My lovely Valentine von Tamanna (Geschichtensammlung zum Valentinstag) ================================================================================ Kapitel 7: Weil das Herz eben doch der Boss ist... -------------------------------------------------- Weil das Herz eben doch der Boss ist... Müde... Er war so müde. So sehr, dass er nicht aufgepasst hatte, wo er eigentlich hingelaufen war. Er sah auf und stellte fest, dass er im völlig falschen Bezirk stand. Da er hier schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr gewesen war, entschied er einfach weiter zu gehen. Allerdings kam er nur bis zu einem riesigen Gebäude, dass seine Aufmerksamkeit voll und ganz in Beschlag nahm. Es war ein riesiges Firmengebäude. Viel Glas. Vor dem Gebäude stand ein Querschild, dass in beide Straßenrichtungen den Namen der Firma kündete. Dieser Name. Er ging noch ein Stück vorwärts und sah direkt auf den Eingang. Eine Glastür, die sich öffnete, wenn man nähertrat. Wie lange war das her, dass er das letzte Mal diese Firma betreten hatte? Ein paar Jahre definitiv. Seit dem letzten Mal war er über ein Jahr lang nicht mehr hier gewesen. Es hatte einen Streit gegeben. Er wusste bis heute nicht, was ihm mehr weh getan hatte. Die Worte, die gefallen waren... oder die noch heftigere Ohrfeige. Langsam drehte er sich wieder um, um weiter zu gehen, doch noch bevor er sich wieder dem Weg zugewandt hatte, prallte er mit etwas zusammen. Oder besser gesagt, jemand prallte mit ihm zusammen. So heftig, dass er stürzte und sein Kontrahent ebenfalls. Ein reißender Schmerz schoss in seinen linken Ellenbogen und seine Hände. „YUMAAA! Um Himmels Willen, pass doch mal auf, wo du hinläufst!!“, jammerte eine Mädchenstimme. „Auu...“, war die Stimme dieses Yumas zu hören. „Ist alles ok?“ Er sah auf und in das Gesicht eines Teenagers mit einer blitzenden Kette um den Hals. Irgendwie konnte er sich da an einen neuen guten Duellanten namens Yuma Tsukumo erinnern. Und wenn er es recht in Erinnerung hatte, dann hatte dieser Yuma, wie Yugi damals, eine Art Geist an seiner Seite. Der Schmerz drängte in sein Bewusstsein zurück, während das Mädchen hinter Yuma die Augen aufriss. „Joey Wheeler? Oh Mann, Yuma du Idiot! Guck dir an, was du angerichtet hast!!“, fauchte sie. Yuma warf einen Blick auf Joey und sah die Schrammen an den Händen. „Oh Mann, tut mir Leid! Tut mir Leid!“, japste er und versuchte Joey irgendwie auf die Beine zu helfen. Joey stand etwas unsicher auf. Wegen des Schrecks und des Schmerzes schoss Adrenalin in seinen Körper und er fühlte sich verdammt zittrig. „Ist alles in Ordnung? Du siehst gar nicht gut aus.“, sagte das Mädchen. „Ja... Ja geht schon.“, antwortete Joey und tat einen vorsichtigen Schritt vorwärts. Da sah sie seinen Ellenbogen. Der hellgraue Pullover färbte sich langsam immer mehr blutrot. „Warte mal!“, japste sie. „Tori, du siehst doch, dass er weiter will! Und wir übrigens auch!“, schnappte Yuma doch Tori sah ihn finster an, während Joey sich wieder ihnen zuwandte. „Er ist verletzt, Yuma!“, fauchte Tori und sah dann Joey an. „Komm mit, wir gehen hier rein, die werden ja wohl ein Bad und ein Telefon haben. Wir säubern das und dann rufen wir einen Arzt, das hört ja gar nicht mehr auf zu bluten.“, sagte sie deutete auf das Firmengebäude. Joey folgte ihrer Hand und schüttelte den Kopf. „Nein... Ich kümmer mich zu Hause darum.“ Tori zog die Augenbrauen zusammen und Yuma tat einen Schritt von ihr weg. „Wir machen das jetzt so! Immerhin ist Yuma Schuld daran! Yuma hilf mir!“, sagte sie. Joey schaute sie erst fragend an, doch als sie und Yuma sich je einen Arm Joeys schnappten und ihn die Treppe hinaufbugsierten, verstand er. Er wollte sich wehren, doch die Müdigkeit hatte ihm seine Kraft geraubt. Nur widerwillig ließ er sich in das Gebäude zerren. Die Empfangsdame sah verwirrt auf. Solche Gäste hatte sie für gewöhnlich nicht zu melden. „Kann ich helfen?“, fragte sie und erhob sich um zu gucken. „Wo ist hier ein Bad?“, fragte Tori herrisch. „Äh... Den Gang runter. Aber was ist denn passiert? Soll ich einen Arzt rufen?“ „Ja wenn wir zurück sind. Danke.“ Tori und Yuma wollten Joey gerade weiter den Gang entlang schieben, als die Fahrstuhltür vor dem Gang sich öffnete. Heraus trat ein hoch gewachsener imposant wirkender Mann. Sein langer Mantel flatterte hinter ihm her. Er hatte dunkelbraunes Haar und eisblaue Augen, die klar wirkten und ihre Umgebung umfassend und schnell registrierten. Er sah zum Empfang und sah die drei jungen Leute. Er sah auch, dass einer von ihnen verletzt war. „Was ist hier los?“, fragte er mit einer tiefen Stimme. Tori und Yuma sahen sich zu ihm um. „Kaiba...“, hauchte Tori erschrocken und stammelte zusammen, was sich gerade ereignet hatte. Seto Kaiba hörte stillschweigend zu und nahm war, dass Blut auf seinen Eingangsboden tropfte. Dann wanderte sein Blick an der Person entlang nach oben, zu der es gehörte. Dieser Blondschopf. Natürlich, das war er! Aber was machte er hier? Er ging völlig ohne Vorwarnung auf sie zu und nahm den beiden jungen Duellanten den Blondschopf aus den Händen. „Schluss mit dem Gehampel, ich kümmere mich darum!“, sagte er und zog den Blondschopf am Arm zum Fahrstuhl. „Schicken Sie die Kinder wieder weg, wischen Sie das Blut auf und kümmern Sie sich um die Post!“, wies er die Empfangsdame an. „Natürlich.“, bestätigte sie und schickte Yuma und Tori mit freundlichen Worten wieder weg. Seto hingegen zog Joey in den Fahrstuhl, drückte eine Taste und ohne jedes Wort fuhren sie bis fast ganz nach oben. Noch immer schweigend führte er ihn in ein Büro , dass einen atemberaubenden Blick auf die Stadt bot und drückte ihn in einen schwarzen Ledersessel. Dann holte er einen Verbandskasten und einen warmen Lappen. Vorsichtig krempelte Seto Joeys grauen Pulloverärmel über den blutenden Ellenbogen und drückte ihm den warmen Lappen auf die Wunde. Dann schob er den Arm hoch und forderte wortlos, dass er in dieser Position zu bleiben hatte. Joey befolgte die schweigende Anweisung und beobachtete, wie Seto eine kleine weiße Sprayflasche, ein Mull, eine Verbandsrolle und Tape herausholte. „...Das ausgerechnet du dich hier vor der Firma über den Haufen rennen lässt...“, murmelte Seto, desinfizierte Joeys Handkanten, nachdem er sie gereinigt hatte und begutachtete dann die Verletzung. Die Blutung hatte sich verringert und so schlimm sah es gar nicht mehr aus. Es war mehr geschürft und aufgescheuert als dass eine ernsthafte Verletzung vorlag. Er nahm das Spray und sprühte zweimal um die ganze Wunde zu desinfizieren. Dann legte er das Mull auf und fing an, die Verbandsrolle darum zu wickeln. „Warum machst du das?“, hörte er Joey leise fragen und sah auf. „Du vergisst wohl, dass ich einen jüngeren Bruder habe. Ich weiß sehr wohl, wie man solche Verletzungen behandelt.“ Joey schloss für einen Augenblick die Augen. „Das meine ich nicht...“ Seto wickelte noch das Tape herum, damit der Verband nicht wieder verrutschte, wenn er sich bewegte. „Was meinst du dann?“, fragte er teilnahmslos. „Erst machst du mich damals so fertig und dann das jetzt? Warum?“ Seto sah mit düsterem Blick auf. Joeys Stimme hatte verlangsamt gewirkt. „Was hat das jetzt damit zu tun? Das ist eine halbe Ewigkeit her und was interessiert mich das, was damals war. Du bist jetzt hier und du bist verletzt. Soll ich dich in ein Krankenhaus bringen lassen? Dir ist hoffentlich klar, dass die dich da behalten werden! Die werden noch einiges anderes finden!“, sagte Seto. Joey sah ihn fragend an. „Wie meinst du das?“, kam dann endlich die Frage, als Seto den Verbandskasten gerade wegbrachte. Als er zurück kam knallte er die Hände auf die Sessellehnen und sah Joey ernst in die Augen. Das Geräusch erinnerte Joey an die Ohrfeige von damals. Das hatte genauso geknallt. Ihre Gesichter waren sich so nahe, wie noch nie. „Hast du dich in letzter Zeit mal im Spiegel angesehen?! Deine Augen sind glasig, du hast dicke Ringe unter den Augen, deine Gesicht sieht aus wie eine Kalkwand und du reagierst wie ein Faultier!! Entweder schluckst du irgendwas oder du bist krank! Was glaubst du denn, was die im Krankenhaus mit dir alles anstellen? Die stecken dich in einen Computertomographen, lassen dich mit Kabeln am Körper Fahrrad fahren und machen haufenweise Bluttests! Was ist dir lieber?!“, sagte er aufgebracht und mit jedem Satz war er lauter geworden, bis er ihn zuletzt fast angeschrien hatte. Joey war im Sessel derweil zusammengesunken. „Ich bin müde, das ist alles...“ „Müde?!“, schnappte Seto und stand, genervt mit den Augen rollend, wieder auf und kehrte ihm den Rücken zu. „Ich hab seit vorgestern nicht mehr geschlafen... das ist alles.“, fügte Joey hinzu. Seto schüttelte den Kopf, drehte sich wieder zu ihm um und zog ihn auf die Beine. Wiederum wortlos wie vorhin führte er Joey noch einmal zum Fahrstuhl. Sie fuhren jetzt ganz nach oben und Seto brachte ihn seine Wohnung. Er führte ihn zum Bett und drückte ihn auf die Matratze, legte die Decke über ihn und ging, nachdem er das Zimmer verdunkelt hatte. Immerhin war es noch früher Vormittag.   Wieder in seinem Büro ließ sich Seto auf seinen Stuhl sinken, legte die Fingerspitzen aneinander und ließ seinen Gedanken freien Lauf. Was ist nur mit ihm los? Er sieht miserabel aus um nicht zu sagen ziemlich schlecht... Ich hab ihm damals schon gesagt, was er macht, ist nicht gut!   Flashback... Vor über einem Jahr. Yugi hatte riesigen Erfolg. Er war der beste Duellant, den es gab. Jeder wollte ihn für irgendetwas anwesend haben. Er hatte kaum noch Zeit für seine Freunde. Einzig Téa begleitete ihn oft. Tristan war inzwischen mit Joeys Schwester Serenity zusammen. Da Serenity studierte und Tristan sie dabei unterstützte, hatten die beiden auch kaum Zeit. Joeys Duellfähigkeiten waren natürlich auch sehr gut aber noch lange nicht so hervorragend wie die von Yugi. Da er aber gerne Duelle spielte und das auch weiterhin machen wollte, suchte er nach einer Möglichkeit, wie er das anstellen konnte. Er fand eine Duellarena die ihn aufnahm. Schon bald merkte er aber, dass hier noch ganz andere Dinge liefen. Er wollte sich davon aber nicht stören lassen und duellierte sich weiter dort. Zumindest bis es einer von ihren Freunden bemerkte. Und es war ausgerechnet dieser hochnäsige und arrogante Seto Kaiba. Er musste ihn gesehen haben und hatte ihn dann, als Joey zufällig an der Kaiba Corp. vorbeikam sofort angesprochen. Damit nicht die ganze Straße involviert wurde, hatte er ihn in einen der Konferenzräume im Erdgeschoss gebeten. „Was machst du da in dieser Arena? Duellierst du dich? Weißt du eigentlich, was du da tust? Aus dieser Arena kommst du nicht mehr ungeschoren raus! Die schleifen ihre Duellanten bis aufs Blut, hast du das noch nie gehört? Beende es lieber jetzt, als dass du es irgendwann bereust!“, hatte Seto damals gesagt. Joey hatte es nicht interessiert. „Was hab ich denn großartig? Ich bin kein so guter Duellant wie Yugi! Der übrigens ständig auf Tour ist. Was hab ich denn noch von meinem besten Freund, wenn er nie da ist?! Irgendwas muss ich machen und ich fühle mich da wohl! Also rede du mir nicht noch rein, ich sollte es lassen!“ „Du bist so ein Idiot! Da will man dir einmal einen guten Rat geben und dir helfen und du? Du siehst ja nicht einmal, in was für eine Situation du dich bringst! Du hast keine Ahnung, worauf du dich da einlässt, wenn du weitermachst! Ich hatte gedacht, du hättest wenigstens ein bisschen was im Kopf, aber anscheinend habe ich mich getäuscht! Wie dumm bist du eigentlich??“ Joey hatte ihn daraufhin wütend angesehen und war näher getreten. „Ich ein Idiot? Dumm?? Und was bist dann du? Du hast alles und kannst alles haben, was du nur willst – meine Probleme hast du ja nicht! Ach und megaschlau bist du auch noch! Und dann willst mir gute Ratschläge geben?? Du arroganter, selbstsüchtiger Schnösel hast doch keine Ahnung!!“ BAM!! Da war es auch schon geschehen. Eine knallende Ohrfeige, die heftig auf Joeys Wange gebrannt hatte. Wortlos und mit schmerzverzerrtem Gesicht hatte Joey den Konferenzraum verlassen... Flashback Ende   Seto seufzte. Irgendetwas stimmte mit Joey ganz und gar nicht. Wenn er wieder aufwachte und immer noch so schlecht aussah, dann würde er ihn ganz sicher in ein Krankenhaus bringen. Jetzt wollte er erst einmal wissen, was wirklich los war. Und warum um alles in der Welt Joey bei diesem kalten Februarwetter ohne Jacke durch die Stadt gelaufen war. Er suchte eine Telefonnummer in seinem digitalen Telefonbuch und ließ sein Programm wählen. Das Bluetooth-Headset saß an seinem Ohr und er hörte das Freizeichen. „Gut du das du da bist.“, war seine Begrüßung. „Was gibt’s?“, war die einfache Frage auf der anderen Seite. „Du musst etwas für mich rausfinden.“ „Name?“ „Joey Wheeler.“ Er hörte das Tippen auf einer Tastatur. „Was noch?“ „Persönliches und die Arena. Du weißt, welche ich meine. Was macht er dort?“ „Noch was?“ „Wie lange brauchst du?“ „Kein Ding, ist schnell erledigt. Ruf mich in einer Stunde wieder an.“ Klick. Seto sah aus dem Fenster und auf die belebte Stadt. In einer Stunde würde er wissen, warum Joey so blass und krank aussah. Er schaute auf seinen Bildschirm, doch an arbeiten war jetzt nicht zu denken. Er stand wieder auf und ging zurück zu Joey. Der war bereits eingeschlafen. Schlafend sah er nicht mehr so schlimm aus. Ihm fiel auf, dass er vergessen hatte, den zerrissenen Pullover Joeys auszuziehen. Behutsam zog er die Ärmel aus und dann den Rest den Pullovers über Joeys Kopf. Und ausgerechnet das, was er sah, erinnerte ihn daran, warum er damals so wütend geworden war, als er erfahren hatte, was Joey tat. Der Pullover sank auf den Boden und Seto ließ sich auf der Bettkante nieder. Er betrachtete Joey genau. Das blonde Haar war strubbelig, wirkte stumpf. Sein Gesicht war immer noch blass, genauso wie seine Haut. Aber trotz dessen, dass es ihm offensichtlich nicht gut ging, sah der Rest von ihm dennoch einigermaßen trainiert aus. Er deckte ihn wieder zu und dachte daran, was damals passiert war. Was Joey ihm an den Kopf geworfen hatte. Er schaute sich in dem abgedunkelten Schlafzimmer um, von wo aus er in das Wohnzimmer sehen konnte. Ja, er hatte alles, was er haben wollte und er könnte durchaus noch mehr haben. Aber Joey hatte es damals vergessen und er vergaß es noch immer oft, woher Seto eigentlich kam. Dass er ganz genau wusste wie es war, wenn man nichts hatte. Und gerade deswegen hatte es ihn verletzt, was Joey gesagt hatte. Damals hatte es ihn selbst überrascht, dass er überhaupt so reagiert hatte. Es hatte jedoch nicht lange gedauert, bis es ihm egal war. Bis jetzt. Sollten die Ohrfeige damals und sein Handeln heute etwa den gleichen Gefühlen entsprungen sein? Er schaute zu Joey zurück. Sein friedliches Gesicht war bisher ein seltener Anblick. Wenn er daran dachte, wie Joey sich immer so leicht hatte aufziehen lassen. Wenn er es recht bedachte, hatte er es doch nur gemacht, weil der Blondschopf sich so schön darüber aufregen konnte. Weil er es gemocht hatte, wenn er ausgeflippt war. Weil er es liebte? Seto atmete tief durch und schloss die Augen. War es das? Liebte er es, wenn Joey auf seine Sticheleien reagierte? Oder war es Joeys Art, die er liebte? Oder etwa Joey selbst? Er stand auf und verließ das Zimmer. Das helle Sonnenlicht im Wohnzimmer blendete ihn. Er ging hinaus und verließ dann das Firmengebäude. Nur ein paar Häuser weiter die Straße entlang fiel sein Blick auf die vielen Werbungen für Schokolade. Morgen war ja Valentinstag. Dieser verrückte Tag, wo sich auf den Tischen der armen Kerle die Schokolade nur so stapelte. Und das alles, weil der Valentinstag schon seit einiger Zeit nicht mehr nur für Liebende war, sondern man inzwischen fast jedem um sich herum Schokolade schenkte. Die Honmei gab es demzufolge kaum noch, stattdessen zierten die meisten Bürotische oder was auch immer die Giri-choco – die Pflichtschokolade. Seto empfand dieses Getue als Blödsinn. Entweder die Frauen schenkten ihrem Liebsten die Schokolade oder sie ließen es einfach. Er ging die Straße entlang um auf andere Gedanken zu kommen, doch die ständig auftauchende Werbung für Honmei ließ ihm keine andere Wahl. Er musste trotzdem an Joey denken. Letztlich ging er in einen der Läden hinein und war direkt in einem Honmei-Kurs gelandet. Um die vielen Mädchen nicht zu stören, sagte er nichts sondern blieb stehen und hörte einfach zu. Vielleicht brachte ihn das ja auf andere Gedanken. Am Ende verließ er den Laden mit Schokoladentafeln und Formen zum Auskühlen. Draußen sah er auf die Uhr und eilte zu seiner Firma zurück. Oben im Büro wählte er die Nummer von vorhin und hörte sich an, was der Andere zu berichten hatte. Nach dem Gespräch legte er auf und blieb einen Moment sitzen, die Tüte auf dem Schoß. Dann stand er doch auf, fuhr mit dem Fahrstuhl zu seiner Privatwohnung hinauf und ging in die Küche. Er wollte jetzt nicht daran denken also probierte er stattdessen Schokolade zu machen, wie er es in dem Laden aufgeschnappt hatte. Er fügte noch ein paar Zutaten hinzu, die er finden konnte und von denen er meinte, dass sie passten. Ihm fiel auch wieder ein, dass die Verkäuferin sagte, dass Schokolade auch mit gegensätzlichen Geschmacksrichtungen harmonierte wie zum Beispiel Salz oder Chili. Die fertige Schokolade stellte er zum Auskühlen in den Kühlschrank und raffte sich dann auf, wenigstens noch ein bisschen seiner Arbeit zu erledigen.   Das bisschen seiner Arbeit war letztlich doch mehr geworden, sodass er beinahe erschrak, als er auf die Uhr sah. Es war bereits Mitternacht. Er beendete die Arbeit und streckte sich. Seine Muskeln taten ihm weh und die Augen brannten. Er ging hinauf zu seiner Wohnung und warf einen Blick auf Joey. Der schlief noch immer. Nun gut, er hatte wenigstens nicht gelogen, was seine Müdigkeit anging. Das wusste er nun. Aber dass er jetzt statt sich in dieser Arena zu duellieren dort den Kellner spielte, regte ihn genauso auf, als würde er sich noch duellieren. Joey hatte in dieser Arena einfach nichts verloren, ob nun als Duellant oder Kellner. Ja nicht einmal als Zuschauer. Auch wenn er dort nur kellnerte, so raubte es ihm doch sehr seine Freizeit, wie sein Telefonat bewiesen hatte. Er war so gut wie ständig dort. Seto schloss die Tür, nahm sich eine der Decken vom weißen Ledersofa und setzte sich auf den Sessel. Er starrte die Schlafzimmertür an. Warum macht er das? Wieso stürzt er sich vom Duellieren in die Kellnerarbeit? Doch nicht, weil keiner seiner Freunde mehr da ist, um mit ihm umherzuziehen? Oder ist er tatsächlich so stolz, dass er mit Yugis Erfolg nicht klar kommt? Das glaub ich kaum... So habe ich ihn nie erlebt. Er war doch nie eifersüchtig... Warum mach ich mir darum eigentlich Gedanken... Er stand noch einmal auf und ging zum Kühlschrank. Die Schokolade fiel ihm wieder ein. Er holte sie heraus und drückte den Block auf dem Küchenschrank aus der Form. Immerhin, sie sah wenigstens nicht aus, wie eine alte Dame nach dem Aufstehen. Er legte sie auf einen Teller und brachte sie zu Joey ins Schlafzimmer, wo er sie auf dem kleinen Tisch neben dem Bett abstellte. Dann ging er zurück, sank in den Sessel und schlief ziemlich schnell ein.   Als Joey erwachte, war es im Zimmer dämmrig, aber er fühlte sich zum ersten Mal seit langem wieder ausgeschlafen. Er richtete sich auf und suchte nach einer Uhr. Auf dem Tisch neben dem Bett stand ein Digitalwecker, der sogar eine Datumsanzeige hatte. Es war bereits der nächste Tag. Valentinstag... Er senkte seinen Blick und dann sah er sie. Dort lag tatsächlich Schokolade. Selbstgemachte Schokolade. Selbstgemacht? Eine Honmei? Wie... Er stand auf, nahm den Teller und ging hinaus. Im Wohnzimmer sah er Seto auf dem Sessel unter einer weißen Decke gekauert. Er schlief. Das dunkle Haar hatte sich aus seinem perfekten Styling gelöst und fiel ihm ins Gesicht. Joey stellte die Schokolade leise neben ihn auf den schwarzen Hochglanztisch und hockte sich vor Seto. Seine Finger wanderten wie automatisch zu Setos Gesicht und strichen die Strähnen beiseite. Oh ja, wie sehr hat es mich immer geärgert, dich zu sehen... Deine hämischen Kommentare zu hören. Ehrlich gesagt, hab ich das herausgefordert, glaub ich. Ich wollte von Anfang an wissen, wie es sein würde, wenn du platzt. Damals bist du geplatzt und mit so einer Ohrfeige habe ich eigentlich nicht gerechnet... Und jetzt stellt er mir hier selbstgemachte Schokolade hin? Was soll ich denn davon halten? Langsam wachte Seto auf und blinzelte ihn verschlafen an. Joeys Hand lag noch immer nahe seinem Gesicht auf der Decke. „Du bist wach? Wie geht es dir?“, fragte Seto müde. „Ich fühle mich so gut, wie lange nicht mehr. Aber...“ Seto richtete sich auf. „Aber?“ „Hast du mir die Schokolade hingestellt?“ Setos Blick fiel auf die Schokolade, die neben ihm auf dem Tisch stand. „Was glaubst du?“ „Naja, die Frage ist eher weniger, ob sie von dir ist... sondern warum?“ „Das frage ich mich selber...“, antwortete Seto und nahm die Schokolade. Er brach ein Stück ab und hielt es Joey hin. „Nimm, sie ist wirklich für dich. Und ehe du noch mehr fragst: Ja, ich habe sie selbst gemacht.“ Joey senkte den Blick und ein fast unmerkliches Lächeln tauchte in seinem Gesicht auf. Wenn jemand die Schokolade selbst macht, die Honmei, dann tut er es, weil er den anderen liebt. Er sah wieder auf und öffnete den Mund. Seto betrachtete ihn verdutzt, dann erinnerte er sich an die Worte der Verkäuferin. „Mädchen, wenn ihr die Schokolade nur kauft, dann bedeutet euch ihr Empfänger zwar etwas aber der Umfang eures Geschenkes entscheidet, wie viel er euch bedeutet. Macht ihr die Schokolade aber selbst, dann tut ihr es, weil ihr eure Liebe zeigen wollt. Liebe und Sympathie sind zwei verschiedene Dinge. Sie gehören zwar zusammen, aber einzeln zeigen sie uns, was wir tatsächlich für andere empfinden: Freundschaft oder Liebe.“ Das hat sie gesagt... Mein Kopf war wohl ausgeschaltet. Es ist wohl so, wie ich gehört habe... Das Herz ist eben doch der Boss. Er schob Joey das Stück Schokolade in den Mund und beobachtete, wie er es auf der Zunge zergehen ließ. „Lecker...“, war Joeys kleinlauter aber ernst gemeinter Kommentar. Ein Lächeln tauchte in dem sonst so kühlen Gesicht Setos auf. „Entschuldige die Ohrfeige damals... Ich war wütend. Weil du nicht auf mich hören wolltest.“ Joey nickte. „Tja und ich war tatsächlich dumm, wie es aussieht...“ „Allerdings...Aber eins sag ich dir: Das ändert sich jetzt! Die Arena wird zu spüren bekommen, was es heißt, sich mit der Kaiba Corp. anzulegen. Ich habe diese Blutsauger viel zu lange ignoriert. Die können was erleben.“, sagte Seto. „Und was ist mit mir?“, fragte Joey vorsichtig. „Du hast damals schon gesagt, die werden mich nicht rauslassen... Damit hattest du Recht.“ „Die werden dich rauslassen. Das überlass mir.“, antwortete Seto und ohne darüber nachzudenken wanderte seine Hand an Joeys Wange. Der Blondschopf sah ihn einen Moment lang an, bevor er spürte, wie Setos Hand seinen Nacken erreichte und ihn auf Augenhöhe zog. Schweigen war durchaus auch ein Markenzeichen Setos, wenngleich er eher für seine spitze Zunge bekannt war. Ebenso schweigsam zog er ihn nahe an sich heran und gab ihm einen Kuss. „Heißt das..?“, fragte Joey verwirrt. „Wir waren beide Idioten. Wir haben beide nicht verstanden, was uns eigentlich immer wieder aneinander geraten ließ. Jetzt lass uns aufstehen. Ich will mich darum kümmern, dass diese Arena verschwindet. Und du bleibst hier, ja? Die Schokolade kannst du aufessen.“, war Setos Antwort gefolgt von einem weiteren Kuss, der noch nach Schokolade schmeckte...     ~ owari ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)