Mein Name ist Haymitch von be-kind ================================================================================ Kapitel 5: Wo eine Wunde ist, bleibt eine Narbe ----------------------------------------------- Es gibt Momente da wünscht man sich, man könnte nie wieder aufwachen. Immer nur weiter schlafen und all den Schmerz und die Grausamkeit da draussen vergessen. Heute hätte ich mir das gewünscht, doch es kommt leider nie so, wie man es gerne hätte. Es fiel mir unglaublich schwer meine Beine über den Bettrand zu schwingen. Es war so verdammt anstrengend. Diesen Tag wird mir das Kapitol unvergesslich machen. Da war ich mich sicher. Gestern war ich definitiv zu müde um mich noch gross umzuziehen und so war ich einfach in meinen Alltagskleidern schlafen gegangen. Jetzt sahen sie zwar noch zerknitterter aus als vorhin, aber ich hatte mir noch nie gross Gedanken um mein Aussehen gemacht. Dieser Umstand ersparte mir nun eine morgendliche Prozedur und so riss ich einfach die Tür auf. Die anderen waren alle schon wach und sassen beim Frühstück. Hatte ich wirklich so lange geschlafen? Es schien jedenfalls so. Ich setzte mich rückwärts auf den nächst besten Stuhl und begann nervös mit meinen Fingerspitzen einen Rhythmus auf der Stuhllehne zu klopfen. Auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte war ich extrem nervös. Plötzlich hält eine Hand meine Finger fest. Es ist nur eine klitzekleine Berührung, aber ich ertrage sie in diesem Moment einfach nicht. Ich ziehe meine Hand weg und sehe Maysilee in die Augen. „Entschuldige, aber ich will nicht, dass mich jemand von euch anfasst. Dieses Privileg haben nur Leute, denen ich vertraue.“ Ich weiss nicht, ob ich sie mit diesen Worten verletzt gehabt hatte. Wenn dann zeigte sie es nicht. Maysilee erhob sich, ging zum Fenster und schaute starr hinaus. Sie schien nach dem Kapitol Ausschau zu halten. Ich liess ihr ihren Willen. Das war schliesslich nicht meine Sache. Aber Rowan machte es zu meiner Sache. Sie stellte sich breitbeinig vor mich hin und klopfte mir an die Stirn. Sie wollte mir wohl zeigen, dass ich mich nicht so zu benehmen hatte. Bei jedem Anderen hätte ich die Nerven verloren, doch sie hatte eine beruhigende Wirkung auf mich. Sie brauchte keine Worte. Sie hatte keine. Ich hatte schon von Anfang an vermutet, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Sie sprach nie und das war für ihr Alter recht ungewöhnlich. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie gar nicht sprechen konnte. Sie musste für irgendein Vergehen bestraft worden sein, denn sie hatten ihr die Zunge herausgeschnitten. Ich schloss die Augen, wollte es nicht sehen, wollte es nicht wahrhaben. Ich spürte ein brennen hinter meinen Augen und spürte, wie die Wut in mir hoch kochte. In einer Welt, in der Kinder geschändet wurden, wollte ich nicht leben. Nun verlor ich endgültig meine Beherrschung. Ganz langsam, jeder meiner Bewegungen bewusst, drehte ich mich um. Ich brauchte jemandem an dem ich meine Frustration loswerden konnte. Ohne nachzudenken, packte ich Rory an der Kehle und nagelte ihn an die Wand. „Sag mir wer das getan hat!“ schrie ich. „Wer hat ihr das angetan?! Antworte!“ Er antwortete nicht. Wie sollte er auch er bekam ja keine Luft mehr. Ich drückte noch fester zu. Ich wollte ihn in diesem Moment sterben sehen. „Hör auf.“ Maysilee klang gefasst fast ruhig. In ihren Augen war kein Funke von Mitleid für den Betreuer zu sehen. Es war nicht ihr Herz, welches sich zu Wort meldete, sondern ihr Verstand. „Lass ihn los.“ Auch wenn ich es nicht wollte, liess ich ihn los. Er plumpste wie ein Sack Mehl zu Boden. May stand immer noch am Fenster und Rowan kam langsam auf mich zu. In diesem Moment verspürte ich Abscheu. Nicht vor ihr, nicht vor dem Kapitol. Nein, ich verabscheute mich selbst dafür, dass ich beinahe einen Menschen umgebracht hätte. Ich wandte mich ab, wollte nicht, dass Rowan mir in die Augen sah. Was würde sie nun von mir denken? Plötzlich spürte ich eine kleine Hand an meiner Wange. Rowan sah mir ganz tief in die Augen, dann nahm sie meine Hand und legte sie auf ihre Brust. Mit diesem Zeichen zeigte sie mir, wie sehr sie mir vertraute. Diese Geste machte mich unendlich glücklich und traurig zu gleich. Was würde ich ohne sie bloss tun?! Innerlich sterben vermutlich. Auf einmal hörte ich die Stimme von Mian, dem anderen Jungen aus unserem Distrikt. „Wir sind da...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)