgendeinem Grund bemerkte ich all' seine Regungen. Und ich war nicht unbedingt der Aufmerksamste. Noch nie hatte ich gesehen, dass er so unkontrolliert war. Wahrscheinlich würde ich ihn auch nie wieder so sehen. Es war, als hätte er sich selbst in diesem Moment für eine kurze Zeit vergessen. Als hätte er sich fallen lassen, etwas, dass er sich sonst nie erlaubte. „Wir müssen reingehen“, flüsterte ich kaum hörbar, doch er verstand mich und richtete sich ruckartig auf. Beinahe sofort vermisste ich seine Nähe wieder, jedoch versuchte ich dies zu ignorieren. Er reichte mir seine Hand, die ich dankend annahm. Als ich mich aufrichtete, nahm ich stöhnend wahr, wie sehr mein Kopf pochte. Es war wie ein Blitz, der plötzlich auf mich einschlug und mir zeigte, dass die Wunde noch immer vorhanden war. Wenn es noch länger so weiterging, würde ich vor Schmerzen umkippen. Law schloss die Autotür hinter uns und lud meinen Arm auf seine Schulter, um mich zu stützen. Als sein anderer Arm meine Hüfte packte, damit ich nicht von ihm herunter rutschte, konnte ich nicht ignorieren, dass die Stelle unglaublich warm wurde. Ich biss mir auf die Unterlippe. Was war nur los mit mir? Vielleicht war ich noch nicht ganz nüchtern. Das musste es sein. Was sonst würde erklären, was mit mir los war, seitdem ich in diesem Auto aufgewacht war, wenn nicht der Alkohol? Wackelig und sehr langsam traten wir durch den Eingang des Krankenhauses. Sofort nahm ich den stechenden Geruch von Desinfektionsmittel war, den ich so hasste. Ich mochte keine Krankenhäuser. Sie waren mir irgendwie unheimlich. Wir gingen einen steril aussehenden Gang entlang, gleich zur Notaufnahme. Alles wirkte gleich. Ohne Law hätte ich mich sicherlich verlaufen, obwohl mein Orientierungssinn nicht einmal annähernd dem von Zorro glich. Auf einer Uhr erkannte ich, dass es schon zwei Uhr nachts waren, was mich erschreckte. Das letzte Mal, als ich auf die Uhr geschaut hatte, war es gerade mal Neun gewesen. Wie lange hatte ich mich eigentlich betrunken? Mir war es wie wenige Sekunden vorgekommen. Alles kam mir kürzer vor, als es überhaupt gewesen war. Bei der Notaufnahme angekommen, ließen wir uns auf den Stühlen zum Warten nieder. Law trat kurz in einen anderen Raum, um mich anzumelden, wofür ich ihm mehr als nur dankbar war. Auch, wenn ich mich schon die ganze Zeit über fragte, warum er das für mich tat. Ich meine, es hätte mich auch jeder andere fahren können, schließlich war er nicht für mich verantwortlich. Der einzige, der wohl wirklich verantwortlich für mich war, war ich selbst... und vielleicht mein Grandpa. Hoffentlich würde er niemals etwas von diesem Abend und meiner ersten richtigen Begegnung mit Alkohol erfahren. Seine Einstellung zu dem Zeug war nämlich alles andere als gut, auch wenn er gerne mal die eine oder andere Flasche Sake trank. Als Law wieder raus kam, trat ein winziges Lächeln auf seine Lippen. „Du bist gleich dran, es ist kaum etwas los.“ Er ließ sich neben mir nieder und verschränkte seine Beine übereinander. „Hältst du es noch aus?“, fragte er mich anschließend mit seiner tiefen Stimme. In diesem Moment klang sie schon fast ein wenig sanft, was ich mir mit großer Wahrscheinlichkeit nur einbildete. „Ja“, entgegnete ich kurz und hoffte, dass dies der Wahrheit entsprach. Alles drehte sich und mir war übel. Mein Kopf fühlte sich unglaublich schwer an, fast schon wie Blei, weshalb ich ihn auf seine muskulöse Schulter sinken ließ. Normalerweise wäre ich viel zu schüchtern, um überhaupt jemanden zu berühren, doch aus irgendeinem Grund tat ich es trotzdem. Stumm betrachtete ich die weiße Wand uns gegenüber und wartete darauf, dass der Arzt endlich meinen Namen aufrief. Gerade als ich diesen Gedanken losgelassen hatte und nicht mehr die Sekunden des Wartens zählte, beobachtete ich einen blonden, jungen Mann, der gerade aus der Tür des Arztes herauskam. Allerdings konnte ich sein Gesicht nicht erkennen, da er sogleich den Ausgang anstrebte. Auch, als er den Gang weiterhin entlang ging, wand ich den Blick nicht von ihm ab. Aus irgendeinem Grund kam er mir bekannt vor. Sofort schoss mir eine Erinnerung vor Augen, für die ich mir schmerzhaft auf die Lippe biss. Ich hatte mir geschworen, nie wieder an ihn zu denken. Nie wieder. Ein merkwürdiges Gefühl schlich sich in meinen Magen, dass ich auf die Übelkeit schob. Ich sah noch lange in die Richtung, in die er ging, als ich plötzlich spürte, wie Law sich regte. Er neigte seinen Kopf in meine Richtung. „Du bist dran, Ruffy“, meinte er, sodass ich meinen Blick von dem Fremden löste und mich etwas überrumpelt erhob. Ich lächelte ihm und der Ärztin, die in der Türschwelle stand und wartete entschuldigend an, ehe ich den Raum betrat. Die großen, dunkelblauen Augen der jungen Frau betrachteten mich freundlich, als ich mich auf die Liege setzte und sie die Tür leise schloss. „Hallo, ich bin Dr. Koala“, entgegnete sie lächelnd und näherte sich der Liege, auf der ich saß. Ihre kurzen Haare wippten bei der Bewegung hin und her. Ebenso freundlich erwiderte ich ihren Gruß und zeigte ihr die Stelle, die sie untersuchen sollte. Es dauerte nicht lange, bis ich den Raum wieder verlassen konnte. Mein Hinterkopf war nun bandagiert und meine Schmerzen durch Tabletten gelindert. Ich war froh darüber, dass mir nichts allzu ernstes zugestoßen war. Es war nur eine leichte Prellung, die von alleine verschwinden würde. Mir waren nur Schmerztabletten verschrieben worden, sowie die Anweisung auf der Stelle wieder zu kommen, wenn die Übelkeit und die Kopfschmerzen nicht bald abklingen würden. Ich verabschiedete mich dankbar und schlüpfte kurz darauf aus dem Krankenzimmer. Sofort sah ich Law, der gegenüber von der Tür auf einem Stuhl saß und beim Warten eingedöst war. Seine Züge wirkten wieder so entspannt und ein Lächeln lag auf seinen Lippen, was auch mich Lächeln ließ. Es war, als würde ich heute ganz neue Seiten von ihm kennenlernen. Ich kannte ihn nur, wie ihn alle kannten, beherrscht und still, doch nun war er anders. Ich stupste ihn leicht an, sodass er die Augen öffnete. Der entspannte Ausdruck verabschiedete sich sofort und seine graublauen Irden musterten mich mit der gewohnten Ausdruckslosigkeit. „Du bist schon fertig?“, fragte er, seine Stimme klang auf einmal unglaublich müde. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Das Wort „schon“ war nicht wirklich das Richtige. Es war bereits kurz vor drei. Höchste Zeit um wieder nach Hause zu fahren, ins Bett zu gehen und diesen merkwürdigen Abend zu vergessen. Trotzdem nickte ich nur schnell, woraufhin er aufstand. Ich teilte ihm von der Diagnose der Ärztin mit, während wir uns wieder dem Ausgang des Krankenhauses näherten. Auch er schien froh darüber zu sein, dass es nichts wirklich Schlimmes war. Mein Kopf schmerzte noch immer, doch bei weitem nicht so extrem wie vor einigen Minuten noch. Die Nachtluft war kühl, dennoch freute es mich, dass wir endlich das Krankenhaus verließen. Wie schon erwähnt, ich war nicht wirklich ein Fan von ihnen. Wortlos traten wir zum Auto und ich öffnete die Tür des schwarzen Audis. Seufzend stieg ich auf den Beifahrersitz und betrachtete die Straße, als Law losfuhr. „Dauert es lange, bis wir Zuhause sind?“, fragte ich den Schwarzhaarigen und er nickte seufzend. „Das Krankenhaus in unserer Stadt war überfüllt und wir hätten ewig warten müssen. Deshalb sind wir hier, ungefähr eineinhalb Stunden entfernt.“ Ich sah ihn mit offenem Mund an. Dann hatte ich nicht lange getrunken, sondern die Fahrt hatte ewig gedauert. Wieder stellte ich mir die Frage, warum er das alles für mich tat. Doch diesmal traute ich mich sie laut auszusprechen. Dieser Mut kam ganz plötzlich. „Warum tust du das alles für mich?“, meine Stimme klang unsicher und leise, doch ich war mir sicher, dass er mich verstanden hatte. Law brauchte lange, bevor er etwas sagte. „Ich weiß nicht“, war seine ehrliche Antwort, die mich nur noch mehr verwirrte. Er fügte ihr auch nichts mehr hinzu, weshalb ich ihm einen kurzen Blick zuwarf. Seine graublauen Augen ruhten noch immer auf der Straße und wirkten ziemlich konzentriert. Irgendwie erinnerte ich mich plötzlich wieder daran, wie er sich über mich gelehnt hatte und spürte automatisch, wie mir die Röte in die Wangen schoss. Deshalb wand ich meinen Blick schnell wieder von ihm ab. Er wusste es selbst nicht? Das passte nicht zu Law. Ich fand, dass er eher den Eindruck vermittelte, als wüsste er alles, egal um was es sich handelte. Es wirkte, als hätte er über alles die Kontrolle. Wir durchfuhren gerade die Stadt, als Law rechts abbog und zu einer Tankstelle fuhr. „Benzin ist fast alle“, erklärte er kurz, als er den Wagen parkte. Ich nickte schnell und stieg gleichzeitig mit ihm aus, weil ich mir etwas zu essen kaufen sollte. Mir kam es vor, als wäre meine letzte Mahlzeit schon Jahre her. Während mein Mitbewohner den Tank füllte, betrat ich die Tankstelle und hielt im Kühlregal nach etwas Essbarem Ausschau. Die überteuerten Preise beachtete ich gar nicht. Am Besten bezahlte ich das mit Grandpas Notfall-Kreditkarte. Das war auch ein Notfall. Ein extrem großer Notfall. Ich entschied mich für zwei Fertigburger und eine große Flasche Cola. Wirklich gesund, besonders zu dieser Uhrzeit. Als ich an die Kasse kam, wartete Law auf mich. Er grinste leicht, als er das Essen in meiner Hand sah und packte noch eine Packung Chips und Energiedrinks auf den Ladentisch. Nun musste auch ich grinsen. Die Verkäuferin, eine junge Frau mit blondem Haar, warf Law immer wieder verführerische Blicke zu, während sie die Ware einscannte, was mich aus irgendeinem Grund nervte. Dieser jedoch ignorierte die Blicke und ließ sie schnell spüren, dass er kein Interesse hatte. Warum auch, immerhin hatte er eine Freundin. Auch, wenn sie gerade zerstritten waren. Unter meinem Protest bezahlte Law den Preis für das Essen und winkte nur ab, als ich mich beschwerte. Wie sollte ich das alles überhaupt wieder gut machen? Ich mochte es nicht offene Rechnungen zu haben. Und nun hatte er mich bereits die Nacht über herum kutschiert, auf mich gewartet und auch noch mein Essen bezahlt. Wir gingen zurück zum Wagen und stiegen ein. Ich fiel sofort über einen der Burger her, die ich gekauft hatte, während Law das Auto umparkte, um sich ebenfalls einen zu nehmen. Es fühlte sich seltsam an, wie wir hier saßen. Das Mondlicht drang noch stärker als zuvor zu uns herein, während irgendein Lied von ´The Fray` ganz leise aus dem Radio ertönte. Wahrscheinlich war auch noch erwähnenswert, dass es nach drei Uhr waren, mein Hinterkopf dem einer Mumie glich und wir wortlos Burger in seinem Auto aßen. Eine komische Situation. Die Dinge entwickelten sich manchmal wirklich eigenartig. Wir schwiegen und betrachteten die Stadt, die wie ausgestorben wirkte. Doch unser Schweigen war nicht unangenehm. Im Gegenteil, es entspannte mich eher. Ich hatte Zeit meinen eigenen Gedanken nachzuhängen und beschloss nun, mich nicht mehr zu fragen, warum Law mir so viel half. Ich akzeptierte es einfach und würde es bald wieder gut machen. Die Frage war nur wie. Mein Wissen über ihn war sehr begrenzt, wie ich nun feststellte. Ich erinnerte mich daran, dass er keinen Ketchup mochte, zu viel Kaffee konsumierte und Kids grüne Oberteile grässlich fand, doch das würde mich auch nicht wirklich weiter bringen. Ich seufzte und aß den Rest meines Burgers. Wahrscheinlich stellte ich mir viel zu viele Fragen. Als auch Law fertig war, ging die Fahrt weiter. Zwischendurch gab es immer wieder Chips, Cola und gute Musik. Diese Mischung mit Law und der Dunkelheit der Nacht hatte eine besondere Wirkung auf mich. Es fühlte sich gut an, auch wenn es noch immer seltsam war. Ich schaute aus dem Fenster und betrachtete die Sterne, während One Republic im Radio kam. „We'll be counting stars“, sangen sie, während wir über die Autobahn rasten. Es war nach vier, als wir wieder das Haus betraten. Alles war leise und ziemlich dunkel. Wo Kid wohl war? Die Party müsste jedenfalls vorbei sein. Der Gedanke, dass Nami die Nacht durchfeiern würde, hörte sich schlicht und ergreifend unpassend an. Jedoch versuchte ich nicht mehr daran zu denken. Früher oder später würde sie mir sowieso noch davon erzählen, was während meiner Abwesenheit passiert war. Ich war so müde, dass ich das Gefühl hatte, in jeder Sekunde umkippen zu können. Meinem Mitbewohner schien es nicht besser zu gehen. Seine Augenringe wirkten noch dunkler als sonst und seine Augen fielen andauernd zu. Als ich mich in mein Schlafzimmer schleifte, drehte ich mich auf halbem Weg noch einmal um und lächelte Law an. Er stand an der Eingangstür und hing gerade seine Jacke auf. „Danke“, meinte ich noch einmal und versuchte es trotz meiner Müdigkeit freundlich klingen zu lassen. Ich unterdrückte mir ein Gähnen. „Das werde ich auf alle Fälle gut machen“, versicherte ich und meinte es ernst. Ich entlockte ihm ein kurzes Lächeln damit, ehe er nickte. „Gute Nacht“, seine Stimme klang rau, als er sich von der Garderobe abwandte und kurz darauf in seinem Zimmer verschwand. Ich tat es ihm gleich, indem ich mein Zimmer betrat und mich gleich auf mein Bett warf. Ich machte mir auch nicht mehr die Mühe mich umzuziehen, sondern schmiss lediglich meine Jeans auf den Boden. Dann kuschelte ich mich in meine Bettdecke und schlief sofort ein. In dieser Nacht träumte ich von blaugrauen Augen und leuchtenden Sternen, die sich in ihnen widerspiegelten. Kapitel 7: Strange Day ---------------------- Manchmal fühlte ich mich einsam und schon fast unsichtbar, in dieser Welt, die voller Menschen war und doch nicht selten leer wirkte. Ich hatte meine Familie, meine Freunde, ich war niemals ganz alleine. Und doch fühlte ich mich in manchen Augenblicken so. Diese Augenblicke waren gefüllt von Traurigkeit, die durch die Einsamkeit mitschwang und sich seltsam kühl anfühlte. Kühl und taub, wie das Gefühl von Schmerz. Ich mochte dieses Gefühl der Kälte nicht, auch, wenn ich es oft verspürte. Wahrscheinlich gewöhnte man sich niemals richtig daran, egal wie oft es einen heimsuchte. Sie war wie ein Bestandteil des Lebens, ein Bestandteil, auf den man gerne verzichten würde. Denn wer mochte schon die stechende Kälte, die einen einsam fühlen ließ und versuchte die Leere in einem zu füllen? Ich kannte niemanden. Auch ich mochte sie nicht, hatte sie noch nie gemocht. Als mein Bruder gestorben war, war es das erste Mal, dass ich diese Kälte, die mich in dieser Zeit immer wieder wie ein dumpfer Schmerz durchstach, richtig spürte. Ich glaubte, dass sie schon lange dagewesen war. Schon als ich in das Waisenhaus abgeschoben und dort schließlich aufgewachsen war. Doch damals war ich noch ein Kind, ich verstand nichts von dem Gefühl des Schmerzes. Erst jetzt, wo ich älter und so viel reifer war, begriff ich, was die Vergangenheit mit mir angerichtet hatte. Das hieß nicht, dass ich heute nicht glücklich war, es bedeutete eher, dass ich jemand ganz anderes sein würde, wenn da nicht diese Ereignisse gewesen wären, die mir gezeigt hatten, was Schmerz war. Die mich in die Tiefe zogen, wenn ich in der Höhe schwebte; die mich erfrieren ließen, wenn mir warm war. Doch wenn man genauer nachdachte, wäre jeder von uns anders, wenn ihm jeglicher Schmerz in der Vergangenheit verwehrt geblieben wäre. Die Menschheit wäre nicht dieselbe. Wir alle wären nicht dieselben. Ich fragte mich oft, ob es gut so war, wie es war. Ob der Schmerz, der die Menschen heimsuchte und die damit einkehrende Veränderung gut war. Allerdings wusste ich es nicht, was wieder ein Grund dafür war, weshalb ich Gedankengänge dieser Art hasste. Sie warfen nur neue Fragen in mir auf, die so dringend beantwortet werden wollten, obwohl niemand die Antwort kannte. Es musste bereits morgens sein, als mich mein klingelndes Handy brutal aus dem Schlaf riss. Durch das Fenster drang viel zu helles Licht, welches unangenehm in meinen Augen brannte, während der Klingelton nun auch noch von einem starken Vibrieren begleitet wurde. Ich verdrehte die Augen als ich nach dem alten Teil fischte und ohne nachzusehen den grünen Knopf betätigte. Was hatte ich mir bitte dabei gedacht, als ich die Vibration auf die höchste Stärke gestellt hatte? „RUFFY“, schrie mir eine bekannte Stimme sofort ins Ohr, woraufhin ich die Augen zusammen kniff. Jemanden so aus dem Schlaf zu reißen, war doch alles andere als normal. Das grenzte nun wirklich an Sadismus. „Ja?“, murmelte ich verschlafen in mein Handy. Eigentlich wollte ich nur noch mein Handy wegwerfen und weiter schlafen. Doch selbst dies wurde mir wohl verwehrt. „Hör zu, ich muss heute mit dir reden, also komm gegen vier bei Zorro vorbei, okay?“, ohne auf meinen abwesenden Zustand zu reagieren, redete die Stimme laut auf mich ein und ließ mich kaum zu Wort kommen. Es gab wirklich schönere Wege, geweckt zu werden. „Wer ist da nochmal?“, fragte ich schlaftrunken nach, während ich mir mit einer Hand durch das Gesicht fuhr. Wie spät es wohl war? Bestimmt noch viel zu früh für mich. Ein Blick auf meine Wanduhr ließ mich allerdings stutzen. Halb Zwei Mittags. Wohl doch nicht so früh, wie gedacht. Und schon wieder hatte ich eine Mahlzeit verpasst! „- hörst du mir eigentlich zu?“, meldete sich die Stimme am anderen Ende zurück, ehe sie theatralisch aufseufzte, so, wie ich es nur zu gut von ihr kannte. „Ja, Nami, 'tschuldigung“, grummelte ich etwas genervt und drehte mich auf die andere Seite. Ich unterdrückte mir ein Gähnen. „Also, du kommst heute Mittag, verstanden?“, fragte sie sicherheitshalber noch einmal nach. Wenn ich ehrlich war, wollte ich nichts lieber tun, als im Bett liegen zu bleiben, mir irgendeinen Film anzusehen und irgendetwas zu essen. Schokolade wäre nicht schlecht. Doch die Stimme der Orangehaarigen ließ keine Widerrede zu, so wie fast immer. „Klar“, entgegnete ich und versuchte die Missmut in meiner Stimme zu verstecken, ehe ich mit einem „Dann bis später“ auflegte. Das Handy zurück auf den Nachttisch legend, vergrub ich meinen Kopf erneut in meinem Kissen. Einschlafen konnte ich allerdings nicht mehr, so sehr ich es auch versuchte. Meine Augen öffneten sich wie von selbst immer wieder. Was Nami wohl wollte? Wahrscheinlich war sie darauf aus, mir jedes Detail der Party zu erzählen. Sicherlich war viel geschehen, als ich weggetreten war. Gleichzeitig kamen damit die Ereignisse der letzten Nacht in mir hoch. Ich drückte meinen Kopf noch fester in die Kissen, als ich spürte, wie mir die altbekannte Hitze wieder in die Wangen schoss, wenn ich an Law dachte. An den Law von letzter Nacht. Verdammt nochmal, was war denn jetzt bitte los? Diese Reaktion konnte ich nun wirklich nicht mehr auf den Alkohol schieben, ich war zu hundert Prozent nüchtern. Umso mehr verwirrte mich das Ganze. Mit einem Seufzen fasste ich mir an den Kopf und richtete mich im Bett auf. Erneut kam mir die Frage in den Sinn, wie genau ich mich bei Law dafür bedanken sollte, dass er so viel für mich getan hatte. Klar, er hätte das nicht machen müssen, ich hatte ihn immerhin nicht darum gebeten. Trotzdem fühlte ich mich so, als wäre ich ihm etwas schuldig. Dieses Etwas löste ebenfalls das Gefühl in mir aus, dass es sehr schwer werden würde, das richtige Dankeschön zu finden und es ihm letztendlich zurückzuzahlen. Wenn man bedachte, dass es um Law ging, war es nicht überraschend, dass dies nicht leicht werden würde. Ich könnte sagen, dass ich Law nicht verstand, dass er ein Rätsel war, doch das war nicht richtig. Für ein Rätsel gab es immer eine Lösung und bei Law war ich mir wirklich nicht sicher, ob eine existierte. Er glich viel eher einem Mysterium. Und trotzdem wollte ich dahinter kommen. Ich wollte wissen, wer er war. Ob er sanft oder ernst war, wann er eine Maske trug und wann nicht. Ich wollte erfahren, warum er gestern so viel für mich getan hatte und so viel Zeit aufgeopfert hatte. Ich stützte meine Stirn auf meiner Handfläche ab und schüttelte kurz den Kopf. Heute war wieder einer dieser Tage, an denen ich viel zu viel nachdachte. Eigentlich war dies ziemlich untypisch für mich, da ich eher von impulsiver Natur war und trotzdem gab es Tage, die ich mit belanglosem Grübeln verbrachte. Irgendwann würde mich das noch zum Ausrasten bringen, da war ich mir sicher. Wacher als zuvor stand ich auf und vermisste beinahe sofort die wohlige Wärme des Bettes, als meine nackten Füße den kalten Fußboden berührten. Ich schlich zu meinem Schrank, fischte frische Unterwäsche, eine Jeans und ein einfarbiges T-Shirt mit V-Ausschnitt heraus, welche ich mir auch gleich überzog. Halbnackt wollte ich sicherlich nicht meinen Mitbewohnern gegenübertreten. Allein der Gedanke daran, ließ mich erneut erröten. Ich verließ mein Zimmer summend und schloss die Tür hinter mir. Im Wohnzimmer war niemand zu sehen, allerdings hörte ich dafür nur zu deutlich, wie jemand in der Küche herumhantierte. Beim Näherkommen konnte ich ebenfalls feststellen, dass irgendetwas verdammt gut Riechendes zubereitet wurde. Als ich die Küche betrat, sah ich Kid, der mit dem Rücken zu mir stand. In seiner Hand hielt er einen Pfannenwender, den er hin und wieder auf die Pfanne hinabsenkte. Ich grinste. Sein Timing war einfach perfekt, anders konnte man es wirklich nicht sagen. „Guten Morgen“, mit einem Blick zu Kid ließ ich mich auf einem Klappstuhl nieder. Der Rothaarige drehte sich sofort um und wedelte mit dem Pfannenwender herum. Seine Augenbrauen hoben sich leicht in die Höhe. „Es ist Mittag“, ließ er mich wissen. Ich zuckte nur mit den Schultern. Erst jetzt, wo ich ihn von vorne sehen konnte, bemerkte ich, dass auch er sich noch nicht ganz erholt hatte. Ihm hatte die letzte Nacht wohl auch zugesetzt, wie ich an den tiefen Augenringen, seiner gekrümmten Haltung und den müden Augen feststellen konnte. Auch seine Kleidung sah nicht so aus, als hätte er lange darüber nachgedacht, was er heute tragen sollte. „Es gibt French Toast“, erklärte er und deutete mit dem Pfannenwender auf den Herd, ehe er diesen abstellte. Der Tisch war schon gedeckt, allerdings nur für zwei Personen. Als Kid sich setzte und uns beiden eine Portion auf die Teller lud, warf ich ihm einen verwirrten Blick zu. „Wo ist Law?“, fragte ich direkt, während ich das Besteck in die Finger nahm. Kids Laune, die sowieso schon nicht berauschend war, schien zu sinken. Seine Mundwinkel verzogen sich nach unten, ehe er aufseufzte und seine Stirn auf der rechten Hand bettete. „Das ist etwas kompliziert“, meinte er ehrlich, während er in seinem Kaffee herumrührte. Er schien mit seinen Gedanken nicht ganz hier zu sein. Seine Stimme klang in diesem Moment komisch, so trocken und abwesend. Mir war sofort klar, dass irgendetwas passiert sein musste. Seinen Zustand hatte er wohl doch nicht nur dem Alkohol zu verdanken. „Was ist kompliziert?“, fragte ich verunsichert nach. Was sollte denn auch mit Law sein? Ich verstand nicht, was Kid mir sagen wollte. Im Prinzip hätte mir eine einfache Antwort gereicht und nicht eine, die noch mehr Fragen in mir aufwarf und mich neugierig machte. Auch wenn ich nicht vermeiden konnte, mischte sich leichte Besorgnis in meinen Blick. Ich hatte das Gefühl, dass es ernst war. Die Atmosphäre zwischen Kid und mir wirkte plötzlich eigenartig. Als würde ich kaum noch Luft bekommen, als wäre der Sauerstoffanteil auf einmal gering. Seine bernsteinfarbenen Augen musterten mich. Etwas Undeutliches lag in ihnen, etwas, dass ich wirklich nicht beschreiben konnte. „Erinnerst du dich noch an den Tag, an dem du hier ankamst?“, fragte er mich plötzlich, weshalb ich etwas verwirrt meine Augenbraue anhob. Worauf er hinauswollte, konnte ich nicht ganz nachvollziehen, weshalb ich nur nickte. „Law war nicht da“, erinnerte er mich, „weil wir einen Streit hatten.“ Er seufzte erneut und schob sein schwarzes Stirnband zurecht. Allerdings lagen seine Haare heute platt auf seinem Kopf, sie standen nicht wild ab, wie sonst immer. „Und heute hatten wir wieder einen Streit, wegen demselben Thema.“ Die Erinnerung kam in mir hoch, weshalb ich nickte. Aus irgendeinem Grund war ich auch ziemlich froh darüber, dass er sich mir anvertraute. Es schien, als würde der Sauerstoff langsam den Weg zurück in die Luft finden. „Warum?“, fragte ich den Rothaarigen, der wahrscheinlich nur auf diese Frage gewartet hatte. Ich war mir nicht ganz sicher, ob er mir alles oder nur einen Teil erzählen würde, doch ganz gleich was er tat, es würde mir mehr Informationen über Law geben. Zwar wusste ich selbst nicht ganz, warum ich mich so sehr für den Schwarzhaarigen interessierte, doch hatte ich in letzter Nacht das Bedürfnis entwickelt, ihn kennenzulernen. Ich wollte nicht, dass er auf ewig ein Mysterium für mich blieb. „Es geht um meinen Vater. Er ist krank“, erklärte Kid kurz. Sofort erinnerte ich mich an Law und daran, wie er Nami im Café gefragt hatte, ob sie den Rothaarigen zu ihrem Vater begleiten würde. Auch das war am Tag meiner Ankunft gewesen. „Was hat er?“, fragte ich mit einem traurigem Unterton in der Stimme nach. Es musste etwas Schlimmes sein, wenn Kid mehrere Worte daran verschwendete. „Lungenkrebs“, sagte er schnell, als würde er es nicht über sich bringen, es in einem normalen Tempo zu sagen. Seine Stimme klang dabei schon fast emotionslos, wäre da nicht das verräterische Glitzern in seinen Augen, welches mir zeigte, dass ihn das Ganze eindeutig mitnahm. Ich hatte plötzlich das Bedürfnis ihn in den Arm zu nehmen, jedoch ließ ich das lieber sein. Kids Verhalten verunsicherte mich schließlich fast so oft, wie Laws. Mein Blick wandte sich meinem gefüllten Teller zu. So verrückt das auch klang, plötzlich hatte ich keinen Hunger mehr. „Das tut mir Leid“, flüsterte ich kaum hörbar. Woher hätte ich dies auch wissen können? Er nickte, um mir zu signalisieren, dass er mich verstanden hatte. „Nun ja, ich will ihn besuchen, bevor..“, seine Stimme stockte, „du weißt schon.“ Ich beobachtete ihn dabei, wie er sich zusammenriss, obwohl es mir nichts ausmachen würde, wenn er seinen Gefühlen freien Lauf lassen würde. Vor mir musste er nicht so tun, als würde ihn nichts herunterziehen. Er musste sich nicht so verhalten, als würde er nicht stark wirken, wenn er Gefühle zeigte. Doch das sagte ich ihm nicht. Stattdessen nickte ich erneut, wenn auch nur sehr leicht. „Aber du musst wissen, dass in unserer Heimatstadt einiges vorgefallen ist. Wir sind nicht ohne Grund hierher gezogen.“ Er schien nicht weiter darauf eingehen zu wollen, was genau sich ereignet hatte. „Jedenfalls will ich Dad trotzdem besuchen und nun ja, ich werde das nicht schaffen, nicht alleine“, gab er monoton zu, „also habe ich Law gefragt.“ Seine Gabel stocherte in seinem kalten Toast herum. „Er ist ausgeflippt und gegangen. Ich glaube, er kommt noch immer nicht mit allem klar.“ Diese Worte verunsicherten mich. Kid würde niemals zugeben, dass er etwas nicht konnte, das passte nicht zu ihm. Ich runzelte die Stirn und wollte nachfragen, als Kid sich plötzlich wieder mir zuwandte. Seine bernsteinfarbenen Augen wirkten hart. „Ich weiß nicht, warum ich dir das erzähle“, meinte er kopfschüttelnd, mit einem amüsierten Ausdruck auf seinem Gesicht. Ich musste lächeln. „Aber wenn du das Law sagst, töte ich dich.“ Mit dem Blick, den er im Moment drauf hatte, würde ich ihm das sogar zutrauen. „Werde ich nicht“, versprach ich ehrlich. Ich wusste zwar nicht, was dagegen sprach, doch wenn Kid dies nicht wollte, würde ich sein Vertrauen auch nicht missbrauchen. „Gut“, antwortete er, bevor er anfing, sein Toast zu essen, welches seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen nicht mehr schmeckte. „Gott, das schmeckt echt scheiße“, bestätigte er meinen Gedanken und grinste schief. „Lass uns lieber eine Pizza essen gehen“, schlug er darauf vor und ich hatte das Gefühl, dass unser Gespräch noch nicht beendet war. „Klar“, versuchte ich zu grinsen, während sich bei dem Wort „Pizza“ mein Magen lautstark zu Wort meldete. Wir verließen die Küche und zogen uns unsere Jacken und Schuhe an, da es draußen regnete. Das wurde auch Zeit. Es hatte schon lange nicht mehr geregnet. Die nächste Pizzeria, die auch am Sonntag aufhatte, war nur wenige Minuten entfernt, weshalb wir uns dazu entschieden, zu Fuß zu gehen. Der Regen prasselte auf den Asphalt und war im Moment das einzige, was man hören konnte, sah man von dem Rascheln der Blätter ab. Heute schien alles so grau und leer, wahrscheinlich hatten sich die meisten in ihre Häuser verzogen, weil der Regen gekommen war. Kleine Flüsse bildeten sich sich an den Straßenrändern, welche kurz darauf in den Abwasserkanal rauschten. Ich konnte nicht vermeiden, bei dem Geruch des kühlen Nass, an Law zu denken. „Weißt du“, plötzlich meldete sich Kid wieder zu Wort. Er hielt an. Etwas überrascht drehte ich mich zu ihm um. Seine bernsteinfarbenen Augen durchschnitten die regnerische Luft wie helles Licht. „Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du mit mir zu ihm fahren würdest.“ Ich musterte ihn, verblüfft über diese Frage. Seine roten Strähnen, die nicht von der Kapuze umhüllt wurden, klebten nass an seiner Stirn, während mehrere Tropfen über sein Gesicht liefen. Der Regen war mittlerweile stärker geworden und peitschte mir unangenehm ins Gesicht. Ich überlegte nicht, als ich antwortete. „Auf jeden Fall.“ Er schien etwas erleichtert und dieser merkwürdige Augenblick war mit einem Mal vorbei. Wir gingen weiter, als wäre nichts passiert, während ich noch immer ein wenig perplex war, was die heutigen Gespräche mit Kid anging. Nami hatte mir noch nie erzählt, dass ihr Vater so krank war, doch das konnte ich ihr nicht übel nehmen. Schließlich erzählte ich ihr auch kaum von Ace oder meiner Zeit in Michigan. Wahrscheinlich wollte sie auch einfach nicht darüber reden. Meines Wissens nach, hatte sie noch nie wirklich viel Kontakt mit ihrem Vater gehabt. Allerdings war es noch ein wenig merkwürdiger zu sehen, wie anders Kid heute war. Ich hatte ihn eher als den mürrischen und nichts wirklich ernst nehmenden Typen abgespeichert und heute bewies er mir das Gegenteil. Doch das Gleiche hatte ich auch gestern noch bei Law bemerkt. Wahrscheinlich waren die beiden sich ähnlicher, als sie es jemals zugeben würden. Trotzdem war ich immer noch neugierig, was seine alte Heimat anging. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, was den Schwarzhaarigen so wütend machte, dass er die Wohnung verließ. Er war sonst immer in Fassung und ließ sich von nichts beeindrucken. Es musste etwas Schlimmes gewesen sein, so viel stand fest. Den Kopf schüttelnd begleitete ich Kid in die Pizzeria und zog mir meine Kapuze vom Kopf. Ich musste dringend den Ausschaltknopf für meine Gedanken finden. Dringend. Während dem Essen einer riesigen Salamipizza, redeten wir kaum. Als ich mich wenig später von dem Rothaarigen verabschiedete, weil ich noch zu Nami wollte, sagte er noch immer nichts. Er hob lediglich seine Hand zum Abschied und lächelte, wenn auch nur ganz leicht. Eigentlich schon fast nicht erkennbar. Mit etwas besorgter Miene machte ich mich auf zu dem Halteplatz der Straßenbahn. Die Sache musste ihn ziemlich mitnehmen, da war ich mir sicher. Ich hatte Glück und die nächste Bahn war schon da, als ich die winzige Haltestelle betrat. Also stieg ich ein und ließ mich auf einem leeren Platz nieder. Dass heute selbst hier wenig los war, war verblüffend. Ich sah aus dem Fenster und betrachtete die Regentropfen dabei, wie sie in einem ungleichmäßigem Rhythmus gegen die Fenster schlugen. Mein Gesicht spiegelte sich in der Fensterscheibe wieder, was mich feststellen ließ, dass ich heute wirklich scheiße aussah, um es noch freundlich auszudrücken. Meine Haare standen wild von meinem Kopf ab, während die vorderen Strähnen ziemlich nass waren und an meiner Stirn klebten. Auch das Verband um meinen Kopf war teilweise durchnässt. Meine Haut wirkte blass, weshalb man die tiefen Augenringe, die sich unter meinen müden Augen verbargen, noch deutlicher sehen konnte. Sie erinnerten mich fast schon an Law, der immer Augenringe hatte, warum auch immer. Ich biss mir bei diesem Gedanken auf die Unterlippe und konnte nicht vermeiden, dass erneut Sorge in mir aufkeimte. Wo er jetzt wohl war? Es dauerte nicht lange, bis ich ausstieg und zu Fuß bei Zorro ankam. Er wohnte mit seiner großen Schwester Tashigi im Zentrum der Stadt, in einer kleinen Wohnung. Ich vermutete ja, dass sie nur im Zentrum wohnten, damit Zorro sich auf dem kurzen Weg zur Schule nicht verlief. Doch als ich ihn mit dieser Vermutung konfrontiert hatte, hatte ich nur einen angesäuerten Blick zugeworfen bekommen. Im Grunde genommen, hatte er mir damit schon geantwortet. Ich betrat das Treppenhaus und ging hinauf in die dritte Etage, ehe ich vor der Wohnungstür mit der Aufschrift „Lorenor“ auf die Klingel drückte. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe die Tür von meiner besten Freundin geöffnet wurde. Sie war wohl die einzige, der man die letzte Nacht nicht ansah. Ihr Styling war wie immer aufwendig und sie schien nicht einmal einen Hauch von Müdigkeit aufzuweisen. „Hey!“, rief sie erfreut und zog mich in eine kurze Umarmung. „Hi“, erwiderte ich grinsend, ehe sie mich in die Wohnung bat. Zorro hatte mir erzählt, dass seine Schwester im Moment ihren Freund Smoker besuchte, weshalb er hier alleine war. Leider sah man dies der Wohnung an. Im Flur lagen bereits Klamotten und Zeitschriften auf den Boden, von denen ich lieber nicht wissen wollte, wie sie ihren Weg dorthin gefunden hatten. Wir betraten das Wohnzimmer und kämpften uns unseren Weg zu der Couch. Der Boden war vor lauter Zeug nicht mehr zu erkennen. Auf der Couch hockten Sanji und Zorro, die sich mal wieder grundlos am Streiten waren. Nichts Neues also. Während Zorro noch nicht ganz bei der Sache wirkte und tiefe Augenringe aufwies, war Sanji hellwach. Ich hatte ihn am gestrigen Abend gar nicht gesehen. „Hey“, meinte ich grinsend und ließ mich auf die linke Seite der Couch fallen, während Nami sich auf dem Holztisch davor niederließ. Meine Freunde begrüßten mich kurz, ehe ich auch schon leicht besorgt von Sanji gemustert wurde. „Wie geht es dir?“, fragte er aufrichtig, während seine braunen Augen den Verband an meinem Kopf musterten. „Gut“, erwiderte ich schnell, wobei mir auffiel, dass ich meine Verletzung schon fast vergessen hatte. „War nicht so schlimm“, fügte ich noch hinzu, was Nami aufseufzen ließ. „Hat allerdings schlimm ausgesehen“, erklärte sie mitfühlend und drehte eine ihrer orangen Strähnen mit ihrem Finger ein. Zorro nickte zustimmend. „Ich frage mich ja immer noch, warum du diesen Urouge eingeladen hast“, gab er ihr zu bedenken. Nami hob abwehrend die Hände. „Woher hätte ich denn wissen sollen, dass er den Alkohol meiner Schwester klaut“, giftete sie ihn darauf an. „Oder, dass sie so ausflippen würde“, fügte Sanji hinzu, wobei sich ein leichtes Grinsen auf seine Lippen schlich. Er schnappte sich eine Zigarette aus seiner Hosentasche und zündete sie an. „Was war das eigentlich für ein Typ, der sich an Vivimaus rangemacht hat?“, fragte er auf einmal angesäuert und nahm einen Zug von seiner Zigarette. Nami kicherte kurz. „Du meinst Cavendish?“, fragte sie nach, während ihre Augen amüsiert funkelten. Auch ich musste mir ein Lachen verkneifen. Sanjis Beschützerinstinkt jeglichen Frauen gegenüber war eindeutig viel zu ausgeprägt. Zorro musterte währenddessen die Zigarette in Sanjis Hand. „Das ist dieser behinderte Typ, der ständig auf die Titelseite der Schulzeitung will, damit ihm die Frauen hinterher jagen“, erklärte er missmutig. Sanji allerdings lächelte darauf wissend, anstatt ihn, wie eigentlich erwartet, zu verfluchen. „Hast du etwa Angst, dass er der neue Frauenschwarm der Schule wird?“, fragte er stichelnd und wackelte mit seinen Augenbrauen. Er versuchte eindeutig den Grünhaarigen zu provozieren, was ihm allerdings nicht gelang. „Den Platz kann mir keiner nehmen“, entgegnete Zorro darauf überheblich, sodass ich Nami einen vorsichtigen Blick zuwarf. Sie wirkte sauer, versuchte allerdings sich nichts anmerken zu lassen. „Stimmt, niemand nimmt einfach jede Frau, die eine halbwegs annehmbare Oberweite hat“, rollte sie mit den Augen, weshalb Zorro sie grinsend ansah. „Ein Mann muss eben tun, was ein Mann tun muss“, versuchte er sein Verhalten zu erklären, woraufhin Sanji ihm einen zweifelnden Blick zuwarf. „Bist du dir auch sicher, dass du ein Mann bist?“, fragte er mit einem gespielt ungläubigen Blick. „Willst du nachsehen?“, forderte Zorro ihn heraus. Seine Augen blitzten angriffslustig. Der Blonde allerdings verzog daraufhin übertrieben angewidert das Gesicht. „Nein, danke“, murmelte er, ehe er einen erneuten Zug von seiner Zigarette nahm. Plötzlich richtete Nami sich auf und zog mich am Handgelenk. „Wir holen etwas zu trinken“, meinte sie mit einem kurzen Blick zu den Beiden und zog mich in Richtung Küche. Etwas verwirrt sah ich ihr dabei zu, wie sie sich laut aufseufzend gegen die Theke lehnte, ehe sie die Arme vor ihrer Brust verschränkte. Jetzt würde sie mir sicherlich erzählen, warum sie mich ebenfalls hergebeten hatte. „Das gestern ist in die Hose gegangen“, merkte sie leise an, damit unsere beiden Freunde sie nicht hörten. Ich hob meine Augenbrauen an. „Was meinst du?“, fragte ich nach. Keine Ahnung, von was sie da redete. Mir fiel es im Moment sowieso ziemlich schwer, mich auf das Gespräch meiner Freunde zu konzentrieren, wenn mir die ganze Zeit Law, Kid und dessen Vater durch den Kopf geisterten. Genauso wie die Reise, die mir jetzt bevorstand, da ich dem Rothaarigen versprochen hatte, ihn zu begleiten. „Du erinnerst dich daran, dass du gestern auf Zorro aufpassen solltest?“, fragte sie vorsichtig nach. Ihre Stimme klang etwas verzweifelt. Ich nickte, als ich mich an ihre Worte von letzter Nacht erinnerte. „Ich wollte mit ihm reden, wenn er genug intus hatte“, erklärte sie, weshalb sie erneut einen fragenden Blick von mir kassierte. „Allerdings war er gleich verschwunden, als du weg warst“, sie seufzte auf und fasste sich an die Stirn. In diesem Moment erinnerte sie mich schon fast an eine Mutter, die einen Sohn hatte, der sich einfach nicht benehmen konnte. Nun ja, wenn man es genau nahm, hatte Zorro auch kein Benehmen. Zumindest was Frauen anging. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass er schon früher so gewesen war, auch, wenn es mir jetzt nichts ausmachte, dass er sich auf diese Weise verändert hatte. „Worüber wolltest du mit ihm reden?“, stellte ich schließlich die Frage an meine beste Freundin, die mich schon die ganze Zeit über interessierte. Ihre braunen Augen funkelten mich mit einer Mischung aus Traurigkeit und Unwissen an. „Ich habe die Vermutung, dass es einen bestimmten Grund für sein Verhalten gibt“, erklärte sie mir. Dann holte sie vier Gläser aus dem Küchenschrank und füllte sie wortlos mit Wasser. Kapitel 8: Rain --------------- „Ich habe die Vermutung, dass es einen bestimmten Grund für sein Verhalten gibt.“ Schon seit mehreren Stunden geisterten Namis Worte durch meinen Kopf und wiederholten sich in Endlosschleife. Es war kaum auszuhalten. Wann immer ich versuchte an etwas Anderes zu denken, tauchte ihr oranger Haarschopf vor meinen Augen auf und wollte mir ernsthaft weismachen, dass die Chance bestand, dass Zorro schwul war. Ich seufzte, als ich daran dachte, wie überzeugt Nami davon schien. „Nur deswegen tut er so, als würde er jede Frau nageln wollen“, hatte sie argumentiert. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte sie sogar gedacht, dass ich dies auch schon einmal in Erwägung gezogen hatte. Doch natürlich hatte ich das noch nie getan. Ganz im Gegenteil. Wie Nami darauf kam, war mir noch immer nicht ganz klar. Versteh einer diese Frauen. Meine müden Augen blickten an die Decke meines Zimmers, die in der Dunkelheit kaum zu erkennen war. Es musste gerade ziemlich spät sein, vielleicht kurz nach Mitternacht, jedoch konnte ich einfach nicht schlafen. Heute war so viel passiert. Dazu kam, dass diese Ereignisse überwiegend merkwürdig waren. Noch immer konnte ich mir nicht vorstellen, Kids Vater zu besuchen. Als ich Nami darauf angesprochen hatte, gleich nachdem sie ihre „Vermutung“ geäußert hatte, schien sie nicht abgeneigt von dieser Tatsache zu sein. Viel hatte sie nicht dazu gesagt, allerdings war sie froh darüber, dass Kid ihm nicht alleine einen Besuch abstatten würde. Es überraschte mich ein wenig, dass sie nicht mit ihm fahren wollte. Allerdings hatte ich nicht nachgefragt. Ich drehte mich auf die Seite und betrachtete die Wand mir gegenüber. Durch die Vorhänge drang das Licht der Straßenlaternen in den Raum und warf Schatten von Laubbäumen an meine Wand. Ich wartete immer noch darauf, dass die Müdigkeit mich übermannte, doch daraus wurde einfach nichts, egal wie sehr ich es versuchte. Als ich vor wenigen Stunden eingetroffen war, hatte mir bereits Kids Gesichtsausdruck gezeigt, dass Law ebenfalls wieder Zuhause war. Ich wollte unbedingt mit ihm reden, allerdings war er in seinem Zimmer verschwunden. Und genau das erinnerte mich wieder an Regel Nummer 8 – niemals sein Zimmer betreten, ohne anzuklopfen. Allerdings hatte er auf mein Klopfen nicht geantwortet, weshalb ich mich etwas enttäuscht auf mein Zimmer verzogen hatte. Wahrscheinlich wäre es von Vorteil gewesen, wenn ich die restliche Zeit des Tages dazu genutzt hätte, irgendetwas für die Schule zu tun, doch das hatte genauso schlecht funktioniert, wie das Einschlafen. Die Notizblätter die ich für meine Mathehausaufgaben missbraucht hatte, lagen allesamt im Papierkorb, während sich die Deutschlektüre noch immer ungelesen in meiner Tasche befand. Den Aufbau eines verdammten Froschkörpers hatte ich auch noch nicht gelernt. Wozu auch? Meiner Meinung nach, war es mehr als nur unnötig die Gliedmaßen irgendeines Tieres auswendig zu lernen, nur um sie dann wieder zu vergessen. Jedenfalls war das bei mir immer der Fall. Ich pustete mir eine Strähne aus dem Gesicht als ich mich aufsetzte, um auf meine Handyuhr zu sehen. 00:56 Uhr. Ich lag mit meiner Schätzung also gar nicht so falsch. Statt mein Handy wieder beiseite zu legen, betrachtete ich ein wenig wehmütig meinen Hintergrund, auf welchem Ace und ich zu sehen waren. Wir standen Arm in Arm vor unserem Haus, eingehüllt in viel zu schicke, für uns untypische Anzüge. Es war der Abend gewesen, an dem Ace seinen Abschluss gemacht hatte. Das Foto wurde mit riesigem Grinsen von Garp geschossen. Ich erinnerte mich noch zu gut daran, wie stolz er Ace seitdem immer gemustert hatte. Kurz sank meine Laune wieder, ehe ich die Tastensperre anschaltete und das Licht des Smartphones kurz darauf wieder erlosch. „Es ist vorbei“, flüsterte ich mir zu und erinnerte mich gleichzeitig an die Worte von damals, die von meinem Großvater stammten. „Wir dürfen nicht darüber traurig sein, dass er weg ist, Ruffy. Viel eher müssen wir uns lächelnd dafür bedanken, dass wir ihn so lange bei uns haben durften.“ Wenn er wollte, konnte er verdammt einfühlsam sein... wenn er wollte. Zu oft benutzte er lieber seine „Faust der Liebe“. Ich legte mein Handy zurück auf den Nachttisch und ließ meinen Kopf erneut in die Kissen sinken. Minuten vergingen, in denen ich regungslos so verharrte. Ein plötzlicher Schrei ließ mich zusammenzucken und riss mich gleichzeitig aus den Gedanken. Ich fühlte mich, als hätte mein Herz einen Schlag lang ausgesetzt. Er war nicht sehr laut, doch in der Stille der Nacht hörte ich ihn umso deutlicher. Allerdings war das Beunruhigende, dass ich die Stimme kannte, die dort im Nebenzimmer undeutliche Rufe von sich gab. Panik stieg in mir auf. Meine Beine glitten wie mechanisch aus dem Bett und ich richtete mich auf, um noch einmal zu lauschen. Fast dachte ich schon, dass ich mir alles eingebildet hatte, als ich wieder dieses klägliche Geräusch hörte. ´Law`, schoss es mir durch den Kopf. Ich öffnete meine Zimmertür und wunderte mich nur kurz darüber, dass Kid noch nicht aufgewacht war. Wahrscheinlich hatte er einen zu tiefen Schlaf. Ohne darauf zu achten, dass ich gerade nicht auf die bescheuerten Regeln des Rothaarigen hörte, betrat ich Laws Zimmer. Ich blickte mich nur kurz um, für eine wirkliche Betrachtung fehlten mir die Nerven. Es war heller als in meinem Zimmer, da auf seinem Nachttisch eine kleine Lampe eingeschaltet war, die ihr Licht darauf warf, wie der Schwarzhaarige sich im Bett hin und her wälzte. Und er rief. Leiser und manchmal auch lauter. Trotzdem verstand ich seine Worte nicht. Es war, als würde er eine fremde Sprache sprechen, die ich einfach keiner zuordnen konnte. Vermutlich waren sie nur viel zu undeutlich. Panik keimte in mir auf, sodass ich ohne darüber nachzudenken auf sein großes Bett glitt und an seinem Oberkörper rüttelte, in der Hoffnung ihn wecken zu können. „Law“, rief ich eindringlich und wollte unbedingt, dass er endlich aufwachte. Meine Sorgen schienen mich fast schon zu übermannen und ich konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Kaum eine Sekunde später, riss ich voller Schrecken meine Augen auf, als ich plötzlich auf den Rücken gedreht wurde. Eine Hand drückte meine Handgelenke auf das Kopfkissen weit über mir, die andere legte sich grob an meine Kehle. Bedrohliche, graue Augen warfen mir von oben einen angsteinflößenden Blick zu, der mich beinahe schon erzittern ließ. Mein Herz begann in einem unregelmäßig schnellem Rhythmus zu schlagen. Die Luft war plötzlich mit Spannung gefüllt. Erst nach einigen Sekunden, in denen Law mich betrachtete, überkam ihn die Erkenntnis, wen er hier unter sich hatte. Ich sah, wie er sich auf die Unterlippe biss, ehe er seine feste Haltung lockerte. „Du bist es“, hörte ich ihn murmeln. Seine Stimme klang ganz anders als sonst. Viel rauer und unglaublich heiser, nicht so gefasst und ruhig, wie ich sie kannte. Er war wieder jemand Anderes. Jemand, den ich nicht kannte, zumindest noch nicht gekannt hatte. So wie an dem Abend im Krankenhaus. „Ich bin es“, erwiderte ich darauf zustimmend, allerdings klang meine Stimme nicht einmal halb so schlimm wie seine. Man hörte jedoch zu deutlich die Angst heraus, die mich in diesem Moment überfallen hatte und noch immer in mir hauste. Seine grauen Augen musterten mich noch einmal mit einem fragwürdigen Ausdruck in meinen Augen, ehe er von mir herunterging. Law setzte sich im Schneidersitz neben mich auf das Bett und fuhr sich mit einer Hand durch sein Gesicht. „Was hast du gehört?“, wollte er wissen, allerdings vermied er es, mir in die Augen zu sehen. Sein Blick galt lediglich der grauen Bettdecke, als wäre sie plötzlich unglaublich wichtig. Ich war schon wieder verwirrt, so wie immer, wenn ich in seiner Gegenwart war. Es war kaum auszuhalten. Was hatte das gerade zu bedeuten? Warum reagierte er so, als ich ihn wecken wollte? Tausende, neue Fragen bildeten sich in meinem Inneren, die unbedingt eine Antwort wollten. „Nicht viel“, antwortete ich und beobachtete ihn dabei, wie er die Decke durchgehend musterte. Das war so untypisch für ihn. „Ich war wach, habe Schreie gehört und mir Sorgen gemacht“, erklärte ich anschließend meine Reaktion und versuchte mich wieder zu beruhigen, indem ich langsam ein und aus atmete. Mein Herz klopfte nämlich noch immer in einem beinahe ungesundem Rhythmus, während meine Hände leicht zitterten. Ich hörte ihn aufseufzen, ehe er den Kopf wieder hob. Seine Augen sahen nicht so aus wie sonst immer. In dieser Nacht waren sie viel ausdrucksvoller. Er schien nicht einmal zu versuchen, dies zu unterdrücken. Wahrscheinlich, weil es sowieso nichts mehr daran ändern würde, dass ich von dieser Sache mitbekommen hatte. Es kam mir so vor, als wollte er nicht, dass ich so etwas von ihm wusste. Vielleicht wollte er auch einfach nicht, dass ich ihm zu nahe kam. Jedenfalls blickte ich nicht durch und gerade das störte mich. „Lust spazieren zu gehen?“, diese Frage kam so unerwartet, so plötzlich, dass ich nicht anders konnte, als ihn verblüfft zu mustern. Ich dachte fast schon, dass ich es mir eingebildet hatte. Darauf sah ich ihn allerdings leicht schmunzeln, was mir zeigte, dass ich mich tatsächlich nicht verhört hatte. Dieses winzige, wirklich minimale Lächeln stand ihm unglaublich gut. „Guck mich nicht an, als hätte ich dir gerade das Angebot gemacht, Marihuana zu rauchen und danach von einer Brücke zu springen“, versuchte er ein wenig zu witzeln, um die Spannung zwischen uns zu lösen. Und irgendwie gelang es ihm auch, da sich ein Lächeln auf meine Lippen schlich, auch wenn da immer noch die Angst war, die in mir lauerte. Allerdings war diese bedrohliche Aura, die ihn umgeben hatte, nachdem er aufgewacht war, bereits verschwunden. Das Schlimme war nur, dass ich dies mit großer Wahrscheinlichkeit tun würde, wenn er es mir vorschlug. Nur um noch mehr Seiten von Law zu entdecken, die doch alle noch mehr Fragen aufwarfen und einfach kein verständliches Gesamtbild ergeben wollten. Ich nickte und versuchte meine Verwunderung zu verstecken. Gleichzeitig nahm ich mir vor, ihm Fragen zu stellen, auf die ich eine Antwort suchte. Ob er mir welche geben würde, war nun wieder eine andere Sache. „Ja, also... ich meine... okay, meinetwegen.“ Ich war mir sicher, dass ich inzwischen dunkelrot angelaufen war und würde mir vor Scham am Liebsten die Handfläche gegen die Stirn klatschen. Zu gut, dass es einigermaßen dunkel war. Meine Reaktion war immerhin mehr als nur idiotisch, sah man davon ab, dass ich gerade auch noch eingewilligt hatte, mit ihm spazieren zu gehen. Nur um es noch einmal zu betonen, es war Mitternacht und ich musste in ein paar Stunden in die Schule, außerdem war Law derjenige, der mir vor wenigen Sekunden noch schmerzhaft die Luft abgeschnürt hatte. Laut ausatmend richtete ich mich auf und schüttelte den Kopf. Ich war bescheuert und nichts Anderes. Law tat es mir nur wenige Sekunden später nach. Er trug nur ein T-Shirt und eine Boxershorts, weshalb er sich schnell noch eine Hose überstreifte, die auf dem Boden lag. Ich versuchte dabei die Augen von ihm zu nehmen, doch aus irgendeinem Grund gelang es mir nicht wirklich. Schon wieder spürte ich die verräterische Röte in meinen Wangen. Die Aufregung in mir wuchs währenddessen mit jeder Sekunde. Ich wusste zwar, dass es ein einfacher Spaziergang werden würde, doch gleichzeitig war ich so furchtbar sicher, dass Law mir etwas über sich erzählen würde. Nach der Aktion gerade, die einen großen Schock hinterlassen hatte, war dies das Mindeste, das er tun konnte. Warum auch sonst würde er mich darum bitten mit ihm rauszugehen? Es dauerte nicht lange, bis wir das Haus schließlich verließen. Alles war dunkel und leise, sodass wir uns anstrengen mussten, um nicht zu laut zu sein. Ich wollte gar nicht wissen, was passierte, wenn wir Kid mitten in der Nacht wecken würden. Im Treppenhaus war es ebenso still wie in der Wohnung. Manchmal hörte man wie Autos vorbeifuhren, wobei die Fenster deren Scheinwerferlicht spiegelten. Die Stille zwischen Law und mir war mir unangenehm, allerdings fand ich einfach keine Worte. Meine Hände zitterten und ich warf ihm immer wieder einen unsicheren Blick zu, während wir die Treppe hinunter gingen. Er öffnete die Tür und wir gingen hinaus. Die kalte Nachtluft hüllte uns sofort ein. Es war ziemlich warm, bestimmt etwa 20 Grad, obwohl es so spät war. Auch der Regen hatte nachgelassen und war somit genauso schnell wieder verschwunden, wie er gekommen war. Wir gingen über den Bürgersteig, die Blicke nach vorne gerichtet. Die Stadt wirkte leer, so wie gestern Mittag und ich wünschte mir, dass mehr Menschen hier wären, damit ich mich nicht so einsam fühlte. Law war direkt neben mir, doch trotzdem kam es mir so vor, als wäre er in Wirklichkeit unglaublich weit von mir entfernt. Ich riskierte einen Blick zu meiner Rechten, um ihn zu betrachten. Seine Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst, während seine Augen in die Ferne blickten. Allerdings schien es nicht so, als würde er etwas Bestimmtes beobachten. Er war eher in Gedanken versunken. Irgendetwas sagte mir, dass er wütend war. Vielleicht nicht auf mich oder irgendjemand anderen, sondern auf sich selbst. Es war ein komischer Gedanke, den ich nicht begründen konnte. Doch mit der Zeit, in der wir einfach nur über die Straße schlenderten, uns anschwiegen und den eigenen Gedanken nachhingen, wuchs das Verlangen in mir, mit ihm zu reden. Ich öffnete mehrmals meinen Mund, nur um ihn dann wieder zu schließen. Ich rang innerlich damit, endlich zu reden, bis ich mich schließlich sammelte. „Law“, brachte ich zögernd hervor und warf einen zweifelnden Blick in seine Richtung. Ich war mir nicht sicher, wie ich anfangen sollte. Verdammt, eigentlich wusste ich nicht einmal, was genau ich sagen wollte. Dass er mich überfallen hatte, als ich ihn aufwecken wollte, hinterließ eine merkwürdige Spannung zwischen uns, die ich unbedingt lösen wollte. Doch ich wusste einfach nicht wie. Er nahm mir diese Last von den Schultern, als er zu mir sah. Seine graublauen Augen musterten mich mit einer Mischung aus Reue und Distanz. „Es tut mir Leid, wenn ich dich erschreckt habe“, sagte er plötzlich. Seine Stimme klang nachdenklich, gleichzeitig hörte ich, dass er es ernst meinte. Ich zuckte mit den Schultern und versuchte zu lächeln, während wir über die leere Straße gingen. „Zweimal“, ließ ich ihn wissen, dass der Würgegriff nicht der erste Schreck war, den er mir eingejagt hatte. Law warf mir einen leeren Blick zu und ich erwartete eigentlich keine weiteren Worte. Dennoch fuhr er fort, während wir durch den Stadtpark gingen und ich meine Hände in meiner Hosentasche verstaute. Der Wind wehte leicht durch die Bäume und ließ sie rascheln. „Hör zu, Ruffy“, meinte er und ließ sich auf eine Bank links von uns fallen. Ich tat es ihm nach und setzte mich neben ihn, darauf bedacht genug Platz zwischen uns zu lassen. Ich spürte, wie nervös ich wurde, als er meinen Namen aussprach. „Du weißt nichts von mir“, dumpfer Schmerz schien durch meinen Körper zu stechen, als er diese Worte aussprach. Ohne Zusammenhang, völlig unerwartet. Viel eher hätte ich damit gerechnet, dass er mir erklären würde, warum er sich mit Kid gestritten hatte oder noch viel wichtiger, warum er so merkwürdig reagiert hatte, als ich ihn weckte. Doch dann begann er mit dieser Aussage, die mich mehr mitnahm, als sie eigentlich sollte. Ich biss mir auf die Unterlippe und betrachtete meine Füße, die ein wenig verloren über den steinigen Untergrund fuhren. „Und ich will auch nicht unbedingt, dass sich das ändert.“ Erneut musterten mich seine Augen mit diesem undefinierbaren Ausdruck. Ich sah zurück und beobachtete ihn dabei, wie sein Blick über mein Gesicht fuhr. „Aber ich weiß, dass ich das nicht verhindern kann. Besonders jetzt, wo du mit Kid mitfährst.“ Ich schüttelte den Kopf, etwas verwirrt über seine Worte. „Warum willst du das nicht?“, fragte ich ihn mit einer Spur von Enttäuschung in meiner Stimme. Ich verstand ihn einfach nicht, egal wie sehr ich es versuchte. Wollte er nicht, dass wir uns besser kennenlernten? Und wenn ja, warum enttäuschte mich dies so sehr? „Es hat nichts mit dir zu tun“, schien er meine Gedanken zu erraten. Etwas angespannt massierte er seine Nasenwurzel, eine Geste, die ich schon öfter bei ihm beobachtet hatte. „Ich bin hierher gezogen, um neu anzufangen und mein altes Leben hinter mir zu lassen.“ Mir war noch immer nicht bewusst, was früher geschehen war, allerdings schien nun vieles mehr Sinn zu ergeben. Wenn er neu anfangen wollte, missfiel es ihm natürlich, dass Kid zurückwollte. Doch warum konnte Law nicht nachvollziehen, dass Kid seinen Vater sehen musste? Es könnte das letzte Mal für ihn sein, dass er ihn lebendig zu Gesicht bekommen würde. „Du willst nicht, dass ich etwas über dich herausfinde, wenn ich mitgehe“, es klang eher wie eine Feststellung, als eine Frage, doch ich sah ihn bestätigend nicken. Seufzend verschränkte ich meine Hände ineinander, nur um sie dann wieder zu lösen. Die Luft zwischen uns war dünn und ich war verwirrt, so wie immer, wenn ich in seiner Gegenwart war. „Du könntest auch mitkommen“, schlug ich vor. Es würde Kid guttun, wenn er uns begleiten würde. Ich könnte nämlich niemals Law ersetzen, egal wie sehr ich es versuchte. Mir kam es so vor, als hätten die beiden früher viel miteinander durchgemacht, etwas, dass ich nicht von uns behaupten könnte. Er wäre eine Stütze für Kid und ich wusste, dass er sich darüber bewusst war. „Ich weiß nicht, ob ich das schaffe“, er klang so ehrlich, dass ich ihn überrascht musterte. Law war nicht der Typ für Gefühle. Er war verschlossen und kühl, so wie meine Freunde es auch immer sagten. Doch in meiner Gegenwart war er ganz anders. Besonders jetzt, wo er eine Schwäche zugab. Es passte nicht zu seiner eigentlichen Art. „Du bist stark“, sagte ich einfach, um ihn zu überzeugen. Ich war nicht für ernste Gespräche gemacht und doch schien es mir so, als ob ich die letzten Tage keine anderen geführt hatte. „Und Kid braucht dich“, fügte ich zögernd hinzu. Auch, wenn ich kaum etwas über die Vergangenheit der Beiden wusste, kam es mir so vor, als würde ich sie bestens verstehen. Außerdem war es egal, welche Fragen ich mir über Law stellte. Jede Antwort schien auf eine andere Art und Weise mit der Vergangenheit in dessen mysteriösen Heimatstadt zu tun zu haben. Ich sah wie Law den Kopf schüttelte. Allerdings lag ein ganz leichtes Lächeln auf seinen Lippen, als seine ausdruckslosen Augen sich dem Himmel zuwandten. „Gibst du dich damit zufrieden, dass ich es mir überlegen werde?“, fragte der Schwarzhaarige und lehnte seinen Kopf in den Nacken. Ein Lächeln glitt über meine Lippen, ehe ich nickte. „Ja“, fügte ich noch hinzu und ich war mir sicher, dass man zu deutlich die Freude heraushörte. Sicherlich würde Kid ebenfalls erleichtert sein, wenn ich ihm von diesen Neuigkeiten erzählte. „Und jetzt, lass uns Nachhause gehen und endlich weiterschlafen, bevor es anfängt zu regnen und wir später gar nicht mehr aus dem Bett kommen“, grinsend richtete ich mich auf und beobachtete den Studenten dabei, wie er es ebenfalls tat. Ich hatte das Gefühl ihn besser zu verstehen und aus irgendeinem Grund hob das meine Laune. „Du bist unmöglich, weißt du das?“, er stellte sich neben mich und streichelte mir über den Kopf. Eine Berührung, die mich erschaudern ließ. Dann ging er an mir vorbei und ich folgte ihm wenige Sekunden später, in denen ich einige Male verwirrt blinzelte, mit gehobenen Augenbrauen. „Warum?“, beschwerte ich mich, während ich feststellte, dass es anfing zu regnen, so wie es die dunklen Wolken zuvor angekündigt hatten. Ich eilte ihm hinterher, nur um zu sehen, wie er den Kopf schüttelte. „Einfach so“, gab er zurück und ich wusste, dass es nichts bringen würde, weiterhin nachzufragen. Mit etwas schnelleren Schritten, um nicht allzu nass zu werden, verließen wir wortlos den Park. Als die ersten, größeren Tropfen zu Boden fielen, konnte ich nicht anders, als ihn anzusehen und seine graublauen Augen zu mustern. „Ich mag den Regen“, sagte ich mit einem etwas nachdenklichem Gesichtsausdruck und durchbrach damit erneut die Stille, die in dieser Nacht ständig zwischen uns lag. Die Worte kamen einfach so über meine Lippen, ich dachte gar nicht richtig über sie nach. „Er erinnert mich irgendwie an dich.“ Law wirkte kurz etwas erstaunt, ehe erneut ein etwas ungewohnter Ausdruck auf sein Gesicht trat. Dieser wirkte fast schon so, als hätte ich mehr damit gesagt, als ich in diesem Moment überhaupt wusste. Allerdings sagte er nichts dazu. Es machte mir nichts aus, da ich sowieso mit keiner Antwort gerechnet hatte. Trotzdem war da dieses merkwürdige Funkeln in seinen Augen, welches auch auf dem restlichen Nachhauseweg nicht mehr verschwand. Kapitel 9: News --------------- Es gab Tage, an denen zweifelte ich alles an, was mir mit diesem Ort gegeben worden war. Ich fragte mich, ob diese ganze, beinahe perfekte Welt nicht nur eine Illusion war. Ob sie nicht nur Glas war, welches irgendwann zu Boden fallen und zerbrechen würde. Diese Zweifel überfielen mich fast immer kurz vor dem Schlafengehen, wenn ich darüber nachdachte, wie sehr sich mein Leben innerhalb kurzer Zeit doch verändert hatte. Ich erinnerte mich an die Tage, die ich einsam in Michigan verbracht hatte. Nur ich und mein Privatlehrer, der alle paar Tage für wenige Stunden bei mir vorbeikam. Gefolgt von einem Therapeuten, der sein Bestes gegeben hatte, um mich wieder zu der Person zu machen, die ich einmal gewesen war. Grandpa war wieder arbeiten und verarbeitete seine Trauer um meinen Bruder mit Überschichten ohne Ende. Mich ließ er alleine. Eine kurze Zeit lang, nahm ich ihm dies übel und machte ihn für alles verantwortlich, so wie ich früher einmal Sabo für alles verantwortlich gemacht hatte. Doch irgendwann verstand ich, das auch, wenn ich Anderen die Schuld zuschob, die Dinge sich nicht mehr ändern würden. Mein Leben war zu diesem Zeitpunkt ziemlich grau, meine Tage hatten immer eine Routine, an der ich mich festhielt, weil sie mein einziger Lebensinhalt war. Aber dann, eines Tages, als ich mich dazu entschlossen hatte, dem Leben noch einmal eine Chance zu geben, veränderte sich alles. Nun war ich hier, in Georgia. In meinem eigentlichen Zuhause. Und zum ersten Mal seit langem spürte ich, dass ich mich hier wohl fühlte. Ich war nicht mehr alleine und ich würde nie mehr alleine sein. Das war es, was mich glücklich machte. So glücklich, dass ich Angst hatte, dass dies alles ein Traum war und ich eines Tages in Michigan erwachen würde. In meinem früheren Leben, ohne Farbe, ohne Hoffnung. „Ihr fahrt schon heute Nachmittag?“, Namis Flüstern drang nur ganz leise an mein Ohr. Ich konnte sie kaum verstehen, allerdings wollte keiner von uns beiden riskieren, lauter zu reden. Im Anbetracht der schwarzen, harten Augen, die die Klasse mit solch einer Strenge ansahen, dass man denken könnte, man wäre beim Militär und nicht in der Schule, war dies nachzuvollziehen. „Ja“, raunte ich ihr zu, traute mich allerdings nicht meine Augen von der dunkelgrünen Tafel abzuwenden, welche mit unverständlichen Formeln und Aufgaben gefüllt war. Ich wusste nicht einmal mehr, welches Thema diese Stunde beinhaltete. Würde Akainu mich nun erwischen, wäre ich ziemlich geliefert. Obwohl... das war ich eigentlich immer. „Und Law?“, sie zögerte, ihr Blick streifte mich nur kurz, ehe auch sie wieder nach vorne sah. Ich bemerkte die Neugierde in ihren Augen sofort, allerdings zuckte ich nur mit den Schultern. „Er will es sich noch überlegen.“ Die Orangehaarige nickte nachdenklich. „Das ist merkwürdig“, meinte sie. Ich zog eine Augenbraue in die Höhe, während ich sie beobachtete. „Dass Akainu uns noch keine Strafarbeit aufgegeben hat oder, dass Law sich nicht sicher ist?“, stellte ich die Frage. Ich bemerkte aus den Augenwinkeln, wie sie zu grinsen begann. „Beides“, gab sie leise kichernd zu, ehe sie sich wieder fing. „Aber Letzteres beschäftigt mich eindeutig mehr.“ „Allerdings sollten Sie sich im Moment nur mit meiner Frage beschäftigen.“ Akainus fürchterlich böser Blick brannte sich plötzlich in Namis geschocktes Gesicht, ehe er in meine Richtung strich. „Sie beide.“ Wie erstarrt versuchte ich den Blick meines Lehrers standzuhalten, was mir allerdings schon nach wenigen Sekunden nicht mehr gelang. Er war wirklich furchterregend, zu meiner Verteidigung. Als Nami kein Wort herausbrachte, sah ich mich dazu gezwungen, etwas zu erwidern. „Wie... Wie war ihr Frage, Sir?“, kam es etwas holprig über meine Lippen. Meine Augen blickten nervös zu der Tafel, während ein unwohles Gefühl in meine Magengegend kroch. Mir war klar, dass jegliche Schüler dieses Kurses uns gerade förmlich anglotzten, allerdings versuchte ich diese Tatsache zu ignorieren. Akainus Augen funkelten wütend, ehe er seine Frage mit eisiger Stimme wiederholte. „Wie lautet die steilste Stelle eines Graphen mit der Funktion f(x) = 0,2 x + cos (2x) und dem Definitionsbereich [0; π] ?“ Ich weitete meine Augen verständnislos. Mein Magen musste sich inzwischen vollständig umgedreht haben, zumindest würde dies die plötzliche Übelkeit erklären. Meine Augen huschten über die Tafel, allerdings schien für mich nichts einen Sinn zu ergeben. Wann hatte ich überhaupt das letzte Mal zugehört? Ich räusperte mich ein wenig verlegen, allerdings schien es Akainu nicht zu wundern, dass ich die Antwort nicht wusste. Wie gesagt, ich war wirklich ein hoffnungsloser Fall, was Mathe anging. Doch heute kam es mir sowieso so vor, als hätten es alle Lehrer auf mich abgesehen. Als erstes diese dumme, schriftliche Überprüfung über den Froschkörper und dann auch noch die Abfrage über die ersten Kapitel von Moby Dick. Wahrscheinlich hatte ich Beides verhauen, doch dafür konnte ich nichts, zumindest nicht viel. Im Moment konnte ich mich einfach nicht konzentrieren. „Nicht verwunderlich“, meinte Akainu nach einiger Zeit, die er mir zu bedenken gab, obwohl wir beide und der Rest des Kurses wussten, dass mir auch diese wenigen Sekunden nicht mehr helfen würden. Allerdings wirkte er nicht enttäuscht, da er bereits von Anfang an davon ausging, dass ich nicht einmal wusste, was eine Funktion war. „Was ist mit Ihnen, Ms. Smith?“, wandte er sich schließlich an Nami, die sich inzwischen an ein leicht entschuldigendes Lächeln versuchte. „Die Steigung von f ist gegeben durch f' (x) = 0,2 − sin (2x) · 2, also...“, und das war der Moment, indem sich mein Gehirn wieder abschaltete, um in die eigenen Gedanken zu driften. Innerlich ärgerte es mich zwar, dass Nami es immer überall heil hinaus schaffte, allerdings erhielt sie für die gelöste Aufgabe einen bewundernden Blick von mir. Wenn ich nur ihr halbes Können in Mathe besitzen würde, wäre ich unglaublich stolz auf mich... Akainu ließ mich den Rest der Stunde in Ruhe und als Gegenleistung blieb ich ruhig und gammelte brav auf meinem Platz herum. Solange ich seinen Unterricht nicht störte, machte es ihm nichts aus, dass ich mich nicht meldete oder nur mit halbem Ohr zuhörte. So war mein schlechter Leistungsstand wenigstens zu begründen. Als es zum Ende der Stunde klingelte, hatte ich bereits 42 Mal die Uhr angestarrt und sie angebettelt, sich endlich schneller zu bewegen. In der Melrose High verging jede Minute wie eine Stunde, zumindest kam es mir so vor. Egal wann ich auf die Uhr sah, die Zeiger bewegten sich fast nie von der Stelle. Nur ganz langsam, als ob sie mich quälen wollten, genauso wie Akainu. Es beunruhigte mich, dass er wartete, bis ich meine Sachen in meinen Rucksack gesteckt hatte und mich langsam zur Tür begab, schließlich war ich bereits der Letzte im Raum. Seine Adleraugen bohrten sich in meine Haut. Falls er mich damit einschüchtern wollte – das hatte er eindeutig geschafft. „Hier geblieben, Mr. Monkey.“ Wie vom Blitz getroffen hielt ich inne und drehte mich zu ihm. Ganz langsam, in der Hoffnung, dass er mich doch nicht gemeint hatte. Allerdings war ich mir sicher, der Einzige in diesem Kurs zu sein, der auf diesen Namen hörte. „Ja, Sir?“, ich musterte den großen Mann mit zusammengepressten Lippen und versuchte mir mein Unbehagen nicht ansehen zu lassen. Und das war gar nicht so einfach! Keine Ahnung, wie manche Menschen es schafften ihre Persönlichkeit den ganzen Tag über zu verstecken. Nicht, dass ich dabei an eine bestimmte Person dachte. Akainu saß auf dem Pult. Seine stämmigen Oberarme verschränkte er vor seiner muskulösen Brust und sein Blick glich dem eines Jägers, der sich im nächsten Moment auf seine Beute stürzen wollte. „Auch, wenn Sie eine mathematische Katastrophe sind, erwarte ich, dass Sie wenigstens so tun, als ob Sie sich bemühen würden, verstanden? Ich will nicht, dass Sie noch einmal ein derartiges Verhalten an den Tag legen, zumindest nicht in meiner Mathematik Stunde.“ „Verstanden“, murmelte ich, sah ihm allerdings nicht in die Augen. Ich wollte nur noch so schnell wie möglich aus diesem Raum, zu Nami, die wahrscheinlich schon auf mich wartete. „Als Strafe werden Sie die Seiten 44 bis 48 komplett bearbeiten und am Dienstag in mein Fach legen. Alleine“, seine eisige Stimme ließ mir einen Schauder über den Rücken fahren, gleichzeitig zeigte mir der Ton, dass Widerrede zwecklos war. Allerdings war die Tatsache, an meinem genaustens durchgeplantem Wochenende auch noch Matheaufgaben bewältigen zu müssen, unerträglich. Und dann auch noch so viele. Innerlich stöhnte ich auf. Insgeheim sah ich es jetzt schon kommen, dass ich die Aufgaben nicht machen würde, wenn ich keine Hilfe bekam. „Ja, Sir“, gab ich widerwillig von mir, ehe ich den stickigen Klassenraum verließ ohne meinem verhassten Lehrer noch einen Blick zuzuwerfen. Draußen konnte ich endlich aufatmen. Die Luft wirkte plötzlich viel frischer, obwohl ich mich immer noch in demselben Gebäude befand. Neben dem Raum lehnte sich Nami lässig an die Wand, sogar ohne Sanji, wie ich überrascht feststellte. Normalerweise klebte der Blonde an ihr wie ein Kaugummi. „Ärger?“, fragte sie mitfühlend. Ihre braunen Augen musterten mich kurz. Ich nickte, ehe ich laut aufseufzte. „Strafarbeiten ohne Ende“, fügte ich hinzu, ehe ich meine Augen verdrehte. „Als hätte ich nichts Besseres zu tun.“ Die Orangehaarige grinste darauf. „Stimmt, du musst mit meinem Bruder nach Tennessee, damit du mir später alles erzählen kannst“, erinnerte sie mich an die Sache, an die ich schon seit Stunden ununterbrochen dachte. Die Sache, die heute der Grund für meine schlechten Leistungen in so ziemlich jedem Fach war. Es kam mir so vor, als wären die Schule und ich wie zwei negativ geladene Magneten, wir stießen uns ab. Andere Dinge allerdings, besonders die, bei denen es sich um Kid und Law handelte, zogen mich mit ihrer positiven Ladung an, so wie das mit Magneten nun einmal war. Und genauso war es auch bei Kids Vater, den ich in weniger als 24 Stunden kennenlernen würde. Ich war aufgeregt. Extrem aufgeregt, um ehrlich zu sein. „Hattest du jemals Kontakt mit deinem Vater?“, die Frage kam ganz plötzlich und nicht wirklich durchdacht über meine Lippen, während wir langsam zur Cafeteria schlenderten. Ich wollte zwar schon lange wissen, wie die Beziehung zwischen ihnen war, allerdings hatte ich nie nachgefragt. Bis jetzt. „Nein“, sie antwortete beinahe sofort. Meine beste Freundin wirkte allerdings weder traurig, noch bereute sie diese Tatsache. „Ich habe von Anfang an bei meiner Mum gelebt, ich wusste lange nicht einmal, dass ich einen großen Bruder habe.“ Sie seufzte. Ich erinnerte mich an dem Abend, an dem sie mir am Telefon von Kid und seiner WG erzählte und ich wusste noch, wie erstaunt ich über die Tatsache gewesen war, dass sie einen Bruder hatte. Das war früher gewesen, als wir monatlich telefoniert hatten, manchmal auch nur alle drei Monate. Der Kontakt zwischen uns war ziemlich schlecht gewesen und wir hatten kaum noch etwas miteinander zu tun gehabt, was bei dieser Entfernung auch wirklich schwer gewesen war. Und nun, wo ich nach so vielen Jahren wieder neben ihr stand, musste ich einfach sagen, dass dies die beste Entscheidung seit langem gewesen war. Wahrscheinlich auch die einzig richtige. Denn, um ehrlich zu sein, fühlte ich mich wirklich gut. „Wie kam es, dass du Kid auf einmal kennengelernt hast?“, fragte ich neugierig weiter. Inzwischen waren wir fast bei der Cafeteria angekommen, weshalb wir unser Tempo noch ein wenig drosselten, um ungestört weiterreden zu können. „Er stand vor unserer Tür, ich weiß nicht wieso. Es war so... plötzlich“, sie lächelte. Doch nicht so, wie sie immer lächelte. Dieses Lächeln war kleiner, unehrlicher und irgendwie verwirrend. Ich sah ihr an, dass sie es nicht ganz so leicht aufgenommen hatte, wie sie es wohl immer zeigte. Und dass sich mehr hinter dem plötzlichen Auftauchen verbarg, als wir beide wussten. „Aber lass uns erst einmal über etwas Anderes reden“, ihre Augen funkelten plötzlich etwas belustigt. „Früher haben wir auch nie über so ernste Themen geredet“, gab sie zu bedenken und ich stimmte ihr lachend zu. Früher hatte uns nur die Tatsache interessiert, dass wir ein Dach über dem Kopf hatten und aus dem Haus durften, um etwas miteinander zu unternehmen. Das Thema „Probleme“ war für Kinder ein Gebiet, welches ihnen nicht wirklich bekannt war und so war es auch bei uns gewesen. So redeten wir noch ein wenig über Akainu und seine Angewohnheit ein Arschloch zu sein, während wir unsere Tabletts mit dem Mittagessen beluden. Ich musste schon sagen, das Essen hier war wirklich gewöhnungsbedürftig... Danach setzten wir uns an unseren Stammtisch in der Mitte der Cafeteria, an dem bereits die Meisten unserer kleinen Gruppe saßen. So konnte ich Sanji, Vivi, Chopper und Lysop erkennen, die sich bereits angeregt miteinander unterhielten. „Hast du Anschiss bekommen?“, Sanji, der neben Vivi saß, grinste mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, als Nami und ich uns nebeneinander niederließen. Er hatte ausnahmsweise mitbekommen, was sich im Unterricht abgespielt hatte. „Vier Seiten bis Dienstag“, entgegnete ich seufzend und begann die in Fett getränkten Nudeln in meinen Mund zu schieben. Vielleicht sollte Kid anfangen, hier zu arbeiten. Dann wäre das Essen wenigstens annehmbar. „Ein Glück, dass wir wegen der Konferenz ein verlängertes Wochenende haben“, entgegnete Vivi darauf, die auf das fettige Essen verzichtete und stattdessen einen Salat aß. Typisch Frauen. Ich nickte, auch wenn mir trotz dem Wochenende nicht wirklich mehr Zeit bleiben würde. In diesem Moment kam Zorro, wie immer zu spät und setzte sich neben Lysop, welcher heute noch nicht einmal von seinem Teller aufgesehen hatte. Mir fiel sofort ein, dass ich noch dringend mit ihm reden musste, was die Sache mit Kaya anging, um dieses Missverständnis endlich aufzuklären. Gut, dass sie heute erst später Mittagspause hatte und dementsprechend nicht hier war. „Hast du wieder den Weg hierher nicht gefunden, Moosrübe?“, kam es sofort von Sanji, der ihn schmunzelnd musterte. „Ich doch nicht, Kartoffelschäler“, entgegnete Zorro darauf grinsend, ehe er ebenfalls über sein Essen herfiel. Er schien heute überraschend gute Laune zu haben, das kam nicht wirklich oft vor. „Heute Nachmittag ist Burgerday im Queen's“, seine Augen sahen amüsiert zu mir herüber. „Wie wär's? Wir könnten heute Abend noch bei mir zocken, meine Sis ist wieder weg.“ Es war eine alte Tradition von uns, am Burgerday, dem Tag, an dem man für einen Burger bezahlte und so viele essen durfte, wie man wollte, ins Queen's zu gehen. Die danach folgenden Zockabende mit ihm und den Anderen gehörten natürlich auch dazu – doch leider hatte ich diesmal keine Zeit. Um spätestens Vier würde ich schon im Auto sitzen und auf dem Weg nach Tennessee sein. „Sorry“, gab ich von mir, „ich hab heute echt keine Zeit.“ Als er ein wenig enttäuscht aussehend nach dem Grund fragen wollte, wandte ich mich so schnell es ging an Lsyop. „Können wir vielleicht kurz reden?“ Der Halbafrikaner schaute zum ersten Mal auf. Seine Miene wirkte ein wenig bedrückt und bei der Frage wirkte er verunsichert. Doch als Nami ihm einen auffordernden Blick zuwarf, nickte er sofort. Sie hatte uns alle so verdammt gut im Griff... Vielleicht sogar zu gut. So erhoben wir uns und gingen Seite an Seite in eine etwas ruhigere Ecke der großen Cafeteria. Hier saßen nur diejenigen, die Nami immer Nerds nannte. Zorro bevorzugte es allerdings, sie als untervögelte Streber zu bezeichnen. Fast alle von den „untervögelten Nerdstrebern“ trugen eine fette Hornbrille, Zahnspange und über die Hälfte von ihnen war mit Akne geplagt. Ihre Mittagspausen vertrieben sie mit Gesprächen über Mathe, die neusten Softwares oder dem Behaupten, dass sie keine Freunde brauchten, solange sie einen Computer in ihrer Nähe hatten. Irgendwie taten mir die Kerle ja Leid.. „Also, was ist?“, Lysop, der sich etwas beruhigt hatte, lehnte sich gegen einen Tisch und blickte mich erwartungsvoll an. Eigentlich war ihm klar, worüber ich mit ihm reden wollte. Das wusste ich, allerdings hinderte mich dies nicht daran, es noch einmal auszusprechen. „Du bist sauer auf mich“, erklärte ich und verschränkte die Arme vor meiner Brust. „Bin ich das?“, kam die Frage nüchtern von ihm und ich seufzte. „Ja, bist du. Du gehst mir die ganze Zeit aus dem Weg und redest nicht mit mir.“ Darauf zuckte er nur mit den Schultern, ohne mir in die Augen zu sehen. Wenn Nami jetzt hier wäre, würde sie unser Verhalten definitiv als kindisch bezeichnen, da war ich mir ganz sicher. „Ich wusste nicht, dass du Kaya so...“, setzte ich an, als er immer noch nichts sagte, allerdings unterbrach er mich diesmal. „Ja, schon klar.“ Er war derjenige, der nun seufzte, wenn auch eine Spur zu theatralisch. „Ich weiß, es ist nicht richtig, dich dafür verantwortlich zu machen, dass sie nicht auf mich steht. Aber ich versuche seit Jahren, sie anzusprechen und dann kommst du an deinem ersten Tag und bist gleich mit ihr befreundet, vielleicht sogar mehr.“ Ich hob überrascht die Hände. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich irgendetwas von ihr möchte oder?“, fragte ich ihn und konnte nicht vermeiden, ihn ungläubig anzusehen. Als er seine Lippen zu einem schmalen Strich verzog, wusste ich allerdings, dass dies genau seine Gedanken waren. „Mann, Lysop“,seufzte ich. „Wir sitzen nur in Physik nebeneinander. Ich kenne sie nicht einmal richtig!“, gab ich ihm zu verstehen, dass es keine Gefühle zwischen uns gab. Wenn Lysop eifersüchtig war, neigte er zum Überreagieren. Eine Eigenschaft, die ich noch von früher von ihm kannte. Doch, dass er wirklich so etwas dachte, machte mich stutzig. Ich hatte noch nie eine Freundin gehabt, ähnlich war es mit dem Verliebtsein. „Die Richtige wird kommen“, hatte Ace früher immer gesagt und ich hatte ihm geglaubt. „Ist... okay“, kam es nach kurzer Bedenkzeit von ihm. Er sah zu mir auf und versuchte sich an ein leichtes, entschuldigendes Lächeln. „Lass es uns einfach vergessen. Wir haben uns doch sonst auch nie wirklich gestritten.“ Ich stimmte ihm grinsend zu. „Und selbst wenn, haben wir es nie lange ausgehalten, nicht miteinander zu reden“, fügte ich hinzu, was nun auch sein Grinsen vergrößerte. Ein unglaublich erleichtertes Gefühl kroch durch meinen Körper, als ich diese Sache mit ihm geklärt hatte. Zugegeben, es war leichter gewesen als erwartet. Mit der gelösten Spannung zwischen uns gingen wir zurück zum Tisch und setzten uns auf unsere Plätze. Ich bemerkte sofort die interessierten Blicke von Nami, weshalb ich grinsend die Hände hob. „Alles wieder gut“, erklärte ich, weshalb auch sie erleichtert lächelte. Sie hasste Anspannungen innerhalb unserer Clique, genauso wie ich. Die Einzigen, die nicht aufgrund dieser Sache erleichtert waren, waren Zorro und Sanji. Dies lag daran, dass die beiden Streithähne schon wieder mitten in einem bissigen Wortgefecht verwickelt waren, welches keiner verlieren wollte. „Jungs“, Nami versuchte, so wie immer, den Streit zwischen ihnen zu beenden. Allerdings waren sie so damit beschäftigt sich gegenseitig anzugiften, dass sie gar nicht erst bemerkten, wie die Augenbrauen der Orangehaarigen langsam in die Höhe wanderten. „Jungs~“, wiederholte sie, diesmal allerdings ungeduldiger. Und wenn Nami ungeduldig klang, wusste jeder, dass dies die beste Zeit für einen war, zu verschwinden. Am Besten sofort. „Sanji... Zorro...“, warnte Chopper sie flüsternd, doch da prallten die Fäuste unserer Freundin schon mit einem lauten Knall auf die Köpfe der zwei Streitenden. Schon dem Laut nach zu urteilen, musste es unglaublich schmerzhaft gewesen sein. Als ich ihre Blicke sah, sah ich mich in meiner Vermutung bestätigt. Es hatte richtig wehgetan... Als ich nach Hause kam, war es schon wieder ziemlich heiß geworden. Manchmal hasste ich den Sommer wirklich für seine unglaublich hohen Temperaturen, die an manchen Tagen kaum auszuhalten waren. Laut atmend überbrückte ich die letzten Stufen bis zu der Wohnungstür, wo ich erst einmal anhielt und kurz schnaufte. Mir kam es vor, als wäre ich einen Marathon gelaufen und nicht ein paar Treppenstufen. Ich kramte in meiner Hosentasche nach dem Schlüssel, ehe ich die Tür mit einer kurzen Handbewegung aufschloss. Drinnen erwartete mich die angenehme Kühle unserer Wohnung, die mich leicht aufseufzen ließ. Es war hier drinnen bestimmt über zehn Grad kälter, als draußen. Die Tasche neben den Eingang schmeißend, hängte ich die Jacke meiner Schuluniform am Ständer auf und betrachtete kurz mein erschöpftes Spiegelbild. Ich sah wirklich fertig aus. Meine schwarzen Haare standen leicht von meinem Kopf ab, was allerdings nichts Neues war. Lediglich der Schweiß auf meiner Stirn deutete auf die Hitze hin. Meine sowieso schon ziemlich braune Haut, war in den letzten Wochen durch die Sonne noch um einen Ton dunkler geworden, wie ich bei jedem erneuten Blick in den Spiegel bemerkte. Ich wandte meinen Blick ab, um das Hemd angeekelt von meiner Brust zu lösen. Die Schuluniform, die für den Sommer viel zu dick war, klebte wie eine zweite Haut an mir. Froh über den Gedanken, mich nun umziehen zu können, bevor ich meinen Rucksack für das Wochenende packte, ging ich auf mein Zimmer zu. „RUFFY.“ Der plötzliche, laute Ruf, ließ mich allerdings zusammenschrecken. Mit großen Augen drehte ich mich um, nur um Kid zu erblicken, der mich nicht weniger überrascht anstarrte. Und das, obwohl er derjenige war, der nach mir gerufen hatte. Er kam näher und seine warmen Hände krallten sich in meine Schultern, ehe sie mich energisch hin und her schüttelten. „Wie hast du das gemacht?“, fragte er fassungslos, ohne mich loszulassen. Seine bernsteinfarbenen Augen blitzten mich entgeistert an. Ich glaubte Kid noch nie so gesehen zu haben. So... perplex. „Was meinst du?“, fragte ich verwirrt und versuchte mich aus dem festen Griff zu befreien. „Komm schon, du weißt wovon ich rede“, kam es daraufhin von ihm, obwohl ich wirklich nicht die geringste Ahnung davon hatte, was er meinte. Er löste seinen Griff, um sich durch das rote Haar zu streichen, welches völlig durcheinander auf seinem Kopf lag. „Wie hast du Law dazu gebracht, gleich mit uns zu fahren?“ Kapitel 10: Tour starts ----------------------- Warum? Diese einfache Frage geisterte unzählige Male durch meinen Kopf, während ich damit beschäftigt war, meine Tasche für den Kurztrip zu packen. Ich war so überrascht und in Gedanken versunken, dass ich mir wahrscheinlich nicht einmal die richtige Kleidung einpackte. Allerdings konnte ich dies nicht ändern. Immer wieder tauchte Kid vor meinem inneren Auge auf, mit weit aufgerissenen Augen und einem imaginären Fragezeichen über dem Kopf. Die Situation hatte sich immerhin um 180 Grad gedreht und keiner von uns beiden wusste den genauen Grund. Natürlich war ich froh darüber, dass Law es sich anders überlegt hatte – sehr froh sogar. Allerdings hinterließ dies nur weitere Fragen, die sich langsam aber sicher zu einem riesigen Berg anhäuften. Ich war mir verdammt sicher, dass es nicht nur meine Überredungskünste waren, die ihn dazu veranlassten, doch noch mitzukommen. Doch andere Gründe, die ihn zu dieser Entscheidung kommen ließen, fielen mir nicht ein, egal wie viele potentielle Möglichkeiten ich mir ausmalte. Jede Idee, die mir in den Sinn kam, schien nicht wirklich logisch, es sei denn überhaupt möglich. Vielleicht sollte ich mir auch keine Gedanken darüber machen, wenn ich sowieso auf keine Antwort stoßen würde. Es war immerhin ziemlich untypisch für mich, so schrecklich nachdenklich zu sein. So untypisch, dass es mich schon nervte. Ich seufzte laut auf und stopfte das mittlerweile bestimmt schon zehnte Paar Socken in meine Tragetasche, gleich neben das Verbandszeug und die Tabletten. Ich war mir zwar sicher, dass ich es nicht mehr brauchen würde, da meine Verletzung schon längst wieder geheilt war, allerdings hatte Law mir geraten, auf Nummer sicher zu gehen. Er studierte Medizin, also ging ich davon aus, dass er wusste, wovon er sprach. Selbst wenn er es nicht tun würde, hätte ich mit größter Wahrscheinlichkeit auf ihn gehört. Einen genauen Grund gab es dafür nicht, zumindest fiel mir wieder keiner ein. In der Küche schienen sich meine beiden Mitbewohner inzwischen zu streiten, wie ich durch ihre nun etwas lauteren Stimmen annehmen konnte, die nun durch die dünnen Wände drangen. „Wir nehmen die Sour Cream Onion Pringles!“, hörte ich Kid plötzlich aufgebracht sagen und begann augenblicklich zu grinsen. Als Law mit einem kühlen „Nein, wir nehmen die Orginalen“ konterte, musste ich kichern. `Was für Idioten´, schoss es mir sogleich durch den Kopf, doch ich wusste, dass ich nicht wirklich besser war. Allerdings erleichterte mich die Tatsache, dass ihre Auseinandersetzung keine ernste war, denn so etwas konnten wir gerade heute gar nicht gebrauchen. So ließ ich es mir nicht nehmen, ebenfalls ins Wohnzimmer zu gehen, gleich nachdem ich den Reißverschluss meiner Tasche zugezogen und sie mir über den Arm gehängt hatte. Ich öffnete die Tür und betrat das größere Zimmer, wo die Beiden gerade eine riesige Tüte mit Snacks vollstopften. Beziehungsweise Kid. Law beobachtete ihn mit hochgezogenen Augenbrauen. „Ich bin auch für Sour Cream Onion“, teilte ich ihnen meine Meinung grinsend mit und kündigte damit meine Anwesenheit an. Sofort glitten beide Blicke in meine Richtung. Zwei Augenpaare musterten mich amüsiert, ehe sie wieder zu der Tüte mit den Süßigkeiten strichen. „Hah, gewonnen!“, Kid streckte Law triumphierend die Zunge heraus und wedelte mit der grünen Verpackung herum, was diesen leicht die Augen verdrehen ließ. „Wie alt bist du, Eustass? Zehn?“, fragte er den momentan leicht kindisch wirkenden Kid. Eine wirklich unpassende Erscheinung, wie ich fand. Heute war er den ganzen Tag über sehr... wechselhaft. Auch wenn das so klang, als würde ich das Wetter beschreiben. Jedenfalls war das die beste Beschreibung, die mir einfiel. Vielleicht sollte ich aber auch an meiner Kreativität arbeiten, was Dinge wie diese anging. „Willst du das wirklich wissen?“, stellte dieser belustigt die Gegenfrage, welche Law nur seufzend den Kopf schütteln ließ. Eine weitere Diskussion mit dem Größeren wollte er scheinbar nicht eingehen. „Wir sollten bald los“, stellte er mit einem Blick zur Wanduhr fest und beendete damit die mehr oder weniger amüsante Auseinandersetzung mit einem Mal. Kid nickte darauf und packte die Chips in die große Plastiktüte, die nun vollkommen überfüllt war. Das Grinsen war fast schon sofort von seinem Gesicht verschwunden, weshalb ich meine Lippen zu einem schmalen Strich zusammenpresste. In diesen Momenten merkte man wieder, wie sehr ihn diese Fahrt beschäftigte. Und man merkte vor allem, dass ich mit der Beschreibung 'wechselhaft' ins Schwarze traf. Allerdings hatte Law recht. Es war bereits nach vier und die Fahrt würde ziemlich lange dauern. Wir würden sicherlich spät in der Nacht ankommen. „Weiß dein Vater auch, dass wir kommen?“, fragte ich etwas unsicher nach. Es würde Kid meiner Meinung nach ziemlich ähnlich sehen, seinen Besuch nicht anzukündigen. Auch, wenn es meines Wissens nach schon lange feststand, dass er in absehbarer Zeit zu ihm fahren würde. Die Vorstellung wie Kid ohne Vorwarnung das Haus seines Vaters aufsuchte und unangekündigt bei ihm vorbei sah, so, wie es ihm gerade passte, schien perfekt zu ihm zu passen. Zumindest meiner Meinung nach. Kid warf mir nämlich einen missmutigen Blick zu. „Natürlich habe ich Bescheid gesagt! Für wie bescheuert hältst du mich? Ich tauche nicht einfach nach einem Jahr mit einem 'Bin mal zufällig die 550 Meilen von Zuhause weggefahren und dachte, ich komme mal kurz vorbei' auf.“ Law begann bei diesen Worten ein wenig zu schmunzeln. „Ich finde, das würde ziemlich gut zu dir passen“, gab er seine Meinung preis und wich daraufhin geschickt dem Kissen aus, welches nach ihm geworfen wurde und bei der Landung gleich hinter ihm ein paar Bücher aus dem Regal riss. „Nach deiner Meinung hat allerdings keiner gefragt, Idiot“, knurrte Kid immer leiser werdend und nahm das restliche Gepäck vom Boden. Mit diesem beladen verschwand er durch die geöffnete Wohnungstür. „Beeilt euch“, rief er noch mehr oder weniger freundlich, ehe man das Hallen seiner Schritte im Flur hören konnte. Ich grinste und schüttelte leicht den Kopf. Die Fahrt würde sicherlich ziemlich lustig werden, so wie die Beiden heute drauf waren. Es war sicher die Aufregung. Gemischt mit Kids Angriffslust, der plötzlichen Empfindlichkeit und seinem Drang, Law zu nerven, ergab dies ein wirklich... komisches Ergebnis, wie ich fand. „Ist das alles?“, fragte ich Law, welcher einen Rucksack und eine kleinere Reisetasche auf seine Schulter lud. „Den Rest haben wir eben schon ins Auto gebracht“, entgegnete mein Mitbewohner kurz. Ich nickte darauf und blickte ihm instinktiv in die Augen. Zum ersten Mal am heutigen Tag sah ich richtig zu ihm hinauf und beinahe sofort zogen sich meine Mundwinkel ein Stück nach unten. Ich versuchte die Sorgenfalte, die sich an meiner Stirn bilden wollte, zu unterdrücken. Aus der Nähe wirkte nämlich das Lächeln, welches er mir vorhin noch geschenkt hatte, nicht mehr so echt. Man sah erst jetzt, dass es seine Augen kaum erreichte. Außerdem waren seine Augenringe heute extrem dunkel und tief, so, als ob er nach unserem Spaziergang keine Minute Schlaf mehr bekommen hatte. Er erwiderte meinen Blick nach wenigen Sekunden mit ein wenig stumpf wirkenden Augen. Ein Austausch, der nicht lange stattfand. Dann hob er seine tätowierte Hand und wuschelte durch mein dunkles Haar. Eine Geste, die ich von ihm kannte. „LAW, RUFFY! BEWEGT EURE VERFICKTEN ÄRSCHE ENDLICH HIER RUNTER!“, die kurzzeitige Stille zwischen uns beiden wurde von einer lauten, aufgebracht klingenden Stimme durchbrochen. Ich zuckte leicht zusammen, während Law seine Hand von meinem Kopf gleiten ließ. Er schüttelte den Kopf und seufzte kurz auf. „Lass uns runter gehen, bevor er seine Aggressionen an meinem Auto auslässt“, schlug er schlauerweise vor. Ich lachte bei der Vorstellung, wie der Rothaarige das teure Modell zertrümmerte und stimmte ihm damit zu. Während Law die ersten Treppen hinunterstieg, schloss ich die Wohnungstür gleich hinter uns ab und verstaute den Schlüssel danach in der Hosentasche meiner knielangen Jeans. Von oben hallten die Stimmen der anderen Mieter durch das Treppenhaus, sodass man sie nur zu deutlich hören konnte. Es waren mehrere zu hören, jedoch stach eine ganz besonders heraus. „Schatz“, hörte ich diese rufen, dem Klang nach gehörte sie zu einer älteren Dame, „da draußen steht schon wieder dieser Rocker und brüllt herum!“ Law hielt an und drehte sich etwas verstört wirkend zu mir um, während ich laut loslachen musste. Der Schwarzhaarige fuhr sich gespielt frustriert durch das Gesicht, ehe er die nächsten Treppen nach unten nahm. „Dieser Rocker steht schon wieder draußen?“, fragte ich Law kichernd und betonte das „schon wieder“ etwas mehr. So verängstigt wie die Oma klang, schien ihr nicht wirklich wohl bei dem Anblick von unserem überaus freundlichem Mitbewohner zu sein. Nun gut, bei der ersten Begegnung mit ihm, hatte ich auch nicht wirklich anders reagiert. Auch wenn mir das Substantiv „Rocker“ nicht in den Sinn gekommen war. Wie gesagt, ich sollte an meiner Kreativität arbeiten. In Momenten wie diesen wäre es sicherlich hilfreich. „Die Polizei war schon ein paar Mal wegen Ruhestörungen hier“, der Student seufzte auf, als er mir von Kids Taten innerhalb dieses Gebäudes erzählte. „Partys, Musik, Auseinandersetzungen, Leute von denen er sich Kohle geliehen hat – Es war schon alles dabei. Er macht uns bei unseren Nachbarn wirklich furchtbar beliebt.“ Ich grinste weiterhin, während wir die Treppen nach unten nahmen. Kid war wirklich einmalig. Allerdings war ich froh darüber, dass ich noch keinen Polizeibesuch dieser Art miterleben musste. Polizisten erinnerten mich nun mal an meinen Großvater und mein Großvater erinnerte mich wiederum daran, dass er mir den Kopf abreißen würde, wenn ich auch nur die kleinste Anzeige am Hals hätte. Oder auch nur den kleinsten Fehler machte. Nami sagte immer, dass er wie ein freundlicher, liebevoller Großvater aussah, doch, dass sie damit nicht einmal annähernd recht hatte, wollte sie nicht wahrhaben. Wahrscheinlich weil sie ihm dankbar für seine Notfall-Kreditkarte war, die ich eigentlich nicht für Alkoholeinkäufe hatte... Wir gingen nach draußen, wo uns bereits die brühende Hitze mit einem Schlag erfasste. Das Sonnenlicht stach unangenehm in meine Augen und ich freute mich jetzt schon auf die Klimaanlage in Laws Sportwagen. Auch wenn ich mich immer wieder fragte, wie sich ein Student so ein Teil leisten konnte und trotzdem in einer WG wie dieser wohnte. Allerdings waren das nur die kleinsten und unwichtigsten Fragen meinerseits, die sich in diesem riesigen Haufen befanden. Ich konnte nicht einmal was dagegen tun – der Haufen wurde bei jedem Gespräch, jedem Aufeinandertreffen, fast schon bei jedem Blickwechsel größer. Es war nervtötend und unglaubwürdig zugleich. „Da seid ihr ja“, rief Kid uns ein wenig genervt klingend zu, als wir am Parkplatz ankamen. Er hatte bereits den Kofferraum des schwarzen Mercedes geöffnet und ein paar Taschen hineingestellt. Nun stand er mit verschränkten Armen vor der Fahrertür, während sein Fuß wartend auf dem gepflasterten Asphalt wippte. Ich nickte kurz und lud zusammen mit Law die restlichen Taschen in den Wagen. Währenddessen lehnte sich Kid an das teure Auto und deutete dem Schwarzhaarigen mit einer Handbewegung, dass dieser ihm die Schlüssel geben sollte. „Ich fahre“, erklärte er, als der Student eine seiner Augenbrauen nach oben zog und Kid mit seinen stahlgrauen Augen musterte. Das spöttische Grinsen auf Laws Lippen war nicht zu übersehen, als der Rothaarige diese Worte ausgesprochen hatte. „Das ist mein Auto“, erklärte er und betonte es mehr, als eigentlich nötig. „Warum solltest du es also fahren?“, der Student lehnte sich ebenfalls gegen die geschlossene Tür. In seinen Händen baumelte der Schlüsselbund, an welchem zahlreiche kleine Anhänger befestigt waren. Kid verdrehte als Antwort die Augen und legte sich anschließend den Zeigefinger an das Kinn, als würde er angestrengt über diese Frage nachdenken müssen. „Vielleicht, weil du wie eine Frau fährst?“, kam seine Antwort schließlich ziemlich direkt. Nur wenige Sekunden danach verzog er sein Gesicht und ahmte Law nach. Zumindest versuchte er es. „Oh, hier darf man 80 fahren! Ich fahre trotzdem 30, nur zur Sicherheit!“, meinte er, mit übertrieben hoher Stimme. Seine Hände ruderten hysterisch durch die Luft, was mich zum Lachen brachte. Der Versuch Law realitätsgetreu zu imitieren schlug damit wohl ziemlich fehl. Er beleidigte den Studenten damit wohl eher. Der Anblick von Kids miserablen Nachahmung war jedoch zu lustig, sodass ich meine Zeit brauchte, um nicht mehr loszuprusten. Law reagierte allerdings kaum darauf. Er verschränkte lediglich seine Hände vor der Brust und schenkte Kid einen leicht verbitterten Blick. „Ist das so?“, fragte er etwas düster klingend. „Nun ja, wenn dir mein 'weiblicher' Fahrstil nicht gefällt, kannst du natürlich auch männlich zu Fuß gehen“, konterte er und wedelte provokant mit dem Autoschlüssel herum, welcher bei dieser Bewegung klimperte. Kid verengte darauf seine bernsteinfarbenen Augen. Wahrscheinlich verfluchte er Law gerade in Gedanken dafür, dass er immer so gut zu kontern wusste. Verständlich. Der Ältere wusste nun wirklich immer eine Antwort und diese schienen so gut durchdacht, als hätte er sie Minuten zuvor in seinem Kopf formuliert, bevor er sie aussprach. „Klar, ich laufe 550 Meilen“, hörte ich den Rothaarigen noch murren, ehe er die verschiedensten Beschimpfungen murmelnd zur anderen Seite des Autos ging und sich damit ergab. „Ich will vorne sitzen“, schmollte ich, als er kurz darauf die Beifahrertür öffnete. Seine bernsteinfarbenen Augen fokussierten mich darauf mit einem strengen Blick, der Akainus fast schon Konkurrenz machen konnte. Allerdings schüchterte mich dieser nicht ein. „Und ich will, dass dieses Auto einmal einen männlichen Fahrstil genießen darf“, er seufzte theatralisch auf und setzte sich in das Innere des Fahrzeuges. „Aber leider kann ich ihm diesen Gefallen nicht tun. Ist es nicht traurig, dass niemand das bekommt, was er will?“ Law warf Kid erneut einen bösen Blick zu, den dieser allerdings nicht mehr sehen konnte. Dann schüttelte er den Kopf, als wäre er äußerst frustriert über das Verhalten seines besten Freundes und zeigte auf die hintere Tür. „Steig ein, bevor ich es mir anders überlege“, kam es von ihm, womit er wahrscheinlich die Teilnahme an dieser Fahrt meinte. Trotz der etwas härter klingenden Worte hörte man, dass er es nicht böse meinte. Nun ja, ich konnte auch verstehen, dass Kid ihm ein wenig auf die Nerven ging. Er war den ganzen Tag über schon merkwürdig, mit vielen bis zu fast schon pubertären Stimmungsschwankungen. Ich schob es auf das Wiedersehen mit seinem Vater, was sicherlich auch wirklich der Grund war. Er war aufgeregt, auch wenn er das wahrscheinlich niemals zugeben würde. Ich setzte mich also in den Wagen und schnallte mich an. Als die beiden Anderen dies ebenfalls hinter sich gebracht hatten, startete Law schließlich seinen ziemlich beneidenswerten Wagen und wir fuhren los. In der Stadt war heute viel los, was wahrscheinlich mit dem überdurchschnittlich gutem Wetter zu tun hatte. Die Straßen waren voller Menschen, Radfahrer und Autos, an den Eisdielen standen unglaublich lange Schlangen, in die ich mich zu gerne eingegliedert hätte. Schon der Gedanke an Eis an diesem übertrieben heißem Tag, war unglaublich gut. Kid sah nur wenige Sekunden nachdem wir losgefahren waren auf die digitale Uhr des Autos. „Jetzt sind es noch genau acht Stunden und neunundfünfzig Minuten. Wir kommen Tennessee immer näher“, meinte er ironisch klingend. Seine Augen strichen über die Gehwege und Läden, an denen wir vorbeifuhren. Laws konzentrierte Augen ließen nicht von der Fahrbahn ab. „Weißt du, wir sind nicht einmal annähernd aus Georgia raus.“ Natürlich war Kid dies ebenfalls bewusst. Ihm ging es wohl eher darum Law zu nerven, was er auch anschließend die ganze Zeit über tat. Nun ja, er versuchte es zumindest. Immer wieder machte er Witze über seinen, meiner Meinung nach gar nicht schlechten Fahrstil und schaltete Schlagersender im Radio an, bei dessen Lieder er lauthals mitsang. Und glaubt mir, ihm war es egal, dass sein Text nicht mit dem des Rentnersängers übereinstimmte, ganz im Gegenteil. Nachdem er das Spiel „Ich sehe was, was du nicht siehst“ beendet hatte, welches er übrigens mit sich selbst gespielt hatte, sah ich bereits, wie der Gesichtsausdruck des Schwarzhaarigen am Steuer immer düsterer wurde. Es ging ziemlich lange so weiter. Ich bewunderte Laws Durchhaltevermögen wirklich. Als Kid allerdings begann, Wolkenformen zu deuten und Law mit einem spöttisch klingendem „Diese Wolke ist ja genauso klein, wie dein Pimmel“ indirekt beleidigte, reichte es dem Studenten und er bremste so stark, dass ich fast einen Herzinfarkt bekam. Law funkelte Kid an, welcher bereits ein siegessicheres Grinsen auf den Lippen hatte. Zwischen den Beiden fand ein kleines Blickduell statt. „Du hast gewonnen“, ergab der Ältere von den Beiden sich schließlich und stieg aus. Ganz nach dem Motto „Der Klügere gibt nach“. Etwas perplex verfolgte ich anschließend, wie die beiden Streithähne die Plätze tauschten und die Fahrt gleich danach weiter ging, als wäre nichts gewesen. Allerdings mit ungefähr der doppelten, schwindelerregenden Geschwindigkeit, einem Rock-Sender und keiner nervenden Stimme mehr, die Wolken deutete. Auch wenn diese wenigstens ein bisschen unterhaltsam gewesen war. Denn nun begann mich die Langweile langsam oder sicher einzunehmen. Was sollte auch jemand wie ich neun Stunden lang in einem Auto tun? Wie Nami schon immer sagte, kurz bevor sie mir eine Kopfnuss verpasste: Du bist so ein schlimmes, hyperaktives, unausstehliches Kind, Ruffy. Bleib einmal still sitzen! Und kurz darauf trafen mich ihre Fäuste mit voller Wucht. Wahrscheinlich kannte ich ihre Worte genau aus diesem Grund auch auswendig. Sonst hatte ich es nämlich nicht gerade mit dem Zuhören, inklusive Merken. „Wann sind wir da?“, fragte ich nach einer mir unendlich lang vorkommenden Zeit. Beinahe sofort hörte ich, wie meine beiden Mitbewohner synchron aufseufzten. Irgendwie erinnerte mich die Situation gerade an ein Ehepaar und dessen Kind, die gemeinsam eine Autofahrt bestritten. Beleidigt über den Gedanken, dass ich somit das Kind war, plusterte ich meine Backen ein wenig auf. „Wenn Kid weiterhin wie ein Bescheuerter fährt in ungefähr acht Stunden“, antwortete Law schließlich. Ich seufzte leise auf. Meine Augen glitten immer wieder aus dem Fenster und ich beobachtete die Bäume dabei, wie sie an uns vorbeizogen. Die Klimaanlage kühlte das gesamte Auto und ließ nicht einmal vermuten, wie heiß es in Wirklichkeit war. Währenddessen drang auf höchster Lautstärke „The Final Countdown“ aus dem Radio, dessen Melodie Kid mit pfiff. Man konnte sich nicht einmal wirklich unterhalten, so unglaublich laut hatte er das Radio inzwischen angestellt. Das war auch der Grund dafür, dass er nicht Laws warnendes „Pass auf!“, hörte und wir alle kurz darauf ein helles Blitzlicht wahrnahmen. In diesem Moment endete das Lied wie auf Kommando und der Radiosprecher begann irgendeinen unsinnigen Gag, den Kid wieder leiser schaltete. Ich musterte den Rothaarigen, der sich allerdings keiner Schuld bewusst war und genauso schnell wie vor wenigen Sekunden weiterfuhr. „Weißt du, wie teuer das wird?“, fragte Law kühl. Jeder andere wäre wahrscheinlich aufgebracht, während das Gegenteil bei dem Schwarzhaarigen auftrat. Allein diese Tatsache verschaffte einem großen Respekt vor ihm. Diese Ruhe, die er ausstrahlte war einfach unglaublich. „Ich kann es mir denken“, meinte Kid nur, ohne die kleinsten Anzeichen von Reue in seiner Stimme. „Doch ich bin mir sicher, dass deine Mummy das finanzieren wird“, fügte er spöttisch klingend hinzu. Damit traf er zu hundert Prozent einen ziemlich wunden Punkt. Ich war mir mit dieser Annahme sicher, da ich kurz darauf hörte, wie der Ältere scharf die Luft einsog. Auch, wenn er es nur ganz leise tat. Gleichzeitig interessierte mich seine Reaktion, weshalb ich darauf wartete, was Law nun antworten würde. Auch wenn ich nicht wusste, warum Kid plötzlich eine derartige Bemerkung einwarf. Er ließ sich einige Zeit, ehe er mit der gewohnten, ausdruckslosen Miene zu Kid herübersah. „Du weißt, dass ich das nicht ausnutze“, kam es schwach von ihm. Diese Antwort reichte nicht an seine vorherigen heran. Nun merkte man, dass er sich seine Antwort nicht minutenlang zurechtgelegt hatte, obwohl er sich mehr Zeit genommen hatte, als sonst. „So war das auch nicht gemeint“, meinte Kid seufzend, da sein bester Freund ihn scheinbar missverstanden hatte. Seine bernsteinfarbenen Augen wechselten ständig den Fokus zwischen Law und der Fahrbahn. „Das war kein Vorwurf an dich. Es regt mich nur auf, dass Camilla nach den ganzen Jahren immer noch versucht, deine Zuneigung mit Geld und ohne Nachgiebigkeit kaufen zu wollen“, kam es zerknirscht über seine Lippen. Ich sah die Wut, die ihn in diesem Moment überkam nur zu deutlich. „Ich weiß“, kam es daraufhin von Law. Seine Stimme klang ziemlich rau. Dann wand er seinen Blick von dem Größerem ab und blickte aus dem Fenster, wo die zahlreichen Tannen eines Waldes an uns vorbeizogen. Camilla. Der Name dieser Frau zog gefühlte tausend Mal durch mein Gehirn. Ich hatte die Beiden noch nie zuvor über jemanden mit diesem Namen reden hören. Bei dieser Sache war ich mir ganz sicher. Zwar war mein Erinnerungsvermögen nicht das Beste, allerdings sagte mir mein Gefühl nun, dass ich keine Ahnung hatte, wer diese Frau war, auch wenn Kid sie zuvor als die Mutter von Law bezeichnet hatte. Der Ton seiner Stimme war voller Abneigung gewesen. Ich öffnete meinen Mund, da ich gewillt war, mehr über diese Camilla herauszufinden, als mich plötzlich Kids Blick im Rückspiegel traf und ich sofort innehielt. Es war einer dieser Blicke, bei denen man sofort verstand, was sie aussagen sollten, ohne auch nur ein Wort zu hören. Die Art, wie seine Augen funkelten und wie energisch sie wirkten, zeigte mir wie von selbst, dass ich es lassen sollte. So schloss sich mein Mund beinahe wie von selbst. Aber irgendwie kam mir dabei auch das Gefühl, dass ich die Antworten auf meine Fragen bald selbst herausfinden würde. Ganz bald. Kapitel 11: Arrival ------------------- Es heißt, dass die Zeit alle Wunden heilen würde. Doch gleichzeitig muss einem auch klar sein, dass diese Wunden ohne Medizin beginnen zu eitern. Denn ohne diese Medizin wird die Wunde, egal wie klein sie auch ist, niemals vollständig verheilen. Bei meiner Wunde war es nun einmal genauso. Mein Bruder starb und ließ mich alleine zurück, hinterließ damit eine klaffende Wunde in meinem Herzen. Jeder Gedanke schmerzte zu diesem Zeitpunkt, jede Bewegung schnürte mir die Luft ab und jeder Atemzug trieb mir Tränen in die Augen. Ich hatte darauf gewartet, dass die Zeit voranschritt und meine Qualen enden ließ, allerdings hatte ich nie darüber nachgedacht, dass ich nur Medizin brauchte, um mich vollends zu heilen. Diese Medizin lag dazu noch so nahe, so griffbereit und doch so fern. Doch als ich sie erkannte und sie nahm, fing sie langsam an zu wirken. Wirklich, ich glaube, dass dieser Ort so etwas wie meine Medizin darstellst. Dieser Ort mit diesen Menschen. Gemeinsam mit ihnen würde die Wunde, die meine Vergangenheit entstehen ließ, nicht eitern, sondern heilen, bis nur noch eine Narbe zu sehen wäre. Auch wenn diese mich an mein früheres Leid erinnern würde, wusste ich, dass sie nicht mehr aufreißen konnte. Vielleicht würde sie manchmal schmerzen, doch genau in diesen Momenten hatte ich Medizin, die mir helfen konnte, dies zu überstehen. Meine Freunde, die Menschen, die ich liebte. Die Zeit verging unglaublich langsam, vergleichbar mit dem Unterricht in meiner Schule. Ich konnte nicht einmal schlafen, weil Kid wie ein Bescheuerter fuhr, sodass ich Angst hatte, im nächsten Moment auf der Straße zu landen. Einen Schluck zu trinken war somit eine große Herausforderung, genauso, wie einen kleinen Bissen zu essen ohne auch nur einen kleinen Krümel in Laws sauberem Sportwagen zu hinterlassen. Vielleicht kam es mir nur so vor, doch immer wenn ich etwas zu mir nehmen wollte, glitten Laws graue Augen plötzlich zum Rückspiegel und beobachteten ganz genau, ob ich sein Auto beschmutzte. Das machte es noch viel schwerer, da Essen die einzige Beschäftigung war, die mich wenigstens ein kleines Bisschen vom Langweilen abhielt. Inzwischen waren zwei Dosen Chips, eine Packung Kekse, sowie zwei Blaubeermuffins und ungefähr drei Tafeln Schokolade in meinem Magen, die vierte folgte bereits. Dass ich bei jedem Stückchen ungläubige Blicke von beiden Seiten erhielt, konnte man sich sicherlich vorstellen. Mittlerweile war es stockdunkel. Nur das Licht der Scheinwerfer beleuchteten die Landstraße und die Temperaturen fielen plötzlich überraschend tief. Dafür, dass es am Tag noch so warm gewesen war, war der Unterschied zu nun beinahe unrealistisch. Ich bereute es somit automatisch eine kurze Hose und ein T-Shirt angezogen zu haben, genauso wie Kid. Wir beide hatten uns in den ersten Minuten den Hintern abgefroren, während Law uns voller Schadenfreude angesehen hatte. Immerhin trug er immer wärmere Sachen, selbst bei unmenschlich heißen Temperaturen. Weiß Gott, warum er so etwas freiwillig tat. Jetzt wärmte uns allerdings die Heizung des Wagens und die Fahrt war wieder viel angenehmer. Als ich kurz auf die Uhr sah, stellte ich fest, dass es bereits 23:00 Uhr waren und seit meinem letzten Blick schon ganze zehn Minuten vergangen waren. Dafür, dass es sonst nicht einmal wenige Sekunden waren, war dies wirklich etwas Neues. Jedenfalls würde die Fahrt also nicht mehr ganz so lange dauern. Ein Glück. Für Fahrten dieser Länge war ich einfach nicht gemacht, wie auch schon meine beiden Mitbewohner hatten feststellen dürfen. Ich war mir nicht ganz sicher, allerdings hatte ich das Gefühl, dass Kid einige Male kurz davor gewesen war, mich einfach auf die Straße zu setzen und anschließend davonzubrausen. Law war, was diese Sache anging, viel geduldiger. Momentan fuhren wir über eine extrem kurvige Strecke, was den Rothaarigen allerdings nicht davon abhielt, es so aussehen zu lassen, als würde er bei jeder Kurve fast in den Straßengraben rutschen. Nebenbei überholte er noch drei oder vier Autos gleichzeitig, obwohl es hier verboten war und man bereits die Autos auf der gegenüberliegenden Spur auf uns zukommen sah. Laws tätowierte Hand hielt sich eisern am Türgriff fest, wann immer Kid knapp an einem Graben vorbeifuhr und den Wagen des Schwarzhaarigen, inklusive uns, kurz vor dem Untergang rettete. Kid schnaubte amüsiert, während er immer wieder Seitenblicke auf Laws Hand warf. „Du hältst gleich die Tür in der Hand, ich sag's dir“, grinste er, während der Student missbilligend sein Gesicht verzog. Eine Antwort kam allerdings nicht, da er viel zu sehr damit beschäftigt war, die Straße anzublicken und zu beten, dass wir auch die restliche Fahrt heil überstehen würden. Über acht Stunden waren immerhin schon geschafft. Es schien mir überhaupt unheimlich, dass Kid solange am Steuer sitzen konnte, ohne auch nur einen Hauch von Müdigkeit aufzuweisen. Entweder er hatte irgendwelche Drogen genommen oder aber er wollte es einfach nur ausnutzen, Laws teuren Wagen fahren zu dürfen. Ich hoffte jedenfalls auf Letzteres. Bis auf ein paar Pausen zum Tanken und einer bei meinem geliebtem Fast-Food Imbiss, hatten wir uns auch nicht wirklich die Beine vertreten, weshalb mein Hintern von dem ganzen Sitzen bereits unglaublich schmerzte. Außerdem wuchs die Aufregung von Sekunde zu Sekunde in mir, sodass ich kaum noch still sitzen konnte und ständig meine Position änderte. Meine Augen blickten aus dem Fenster, dann nach vorne, nach links, nach rechts, zu Law, zu Kid, überall hin, nur nicht auf die Uhr, damit die Zeit schneller vorüberging. Selbst das Essen konnte mich nicht mehr beschäftigen seitdem ich unseren gesamten Proviant beinahe alleine weg gefuttert hatte. So ein Mist aber auch. Die Musik aus dem Radio ertönte nur noch ganz leise und schien nicht mehr ganz so aggressiv wie zu Beginn der Fahrt. Mir kam es so vor, als hätte die Ernsthaftigkeit mit jeder Meile zugenommen, mit der wir uns dem früheren Zuhause meiner beiden Mitbewohner näherten. Anfangs war manchmal noch ein Lächeln auf ihre Lippen getreten, oder wir hatten zu dritt irgendein Lied, welches im Radio gelaufen war, gesungen, doch nun war jeder still und hing seinen eigenen Gedanken nach. Kid dachte sicherlich an seinen Vater und an den Lungenkrebs, welcher ihn befallen hatte. Zumindest konnte ich es mir bei seinem Gesichtsausdruck, einer Mischung aus Ernst, Sorge und einem Hauch Verzweiflung, ziemlich gut vorstellen. Bei Law dagegen war es viel schwieriger herauszufinden, an was er gerade dachte. Die Informationen die ich über ihn hatte, waren knapp, sein Gesichtsausdruck zeigte mir beinahe nichts. Er war ein verschlossenes Buch im Gegensatz zu Kid und mir, gleichzeitig verfluchte ich ihn dafür. Law machte es einem unglaublich schwer, wenn es darum ging, ihn kennenzulernen. Vielleicht war er nicht ganz so wild darauf, dass wir die besten Freunde wurden, doch gerade diese Vermutung weckte eine Art Kampfgeist in mir. Bisher hatte es noch kein Mensch, der meine Aufmerksamkeit erregte, geschafft, mich abzuwimmeln. Und dass Law mich interessierte, konnte ich einfach nicht bestreiten. Ich wusste nicht warum, doch ich würde ihm zeigen, dass er sich auf mich verlassen konnte. Dass ich ein Mensch war, gegenüber welchem er seine kühle Maske fallen lassen konnte. Ein Mensch, dem man vertrauen konnte. Als ich meine Augen das nächste Mal zur Uhr gleiten ließ, riss mich die Zeit, die sie anzeigte, förmlich aus den Gedanken. Etwas erschrocken betrachtete ich mit ehrfürchtigem Blick die vier Nullen, die sich nebeneinander reihten. Es waren nur noch wenige Minuten. Plötzlich, als ob ich es vorher durch meine Gedanken nicht wahrgenommen hatte, strömte die Anspannung, welche im Auto herrschte, auf mich ein. Der Druck in der plötzlich viel zu heißen Nachtluft war beinahe spürbar und schien uns tief in unsere Sitze zu pressen. Auch, wenn es eine Kunst war, zu erkennen, an was Law gerade dachte, bemerkte ich, dass sein Blick trüber wirkte, als vor wenigen Minuten. Gleichzeitig glaubte ich eine Spur von Wut zu erkennen, allerdings wusste ich dies nicht einzuordnen. Immerhin hatte ich keine Ahnung, was dieses Gefühl in ihm hervorrufen konnte. Vielleicht hätte ich mich bei Bonney einschleimen sollen, um etwas über den Schwarzhaarigen herauszufinden. Bei diesem Gedanken verzog ich augenblicklich mein Gesicht und musste schon fast über mich selbst lachen, was angesichts der finsteren Blicke meiner beiden Mitbewohner mehr als nur unpassend wäre. Noch immer konnte ich nicht nachvollziehen, was Law in dem pinkhaarigem Biest sah. Sie passte ganz und gar nicht zu ihm. Gleichzeitig war mir der Hass, den ich ihr gegenüber verspürte, fremd. Ich war eigentlich keiner dieser Menschen, die ohne andere gut zu kennen, über sie urteilte. Außerdem galt ich ebenfalls als ziemlich direkt. Meine Meinung teilte ich meist sofort allen Anwesenden mit, ob ich mir damit Probleme einbrachte, war mir meist egal. Ein kleines Lächeln trat auf mein Gesicht. Zumindest früher war ich so gewesen. Bevor dies alles geschehen war. Die Zeit, die ich alleine verbracht hatte, hatte mich verändert, auch wenn meine Freunde krampfhaft versuchten mir vorzuspielen, dass ich fast derselbe war wie früher. Doch es fühlte sich so an, als würde ich immer mehr ich selbst werden, je länger ich hier war. Und dieses Gefühl war unglaublich gut. Mit einem Ruck hielten wir plötzlich an, was mich augenblicklich aus den Gedanken riss. Zum gefühltem tausendsten Mal glitt mein Blick auf die Uhr, welche bereits 00:17 anzeigte. Alles in mir erstarrte. Wir waren da. Das erste Gefühl, welches meine Bauchregion durchquerte, war die Erleichterung, gefolgt von großer, überwiegender Aufregung. Ich hörte, wie Kid leise aus-und einatmete, ehe er das erste Mal seit längerer Zeit direkt in Laws Augen blickte. Die grauen Augen wirkten auf den ersten Blick ruhig, sah man genauer hin, konnte man allerdings den Sturm erkennen, der in ihnen tobte. Wie stark er war, wusste ich nicht. Allerdings ließ mir bereits die Tatsache, dass er dort war, mulmig zumute werden. „Auf geht's“, die Worte verließen den Mund des Rothaarigen leise, beinahe lautlos. Doch in der bedrückenden Stille, in der von Spannung gefüllten Luft, konnten wir jedes einzelne Wort verstehen, als ob er es in ein Mikrofon gebrüllt hätte. Dann stieg er aus dem Wagen und mein Blick glitt hinüber zu Law, welcher sich dem Sicherheitsgurt entledigte. Danach drehte er sich zu mir herum. Seine grauen Augen betrachteten mich kurz, ehe seine Hand an der Kopflehne vorbei durch mein Haar fuhr. 'Mach dir keine Gedanken', schien er sagen zu wollen, allerdings war dies nicht so einfach, wie er dachte. Jegliche Kälte war verschwunden, als auch ich anschließend den Wagen verließ. Mein Körper war plötzlich heiß und fühlte sich fast schon so an, als wäre er kurz vor dem Verbrennen. Draußen konnte ich die Umgebung genauer betrachten. Wir standen auf einem kleinem, ziemlich schmutzigem Hof, wie ich in dem Licht einer Straßenlaterne erkennen konnte. Unkraut überwucherte den Steinboden an manchen Stellen und gab dem Ort etwas Verlassenes. Auch in der Ferne konnte ich einige Häuser ausmachen, sogar ein paar Hochhäuser, was mich auf eine kleine Stadt schließen ließ. Das laute Geräusch von Laws zuschlagenden Autotür veranlasste mich dazu, meine ebenfalls zu schließen. Automatisch ging ich zum Kofferraum und nahm meine Tasche heraus. Law und Kid taten es mir nach, ehe der Rothaarige wortlos das Auto abschloss. Mit verkrampften Schritten näherten wir uns schließlich dem zweistöckigem Haus, in welchem Kid als Kind gelebt haben musste. Es wirkte ziemlich alt und gleichzeitig schien es, als könnte es eine Renovierung gebrauchen. Dunkles, morsch wirkendes Holz umspielte die Steinwände, deren weiße Farbe mit der Zeit abgeblättert war und nun nur noch in einem dreckigem Grauton vorhanden war. Es gab nur wenige, kaum Licht durchlassende Fenster und eine kleine Steintreppe, an deren Ecken und Kanten einige Stücke fehlten. Durch die schäbig wirkende Haustür sah man das Licht im Flur brennen, was uns zeigte, dass Kids Vater immer noch wach war und auf unsere Ankunft wartete. Ich steckte meine ruhelosen Hände in die Hosentasche und versuchte mich zu beruhigen, während Kid einen Schlüssel aus seinem Rucksack kramte. Mit einer schnellen, geschickten Bewegung öffnete er die Tür, nur um uns kurz darauf still zuzunicken. Seine Augen wirkten ebenfalls aufgeregt, obwohl er derjenige war, der seinen Vater schon mehrere tausend Male gesehen haben musste. Wir traten sogleich ein. Neben der Haustür befand sich eine dunkle, hölzerne Treppe, welche so aussah, als würde sie unter jedem noch so kleinem Gewicht nachgeben. Direkt daneben gab es drei Türen, während auf einer freundlicher Weise ein Aufdruck mit „WC“ angebracht worden war. Ansonsten gab es im Flur nicht gerade viel zu sehen. Der Boden bestand aus einem abgewetztem Teppich, die Wände waren in einem kahlem Gelb angestrichen worden und überall verstreut lagen Schuhe und Jacken herum. Man könnte sagen, dass die Ordnung von Kids Vater der seines Sohnes zu hundert Prozent glich. „Ehm“, kam es leicht überfordert über Kids Lippen, ehe er sich kurz umsah. Seine Augen fuhren suchend durch den Raum. „Dad?“, fragte er, da wir eigentlich laut genug gewesen waren, um unsere Ankunft anzukündigen. Wachsam glitten meine Augen zu der angelegten Tür, hinter welcher man anschließend ein übertriebenes, lautes Seufzen hören konnte. Hörte man ganz genau hin, konnte man auch ganz leise mehrere Stimmen aus einem Fernseher wahrnehmen. „Komm doch rein, Kid, oder willst du deinem armen, krankem Vater den Weg zu der Tür zumuten?“, kam es mit einem sarkastischem Unterton von einer mir unbekannten Person. Die Stimme klang äußert rau und auch schon etwas älter. Ich ordnete sie sofort Kids Vater zu, konnte mir allerdings noch nicht wirklich vorstellen, wie er wohl aussah. „Okay“, kam es gedehnt von meinem rothaarigem Mitbewohner, ehe er seinen Rucksack neben der baufälligen Treppe abstellte und uns mit einer Handbewegung deutete, ihm zu folgen. So stellten wir unsere Taschen ebenfalls ab und gingen direkt hinter ihm in das Zimmer herein, aus welchem zuvor noch die Stimme von Kids Vater erklungen war. Neugierig strichen meine Augen durch den Raum, den wir nun betraten und suchten nach Dingen, die ich betrachten konnte. Doch zu meiner Überraschung gab es nicht sonderlich viel zu sehen. An einer dunkelrot gestrichenen Wand stand ein kleines Regal voller Bücher, auf welchem ein Fernseher platziert worden war. Gleich daneben befand sich ein Kamin, in welchem ein kleines Feuer brannte. Ansonsten gab es nur noch einen mit Müll überfüllten Couchtisch, sowie ein Sofa und zwei Sessel, welche voller Decken, Kissen und irgendwelchen Zeitschriften waren. Es gab keine Fotos, Erinnerungen oder irgendetwas, was darauf schließen ließ, dass Kids Vater eine Familie hatte. Dies passte nicht mit meiner Vorstellung überein. Mein Inneres hatte immer vor Augen gehabt, wie ein armer, schwacher Mann einsam auf der Couch saß und mit einem tieftraurigem Ausdruck in den Augen alte Familienfotos betrachtete. Ich hatte mir vorgestellt, wie er sich nach den alten Zeiten gesehnt hatte und einen Tee trank, dabei sehnsüchtig auf den Tag wartete, an dem eines seiner Kinder ihn wieder besuchen kommen würde. Doch das was ich sah, war das Gegenteil meiner Vorstellung. Der Mann, von dem ich ausgegangen war, dass er schwach und alt wirkte, saß auf dem Sofa seitlich von uns und betrachtete uns mit einem Blick, der jegliche Gliedmaßen meinerseits zum Gefrieren brachte. Dabei strahlte er solch eine ungeheuerliche Stärke aus, dass man nicht einmal vermuten würde, dass er an Krebs litt. Seine bernsteinfarbenen Augen, welche Kid definitiv von ihm geerbt hatte, zeugten von einer langen Lebensgeschichte mit vielen guten und schlechten Erfahrungen. Wobei ich vermutete, dass die Letzteren deutlich überwogen. Es war ein Gefühl, welches ich nicht begründen konnte. Die Haut des Älteren war ziemlich blass und somit fast das Einzige, was zeigte, dass er in Wirklichkeit schwer krank war. Sein Haar, welches durch sein Alter von dunkelbraun in grau überwechselte, war durch seine Krankheit ein wenig ausgefallen und die Falten, die seine Augen und den Mund umspielten, gaben seinem Gesicht etwas Ernstes. Nur zögerlich ging Kid auf seinen Vater zu. Ich sah, wie er bei jedem Schritt mit sich selbst haderte, als ob er genaustens darüber nachdachte, wie genau er sich verhalten sollte. Dies passte nicht zu Kid. Schon seit dem Beginn dieser Fahrt fragte ich mich ständig, ob dies wirklich der durchgeknallte, mürrische und gleichzeitig auch leicht perverse Kid war, den Nami mir zu Beginn vorgestellt hatte. Ich begann es langsam zu bezweifeln und fragte mich, ob Law dies ebenfalls wahrnahm. „Ich“, Kid fuhr sich durch sein rotes Haar, als ob er nicht wusste, was er sagen sollte, ehe er mit einem Nicken in unsere Richtung deutete, „also, Law kennst du ja noch... und der Kleine daneben ist unser Kumpel und Mitbewohner Ruffy“, erklärte er, vermutlich um irgendein Thema zu finden. Dass mir bei den Worten „Kumpel“ warm ums Herz wurde, ließ ich mir nicht anmerken. Stattdessen verfluchte ich Kid dafür, mich als Gesprächsthema genommen zu haben, als mich der harte Blick des alten Mannes streifte. Und nun konnte ich es hundertprozentig sagen; dies war ein Blick, welcher um Welten schlimmer war, als Akainus. Ich hätte wahrscheinlich niemals vermutet, dass ich so etwas jemals sagen würde, doch diesmal traf es definitiv zu. Ich versuchte mich an ein freundliches Lächeln, welches allerdings sofort seine Wirkung verlor, als der Grauhaarige mich mit einer von Zweifeln erfüllten Miene musterte. „Kid, was sucht so ein winziger Highschool-Zwerg in eurer Wohngemeinschaft?“, fragte er dann, seine tiefe Stimme schien mich mit jedem Wort aufziehen zu wollen. Beleidigt plusterte ich meine Wangen auf, was seinen kindischen Eindruck von mir nicht unbedingt verbesserte. „Er kam durch Nami auf unsere WG und wir beschlossen ihn hierher mitzunehmen“, mischte sich Law ein und informierte Kids Vater somit über mich. Dieser nickte allerdings nur kurz und wollte gar nichts Genaueres wissen, ehe er mit den Schultern zuckte. „Ich bin Eustass Harry. Für dich allerdings mit Sir anzusprechen, nur damit wir uns verstanden haben, klar, Bürschchen?“, legte Harry fest. In seiner Stimme schwang ein bedrohlicher Ton mit, welcher mich zum Nicken veranlasste. „Gut“, meinte er anschließend, ehe er sich wieder an seinen Sohn wandte. Seine Augen wirkten mit einem Mal ein wenig sanfter, auch wenn man es kaum sehen konnte. „Ich sag's zwar nicht gern, aber ich bin froh, dass du gekommen bist“, kam es nun etwas leiser über Harrys Lippen, was mich Lächeln ließ. Dies war das erste Mal, dass man merkte, dass Kid ihm nicht vollkommen egal war und es ihn im Grunde genommen auch freute, dass er bei ihm vorbei sah. Auch der Rothaarige lächelte ein wenig, wenn auch kaum erkennbar, ehe er seine Augen leicht verengte. „Bild dir bloß nicht zu viel darauf ein, alter Mann“, gab er von sich und lieferte sich anschließend ein Blickduell mit seinem eigenem Vater. „Wir“, Law unterbrach die Beiden mit der üblichen Kälte in seiner Stimme „werden schon einmal das Gästezimmer beziehen“, murmelte er, ehe er nach meinem Handgelenk griff und mich aus dem Zimmer zog. Wahrscheinlich wollte er den Beiden ihren Freiraum lassen, was ich nur zu gut nachvollziehen konnte. Sie hatten sich sicherlich lange nicht mehr gesehen und wollten noch etwas alleine reden, bevor Law und ich dazukamen. Da es außerdem schon spät in der Nacht war, konnten wir die Zeit auch zum Schlafen nutzen. Erschöpft waren wir schließlich alle drei. Erst viel später kam die Bedeutung seiner Worte in meinem Gehirn an. Wir würden uns das Gästezimmer teilen? Ich wusste nicht, ob ich das richtig verstanden hatte, trotzdem fuhr ein kribbelndes Gefühl durch meinen Körper. Etwas unsicher hob ich die Tasche von der Treppe, als wir in den Flur zurückgegangen waren. „Wir also... wir schlafen in einem Zimmer?“, fragte ich also etwas perplex nach und sprach damit meine Gedanken aus. Währenddessen folgte ich dem Älteren die Treppe hinauf, welche bei jedem Schritt unheilvoll knarzte. Die Umstände in diesem Haus erschreckten mich ein wenig, denn so wie es aussah, würde es spätestens beim nächsten Sturm zusammenkrachen. Law blickte kurz über seine Schulter, ein Schmunzeln lag auf seinen schmalen Lippen. „Es sei denn, du willst in Kids Zimmer schlafen und seine nächtlichen Schnarchorgien miterleben“, meinte er, ehe er oben angekommen eine Tür links von sich öffnete. Er sah mich fragend an, als ob er wirklich auf eine Antwort meinerseits warten würde. „Ich denke, ich nehme das Gästezimmer“, entgegnete ich lachend und strich mir mit einer Hand leicht verlegen über den Hinterkopf. Auch, wenn mir in diesem Moment das Bild von dieser einen Nacht, kurz vor Beginn der Fahrt in den Kopf huschte. Wie er geschrien hatte und wie erschrocken er gewesen war, als ich ihn darauf versucht hatte aufzuwecken. Mir war zwar mulmig zumute, vielleicht hatte ich auch ein wenig Angst, doch ich würde trotz dieser Tatsache lieber bei ihm schlafen, als bei sonst jemandem. Bei ihm hatte ich irgendwie ein besseres Gefühl, auch wenn ich nicht wusste, woher dieses kam. Nicht wirklich überrascht von meinen Worten nickte der Größere und trat in das Zimmer ein. Er hatte diese Antwort mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet. Ich tat es ihm nach und sah mich darauf kurz um. Das Gästezimmer, welches für die nächsten Tage uns gehören würde, war nicht wirklich groß, es passte gerade so ein Einzelbett mit Nachttisch und Schrank hinein. Durch ein kleines Fenster an der rechten Seite drang ein wenig Licht einer Straßenlaterne in den Raum, welcher sonst ganz dunkel war. Ich machte die Nachttischlampe an und sah für wenige Sekunden aus dem Fenster. Inzwischen fiel sanfter Regen vom Himmel. Augenblicklich schossen mir wieder Bilder von der Nacht im Park in den Kopf, als ich Law sagte, dass mich der Regen an ihn erinnern würde. Dieser kniete sich währenddessen seufzend auf den Boden und zog eine Matratze unter dem Bett hervor, während ich ihn dabei beobachtete. Ich wusste nicht, wie ich in jener Nacht auf diesen Vergleich gekommen war, allerdings schien er wirklich zu passen. Law hatte etwas Trauriges an sich und der Regen passte zu dem Sturm, der seit Beginn der Fahrt in seinen Augen tobte. Er ging anschließend zum Schrank, um zwei Schlafsäcke und Kissen herauszunehmen. Wie es schien, kannte Law dieses Haus ziemlich gut, was angesichts der Tatsache, dass er und Kid sich schon lange kannten, nachvollziehbar war. Der Schwarzhaarige breitete die Schlafsachen auf beiden Betten aus, ehe er sich auf die Matratze fallen ließ und genüsslich die Augen schloss. Law war scheinbar genauso müde wie ich, verständlich nach dieser langen Fahrt. Ich war schon gespannt darauf, was wir morgen unternehmen würden und vor allem interessierte es mich bereits, wie Kids Vater drauf war. Während der Tage hier, würde ich ihn sicherlich genauer kennenlernen, ob ich wollte oder nicht. Außerdem würde er übermorgen noch einmal ins Krankenhaus fahren, zumindest hatte Kid dies erzählt. Zu diesem Zeitpunkt mussten wir unbedingt für ihn da sein. Ich legte mich auf das Bett und zog mir nur noch die Jeans von den Hüften. Sie landete auf meiner Reisetasche, zumindest hoffte ich das. Inzwischen war ich viel zu müde für jede überflüssige Bewegung. Meine Augen fielen wie von selbst zu und ich gähnte, als ich meinen Kopf im Kissen vergrub, welches nach Kid roch. Die Müdigkeit übermannte mich mit einem Mal. „Gute Nacht, Law“, kam es noch nuschelnd über meine Lippen. „Gute Nacht, Ruffy“, antwortete er mir, während ich dabei war, in einen tiefen Schlaf zu gleiten. Kapitel 12: Hurricane --------------------- Der nächste Morgen kam schnell. Viel zu schnell, meiner Meinung nach. Ich hätte viel lieber noch ein paar Stunden geschlafen, doch als ich das erste Mal meine Augen öffnete, war mir sofort klar, dass dies nicht mehr möglich sein würde. Viel zu fest saß die Aufregung in mir, zusammen mit dem dumpfen Gefühl, dass heute irgendetwas Besonderes geschehen würde. Mir war wieder einmal nicht bewusst, woher dieses kam, allerdings ließ es sich nicht vertreiben, so sehr ich es auch versuchte. Meine Augen gewöhnten sich nur langsam an das stechende Sonnenlicht innerhalb des kleinen Raumes, ehe ich mich gähnend aufrichtete und auf die Matratze neben mir blickte. Law schlief noch. Er lag auf dem Rücken und ein Lichtstrahl erhellte sein hübsches Gesicht. Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen betrachtete ich den Schwarzhaarigen ein wenig genauer und stemmte meine Ellbogen auf meine Knie, um mein Kinn auf einer Handfläche betten zu können. Wenn er schlief, sah er ganz anders aus als sonst. Viel friedlicher. Seine Gesichtszüge wirkten zum ersten Mal, seitdem wir hier waren, ein wenig entspannt, auch wenn dies daran lag, dass er gerade schlief. Durch die Helligkeit des Lichtes wirkten die Konturen seines Gesichtes viel weicher und anziehender. Sie ließ seine gebräunte Haut glänzen, als wäre sie aus Bronze. Als wäre ich von seinem Anblick hypnotisiert, glitt meine andere Hand vom Bett hinunter und näherte sich seinem Körper, welcher auf der Matratze lag. Sie suchte nach seiner Nähe, wollte seine zärtliche Haut berühren, als ob dies Lebensnotwendig wäre. Ich wusste nicht, was für Gedanken sich in diesem Moment in meinem Kopf abspielten. Das Einzige, was ich wahrnahm, war mein Herz, welches unerbittlich gegen meine Rippen pochte, als ob es herausspringen wollte. Ich lehnte mich näher in Richtung Matratze, während mein Blick weiterhin über seinen Körper wanderte und meine Hand sich diesem von Sekunde zu Sekunde näherte. Der Schlafsack, welchen er als Bettdecke benutzte, befand sich an seinen Füßen und sein langärmliges Shirt war etwas nach oben gerutscht, sodass es seine Hüftknochen freigab. Er schien ziemlich durchtrainiert, weshalb ich mich selbst fragte, welchen Sport er wohl trieb. Vielleicht mochte er auch gerne Basketball, so wie ich. Man konnte ebenfalls dünne, schwarze Linien erkennen, die in seine Haut gestochen worden waren. Sie führten unter das Shirt, sodass ich nur den Anfang des Tattoos erkennen konnte. Ich wusste gar nicht, dass seine Hände nicht die einzigen Körperteile waren, die er hatte tätowieren lassen. Eigentlich hätte ich nicht erwartet, dass er noch viele mehr hatte, was auch daran lag, dass ich seinen Oberkörper noch nie ohne ein langes Oberteil gesehen hatte. Doch plötzlich bemerkte ich, wie Uneben diese Tätowierung auf seinem unterem Bauch wirkte. Natürlich könnte man das auf das leichte Sixpack schieben, welches sich unter seinem Oberteil verbarg, doch ich glaubte eine Narbe zu sehen, welche nur halbwegs von dem Tattoo überdeckt wurde. Mit gerunzelter Stirn betrachtete ich diese Stelle, während meine selbstständig gewordene Hand immer näher an seinen Körper heranrückte. Ich war im Begriff, seine Haut zu berühren, als mich plötzlich ein lautes Vibrieren aus meinem Tun riss. Für einen Moment blieb mein Herz stehen und ich zog mich ruckartig zurück. Was war bloß in mich gefahren? Mit einer Mischung aus Verwirrung und Nervosität schritt ich wie von einer Tarantel gestochen zu meinem Gepäck, nachdem ich realisiert hatte, dass es mein Handy war, welches diese Geräusche von sich gab. So schnell wie es ging, zog ich es aus meiner Tasche und rauschte aus dem Gästezimmer, als ob ich tausende Verfolger hinter mir hätte. Ich hoffte zwar, dass Law nicht aufgewacht war, allerdings war ich mir sicher, dass ich mit diesem Lärm sogar Zorro aus seinem tiefen Schlaf gerissen hätte. Laut ein und ausatmend betrat ich das Badezimmer, welches direkt gegenüber lag und schloss die Tür hinter mir zu. Erst dann wagte ich einen Blick auf meinen Handydisplay zu werfen, auf welchem sich ein Bild von Nami abbildete. Ich hatte es geschossen, als wir im Café gewesen waren. Genau an dem Tag, an welchem ich noch mit dem Flugzeug in Georgia angekommen war. Ich lächelte bei diesem Gedanken und strich schnell über den Touchscreen. „Das hat ja gedauert“, wurde ich von ihrer Stimme am anderen Ende der Leitung äußerst herzlich begrüßt. Sie klang nicht ernsthaft sauer, eher belustigt. Im Hintergrund hörte ich ein lautes Schnarchen, sowie einen Fernseher. Ich glaubte den Titelsong von Spongebob Schwammkopf zu hören, weshalb ich grinsend meinen Kopf schüttelte. Schon diese Serie deutete darauf hin, dass entweder Chopper oder Lysop bei ihr war. Wobei ich eher auf den Kleineren von beiden tippte. „Du hast mich geweckt“, log ich. Sie musste ja nicht wissen, dass ich schon vorher wach gewesen war und in dieser Zeit Law begafft hatte. Ich seufzte innerlich. Warum ich das getan hatte, fragte ich mich selbst unverzüglich. In diesem einem Moment hatte mich einfach alles an ihm fasziniert, ob es nun der sanfte, mir unbekannte Gesichtsausdruck war, oder diese Sorglosigkeit, die er ausgestrahlt hatte. Vielleicht war es auch etwas ganz anderes gewesen, ich wusste es nicht. Wenn ich ehrlich war, wollte ich auch nicht länger darüber nachdenken und dieses Ereignis einfach vergessen, wie den Stoff, den wir gerade in Mathe durchnahmen. „Ach?“, fragte sie, ich konnte mir beinahe vorstellen, wie sie fragend ihre Augenbrauen in die Höhe zog. „Ihr seid also um halb Eins noch nicht wach?“, fragte die Orangehaarige mit einer Spur von Überraschung und Skepsis in der Stimme. Auch ich öffnete meinen Mund leicht, immerhin hätte ich nicht damit gerechnet, dass es bereits so spät war. Außerdem hatte ich viel eher erwartet, dass Kids gruseliger Vater um sieben Uhr vor unserer Zimmertür stehen würde, um uns mit einem Eimer Eiswasser aus dem Bett zu schmeißen. Nachdem ich ihm gestern Nacht begegnet war, gingen mir so einige, grausame Szenarien durch den Kopf, die gut zu seinem Charakter passen würden. Oder das, was ich bereits davon gesehen hatte. „Wir waren lange unterwegs“, versuchte ich mich irgendwie herauszureden und setzte mich auf den Klodeckel. Meine Füße trommelten einen mir unbekannten Rhythmus auf den braunen Fließen am Boden. „Verstehe“, kam es darauf von Nami, ehe ihre Stimme für wenige Sekunden verstummte. Ich hörte, wie Plankton die Geheimformel des Krabbenburgers stahl, ehe meine beste Freundin fortfuhr. „Und... wie ist er so?“, fragte sie. Ihre Stimme hörte sich merkwürdig an. So unsicher und neugierig zugleich. Definitiv eine Mischung, die man nicht oft bei ihr hörte. Sie war sonst immer so selbstsicher, sodass diese Verhaltensweise gar nicht zu ihr passte. Ich atmete kurz ein und versuchte das treffendste Wort zu finden. „Gruselig“, kam es mir schließlich über die Lippen, ehe ich bestätigend nickte, obwohl sie dies nicht sehen konnte. „Verdammt gruselig“, fügte ich noch einmal hinzu, diesmal klang ich mit meiner Wortwahl viel sicherer. Ein Geräusch, welches sich nach einem leichten Kichern anhörte, war vom anderen Ende der Leitung zu vernehmen. „Im Ernst?“, fragte sie amüsiert klingend. Wahrscheinlich hatte sie vieles erwartet, allerdings hatte dies bestimmt nicht dazugehört. Ich lachte bei der Vorstellung von ihrem leicht verstört wirkendem Gesicht kurz auf. „Hast du etwas anderes erwartet?“, fragte ich sie interessiert, während ich die geflieste Wand mir gegenüber betrachtete. Für einen Moment herrschte Stille. „Vielleicht dachte ich, dass du ihn als freundlichen, höflichen Mann bezeichnen würdest, der -“ „Mit Kindern wie Nojiko, Kid und dich? Ich bitte dich“, unterbrach ich sie lachend und erhob mich von dem Toilettendeckel, um in den Spiegel rechts von mir zu sehen. „Ruffy“, knurrte sie sofort und augenblicklich schlich sich ein Bild davon, wie sie mir eine fette Beule verpassen wollte, vor meine Augen. Plötzlich war ich verdammt froh, dass sie nicht hier war und mit erhobener Faust neben mir stand. Ob ich ihre Anwesenheit in diesem Fall überhaupt überleben würde? „Sorry“, entschuldigte ich mich halbherzig, während mein Blick im Spiegel über mein verwuscheltes Haar strich. Ich fuhr mir kurz durch dieses und versuchte es einigermaßen ordentlich zur Seite zu legen, allerdings funktionierte dies überhaupt nicht, weshalb ich es nach wenigen Versuchen wieder sein ließ. Dadurch, dass sie nicht neben mir stand, hatte ich eindeutig mehr Mut. Das wussten wir beide und ich war mir sicher, dass es meine beste Freundin total aufregte. Wenn auch nur insgeheim. Immerhin brauchte ich nun keine Angst vor ihr zu haben... zumindest so lange, bis ich wieder zurückkehrte. Am Besten war es wohl, wenn ich bei unserer nächsten Begegnung einen Helm tragen würde. „Was machst du so lange da drin?“, hörte ich plötzlich eine laute Stimme vom Flur aus rufen, welche sich unmittelbar vor der Badezimmertür befand, gerade als Nami mich erneut irgendetwas gefragt hatte. Ich erschrak und ließ beinahe mein Handy in das Waschbecken fallen. Die Stimme gehörte zu Kid, wie ich sofort erkannte. So etwas unfreundlich und gleichzeitig furchtbar tief Klingendes konnte nur von ihm kommen. „Ich – ehm...“, versuchte ich mir eine plausible Ausrede einfallen zu lassen, doch da wurde ich unterbrochen, bevor ich mir auch nur etwas Gutes überlegen konnte. „Was auch immer du tust, beeil dich damit. Ich will ins Bad“, brummte der Rothaarige schlechtgelaunt, woraufhin er ein kurzes „Okay“ als Antwort erlangte. Seufzend lehnte ich meinen Rücken gegen das Waschbecken und sah kurz auf mein Handy. Es war zwanzig vor eins. „Ich muss auflegen“, sagte ich schnell zu Nami, welche selbstverständlich alles mitbekommen hatte. „Ich erzähl dir heute Abend mehr“, fügte ich noch hinzu, damit sie mich auch bloß nicht mit Nachrichten bombardierte. Eine Angewohnheit von ihr, die eher zu ihren schlechten gehörte. Gleich nach ihrem Geiz und den Fäusten, die sie gerne als Strafe verteilte. „Alles klar“, kam es noch zurück, ehe ich ein Seufzen hörte. Wenige Sekunden herrschte Stille. „Ruf an, wenn es irgendwelche Probleme gibt, okay?“, fügte sie noch hinzu. Etwas verwirrt sah ich mein Handy an, so, als ob sie diesen Blick tatsächlich sehen könnte. „Ja... ja, mache ich“, gab ich etwas überrumpelt von mir, ehe ich kurz darauf auch schon auflegte. Was für Probleme meinte sie? Ich konnte mir diese Frage nicht beantworten, weshalb ich leicht meinen Kopf schüttelte. Dann öffnete ich die Tür und schritt hinaus, wo Kid bereits auf mich wartete, um endlich ins Badezimmer zu gelangen. Sein rotes Haar stand wild von seinem Kopf ab und er trug nur eine Boxershorts, wodurch man seinen muskulösen, blassen Oberkörper erkennen konnte. Zugegeben, er sah wirklich nicht schlecht aus. Auch er musste viel Sport treiben. Seine bernsteinfarbenen Augen waren etwas zusammengekniffen, als er sich in den Türrahmen lehnte und mich kurz musterte. „Nami?“, riet er mit tiefer Stimme, was mich etwas überraschte. Unglaublich wie gut er und seine Schwester im Raten waren. Vielleicht war ich aber auch nur zu leicht zu durchschauen. Ich nickte nur, ehe ich lächelte. „Sie ist neugierig“, sagte ich ein wenig amüsiert. So war Nami nun mal. Er verdrehte die Augen, ehe er das Badezimmer betrat. Ich glaubte so etwas wie „Sie hätte ja mitkommen können“ zu hören, doch da schloss sich die Tür bereits vor meiner Nase und ließ mich alleine zurück. Gute Laune war definitiv etwas anderes, wenn man bedachte, wie er sonst immer drauf war. Seufzend hörte ich, wie mein Magen klagende Geräusche von mir gab. Somit fasste ich den Entschluss erst einmal in die Küche zu gehen, um nach etwas Essbarem zu suchen. Sonst würde ich noch verhungern - und das wollte ich nun wirklich nicht. Die knarzenden Treppen hinter mir lassend, betrat ich die Küche. Zumindest vermutete ich, dass sich hinter der alten Holztür die Küche befand und wurde auch nicht enttäuscht. Vor mir erstreckte sich ein eher länglicher Raum, gefüllt mit einer langen, alt wirkenden Theke, großem Kühlschrank, sowie einem winzigem Tisch, welcher sich in der Mitte des Raumes befand. An diesem saß Law und nippte an einer Tasse Kaffee. Er hatte sich während meiner Abwesenheit angezogen und blickte mit undefinierbarer Miene zu mir hinauf, als ich die Tür geöffnet hatte. Sogleich schlichen sich die Bilder von vor wenigen Minuten in meinen Kopf und ich spürte augenblicklich, wie sich die Hitze in meine Wangen kämpfte. Ich wand meinen Blick von ihm ab und musterte stattdessen für wenige Sekunden den hölzernen Boden. Dieses Ereignis war mir plötzlich furchtbar peinlich, auch wenn er nichts davon mitbekommen haben dürfte. „Guten Morgen“, kam es etwas unsicher über meine Lippen. Ich fühlte mich, als wäre wieder einmal ich derjenige, welcher ein Gespräch beginnen musste und ich hasste dieses Gefühl. Normalerweise war ich nicht so, doch in Laws Gegenwart krempelte sich mein gesamtes Ich um und ich wusste nicht einmal wieso. Erst als ich diese Worte ausgesprochen hatte, sah ich wieder in sein Gesicht, welches aus irgendeinem mir unbekanntem Grund furchtbar amüsiert schien. „Guten Morgen, Ruffy“, meinte er, ehe er erneut einen Schluck von seinem schwarzem Kaffee nahm. Die Art, wie er meinen Namen aussprach, ließ mich leicht stocken. Es war merkwürdig. Mich beschlich das Gefühl, dass er etwas von meiner Beobachtung heute morgen mitbekommen hatte, allerdings konnte dies nicht sein. Er hatte geschlafen, da war ich mir ganz sicher. Außerdem würde er dieses Thema bestimmt ansprechen, wenn es so wäre. Stattdessen nippte er einfach nur ruhig an seinem Kaffee und betrachtete mich mit seinen grauen Augen, als gäbe es im Moment nichts Interessanteres in diesem Raum. Okay, vielleicht war dem auch so, doch dieser intensive Blick machte mich einfach verrückt. „Was gibt’s zum Frühstück?“, versuchte ich ein normales Gespräch aufzubauen und näherte mich dem Tisch. Meine nackten Füße waren durch das Parkett furchtbar kühl, sodass ich das Bedürfnis hatte, in das Wohnzimmer zu rennen und sie am Kamin aufzuwärmen. Auch, wenn dies nun ziemlich bescheuert aussehen würde. „Bis jetzt noch nichts“, er seufzte leicht auf. „Ich habe die Schränke durchsucht – alles ist abgelaufen oder mit einer hübschen, grünen Schicht überzogen“, meinte er, immer wieder zwischen seinem Kaffee und mir hersehend. Ich verzog mein Gesicht aus leichtem Ekel, ehe ein Schmollen auf meine Lippen trat, welches ich einfach nicht unterdrücken konnte. Ich würde noch vor Hunger sterben, ehrlich. Es war jetzt sicherlich über zwölf Stunden her, seitdem ich zuletzt etwas gegessen hatte! Das passierte mir so selten, wie Weihnachten. Wahrscheinlich sogar noch seltener. „Lass uns lieber einkaufen gehen. Ich bin mir sicher, dass Harry, jetzt wo wir da sind, einen All-Inklusive-Service von uns erwartet“, schmunzelte er, ehe er den letzten Schluck von seinem Kaffee nahm. Irgendwie hatte ich durch diese Worte das dumpfe Gefühl, dass Kids Vater uns ausnutzen wollte, solange wir hier waren. Nicht, dass es mir etwas ausmachen würde, doch unhöflich war dies allemal. Auch wenn er krank war. Ich hatte nicht damit gerechnet, auf so jemanden wie Kids Vater zu treffen, wenn man von einem an Krebs erkranktem Mann sprach. Wie gesagt, er war einfach seltsam. Ich nickte, wenn auch etwas zu spät, ehe ich zur Tür nickte. „Dann muss ich mich noch kurz umziehen gehen“, teilte ich ihm überflüssiger Weise mit, dass ich mich noch in Schlafsachen befand. „Mach das“, kam es von ihm zurück, sodass ich mich beeilte und schnell wieder die Treppe zurück nach oben nahm, ehe ich das Zimmer betrat, welches Law und ich uns teilten. Mit einem Blick aus dem leicht verstaubtem Fenster stellte ich fest, dass das Wetter, um es milde auszudrücken, beschissen war. Es regnete wie verrückt und die Bäume schienen nur so mit ihren Ästen um sich zu schlagen. Die dicken, dunkelgrauen Wolken am Himmel kündigten sogar noch mehr Regen an. So grau, wie die Welt dort draußen wirkte, war es nur zu erwarten, dass es auch nicht wirklich warm war, was sich als ein großes Problem herausstellte, als ich meine Tasche öffnete. Ich fand nichts außer kurzen Hosen, T-Shirts und mindestens zehn paar Socken, warum auch immer. Nicht einmal eine lange Jeans befand sich im Gepäck und eine Jacke oder wenigstens lange Shirts hatte ich ebenfalls nicht dabei. Frustriert stöhnte ich auf. Wirklich super, Ruffy. Ich entschloss mich dazu, wohl oder übel ein T-Shirt und eine knielange Shorts anzuziehen, obwohl ich wusste, dass ich dies bereuen würde. Spätestens wenn wir an der kühlen Luft waren. Eine andere Wahl hatte ich allerdings auch nicht. Ich steckte mir mein Handy in die Hosentasche und ging kurz darauf wieder die Treppe hinunter, damit Law und ich losgehen konnten. Tatsächlich wartete er an der Tür und betrachtete mich mit seinen sturmgrauen Augen, als ich die Treppe hinunter ging. Mit einer hochgezogenen Augenbraue musterte er mein mehr als unpassendes Outfit. „Dir wird kalt werden“, merkte er an. Wenn er davon ausging, dass mir dies nicht bewusst war, musste er mich für blind halten. Trotzdem nickte ich, wenn auch etwas verlegen. Immerhin war ich nicht davon ausgegangen, dass das Wetter sich so drastisch verändern würde. Natürlich nahte der Herbst, doch eigentlich hatte ich noch mit ein paar warmen Tagen gerechnet, zumal mir meine bescheuerte Wetterapp genau dies angesagt hatte. Wozu hatte man die Dinger eigentlich, wenn sie nicht funktionierten? Law drehte sich zum Kleiderhaken neben der Tür und zog eine schwarze Parka von dieser, die er mir reichte. Er lächelte dabei leicht. Zumindest, wenn man das Zucken seiner Mundwinkel als solches bezeichnen konnte. Doch auch dies reichte schon, um mir ein warmes Gefühl innerhalb meiner Magengegend zu bescheren. Ich wusste nicht, warum er diese besonderen Gefühle in mir auslöste. Ehrlich gesagt hatte ich gar keine Erklärung dafür, weil ich vermutlich darauf wartete, dass sich wenigstens diese Frage irgendwann einmal von selbst lösen würde. Doch gleichzeitig fragte ich mich, ob Law genauso fühlte, wie ich. Vorstellen konnte ich es mir nicht. Jedenfalls hatte er mir noch nie einen Anhaltspunkt gegeben, um davon auszugehen. Bis auf diese eine Nacht. Sie kam mir ganz plötzlich in Erinnerung und schob den Gedanken, dass nur ich mich so merkwürdig in seiner Gegenwart fühlte, mit einem Mal beiseite. Es war, als er mich ins Krankenhaus gefahren und davor geweckt hatte. Ich erinnerte mich noch deutlich an seine im Mondlicht glänzenden Augen und den sanften Blick, den er mir zugeworfen hatte. Über diesen Blick hatte er nicht nachgedacht, er war einfach durch seine Maske geschlittert und hatte sich auf seinem Gesicht festgesetzt. Vielleicht war ich nicht nur ein Mitbewohner für ihn. Vielleicht... spürte er auch, dass es etwas Besonderes zwischen uns gab, etwas, was sich einfach nicht erklären ließ. Ich fühlte mich zugegeben etwas besser, jetzt, wo ich über diese Sache nachgedacht hatte. Dankbar nahm ich seine schwarze Parka an und zog sie mir über, wobei Law und ich uns ein kleines Kichern nicht unterdrücken konnten. Sie war viel zu groß und auch noch zu lang, das Ende der Jacke hing knapp über meine Schienbeine. Doch solange mir so warm blieb und ich nicht nass werden würde, war mir das recht. Es sah bestimmt ziemlich merkwürdig aus, doch das machte mir nicht wirklich etwas aus. Immerhin ging ich auch mit Zorro und Sanji über die Straßen und das sah noch um einiges schlimmer aus. Besonders, wenn die beiden sich schon wieder mitten in einem ihrer berühmten, sinnlosen Streits befanden. Ich zog mir noch meine Sneakers über und schnürte sie zu, ehe ich mit Law, welcher bereits fertig war, hinaus ging. Die kühle Luft schlug mir sofort entgegen und ich war unglaublich froh darüber, Laws Jacke tragen zu dürfen. Regen prasselte auf den Boden, nicht ganz so schlimm wie vor wenigen Minuten noch, doch schlimm genug, um komplett durchnässt zu werden. „Der Supermarkt ist nur ein paar Minuten von hier“, sagte Law plötzlich. Seine Stimme klang durch das Geräusch des Regens gedämpft. Er wollte mir wahrscheinlich erklären, warum wir nicht sein Auto nehmen würden. „Okay“, antwortete ich nur und folgte ihm dem Weg vom Hof hinunter, auf den Bürgersteig der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Stadt wirkte furchtbar grau und trist, so als wäre sie unglücklich, könnte sie Gefühle haben. Auf den Bürgersteigen tummelten sich immer mehr Menschen herum, umso näher wir dem Zentrum der kleinen Stadt kamen. Sie alle waren in dünne Regenjacken eingewickelt und verbargen ihre Gesichter unter Regenschirmen, um dem Regen zu entkommen. Ich hatte noch nie etwas von diesem Ort gehört. Es kam mir so vor, als würden sich die Menschen, die hier lebten, in ihrer eigenen, kleinen Welt befinden. Nur Law und Kid schienen das Bedürfnis gehabt zu haben, aus dieser Welt zu fliehen und irgendwo anders neu anzufangen. Als wir die Wohnviertel hinter uns gelassen hatten, fuhren mehr Autos auf den Straßen, deren Scheibenwischer fleißig arbeiteten, um das kühle Nass von ihrer Windschutzscheibe zu entfernen. Ich bemerkte den Target direkt vor uns in einer kleinen Einkaufsstraße, welche für die Größe dieser Stadt ziemlich gut gefüllt war. Überall liefen Leute umher, die entweder Einkaufstaschen in den Händen hielten oder in kleinen Grüppchen beieinander standen. Ich versuchte mir vorzustellen, wie Kid und Law hier als Jugendliche durch die Straßen gegangen waren, doch irgendwie wollte sich dieses Bild nicht wirklich festsetzen. Gedankenverloren tapste ich durch eine riesige Pfütze, nur um darauf zu bemerken, dass auch meine Converse Sneakers nicht wasserfest waren. Frustriert stöhnte ich auf, während ich mir das Schmunzeln auf dem Gesicht meines Mitbewohners nur vorstellen konnte. War natürlich wieder einmal klar, dass ich mich in solch eine Situation bringen musste. Jetzt war ihm wenigstens bewiesen worden, dass ich tatsächlich blind war. Wir betraten das große Geschäft und Law holte einen Einkaufswagen direkt am Eingang, während ich auf ihn wartete. Als er zurück kam, deutete seine sonnengebräunte Hand auf den Wagen direkt vor mir. „Spring rein“, grinste er, wenn auch nur ganz leicht. Ich konnte nicht anders, als ebenfalls zu grinsen. Ob er dies nun ernst meinte oder nicht war mir egal, weshalb ich einfach hineinkletterte, und meine nassen Füße weit von mir weg streckte. Er schob gleich darauf den Wagen an, während ich wie ein Kleinkind über beide Ohren grinste. So gefiel mir das Einkaufen weitaus besser. „Hat Harry dir eigentlich Geld für den Einkauf gegeben?“, fragte ich Law nachdenklich und legte meinen Kopf in den Nacken, um ihn anzublicken, während wir an einem Brotregal vorbeifuhren und er eine Packung Toast aus diesem zog. Immerhin wäre es ziemlich schlecht, wenn wir einen Großeinkauf für die nächsten Tage machten und an der Kasse würde uns schließlich auffallen, dass wir nichts zum Bezahlen hatten. Okay, für alle Fälle hatte ich die Kreditkarte meines Großvaters, doch wie sollte ich ihm bitteschön erklären, dass ich sie im Target am Rande von Tennessee dringend benötigt hatte? „Nein“, Law schmunzelte, dann packte er eine Packung Äpfel in den Wagen. „Ich bezahle das schon“, versicherte er, als ich ihn darauf einen verblüfften Blick zuwarf. „Was denkst du, woher Nami ihre Liebe zum Geld hat?“, fragte er mich darauf und die Erkenntnis darüber, dass sie ihren Geiz von ihrem Vater geerbt haben musste, ließ mich lachen. Sie hatte wohl doch etwas von ihm, auch wenn sie dies nicht wusste. Wenn ich ihr davon erzählen würde, würde sie mir sicherlich nicht glauben. Während Law mich anschob und meine Füße langsam trockneten, wurde der Einkaufswagen immer voller und auch die vielen skeptischen Blicke der Menschen um uns herum häuften sich an. Brot, Obst, Gemüse, Milch, Fleisch, Jogurt, Cornflakes, Kaffee – alles Mögliche fand seinen Weg hinein, sodass ich mich ziemlich klein machen musste, um nichts zu zerquetschen. Zu guter Letzt auch noch einen Haufen Süßigkeiten, auf welchen ich mich schon ganz besonders freute. Mich überkam allerdings kein gutes Gefühl bei dem Gedanken, Law alles alleine bezahlen zu lassen. Ein kleines Mädchen, welches auf mich zeigte und ungeduldig am Ärmel ihrer Mutter zog, nahm meine Aufmerksamkeit auf sich. Sie war vielleicht sieben Jahre alt, auf keinen Fall älter. Ihr braunes Haar stand in alle Richtungen ab, während sie wild herumzappelte. „Mummy?“, fragte sie, ein Schmollen lag auf ihren rosigen Lippen. „Warum darf ich nicht auch im Einkaufswagen sitzen?“, stellte sie die Frage, die ihr auf dem Herzen lag. Die Mutter verdrehte darauf leicht die Augen, während sie im Kühlregal nach irgendetwas suchte. „Weil man so etwas nicht macht“, gab sie nur von sich, während sie nach den verschiedensten Arten von Jogurts griff und sie in ihren Korb stopfte. „Warum machen die beiden Jungen da vorne das dann?“, fragte das kleine Mädchen weiter und plusterte beleidigt ihre Wangen auf. Law und ich warfen uns einen amüsierten Blick zu, ehe wir auch schon die Stimme der Mutter antworten hörten. „Weil sie nicht mehr richtig im Kopf sind“, gab sie zurück. Ob sie wusste, dass wir sie hörten, konnte ich nicht sagen. Sichtlich amüsiert legten Law und ich auch noch den restlichen Weg zur Kasse zurück, nachdem wir auch noch einige Flaschen Wasser und ein wenig Bier in den Wagen gelegt hatten. Kid würde uns sicherlich dankbar sein. Auch wenn ich der Meinung war, dass er seinen Alkoholkonsum langsam mal etwas einschränken sollte. Während dem gesamten Gang durch den Laden wirkte Law viel entspannter als gestern Abend noch. Ich erkannte es daran, dass er lockerer wirkte, nicht mehr ganz so steif. Manchmal schlich sich sogar ein kleines Lächeln auf sein Gesicht, was meinen Verdacht bestätigte. Ich hatte das Gefühl, dass ich seine Laune wenigstens ein bisschen verbessern konnte, auch wenn ich nicht viel getan hatte. Doch dieses Gefühl machte auch mich glücklicher, genauso wie das Wissen, dass ich etwas dazu beigetragen hatte, dass es ihm besser ging. Ich stieg also aus, als wir uns vor der langen Schlange zur Kasse befanden und wartete neben Law stehend darauf, dass wir endlich drankamen. Doch das würde sicherlich noch eine Ewigkeit dauern, so lang wie diese war. Hier war extrem viel Betrieb in der Innenstadt. Vielleicht war hier morgens aber auch immer so viel los. Ich konnte dies nun mal nicht wirklich wissen, wenn ich hier nicht wohnte. Gelangweilt ließ ich meinen Blick über die Leute vor uns streifen und bat sie in Gedanken darum, sich zu beeilen. Doch dann hörte ich plötzlich eine weibliche Stimme hinter uns, die aus dem Gewirr von Gesprächen innerhalb des Ladens deutlich hervorstach. Ich kannte sie nicht, zumindest glaubte ich fest daran, sie noch nie in meinem Leben gehört zu haben. Allerdings merkte ich spätestens, als ein erschrocken klingendes „Law“ von dieser kam, dass sie mit meinem Mitbewohner sprach – oder mit ihm sprechen wollte. Law, welcher direkt neben mir stand, schien für einen Moment zu erstarren. Überrascht von dieser Tatsache musterte ich sein versteinertes Gesicht und bemerkte gleichzeitig, wie sich sein Kiefer auf einmal gewaltsam aufeinander presste. Sogar die tätowierten Hände ballten sich zu kleinen Fäusten, welche vor Anspannung schon leicht zitterten. Seine sturmgrauen Augen, welche noch vor wenigen Sekunden amüsiert und gutgelaunt wirkend durch den Laden geglitten waren, verengten sich nun zu Schlitzen, welche seinem Blick etwas Bedrohliches gaben. Ich musste sagen, dass ich von diesem Anblick etwas geschockt war. Es erschreckte mich meinen Mitbewohner so zu sehen – erneut eine Seite von ihm kennenzulernen, von welcher ich vorher noch nichts gewusst hatte. Schon lange dachte ich, dass ihn kaum etwas so aus der Ruhe bringen konnte, doch nun wurde ich vom Gegenteil überzeugt. Es zeigte mir, dass auch Law ein Mensch war und machte deutlich, dass er einer der Wenigen war, die es vorzogen ihr Gesicht hinter einer festsitzenden Maske zu verstecken. Diese Maske konnten nur wenige Menschen herunternehmen und ich wusste, dass diese Frau zu denjenigen gehörte, die dazu in der Lage waren. Beinahe gleichzeitig drehten wir uns um, um der Person ins Gesicht zu blicken, die meinen Mitbewohner angesprochen hatte. Die Neugier in mir siegte wieder. Ich musste einfach sehen, wer diese Reaktion bei dem Schwarzhaarigem auslösen konnte und dazu in der Lage war, andere Emotionen in ihm auszulösen, als ich sie gewohnt war. Eine Frau, die ich aufgrund ihrer Falten auf ungefähr Vierzig Jahre schätzte und hellblondes, schon fast weißes Haar, sowie strahlend blaue Augen besaß, musterte meinen Mitbewohner mit wenigen Tränen, die ihr fast über die Wangen rollten. Ihre Hände befanden sich direkt vor ihrem Mund, als ob sie ein Schluchzen unterdrücken musste. Immer wieder schüttelte sie den Kopf, als ob sie nicht glauben konnte, dass er tatsächlich vor ihr stand. Als wäre der Schwarzhaarige eine Illusion, welche jeder Zeit verschwinden konnte, wenn sie auch nur die Hand nach ihr ausstreckte. „Law“, flüsterte sie immer wieder seinen Namen, während nun tatsächlich ein leises Schluchzen über ihre Lippen kam. Die Mundwinkel meines schwarzhaarigen Freundes zogen sich leicht nach unten, während seine Faust noch stärker zitterte. Er hatte sie so fest zusammengeballt, dass ich schon die Angst bekam, dass er sich die Fingerknöchel brechen würde. Unbedacht griff ich nach seiner Hand und drückte sie sanft. Ich wollte ihn beruhigen, ihm irgendwie zeigen, dass ich für ihn da war, auch wenn ich nicht wusste, was gerade hier passierte. Sein Blick streifte darauf ganz kurz zu mir, er schien etwas überrascht. In seinen Augen tobte derselbe Sturm wie gestern Nacht. Allerdings hatte ich ihn noch nie so intensiv gesehen, wie in diesem Moment. Vielleicht war das, was in seinen Augen lag kein einfacher Sturm mehr. Nein, ich war mir sicher, dass er in diesem Moment zu einem richtigem Hurrikan herangewachsen war. Meine Hand drückte seine noch ein wenig fester und ich bemühte mich darum, ihm einen beruhigenden Blick zuzuwerfen. Ich konnte nicht viel für ihn tun, immerhin verstand ich nicht einmal diese Situation und außerdem überfielen mich in diesem Moment tausende Fragen. Doch ich konnte versuchen für ihn da zu sein und ihn zu beruhigen. Tatsächlich schien er sich etwas zusammenreißen zu können. Seine Hand entspannte sich in den Sekunden, in denen ich sie umfasste um einiges und seine Augen bedachten die Frau vor sich mit einem kühlen Blick, ehe er zum ersten Mal zum Reden ansetzte. Wahrscheinlich hatte die Blonde nicht damit gerechnet, dass er doch noch freiwillig irgendwelche Worte an sie richten würde, doch jetzt, wo er im Begriff war es zu tun, schien sie erleichtert. „Camilla.“ Seine Stimme klang so unfassbar kühl, dass sie fast schon mich zum Erfrieren brachte, obwohl er mit der blonden Frau, Camilla, wie er sie genannt hatte, sprach und nicht mit mir. Er hatte sich wieder im Griff, zeigte nicht einmal ein wenig, dass sie irgendetwas in ihm ausgelöst hatte. Doch gleichzeitig führte mir dieser Name eine ganz bestimmte Erinnerung vor Augen. Ich dachte an Law und Kid und daran, wie sie im Auto über diese Frau geredet hatten, als wir hier her gefahren waren. Der Rothaarige hatte gesagt, dass sie seine Mutter war. Ich glaubte mich ebenfalls daran zu erinnern, dass sie viel Geld hatte und versuchte, Law mit ihrem Reichtum einen Gefallen zu tun. Zumindest waren dies Kids Worte gewesen, wenn ich mich richtig entsann. Reich sah sie jedenfalls wirklich aus. Das Kleid, welches sie trug, lag ziemlich eng an und war aus einem blauem, seidigen Stoff, die meisten Frauen, die ich kannte würden so nicht einmal auf einer Party aufkreuzen. Auch die Halskette, welche im Licht der Lampe auffällig leuchtete, musste aus echtem Gold sein und ein Vermögen gekostet haben. Eine Hochsteckfrisur, extremes Make-Up und selbstverständlich Highheels rundeten das Gesamtbild ab. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass dies Laws Mutter sein sollte. Sie sah ihm nicht wirklich ähnlich. Nein, eigentlich würde man nicht einmal vermuten, dass die Beiden miteinander verwandt waren oder sich kannten. Auch ihre Erscheinung wies so viele, wesentliche Unterschiede auf, dass ich es gar nicht glauben würde, wenn Law nicht ihren Namen gesagt hätte. „Was... du...“, die Blonde schien gar nicht zu wissen, was genau sie sagen wollte, sie war von dem Anblick ihres Sohnes schlichtweg überwältigt, zumindest kam es mir so vor, bei einem solchen Ausmaß von Gefühlen, welche sich in ihrer Miene wiederspiegelten. Ein paar Tränen rannen aus ihren kristallklaren Augen, die sie sich so schnell wie sie gekommen waren von der Wange wischte, doch natürlich nicht ohne dabei ihre Schminke zu verschmieren. Es schien als würden zwischen Law und Camilla, wie sie hieß, tausende, ungesagte Worte stehen, die schon längst überfällig waren. Irgendwie fühlte ich mich fehl am Platz. So, als ob dies nicht für meine Augen bestimmt wäre und ich hier nicht erwünscht war. Ich biss mir leicht auf die Unterlippe, als ich plötzlich spürte, wie Law seine Hand aus der Faust löste und mich mit einem sanften Händedruck darum bat, mich nicht umzudrehen und ihn alleine zu lassen. Stattdessen umschlossen seine Finger meine, was mich zuerst glauben ließ, dass ich es mir nur eingebildet hatte. Doch das war nicht der Fall. Vielleicht bildete ich mir einige Sachen ein, doch diese Berührung war real. Ich spürte es daran, wie seine angenehme Wärme meine kalte Haut erschaudern ließ und ein angenehmes Prickeln verblieb. Es war wirklich real. Ich wusste nicht, was diese Tatsache mit mir anstellte, doch glitt in diesen Sekunden ein unglaublich angenehmes Glücksgefühl durch meinen Körper, welches sich nicht vertreiben ließ. Wirklich vertreiben wollte ich es auch gar nicht. Auch war ich ein wenig überrascht darüber, dass meine Anwesenheit tatsächlich noch erwünscht war, jetzt, wo es mir so vorkam als ob ich hier am falschen Ort wäre. Law zog mit der anderen Hand den Wagen aus der Schlange vor der Kasse, um die anderen Käufer vorzulassen. Sie war inzwischen viel kleiner, als zu Beginn. Währenddessen trat seine vermeintliche Mutter ein wenig näher an ihn heran und musterte ihn, so als ob sie ihn Jahrelang nicht mehr gesehen hätte. Dabei konnte ihr letztes Wiedersehen gar nicht so lange her gewesen sein. Zumindest dachte ich das. Ob es wirklich so war, war wieder eine andere Sache. „Warum hast du dich nie gemeldet, Law? Warum?“, wollte sie wissen und zog sich ein Taschentuch aus ihrer Handtasche, um die wenigen Tränen von ihrem Gesicht zu trocknen. Sie schien sich etwas beruhigt zu haben, immerhin sah sie nun nicht mehr so aus, als ob sie einen Geist gesehen hätte. Law antwortete nicht darauf. Er sah sie nur an, betrachtete sie mit einem eiskalten Ausdruck auf seinem Gesicht, welcher mich fragen ließ, was zwischen ihnen vorgefallen war. Es gab so viele Dinge, die passiert sein könnten, doch was der Wahrheit entsprach, wussten nur sie beide und sonst niemand. Ich könnte spekulieren, die kuriosesten Ideen überlegen, doch ich würde niemals wissen, was tatsächlich der Wahrheit entsprach. „Law...“, sie flüsterte seinen Namen beinahe. Ihre Stimme klang voller Trauer und ich wusste, dass sie wollte, dass er mit ihr redete. Vielleicht wollte sie auch, dass er nicht so kalt war und all ihre Fragen einfach so beantwortete. Doch wenn er sich ihr gegenüber auf diese Art und Weise verhielt, musste es einen guten Grund dafür geben, da war ich mir sicher. Law würde niemals grundlos so unruhig werden. Das hatte ich schon oft festgestellt. Ziemlich oft, um genau zu sein. Ständig hatte er mich damit aufgeregt, oder aber ich hatte ihn darum beneidet, dass er immer so ruhig blieb, sich durch nichts ernsthaft aufregen ließ. „Wo... was machst du überhaupt hier? Wolltest du mich besuchen?“, fragte sie weiter, ihre fragenden, blauen Augen fuhren verwirrt über sein Gesicht, als würde sie jede noch so kleine Regung analysieren wollen, bevor sie wieder so schnell verschwand, wie sie gekommen war. Als sie die zweite Frage stellte, hörte man nur zu sehr, wie die Hoffnung in ihren Worten mitschwang. Ich wusste nicht, wie sie dies nach seiner Reaktion wirklich noch erwarten oder erhoffen konnte. Wäre er ihr nicht durch schlechten Zufall hier begegnet, war ich mir ziemlich sicher, dass sie niemals aufeinander getroffen wären. Diese Begegnung schien etwas Großes an unserer kurzen Reise hierher zu ändern, das wurde mir mit einem Mal klar. Sie war nicht geplant worden, so wie alles andere. Der Termin im Krankenhaus mit Kids Vater, unsere Unterstützung bezüglich seiner Krankheit – dies waren Dinge gewesen, die wir hier erledigen wollten und erwartet hatten. Doch diese Begegnung gehörte nicht dazu, zumindest sprachen alle Indizien dafür. Ich wusste allerdings nicht, was ich von dieser Frau halten sollte. Eine wirkliche Meinung konnte ich mir erst bilden, wenn ich sie genauer kannte oder mehr über sie wusste. Es war schwer sie einfach als gut oder böse, freundlich oder gemein abzustempeln. Law seufzte darauf kaum hörbar. Seine grauen Augen blickten die Blonde noch immer desinteressiert an, allerdings schien er sich dazu entschlossen zu haben, etwas zu sagen. Vielleicht hatte er auch gar keine andere Wahl. Durch Nami wusste ich, dass Frauen oftmals nicht locker ließen, wenn sie etwas wollten. „Wir“, er deutete ebenfalls auf mich, da ich freundlicherweise ignoriert wurde, „sind bei Kid“, meinte er kurz ohne jegliches Gefühl auf seinem Gesicht. Diese Kälte gefiel mir nicht. Mir gegenüber hatte er sich nie so eisig verhalten, obwohl wir uns noch nicht so gut kannten, ganz im Gegenteil zu ihm und Camilla. Ich wusste vielleicht, was er gerne aß, anzog oder wer seine Freunde waren, doch die wesentlichen Dinge waren mir verschwiegen worden, ob ich dies wollte oder nicht. Bis jetzt. Es fühlte sich so an, als ob es ein Puzzle geben würde, dessen Teile kreuz und quer verteilt waren. Doch langsam schaffte ich es, sie zu ordnen und irgendwann würde ich sie zu einem Bild zusammensetzen können, da war ich mir sicher. Die Frau sah mich kurz ein wenig verwirrt an, als hätte sie mich gerade zum ersten Mal bemerkt, ehe sie wieder zu ihrem Sohn blickte. „Warum... ich meine... auf einmal...“, sie konnte keine Worte finden, weshalb sie einfach nur den Kopf schüttelte. Dann warf sie einen kurzen Blick nach vorne auf die Einkaufsschlange und schließlich einen auf ihre – natürlich – goldene Armbanduhr. Sie biss sich leicht auf die rot geschminkte Unterlippe, ehe sie wieder zu Law aufblickte. Mir schien es, als würde ihr ihr emotionaler Ausbruch schon fast leidtun, doch nicht so sehr, wie sie es zu bedauern schien, keine richtigen Antworten aus dem Schwarzhaarigem herauszubekommen. Zumindest keine Antwort auf die Fragen, welche Sehnsüchtig nach einer verlangten. „Ich habe eine Bitte, Law“, sie atmete laut aus und sprach diese Worte mit einer plötzlich ziemlich festen Stimme aus, wenn man sie mit der vorherigen verglich. Ihre blauen Augen blickten beinahe flehend zu ihm hinauf. Die Augenbraue meines Mitbewohners wanderte leicht in die Höhe. Bitter und leise lachte er auf, verzog dabei kaum merklich seinen Mund. „Warum sollte ich dir irgendeine Bitte erfüllen?“, fragte er, in seiner Stimme schwang eindeutig ein hasserfüllter Ton mit, welcher sogar mich einschüchterte. Und das, obwohl er mich nicht einmal ansprach. Ihre blauen Augen sahen darauf bittend zu ihm, so als ob dies etwas bewirken könnte. „Ich will dich und deine Freunde zu einem Abendessen einladen. Wir haben uns so lange nicht mehr gesehen... ich... will mich mit dir unterhalten“, kam es von Camilla, ihre Hände faltete sie vor ihrem Körper ineinander. „Du lädst freiwillig Kid ein?“, Law klang schon fast amüsiert, allerdings nicht auf positive Weise. Ihn schien es wirklich zu überraschen, dass sie ihm so ein Angebot machte. „Ich will dich nur wiedersehen, egal wie“, erklärte die Blonde und wäre sie nicht seine Mutter, würde sie schon fast wie seine Exfreundin auf mich wirken. Es gab etwas an ihrer Ausstrahlung, das sie anders wirken ließ, als die Mutter, die ich mir immer vorgestellt hatte. „Ach und Vergo möchte dies bestimmt auch“, gab er von sich, seine Stimme bebte kaum merklich. Ich spürte wie sein Handdruck fester wurde, weshalb ich meinen besorgten Blick über ihn und dann zu unseren verflochtenen Händen gleiten ließ. Die verschiedensten Gefühle wirrten durch meinen Körper, sodass ich vollkommen überfordert war. Auch meine Gedanke, die sich beinahe überschlugen, machten mir zu schaffen. „Er ist nicht Zuhause“, war ihre nüchterne Antwort. Ihr Blick klärte sich nun wieder einigermaßen. Trotzdem hatte sie ihren Blick seit dem Beginn des Gespräches kein einziges Mal von ihrem Sohn abgewandt. Mir schien es fast, als wäre die Blonde nun wieder ein ganz anderer Mensch. Vielleicht hatte sie sich auch einfach nur von Laws Anblick erholt und war in dem Moment des Treffens so überrascht gewesen, dass sie nicht sie selbst gewesen war. Das wäre meiner Meinung nach ziemlich logisch. „Und wenn ich trotzdem nicht komme?“, warf er die Frage ein, die Camilla leicht zusammenzucken ließ. Sie musste über diese Sturheit ihres Sohnes leicht seufzen. „Natürlich kann ich auch vorbeikommen und euch bei Familie Eustass besuchen...“, merkte sie an, als ich plötzlich feststellte, wie Law sie außerordentlich böse musterte. „Das wirst du nicht tun“, stellte er sofort klar. Ich wusste nicht, warum es ihm so wichtig war, dass sie nicht zu Kid und dessen Vater kam. Doch ich erinnerte mich daran, dass der Rothaarige sie nicht wirklich leiden konnte und vermutete, dass dies der Grund dafür war. Doch wirklich sicher war ich mir dabei nicht. „Dann erwarte ich euch heute Abend um sieben Uhr“, meinte sie, ehe sie ein leichtes Lächeln aufsetzte, als ob sie einen Kampf gewonnen hätte, der noch gar nicht richtig angefangen hatte. Es wirkte weder echt, noch gänzlich gespielt - es war einfach schwer zu sagen, wie diese Frau tickte. Um ehrlich zu sein, war sie nicht wirklich durchschaubar. Sie verschwand mit diesen letzten Worten und ließ mich verwirrt zurück, während Law ihr noch lange hinterher sah. Vielleicht verfluchte er gerade, dass er sie hier getroffen hatte oder auch nur, dass ich dabei gewesen war. Wie gesagt, es war schwer ein geschlossenes Buch zu lesen und noch schwerer war es, dessen Einband zu beurteilen. Jedenfalls hing jeder seinen eigenen Gedanken nach, während wir wieder in der Schlange standen und nach dem Bezahlen den Weg nach Hause antraten. Es war still zwischen uns und wenn ich ehrlich war, traute ich mich auch nicht etwas zu sagen. Wie in der Nacht, in welcher ich ihn nach seinem Albtraum aufgefunden hatte. Doch in dieser Nacht hatte ich die Initiative ergriffen und ihn in ein Gespräch verwickelt, heute tat ich es nicht. Inzwischen war der Regen weniger geworden und auch die grauen Wolken am Himmel wurden langsam wieder heller. Trotzdem wirkte die Stadt noch genauso kalt und trist wie zuvor, sodass mich dieses Gefühl nicht wegen des schlechten Wetters überfallen haben musste. Tausende Gedanken strichen durch meinen Kopf, welche sich einfach nicht stoppen ließen. Ich ging davon aus, dass sie nur Law und uns eingeladen hatte, weil er sich in unserer Gegenwart viel lockerer verhielt. Als er auf sie getroffen war, war er immerhin beinahe zu einer Eissäule erstarrt. Seine Verhaltensweise; die Art, wie er sie angesehen hatte - er war voller Abneigung gewesen, so wie ich es noch nie bei ihm gesehen hatte. Normalerweise war er immer recht höflich und eigentlich auch freundlich, doch davon hatte man in ihrer Gegenwart nicht einmal ein Fünkchen zu sehen bekommen. Immer wieder fragte ich mich, was zwischen ihnen vorgefallen war. Zusätzlich war die Wahrscheinlichkeit, dass wir heute Abend zu ihr fahren würden ziemlich hoch, was die Aufregung in mir erhöhte. Doch nun würden wir erst einmal zurück nach Hause gehen und mit Kid reden. Ich war mir sicher, dass Law seine Meinung hören wollte. Genauso sicher war ich mir dabei, dass der Haufen von Fragen schon bald zusammensinken würde. Gleichzeitig würde das fertige Bild des Puzzles vor mir liegen, dessen Teile ich langsam in ihre vorgesehenen Anordnung zusammenfügte. Kapitel 13: A Million Reasons ----------------------------- Manchmal versuchte ich, in die Köpfe anderer Leute zu sehen, um ihr Handeln nachvollziehen zu können. Es war mir wichtig, dass ich wenigstens versuchte, wie sie zu denken. Immerhin war ich schon immer einer dieser Menschen, die alle möglichst gut verstehen wollten. Geheimnisse, welche mir dabei im Weg standen, hasste ich mehr als alles andere. Es war eine unglaubliche Ironie, dass es in meinem Leben momentan nur so von Geheimnissen wimmelte. Außerdem hatte ich keine Ahnung, wann oder wie diese gelüftet werden sollten. Das war das Problem. Ich würde nie jemanden verstehen können, wenn alles so blieb, wie jetzt. Nicht Harry, nicht Kid und schon gar nicht Law. Wobei Letzterer das größte Problem war. Beinahe sein ganzes Verhalten verursachte tausende Fragen in meinem Inneren, welche schreiend nach einer Antwort verlangten. Er war zweifelsohne ein Schauspieler, welcher fast immer nach seinem selbstentworfenem Drehbuch spielte. Dinge, die nicht in diesem verzeichnet waren, brachten ihn aus seiner Rolle und zeigten den wahren Law. Den Law, der nicht jede Szene kannte und genaustens wusste, wie er sich zu verhalten hatte. Momente wie diese hatte es noch nicht oft gegeben. Doch immer, wenn sich welche dieser Art ereignet hatte, hatten sie sich magisch angefühlt, beinahe nicht real. Wie damals in dieser einen Nacht, nach der Party bei Nami. Oder bei dem Spaziergang, nachdem Law aus einem Alptraum erwacht war. In diesen Momenten hatte er seine Maske fallen lassen und mir den Menschen gezeigt, welcher sich dahinter versteckte. Law hatte so schutzlos gewirkt, so perplex. Ein riesiger Kontrast zu dem, was er mich vorher hatte sehen lassen. Wäre ich mir nicht ganz sicher, dass er es gewesen war, hätte ich ihn in diesen Situationen für einen ganz anderen Mensch gehalten. So war es jetzt auch. Ich spürte die Spannung in der Luft und seine Wut, als würde er in Flammen stehen. Die Funken schienen mich zu berühren und ich zuckte leicht zusammen. Irgendwie hatte ich in diesem Moment ein wenig Angst vor ihm. Ich hatte ihn noch nie dermaßen aufgebracht gesehen. Dass seine Mutter und er ein schlechtes Verhältnis zueinander hatten, war nicht zu übersehen gewesen. Doch auch diesem sogenannten Vergo gegenüber, welchen Law erwähnt hatte, schien er eine starke Abneigung zu empfinden, vielleicht noch eine viel größere. Natürlich konnte ich mir den Grund dafür nicht wirklich erklären, doch ich wusste, dass sich bei dem Abendessen einige Antworten ergeben würden. Auch, wenn sich dieses Wort so harmlos anhörte, dass es so schien, als wäre es ein ganz normales Treffen. Doch das war es nicht. Es war ein Treffen, welches unsere gesamte Reise und den Aufenthalt enorm beeinflusste. Ein wenig unruhig betrachtete ich Law dabei, wie er die Einkäufe in der Küche abstellte, gleich nachdem wir uns unsere Jacken und Schuhe ausgezogen hatten. Ich machte die Tür hinter mir zu, welche darauf mit einem lauten Knirschen ins Schloss fiel. Sofort hörte ich die Schritte aus dem Wohnzimmer und sah kurz darauf Kid, welcher sich in unserer Abwesenheit angezogen hatte. Er trug nun ein orangenes, weites T-Shirt und eine Jogginghose, sowie ein schwarzes Stirnband, welches seine roten Haare hochstehen ließ. Er betrachtete mich grinsend, ehe er sich auf den Weg in die Küche machte. „Was gibt’s zum Futtern? Ihr habt echt lange gebraucht“, gab er besser gelaunt von sich und ich folgte ihm in den Raum. Allerdings stoppte er schon kurz nach dem Betreten und sah mit zusammengezogenen Augenbrauen zu Law, welcher sich inzwischen an den Küchentisch begeben hatte. Seine Stirn lag auf seiner Handfläche und das Gesicht hatte er von uns abgewendet. Der Schwarzhaarige wirkte in diesem Moment unglaublich überfordert. Er gab keinen Laut von sich, doch die Haltung, welche er einnahm, zeigte wie von selbst, welche Gefühle in ihm toben mussten. Etwas überfordert von diesem Anblick wandten sich Kids bernsteinfarbenen Augen an mich und sahen mich fragend an. Automatisch verzogen sich meine Lippen zu einem schmalen Strich und ich schüttelte lautlos meinen Kopf. Ich wusste nicht einmal, was ich ihm mit dieser Geste sagen wollte. Momentan fielen mir einfach keine Worte ein, welche die Situation verständlich erklären würden. Außerdem wollte ich es Law überlassen, mit seinem besten Freund über das Vorkommnis zu reden. Es fühlte sich für mich immer noch so an, als wäre meine Anwesenheit, was diese Sache anging, ziemlich ungewollt. Natürlich war es kein schönes Gefühl, doch gleichzeitig konnte ich es Niemandem verübeln. Sie waren vor wenigen Wochen noch Fremde für mich gewesen und nun war ich so tief in ihr Leben eingedrungen, wie niemand zuvor. Wobei diese Tatsache Kid viel weniger auszumachen schien, als Law. Ich schob dies auf den Fakt, dass der Rothaarige auch eine ganz andere Persönlichkeit war, als er. Man konnte sie nicht richtig miteinander vergleichen, dafür waren sie viel zu verschieden. Kid gehörte, auch wenn er dies wahrscheinlich niemals zugeben würde, zu der Menschenart, die emotional und impulsiv auf Dinge reagierte. Wahrscheinlich neigte auch ich eher zu dieser Verhaltensweise. Law dagegen schien sich immer rational zu verhalten. Die ersten Gespräche mit ihm waren immer so distanziert abgelaufen, dass sie mir das Gefühl gegeben hatten, ihn niemals wirklich zu kennen. Doch nun, genau in diesem Moment und an diesem Ort, fühlte es sich so an, als ob ich ihn kennenlernen würde. Als ob ich andere Seiten finden würde, emotionale Seiten, die er unterdrücken wollte. Ich wusste nicht warum er das tat. Doch jeder Mensch hatte Gründe dafür, wie er sich verhielt, dies wusste ich nur zu gut aus eigener Erfahrung. „Law?“, Kids perplexe Stimme war das einzige Geräusch, welches in diesem Moment erklang. Ansonsten herrschte eine Totenstille, welche die Spannung in der Luft nicht unbedingt löste. Im Gegenteil. Das Atmen fiel mir schwer und ich machte mir auch irgendwie Sorgen um Law. Wie so oft drehten sich meine Gedanken nur um ihn. Und um seine Geheimnisse, von denen es nun wirklich viel zu viele gab. Der Schwarzhaarige hob darauf, entgegen all meiner Erwartungen, seinen Kopf und blickte mit trüb wirkenden Augen zu Kid. Ich war davon ausgegangen, dass er sein gesamtes Umfeld ignorieren würde. Dass er, wie immer, alleine gegen alles kämpfen wollte, was in ihm vorging. Als ob dieser den Blick sofort deuten konnte, schritt er auf Law zu und setzte sich neben ihn auf einen Holzstuhl. Seine Hand fuhr beruhigend über dessen Schulter, hinunter zu seinem Oberarm, während Kids Augen mit einer Mischung aus Besorgnis und Unmut über den Schwarzhaarigen strichen. Auch ich näherte mich ihnen, ohne sie aus den Augen zu lassen. „Habt ihr etwa... ihn getroffen?“, fragte Kid. Seine Stimme klang unglaublich verbittert, so als ob er es nicht über sich bringen konnte, über diese Person zu sprechen. Auch sein Blick wurde in diesem Moment von Wut übernommen, wodurch die Funken der Besorgnis in den Hintergrund rückten. „Nein“, Law seufzte und massierte sich mit einer Hand den Nasenrücken. Er schloss seine Augen kurz, als ob er sich dadurch beruhigen wollte, ehe er wieder zu Kid sah. In seinen grauen Irden tobte derselbe Sturm, wie noch am Tag davor. „Es war Camilla“, fügte er schließlich nach einigen Sekunden hinzu. Mit einem Mal klang er wieder viel gleichgültiger und auch gefasster. Der kleine, wirklich unscheinbare Moment seiner Schwäche war schon wieder nach wenigen Sekunden verschwunden. So, wie ich es von ihm kannte. „Camilla?“, knurrte Kid sogleich. Seine Augen funkelten bedrohlich auf, als ob das Goldene in ihnen glitzern würde. Dann schüttelte er leicht den Kopf. „Was wollte sie?“, fragte der Rothaarige mit einer Stimme, die nur zu eindeutig von Wut zeugte. Ich war mir sicher, dass er versuchte, sie zu unterdrücken, damit man nicht bemerkte, wie sehr ihn diese Frau aufregte. Allerdings funktionierte es nicht. Seine Mühen waren völlig umsonst, wenn wir alle es sowieso mitkriegten. Er war nicht Law und hatte somit keine Maske, welche er lange tragen konnte. Seine fiel zu Boden, wenn etwas geschah, was er nicht vorhergesehen hatte. Laws dagegen, hielt stand, zumindest meistens. Bei dieser Sache hatte sogar seine angefangen, zu bröckeln. Wie lange es wohl dauern würde, bis sie fallen würde? Ob es solch einen Moment überhaupt gab? Ich wusste es nicht. Das einzige, was ich sagen konnte, war, dass Kid kein Schauspieler war. Wahrscheinlich würde er es auch niemals sein. „Ein Abendessen“, sagte Law schlicht. Er fokussierte dabei die gelbliche Tischdecke, welche sicherlich schon einmal weiß gewesen war. Ich bemerkte seine tiefen Atemzüge, mit denen er sich kontrollierte und schüttelte nur ganz leicht den Kopf. Für wen tat er so, als ob er stark wäre? Warum zeigte er nicht einfach, dass es ihn bedrückte, seine Mutter getroffen zu haben? Wir waren Freunde, zumindest ging ich davon aus. Waren Freunde nicht dafür da, dass man mit ihnen jegliche Sorgen und Ängste teilte? Ich sah es jedenfalls so und ich hatte nicht wirklich wenige Freunde, weshalb meine Annahme nicht falsch sein konnte. „Ein Abendessen?“, fuhr Kid ihn an. Seine bernsteinfarbenen Augen funkelten zuerst verwirrt, ehe ihr Ausdruck ins Ungläubige schritt. Der gesamte Gesichtsausdruck des Rothaarigen schrie beinahe danach, dass er seinem besten Freund nicht glaubte. Doch als dieser jenes mit einem Nicken bestätigte, entwich ihm auch die restliche Selbstkontrolle. „Warum?“, entkam es diesem sogleich. „Ich meine, was will sie damit bezwecken? Sie weiß, dass du sie nicht mehr sehen möchtest“, fuhr er aufgebracht fort, während er seine Hände vor seiner Brust verschränkte und sich im Stuhl zurücklehnte. Ich stand in dieser Zeit nur da und beobachtete aufmerksam ihre Konversation. Dass sie sich so verhielten, als ob ich nicht da wäre, war mir in diesem Moment egal, solange sie nicht wollten, dass ich ging. Denn das würde mir zeigen, dass sie mir nicht vertrauten, mich im Grunde genommen gar nicht dabei haben wollten. „Aber sie möchte mich wiedersehen“, erwiderte Law mit belegter Stimme. Seine Augen glitten noch immer über den Tisch, ehe er seinen Kopf hob. Der intensive Blick, welcher mich darauf traf, brachte mich beinahe zum Zusammenzucken. Seine grauen Irden betrachteten mich durchdringend, doch konnte ich nicht deuten, was er mir sagen wollte. „Sie hat euch auch eingeladen“, obwohl ich dies mitbekommen hatte, bezog er mich in das Gespräch mit ein und betrachtete mich dabei, wie ich vor dem Tisch stand und ihnen lauschte. Er schien Kid in den Sekunden der darauffolgenden Stille ausgeblendet zu haben. Seine Sinne fokussierten in diesem Moment nur mich, wie zuvor am Morgen. Und dies war mir erneut mehr als nur unangenehm. Jede Regung meinerseits wurde von seinen grauen Augen analysiert und strengstens bewacht. In Situationen wie diesen fragte ich mich immer, was ihm wohl durch den Kopf ging, wenn er mich ansah. Ich wollte wissen, was er über mich dachte und mir gegenüber empfand. Denn auch, wenn er es mir nur selten gezeigt hatte, glaubte ich, dass er es ebenfalls spürte. Zumindest musste er dies tun. Dass etwas Besonderes zwischen uns lag, konnte er nicht mehr ignorieren, auch wenn keiner von uns beiden wusste, was genau es war. Kid schnaubte, was Law dazu veranlasste, seinen Blick von mir abzuwenden. Es war, als hätte ich den Atem angehalten, denn als er wegsah, musste ich tief Luft holen, um mein Herz zu beruhigen. Es klopfte laut gegen meinen Brustkorb, brachte mich schon beinahe zum Wanken. Würde ich nicht sicher auf zwei Beinen stehen, wäre ich sicherlich umgekippt. Dann löste der Rothaarige plötzlich seine Arme und fuhr sich leicht seufzend durch das Haar. Die Augen schloss er für einen Moment, ehe er einen kurzen Blick mit Law und anschließend mit mir wechselte. „Und haben wir diese Einladung angenommen?“, fragte Kid, nun eher an mich gewandt. Neugier blitzte in seinen Augen auf. Da ich mich mit einem Mal angesprochen fühlte, verzog ich meine Lippen zu einem schmalen Strich. „Indirekt, glaube ich. Wobei sich Essen, meiner Meinung nach, nicht wirklich schlecht anhört“, kam es von mir, weshalb sie beide gleichzeitig seufzten, als sie diese Worte vernahmen. „Typisch“, kommentierte Kid meine Meinung, ein kleines Grinsen trat auf seine Lippen. Doch wenige Sekunden später war es bereits wieder verschwunden und eine Mischung aus Ernst und Nachdenklichkeit spiegelte sich in seiner Miene wieder. Er schien mehr aus meiner Antwort interpretieren zu wollen, als möglich. „Sie will ansonsten hierher kommen“, sagte Law sogleich, als ob er wissen würde, woran sein bester Freund dachte. Er schien sogar richtig zu liegen, da dessen Augenbrauen sich augenblicklich in die Höhe zogen, als ob er nicht glauben könnte, was der Schwarzhaarige soeben von sich gegeben hatte. „Will sie einen Streit mit Harry provozieren?“, kam es missbilligend von Kid. Er zischte diese Worte beinahe. „Warum das?“, fragte ich darauf überaus verwirrt. Diese Frage entkam mir wie von selbst, ich konnte nichts gegen das Interesse tun, welches in meinem Inneren aufflammte. Immerhin musste es etwas zwischen Laws Eltern und Kids Vater geben, dass die Situation um einiges komplizierter machte, als sowieso schon. „Du musst wissen“, meinte der Rothaarige nach kurzer Bedenkzeit und lehnte sich an eine Küchentheke, „dass sie sich nicht leiden können.“ Er wechselte einen kurzen Blick mit Law, welcher mir nichts verriet, ehe er fortfuhr. „Schon früher haben sie immer Streit gehabt, weil Law hier war. War ihrer Meinung nach kein guter Umgang. Immerhin gibt es immer diese Familien in der Stadt, von denen man weiß, dass sie Probleme haben. Und da passt es einer wohlhabenden Familie nun mal nicht, wenn ihr Kind bei solchen Leuten abhängt.“ Er schloss kurz die Augen und wirkte für einen Moment schon fast belustigt. „An Weihnachten vor ein paar Jahren gab es einen riesigen Terror, weil Law nicht Zuhause war.“ Kid lachte leise auf, während ihm diese Erinnerung durch den Kopf ging. „Du hättest dabei sein müssen, es...“, wollte er mir erzählen, doch in diesem Moment unterbrach Law ihn. Sein warnender Blick streifte ihn nur kurz, ehe er wieder zu mir sah. Seine Augen waren leer, wie so oft. „Was Kid damit sagen wollte; Es würde einen riesigen Streit geben, wenn unsere Eltern aufeinandertreffen. Sie wohnen in zwei ganz verschiedenen Vierteln, so gehen sie sich sonst immer aus dem Weg“, fasste er sich kurz, obwohl ich Kids Variante bevorzugt hätte. Immerhin hatte ich noch nie von Geschichten aus ihrer Vergangenheit gehört. Verdammt, ich wusste nicht einmal, ob Law Einzelkind war oder andere, kleine Dinge dieser Art. Und das nur, weil er mich nicht an sich heran ließ und mir so wenig Informationen geben wollte, wie möglich. Als ob es ihm nicht passen würde, dass ich ihn kennenlernen wollte. „KID!“, eine laute Stimme ließ uns alle drei gleichzeitig zusammenzucken. Sie durchschnitt die Luft und damit auch die Spannung, welche darin lag, wie ein Messer. Natürlich war es Harry, welcher nach seinem Sohn rief. Und dem Klang seiner Stimme nach zu urteilen, störte ihn irgendetwas gewaltig. „Wo bleibt mein verdammtes Frühstück?“, kam es kurz darauf, sodass ich mir ein Auflachen doch noch verkneifen musste. Der Typ wusste wirklich, wie man eine unangenehme Situation mit einem Mal beendete. Doch ich glaubte, dass wir innerhalb dieser Konversation zumindest unbewusst zu dem Schluss gekommen waren, diese Einladung anzunehmen und heute Abend zu Laws Mutter zu gehen. Auf diese Weise würden wir eine vermeintliche Auseinandersetzung verhindern, doch gleichzeitig, würde ich endlich die Chance haben, Law kennenzulernen. Es war mir wichtig, dass ich meinen Mitbewohner kannte. Vielleicht gab es auch andere Gründe dafür, dass ich unbedingt mehr über ihn wissen wollte, doch wenn es so war, fielen sie mir nicht ein. Ich nahm einfach hin, dass er mich mehr interessierte, als er vielleicht sollte und dachte gar nicht zu lange darüber nach. Denn dies würde nur erneut dazu führen, dass ich irgendwann mit meinen Gedanken und Spekulationen in einer Sackgasse stand, aus welcher ich nicht mehr umkehren konnte. Und das wollte ich vermeiden. Vor allem am heutigen Tag, wo noch so vieles auf uns zukommen würde. „Gleich, Dad“, kam es genervt von Kid zurück und er verdrehte kurz darauf die Augen. Ich musste mich daran erinnern, wie Law gesagt hatte, dass Harry uns sicherlich ausnutzen würde, wenn wir hier waren. Dass er tatsächlich recht hatte, ließ mich leicht schmunzeln. Doch so war es fast immer. Ich hatte noch nie mitbekommen, dass er sich bei einer Sache geirrt hatte. Es war, als könnte man ihm jede Matheaufgabe vorsetzen – er würde immer das richtige Ergebnis wissen, auch wenn er den Rechenweg noch nicht genaustens ausgeführt hatte. Darauf packten wir stumm die Einkäufe aus und räumten sie in die alten Schränke, welche schon ihre besten Tage hinter sich hatten. Währenddessen herrschte Stille, bis wir uns daran machten, unser wohlverdientes Essen zu machen. Zwar bestand es nur aus Toast, Ei und Speck, allerdings reichte dies vollkommen. So hungrig wie ich war, würde ich alles essen, was man mir vorsetzte. Mit beladenen Tellern setzten wir uns ins Wohnzimmer zu Harry. Er saß bereits auf einem der Sofas, mit einem Kreuzworträtsel in den Händen und betrachtete kritisch die Teller, welche wir ins Zimmer trugen. Im Hintergrund brutzelte der Kamin kaum merklich und spendete angenehme Wärme. Das Zimmer wirkte durch das regnerische Wetter ziemlich dunkel, weshalb Kid eine Lampe anschaltete und sich kurz darauf neben seinen Vater setzte. Law und ich setzten uns gegenüber von ihnen ebenfalls auf eine Couch und begangen schweigend zu essen. Diese bedrückende Stille, welche seit dem Ende des letzten Gespräches zwischen uns lag, machte mich unruhig. Gleichzeitig sorgte sie dafür, dass ich mich überhaupt nicht wohl fühlte – im Gegenteil. Momentan würde ich sogar lieber in der Küche sitzen und alleine essen. Die Stille, welche mich dort umgeben würde, wäre angenehmer, als diese. „Wir gehen heute Abend zu Laws Mutter“, sagte Kid irgendwann, während er den Rest seines Spiegelei aß. Seine Augen betrachteten dabei den kleinen Teller, während sein Vater wahrlich überrascht seinen Kopf hob und Kid musterte, als ob er einen schlechten Scherz gemacht hätte. „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist“, gab er nach einer mir ewig vorkommenden Zeit zu bedenken, dabei blieb er erstaunlich ruhig. Er runzelte die Stirn und lehnte sich zurück, um Law einen fragenden Blick zuzuwerfen. Doch dieser schien ihn nicht zu bemerken, er war viel zu sehr in Gedanken verloren. Zum ersten Mal konnte ich mir vorstellen, woran er dachte. Doch ich wusste nicht, ob es auch das war, was ich vermutete. „Wir werden sehen“, kam es darauf von Kid, welcher gedankenverloren mit einem Stück Holz in den Flammen des Kamins herumstocherte. Er wirkte ebenfalls abwesend. Seinem finsterem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, ging ihm eine Erinnerung durch den Kopf, welcher er eher ungern nachhing. Ich verstand ihn gut. Im Leben gab es nun mal viele Momente, die man am Liebsten für immer vergessen würde. Es wäre eine Erleichterung, wenn es uns Menschen nicht unterbunden werden würde, schwere Schicksalsschläge einfach aus unseren Gedanken streichen zu dürfen. Doch gleichzeitig würde uns diese Fähigkeit verändern und dafür sorgen, dass wir nicht auf die Welt vorbereitet waren, wie sie in Wirklichkeit war. Natürlich hatte sie viele schöne Seiten – dies hatte mit meine Heimatstadt in den letzten Wochen mehr als nur zu deutlich gezeigt – doch gleichzeitig war sie skrupellos und voller Schmerz. Dies waren zwei riesig große, nicht zu bändigende Gegensätze, vergleichbar mit Sonne und Regen oder auch Feuer und Wasser. Doch trotzdem konnte beides in der Welt bestehen und in einigen Momenten konnte das Glück oder aber der Schmerz überwiegen. Manchmal, da gab es eben Regen, wenn die Sonne schien. Die Stille zwischen uns war bedrückend. Selbst Kids Vater wirkte weniger bedrohlich, auch er war in seinen Gedanken verloren. Der einzige Unterschied zwischen den Dreien und mir bestand darin, dass sie alle über das Gleiche oder zumindest etwas Ähnliches nachdenken müssten. Ich hing währenddessen meinen eigenen Gedanken nach und versuchte durch Mimik und Gestik zu erschließen, was hier vor sich ging. Dies war ziemlich schwer, wenn man Informationen hatte, welche nur in fraglichen Bruchstücken vorhanden waren. Ich sah, wie Laws Augen Kid und das Feuer musterten. Die Flammen leuchteten in seinen grauen Seelenspiegeln. In seinem Blick lag etwas, was ich schon fast als Furcht deuten würde, wäre mir dieser Gedanke nicht total suspekt. Immerhin hatte ich noch nie gesehen, dass Law Angst vor etwas hatte. Ich hatte so einiges von ihm noch niemals zu Gesicht bekommen. Doch dieser Ort, ihre Heimat, zeigte mir innerhalb eines Tages ein Vielfaches der Facetten, die ich in den letzten Wochen kennengelernt hatte. Ob dies gut war, war allerdings fraglich. Gleichzeitig fragte ich mich, vor was er sich fürchten könnte, als ich ihn plötzlich aufstehen hörte. „Ich werde mich etwas ausruhen“, hörte ich ihn sagen, allerdings ähnelte Laws Stimme in diesem Moment viel eher einem gehässigem Zischen. Etwas verwundert sah ich zu ihm auf und beobachtete ihn dabei, wie er mit verkrampften Schritten zur Tür schritt. Kurz bevor er den Raum verließ, drehte er sich allerdings noch einmal um. „Und lass das Feuer in Ruhe, Kid.“ Seine Worte klangen unbeschreiblich finster. Die Flammen loderten noch immer in seinen Augen, obwohl er nun viel weiter von ihnen entfernt war. Trotzdem glaube ich, dass ihre Intensität zugenommen hatte, so aggressiv wie sie zu leuchten schienen. Tiefes Rot überdeckte das Grau, verbarg den Sturm in seinen Augen. Dann verließ er den Raum, ohne auch nur ein weiteres Wort zu sagen. So, wie er es immer tat. Wenn es Fragen gab, Fragen, die sich nach Antworten sehnten, dann gab er mir keine. Er ging einfach, ließ mich mit ihnen zurück, ohne Rücksicht darauf zu nehmen. Trotz dessen konnte ich es ihm einfach nicht verübeln, so sehr ich es auch wollte. Man spürte seine Abwesenheit sofort. Doch auch wenn er gegangen war, hatte er die Anspannung nicht mit sich genommen. Ich bemerkte den strengen, fast schon vorwurfsvollen Gesichtsausdruck, welchen Kid erlangte, als ich wieder zurück sah. Harrys Blick bohrte sich in die Augen seines Sohnes, welcher mit undeutlicher Miene zur Tür blickte. Ich konnte diesen Blick nicht deuten und wusste nicht, wofür er diesen erhielt. Genau in diesem Moment wurde mir somit erneut klar, wie wenig ich wirklich wusste. Gleichzeitig erschien mir nun nur zu deutlich das Band vor Augen, welches sie eng miteinander verknüpfte. Ich wollte, dass ich ebenfalls Teil dieses Bandes wurde, doch zugleich war ich mir im Klaren darüber, dass dies niemals wirklich funktionieren würde, zumal ich ihnen in der Vergangenheit nicht beigestanden hatte. Somit würde es niemals so stark werden wie ihres. „Was war das?“, fragte ich belegt. Inzwischen klang meine Stimme allerdings nicht mehr ganz so verwirrt, wie es mein Inneres war. Sie sollten ruhig bemerken, dass ich dabei war, die Puzzleteile zusammenzusetzen. Ich wollte nicht mehr derjenige sein, der nichts wusste und von ihrer Geheimniskrämerei verwirrt wurde. Inzwischen hatten sie mich so tief in diese Sache reingezogen, dass ihnen kaum etwas anderes übrigblieb, als mich wissen zu lassen, was an diesem Ort einmal passiert war. Doch mein Gefühl sagte mir, dass es dauern könnte, bis sie genau dies realisieren würden. Wie lange wusste ich nicht und ich konnte es ebenso schlecht einschätzen. Es war einfach eine verdammt schwierige Situation. „Er mag kein Feuer“, flüsterte Kid nur. Seine Stimme klang erstmals monoton, doch wenn man genauer hinhörte, kam es einem fast schon so vor, als ob er sich gerade erst daran erinnern würde. Wie ein plötzliches Realisieren. Ich schüttelte nur leicht den Kopf und sah Harry dabei zu, wie er einen Schluck von seinem Tee nahm. Sein gleichgültig wirkendes Gesicht verriet mir ebenso wenig, wie der Satz, der soeben über Kids Lippen gestolpert war. Mit von Gedanken gefülltem Kopf richtete ich mich schließlich auf, packte mein Geschirr und ging wortlos in die Küche. Ich braucht Zeit, um Nachzudenken. Zeit, um mich auf das Treffen vorzubereiten. Denn eigentlich hatte ich keine Ahnung, was mich erwarten würde. Ich wusste nicht einmal, wie ich diese Camilla einschätzen sollte. War sie ein guter – oder doch eher ein schlechter Mensch? Hatte sie Law Unrecht getan und hasste er sie aus diesem Grund so sehr? War sie für seine Alpträume zuständig, welche ihn heimsuchten? Und was hatte es mit der Abneigung, wie Kid sie benannt hatte, gegen Feuer auf sich? Wieder einmal türmten sich Fragen, doch in letzter Zeit war ich an dies gewöhnt, sodass es keinesfalls etwas Neues für mich war. Trotzdem war mein Körper angespannt und voller Aufregung auf das bald Kommende. Wenn diese Fragen eine Antwort bekommen würden, war ich mir sicher, Law verstehen zu können. Zwar wusste ich nicht warum ich dies wollte, allerdings hatte ich das Gefühl, dass es wichtig war. Außerdem wollte ich immer noch mein Ziel erreichen und in meiner neuen Heimat glücklich werden. Wie sollte ich dies auch schaffen, wenn mich ständig Geheimnisse belasteten und tausende Fragen durch meinen Kopf strichen, aufgrund welcher ich mich auf nichts anderes konzentrieren konnte? Der restliche Tag verging beinahe noch langsamer als die Autofahrt und ich war meinen Gedanken und Fragen somit restlos ausgeliefert. Ich half halbherzig beim Aufräumen oder schaute Fern, zusammen mit Kids Dad. Dieser war verdammt schlecht gelaunt, da sein liebstes Footballteam haushoch verloren hatte. Wenn ich vorher schon Angst vor ihm gehabt hatte, war das Gefühl, welches mich nun heimsuchte, gar nicht mehr auszudrücken. Es gab sicherlich Niemanden, der so finster drein blicken konnte, wie er in diesem Moment, weshalb ich stets darauf achtete, genügend Distanz zwischen uns zu halten. Mit jeder Sekunde die verging, schien die Aufregung in meinem Körper zu steigen. Mein Mund war unglaublich trocken, während ich mir immer wieder leicht nervös auf die Unterlippe biss, wenn mein Blick in Richtung Uhr glitt. Um halb Sieben kam Kid schließlich in das Wohnzimmer. Er sah so aus, als ob er vollkommen fertig mit seinen Nerven wäre, zumindest sagte mir dies meine Intuition. Umgezogen hatte er sich auch nicht, wahrscheinlich zog er es vor in Jogginghose, Schlabbershirt und nicht gekämmten Haaren aufzukreuzen. Mir sollte es recht sein, immerhin war es nicht meine Mutter, der er begegnete. Selbst wenn würde ich ihn nicht dazu zwingen, etwas anderes zu tragen. Dies war seine eigene Entscheidung. Er nickte mir bloß zu, um mir zu signalisieren, dass ich ihm in den Flur folgen sollte. Ich warf noch einen kurzen Blick in die Richtung seines Vaters, welcher mit leicht zusammen gekniffenen Augen den Fernseher musterte. So, als ob er uns nicht bemerken würde. Dann richtete ich mich auf und folgte meinem rothaarigem Mitbewohner aus dem Raum heraus, um meine Schuhe anzuziehen. Law war noch nicht da, wir würden wohl auf ihn warten müssen. Die ganze Situation wirkte unglaublich suspekt. Ich hatte niemals gedacht, dass ich eines Tages hier sein würde und auch noch Laws Familie kennenlernte, wenn ich doch nicht einmal gewusst hatte, dass er eine besaß. Immerhin erzählte er nie oder nur ungern von sich. Die Tatsache, dass er so geheimnisvoll war, hatte mich allerdings nur noch neugieriger gemacht, sodass das Ganze langsam wie ein kleines Spiel auf mich wirkte. Mein unergründliches Ziel war es, Law verstehen zu können und seine Aufgabe war es, dies zu verhindern. Dafür gab es keinen Grund und gleichzeitig gab es in diesem Spiel auch keine Regeln. Alles war erlaubt. Ich zog mir meine dreckigen Sneakers an und zog fast schon automatisch Laws schwarze Jacke vom Kleiderhaken, um mich in den warmen Stoff zu kuscheln. Sofort strich mir sein angenehmer Geruch in die Nase, vermischt mit dem Duft von Vanille und Himbeeren. Ich hätte lange einfach nur herumstehen und meine Nase in der schwarzen Parka vergraben können, würde ich genau in diesem Moment nicht die leisen Schritte hören, welche von der Treppe kamen. Nur ganz langsam näherte er sich dem Ende, sein wachsamer Blick streifte erst Kid und dann mich. Ich erschauderte automatisch bei der Intensität, welche noch immer darin lag. Es war unbeschreiblich zu sagen, wie er mich fühlen ließ, oder was genau er in mir auslöste. Seine Augen strichen von meinen eigenen zu der schwarzen Jacke, welche ich trug und trotz allem legte sich ein winziges, fast schon nicht erkennbares Lächeln auf seine Lippen. Es ließ mein Herz schneller schlagen, ohne, dass ich etwas dagegen unternehmen konnte. „Lasst uns gehen“, seine Stimme klang etwas heiser, als er den Blick von mir abwand und stattdessen die letzte Stufe hinter sich legte. Unten angekommen zog er sich seine schwarzen Vans an, ehe er eine zweite Jacke vom Harken nahm. Kid und ich nickten synchron. Ich fragte mich, ob die Beiden genauso aufgeregt waren wie ich, allerdings bezweifelte ich dies. Denn sie hatten wenigstens eine Vorstellung davon, was ihnen bevorstand, während ich keine Ahnung hatte. Sie kannten Laws Mutter, wussten, was in der Vergangenheit vorgefallen war – ich jedoch nicht. Es war unfair, dass wir nicht auf einer Ebene standen, sondern die beiden weit von mir entfernt waren. Ich wollte diese Entfernung überwinden, auf ihre Ebene hinaufsteigen, doch dafür fehlten noch Stufen, welche mich dorthin bringen würden. Wir stiegen in Laws Sportwagen, wobei Kid ihm das Fahren ohne jegliches Murren überließ. Fast hätte ich ihm einen anerkennenden Blick dafür geschenkt, wäre da nicht diese Spannung in der Luft, die mir dies verbot. Es wäre mehr als nur unpassend gewesen, eine derartige Gestik einzubringen, so lange diese Hitze anhielt. Hier drinnen fühlte es sich wie geschätzte dreißig Grad an, wenn nicht noch heißer. Meine Hände prickelten unangenehm, als ich mich auf den Rücksitz fallen ließ und Law dabei beobachtete, wie er das Auto startete. Das Radio ging wie auf Kommando an und erlöste uns von der bedrückende Stille, die sonst niemand zerbrechen wollte. „The future that we hold is so unclear but I'm not alive until you call“, sang Jason Chen in niedriger Lautstärke. Ich folgte automatisch dem Text, schloss die Augen und lehnte meinen Kopf an die kalte, von Regentropfen benetzte Fensterscheibe. „There are a million reasons why I should give you up“, erklang es, „but the heart wants what it wants“, fuhr ich in Gedanken fort und lächelte leicht über die große Spur von Wahrheit, die in diesen wenigen Worten lag. Ja, das Herz wollte, was es wollte. Dies war unveränderlich und egal wie sehr man versuchte, den Willen des Herzens zu ändern, so würde dies niemals funktionieren. Im Endeffekt war das Herz eben stärker als der Kopf. Wenn es also wollte, dass ich Law kennenlernte, das Rätsel löste, dann konnte ich nichts daran ändern, auch wenn mein Kopf mir genau dies vermitteln wollte. Doch da war noch etwas anderes, was mein Herz von mir verlangte. Allerdings konnte ich dies nicht hören, dafür war es viel zu leise. Doch ich war mir sicher, dass ich irgendwann dazu in der Lage sein würde. Vielleicht würde sich diese vage Zeitangabe schon bald ereignen, vielleicht aber auch nicht. Ich wusste nicht genau, wie ich es einschätzen sollte. Die Bäume an den Straßenrändern zogen schneller an mir vorbei, als ich sie überhaupt wahrnehmen konnte. Wir waren außerhalb der Stadt, umgeben von Wald und Wiesen, wie sie in Tennessee üblich waren. Der Himmel war dunkelgrau und voller bauschiger Wolken, welche nur darauf zu warten schienen, es endlich regnen zu lassen. Die steinigen Straßen waren dabei ziemlich leer, nur wir befanden uns auf der Fahrbahn. Doch auch, wenn wir in Wirklichkeit alleine, ganz nah beieinander saßen, fühlte ich mich, als ob die beiden ganz weit von mir entfernt wären. Wie eine unsagbar lange Mauer, die uns voneinander trennte und eine unüberwindbare Distanz schuf. Doch diese Mauer würde fallen. Die restliche Autofahrt verlief ebenfalls sehr still. Nicht einmal Kid meldete sich zu Wort. Stattdessen kaute er auf seiner Oberlippe herum, was einerseits nervös, andererseits frustriert auf mich wirkte. Law allerdings schien ruhig, wenn man sein Gesicht betrachtete. Es waren nur leichte Zuckungen seiner Hände am Leder des Lenkrades, welche verrieten, dass ihn diese Sache ganz und gar nicht kalt ließ. Ich war mir sicher, dass er nicht vor gehabt hatte, jemals wieder seine Mutter zu treffen oder zumindest nicht in absehbarer Zeit. Wie ich es schon vermutet hatte, ließ dieses Aufeinandertreffen unsere Reise eine ganz andere, unerwartete Wendung nehmen, wie niemand sie vorausgesehen hatte. Law hatte sicherlich deswegen zu Beginn nicht mitkommen wollen. Er wollte nicht in die Heimatstadt zurück, wo er auf seine Familie hätte treffen können. Warum er sich letztendlich umentschieden hatte, konnte ich nicht sagen. Vorstellen konnte ich es mir auch nicht. Einige Minuten später entdeckte ich ein Haus in direkter Nähe. Nun ja, „Haus“ war vielleicht nicht ganz der passende Begriff, wenn man bedachte, wie unfassbar groß es war. Schon von weitem stach es durch ein helles Weiß zwischen den Bäumen des umliegenden Waldes hervor und zog meine gesamte Aufmerksamkeit auf sich. Ein hölzernes, braunes Flachdach ließ das Haus wiederum mit der Natur verschmelzen, während die großen Fenster davon zeugten, dass alles relativ offen war. Die große, weiße Eingangstür war zwischen vielen Blumen und Bäumen zu sehen, welche sich auf dem umliegenden Garten befanden. Balkone und Terrassen waren zu der anderen Seite gerichtet, allerdings konnte man die Anfänge der weißen Eisenzäune erkennen, welche auf diese Distanz aus dem Blickfeld gerieten. Ich hatte wirklich nicht mit einer Villa gerechnet, als ich auf Camilla getroffen war. Selbstverständlich war ich davon ausgegangen, dass sie nicht gerade wenig Geld hatte, doch das veränderte wiederum alle meine Vorstellungen. Nun verstand ich zu gut, was Kid meinte, wenn er sagte, dass Law Eltern ihm alles bezahlen konnten. Sie schienen immerhin das Geld dazu zu haben. Als wir durch das bereits geöffnete Tor, direkt an der holprigen Straße fuhren, staunte ich immer noch nicht schlecht. Auch der Innenhof war überdurchschnittlich groß, kein Vergleich zu dem von Kids Vater. Außerdem war er so sauber, dass man vom Boden hätte essen können, wenn man es wollte. Rundherum gab es einen großen Garten mit mehreren kunstvoll geschnittenen Büschen und vielen Blumen. Das Gras strahlte in einem hellen Grün und schien auf den Zentimeter genau abgeschnitten worden zu sein, während einige Weidenbäume und Tannen das wenige Licht der Sonne nur spärlich hindurch scheinen ließen. Das gesamte Äußere des Hauses spiegelte unglaubliche Perfektion wider, sodass ich fast schon ungläubig betrachtete, wie ungewöhnlich schön es hier aussah. Gleichzeitig war es merkwürdig, wie neu dies alles auf mich wirkte. Fast, als stände das Haus erst seit ein paar Monaten, als mehreren Jahren, obwohl dies natürlich nicht möglich sein konnte. Immerhin hatte Law hier bereits als Kind gelebt. Dieser parkte sein Auto direkt vor dem Eingang, neben drei anderen. Darunter ein Maserati und zwei Porsche, wie ich mit halb geöffnetem Mund feststellte. Manche hatten gleich mehrere Autos, während ich nicht einmal einen Führerschein besaß, weil mir das Geld dazu fehlte. Für mich war die Sache somit ziemlich dumm gelaufen. Als der Motor ausging, schien die Stille noch viel schlimmer als zuvor. Das Bedürfnis, ihnen beiden Fragen zu stellen, kam unwillkürlich wieder hoch, doch versuchte ich es zu unterdrücken. Die Spannung im Wagen war ohnehin schon kaum ertragbar. Ich sollte die Situation nicht noch schlimmer machen, als sie bereits war. Doch das war unglaublich schwer. Besonders, als wir aus dem Wagen stiegen und uns der Tür mit jeder Sekunde näherten. Mein Herz schlug laut und ich beobachtete Law dabei, wie er mit gleichgültigem Blick die Hauswand vor uns musterte. Es war unfassbar, dass ich in so geringer Zeit die Chance bekommen würde, alles zu erfahren, was ich wissen wollte. Doch natürlich gab es immer Wendungen, die einen überraschten. Ich hätte diese nicht außer Acht lassen sollen. Kapitel 14: Gained Clarity -------------------------- Ich musste ihn finden. Irgendwie, so schnell wie möglich. Meine Lungen brannten und meine Füße drohten nachzugeben, doch wollte ich einfach nicht stehen bleiben. Im Gegensatz zu den letzten Tagen, in denen mein Kopf voller Gedanken und Überlegungen gewesen war, herrschte nun eine plötzliche Leere. All' die Angst, Aufregung, Vorfreude und Neugier, all' diese Gefühle - sie schienen wie weggeblasen und wurden von einem einzigen übermannt. Der Sorge. Sie lag wie ein riesiger Lastwagen auf mir, zerdrückte mich und raubte mir die Luft, die ich zum Atmen brauchte. Doch auch die Schmerzen der Atemlosigkeit hinderten mich nicht daran, weiter zu laufen. Weiter zu ihm. - „Oh, da seid ihr ja“, die kleine, blondhaarige Frau, welche ich erst heute Mittag zuletzt gesehen hatte, lächelte uns freundlich entgegen, nachdem sie die Tür geöffnet hatte. Aus dem Haus strömte mir sofort der Geruch von frisch zubereitetem Truthahn entgegen und wenn ich mich nicht täuschte, sollte es auch noch Kartoffeln geben. In diesem Fall täuschte mich meine Nase jedenfalls äußerst selten. Die Frau schaffte sich damit unweigerlich Punkte bei mir, die sie auf meiner Beliebtheitsskala knapp über die Null beförderten. Immerhin. Ich wusste, dass ich nicht über sie urteilen konnte, so wenig, wie ich sie kannte, doch bei Dingen wie diesen folgte ich einfach meinem Gefühl. „Wir hatten keine andere Wahl“, kam es von Law zurück. Er klang kühl und distanziert, so wie eigentlich immer, wenn er mit fremden Personen sprach und damit ignorierte, dass es eigentlich seine Mutter und keine Unbekannte war. Es war natürlich nichts Neues, ihn so zu hören, auch wenn mir dieser Ton in seiner Stimme noch immer eine leichte Gänsehaut bescherte. Ich mochte diese Kälte nicht und war froh, dass er mich – aus welchen Gründen auch immer – nicht so behandelte. Keine Ahnung wie ich damit umgehen würde, wenn es so wäre. Mögen würde ich ihn dann allerdings sicherlich nicht. Das Lächeln der blonden Frau wurde ein wenig kleiner, ehe sie eine einladende Geste in ihre Richtung machte. „Kommt doch rein“, ignorierte sie Laws letzten Satz, sowie die damit verbundene Kälte und versuchte sich daran, herzlich zu klingen, was ihr irgendwie nicht so richtig gelang. Meiner Meinung nach passte es auch gar nicht richtig zu ihr. Camilla schien, was ihren Charakter anging, Ähnlichkeiten mit Laws aufzuweisen. Schon kurz nach dem Schockmoment im Supermarkt, als sie ihrem Sohn auf so unerwartete Weise über den Weg gelaufen war, hatte sie sich wieder zusammengerissen und mit weniger Offenheit agiert. Trotzdem sagte mir mein Gefühl, dass sie keinesfalls ein schlechter Mensch war. Irgendwas ließ mich glauben, dass sie sich wirklich um Law sorgte und ihn in seiner Abwesenheit vermisst hatte. Da meine beiden Mitbewohner die Blonde nur ausdruckslos musterten und sich nach dieser Aufforderung an ihr vorbeischoben, fühlte ich mich dazu verpflichtet, ihr ein freundliches Lächeln zu schenken. Ich war mir nicht sicher, ob sie es sah, allerdings hörte ich sie aufseufzen, kurz nachdem sie die Tür hinter uns geschlossen hatte. Dann ging sie wieder nach vorne zurück, um uns in ein anderes Zimmer zu führen, wobei ihre hohen Schuhe auffällig laut klackerten. Der Flur war bereits prunkvoll, wie ich fand. Mein umher schweifender Blick war voller Faszination für die hohen, weißen Wände, großen Fenster und moderne Einrichtung. Mir kam es vor, als wäre ich in einer dieser bekloppten Hollywoodfilme, in denen Villen Schlössern glichen und alles friedlich, wunderschön und problemlos ablief. Doch dies hier war die Realität. Und in dieser gab es immer Probleme und Strapazen. An der Decke hing ein kleiner Kronleuchter, welcher leuchtete, wie ein riesiger Weihnachtsbaum. Ein wenig kitschig, wie ich fand, doch trotzdem passte es in die Einrichtung hinein. Interessiert betrachtete ich die in Stein gemeisselten Bilder, welche dem Raum einen künstlerischen Ton verliehen und ihn unsagbar teuer scheinen ließen. Camilla führte uns anschließend in einen anderen, großen Raum, dessen gegenüberliegende Wand nur aus Fenstern und einer Terassentür bestand. So konnte man die Bäume des Waldes und den Rasen im Garten sehen, sowie einen kleinen Springbrunnen, der fröhlich vor sich hin plätscherte. Die Einrichtung des Raumes bestand währenddessen nur aus einem wirklich riesigem Tisch, welcher aus weißem Holz gemacht worden war und dazugehörigen Stühlen, die neben diesem standen. Es könnten sicherlich über fünfzehn Leute daran sitzen, wenn nicht noch mehr. Außerdem war er mit mehr Essen gefüllt, als wir jemals zu uns nehmen könnten. Und wenn so jemand wie ich dies sagte, dann sollte dies schon etwas heißen. Wie selbstverständlich ließ Kid sich auf einem der Stühle nieder, streckte seine Beine aus und legte sie auf die zwei nächsten Stühle neben sich. So unglaublich lang wie sie waren, könnten sie sicherlich noch einen dritten ausfüllen. Für die beiden anderen schien dies nichts Neues zu sein, da sie sein mangelndes Benehmen still zur Kenntnis nahmen und sich anschließend ebenfalls setzten. Etwas zögerlich ließ ich mich neben Law auf der gegenüberliegenden Seite nieder und blickte erwartungsvoll zu Camilla, welche leicht nervös zu sein schien. Und das, obwohl es sich um ihren Sohn handelte. Einer Person, die sie schon seit seiner Geburt kennen musste. „Ich... Ich habe euer Lieblingsessen gemacht, Jungs“, versuchte sie es auf die freundliche Art und deutete auf irgendein Grünzeug, von dem ich wirklich keine Ahnung hatte, was es darstellen sollte. Ich war eher auf Fleisch spezialisiert... und auf Süßigkeiten. Von Gemüse wusste ich echt gar nichts. Der Versuch, sie oder vor allem Law aus der Reserve zu locken und irgendwie zu einer Reaktion zu bewegen, schlug allerdings fehl. Nur Kid warf ihr einen amüsierten Blick zu, welcher ihr wohl zeigen sollte, wie armselig dies gewesen war. Und wenn ich ehrlich sein durfte, tat sie mir fast schon ein wenig Leid. Wie ein Häufchen Elend saß sie auf ihrem Stuhl und legte jedem von uns eine beachtliche Menge mit verschiedenen Gerichten auf den Teller, während Kid sie spöttisch beobachtete. Und wenn der Kerl einen auf diese Art und Weise ansah, dann verursachte das wirklich eine unglaubliche Unsicherheit. Ich wusste wovon ich sprach. Schweigend begannen wir zu essen, beziehungsweise ich, während die anderen Drei still auf ihren Tellern herumstocherten. Es war leise, wie so oft in den letzten Minuten, bis Camilla irgendwann erneut das Schweigen durchbrach, mit einem erneutem Versuch, ein einigermaßen brauchbares Gespräch zu schaffen. „Der Wagen da draußen... der gelbe Porsche... er war eigentlich ein Geschenk zu deinem Zwanzigstem“, meinte sie ein wenig unsicher klingend. Sofort erinnerte ich mich an Kids Worte, als er mir erzählt hatte, dass sie versuchte, sich Laws Zuneigung zu erkaufen. Ich warf einen wissenden Blick in Kids Richtung, welcher automatisch begann, verräterisch zu husten, sodass Camilla ihn fragend ansah. Law schüttelte währenddessen nur seinen Kopf und lächelte ein wenig spöttisch, was bei ihm unglaublich gehässig wirkte. Ich würde ihm niemals so begegnen wollen. Dann legte er sein Besteck ab und wand seine Augen zum ersten Mal von der schneeweißen Tischdecke ab, um seiner Mutter in die Augen zu blicken. „Was willst du von mir?“, fragte er ziemlich direkt, seine grauen Augen wirkten aus irgendeinem Grund ein kleines bisschen flehend, so, als ob er sich nichts weiter als eine ehrliche Antwort wünschte, mit welcher er daraufhin wieder verschwinden konnte. Wahrscheinlich stellte er sich diese schon sehr lange und vielleicht war dies eines der einzigen Dinge, die er wirklich von ihr wissen wollte. „Ich will nichts Besonderes von dir“, antwortete sie darauf mit leicht zitternder Stimme. Ihre eisblauen Augen hielten seinem Blick nur wenige Sekunden stand, ehe sie diesen wieder nach unten senkte. „Das, was ich will, ist nur, dich endlich wiederzusehen“, erklärte sie und klang dabei so ehrlich, dass ich ihr sofort Glauben schenkte. „Warum?“, fragte er darauf und klang unglaublich abwesend. So, als ob er mit den Gedanken ganz woanders wäre. Vielleicht in der Vergangenheit, in einer Zeit, die sich nie wiederholen würde. Vielleicht aber auch in der Zukunft, die sich stetig änderte. „Ich habe dich jahrelang nicht gesehen, du hast dich kein einziges Mal gemeldet!“, entkam es ihr schnell, beinahe ein wenig hysterisch. Sie biss sich auf die Unterlippe und wirkte mit einem Mal ziemlich aufgebracht. „Ich verstehe, dass du sauer bist, doch ich bin deine Mutter, Law“, sie sah ihm abwartend in die grauen Augen, welche allerdings durch sie hindurch zu sehen schienen. „Bist du nicht“, gab er nur zurück, wirkte dabei fast schon etwas trotzig. Jedoch führte diese leise, beinahe schon unscheinbare Antwort dazu, dass das Fass überlief. Die Blonde zuckte zusammen, als ob er sie mit diesem Satz geschlagen hätte, ehe ein leichtes Zittern Besitz von ihr ergriff. Ihr Blick schien wässrig, so, als ob nicht mehr viel zum Weinen fehlen würde. Zugegeben, auch mich versetzten seine Worte in tiefes Nachdenken. Man konnte sie ganz verschieden deuten und jede dieser Ansichten hatte eine andere Bedeutung. Er könnte meinen, dass sie als Mutter für ihn gestorben war, weil sie, wie Kid ständig betont hatte, kein wirklich guter Mensch gewesen war. Doch vielleicht steckte auch etwas ganz anderes dahinter, vielleicht waren die beiden nicht wirklich miteinander verwandt. Anfangs hatte ich schließlich auch gedacht, dass sie nicht einmal äußerlich zusammen passten. Ihr Charakter wies zwar einige Ähnlichkeiten auf, doch vielleicht war es das auch schon. „Wieso machst du es mir so schwer, Law?“, kam schließlich die Frage von ihr, voller Schmerz und wenn ich mich nicht irrte, auch ein wenig Reue. Es klang eher so, als ob sie schon wüsste, was Laws eigentliches Problem war und sie dieses trotzdem noch einmal aus seinem Mund hören wollte, um sich ganz sicher sein zu können. Camilla erhielt jedoch keine Antwort, lediglich ein leichtes Kopfschütteln, welches jegliche Möglichkeiten seiner Wortvariation offen ließ. Stattdessen wand er sich wieder dem Essen zu, was uns alle zu dem Entschluss führte, diese sinnlose Fragerei erst einmal außen vor zu lassen. Zumindest glaubte ich, dass die Blonde lieber später noch einmal darauf eingehen wollte, denn sonst würde der Abend bereits in wenigen Minuten zu ende sein. Und genau das war das Gegenteil von dem, was sie sich erhofft hatte, wenn ich richtig lag. So begann auch ich wieder etwas von diesem – zugegeben - extrem leckerem Hühnchen, welches es bei uns nur zu Thanksgiving gab, zu essen und wartete gespannt auf die nächste Wendung des Themas. Ich wusste nicht, was ich mir von diesem Abend erhofft hatte, doch ganz gleich was es war, es würde sicherlich nicht meinen Vorstellungen entsprechen. Immerhin hätte ich niemals erwartet, irgendwann in dem Haus von Laws Mutter zu sitzen und angespannten Gesprächen lauschen zu können. Meine Anwesenheit stellte sicher ein Problem dar, doch das war mir egal, solange ich nicht rausgeworfen wurde. „Und wie... wie geht es Bonney?“, versuchte Camilla wieder ein Gespräch zu beginnen. Beinahe hätte ich bei der Erwähnung dieses Namens meine Augen verdreht. Mann, wie ich dieses Mädchen hasste. Ich wusste immer noch nicht wirklich was der Grund dafür war, es war einfach so. Falls ihre vorherige Haltung jedoch nicht angespannt gewesen war, änderte sich dies sofort. Während Law nur einen kurzen, kühlen Blick in ihre Richtung warf, schien nun Kid leicht zusammenzuzucken. Oh Gott, die Frau wusste wirklich nicht, wie man guten Smalltalk führte. Und ich dachte schon, dass ich ungeschickt wäre. „Gut“, kam es schließlich gefährlich ruhig von meinem schwarzhaarigem Mitbewohner zurück, was mir fast schon Angst machte. Doch damit war der nächste Versuch gescheitert und ich fragte mich automatisch wie viele noch folgen würden, bis Camilla einsah, dass es nichts brachte, mit Law zu reden. Obwohl ich nicht wusste worum es ging, hatte ich dies bereits verstanden. Was nicht hieß, dass ich es akzeptierte. Gleichzeitig fragte ich mich, warum sie ausgerechnet nach Bonney fragen musste. Klar, sie war Laws Freundin, doch irgendwie passte es mir nicht, jetzt an sie erinnert zu werden. Wir mochten uns überhaupt nicht und dies würde vermutlich auch immer so bleiben. Doch wie sie zu Laws Mutter stand, war mir nicht bewusst. Vielleicht so wie Kid, vielleicht hatte sie auch einen ganz anderen Standpunkt. Warum hatten sie mich und nicht sie mitgenommen, wenn es hier doch nur so von Geheimnissen wimmelte, die ich nicht erfahren sollte und trotzdem mitbekam? Ich schüttelte leicht den Kopf, um auf andere Gedanken zu kommen. Diese ganzen Warum-Fragen gingen mir gehörig gegen den Strich. „Und.. was ist eigentlich mit der Uni? Läuft alles gut? Kommst du klar?“, fragte sie als nächstes, was mich innerlich eindeutig frustriert aufseufzen ließ. Wann würde sie endlich bemerken, was wir alle schon zu Beginn geschnallt hatten? Würde es ihr überhaupt bewusst werden? Oder noch wichtiger: Wusste sie nicht schon, dass Gespräche mit Law meist im Schweigen endeten, wenn er nicht daran interessiert war, diese aufrecht zu erhalten? Wenn sie sich dessen bewusst war und es trotzdem versuchte, dann musste er ihr wirklich etwas bedeuten. Sehr viel sogar. Doch der Schwarzhaarige nahm dies bestimmt nicht wahr. Er war anders als alle Menschen, denen ich jemals begegnet war und vermutlich auch anders als alle, denen ich jemals begegnen würde. Genau diese Tatsache machte ihn besonders und vor allem unvergesslich. „Alles super“, antwortete er kurz, doch er schien noch nicht fertig zu sein. „Ich fange bald mein Praktikum im Hospital an“, fügte er noch hinzu, was die Blonde ungemein glücklich machte. Ihr Gesichtsausdruck wirkte sogleich viel erleichterter, viel erfreuter und dass nur, weil ihr vermeintlicher Sohn einen Satz mehr als üblich ausgesprochen hatte. Man könnte sagen, dass sie mir wirklich Leid tat, allerdings wollte ich nicht wirklich über diese Situation urteilen, weshalb ich es für das Beste hielt, einfach meine Klappe zu halten und zu beobachten. Auch wenn ich eigentlich nicht diese Art von Mensch war, die einfach still und brav das Geschehen betrachtete. Kid sicherlich auch nicht. Doch trotzdem taten wir in diesem Moment so, als wären wir anders, wenn auch nur für wenige Minuten. Manchmal musste man eben vorgeben, jemand zu sein, der man nicht war. Man musste dies tun, um sich anpassen zu können, um sich in Situationen so zu verhalten, wie es am meisten passte und die besten Folgen mit sich brachte. „Oh, das freut mich“, lächelte sie und ich glaubte, dass einen Moment lang Stolz in ihren Augen aufblitzte, der auch wirklich ihrem Sohn galt. Immerhin war ein Medizinstudium sehr anspruchsvoll und die Tatsache, dass Law es so weit schaffte, schien sie glücklich zu machen. Meinen Großvater würde es sicherlich auch freuen, wenn ich so etwas schaffen würde. Leider wussten wir beide, dass ich dazu niemals in der Lage sein würde. „Ich“, wollte sie fortfahren und die etwas lockerere Atmosphäre ausnutzen, doch genau in diesem Moment war das Geräusch eines Schlüssels zu hören und die Haustür wurde unmittelbar danach geöffnet. Sie fuhr alarmierend zusammen und drehte sich mit einer ungeheuren Schnelligkeit um. Wie auf Kommando starrten wir alle gebannt auf den Eingang, um zu sehen, wer derjenige war, der soeben eintrat. Ein großer, schwarzhaariger Mann mit Bart, dessen Augen von einer Sonnenbrille verschleiert waren, betrat den Flur und strich sich die schneeweiße Jacke von den Schultern. Ich hörte sofort, wie Kid ganz leise die Luft einsog, so, als ob er bereits das Schlimmste erwartete. Doch nicht nur er schien erschrocken von dieser Erscheinung. Mit einem Blick zu Law stellte ich nur zu deutlich fest, dass er sich augenblicklich verkrampft hatte. Seine Augen wirkten mit einem Mal etwas glasig und seine Atmung schien sich eindeutig beschleunigt zu haben. Die Atmosphäre, welche vorher schon ziemlich angespannt gewirkt hatte, war nun zu einem riesigen Eisblock gefroren. Niemand von uns traute sich diesen aufzutauen, geschweige denn, ihn überhaupt zu berühren. „Ich bin Zuhause“, ertönte die tiefe Stimme des Mannes, während er seine Jacke an die weiße Garderobe hing. Sie war nicht herzlich oder freundlich, sonder einfach nur monoton und eintönig. Noch immer war es still im Esszimmer. So still, dass man das Rascheln seiner Jacke auch aus dieser Entfernung ganz deutlich vernehmen konnte. „Du hast doch gesagt, dass du erst morgen zurückkommst..?“, fragend und mit einem leicht zitterndem Unterton richtete Camilla sich auf und schob den Stuhl an den Tisch zurück. „Es ging doch schneller als gedacht“, er schien leicht zu schmunzeln, ehe er sich umdrehte und sein durch die Brille versteckter Blick direkt in das Esszimmer traf. „Du hast Besuch?“, fragte er und musterte mich einige Sekunden lang, ehe sein Blick zu meinem Mitbewohner hinüberglitt. Als ob er ihn für eine Halluzination hielt, öffnete er leicht den Mund und nahm sich die Sonnenbrille von der Nase. Es war, als würde alles in Zeitlupe ablaufen. Der Schwarzhaarige beobachtete Law ganz genau. Seine stechenden, dunkelbraunen Augen drohten dabei herauszufallen, wäre nicht Camilla, welche zu ihm geschritten war und zögerlich seinen Arm packte. „Du solltest gehen“, flüsterte sie, doch trotzdem hörten wir alle ihre Worte, als hätte sie diese durch ein Mikrofon gesprochen. Der Typ reagierte allerdings nicht, sondern starrte Law mit einer Mischung aus Verwunderung und Misstrauen wortwörtlich in Grund und Boden. Ich warf ihm einen vorsichtigen Seitenblick zu und konnte erkennen, dass er den Blick erwiderte. Jedoch funkelten seine Augen voller Hass, den ich nicht deuten konnte. Voller Abneigung diesem Mann gegenüber. Bruchstücke des Gespräches von heute Mittag schlichen sich erneut in mein Gedächtnis. „Ich will dich nur wiedersehen, egal wie“, erklärte Camilla ein wenig bedrückt. „Ach und Vergo möchte dies bestimmt auch“, gab Law von sich, seine Stimme bebte kaum merklich. „Er ist nicht Zuhause“, war ihre nüchterne Antwort. „Ist er doch“, flüsterte ich kaum hörbar, als mir diese Erinnerung wieder in den Sinn kam. Ich wusste nicht, was nun passieren würde, konnte mir nichts unter den Gegebenheiten vorstellen. „Habt ihr etwa... ihn getroffen?“, fragte Kid. Seine Stimme klang unglaublich verbittert, so als ob er es nicht über sich bringen konnte, über diese Person zu sprechen. Ein anderes, bis jetzt nicht zuzuordnendes Puzzleteil tauchte in meinem Gedächtnis auf und damit folgte eine Erkenntnis der anderen. Sie beide hassten ihn. Ich wusste jedoch nicht warum oder wieso und war immer noch ahnungslos. Allerdings konnte ich nun wenige Teile zusammenlegen und damit für mehr Klarheit schaffen. Ich war noch weit vom vollständigem Bild entfernt, doch war auch dieser kleine Schritt für das Ende von vollkommener Wichtigkeit. „Du kleines...“, Kid richtete sich urplötzlich auf und stemmte seine Hände auf den Tisch, sodass dieser gefährlich zu beben begann. Gläser drohten umzukippen und die Teller klirrten leise. Seine leicht zusammengekniffenen Augen wirkten bedrohlich, beinahe schon aggressiv. Sofort blickten sich die Augen des vermeintlichen Vergos auf ihn und er schien fast schon ein wenig erheitert zu sein. „Kid, wie schön dich zu sehen“, bittere Ironie schwang in seiner Stimme mit und veranlasste den Rothaarigen dazu, seine Fäuste zu ballen. Ich sah, wie er vor Wut zitterte, sich nur schwer zusammenreißen konnte. „Hast du deine Sozialstunden schon hinter dir?“, fragte er leicht zynisch. Es war ganz klar abzusehen, dass er ihn herausfordern wollte, obwohl ihm bewusst war, wie schnell man den Rothaarigen aggressiv machen konnte. Mein Gefühl sagte mir, dass diese Sache hier nicht gut ausgehen würde. Schon an der Wutader, die sich auf Kids Stirn bildete, konnte ich dies mit einer Richtigkeit von 99,9 Prozent vorhersagen. Doch, dass dieser hatte Sozialstunden leisten müssen, ließ mich leicht schlucken. Die Tatsache, dass dieser Vergo etwas damit zu tun haben musste, war allerdings noch weitaus verwirrender. Ihre Vergangenheit war so undurchschaubar wie nichts Anderes. „Halt den Mund“, mischte sich nun Law zynisch klingend ein und betrachtete Vergo mit einem Blick, der mehr aussagte, als alle Worte der Welt es jemals könnten. Die Temperatur im Raum sank weiterhin stetig, zumindest kam es mir so vor. Es war, als könnte ich den Herzschlag aller Personen, die momentan hier waren, deutlich vernehmen und dies war fast schon angsterregend. „Woher haben wir denn den plötzlichen Mut?“, fragte Vergo und schmunzelte leicht darüber, dass selbst Law sich schwer damit tat, in ruhiger Verfassung zu bleiben. Nach außen hin, schien Vergo die ganze Situation mehr als amüsant zu finden. Wie er in Wirklichkeit darüber dachte, konnte ich nicht einmal im Geringsten einschätzen. Bevor Law etwas entgegnen konnte, fokussierten die dunkelbraunen Augen mich und betrachteten mich eingehend. Ich fuhr fast ein wenig erschrocken zusammen und versuchte gerade zu stehen. Mein Atem ging sofort schneller, auch wenn ich mich darum bemühte, es mir nicht ansehen zu lassen. Von dem Typ ging eindeutig eine bedrohliche Aura aus. Das wusste ich auch, ohne ihn zu kennen. „Wer ist das?“, seine schneidende, tiefe Stimme ließ mich fast erschaudern. „Habt ihr den aufgegabelt, als ihr von hier abgehauen seid?“, fragte er weiter und blickte erneut zu meinen Mitbewohnern, welche sich noch immer nicht von der Stelle gerührt hatten. Während Kid zu einer bissigen Antwort ansetzen wollte, unterbrach Law dies, bevor es geschehen konnte. „Wir sind damals nicht abgehauen“, erklärte er, ohne die Frage zu beachten, kurz und überaus kühl. Ich konnte nicht wirklich entscheiden, wer von den beiden emotionsloser klang. Es war erst ein Grinsen, welches sich auf Vergos Gesicht abbildete, ehe er begann zu lachen. Laut und voll, als hätte Law den besten Witz erzählt, welchen er seit Jahren gehört hatte. Ich betrachtete ihn geschockt und wechselte einen zufälligen Blick mit Camilla, welche so aussah, als ob sie das Schlimmste erwartete. Ihre Augen waren leicht aufgerissen und ihre Haltung etwas gebeugt, als würde sie sich fürchten. „Du bist ein Feigling, Law, nichts Anderes. Du hast dich deinen Problemen noch nie gestellt, sondern bist immer vor ihnen weggelaufen, wie ein kleiner Junge. Es ist nie anders gewesen und so wird es auch nie sein, sieh' es ein“, grollte er, seine Stimme klang dunkel und erfüllte das gesamte Haus. Ich wisch erschrocken zurück und beobachtete die Reaktion meines schwarzhaarigen Mitbewohners nur wenige Sekunden danach. Er schien mit sich selbst zu hadern, wie ich an seinem sich öffnendem und letztendlich wieder schließendem Mund feststellen konnte. Seine Augen waren vor Schreck etwas geweitet und er zitterte unheimlich stark. Diese Worte schienen etwas Unglaubliches in ihm hervorzurufen, etwas, das ich nicht beschreiben konnte. „Ich habe es dir immer gesagt. Du wirst es nie schaffen, etwas aus dir zu machen, Law. Du warst schon immer nutzlos“, als diese Worte voller Abscheu erklangen, war der Gefrierpunkt der Temperatur im Raum erreicht. Die Zeit schien für einen Moment, den Bruchteil einer winzigen Sekunde, stehen geblieben zu sein, sodass ich meinen Atem anhielt. Als ob ich mich nicht mehr trauen würde, diese eiskalte Luft einzuatmen. Das, was danach geschah, passierte viel zu schnell. Ich konnte kaum dem Geschehen mit eigenen Augen folgen, so schnell verschwand Law durch die Terassentür und ließ uns mit dem knallenden Geräusch zurück, welches er beim Zuschlagen verursachte. Ich sah ihm grübelnd und gleichzeitig aufgeschreckt nach. Ab diesem Moment wusste ich, dass ich nicht mehr der teilnahmslose Zeuge sein durfte, der alles beobachtete, ohne auch nur eine Frage zu stellen. Ich wusste, dass nun die Zeit gekommen war, in der er meine Hilfe brauchte, in der ich nützlich sein würde. Ich wusste das alles nach nur einer winzigen Sekunde. Kid warf mir einen Blick zu, der von Schock vermischt mit leichter Eindringlichkeit zeugte. Ich war mir nicht sicher, ob er das Gleiche dachte wie ich, doch das war mir zu diesem Zeitpunkt egal. Ich nickte ihm einfach zu, ehe ich mich aufrichtete und auf die Terassentür nur wenige Schritte hinter mir zusteuerte. Ich glaubte noch die Worte: „Er ist es nicht wert, Junge“ zu hören, doch in diesem Moment gab es nur einen einzigen Gedanken, den ich wirklich wahrnahm. Ich musste Law finden. Kapitel 15: Bittersweet Tragedy ------------------------------- Ich rannte schneller, als ich jemals in meinem Leben gelaufen war und legte in so geringer Zeit unglaublich viel Distanz zwischen mich und das Anwesen der Trafalgars. Noch immer konnte ich nicht richtig realisieren, was in den letzten Minuten geschehen war, wenn ich überhaupt im Geringsten verstanden hatte, was die Inhalte der letzten Monate bedeuteten. Es war, als ob ich angefangen hätte, ein Buch zu lesen, ohne die Inhaltsangabe zu kennen. Auf den ersten Blick hatte alles so einfach gewirkt. Ein neues Leben, hunderte Kilometer von dem Todesort meines Bruders weg, mit meinen alten Freunden, in meiner alten Schule. Ein neues Haus, mit anderen Mitbewohnern und Freundschaften, die ich schließen konnte.  Ich hätte niemals gedacht, dass alles so kompliziert werden würde. Die gesamte Situation hatte ich von Anfang an unterschätzt, sodass ich nun überrumpelt nach Jemandem suchte, von dem ich nicht einmal wusste, wer er wirklich war. Diese ganze Sache hatte mir nicht nur gezeigt, dass es Dinge gab, die ich über Law und Kid nicht wusste. Nein, es war weitaus schockierender.  Ich hatte meine Augen nun offen und verstand es, ich verstand alles.  Die Vergangenheit ruhte nicht. Das musste ich bisher nicht am eigenen Leib erfahren, doch so wie es aussah, hatten Law und ich eine Gemeinsamkeit, die uns furchtbar ähnlich machte – die Hoffnung auf einen Neuanfang.  Und obwohl ich noch immer die Sehnsucht nach einem neuen Leben, ohne Gedanken an Tod und Trauer hatte, wurde mir nun klar, dass dies Teile in meinem Leben waren, die niemals verschwinden würden. Sie würden fortbestehen, egal was ich auch dagegen tun würde.  Das war es, was mir Schwindel verursachte und mich laufen und schwanken ließ, als ob ich ein paar Gläser Wodka getrunken hätte. Ich wünschte allerdings, ich hätte es getan. Denn dann wäre mir dieser Zusammenhang, der Kid, Law und mich miteinander verband, niemals aufgefallen und würde mich nicht verängstigen. Ich hatte Angst davor, dass mich die Vergangenheit irgendwann auch heimsuchen würde, so wie sie es bei den Beiden getan hatte. Um ehrlich zu sein fürchtete ich mich gerade zu vor dem Moment, in welchem ich die Last der Verdrängung auf mir spüren würde.  Und trotzdem tat ich weiterhin so, als würde ich alles hinter mir ruhen lassen können. Seufzend schüttelte ich meinen Kopf. Ich wollte diese Gedanken vertreiben und erst wieder aufgreifen, wenn es soweit war. Er würde mich nur belasten. Doch gerade gab es weitaus wichtigere Dinge, als mich selbst. Es war nun nicht mehr kalt und auch es fiel auch kein Regen mehr. Der Himmel war klar und ich sah die Sterne und den Mond leuchten, sie wiesen mir den Weg durch das Gestrüpp und die Bäume.  Mein Kopf war so voller Gedanken, dass ich nicht einmal Zeit dazu hatte, Angst vor dem Alleinsein zu haben.  Ich wollte nur Law finden, ihn bei mir haben, ihn in Sicherheit wissen. So labil wie eben, hatte ich ihn noch nie zuvor gesehen, so unbeherrscht und außer Kontrolle.  Meine Angst um ihn wuchs mit jeder Sekunde in welcher ich ihn nicht zu Gesicht bekam, obwohl ich ihn kaum kannte.  Ich rannte immer weiter. Ohne Orientierung, ohne die geringste Ahnung, wo ich mich befand. Es ging Berge hinauf und wieder hinunter, über Lichtungen und durch schmale Bäume, über Bäche und kleine Wasserfälle, vorbei an wilden Tieren und Pflanzen. Ich fiel, stand auf und lief weiter, immer weiter. Bis meine Füße nach langer Zeit zu schmerzen begannen und ich stehen blieb, um mich auszuruhen, nur für wenige Minuten. Zumindest wollte ich das. Denn genau in diesem Moment trat der vorher noch wolkenverhangene Mond hervor und schien mit solch einer Intensität auf die Lichtung, welche sich unmittelbar vor mir befand, sodass ich meine Augen leicht zusammenkneifen musste. Ich hörte deutlich das Plätschern von Wasser in direkter Nähe, doch erst als sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, sah ich, was vor mir lag.  Ein kleiner See breitete sich aus, dessen Wasser so klar war, dass ich mich perfekt darin spiegeln könnte, wenn ich nah genug dran wäre. Die Reflektion des Lichtes erhellte die Umgebung und umrahmte eine Gestalt, welche am Ufer saß. Mein Herz klopfte mit einem Mal unglaublich laut und ich war wie gelähmt, als ich die Silhouetten der Person einer ganz bestimmten zuordnen konnte.  Plötzlich wusste ich nicht mehr, wie ich mich zu verhalten hatte, oder was ich tun sollte.  Ich fühlte mich hilflos und mir fehlten jegliche Worte.  Was sollte ich sagen, fragen oder klar stellen? Wie sollte ich ihm helfen und ihm verdeutlichen, dass ich für ihn da sein wollte? Mir fehlte die Antwort darauf. Doch trotz dieser Tatsache begann ich mich, nach nur wenigen Sekunden der Starre, zu bewegen. Auch wenn ich es nicht gewollt hätte, hätte mein Körper auf diese Weise agiert. Selbst wenn aus dem Kopf heraus entschlossen hätte, doch noch zurück zu gehen, hätte mein Herz dies nicht zugelassen.  Denn dieses wusste, dass ich in Wahrheit nichts lieber wollte, als bei Law zu sein, auch wenn ich mich in seiner Gegenwart nutzlos fühlte. So trat ich an ihn heran. Nicht leise oder laut, langsam oder schnell. Ich ging auf seinen sitzenden Körper zu, wie ich immer ging. Gemächlich, sogar ein wenig entspannt. Als ich neben ihm verharrte, starrte er noch immer auf das Wasser und dessen sanftes Wellenspiel. Das Rauschen klang wie eine leise Melodie, welche mit dem Wind harmonierte. Es war ein Moment, der besonders war, der es würdig war, für immer stattzufinden. Ein Moment voller Harmonie und Ordnung. Law sah nicht mehr aufgebracht aus, jedoch auch nicht traurig. Sein Gesicht wirkte viel eher nachdenklich, fast schon so, als wäre er viel zu sehr in Gedanken versunken. Ich verstand nun, wie es war, zu viel nachzudenken.  Denn seitdem ich die Bekanntschaft mit ihm gemacht hatte, ging es mir immer so. Die innere Stimme in mir gab niemals Ruhe, nicht einmal, wenn ich schlief. Ich fühlte mich, als ob meine Gedankengänge ein Labyrinth wären, in welchem jedes Ereignis in eine Sackgasse führte. Doch langsam gewann ich an Orientierung und fand einen Weg durch meine eigenen Gänge. Zumindest dachte ich das. Er blickte nicht auf, als ich mich neben ihn setzte, auch nicht, als ich ihn so intensiv anstarrte, dass er es eigentlich gar nicht ignorieren konnte.  Ich verzog meine Mundwinkel ein wenig, während der kalte Wind durch meine Haare strich und das feuchte Gras unter meinen Fingern im Windspiel tanzte. Es verging viel Zeit, in der ich ihn bloß ansah. Und obwohl ich ihn bereits so oft genaustens angesehen und jedes kleinste Detail betrachtet hatte, fielen mir immer wieder neue Dinge auf, welche ihn einzigartig und wunderschön machten.  Ich könnte die dunkelblauen Ringe nennen, welche seine unglaublich hellen, grauen Irden umrahmten, oder sein furchtbar weiches, schwarzes Haar, welches im Windspiel tanzte und die reine, leicht bräunliche Haut, welche durch den Mond erhellt wurde, doch nichts davon würde auch nur annähernd beschreiben, wie viel Perfektion und Besonderheit er in meinen Augen ausstrahlte.  Meine Brust hob und senkte sich ein wenig schneller und ich konnte einfach nicht verstehen, warum er mir so viel bedeutete, warum er so fehlerlos für mich war. Ich hatte niemals so gefühlt. Niemals in meinem Leben. Als Law mich plötzlich ansah, seine Augen von dem Spiel des Wassers abnahm, erschrak ich beinahe und wollte zusammen zucken, wäre da nicht das leichte Lächeln auf seinen Lippen, welches mich verwirrte und gleichzeitig bewundernswert war. Es war ein schönes Lächeln, nicht hübsch, sondern wahrhaftig schön und unter den gegebenen Umständen eindeutig in die Irre führend. Er hätte bereits so viele Gelegenheiten nutzen können, um zu lächeln, doch tat er es gerade jetzt, wo alles am Schlimmsten schien. „Du hast mich gefunden“, sagte er, mit rauer, etwas abwesend klingender Stimme. Als wäre ich ein Kind, welches das Versteck des anderen beim Spielen entdeckt hatte. Doch dies hier war ein langwieriges Versteckenspiel gewesen. Und auch, wenn ich etwas von dem richtigen Law gefunden hatte, war der volle Gewinn noch eine Ewigkeit lang nicht auf meiner Seite. „Hab ich das?“, fragte ich leise, beinahe schon lautlos. Ungläubigkeit spiegelte sich in dem Ton meiner Stimme wider und drückte nur einen Bruchteil der Verwirrung aus, die er in mir verursachte. Er lächelte nur einen Hauch größer, weil ich den Sinn hinter seinen Worten vernommen hatte. Dann zog er seine Beine an seinen Körper und blickte mich mit einem selig ruhigem Blick an, der mir fast schon Angst einjagte.  Ich hatte mit allem gerechnet, als ich voller Panik losgelaufen war.  Mit einem aufgebrachtem Law, einem verängstigtem Law, einem stummen Law. Doch nicht mit jemandem, der sich so verhielt, wie er es gerade tat.  „Was tust du hier?“, kam es über meine Lippen, doch ich meinte mit dieser Frage nicht nur, warum er am Fluss saß, so orientierungslos wirkend, wie noch nie. Ich fragte ihn genau dies, weil mir der Grund für sein Dasein an diesem Ort, in dieser Stadt wichtig war. Er beobachtete mich kurz, ehe seine Hände durch das feuchte Gras fuhren. Seine Schultern zuckten.  „Ich weiß nicht“, meinte er schließlich. „Ich schätze, ich wollte alles verhindern, was ich in den letzten paar Stunden nicht verhindern konnte“, erklärte er, zumindest versuchte er, seinen Satz sinnvoll zu formulieren. „Du brauchst nichts zu verhindern“, ich kräuselte meine Stirn etwas verwirrt und sah ihm direkt in die Augen, ohne seinem Blick auch nur für eine Sekunde auszuweichen.  „Und wenn ich nicht der bin, für den du mich hältst?“, er klang ein wenig herausfordernd, als er das fragte. Fast schon so, als würde er wollen, dass ich gegen ihn verlor. „Ich denke du wirst niemals der sein, für den ich dich halte“, sprach ich das aus, was ich nun schon seit einiger Zeit beobachtet hatte. Dieser Gedanke hatte solange in meinem Inneren herumgespukt, dass es sich nun anfühlte, als wäre eine unglaubliche Last von mir gefallen, jetzt, wo ich es ihm endlich mitgeteilt hatte. Dabei war dies nur so ein winziger Satz, von so geringer Bedeutung. „Du könntest recht haben“, mutmaßte er über sich selbst. Seine Augen waren weiterhin mit einer unglaublichen Ruhe auf mich gerichtet.  „Ich trage diese Maske schon sehr lange, Ruffy. Und eigentlich habe ich schon längst vergessen, wer hinter ihr steckt.“  Nach diesen Worten kehrte wieder dieser traurige Ausdruck in seine Augen zurück, der fast schon ansteckend war. Mein schlagendes Herz wurde bei diesem Anblick noch schneller und Mitgefühl kam mit solch einer hohen Geschwindigkeit in mir auf, dass ich nicht einmal die Zeit hatte, dies zu verhindern. Zwischen uns entstand eine Ruhe von einer unglaublichen Dauer.  Law beobachtete nun das schwarzblaue Wasser des Sees und stütze sein Kinn auf dessen Knie ab, als ob er es nicht mehr tragen können würde. Die Tannen im Hintergund raschelten währenddessen und die Spitzen verschmolzen mit dem von Sternen bestückten Himmel. Der Wald grenzte an den See wie ein Rahmen und versteckte ihn vor der Außenwelt, als wäre dieser Ort ein besonderer, welchen nicht jeder zu sehen bekam. Das Privileg hier sein zu dürfen, mit einem Menschen wie ihm, war somit etwas noch viel Schöneres. „Ich war fünf“, ganz plötzlich erhob Law seine Stimme und brachte mich dazu, zusammenzuzucken. Überrascht sah ich in seine Richtung und betrachtete sein von der Spiegelung leicht bläulich schimmerndes Gesicht. Mein Körper regte sich nach nur wenigen Sekunden und ein wenig Freude durchströmte ihn, da ich das Gefühl hatte, nun zum ersten Mal etwas über meinen Mitbewohner in Erfahrung bringen zu können. Allerdings schien „Mitbewohner“ nicht einmal mehr das richtige Wort für ihn zu sein. Mittlerweile war Law so viel mehr, als nur der Mann, mit dem ich mir eine Wohnung teilte.  Er war derjenige, der mich dazu brachte, Tag und Nacht in Gedanken zu sein.  Er war derjenige, der mich mit jeder Regung seinerseits aus dem Konzept brachte. Er war derjenige, der in meinen Augen so anders und doch so perfekt war, dass es schon an eine gewisse Merkwürdigkeit grenzte. Mein Blick streifte den seinen. Ich versuchte meine Neugier zu verbergen und damit auszudrücken, dass ich geduldig war, ihm bei allem zuhören würde, was er mir erzählen wollte. Das sanfte Lächeln, welches sich wie von alleine auf meinen Lippen bildete, sollte ermutigend wirken, als ob mein Körper von selbst etwas über ihn in Erfahrung bringen wollte. „...Da hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass es wirklich einen Menschen gab, der sich für mich interessierte“, ich lauschte gebannt seinem Erzählen, darauf gefasst, dass er in jeder Sekunde aufhören würde. „Mein Adoptivvater Rosinante war wie mein richtiger Vater für mich. Seine Frau war Camilla“, teilte er mir mit und senkte seine Stimme ein wenig, als ob er es am Liebsten dabei belassen würde. Allerdings drang damit die Erkenntnis zu mir durch, dass Camilla wirklich nicht Laws Mutter war. Das hatte er gemeint, als sie mit ihm reden wollte. Doch damit entstanden nur noch mehr Fragezeichen über meinem Kopf, die das bereits vorhandene um einiges vergrößerten.  Wer waren Laws Eltern und was war mit ihnen passiert?  Wie hing alles mit diesem Vergo zusammen? Wann war der Hass auf seine Adoptivmutter entstanden? Ich war nicht in der Lage auch nur einen gefassten Satz von mir zu geben, weshalb ich mich dazu entschied, ihm vorerst zuzuhören. „Als er starb, war es, als würde die Welt für mich untergehen“, er sah mich an, mit einem solch intensiven Blick, dass es mir schon fast im Herzen schmerzte. Ich blickte zurück in seine Augen und für einen Moment schienen wir die gleiche Traurigkeit in den Irden des anderen wahrzunehmen.  Vielleicht erzählte er mir endlich etwas, weil ich ihn verstand, weil ich wusste, wie es war, jemanden zu verlieren, der einem alles bedeutete und nicht nur, weil er es mir schuldig war. Ich teilte seinen Schmerz, seinen Kummer, den Zwang, Abschied nehmen zu müssen. Vielleicht hatten wir mehr Gemeinsamkeiten, als man auf den ersten Blick erkennen konnte. Denn wenn man uns so ansah, war ich nur der verfressene Idiot und er eine scheinbar gefühlslose Intelligenzbestie. Zwei ganz verschiedene Menschen, die innerlich dennoch gleich waren. Zumindest etwas. „Ich blieb alleine bei Camilla. Wir redeten nicht mehr, jeder war alleine für sich, zumindest bis ich Kid und Bonney kennenlernte und mit ihnen viel Scheiße anstellte“, er hielt kurz inne und schüttelte leicht den Kopf, als ob er selbst nicht glauben konnte, was sie hinter sich gebracht hatten. „Nach einem Jahr brachte sie Vergo nach Hause und verlobte sich mit ihm, wurde dadurch zu einer anderen Frau. Ich wusste von Anfang an, dass er ein Arschloch war und das bewahrheitete sich“, er legte eine neue Pause ein, nahm einmal tief Luft und begann, mit einem Grashalm in seiner Hand zu spielen, als ob er sich selbst von seinen Worten ablenken wollte. „Ich hielt es nicht mehr aus“, er lachte tonlos auf und warf den Grashalm weg, so wie er es mit seinem früheren Leben getan hatte.  Ein wenig überfordert versuchte ich ihm zu folgen und nickte leicht, während ich den Sand unter meinen Füßen beobachtete. Ich hatte das Gefühl, nein ich wusste, dass er mir viele Dinge noch nicht offenbart hatte, dass Vieles nicht erwähnt worden war. Doch in diesem Moment war ich so glücklich über den leichten Durchblick seiner Vergangenheit dank ihm allein, dass ich dies nicht beachtete. „Was... hat Vergo getan?“, diese Frage war eine der größten, die sich in meinem Kopf auf der riesigen Warteschlange befanden. Um ehrlich zu sein, wollte ich mir gar keine eigene Vorstellung machen, die sich sowieso nicht bewahrheiten würden.  Ich wollte, dass er mir alles erzählte, dass er mir vertraute, als wäre ich Kid oder Bonney. Seine Augen wirkten matt, als sein Blick nach dieser ausgesprochenen Frage wieder zu mir glitt. „Er... ich denke er war am Anfang nur auf das geerbte Geld aus, von dem Camilla wirklich mehr als genug hat. Und irgendwann hat er damit... hat er es für Zwecke ausgegeben, die nicht nur ihn, sondern auch mich kaputt gemacht haben...“, seine Stimme hörte sich an, als ob er nicht mehr weitersprechen konnte, als ob sie zerbrechen würde, wenn er noch ein weiteres Wort über diesen Mann verlieren würde.  Besorgt wollte ich meine Hand auf seine legen, ihn beruhigen, doch machte es letztendlich nicht, da er von alleine seine Stimme wieder fand, als würde er die Glassplitter dieser wieder zusammenfügen. „..Sie verzieh ihm alles, was er tat und ich verstand es nicht, hasste ihn mehr mit jedem Tag. Ich nahm mir vor, alles zu verändern wenn ich ersteinmal 18 war. Ich wollte alles hinter mir lassen und von hier weg, nie wieder zurückblicken.“ „Du hast es nicht geschafft, alles hinter dir zu lassen..“, stellte ich leise fest und er nickte leicht, beugte sich dabei ein wenig nach vorne.  Plötzlich war er mir so unglaublich nah, vielleicht wurde ich mir auch gerade erst unserer Nähe bewusst; jedenfalls wurde mir mit einem Mal unglaublich warm und ich glaubte fast schon, dass mein Körper höllisch brannte, fast schon in Flammen aufging. „Nein, habe ich nicht“, bestätigte er, wenn auch etwas zögerlich und betrachtete mich immer noch eingehend.  „Weißt du Ruffy, ich wollte hier weg, alles vergessen und ein anderer Mensch werden. Du weißt schon, die Vergangenheit ruhen lassen und nie wieder an sie zurückdenken. Doch ich glaube nicht, dass man sie jemals richtig loslassen kann, oder, dass ich sie jemals richtig losgelassen habe. Das wird mir jetzt klar.“ Ich nickte leicht, versuchte den Inhalt seiner Wörter so schnell wie möglich zu filtern, als wäre ich ein Sieb. Die Chance, die sich durch seine Offenheit ergab, nutzte ich aus, das wusste ich, aber andererseits würde ich sonst nie etwas über ihn erfahren. Die Fragezeichen in meinem Kopf, die Teile meines Puzzles – würde ich über keine Informationen verfügen, käme ich niemals weiter. „Die einzigen die ich nicht hinter mir lassen konnte, waren sie. Bonney und Kid lernte ich kennen, als ich sieben Jahre alt war“, begann er auf einmal erneut, als wäre ihm etwas eingefallen, was ich noch wissen sollte. „Ihre Eltern hassten meine, wohl der sozialen Verschiedenheit wegen, doch ich traf mich trotzdem mit ihnen. Bonney war meine erste und einzige Freundin, etwas Besonderes“, als er diese Worte äußerte, fühlte ich mich mit einem Mal unglaublich schlecht.  Es war wie ein Schlag in die Magengrube, dass er mir von ihr erzählte, obwohl ich sie doch weitgehend aus meinem Kopf verdrängt hatte. Ein enttäuschendes Gefühl kroch durch meinen Körper, wenn auch nur für den Hauch einer Sekunde. Trotzdem schien er noch nicht fertig zu sein.  „Doch jetzt kenne ich dich und es ist wirklich merkwürdig. Das Gefühl, dass ich jemanden kennengelernt habe, der erneut etwas Besonderes ist... vielleicht sogar noch besonderer“, ich sah ihm tief in die Augen, der Schmerz über seine vorherigen Worte war schon längst wieder vergessen. Es schien unglaublich, auf was für einer Achterbahn meine Gefühle fuhren, wenn er mit mir sprach. Ich wollte ihm sagen, dass er auch etwas Besonderes für mich war, ihn wissen lassen, dass ich das selbe empfand und froh darüber war, damit nicht alleine zu sein. In meinen Gedanken war ich mir immer mickrig vorgekommen, so, als wäre ich nur ein kleiner Punkt in Laws Leben, den er so schnell abgeharkt hatte, wie er gekommen war. Doch, dass er mich als etwas Besonderes bezeichnete, dass ich ihm ein Gefühl gab, welches die Leere ausfüllte, machte mich unbeschreiblich glücklich. „Ich... Ich weiß nicht einmal, wer oder was du für mich bist, ich weiß nur, dass du mir wichtig bist. Das war der Grund dafür, dass ich nicht wollte, dass du hierher kommst.  Ich dachte, wenn du Dinge über mich herausfindest, Dinge, die du nicht wissen sollst, dann würdest du wieder gehen und dieses Gefühl mit dir nehmen. Das klingt egoistisch und wahrscheinlich ist es das auch. Doch um das zu verhindern, wollte ich mitkommen, dich davon abhalten, Sachen über mich in Erfahrung zu bringen, die du nicht wissen solltest. Allerdings hat das nichts gebracht, überhaupt nichts, um genau zu sein. Ich meine, wir sitzen hier, ungefähr einen Kilometer von dem Haus meiner Eltern entfernt und ich rede und rede, ehrlich, ohne dir auch nur den Hauch einer Lüge zu erzählen. Genau das ist das Gegenteil von dem, was ich eigentlich gewollt habe.“ Mein Kopf dachte so schnell über das eben Ausgesprochene nach, dass er fast schon laut pochte. Ich versuchte zu verarbeiten, was er mir soeben erzählt hatte und wie viel er mir in diesen wenigen Sekunden mitgeteilt hatte. Und mir wurde klar, dass er das Gleiche für mich empfand, wie ich für ihn, dass wir uns ähnlich waren und, dass es Dinge gab, von denen er nicht wollte, dass ich sie erfuhr. Vielleicht war meine Vorstellung von ihm, diese vernünftige und freundliche Seite, genau die, die ich von ihm haben sollte. Vielleicht hatte er mich nur das sehen lassen, was zu diesem Bild beigetragen hatte und alles andere verbergen wollen.  Jetzt, wo dies allerdings nicht mehr funktioniert hatte, klärte er mich auf. Zwar sagte er nicht alles, verriet nicht jedes Detail, jedoch war ich froh darüber, dass er überhaupt seinen Mund geöffnet hatte. Es war wie ein riesiges Geschenk für mich. „Law...“, war das Einzige, was ich zu seinen Worten sagen konnte. Meine Stimme war nur noch ein Flüstern, welches kaum zu vernehmen war, wenn man nicht genaustens horchte. Das Geständnis, welches besagte, dass ich etwas Besonderes für ihn war, ließ mein Herz schneller schlagen und ich vergaß für einen Moment sogar die ganzen Fragen, welche in meinem Inneren schlummerten. Mein Brustkorb vibrierte durch den unregelmäßigem Rhythmus, während meine Augen in seine eigenen blickten. Zum ersten Mal glaubte ich, einigermaßen zu verstehen was in Law vorging und wie er sich fühlen musste. Ich dachte, nachvollziehen zu können, warum er so handelte und warum er so ein distanzierter Mensch war. Doch gerade diese Tatsache, dieses Gefühl von Verständnis, erfüllte mein Inneres mit riesiger Freude. Ich sah zu ihm hinauf, ließ mich von seinem Blick gefangen nehmen. Wieder fiel mir auf, wie perfekt er war und ich musste mich fragen, wie ein Mensch es schaffte, so makellos zu sein, ohne es zu wissen. Im Gegenteil, er schien sich selbst gegenüber unglaublichen Hass zu empfinden, wie ich in seinen Worten gelesen hatte. Law verabscheute sich für seine Schwäche in der früheren Zeit und für die Fehler, die er gemacht hatte, obwohl all' diese Dinge zum Menschsein dazugehörten. Jeder machte Fehler, jeder machte Zeiten im Leben durch, die sich anfühlten, als ob man langsam ersticken würde, als wäre man dabei, zu sterben. Doch ich merkte langsam, dass es sich lohnte, zu leben, um Fehler zu machen und aus genau diesen zu lernen. Mir wurde bewusst, dass das Leben lohnenswert war, für Momente wie diese, die einen zum Strahlen brachten und einen so fühlen ließen, als wäre man mehr als nur ein winzig kleiner Punkt auf der Erde, den niemand vermissen würde, wenn er verschwand. Mein Blick glitt von seinen Augen zu seinen Lippen, welche ich sehnsüchtig beobachtete, als wäre ich in einem Rausch. In diesem Moment wollte ich nur, dass er mich berührte. Die Distanz zwischen uns war mickrig, beinahe schon lächerlich, ich vergaß meine Gedanken, Sorgen, alles, außer ihn.  Ich wollte, dass er näher kam und mich berührte. Nein, in Wirklichkeit verlangte ich sogar danach, dass er mich küsste, mir gleichzeitig bezeugte, dass ich tatsächlich etwas Besonderes war.  Die Sehnsucht in mir wuchs mit jeder Sekunde, in der wir uns schweigend ansahen. In stiller Erwartung beobachtete ich ihn ganz genau und ließ mir kein Detail entgehen. Ich bemerkte so plötzlich, wie er sich näherte und nach vorne lehnte, dass ich fast schon erschrak. Die Zeit wirkte, als ob jemand sie angehalten hätte, nur damit ich diesen winzigen Moment eine kleine Ewigkeit durchleben und genießen konnte. Seine Lippen kamen direkt auf meine zu, sodass uns nicht einmal mehr ein Zentimeter voneinander trennte. Ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht und eine Gänsehaut kroch über meine Arme. Gebannt sah ich auf seine Lippen, erwartete, dass sie meine berührten und mir endlich das gaben, wonach ich mich sehnte.  Doch dann, auf einmal, schlossen sich seine starken Arme um mich und sein Kopf glitt an meinem vorbei, legte sich auf meine Schulter. Ich brauchte einige Sekunden, um realisieren zu können, was vorgefallen war, ehe bittere Enttäuschung in meinem Inneren aufquoll. Ich fragte mich, woher diese plötzlich kam und versuchte sie einzuordnen, jedoch schaffte ich es nicht.  Wir hatten vorher noch nie so viel Körperkontakt gehabt, wie an diesem Abend und trotzdem sehnte ich mich nach mehr, nach etwas Innigerem als eine bloße, mir nicht erklärliche Umarmung.  Vielleicht wollte er mir mit dieser zeigen, dass ich ihm nicht egal war, es mir bezeugen. Ganz genau beurteilen konnte ich seine Tat nicht, jedoch war ich eher über mich selbst verwundert. Denn eines wusste ich; Ich wollte ihn, wie ich noch nie jemanden für mich gewollt hatte. Dies war der Moment, in welchem mir etwas Wichtiges klar wurde.  Vielleicht hatte ich es schon lange ignorieren wollen, doch nun, wo die Enttäuschung vermischt mit der Wärme durch seine Anwesenheit in mir aufquoll, wurde es mir endlich bewusst. Ich hatte mich unwiderruflich in Trafalgar Law verliebt. Seine Augen waren wie das Meer  und ich liebte es, in ihnen zu ertrinken. Kapitel 16: Unknown Decisions ----------------------------- Ich war noch nie in meinem Leben verliebt gewesen. Noch kein einziges Mal. Das Gefühl der Schmetterlinge, welche durch meinen Bauch flatterten und ein merkwürdiges Gefühl hinterließen, konnte ich somit nicht zuordnen, zumindest bis eben noch - bis diese Erkenntnis mich getroffen hatte wie ein furchterregender Blitz und mich Schwindeln ließ. Man verliebte sich nicht von dem einen Tag auf den anderen, es war ein langwieriger Prozess, bei welchem die Gefühle sich vermehrten, fast schon überschlugen, so viel konnte ich sagen. Doch irgendwann holte er einen ein, so wie es die Vergangenheit tat und bei Law innerhalb der letzten Tage bereits getan hatte. Nun, wo ich schon längst überholt worden war, wusste ich nicht, wie mir geschah oder wie ich mich verhalten sollte, beziehungsweise wie wir zueinander standen. Es war, als ob meine Gedanken nicht mehr so klar wären wie zuvor, als würde meine Feststellung etwas Offensichtliches ändern, doch das tat sie nach außen hin nicht. Denn nur weil ich Law liebte, hieß dies nicht, dass er das selbe empfand. Innerlich musste ich schon fast mit einer Spur von Spott über meinen eigenen Gedanken lächeln. Es wirkte wie eine Unmöglichkeit auf mich, dass er jemals genauso fühlen könnte wie ich, wenn wir uns ansahen. Die Wärme, die Nervosität, das Kribbeln im Bauch... Es schien eher wie ein Wunschdenken, welches sich niemals erfüllen würde. Wahrscheinlich war dies auch so. Wie könnte jemand wie er, so jemand normalen, fast schon auswechselbaren Menschen wie mich lieben? Es schien unmöglich für mich und ich wartete immer noch vergeblich auf eine Ausrede, die mir half, vor meinen Feststellungen zu fliehen; die mir zeigte, dass ich mich irrte. Ich war so verwirrt, wollte und wollte gleichzeitig auch nicht in Law verliebt sein. Meine Gefühle und Gedanken spielten verrückt und strömten nun, nach mehreren Stunden auf mich ein, wie nicht stoppender, dichter Regen. Und ich stand einfach nur mitten darin, wusste nicht wohin. Jeder Weg, jede Initiative schien nicht möglich. Ich liebte ihn, das wusste ich nun. Mir war klar, dass ich noch nie zuvor gespürt hatte, was wahre Liebe war, wenn diese Gefühle erst bei ihm kamen. Law war der Erste, der sie hervorgerufen hatte und wohlmöglich würde er auch der Einzige bleiben, der dazu im Stande war. Dabei war ich mir so sicher, wie schon lange nicht mehr. In meinen siebzehn einhalb Jahren war ich noch nie auf einen Menschen wie ihn gestoßen. Gleichzeitig wurden mir die Konsequenzen dieser Feststellung bewusst, schließlich hatte ich schon längst registriert und letztendlich auch akzeptiert, dass meine Gefühle für ihn stärker waren, als sie es eigentlich sein sollten. Doch nicht jeder würde meinen Entschluss gutheißen. Das Wort „niemand“ traf dies wohl noch besser. Ich wusste nicht eine Person, der ich mich mit dem Thema anvertrauen könnte, obwohl ich Freunde hatte und irgendwo auch Überreste einer zerbrochenen Familie. Allerdings kamen mir meine Gefühle bezüglich ihm so intim vor, sie würden so viele Katastrophen auslösen. Zumindest wären sie dazu im Stande, dies zu tun. Ich entschied mich beinahe sofort dazu, sie für mich zu behalten, sie in mir einzuschließen, wie in einem Käfig. Wenn der richtige Zeitpunkt, mit der richtigen Person gekommen war, würde ich ihn öffnen und den Schlüssel zu ihm wegwerfen. Was mich jedoch verlegen machte, war, dass man mich von heute an schon eher als bi – wenn nicht homosexuell bezeichnen musste. Mir war meine genaue Orientierung noch nie wirklich klar gewesen und ich hatte mich auch noch nie einstufen wollen, beziehungsweise mir überhaupt große Gedanken darüber gemacht. Sicher konnte ich mir jetzt immer noch nicht sein, immerhin war Law bis jetzt der einzige Mann, den ich auf eine ungewöhnliche Art und Weise unglaublich anziehend fand. Und dies war nur eine Feststellung von vielen, die durch die vielen Ereignisse in mir hervorgerufen worden waren. Durch den heutigen Abend wurden meine Gedanken somit mehr, falls dies überhaupt noch möglich war und mein Schlaf gleichzeitig weniger. Ich dachte immerzu an das eben Geschehene, an Law und seine, den See reflektierenden Augen, seine Umarmung und die funkelnden Sterne am Himmel. Die Informationen über seine Vergangenheit, meine damit verbundenen Fragen, die Hoffnung, mehr für ihn zu sein, als nur ein unbedeutender Mensch, der für eine kurze Zeit in sein Leben trat und wieder ging, ohne etwas Wichtiges mit sich zu nehmen. Es verging keine Sekunde, in welcher ich mich nicht fragte, was wäre, wenn wir länger dort geblieben wären; dort am See. Vielleicht hätte ich ihn gefragt, warum er mich umarmt oder mir die Wahrheit erzählt hatte. Vielleicht hätte ich aber auch nur still dort gesessen und mit mir selbst darum gehadert, welchen Schritt ich als nächstes wagen würde, ohne auch nur ein Stück voran zu kommen. Ich konnte nicht abschätzen, was ich in diesem Moment getan hätte, denn so etwas hatte ich noch nie zuvor erlebt. Kid hatte uns aus dieser kleinen Ewigkeit, die wir gemeinsam dort verbracht hatten, geholt und uns gefragt, wo wir waren. Law hatte sich früher sicherlich oft hier mit ihm getroffen, denn als er ihm als damaligen Aufenthaltsort nur „See“ nannte, hatte der Rothaarige uns am Rande des Waldes abgeholt, ohne auch nur ein Wort mit uns zu wechseln. Die Fahrt war ebenso schweigsam verlaufen, wie der Weg dorthin, denn niemand hatte aussprechen wollen, dass dieser Abend sie wieder ein Stück zurück gezogen hatte. Zurück in ihre Vergangenheit, in das Unglück, das Loch, aus welchem sie eigentlich entkommen wollten. Sie hätten es fast geschafft, wäre nicht dieser Abend, dieses winzige Ereignis gewesen, welches sie, wie ein Stein, zurück an den Grund gezogen hatte. Ich fragte mich, was in der Zwischenzeit mit Kid und Laws Eltern geschehen war, ob sie sich miteinander unterhielten, sich gestritten hatten. Keinerlei Vorstellung, die sich in meinem Inneren formte, schien der wahren Begebenheit entsprechen zu können und ich wusste nicht, was zwischen ihnen abgelaufen war, da keiner von uns an diesem Abend noch ein Wort darüber verlieren wollte. Zuhause waren wir sofort ins Bett gegangen, doch ich konnte überhaupt nicht schlafen, schon gar nicht mit Law neben mir, noch immer lag ich wacher als jemals zuvor im Bett. Ständig warf ich einen Blick in seine Richtung und beobachtete seinen schlafenden Körper. Die regelmäßigen Atembewegungen hatten mir gezeigt, dass er schlief und obwohl der Tag so schlimme Ausmaße vernommen hatte, war ich froh darüber, dass wenigstens er schlafen konnte. Immer, wenn ich meine Augen schloss, öffneten sie sich im nächsten Moment wieder und ein Gedanke nach dem anderen hielt mich wach, ließ mich einfach nicht zur Ruhe kommen. Ich drehte mich hin und her und wenn Law wach gewesen wäre, dann hätte er mich sicherlich mit irgendetwas beworfen, weil ich ihn mit meiner ständigen Unruhe so sehr genervt hätte. Allerdings war genau er der Grund für meinen innerlichen Aufruhr, welcher sich einfach nicht bewältigen ließ. Nach dem eben Geschehenen hatten sich meine Fragen und Gedanken gestärkt und schienen sich einfach nicht vertreiben zu lassen, wie sonst so oft. Ich drehte mich auf den Bauch und sah kurz zu Law hinab, welcher noch immer tief und fest schlief. Ein kleines Lächeln glitt über meine Lippen, als mein Blick auf sein ruhiges, von Straßenlaternen beleuchtetes Gesicht glitt. Wenn er schlief, schien er so unbeschwert zu sein. Meine Augen wandten sich letztendlich dem Fenster zu und ich betrachtete den Nieselregen dabei, wie er leicht auf die Erde fiel. Es wurde wieder kälter. Diese Tatsache strich den seligen Ausdruck auf meinen Lippen mit einem Mal und ich blickte etwas betroffen auf meine dunkle Bettdecke. Immer wenn es kalt wurde, kam der Dezember und ich hasste ihn mehr als alles andere. Denn in diesem Monat gefror nicht nur die Welt, sondern auch mein Herz für einige Zeit zu festem Eis. Es taute erst wieder auf, wenn der Frühling gekommen war, langsam und vorsichtig, nur um sich für den nächsten Winter vorzubereiten. Ich zog mich zurück, wenn es soweit war. Jedes Jahr aufs Neue, ich konnte einfach nicht ertragen, am Leben zu sein, wenn Dezember war. Denn zu dieser Zeit war Ace für immer von mir gegangen. Hatte mich hier zurück gelassen, mit dem Wunsch, dass ich an seiner Stelle gestorben wäre. Mein Bruder war immer der Bessere von uns gewesen, er war erfolgreich, beliebt, unglaublich talentiert. Als wir nach Michigan gegangen waren, hatte ich niemanden mehr, während er nach einem Tag mehr Freunde gefunden hatte, als ich in meinem ganzen Leben. Doch das hatte mir nie etwas ausgemacht, zumindest kaum etwas, denn ich hatte ihn und Sabo bei mir gehabt, ich war nie alleine gewesen. Allerdings hatte Sabo früh bei der Polizei angefangen, ich bekam ihn immer seltener zu Gesicht und irgendwann gar nicht mehr. Ich biss mir leicht auf die Unterlippe und unterdrückte die Tränen und die Angst, bei der Erinnerung an den Dezember, dem Denken an meine Brüder. Wenn die ersten Schneeflocken fallen würden, dann existierte der Ruffy, den alle kannten, für eine kurze Zeit nicht mehr. Der Mensch, der ich letztes Jahr gewesen war, würde wieder von mir Besitz ergreifen und erst gehen, wenn der Schnee taute, so wie mein Herz. Doch dieser Mensch, diese Persönlichkeit, dies war nicht ich. Es war als würde einen Monat lang ein Fremder in meinem Körper hausen, welcher diesen steuerte. Gefühlslos und kalt, ganz anders, als ich es tun würde. Noch aufgewühlter als zuvor setzte ich mich auf und fuhr mir durch mein feuchtes Gesicht. Meine Hände waren kalt und zitterten leicht, während meine Augen vor Müdigkeit ein wenig brannten. Trotzdem konnte ich nicht schlafen, bei den ganzen Gedanken, die von mir Besitz ergriffen. So leise wie möglich verließ ich also das Zimmer, um mich ins Bad zu begeben, welches direkt gegenüber lag. Ich hoffte mich irgendwie beruhigen zu können, um wenigstens für wenige Stunden schlafen zu können. Im Flur tastete ich nach dem Lichtschalter und betätigte ihn nach einer schier endlosen Suche, ehe ich wieder nach vorne blickte. Es wurde hell. Direkt vor mir stand plötzlich eine Gestalt, welche ich erst im Nachhinein als Kid identifizierte und ich erschrak so sehr, dass ich zurücktaumelte. Mein Rücken drückte sich hart gegen die Wand und ich riss meine Augen vor Schreck weit auf, als ob ein Geist vor mir stehen würde. Der Rothaarige blickte mich erst ein wenig überrascht an, jedoch nicht einmal annähernd so erschrocken wie ich, ehe er leicht die Augen verdrehte. „Kann man nicht einmal nachts in Ruhe pissen?“, fuhr er mich leise flüsternd an und ich musste fast schon lachen, würde der Schock nicht immer noch tief in meinen Gliedern sitzen. Ich schüttelte leicht den Kopf und seufzte etwas beruhigt aus, ehe ich ihn erneut anblickte. „Ich kann nicht schlafen“, murmelte ich, ohne zu wissen, warum genau ich ihm dies gestand. Es war nicht so, dass ich mit ihm über diese ganze Sache reden wollte, dafür war ich viel zu müde und meine Nerven waren nicht stark genug. Es würde sie überstrapazieren und mich kein bisschen weiterbringen. Ich wusste nicht genau, was ich erwartete, jedenfalls hoffte ich, keinen Tipp wie Schäfchen zählen zu bekommen, denn das würde ihm ziemlich ähnlich sehen. „Ich auch nicht“, seine bernsteinfarbenen Augen hatten jeglichen spielerischen Schalk verloren, welcher noch vor wenigen Sekunden in ihnen gelegen hatte. Stattdessen saß die Sorge auf seinem Gesicht und schien sich nicht vertreiben zu lassen - schon seit Tagen nicht. Es war merkwürdig, wie wir hier mitten in der Nacht im Flur standen und uns gegenseitig ansahen, ohne die Worte zu wechseln, welche schon längst überfällig waren. Doch manchmal tat man dies nicht, nur, weil es die ganze Situation so viel einfacher machte. „Mein Dad und ich haben morgen ein Beratungsgespräch im Krankenhaus“, brach es auf einmal aus ihm heraus und ich musterte ihn etwas perplex. Es war als würde nicht einmal er selbst wissen, warum genau er mir dies erzählte. „Ich werde ihn zu einer Chemotherapie in Georgia überreden und ihm eine neue Wohnung in der Nähe von unserer besorgen“, seine Lippen verzogen sich zu einem schmalen Strich und ich konnte nicht anders, als ihn für seine Hilfe zu bewundern. Ich wusste nicht, was damals vorgefallen war, doch dass er so viel für seinen Vater tun würde, überraschte mich ein wenig. Kid schien auf mich kein Familienmensch zu sein, ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass er nicht oft Dinge wie tiefe Zuneigung oder Liebe empfand. Auf mich wirkte er hart und kaum verletzlich, fast wie Law und doch irgendwie anders. „Das ist eine gute Idee“, setzte ich sanft an, jedoch wollte er bereits fortfahren. „Ich werde nicht noch einmal hierher zurückkommen“, erklärte er kurzgebunden und fuhr sich erschöpft durch seine rote Mähne, sah dabei viel älter aus, als er in Wirklichkeit war. „Diese Umgebung macht nicht nur ihn, sondern uns alle kaputt, beinahe krank und das will ich nicht verantworten. Nicht mehr.“ Er biss sich auf seine Unterlippe und ich konnte nicht anders, als ihn beruhigend anzusehen und mir gleichzeitig zu wünschen, dass sein Plan gut verlaufen würde. Es könnte alles so viel besser werden, wenn er seinen Vater von hier wegholte und ihn dazu brachte, sich doch noch einer Therapie zu unterziehen. Vielleicht würde er doch einen Schritt in Richtung Heilung machen und glücklicher werden. Schließlich waren in letzter Zeit so viele unerwartete, mir suspekte Dinge geschehen, dass ich dies für möglich hielt. „Wir sind bei dir Kid“, machte ich ihm freundschaftlich klar, dass er nicht alleine war. Zumindest ich war mit ihm gekommen, um ihm zu helfen. Zusammen könnten wir alles bewältigen, das wusste ich. Ein kleines Lächeln trat auf seine Lippen und zum ersten Mal wirkte er ein wenig sanft mir gegenüber, so als ob ihn meine Worte an etwas erinnert hätten, was schon längst in Vergessenheit geraten war. „Danke“, entgegnete er leise. Er hörte sich nicht ganz so freundlich an, wie er wollte, doch wusste ich wenigstens, dass sein Bedanken ernst gemeint war. Ein erneutes Lächeln legte sich auf meine Lippen, ehe er mir plötzlich nur ganz leicht gegen die Schulter boxte und dieses untypische Gespräch zwischen uns mit einem Mal beendete. „Das wird mir zu schnulzig“, stellte er grinsend fest, die Sorge war für den Bruchteil einer Sekunde von seinem übermüdetem Gesicht verschwunden. „Gute Nacht.“ Ich lachte kurz, ehe ich den Kopf leicht schüttelte und ihm dabei zusah, wie er zurück in sein Zimmer schlich. „Gute Nacht“, kam es noch über meine Lippen, ehe ich das Bad wie vorher geplant betrat, um einen Schluck Wasser zu trinken und meinen Verstand etwas zu beruhigen. Als ich anschließend wieder ins Bett fiel, schlief ich nach nur wenigen Sekunden ein. Es war, als hätte mir dieses Gespräch dabei geholfen und mich auf einer mir nicht bekannten Ebene beruhigt. Ich wusste nicht wie, jedoch war ich Kid dankbar dafür. In dieser Nacht träumte ich davon, wie ich floh. Vor langen, starken Händen, welche nach mir griffen. Sie wollten mich in die Dunkelheit, in das Nichts ziehen, doch ich konnte dies nicht zulassen, obwohl mir klar war, dass ich nicht ewig laufen würde. So rannte und rannte ich, zeitlos, beinahe eine kleine Ewigkeit. Zumindest bis die Hände mich fingen und zurückzogen. Zurück in alles, was ich längst hinter mir gelassen hatte. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen. Am nächsten Morgen schlief ich nicht so lange wie sonst immer. Es war kurz nach Neun, als ich meine Augen blinzelnd öffnete, erschöpft von meinem schlechten Schlaf, und auf mein Handy schaute. Ich seufzte leise auf und drehte mich zur Seite, um nach Law zu sehen, allerdings fand ich die Matratze auf dem Boden leer vor. Stirnrunzelnd richtete ich mich auf und fuhr mir kurz durch das Gesicht, ehe ich ein wenig orientierungslos durch den Raum blickte. Er war bereits aufgestanden und sicherlich schon unten bei Kid und dessen Vater. Gähnend und mich streckend, erhob ich mich ein wenig wiederwillig, um zu meiner Tasche zu gehen und mir einen Pulli, sowie eine Jeans herauszunehmen. Als ich sie ein wenig übermüdet übergezogen hatte, verließ ich das kleine Gästezimmer und hörte bereits leise Stimmen, welche aus der Küche drangen. Gleichzeitig roch es nach frischen Brötchen und Kaffee, was meinen Magen daran erinnerte, dass ich gestern Abend viel zu wenig gegessen hatte. Zumindest für meine Verhältnisse. So schlich ich die hölzerne Treppe hinunter und ging auf die Küche zu, in welcher sich mehrere Personen bereits angeregt zu unterhalten schienen, wie ich durch ihre Stimmen wahrnehmen konnte. Ohne auf diese zu achten, trat ich ein und setzte ein leicht freundliches Lächeln auf. Ich wusste überhaupt nicht, wie ich mich nach gestern Abend zu verhalten hatte, beziehungsweise wie die Beiden sich mir gegenüber benehmen würden. Als ich Law in der Küche erblickte, schlug mein Herz augenblicklich schneller und ich wünschte mir, ich könnte dieses Gefühl unterdrücken, wenn ich in seiner Nähe war. Es machte mich nur noch nervöser, diese Erkenntnis – sie bedrückte mich. Denn jemanden zu lieben, der so facettenreich und doch in jeder Rolle, welche er für einen geringen Zeitraum spielte, so unglaublich geheimnisvoll war, war nicht einfach. Gleichzeitig musste ich ganz plötzlich daran denken, dass dies der Grund für meinen Hass Bonney gegenüber war. Ich war eifersüchtig, so eifersüchtig, wie noch nie in meinem Leben. Vielleicht, weil sie Law länger kannte als ich und ihre Bindung stärker war als unsere, vielleicht aber auch, weil sie die Einzige war, die sich ihm auf einer Ebene nähern durfte, die ich nie erreichen würde. Law sah müde aus, auch wenn er geschlafen hatte. Die dunklen Ringe unter seinen Augen zeigten das, was sich unter seiner monotonen Maske versteckte, sie zeigten, wie sehr ihn das Geschehene von gestern Abend zu schaffen machte. Seine Haare standen ein wenig von seinem Kopf ab und wirkten leicht struppig, während sein Pullover und die dunkle Jeans leicht zerknittert aussahen. Auf mich wirkte er wahrhaftig, als wäre er am Ende seiner Kräfte. Doch das sagte ich nicht; ich sagte nichts, sondern lächelte einfach nur, als ob alles wie immer wäre. Allerdings war es das nicht und das wussten wir alle, jedoch traute sich niemand dies auszusprechen und unser Wunschdenken in Trümmer zu reißen. Kid stand neben ihm und deckte den Tisch. Er sah kurz zu mir auf und ich bemerkte, dass er wesentlich besser aussah als Law, was den Gesundheitszustand anzugehen schien, allerdings stand ihm die Aufregung ins Gesicht geschrieben. Ich erinnerte mich automatisch daran, dass heute der Tag war, an dem Kid seinem Vater den Vorschlag machen würde, nach Georgia zu kommen, dort, wo er in direkter Nähe zu seiner Familie sein würde. Es war ein wichtiger Tag, einer, dessen Ereignisse viele Auswirkungen auf die gesamte Zukunft haben würden, genauso wie der gestrige. „Morgen“, kam es über meine Lippen und ich ließ mich auf dem Stuhl gegenüber von Law nieder, welcher mich bei jeder meiner Regungen zu beobachten schien. Ich fühlte mich unter seinen Blicken unwohl, obwohl ich bereits an diese gewöhnt sein müsste. „Auch mal wach?“, seine Stimme klang rau, sogar leicht kratzig. Die Frage sollte ironisch klingen, wohlmöglich die unausgesprochenen Worte zwischen uns in Vergessenheit bringen, doch das tat sie nicht. Viel mehr bemerkten wir beide, dass etwas anders war als sonst. Ich konnte nicht genau einordnen was es war, jedoch wusste ich, dass der gestrige Abend unser Verhältnis stark verändert hatte. Es würde nichts mehr sein, wie es war, denn nun erhaschte ich Teile des wahren Laws und bekam nicht nur seine undurchschaubare Maske zu sehen. Kid brachte nur ein schwaches Lächeln zustande, stellte einen Korb mit Brötchen auf den Tisch und rief nach seinem Dad, welcher mit einer hohen Wahrscheinlichkeit im Wohnzimmer saß und sich erneut irgendeine Scheiße im Tv ansah. Ich fragte mich langsam, wie er diese asozialen Sendungen noch interessant finden konnte, wenn jedes Mal eigentlich dieselben Themen behandelt wurden, wie beispielsweise die Schwangerschaft im Teenageralter. Wenn ich Rentner wäre, würde ich meine Zeit anders vertreiben. Es dauerte nur wenige Sekunden, ehe Harry in der Tür erschien und seinen kühlen Blick über das zubereitete Essen gleiten ließ. Sichtlich zufrieden darüber, dass Kid den gesamten Haushalt für ihn machte, ließ er sich ebenfalls mir gegenüber nieder und das erdrückende Schweigen begann erneut, als wir alle anfingen zu essen. Es quälte mich, dass niemand etwas sagte, allerdings hatte ich auch gleichzeitig nicht den Mut, ein Gespräch zu starten. Viel zu schnell könnte das Thema auf den gestrigen Abend fallen und über dessen Auswirkungen zu reden, würde die gesamte Situation eskalieren lassen. Ich wollte nicht wissen, was passierte, wenn wir über dieses Ereignis redeten, doch gleichzeitig schöpfte dies auch Neugier darüber, was Harry dazu sagen würde. Ob er ruhig bleiben, oder ähnlich wie Law reagieren konnte, ich wusste es nicht. Es kam allerdings gar nicht erst dazu, denn Kid begann schnell, über die Ursache seiner Nervosität zu reden, welche ihn dazu veranlasste, mit seinen Fingern einen unregelmäßigen Rhythmus auf den Tisch zu klopfen. „Wir fahren in einer Stunde los, das Hospital ist immerhin nicht weit weg. Bist du bereit, Dad?“, er nahm einen Schluck von seinem überzuckertem Kaffee und seine Augen blickten fragend in die seines Vaters, welche ihnen in diesem Moment unglaublich ähnlich sahen. Allerdings kniff der Ältere diese im nächsten Moment leicht zusammen, ehe er sein Kinn auf der eigenen Handfläche abstützte. „Bereit wofür?“, wollte er wissen, seine Stimme klang scharf wie ein Messer. Ich sah die verkrampfte Haltung, die er einnahm und bemerkte das leichte Beben seiner schmalen Lippen. Der Ältere wollte es nicht zeigen, doch schien er unglaublich aufgeregt zu sein, allerdings könnte es sogar Angst sein, welche ihn in diesem Moment heimsuchte. Ich konnte nachvollziehen, dass er seit seiner Diagnose mit niemandem über seine Krankheit reden wollte, doch nun war der Zeitpunkt gekommen, in welchem er nicht daran vorbei kommen würde. Kid hatte mir davon erzählt, dass er es ausnutzte, dass niemand mit ihm zum Arzt gegangen war, seitdem man von seiner Krankheit mitbekommen hatte. Doch nun war Kid da, um dies zu ändern. „Für das Gespräch mit Dr. Krokus“, erwiderte er daraufhin, obwohl er wusste, dass sein Vater bereits im Klaren darüber war, wohin sie heute gehen würden. Er schien seinen Sohn nur provozieren zu wollen, was, auch wenn es verwunderlich war, heute nicht zu funktionieren schien. Wahrscheinlich war der Ernst der Lage so hoch, dass nicht einmal Kid in solch einer Situation spaßen wollte. Und das verstand ich auch. Würde es eines meiner Familienmitglieder betreffen, dann wäre auch ich voller Ernsthaftigkeit. „Mehr oder weniger“, es hörte sich wie ein Knurren an, welches aus der Kehle seines Vaters drang und wahrhaftig bedrohlich wirkte. Es kam mir so vor, als ob ihn Kids Sorge stören würde und er nicht wollte, dass er medizinische Hilfe bekam. Doch so wie ich Kid verstanden hatte, war diese Hilfe mehr als nötig, wenn sein Vater noch einige Jahre leben sollte. Meines Wissens war er gerade einmal Mitte Sechzig, vielleicht ein wenig älter. Jedenfalls nicht alt genug, um dem Tod friedlich entgegen zu sehen, ihn gar zu erwarten. Es gab sicherlich noch genügend Auswege für ihn, noch viele Chancen, die er ergreifen konnte und Dinge, die sein Leben lebenswert machten. Eines von ihnen musste Kid sein, denn auch wenn viel zwischen ihnen lag, sah ich hinter dem harten Ausdruck auf seinem Gesicht, einen Mann, der seinen Sohn mit einer gewissen Wärme und Stolz betrachtete. „Du brauchst das“, Kids Lippen pressten sich zu einem schmalen Strich und die Tonlage seiner Stimme ließ automatisch vermuten, dass das Gespräch hiermit beendet war. Wieder kehrte die Stille zurück und in diesen Momenten der Lautlosigkeit vermisste ich wirklich meine Freunde, mit denen mir so etwas niemals passieren würde. Ich aß mein drittes Brötchen, als ich daran dachte, dass heute Samstag war und ich nur noch zwei Tage Ruhe hatte, bevor ich wieder in die Schule musste. Automatisch fiel mir diese beschissene Strafarbeit ein, welche erst aus einem aus Verzweiflung zerknülltem Papier bestand und etwa 1000 Meilen von mir entfernt, auf dem Boden meines Zimmers lag. Meine Augen weiteten sich ein wenig entsetzt, als mein Gehirn realisierte, dass ich nicht mehr damit fertig werden würde, bevor ich meinen reizenden Lehrer wiedersehen würde. Verdammte Scheiße. Warum eigentlich immer ich? Während ich mir überlegte, wie ich am Besten davon kam, ohne, dass Akainu mich umbrachte, räumten wir den Tisch gemeinsam ab. Kids Vater war bereits im Wohnzimmer verschwunden, ich hörte den Fernseher bis hier hin. Ein wenig gedankenverloren räumte ich die, dank mir beinahe leere, Nutella vom Tisch und bemerkte Law, welcher sich einen zweiten Kaffee machte. Ich wollte gar nicht erst wissen, wie es sein würde, wenn er keine Tasse der schwarzen Flüssigkeit zu sich nehmen durfte. „Wir fahren in einer halben Stunde“, sagte Kid plötzlich, er lehnte sich an eine der Küchentheken, „seht zu, dass ihr euch fertig macht.“ Letztendlich war es nicht einfach, Harry ins Auto zu bekommen und Kid zu überzeugen, dass er nicht fuhr, sodass wir im Endeffekt zwei schlecht gelaunte Männer der Eustass Familie im Auto sitzen hatten, welche mit den vor der Brust verschränkten Armen beinahe wie kleine, beleidigte Kinder wirkten. Allerdings brachten mich ihre Blicke dazu, meinen Gedanken nicht laut auszusprechen. Immerhin wollte ich leben. Ich hatte auf dem Beifahrersitz platzgenommen und beobachtete Laws tätowierten Hände dabei, wie sie das Lenkrad drehten und erinnerte mich an meinen Traum von letzter Nacht, in welchem mich ebenfalls Hände heimgesucht hatten. Ein Schauer fuhr über meinen Rücken und ich wusste nicht warum, jedoch hatte ich in diesem Moment Angst vor der Bedeutung dieses Traumes. Ich wollte gar nicht genauer darüber nachdenken, denn ich wusste, dass dies nicht gut ausgehen würde. Kid hatte recht behalten, als er gesagt hatte, dass das Hospital nicht weit von dem Haus seines Vaters entfernt lag. Nach nicht einmal einer viertel Stunde waren wir da, was dafür, dass die Kleinstadt in der er lebte, irgendwo im Nirgendwo lag, ziemlich beeindruckend war. Es sah so ähnlich aus wie das, in welches mich Law gebracht hatte, als ich mir meinen Kopf gestoßen hatte. Dies war sicherlich kaum zwei Monate her, allerdings kam es mir so lang vor, als ob ich Law schon eine Ewigkeit kennen würde. Doch so war es nun einmal nicht, auch wenn ich mir genau dies sehnlichst wünschte. „Hillside Hospital“, prankte der Name des Krankenhauses in Großbuchstaben über dem Eingang, den wir gerade betraten. Inzwischen war es heller geworden, nur vereinzelte Wolken bedeckten den Himmel. Als wir eintraten, bemerkte ich sofort den beissenden Geruch von Desinfektionsmittel und wieder wurde mir bewusst, wie sehr ich Krankenhäuser hasste. Law und ich folgten Kid und seinem Vater, welche den silbernen Aufzug am Ende des Eingangsbereiches nahmen und dabei so ernst wirkten, dass noch immer keiner von uns ein Wort aussprach. Auf der dritten Etage machte der Aufzug einen Stop und wir verließen ihn, um kurz darauf vor einer Tür mit der Aufschrift „Beratungsstelle für Krebspatienten, Dr. E. Krokus“ Halt zu machen. Law nickte seinem besten Freund zu und setzte sich auf einen der Stühle gegenüber des Raumes, während dieser ihn nur kurz musterte. Es war, als hätte Law ihn bestärkt, denn wenige Sekunden darauf hörte man das Klopfen Kids an die Tür, auf dessen anderer Seite nach nur kurzer Zeit ein „Herein“ folgte. Bevor der Rothaarige mit seinem Vater darin verschwinden konnte, lächelte ich ihn an. „Viel Glück“, meinte ich leise klingend, mit dem Versuch, ihn ein wenig zu besänftigen. Er musste gerade unglaublich aufgeregt sein, auch wenn er nicht den Anschein machen wollte. Für den Bruchteil einer Sekunde erwiderte er mein Lächeln, jedoch blieb der besorgte Ausdruck in seinen Augen. „Das werde ich brauchen.“ Mit diesen Worten war auch er im angrenzendem Raum verschwunden und schloss die Tür hinter sich. Ich entschied mich kurz darauf dazu, nicht mehr mitten im Flur herumzustehen und setzte mich neben Law auf einen der Stühle. Nun hieß es warten. Warten, bis klar war, wie es weitergehen würde. Meine Hoffnung war, dass es nicht zu lange dauerte, doch gleichzeitig wusste ich, dass es sicherlich schwer werden würde, mit Kids Vater Verhandlungen zu machen. Er war hartnäckig, so wie Kid und Nami, eine wirklich grausame Charaktereigenschaft, die ihr Durchsetzungsvermögen ins Unermessliche steigerte. Mit ihm zu reden würde sehr schwer werden, besonders über ein Thema wie dieses. Ich seufzte leicht auf und blickte zu Law, welcher etwas gedankenverloren an die Wand uns gegenüber starrte, so als würde er etwas Besonderes an ihr betrachten. In diesem Moment kam das Verlangen in mir auf, ihn auf gestern Nacht anzusprechen. Ich wollte wissen, ob dieses Ereignis etwas zwischen uns verändert hatte, etwas, dass von Bedeutung war und nicht nur meinen, sondern auch seinen Blick auf unser Verhältnis verstärkte. Doch nun, wo ich wusste, dass ich mich in ihn verliebt hatte – und dies war noch immer schwer zu realisieren – fiel mir jedes Wort in seiner Gegenwart unglaublich schwer. Ich hatte das Gefühl, dass dauerhaft ein Kloß in meiner Kehle lag, der nicht verschwinden wollte, während sich irgendetwas in meinem Kopf drehte und mich schwindeln ließ. Ich erschrak beinahe, als eine schwarzhaarige, recht junge Krankenschwester an uns vorbeiging, ehe sie abrupt stehen blieb. Ihre braunen Augen weiteten sich, jedoch blickte sie nicht auf mich, sondern auf Law, welcher sie noch nicht bemerkt zu haben schien. Es war kaum zu beschreiben, wie viele Emotionen in sie zu kehren schienen, jedoch war der Unglaube ihr am Deutlichsten ins Gesicht geschrieben. Sie kam etwas näher, während ich sie verwirrt musterte, jedoch lag ihre Aufmerksamkeit allein auf meinem Sitznachbar. „Law? Bist du das?“, der Schwarzhaarige blickte bei dieser direkten Anrede auf und musterte kühl das Gesicht der Frau ihm gegenüber, ließ sich nicht einmal die Verwunderung anmerken, die dabei entstanden sein musste, dass sie seinen Namen kannte. Er war eben der perfekte Schauspieler. Die junge Frau hatte langes, dunkles Haar, braune Augen und trug einen roten Lippenstift, welcher mich an Laws Mutter erinnerte. Sie schien auch ähnlich wie diese zu reagieren, denn wenn ich es mir nicht einbildete, glaubte ich Tränen in ihren Augen zu sehen, welche sich bei dem Anblick meines Freundes gebildet haben mussten. „Bebi?“, die Stimme des Schwarzhaarigen klang etwas skeptisch, so als wäre er sich nicht sicher, ob er die Person vor sich auch wirklich richtig identifiziert hatte. Mein Blick galt bei diesen ausgesprochenen Worten sofort ihm. Ich sah ihn verwirrt an, einerseits weil er noch nie etwas von einer Bebi erzählt hatte und andererseits weil ich nicht wusste, wer sie überhaupt war. Ich verband nichts mit diesem Namen, rein gar nichts um genau zu sein und das störte mich unheimlich. Es fanden keine Puzzleteile zusammen, ihr Auftauchen sorgte nicht für mehr Erklärungen, sondern für unaufhörbar aufkeimende Fragen. „Ja, das bin ich!“, sie hörte sich unfassbar erleichtert an, so sehr, dass es fast schon ein wenig unheimlich klang. Meiner Vermutung nach mussten sie sich schon sehr lange kennen, immerhin war Law schon seit Jahren nicht mehr hier gewesen, wie ich durch Camilla mitbekommen hatte. Doch, dass er kein Wort über sie verloren hatte, überraschte mich auf der anderen Seite irgendwie nicht. Er hatte mich noch nie freiwillig etwas über sich wissen lassen, wieso sollte er mir von seinen alten Bekanntschaften erzählen? Die schwarzhaarige, von Law genannte Bebi kam näher, als ob sie Law genauer ansehen musste und lächelte traurig. Ihr Blick strahlte auf eine merkwürdige Art und Weise Sorge aus, welche ich weder verstand, noch einzuordnen wusste. Fast alle Menschen hier schienen sich Sorgen um ihn zu machen, doch konnte ich einfach nicht sagen, warum. Meiner Meinung nach gab es keine Lücke auf seiner Maske, welche einem ermöglichte, Sorgen aufgrund seiner mir nicht bewussten Probleme zu haben. Ich verstand es einfach nicht, jedoch hoffte ich, dass sich dies bald ändern würde, auch wenn mir meine Rolle als der stille Zuhörer langsam aber sicher gehörig auf die Nerven ging. „Wie geht es dir? Ich habe dich schon so lange nicht mehr gesehen..“, sie warf ihm einen wissenden Blick zu und er nickte, lange, nachdenklich. Es war als würden sie heimlich miteinander kommunizieren, damit ich nicht hörte, was sie sagten, obwohl ihre Münder verschlossen blieben. Ich sah nur ihre Blicke, die winzigen Gesten und nicht durchschaubaren Bewegungen. Es kam mir vor, als wäre eine menge Zeit vergangen, als Law sich plötzlich aufrichtete und eine winzige Andeutung eines Lächelns auf seine Lippen legte. „Gut“, antwortete er zu spät, sein Blick lag allerdings auf mir. Es war, als ob er sich schon vollständig überlegt hatte, wie er nun handeln würde. „Ich bin gleich zurück“, sein zuvor noch auf mir liegender Blick galt nun wieder der hübschen Frau vor mir, welche ihn anlächelte und folgte, als er begann durch die Gänge zu streifen. Mein Gehirn brauchte einige Sekunden um zu realisieren, dass er sich gerade einfach aus dem Staub gemacht und mich hier stehen gelassen hatte. Mir war klar, dass er etwas mit dieser Frau zu bereden hatte, doch dass er mir nach gestern Nacht nicht genug vertraute, um mich dabei zu haben, verletzte mich. Es zeigte mir, wie wenig er mir glaubte, gerade wo ich gedacht hatte, sein volles Vertrauen erlangt zu haben. Ich biss mir auf die Unterlippe und versuchte die Stiche in meinem Herzen zu ignorieren. Wie eine Betäubung gegen die winzige Wunde, welche sich aufgetan hatte, wuchs der Trotz in mir und ich entschied mich kurzerhand dazu, ihm zu folgen. Wenn ich mich nicht schlecht anstellte, würde er mich nicht sehen. So schlich ich wie ein Schwerverbecher durch die leeren Gänge des Krankenhauses und versuchte Law und Bebi zu finden, jedoch gleichzeitig nicht den Anschein zu erwecken, dass ich aus der geschlossenen Psychiatrieabteilung im oberen Stockwerk geflohen war. Doch plötzlich, nachdem ich nur wenige Abzweigungen genommen hatte, hörte ich eine leise Stimme aus dem Raum zu meiner rechten. Eine Besenkammer oder so, jedenfalls kein wichtiges Zimmer, welches beschildert war. Ich sog die Luft ganz vorsichtig ein und verlangsamte mein Tempo, um auch jedes Wort vernehmen zu können. „Du bist davon weg? Und deine... Wunden?“, ich konnte nicht genau hören, was sie sagte, doch gehörte diese Stimme eindeutig zu der Frau von vorhin. Sie hörte sich noch immer an, als würde sie sich unglaublich um Law sorgen, was die Gesprächsfetzen, welche ich erhaschte, ebenfalls vermuten ließen. „Es geht mir besser, Bebi. In der neuen Stadt ist es anders“, war die Antwort, ruhig und zurückhaltend. Das war Law. Nur er konnte dies sein, das wusste ich. Es war als könnte ich seine Anwesenheit spüren, obwohl ich ihn nicht einmal sah. „Dein Neuanfang hat also geklappt?“, sie klang belustigt, allerdings auch ein wenig überrascht, so als hätte sie ihm dies nicht zugetraut. Zugegeben, nur die wenigsten Neuanfänge funktionierten auch und seiner tat es nicht. Doch ich war skeptisch was meinen anging, denn das Gefühl, dass dieser auch irgendwann fehlschlagen würde, verging einfach nicht. Es folgte die Stille für einige Sekunden. Ich bekam keine Antwort zu hören, konnte die Meinung von Law nicht erschließen. Doch ich war mir sicher, dass er genauso dachte wie ich. Auch er wusste, dass seine Vergangenheit ihn heimgesucht hatte und er rein gar nichts dagegen unternehmen konnte. „Ist der Junge bei dir ein Grund dafür?“, folgte plötzlich die nächste Frage und ich hielt automatisch die Luft an, als ob ich sichergehen wollte, dass ich auch seine Antwort genaustens hörte. Denn, dass sie über mich sprechen würde, hätte ich nicht gedacht und diese Tatsache ließ mein Herz lauter pochen als für gewöhnlich. Ich war eine Nebenfigur in Laws Leben, zumindest hatte ich noch immer das Gefühl eine zu sein. Man sprach nicht über mich, sondern über das Früher, über das, was für Laws Probleme sorgte. „Ich kenne ihn erst seit ein paar Monaten“, wich er aus, seine Stimme klang distanziert. Mein Herz schlug schnell, denn er bestritt nichts, auch wenn dies nicht als eine Bestätigung angesehen werden konnte. Jemand wie ich war niemals der Grund dafür, dass es Law besser ging, immerhin hatte ich bisher noch nicht wirklich viel für ihn tun können, weil ich ihn nie gut genug gekannt hatte. Es war als würde seine Vergangenheit eine riesige Barriere zwischen uns darstellen, die es verhinderte, dass wir eine engere Bindung miteinander eingehen konnten. „Aber du nimmst ihn mit hierher. Das würdest du mit keinem Menschen machen, den du nicht hier kennengelernt hast, das weiß ich. Ich kenne dich immerhin sehr gut. Also, wer ist er für dich, Law?“, folgte es darauf und ich konnte nicht anders, als verwirrt auf die weiße Tür zu sehen, an welcher ich wie ein neugieriges Kleinkind lauschen musste. Es war fast schon lächerlich und gleichzeitig hatte ich Glück, dass ich noch von niemandem bemerkt worden war. „Er ist...“, gebannt wartete ich auf seine Antwort und wollte mich noch näher nach vorne lehnen, was mir in diesem Moment alles vermasselte. Meine Tollpatschigkeit übernahm wieder einmal überhand und ich verlor mein Gleichgewicht, was dazu führte, dass ich mich an der Tür abstützen wollte. Das laute Klatschen meiner Handfläche auf diese war zu hören und ich fuhr vor Schreck zusammen, als ob ich vom Blitz erfasst worden wäre. Ohne lange darüber nachzudenken, hörte ich auf die Alarmglocken in meinem Kopf, welche mich zu einem Rückzug aufforderten, obwohl die Neugier in mir brannte wie ein loderndes Feuer. In diesem Moment gab es keine andere Initiative als abzuhauen, wenn ich nicht für einen merkwürdigen Stalker gehalten werden wollte. Ich lief also wie ein Bescheuerter zu dem Platz zurück, von welchem ich gekommen war, mit dem simplen Plan, mich einfach wieder hinzusetzten und so zu tun, als hätte ich geduldig auf Law gewartet. Das würde zu dem Ruffy passen, den die Anderen kannten, es würde Niemandem auffallen, dass ich nicht hier gewesen war. Doch nicht einmal dies funktionierte, an diesem Tag schien kaum etwas richtig zu laufen. Ich war in meine Überlegungen und Ausweichpläne vertieft gewesen und rannte dabei fast in Kid und seinen Vater hinein, welche sich angeregt miteinander unterhielten, wenn nicht sogar stritten. Die Anspannung der beiden machte mich unsicher, sodass ich so gut es ging stoppte und vor ihnen stehen blieb, mit der Erwartung eine Aufklärung zu erlangen. Immerhin wollte ich wissen wie das Gespräch mit diesem Krokus Typen verlaufen war. „Du bist sowas von egoistisch, weißt du das?“, hörte ich die Worte aus Kid heraussprudeln, ohne den Verlauf des vollständigen Gespräches zu kennen. Seine Stimme hallte durch den Gang und er gab einen Scheiß darauf, dass sämtliche Krankenschwestern und selbst Patienten sie hören und hier ebenfalls aufkreuzen könnten. „Egoistisch?“, kam es krächzend von dem Älteren. Er wirkte fassungslos, schüttelte den Kopf. „Kid, ich will nicht mit dir nach Georgia kommen, ich will keine Chemotherapie machen. Wenn das alles schief läuft, wenn nichts gut wird, dann sitzt der Schmerz nur noch tiefer. Denn ich werde weg sein, vielleicht sogar schon bald und es ist besser, wenn du das nicht miterlebst.“ Es war, als würde ich keine Luft mehr bekommen, nachdem er diese Worte ausgesprochen hatte. Meine Brust schnürte sich zusammen, ich wusste nicht einmal wieso, doch mein Gedanke galt plötzlich wieder Ace und mir, seinem Tod. Harry wusste nicht, was er sagte, wovon er da überhaupt sprach. Wenn ich die Wahl gehabt hätte, bei Ace in diesem beschissenem Auto zu sein, bei ihm zu sein während er starb, dann hätte ich genau diese Gelegenheit genutzt. Immerhin spielte es keine entscheidende Rolle, wie groß unsere Entfernung war, der Tod riss einen trotzdem auseinander und hinterließ Schmerzen, welche nicht aufzuhalten und schon gar nicht zu verringern waren. Ich presste meine Lippen fest aufeinander, während ich Kid dabei zusah, wie er mehrere Male seinen Mund öffnete und wieder schloß, ohne dass Worte von ihm kamen. Letztendlich sagte er nichts, sondern verschwand einfach durch den Gang, ging direkt an mir vorbei, ohne mich auch nur anzusehen. Ich glaubte Tränen in seinen Augen zu erblicken, doch das wirkte so unrealistisch, so undenkbar, dass es nicht möglich sein konnte. Kid weinte nicht, schon gar nicht vor anderen Menschen. Er würde das nie tun. Ich drehte mich wieder zu Harry und ohne auch nur darüber nachzudenken, ob ich mich einmischen sollte oder nicht, tat ich es einfach. Die Wut in mir vermischt mit der Trauer um Ace kam in mir auf und tobte wie ein Sturm, den ich nicht zu bändigen wusste. „Verstehst du es nicht? Kid hat dich jahrelang nicht mehr gesehen und selbst wenn es nicht mehr viel Zeit geben könnte, will er dich ab jetzt bei sich wissen. Du nutzt deine Chancen nicht, du hast einfach aufgegeben!“ Mein Mund sagte, was mir durch den Kopf geisterte und ich konnte ihn nicht zur Ruhe stellen, ohne ausgesprochen zu haben. Doch das war gut so. Bevor er auch nur ein Wort erwidern konnte, drehte ich mich um, damit ich nach Kid suchen konnte. Ich wollte bei ihm sein, ihm sagen, dass mir die Verhaltensweise seines Vater Leid tat und trotzdem die Hoffnung in ihm zu erwecken, dass alles gut werden würde. Ganz gleich wann wir wegfahren würden, irgendetwas würde anders sein als jetzt. Doch ich wollte, dass dies positiv war und nicht für noch schlechtere Laune bei mir Zuhause sorgte. Ich ging rasch den Gang entlang und sah, wie Kid hinter der Glastür den Aufzug betätigte, ein schwarzhaariger Mann, den ich augenblicklich als Law identifizierte, stand neben ihm und schien sich mit ihm zu unterhalten. Mir wurde augenblicklich mulmig zumute. Ich hatte noch immer Angst, dass Law gemerkt hatte, dass ich derjenige gewesen war, der ihn vorhin an der Tür belauscht hatte. Inzwischen schämte ich mich ein wenig dafür, doch gleichzeitig war ich wütend, ohne zu wissen auf wen genau. Einerseits auf ihn, weil ich ihm gezeigt hatte, dass er mir vertrauen konnte und er es trotzdem nicht tat, andererseits jedoch auch auf mich, weil ich so naiv gewesen war, dies zu glauben. Ich schüttelte meinen Kopf, als würde ich meine störende Gedanken vertreiben wollen. Daraufhin beschleunigte ich mein Tempo und öffnete die Tür, ehe ich auf die beiden zutrat, welche sich genau in diesem Moment zu mir umdrehten. Gleichzeitig bemerkte ich erneut, wie schlecht sie aussahen, auch wenn Law in einem noch deutlich schlimmeren Zustand zu sein schien. Ich biss mir auf die Unterlippe und versuchte lieber daran zu denken, was ich nun sagen könnte, doch konnte ich einfach nicht die Augen von seinem leeren Blick nehmen, der mich beobachtete und doch nicht wahrzunehmen schienen. „Lasst uns nach Hause fahren“, es war der Rothaarige, der nun die Stimme erhob und mich damit etwas überraschte. Sie klang monoton und doch etwas verletzt, was ich verstand. Im Moment verstand ich Kid so gut, wie noch nie zuvor. Der einzige Unterschied war, dass er bereits vermuten konnte, dass sein Vater möglicherweise seinen Krankheiten erlag, während Ace einfach aus meinem Leben gerissen worden war. Ich nickte und blickte ihm in die goldenen Augen. „Ja, lass uns fahren.“ Schweigend nahmen wir den Aufzug nach unten und verließen das Krankenhaus nach einigen Minuten noch bedrückter als zuvor. Draußen kam mir die kalte Luft entgegen und ich wünschte mir den Hochsommer zurück, besonders weil erneut die Erinnerung an den Dezember in mir aufkam, die ich nur noch vertreiben wollte. Die Blätter färbten sich bereits golden und es nieselte, der Herbst war da, zumindest schien es so. Wir gingen zum Parkplatz, um in Laws Auto zu steigen, ehe ich eine Person bemerkte, welche bereits hinten saß und auf uns zu warten schien. Mit hochgezogener Augenbraue ging ich auf den teuren Wagen zu, öffnete die Hintertür und blickte Harry entgegen, dessen Augen eindringlich funkelten. „Wie...“, entkam es mir und ich drehte mich ein wenig schockiert zu Law und Kid. Der Kleinere von beiden zog verwirrt die Augenbrauen zusammen und tastete in seiner Hosentasche nach dem Autoschlüssel, welchen er nicht zu finden schien. Nur wenige Sekunden später bemerkte ich, wie dieser in den Händen von Kids Vater baumelte und er den Schwarzhaarigen triumphierend anblickte. „Man merkt, dass er dein Vater ist“, hörte ich Law zischen, während Kid sich nicht entscheiden konnte, ob er sauer wegen vorhin, belustigt wegen dem „Diebstahl“ oder beleidigt wegen des Vergleiches sein sollte. Wahrscheinlich entschied er sich für das Erste, denn nur einen Moment später hörte ich, wie er nach Worten suchte. „Was willst du denn hier?“, es klang viel mehr wie ein bösartiges Knurren, welches auf mich so bedrohlich wirkte, dass ich beinahe schon Angst bekam, während sein Vater ganz ruhig blieb, ein völliger Kontrast zu eben. „Nach Hause gefahren werden“, antwortete er dreist, lehnte sich dabei nach hinten. Seine Augen funkelten seinen Sohn herausfordernd an. „Und dann?“, fragte Kid weiter und verengte seine bernsteinfarbenen Augen zu schmalen, angsterregenden Schlitzen. Ich wusste ja, dass Kid gruselig sein konnte, aber das löste noch viel größere Überraschung vermischt mit ein wenig Angst in mir aus. Hoffentlich würde er niemals so angepisst von mir sein, wenn doch, dann würde dies nicht gut für mich ausgehen. „Reden wir“, meinte er. „Über alles.“ Und das reichte Kid, um ins Auto zu steigen. Ich sah Law an und er mich, ehe wir nickten. Es war ein aussageloses Nicken, ein belangloses. Wir stiegen ein und fuhren los, jeder in seinen eigenen Gedanken gefangen. Kapitel 17: Stay ---------------- Manchmal wusste ich nicht mehr, wem ich vertrauen konnte und wem nicht. Ich fühlte mich wie ein viel zu naiver, gutglaubender Mensch und gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass ich vorsichtiger sein musste. Vertrauen war nun einmal etwas, das viel zu oft von Menschen missbraucht und letztendlich zerstört wurde. Es war eine Eigenschaft, welche man sich erarbeiten musste, etwas, was man nicht von den einen auf den anderen Tag erhielt. Das wusste ich. Denn manchmal war es besser, Dinge, die auf einem lagen und die Luft zum Atmen abschnürten, in sich zu verstecken und Niemandem zu erzählen, weil es so am Sichersten war. Niemand konnte somit das Vertrauen ausnutzen und letztendlich auch verschwinden, wenn man denjenigen brauchte. Ich hatte damals Ace vertraut, als er sagte, er würde mich niemals alleine lassen, genauso war es bei Sabo gewesen. Doch auch dies hatte sich als falsch erwiesen, als furchtbar falsch, als er eines Nachts so plötzlich von mir gegangen war, ohne auch nur ein Wort des Abschieds auszusprechen, während Sabo dasselbe tat, nur ein paar Tage später. Mein Herz schmerzte, wenn ich an sie dachte und auch wenn ich glaubte, ich hätte damit begonnen, Aces Tod zu akzeptieren, war es nicht so. Viel mehr kehrten meine Gedanken und Überlegungen mit jedem Tag, den ich hier verbrachte, zurück. Ich fragte mich seitdem ständig, warum Menschen Vertrauen erarbeiteten, um es dann zu kaputt zu machen, wie in einem ewig langem, sinnlosem Kreislauf, ohne Aussicht auf ein Entkommen, auf eine Zukunft. Doch die Wahrheit war, dass du, so lange du nicht losließt, weder dir, noch der Situation vergabst, so lange du nicht verstanden hattest, dass diese endgültig vorüber war, keinen Schritt in die sorglose Zukunft gehen konntest. Es ging nicht, denn sie zog dich wie ein schweres Stück Blei an den Grund der wahren Tatsachen, immer wieder. Ich musste los lassen, um aufzutauchen, um abschließen zu können und nicht ertrinken zu müssen - doch gleichzeitig konnte ich einfach nicht. Um dies tun zu können, brauchte ich Stärke, Mut und die Fähigkeit, vergessen zu können. Jedoch verfügte ich nicht über diese drei Dinge und auch wenn ich mich bemühte, würde es schwer werden, diese zu erlernen. Das Vergessen war eine Sache, die am Kompliziertesten war. Denn man vergaß nur die unwichtigen Sachen, jedoch waren die Dinge, an die man nicht mehr denken wollte beinahe immer von unglaublicher Bedeutung. Das war es, was dem Ganzen die Schwierigkeit gab, die einen erdrückte wie ein unsichtbares Gewicht, welches stets an den Füßen hing, wo immer man auch hinging. Es war ständig da. Immer gab es etwas, was einen den Weg schwer machte und immer lagen dessen Wurzeln in der Vergangenheit. In einer Zeit, die nicht mehr zu beeinflussen war, jedoch die gesamte Zukunft, jeden weiteren Tag beeinflussen konnte, wenn man nicht mit ihr abschloss. Und momentan bezweifelte ich, dass ich abgeschlossen hatte, denn meine Erinnerungen flossen wie ein Strom durch meinen Kopf und veranlassten mich dazu, nachzudenken. Das Verlangen, endlich zu vergessen, rückte in den Hintergrund und das Einzige, was ich gerade wollte, war, einen Moment lang abschalten zu können. Doch dieses Abschalten gelang mir nicht, besonders bei der jetzigen Situation. Es war immerhin ein wirklich langes Gespräch, welches dort zwischen Kid und seinem Vater ablief, während ich mich in meinem vorübergehendem Zimmer befand und darauf wartete, dass die Diskussion, deren Lärm bis nach oben drang, allmählich nachließ. Ich verstand oft nur einige Worte, jedoch wollte ich nicht nach unten gehen. Denn auch wenn sie es mir nicht direkt sagten, wusste ich, dass meine Anwesenheit im Moment nicht erwünscht war, noch weniger als zuvor. Dies war eine Sache zwischen Kid und Harry, nicht einmal Law hatte ein Recht sich dort einzumischen und er tat es auch nicht. Ich wusste nicht, wo er gerade war, jedoch hatte ich ihn zuletzt vor etwa zwei Stunden gesehen, als er kurz im Zimmer nach mir gesehen hatte. Seine Augen wirkten mit jeder Sekunde, in welcher er hier war, zunehmend matter, so müde von allem und ich kam nicht daran vorbei, mir weiterhin Sorgen um ihn und seinen schlechten Zustand zu machen. Die wenigen Dinge, die ich über ihn wusste, reichten noch immer nicht aus, um mir ein anständiges Bild von ihm machen zu können und es trieb mich in den Wahnsinn, nach allem nicht nachvollziehen zu können, wie er sich fühlte. Das Einzige, was ich sah, war, dass er nicht mehr konnte. Ob es nun war, dass er nicht mehr hier sein, seiner Vergangenheit ins Auge blicken oder einfach mein Einmischen ertragen konnte, wusste ich nicht. Ich kannte keinen Grund, keine Ursache, keinen Anlass, nichts. Doch ich war in der Lage zu sehen, dass es ihm schlecht ging und belastete, von Minute zu Minute mehr. Inzwischen war es schon spät, doch ich hörte noch immer Fetzen des Gespräches zwischen Kid und Harry. Ich musste mich fast selbst schon fragen, wie die beiden nach den ganzen Stunden noch mit so einer Lautstärke miteinander reden konnten, doch gleichzeitig war mir klar, dass Kid sein wahnsinnig lautes Organ wohl von seinem Vater geerbt haben musste, was als stiller Zuhörer nicht unbedingt von Vorteil war. Draußen waren schon die Laternen an und ihr Licht spiegelte sich in den leicht dreckigen Fenstern des Gästezimmers. Motten umkreisten die Lampe, von ihr angezogen, während leichter Wind die Bäume zum Rascheln brachte. Ich beobachtete schon seit ein paar Stunden die Umgebung und war schon fast froh darüber, wenn mich eine Veränderung, etwa wie ein Spaziergänger oder ein wildes Tier aus dem Nachdenken riss. Es gab wirklich nichts, was ich dagegen unternehmen konnte, um nicht in Gedanken zu versinken. Ich tat es automatisch, ohne es zu wollen. Erst ein Geräusch in unmittelbarer Nähe, brachte mich zum Aufhorchen. Es kam nicht von draußen, sondern direkt hinter mir, ein leises Knarzen. Viel zu spät bemerkte ich, dass es Law war, welcher durch die Tür zu mir ins Zimmer kam. Unsere Blicke trafen sich sofort, als hätten sie schon von Anfang an die Absicht dazu gehabt und ich bemerkte direkt wieder diesen müden Blick, der ihm so ein trauriges Aussehen verlieh. Es schmerzte in meiner Brust, doch ich versuchte es zu ignorieren, so, wie ich es auch bei den unausgesprochenen Worten und Taten zwischen uns machte. Ignorieren war das Einzige, was ich in dieser Situation tun konnte, alles andere würde es nur noch viel schlimmer machen. „Du bist noch wach“, stellte er fest und versuchte nüchtern zu klingen, so als würde es ihm gut gehen. Doch ich sah darüber hinweg, bemerkte sofort, dass etwas los war. „Ich konnte bei der Lautstärke nicht schlafen“, erklärte ich und setzte mich im Bett auf, um ihn besser ansehen zu können. Ich konnte nicht jedes Detail seiner Gestalt erkennen, doch selbst die groben Umrisse im Laternenlicht reichten, um mein Herz schneller schlagen zu lassen. Und dafür hasste ich es. Diese ganzen Gefühle, die in mir hochkamen, sie zu ignorieren, tat so unglaublich weh, obwohl es das einzig Richtige war. Denn manchmal schmerzte es, zu tun, was richtig war, was nicht alles zerstören würde, das existiert und auch bestehen bleiben sollte. „Glaube ich dir“, Law kratzte sich am Kopf und ließ sich auf der Matratze neben dem Bett nieder, ohne mich aus den Augen zu lassen. Ich fühlte mich beobachtet, weshalb ich meinen Blick auf die Bettdecke sinken ließ. „Wir sollten versuchen zu schlafen, bis sich die Situation geklärt hat“, murmelte er leise und ich glaubte fast sofort, dass er recht hatte. Es würde uns immerhin nichts bringen, der Situation weiterhin zu lauschen, ohne zu wissen, was genau gerade passierte. Schlafen schien momentan das Einzige, was mich entspannen könnte, das Einzige, was mir die Chance geben würde, meinen nervenaufreibenden Gedanken für einige Stunden zu entfliehen. „Gute Idee“, lächelte ich leicht und lehnte mich wieder zurück, seufzte leicht, als ich mich in die weichen Kissen kuschelte. Law zog sich seine Hose von den Beinen, ehe er ebenfalls unter seine Decke schlüpfte, darauf bedacht, den restlichen Augenkontakt mit mir zu vermeiden. Ich schloss meine Augen, als die Müdigkeit plötzlich eintrat. Vorher hatte ich sie nicht bemerkt, weshalb sie mich nun umso härter traf. Ich hörte noch ein „Schlaf gut“, ehe ich mit schlagendem Herzen in einen kurzen, dennoch erholsamen Schlaf glitt, welcher nicht von langer Dauer sein sollte. 00:04 Uhr war es, als ich das erste Mal aufwachte. Ich war benebelt, hörte ein lautes Rascheln neben mir, Gemurmel. Ein dumpfes, nicht wirklich zu zuordnendes Geräusch erklang dicht neben meinem Ohr, welches mich leicht zusammen zucken ließ. Danach driftete ich wieder in den Schlaf, völlig vergessen war alles, was meine Sinne für einen kurzen Moment vernommen hatten. Um 02:18 war es ein plötzlicher Schrei, der mich aus meinem Traum riss. Lauter, als alles andere, was ich zuvor wahrgenommen hatte. Ich war so erschrocken und orientierungslos, konnte für den ersten Moment nicht einmal einordnen, wo oben und unten war. Dann sah ich ihn und die Luft blieb mir für den Bruchteil einer Sekunde weg. Law saß direkt vor mir auf seiner Matratze, sein Blick fiel ins Leere, Schweißperlen lagen auf seiner Stirn, die Haare waren wild verwuschelt. Mein Herz schlug unglaublich laut und sein Anblick fesselte mich, ich konnte nicht anders, als ihn anzublicken und alles zu hinterfragen, was gerade geschah. Nur langsam drehte er sich zu mir, seine aufgerissenen Augen, welche so schockiert, so voller Angst wirkten, vermischten sich mit seltsamer Erleichterung, als er mich vom Bett in seine verschwitzen, nassen Arme zog. So plötzlich, so unerwartet, wie noch nie. Die Verwirrung machte sich in mir breit, betäubte mich wie ein Gift und ich konnte nicht anders, als mich kurz von ihm zu lösen, ihn fassungslos anzusehen. In seinen grauen Augen tobte ein Sturm verschiedener, beinahe schon gegensätzlicher Gefühle, die ich nicht zuordnen konnte, die mich unglaublich verwirrten. Seine Nähe brachte mich um den Verstand, sein Zustand, welcher so neben der Spur war, schockierte mich. Mir wurde heiß und kalt zugleich, als ich seinen warmen Atem an meinem Hals spürte, seine Hände, die über meinen Rücken streiften, so sanft, als wäre ich zerbrechlicher, als edelstes Porzellan. „Es geht dir gut“, stellte er erleichtert fest, „es ist alles gut“, es schien als würde er sich beruhigen, nur sich selbst, weshalb ich ebenfalls meine Arme um ihn legte und gleichzeitig beschloss, keine Fragen zu stellen, zumindest nicht, wenn er sich in diesem Zustand befand. „Ja, mit mir ist alles ok“, flüsterte ich mit warmer Stimme, versuchend, ihn zur Ruhe kommen zu lassen. Ich hatte keine Ahnung, warum es ausgerechnet mir schlecht gehen sollte, immerhin war er derjenige, welcher verschwitzt und atemlos in meinen Armen lag, doch ich hatte bereits beschlossen, dies für diesen einen Moment nicht zu hinterfragen, nur einmal nicht. „Ich dachte du wärst... das alles...“, er konnte seine Worte nicht einordnen, brach ständig ab. Seine Finger krallten sich in meinen Rücken und sein Kopf fand auf meiner Schulter Platz. Er wirkte für den Bruchteil einer Sekunde fast schon schwach, was meine Sichtweise auf ihn und sein Verhalten so veränderte, wie eine 180 Grad Drehung. Für diesen Moment war ich überfordert mit jeder noch so kleinen Regung seinerseits, ich wusste einfach nicht, was ich tun konnte, beziehungsweise sollte. Ich hatte die ganze Zeit über, über das einzig Richtige nachgedacht, doch jetzt war ich mir nicht mehr im Klaren darüber, was das Richtige darstellte. Ich strich durch seine Haare, über seinen Nacken und atmete lange aus, versuchte einfach, nicht den Verstand zu verlieren. Meine großen Augen betrachteten sein Gesicht, welches sich direkt vor meinem befand und ich schüttelte den Kopf. „Was ist nur los?“, fragte ich voller Überforderung, welche sich nur zu deutlich in meiner Miene widerspiegelte. Wir beide wussten, dass er der Grund dafür war. „Ich kann das nicht mehr“, kurz, für nur einen ganz kleinen Moment klang seine Stimme gebrochen, zeigte wie unglaublich kaputt er doch war. Allerdings änderte dies nichts an der Tatsache, dass ich noch immer nicht wusste, was gerade hier ablief. „Was kannst du nicht mehr?“, hauchte ich, zuckte unter der Bewegung seiner Fingerspitzen an meinem Hals leicht zusammen. Er berührte mich nur federleicht, doch dies reichte schon, um mir eine Gänsehaut zu bescheren und mich fragen zu lassen, wie er es nur schaffte, solch einen Ansturm von Gefühlen in mir heraufzubeschwören, mit jedem Moment, in welchem unsere Körper sich auch nur auf einen Millimeter näherten. „Hier sein“, der Anflug von Panik erschien in seinen Augen, verschwand erst nach wenigen Sekunden, „ich muss weg.“ Ich biss mir auf die Unterlippe und versuchte nach den Worten zu finden, nicht nach den Richtigen, wie zuvor, sondern nach denen, die mir zuerst einfielen. Vorsichtig hob ich meinen Kopf, sah ihm direkt in die grauen, müden Augen. „Jetzt?“, die Frage klang überaus verwirrt, doch so fühlte ich mich auch, wenn man mal daran dachte, dass er gerade vor hatte, einfach von hier zu verschwinden, wieder wegzulaufen ohne auch nur eine Kleinigkeit an allem zu ändern. Vielleicht war er nicht in der Lage irgendetwas zu ändern, doch ich wagte mich zu fragen, ob es gut wäre, einfach zu verschwinden. „Jetzt“, er nickte, so sicher, als hätte er die Entscheidung schon lange im Voraus getroffen, obwohl sie sich gerade erst ergeben hatte. Ich öffnete ungläubig die Augen, während seine Arme sich langsam von meinem Rücken lösten und zu meinen Händen wanderten, sie fest umschlossen. Wärme zog durch meinen Körper und für einen Moment kam es mir vor wie im Sommer, obwohl dieser eigentlich schon lange vorbei war. „Ich bin froh, dass es dir gut geht.“ Ein letzter, fester und ernstgemeinter Blick in meine Augen folgte, bevor er aufstand und mich mit sich zog. Ich konnte noch nicht glauben, was geschehen war, als wir schon dabei waren, die Treppe nach unten zu nehmen. In der Küche brannte noch Licht, wie ich durch den Türspalt erkennen konnte, jedoch hörte ich in diesem Moment keine Stimmen mehr, sondern nur das aufgebrachte Klopfen unserer Herzen, im selben Takt. Irgendwie wussten wir beide, dass Kid noch in der Küche saß. Es war, als könnten wir seine Anwesenheit darin spüren, beinahe wirklich wahrnehmen, ohne es zu sehen. Nach nur wenigen Sekunden, welche Law damit verbrachte, tief durchzuatmen, vermutlich um sich selbst zu beruhigen, traten wir ein. Wie bereits gedacht, saß Kid am Tisch, Ringe lagen tief unter seinen Augen, doch er wirkte nicht ganz so traurig, wie ich es erwartet hätte. Vielleicht war das Gespräch mit seinem Vater nicht so schlecht verlaufen, wie es sich die ganze Zeit über angehört hatte. Ihm ansehen, konnte ich jedenfalls nichts Besonderes, nichts Neues oder Außergewöhnliches, lediglich, dass er ein wenig überrascht war, uns hier zu sehen, zu dieser Zeit. Ich selbst war überrascht darüber, hier zu stehen und nicht im Bett zu liegen und zu schlafen, denn wieder einmal war eine so plötzliche Wendung gekommen, die mir beinahe schon Angst einjagte. „Was macht ihr hier? Dieses Geräusch eben..“, der Rothaarige blinzelte, es schien, als ob er wissen würde, was sich ereignet hatte, oder es zumindest ahnte. Mit einem Mal wirkte er hellwach, als er Law näher betrachtete, so eingehend, wie noch nie in den letzten Tagen. Vielleicht lag dies daran, dass er und sein Vater der Mittelpunkt, wenn nicht einzige Punkt in seinen Gedanken gewesen waren. Nicht einmal hatte er einen Gedanken an Law verschwendet, wie es ihm ging, beziehungsweise was in ihm vorging. Doch diese Erkenntnis darüber flackerte Augenblicklich in Form von Sorge in seinen Augen auf, er kam näher, legte seine Hand auf die Schulter des Schwarzhaarigen, welcher wie erstarrt stehen blieb. Das Einzige, was er tat, war die Hand auf seiner Schulter zu betrachten, mit einem Ausdruck, welcher auf mich fast schon verwirrt wirkte. „Ist mit deinem Vater alles geklärt?“, ich zuckte fast zusammen, bei der Kälte, die in Laws Stimme lag. Sie erklang nur ganz leise und doch erfüllte sie den ganzen Raum, mir kam es sogar so vor, als könnte jeder im Haus ihr lauschen. Kids goldene Augen betrachteten das hübsche, trotzdem sehr blasse Gesicht des Kleineren, ehe er zögerlich nickte. „So gut wie. Was hast du vor?“, Skepsis kehrte in seine Augen, er kannte Law bereits gut genug, um zu wissen, dass dieser bei allem was er tat, Hintergedanken hatte, immer wusste, was zu tun war, einen Plan hatte, um zu retten, was gerade schief lief. Doch ich wusste nicht, ob dieser Plan irgendwas retten würde. Das Einzige, was er tat, war, die Vergangenheit aufzuschieben. „Verschwinden“, entkam es Law nur, seine stahlgrauen Augen wirkten mit einem Mal klar, so entschlossen und voller Tatendrang. Er schien zu allem bereit, als ob er nun einfach ins Auto steigen könnte, um diese fast 1000 Meilen sofort zurückzufahren. Und genau das hatte er vor, das war sein voreiliger Plan. „Findest du nicht...“, wollte Kid zögerlich einen Einwand hervorbringen, doch Law unterbrach ihn beinahe sofort. „Ich muss hier weg“, eiskalt und kurz kamen die Worte über seine Lippen, allerdings klangen sie überaus durchdacht. Als hätte er in Wirklichkeit nicht nur einen einfachen Entschluss gefasst, sondern weitaus mehr, indem er alle zu beachtenden Details mit einbezogen hatte. Der Rothaarige schüttelte nur leicht seinen Kopf, etwas fassungslos über diese leichtfertige Entscheidung. „Ich weiß, es ist schwer, aber du kannst jetzt doch nicht einfach fahren – hältst du das wirklich für das Richtige?“ Law sah ihn leicht bissig an, würde ich es nicht wissen, könnte ich sagen, dass er wirklich angepisst war, weil wir nicht sofort taten, was er wollte. Und zwar einfach ins Auto springen und fahren, weit weg von hier, von seinen Eltern, von seinem Haus, von der Umgebung und letztendlich den Erinnerungen. Den Erinnerungen, vor denen er schon seit Jahren flieht und nun weiter fliehen wird. Denn niemand, weder Kid, noch Harry, noch Ich wird ihn jemals von der Entscheidung wegbekommen, nun zu fahren. Und genau dies wusste Kid genau so gut wie ich. Ich sah es in dem Blick, den er mir augenblicklich zuwarf. „Ich halte nichts für das Richtige“, erwiderte Law und ich hörte nur zu sehr, wie er versuchte seine Stimme unter Kontrolle zu halten, denn sie zitterte, wie sein gesamter Körper. „Aber meiner Meinung nach, sind wir jetzt lange genug hier gewesen. Wenn du alles mit deinem Vater geklärt hast, kannst du nach kommen, doch bitte zwing mich nicht, hier noch eine Nacht länger zu bleiben. Das schaffe ich nicht, ich halt's einfach nicht aus, ok?“ Seine Stimme wurde von Satz zu Satz lauter, bis das Aufgewühlte erneut in seine Augen trat. Ich kannte ihn so nicht. Es war wieder dieses Geheimnisvolle, das nur dieser Ort in ihm hervorrufen konnte. Bei dem Gedanken daran, ihn bald wieder zu verlassen, diesen Ort in wenigen Minuten schon hinter mir haben zu können, schmerzte es in meiner Brust. Es war die Befürchtung, dass ich dann nie wieder so nah an ihn herankommen würde, dass er für immer ein mir unbekannter Stern am Himmel bleiben würde. Unerreichbar, geheimnisvoll und doch existent, meilenweit von mir entfernt. Das war es, was wehtat. „Ok“, entkam es Kid plötzlich, die Anspannung, welche sich in der Luft gebildet hatte, schien mit einem Mal zu verpuffen. „Ok“, wiederholte er und wir beide, Law und ich, konnten nicht anders, als ihn mit einer Mischung aus Überraschung und Erleichterung anzusehen. „Ich habe nicht mehr viel mit Dad zu klären... in spätestens einer Woche kommen wir nach“, er kratzte sich am Hinterkopf, sah Law dann noch einmal fest in die Augen. „Es tut mir Leid, dass ich nicht darauf geachtet habe, wie es dir geht. Du weißt, dass es mir wichtig ist, dass es dir gut geht“, ein überhebliches Grinsen setzt sich auf seine Lippen. „Aber das war jetzt genug, no homo und so. Verschwindet.“ Law blieb noch einige Sekunden wie erstarrt stehen, ehe er den Kopf schüttelte und sich die Andeutung eines Lächelns auf seine Lippen legte. „Spast“, entkam es ihm, ehe er kehrt machte und in Richtung Treppe hastete. Bevor ich ihm folgen konnte, hielt Kid mich an meiner Schulter fest. Seine bernsteinfarbenen Augen leuchteten mit einer Spur von Sorge entgegen, sodass ich nicht anders konnte, als ihn mit dem Hauch von Verwunderung anzusehen. „Versprech' mir was“, flüsterte er so leise, dass nicht einmal ich ihn ganz genau verstehen konnte. Ein Nicken meinerseits veranlasste ihn dazu, weiterzureden. „Pass auf Law auf, aber pass auch auf dich auf“, er wirkte unglaublich ernst. So ernst, dass er mir fast schon Angst einjagte, doch wenn ich nicht schon Auftritte dieser Art gewohnt wäre, dann hätte dies sicherlich funktioniert. „Ich weiß, du hast viele Fragen, aber der Einzige, der sie wirklich beantworten kann, ist er“, ich war so verwundert über diese Aussage, dass ich kaum wahrnahm, wie seine Hand von meiner Schulter glitt und mich in Richtung Flur schubste. Er wusste von meinen Fragen, Law wusste von meinen Fragen. Doch was nicht feststand, war, ob er sie jemals beantworten würde. Immer noch in Gedanken verloren durch seine Worte, nahm ich die Treppe nach oben und betrat das Gästezimmer, in welchem Law und ich die letzten Nächte zusammen verbracht hatten. Noch immer wollte mein Gehirn nicht verarbeiten, was sich in der letzten halbe Stunde zugetragen hatte, ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, sondern wusste nur eines, und zwar, dass wir nun fahren würden. Wie im Rausch packte ich meine Sachen zusammen, brachte das Zimmer halbwegs in Ordnung, zog mich an und beobachtete Law dabei, wie auch er seine Sachen zusammensuchte. Wir hatten nun mal nicht viel dabei, was wahrscheinlich der Grund dafür war, dass ich schon fertig war und er auch, nur einen winzigen Moment später. Ab diesem Moment ging alles schnell, wir brachten unsere Sachen zum Auto, verabschiedeten uns nur flüchtig von Kid und zogen uns noch wärmere Klamotten über. Als wir nicht einmal eine Viertelstunde später im Auto saßen und losfuhren, schien es erst, als würde ich wieder aus meinem Rausch erwachen, welcher mich irgendwie von der bloßen Tatsache abgelenkt hatte, dass wir gerade auf dem Rückweg waren. Gleichzeitig verspürte ich den Drang, ihn so viele Dinge zu fragen, endlich herauszufinden, was das alles hier sollte. Er war gerade größer, als jemals zu vor und ich hatte nicht für möglich gehalten, dass dies noch ging. Es war still, keine Musik, keine Geräusche von außerhalb, nichts erfüllte das Auto und ließ so der Verwirrung in mir, dem Drang nach Antworten, unglaublich viel Platz. Ich blickte Law an, suchte nach Blickkontakt, doch dieser starrte auf die Straße, obwohl um diese Uhrzeit nicht der geringste Verkehr herrschte, schon gar nicht in einer kleinen Stadt wie dieser. Die Wälder kamen wenige Minuten später schon wieder in Sicht und ich wusste, dass wir nun endgültig New Hopewell verlassen hatten. Ich biss mir auf die Unterlippe, während ich meinen Blick wieder abwandte und mich selbst im Rückspiegel beobachtete. Meine Haare standen wild von meinem Kopf ab, meine Augen wirkten wach, auch wenn die leichten Ringe darunter meine Müdigkeit verrieten, immerhin war ich an mindestens 8 Stunden Schlaf pro Nacht gewohnt. Doch schlafen könnte ich in meinem jetzigen Zustand, zu der jetzigen Situation niemals. Dafür hielten die Ereignisse meinen Kopf viel zu wach, sodass es gar nicht in Erwägung kam, einzuschlafen. Allein der Gedanke daran klang skurril, bei den ganzen Dingen, die sich zugetragen hatten. Ich sah aus dem Fenster und betrachtete die dunkle Landschaft, wie bereits auf der Hinfahrt. Mir war bewusst, wie langweilig diese Fahrt werden würde, denn ich hatte das Gefühl, dass Law von sich aus nicht einmal den Mund öffnen würde. Und das störte mich gewaltig. Doch etwas, was mich ebenfalls störte, war, wie mein Orientierungssinn langsam verloren ging. Im Moment kam mir keins der Schilder oder auch nur etwas in der Umgebung vom Hinweg bekannt vor, so, als würden wir eine völlig neue Strecke fahren. Denn auch, wenn ich nicht den ganzen Weg kannte, das Ende hatte ich mir gemerkt und dieses befuhren wir gerade sicherlich nicht. Mit hochgezogener Augenbraue blickte ich zu Law, doch dessen sturmgraue Augen klebten noch immer auf der Straße, die Hände zitterten, während er das Lenkrad drehte und wir einen kleinen Berg hochfuhren. Ich wusste nicht, ob er mich nicht sah, oder nur so tat, jedenfalls kam es mir so vor, als ob es kaum zumutbar war, ihn noch fahren zu lassen. Denn so, wie er gerade aussah, war es das auf keinen Fall. Dazu kam, dass ich nicht wusste, wo wir waren und ich mir nicht sicher war, ob er mir das in seinem labilen Zustand sagen konnte. Ich beschloss ihn zu fragen, auch wenn sich etwas in mir dagegen sträubte. „Wo sind wir, Law?“, wisperte ich nur und blickte umher, erkannte jedoch nur Felder und einen kleinen Feldweg, in welchen wir einfuhren. Er sah mich noch immer nicht an, jedoch löste er eine seiner wackligen Hände vom Steuer und legte sich den Zeigefinger an den Mund. „Pscht“, kam es todernst über seine Lippen und ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Ich hielt einfach meine Klappe, auch wenn ich gerade ernsthaft darüber nachdachte, ob ich nicht lieber einfach aussteigen sollte. Was das Ganze hier sollte, war mir nämlich mehr als nur schleierhaft und irgendwie kam die Angst in mir auf. Es ging eine Zeit lang so weiter, wir fuhren nur über diesen kleinen Landweg, redeten nicht, sahen uns nicht an – ich hielt meine Klappe, wie er es anscheinend von mir wollte. Der Wald rückte urplötzlich näher heran, bis wir nur einige Meter hinter den ersten Tannen anhielten. Law schaltete den Motor, sowie die Scheinwerfer aus, das einzige Licht kam vom Mond und zeigte mir nur ganz schwach den seltsamen Ausdruck in seinen Augen. „Zeit zum Aussteigen, Kleiner“, sagte er mit diesem komischen, fast schon irren Blick und ich gehorchte, als ob er über mich herrschen würde. Vielleicht tat er das auch, denn um ehrlich zu sein, würde ich einen Großteil der Dinge tun, die er von mir verlangte. Wenn nicht sogar alle, nur, um herauszufinden, wer er war und dabei wäre mir jedes Risiko recht. Mein Atem beschleunigte sich, als ich die Beifahrertür nur einen Moment später öffnete und ausstieg. Die kühle Nachtluft veranlasste mich dazu, meine Jacke enger um mich zu wickeln und mir leicht über die Oberarme zu streichen. Diese Nacht war so unglaublich merkwürdig, fast so, wie damals, nur noch komischer. Denn diesmal wusste ich nicht einmal im Geringsten, was auf mich zukommen würde. „Komm“, Law, welcher ebenfalls ausgestiegen war, hielt mir auffordernd seine Hand entgegen, in seinen Augen wütete der Sturm, den die letzten Tage in ihm geweckt hatten. Ich glaubte, zu sehen, dass sie wässrig waren, doch dies wirkte auf mich so skurril, dass ich es als Einbildung abtat, auch wenn die Chance bestand, dass es gar keine war. Doch ob diese Chance hoch war, konnte ich nicht im Geringsten abschätzen. Denn eigentlich hatte ich noch nie etwas abschätzen können, was zu 100 Prozent richtig war, wenn es um ihn ging. Ich nahm seine Hand und er zog mich auf meine Beine, verdächtig nah an seinen Körper. Sein Herz schlug gegen meine Brust und ich sah ihn mit großen Augen an, erwartete, dass er mir sagte, was wir hier taten, doch er ließ seinen Mund verschlossen. Law blieb stumm, sah mich nur mit diesem nachdenklichen, beinahe schon abwesenden Blick an, während der kühle Wind durch seine Haare wehte und sie chaotisch wirken ließ. „Wir gehen“, flüsterte er, als seine Hand meine losließ und plötzliche Kälte diese erfüllte. Ich nickte, wusste jedoch nicht, ob ich nicht eher meinen Kopf hätte schütteln sollen. Immerhin hatte ich gar keine Ahnung von seinem Vorhaben, ich war verwirrt, unheimlich verwirrt. So bewegten wir uns nach vorne, folgten dem schmalen Weg in den Wald. Es war still, nur das Rascheln der Bäume im Wind war zu hören, gemischt mit dem Zwitschern eines Vogels etwas weiter entfernt. Irgendwann bemerkte ich, wie Laws Hand in seine Jackentasche glitt und er eine Zigarette aus dieser fingerte. Wir hielten kurz an, damit er sie mit vorgehaltener Hand anzünden konnte, ehe er den Rauch inhalierte und erleichtert wirkend die Augen verdrehte. Seine Finger zitterten, als er sie mir entgegen hielt und ich sie annahm, ohne nachzudenken, dann auch an ihr zog. Meine Lunge füllte sich mit Rauch, ließ mich wie verrückt husten und trieb mir Tränen in den Augen, ehe ich sie ihm zurückreichte. „Du bist also kein Raucher“, entkam es ihm leicht amüsiert über meine Reaktion wirkend und ich nickte schnell. „Dachte ich eigentlich auch von dir“, kam ich ihm entgegen und er lächelte matt, wirkte mit einem Mal strenger. „Das denkt so gut wie jeder“, antwortete er, sah mich dabei nicht an. „Ich will immerhin Arzt werden, deswegen weiß ich, welche Risiken du eingehst, wenn du deinem Körper bestimme Sachen aufbürdest.“ „Warum gehst du diese Risiken dann ein?“, fragte ich neugierig, blickte ihn jedoch auch nicht an. Er antwortete nicht, zumindest für einige Sekunden. Mir war mulmig zumute und ich fragte mich, ob ich etwas Falsches gesagt hatte. „Weil ich es faszinierend finde, meinen Körper zu zerstören, oder zumindest das Risiko einzugehen, dass er irgendwann zerstört sein wird“, kam es plötzlich über seine Lippen und ich sah ihn leicht entsetzt wegen seiner Einstellung an, fragte mich, wie er darauf kam, sich zerstören zu wollen. Denn vielleicht war er schon mehr zerstört, schon kaputter, als ich es zuvor angenommen hatte. Und vielleicht war es nicht gut, dass ich dies nun annahm. Ich erwiderte nichts, weil mein Mund mit einem Mal staubtrocken war. Law erwiderte nichts, weil er ganz einfach nichts zu sagen hatte, so wie immer eigentlich. Vielleicht hatte er auch einfach mir nichts mehr zu sagen, doch das wollte ich nicht denken. Plötzlich sah ich uns ein Licht am Rand des Weges entgegen kommen, ein winziges, im Anbetracht der Dunkelheit dieser Nacht dennoch furchtbar auffällig. Law drosselte seinen schnellen Gang, bevor wir kurz vor dem Licht, welches ich nun als Kerzenschein identifizierte, stehenblieben. Erst jetzt bemerkte ich das kleine, hölzerne Kreuz hinter der Kerze, tief im Gras steckend. Regentropfen fielen von diesem ab, tröpfelten auf den aufgeweichten Boden. Erst dann las ich den Namen und die Fragen bekamen mit einem Mal eine Antwort, fügten sich zu einem kleinen, dennoch brauchbaren Bild zusammen. „Corazon Rosinante † 15.09.2002 Es nimmt der Augenblick, was Jahre geben.“ Mein entsetzter Blick galt erst dem Grab, dann Law und wieder dem Grab, ein Kloß lag in meinem Hals, welchen ich einfach nicht herunterschlucken konnte. Ich atmete schneller, länger und wollte Laws Hand nehmen, doch sie befanden sich bereits in seiner Tasche. Mein Blick galt seinem Gesicht, er wirkte so versunken in Erinnerungen, dass ich mir schon Sorgen machte, er würde nicht mehr atmen. „Warum hast du nichts gesagt“, flüsterte ich so leise, dass er mich kaum hören konnte, meine Stimme klang so brüchig. Heute war der 15.09.2016 und ich glaubte, dass dies das erste Mal nach den ganzen Jahren war, dass Law noch einmal hier war und ihn besuchte. Er antwortete nicht und ich verstand das, ich verstand ihn. Denn ich hatte dasselbe durchgemacht, erst ein Jahr zuvor. Ich sah mich in ihm, in seine bedauernswürdigen Gestalt, in diesem trauernden Blick. „Soll ich dich alleine lassen?“, fragte ich weiter, erwartete jedoch kein Lebenszeichen von ihm. Allerdings schüttelte er erst den Kopf, drehte diesen dann zu mir und sah mich mit solch einem intensiven Blick an, dass ich mich gefesselt fühlte, gefesselt an ihn. Ein lautloses „Nein“ glitt über seine Lippen, ehe er erneut meine Hand nahm, mich zu ihm heranzog. Erst in diesem Moment bemerkte ich die leichten Tränen auf seinen Wangen, die Nässe in seinen Augen und ich war so erstaunt von dieser Gebrechlichkeit seinerseits, dass ich ebenfalls spürte, wie meine Augen begannen zu tränen. Wir waren uns so furchtbar ähnlich und gleichzeitig doch so verschieden. Meine Brust berührte seine, unsere Herzschläge passten sich einander an, so wie eben, nur noch viel intensiver. „Er ist hier gestorben, genau an dieser Stelle, ein Herzinfarkt. So schnell, einfach, so unbemerkt... Es gibt so viel, was ich dir erzählen könnte.. so viel“, er strich mit seinem Daumen über meine Wange, entfernte die Tränen unglaublich sanft. „Doch das passt nicht hier her, nicht an diesen Ort, zu dieser Zeit.“ Und ich nickte, als würde ich verstehen, warum er das sagte, doch das tat ich nicht. Allerdings störte es mich zu diesem Zeitpunkt, ich war zu sehr beschäftigt damit in seine blaugrauen Augen zu sehen, mich von ihnen verzaubern zu lassen. Ich liebte ihn, scheiße, ich liebte ihn wirklich. Mir auf die Lippe beissend, senkte ich meinen Blick, um mich nicht von meinen Gefühlen übermannen zu lassen, nicht die Verfassung zu verlieren. Jedoch glitt seine Hand zu meinem Kinn, hob es an, sodass ich ihn anblicken musste. Er lächelte, wirkte jedoch verunsichert. „Versprich mir etwas“, hauchte er, kam mir dabei näher. „Alles“, erwiderte ich so ernst, wie noch nie zuvor. „Versprich mir, dass das alles hier bleiben wird.“ Ich wollte etwas erwidern, ich wollte empört sein, sagen, dass ich dazu nicht in der Lage war, jedoch trafen in diesem Moment seine Lippen auf meine. Mein Körper begann zu zittern, die Beine waren weich, mein Bauch kribbelte unheimlich. Lüge oder Wahrheit? Ernst oder Spaß? Traum oder Realität? Ich wusste es nicht. Das Einzige, worüber ich mir im Klaren war, war die Tatsache, dass ich mich noch niemals zuvor so gut gefühlt hatte, wie in diesem Moment. Seine Lippen waren weich, bewegten sich unglaublich sanft gegen meine und ich erwiderte den Kuss. Ein warmer Arm umschlang meine Hüfte, zog mich näher an ihn heran, seine Hand krallte sich in meinen Nacken, um meinen Mund mit seinem zu verschmelzen. Mir wurde heiß und kalt zugleich, ich wusste nicht mehr wo oben und unten war, links oder rechts. Das Einzige was ich wusste, war, dass ich alles, wirklich alles für ihn tun würde. Denn jetzt, in diesem Moment liebte ich ihn noch mehr, ohne zu wissen, was von nun an auf mich zukommen würde. Ich war verwirrt und glücklich, eine Mischung, die töten kann, wenn sie das möchte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)