The Heart Collector von Gouda-kun ================================================================================ Kapitel 6: Kapitel 6: Die eine Katastrophe jagt die Nächste ----------------------------------------------------------- „Wem schreibst du da?“ Irritiert hob Marcel seinen Blick und schaute in die rot funkelnden Augen des Albinos, welcher neben ihn her ging und sich gerade seine fertig gedrehte Zigarette zwischen die Lippen schob. Die Sonne über ihren Köpfte neigte sich langsam dem Abendhimmel und trotzdem waren die beiden Jungen noch immer in Hamburg unterwegs, und nicht zu Hause, wie es sich Marcel wünschte. Bis zum Bahnhof war es noch ein weiter Weg - Ihr Aufenthalt in dem Tiergeschäft hätte länger gedauert, als erwartet. „Mit niemanden.“, lautete Marcels ehrliche Antwort und er ließ das Handy geschickt in seiner Hosentasche verschwinden. „Stimmt ja. Du hast ja keine Freunde mit denen du schreiben könntest.“ Die Gedanken an seine missliche Lage in der Schule wischte Marcel sämtliche Emotionen aus dem Gesicht. Frustriert rammte er seinen Fuß gegen eine leere Cola Dose, welche ein mal quer über die Straße flog. „Woher willst du das wissen?! Beobachtest du mich etwa?“, zischte Marcel vielleicht eine Spur zu scharf und starrte den Weißhaarigen wütend an. „Pfft! Als ob ich dass nötig hätte. Hast du schon vergessen, dass die Zwillinge ständig in deiner Nähe sind und mitbekommen, was abgeht? Weiß Jeremy schon wie es dir in der Schule ergeht, oder hast du ihm verschwiegen, dass du täglich gehänselt und verprügelt wirst?“ Kaum hatte Marcel diesen Satz richtig verarbeitet, schon stand er wie festgewachsen da und spürte mit Schrecken, wie ihm ein gewaltiger Kloß die Kehle zuschnürte. „Was hast... du gesagt?“ „Gar nichts...“, summte der Albino nun zufrieden. „Ich wiederhole nur die Beobachtungen der Andern. Aber im Grundgenomen, kann es uns doch egal was mit dir passiert... Solange du dich nicht veränderst, bist du kein richtiges Mitglied unserer Familie und nicht schützenswert.“ Ich weiß, dachte Marcel bitter und trottete mit hängenden Schultern neben den Älteren her. Jemanden zu lieben, ohne dass die Gefühle von der betreffenden Person erwidert wurden, war nicht nur schrecklich schmerzhaft, sondern auch ein Grund um seine Lebensfreude zu verlieren. Von dem Moment an wo er vor 14 Jahre zum ersten Mal seine Augen aufschlug, hatte er seine Familie bedingungslos geliebt. Früher hatte Marcel seine älteren Geschwister verehrt und sie für ihre Stärke bewundert. Aber heute konnte er nicht mehr sagen, was von diesen Gefühlen übrig geblieben war und was er nun für sie empfand. Hass, weil sie ihn verspotteten? Angst, weil sie ihn gerne leiden sahen? Oder Verachtung, weil der Bruder, der eingreifen könnte, nicht zwischen die Fronten geraten wollte und lieber im Hintergrund blieb? „Der Bahnhof kommt und kommt nicht näher... Ist das zum Kotzen! Wäre ich doch nur mal alleine gegangen...“ Die zischende Stimme des Weißhaarigen holte Marcel mit einen Schlag in die Realität zurück. Geschwächt, durch seine Erringungen, bemerkte er gar nicht wie der Mann plötzlich anhielt und bestimmend nach seinen Handgelenk griff. „Warte mal, Marci...“, knurrte der Ältere auf einmal scharf und zog Marcel mit einen kräftigen Ruck an seine Seite. „Wie es aussieht, muss der Bahnhof noch einen Augenblick warten...“ „Was meinst du damit?“ Aber offenbar war es dem Albino ziemlich egal was Marcel von seiner Äußerung hielt, denn er fixierte anstatt zu Antworten nur eine Gruppe aus Jugendlichen, die ein paar Meter entfernt hinter ihnen herliefen. Die Gruppe bestand hauptsächlich aus jungen Männern. Sie waren alle vielleicht zwischen 18 und 25 Jahren alt und sahen aus wie normale Partygäste, die mit Bierflaschen bewaffnet und einen dümmlichen Grinsen durch die Stadt spazierten. „Avalon.“, knurrte Marcel leise und bohrte seine Fingernägel in die schwarze Bikerjacke des Jungen. „Warum hast du auf einmal angehalten...? Wir sollten weitergehen und hier keine Wurzeln schlagen.“ „Halt deine Klappe!“, zischte der Albino namens Avalon wütend und umklammerte Marcels Hand so feste, dass der zierliche Junge ein leises wimmern ausstieß. „Siehst du eigentlich nicht, dass wir verfolgt werden? Entweder wollen die unser Geld haben, oder die wollen uns verprügeln.“ „Oder beides!“, brummte Marcel über die Schulter blickend. Auch wenn Avalon nach außen hin wie ein schwacher und gebrechlicher Junge wirkte, gehörte er zu den Personen, die man auf keinen Fall unterschätzen sollte wenn man an seiner Gesundheit hing. Und Marcel gehörte definitiv nicht zu den Personen, die Avalon in solchen Situationen bändigen konnte! „Alles klar, dann kratzen wir jetzt die Kurze. Aber sag nachher bloß nicht, ich hätte dich nicht gewarnt...!“ Mit diesen Worten warf sich Avalon den Jüngeren wie einen Mehlsack über die Schulter und schenkte ihren Verfolgern einen letzten finsteren Blick, bevor er zwischen ein paar Hausmauern verschwand. Reflexartig schlug er Marcel die Hand auf den Mund, da der Kleine offenbar nicht viel von seiner Momentanen Lage hielt und seinem Unmut schnaufend Luft machte. Marcel konnte sich schon vorstellen, warum Avalon lieber in eine finstere Gasse flüchtete, anstatt im Hellen auf der sicheren Straße zubleiben. Der Weißhaarige konnte kein Licht gebrauchen. Eben sowenig, lästige Passanten oder Schaulustige Menschen. Avalon brauchte den Schutz der Dunkelheit, wenn er sich und Marcel retten wollte... Ein paar Sekunden später bog der Angesprochene um eine Ecke und fand sich in einer verwinkelten Sackgasse wieder. In dieser abgelegenen Ecke gab es noch nicht mal eine einzige Laterne. „Das ist der perfekte Ort...“, zischte Avalon leise und ließ seinen Blick andächtig über die alten, schon halb zerfallenen Hausmauern gleiten. Empört Marcel riss den Mund auf. „Was soll der scheiß, Avalon?! Willst du, dass wir auffliegen? Ich weiß genau warum du hierher gekommen bist, aber Jeremy wird dir das Genick brechen wenn du das machst, was ich mir denke!“ „Ich sehe hier aber keinen Jeremy!“ Avalon schüttelte grimmig lachend seinen Kopf und rammte Marcel genervt seinen Ellbogen in die Magengegend. Stumm lauschte der Weißhaarige in die Dunkelheit. Wenn ihn seine Ohren nicht täuschten, hörte er das Getrampel von wütenden Füßen und grinste, weil die Männer seinen Köder ohne Schwierigkeiten geschluckt hatten. Die Geräusche kamen immer näher und mittlerweile spürte er auch, wie sein Blut unter der Oberfläche zu kochen begann. Ungefähr zu gleichen Zeit stürzten die ersten Männer in die Gasse und kniffen ihre Augen zusammen. „Hier sind sie!“, brüllte einer und stieß seinen Kumpel an. „Du schnappst du dir den Freak und ich mir das Mädchen, hast du verstanden?“ Währenddessen stand Marcel einfach nur da und konnte nichts dagegen unternehmen, oder sich von der Stelle rühren. Die Männer betraten die fast leere Sackgasse und Avalon zeigte ihnen ungeniert seine weißen Zähne, welche plötzlich eine Größe Ähnlichkeit mit den langen Fangzähnen eines Löwen bekommen hatten. Eingeschüchtert ging Marcel einen halben Meter nach hinten. Diese Kerle sahen definitiv gefährlich aus und wollten ihnen wie Avalon schon prophezeit hatte, wirklich an die Geldbörse gehen. Instinktiv presste Marcel die Tasche an seine Brust und funkelte die zwei Gestalten am Fuße der Gasse, abschätzend an. Wenn diese gemeinen Typen tatsächlich so dumm waren, wie sie auf den ersten Blicken aussahen, würden sie Avalons Drohgebärde nicht ernst nehmen... „Sorry. Ich habe nichts was ich euch gebe könnte.“ Avalon schob seine Hände in die Hosentasche und zeigte den Räubern, das sie bis auf eine Zigarettenpackung, leer waren. „Tut mir leid Jungs, aber ich bin total ausgebrannt. Der kleine Stricher hier neben mir... hat mich im wahrsten Sinne des Wortes total ausgesaugt...“ *xXx* Es dämmerte bereits, als Maxime von seinen Ausflug zurück nach Hause kam. Scarlett, seine Begleitung, hatte sich die ganze Zeit über sehr angespannt und reserviert verhalten; Anscheinend saß ihr immer noch der Schock in den Knochen. Ihr heimlicher Verfolger, dieser komische Typ aus dem Zug, wollte dem Mädchen einfach nicht aus den Kopf gehen. So paranoid es auch klingen mochte, aber Scarlett hatte an jeder Straßenecke inne gehalten und einen Blick über die Schulter geworfen. Langsam ließ sich Maxime auf sein Bett sinken und schloss für einen kurzen Moment seine Augen. Warum war ihnen der Mann gefolgt und warum kam es ihn so vor, als wäre er nur ganz knapp an einer wirklichen Katastrophe vorbei geschlittert? Anderseits wollte er auch nicht so ängstlich wie Scarlett erscheinen. In Hamburg wäre er zwar vor Angst fast gestorben, aber jetzt, mehr als 20 km von diesen geisteskranken Typen entfernt, fühlte er sich gleich viel mutiger... Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet Maxime, dass es noch zu Früh war um schlafen zu gehen. An einem Samstagabend sollte man lange aufbleiben... vielleicht in die Disko gehen... und sich einen heißen Liebhaber besorgen... Aber Raphael war für diesen Monat pleite. Immer noch. Und ohne seinen besten Freund, machte ein Besuch in der Disko nur halb soviel Spaß wie sonst. Also konnte Maxime nur eine Sache tun: Zuhause auf seinen Bett hocken bleiben und vielleicht noch eine weile im Internet surfen. Nachher, wenn es draußen richtig dunkel und unheimlich geworden war, konnte er immer noch seine Horrorspiele starten und eine runde Zombies abschlachten. Oder Aliens. Oder Dämonen. Oh ja, das klang nach einer tollen Idee. Nur er, seine PS3 und ein paar ausgedehnte Stunden mit dem neuen Teil aus der Spiele-reihe von Silent Hill. Aber jetzt war Maxime noch nicht in Stimmung dafür. Nachher, vielleicht so um 22.00 Uhr, wollte er mit dem zocken beginnen und in der zwischen Zeit...? Hmm, was konnte er da nur machen? Mal schauen was alles auf Facebook los war. Gesagt, getan. Kaum hatte Maxime seine Startseite aufgerufen, wurde er auch schon von einen Haufen Posts und Mitteilungen überflutet. Und Nachrichten waren auch dabei, eine gewaltige menge sogar. Nachrichten, von seinen alten Freunden aus dem Jugendheim, die sich demnach wohl immer noch für ihn Interessieren. Maxime chatte fast eine Stunde lang mit seinen ehemaligen Zimmernachbarn, und erfuhr dabei den neusten Tratsch und Klatsch von seiner alten Unterkunft. Erika hatte endlich eine Ausbildung gefunden. Nils jobbte seit 2 Wochen bei der Tankstelle zwei Straßen weiter um seine neue Wohnung zu finanzieren. Und Melissa war Schwanger... schon wieder! In diesem Moment wurde es dem Jungen etwas schwer ums Herz. Auch wenn er es bis jetzt nicht so richtig wahrgenommen hatte, aber in gewissen Momenten vermisste der das Heim schon. Dort hatte er mehr als 7 Jahre seines Lebens verbracht. Dort hatte er viele Freunde und Bekannte gefunden. Dort gab es eine ganze handvoll Erzieher und Pädagogen, mit denen er eine enge Beziehung pflegte, und mit denen Maxime über jedes Problem sprechen konnte... Da ihn diese Gedanken nur Deprimierten, verabschiedete er sich schnell von seinen Leuten und beendete die zermürbenden Gespräche. Eigentlich fand Maxime die neuen Meldungen auf Facebook, bis auf ein paar Ausnahmen, eher langweilig. Die Meisten kannte er schon aus der Tageszeitung, andere interessierte ihn schlicht und ergreifend einfach nicht. Gerade wollte Maxime das Fenster schließen, als ihn auf einmal doch eine Idee in den Sinn kam. Vielleicht gab es da doch noch eine Sache, die eine Neugierde entfachen konnte. Zuerst klickte Maxime auf das Eingabefenster der Seite und gab dann den Namen: „Kiley Sandojé“ in der Suchleiste ein. Da dieser Name nicht zu den geläufigsten gehörte, fand Maxime schon kurz darauf das richtige Profil und das Anzeigebild des dunkelhaarigen Schönlings, ähm, Bus-Remplers, erschien auf dem Bildschirm. Mit weit aufgerissenen Augen an starrte Maxime das kleine Profilbild an. Es zeigte Kiley von seiner besten Seite: Die kurzen, stufigen Haaren fielen ihm frech ins Gesicht, seine Augen funkelten spitzbübisch in die Kamera und er trug die ersten Knöpfe seines roten Hemdes offen, so dass man einen guten Blick auf seine makellose und trainierte Brustmuskulatur werfen konnte. Maxime fühlte sich zwar miserabel in seiner Haut, aber Kiley sah immer noch gut aus wie bei ihren ersten Treffen und obwohl seine besten Freunde so schlecht über ihn redeten, wollte er nichts anders tun, als ihn aus der Ferne an zu himmeln. Der Typ sah einfach umwerfend aus! Und leider... schien Kiley dass auch ganz genau zu wissen. Es gab mehr als 200 Bilder von ihm auf Facebook und alle zeigten einen selbstbewussten und strahlenden Jungen, welcher den Eindruck erweckte, als könnte ihn nichts auf der Welt etwas anhaben. Man sah Kiley mit vielen verschiedenen Leuten zusammen in die Kamera grinsen, sein Freundeskreis musste demnach galaktische Ausmaße aufweisen. Wie brachte er bloß diese ganzen Leute unter einen Hut? Traf er sich am Montag mit 50, am Dienstag mit 50, und am Mittwochs mit 50...? „Der braucht sich keine Gedanken über Mobbing machen. Der hat alles, was man sich nur Wünschen kann.“, murmelte Maxime in seinen nicht vorhandenen Bart und klickte eins der vielen Fotos an. Natürlich war es, wie alles an diesem Kerl, PERFEKT: das Licht, die Qualität, der Hintergrund, die Pose... Insgeheim fragte sich Maxime schon, ob diese Bilder wirklich selbst gemacht waren. Einige von ihnen saßen eindeutig professionell aus. So langsam kam ihn der Verdacht, dass Kiley mit seinem Aussehen auch bei einer Modellfirma arbeiten könnte – solche Bilder hatte unmöglich eine Leihe geschossen. Da konnte Kiley so hübsch sein wie er wollte! ...ansonsten war die Seite relativ leer. Kiley machte keine persönlichen Angaben zu seiner Person, dabei hatte Maxime eigentlich gedacht, dass er zu den Menschen gehörte, die alle paar Stunden irgendeinen Hirnlosen-Scheiss auf Facebook posteten - dieser Sorte gehörte Kiley offenbar doch nicht an. Er verriet nicht wo er zur Grundschule gegangen war, welche Hobbies er hatte, oder welche Filme er gut fand. Um ein eingebildeter Schönling zu sein, der ständig im Rampenlicht stand, wirkte er schon fast eine Spur zu verschlossen. Kopfschüttelnd kehrte Maxime schließlich auf die Anfangsseite zurück. Na gut. An sich fand er es ja nicht schlecht das der Sandojé seine Privatsphäre schütze, aber Maxime hätte gerne mehr über ihn erfahren! Seit 3 Wochen erschien der Junge immer wieder in seinen Gedanken, dabei hatte er noch nicht mal 5 Minuten am Stück mit ihm gesprochen. Bis jetzt konnte er nur auf die Erzählungen und Meinungen seiner Freunde zurückgreifen, doch eine Münze besaß bekanntlich immer zwei Seiten, oder nicht? Mehrere Minuten später fand Maxime auch Kileys Bruder auf einen Foto, dass erkannte er aufgrund seines Nachnamens: Ein junger Mann mit smaragdgrünen Augen stand dicht gedrängt neben Kiley und hatte ihm freundschaftlich den Arm um die Schulter geschwungen. Dem Namen nach zu urteilen, handelte es sich bei dieser Gestalt um seinen Zwillingsbruder, Daimon Sandojé. Von den Gesichtszügen her sah man ihnen ihre Verwandtschaft sofort an, ansonsten hatten die Brüder offenbar nicht viel mit einander gemeinsam. Mal abgesehen, von ihrer blassen Hautfarbe. Daimon besaß rote, schulterlange Haare, Kiley schwarze und kurze. Daimon wirkte von der Statue her wie ein Panzerschrank auf zwei Beinen, da sah eine dunkelhaarige Schönheit wie Kiley im Vergleich sogar schon zierlich aus! Aber der größte Unterschied brachte am Ende ihre Ausstrahlung. Der eingebildete Kerl aus dem Bus war von Natur aus vielleicht ein arrogantes, gemeines und herablassendes Arschloch... aber sein Rothaariger Bruder, sah aus wie ein Krimineller, dem man des Abends im Dunkeln besser nicht über den Weg lief. Na, wenn diese Ausstrahlung Rückschlüsse auf Daimons Charakter zuließ, war Maxime im Endeffekt also doch froh, dass er Kiley in die Arme gelaufen war und nicht ihm... Aber hatte Raphael nicht auch schon mal so was in der Art erwähnt? Mhm... *xXx* Zur gleichen Zeit, an einen anderen Ort: Nun klappte Marcel endgültig die Kinnlade runter. Das... Das hatte er sich nur eingebildet, oder? Das könnte doch nicht wahr sein? Seine Ohren mussten ihm einen Streich spielen! Hatte Avalon ihn gerade tatsächlich als „Stricher“ betitelt?! Anscheinend hatte Avalons Aussage nicht nur einen wunden Punkt bei Marcel getroffen, sondern auch bei den Männern, welche sich nun irritiert anschauenden. Inzwischen waren auch die anderen 3 Kerle angekommen und warfen neugierige Blicke in die Gasse. „Was hat der Freak gesagt?“, fragte einer verunsichert. „Das, dass Mädchen eigentlich ein Kerl ist und auf den Strich geht!“ „Aha! Dann hat er also die Kohle...“ Ein junger Mann, so groß und breit wie ein Wandschrank, löste sich aus der Formation und kam mit großen Schritten auf Marcel und Avalon zu. „Hey Blondie...“, säuselt er zärtlich. „Wenn du hier in Zukunft noch deine Brötchen verdienen möchtest, würde ich an deiner Stelle jetzt alles an Geld raus rücken, was ich bei mir trage...“ Natürlich besaß Marcel kein Geld. So ignorierte er den Groll gegenüber Avalon, bemühte sich um Ruhe und schüttelte seinen Kopf. „Ich habe keins... Und ich bin auch kein Prostituierter. Der Kerl hat einen Knall, er lügt!“ „Also vor 10 Minuten klang das aber noch ein bisschen anders...“, murmelte Avalon, die verwirrten Blicke der Männer ignorierend. „Vorhin schien es dir gar nicht schnell genug zu gehen, und jetzt ziehst du auf einmal den Schwanz ein, wo es prinzlich wird?“ Knurrend riss Marcel seinen Kopf herum. „Hallo?! Was erzählst du da für einen Unsinn? Als ob ich mein Geld mit so einer niederträchtigen Arbeit verdienen würde! Außerdem bringst du uns mit deinen dämlichen Gequatsche, nur noch mehr in Schwierigkeiten...!“ Bevor Avalon eine Antwort auf die Anschuldigung geben konnte, wurde Marcel auch schon am Kragen gepackt und gegen eine naheliegende Hauswand geschleudert. „Hey! Hier spielt die Musik! Ihr könnt später aus diskutieren wer nun Recht hat, ich will jetzt erst mal mein verficktes Geld sehen!“, zischte der Räuber ungeduldig. „Der Typ ist ein mieser Verräter. Ich habe ihm doch eben meine letzten 50 Euro für einen Blow-job gegeben!“, erklärte Avalon mit gespielter Entrüstung. „Er verarscht euch von vorne bis hinten! Aber wenn ihr mir nicht glauben wollt, bitteschön... dann schaut doch selber nach. Irgendwo muss das Miststück das Geld doch noch versteckt haben!“ Ängstlich begann Marcel zu Zittern. Was hatte sich Avalon da nur für eine tolle Idee ausgedacht? Die Räuber kamen allmählich immer näher, und die Möglichkeit auf einen Ausweg geriet immer weiter in den Hintergrund. Für Marcel gab es keine Chance um sich zu wehren. Die Kerle waren nicht nur 100 mal stärker wie er, sondern auch wohl 100 mal mehr dazu bereit, ihm bei der kleinsten Bewegung sofort das Genick zu brechen. Das Schweigen dauerte noch ungefähr eine halbe Atempause an, dann stand der massive Typ wieder vor ihm und presste Marcel die Fingerknöchel an die Kehle. „Du hast gehört was der Freak gesagt hat. Rück` das Geld raus, aber ein bisschen Dalli wenn ich bitten darf...“ Ohne eine Reaktion abzuwarten, griff der Mann nach Marcels Armen und verdrehte sie zu einen Kunstvollen Knoten auf seinen Rücken. Weniger Sekunden später kniete der Junge auf dem Boden, das Gesicht in die kalte Erde gedrückt und mit den sicheren Wissen, dass die Hände auf seiner Haut, ganz sicher nicht nur an Wertsachen interessiert waren... Die fremden Finger fuhren ihm grob über die Hüfte, kniffen in seine Arme und pressten seinen Brustkorb noch fester auf den Boden. Einander Kerl spreizte ihm währenddessen die Beine und zwang sie weit aus einander. Ein Stöhnen schlug von innen gegen Marcels geschlossene Lippen. Doch es war egal, niemand hörte seinen Klagelaut. Avalon stand noch immer wie eine Statue in der Ecke und beobachtete sie im Stillen. Sein blasses Gesicht glich einem emotionslosen Stein, nur ein feines Zucken umspielte seinen Mundwinkel. „Sollen wir ihn nachher mitnehmen, Boss? Mit dem Jungen kann man sicher noch eine menge Spaß haben...“, fragte einer der Übeltäter. Der große Mann mit den breiten Schultern, ließ auf die Frage hin seinen Blick über Marcels zitternden und zuckenden Körper wandern. Unbewusst leckte er sich über die plötzlich trockenen Lippen. Er musste gestehen, das der blonde Junge für einen gewöhnlichen Mann unglaublich attraktiv aussah. Seine Wangenknochen waren hoch, die roten Lippen luden zum Küssen ein, seine Nase war fein geschnitten und passte perfekt zu seinem hübschen Gesicht. Und dann waren da noch diese großen, unergründlichen Augen. Leider konnte der Räuber sie nicht lange betrachten, da Marcel den Blick abwendete und knirschend die Zähne zusammenbiss. Grinsend schob der Anführer seiner Männer zur Seite, er ging vor Marcel auf die Knie und legte ihm seinen Zeigefinger ans Kinn. „Na Blondie, hast du Lust nachher noch ein bisschen mit uns um die Häuser zu ziehen? Wir kennen hier ein paar nette Orte, die dir sicher gefallen werden.“ Ein raues Stöhnen wollte sich auf Marcels Mund schleichen, aber er blieb tapfer und schluckte den obszönen Laut mit einem leisen Gurgeln runter. Er war erregt, doch Marcel würde sich eher die Hand abhacken, als sich diese Schmach ein zugestehen. „Nimm deine schmutzigen Finger von meinen Gesicht...“, knurrte er und spannte seinen Kiefer an. Auch wenn es nicht beabsichtigt war, aber dem Anführer schien der Widerstand zu gefallen. Besitzergreifend glitt seine Hand über den schlanken Hals des blonden Jungen, rutschte unter sein enges T-Shirt und schob das Kleidungsstück nach Oben. Sofort war dieses wütende Funkeln wieder in Marcels Augen zurückgekehrt. Er drückte den Rücken nach hinten, aber der Fiesling zog ihn wieder an seine Brust zurück. Augenblicklich verfiel der Mann Marcels lasziven Anblick. Er wollte mehr davon haben! Neckend fuhr er mit den Fingerspitzen über die blasse Knabenbrust, und entlockte ihm auf diese Weise ein nicht ganz unfreiwilliges Keuschen. Grinsend hob der Kerl Marcel hoch, drückte ihn als wäre er so leicht wie eine Feder gegen eine Hausmauer, und positionierte sich zwischen seinen schlanken Beine. Langsam und Qualvoll rieb er seinen Unterkörper an den Schritt des Gefangen und grinste noch ein bisschen mehr, als er sah, wie sich die ersten Tränen in Marcels Augenwinkeln sammelten. „Verschwinde!“, schluchzte Marcel und stemmte seine Hände gegen die breite Brust des Mannes. „Du bist ekelhaft! Weißt du eigentlich wie Alt ich bin?! Würdest du es wissen, könntest du dich nicht mehr im Spiegel betrachten!“ Seufzend schüttelte der Fremde seinen Kopf. „Das interessiert mich nicht.“ Hartnäckig presste er seine Finger gegen Marcels Mund und wollte sich auf diesen Weg Zugang zu ihm verschaffen, aber der sture Junge dachte noch nicht mal im Traum daran. Knurrend zog der Kerl die Augenbrauen zusammen. Er spürte deutlich, wie Marcels Erregung gegen seinen Bauch rieb und dieses unbeschreibliche Gefühl, brachte den Mann fast um den Verstand. Schnaufend warf er alle seine Bedenken über Bord und rammte er sein eigenes, steinhartes Glied, zwischen Marcels Beine, wo er dessen geschwollenen Schritt zugleich mit festen, langen Stößen bombardierte. „Du bist total Geil und wehrst dich trotzdem gegen mich?“, zischelte der Räuber kurzatmig. „Bin ich wirklich so abstoßend, oder bist du einfach nur ein bisschen masochistisch veranlagt?!“ Fast gleichzeitig bemerkte Marcel einen energischen Ruck an seiner Hose und wie schamlose Finger den Reißverschluss des kurzen Kleidungsstückes öffneten.Wenige Sekunden später musste auch der Knopf seinen Dienst aufgeben und Marcel erstarrte vor Angst. Jedes Stückchen Haut, das frei gegeben wurde, machte ihn hilfloser und schutzloser. Langsam begann sich seine verkrampfte Muskulatur zu lösen. Er war einfach zu schwach. Er nicht in der Lage um sich zu befreien... Endlich gehorsam, hingt Marcel dann ohne Hose doch mit mächtig Panik, in den Armen des Mannes und bemerkte in seiner Angst gar nicht, das es plötzlich Still um sie geworden war. Gespenstisch Still sogar. Dem Mann entging die seltsame Stille jedoch nicht. Er wendete die Augen von Marcel ab, runzelte verwirrt seine Stirn und ließ den Kopf einmal von links nach rechts huschen. Plötzlich war die Gasse wie leer gefegt. Nur noch Marcel und er waren hier. Von seinen Freunden, konnte der Mann seltsamerweise nichts mehr hören oder sehen... „Na, macht es dir Spaß einen Minderjährigen zu vergewaltigen...?“ Der Kerl stöhnte erschrocken auf und wollte sich umdrehen, aber eine unglaublich große Hand bohrte ihre langen Finger in seine Haare und machte so jede Bewegung unmöglich. Überraschend ließ er von Marcel ab. Noch bevor die düstere Stimme ein weiteres Wort sprechen konnte, rammte der Fiesling seinen Ellenbogen nach hinten, doch alles was er traf, war ein flachen Gegenstand, so hart und unnachgiebig wie eine Steinmauer. Ein schmerzerfülltes Brüllen brachte die Gasse in den nächsten Sekunden für einen Moment zum beben. Marcel, der ziemlich unsanft auf den Boden gelandet war, rieb sich knurrend über den pochenden Hintern. Allerdings klang das Wimmern des Banditen wie Musik in seinen Ohren. Er sah, wie der Mann geistesgegenwärtig zurück taumelte und seinen Arm umklammerte. Etwas schien ihm große Schmerzen zu bereiten. Und wenn Marcel seiner Intuition vertrauen konnte, dann wusste er auch was: Ein zersplittertes Radiusköpfchen und mehrere Knochenbrüche im Unterarm. „Was wird hier gespielt?!“ Panisch warf der Räuber einen Blick in jede Ecke der Gasse und suchte nach dem Besitzer der ominösen Stimme. „Ich habe keine Angst vor dir, du Mistkerl! Komm raus wenn du dich traust und versteck´ dich nicht so feige in der Dunkelheit!!“ Ob die Person Feige war oder auch nicht, blieb ein Rätsel. Marcel schlüpfte in seine kurze Jeanshose und kämpfte sich wieder auf den Beine. Ein mörderischer Ausdruck verzerrte sein schönes Gesicht zu einer hässlichen Grimasse. „Es war das letzte mal, dass du mich oder irgendeinen anderen Menschen auf die Weise angefasst hast!“ Knurrend hob Marcel seinen Kopf und spähte in die Dunkelheit. Inzwischen hatten sich auch die Tränen aus seinen Augenwinkeln gelöst und seine erhitzten Wangen benetzt. „Jetzt wirst du mir Büßen!!... AVALON!?!“ *xXx* Am Sonntagmorgen schleppte sich eine Rosahaarige Person mit hängenden Schultern und langsamen Schritten über die Straße. Obwohl schon fast der Mai vor der Türe stand und die Temperaturen immer angenehmer wurden, pfiff heute ein kalter Wind über Bergedorf hinweg. Maxime schaffte es kaum die Augen offen halten und musste eine kurze Pause an einer Laterne einlegen, bevor er seinen müden, noch halb am schlafenden Körper weiter in Richtung Ortsausgang transportierte. Vor genau 54 Minuten und 42 Sekunden, also um 7. 13 Uhr, hatte ihm Raphael eine Nachricht geschickt und vorgeschlagen, eine Runde durch den Wald zu Joggen. Normalerweise freute sich Maxime riesig über so eine Einladung, aber nicht zu einer so frühen Tageszeit! Und außerdem stank dieses Angebot bis zum Himmel. Raphael hasste Sport! Er bekam doch schon einen Herzinfarkt wenn er die 5 Etagen zu seiner Mietwohnung hoch laufen musste, und jetzt wollte er allen ernstes mit Maxime, dem Leichtathletik-Ass seiner Jahrgangsstufe, durch den Wald joggen? Da musste es doch irgendwo einen Hacken geben... Vor allem klang es komisch dass er durch diesen Wald gehen wollte – vom Ausmaß her erinnerte er eher an einen kleinen Dschungel und in der Nacht, oder eben am frühen Morgen, wirkte er manchmal ziemlich unheimlich... Ein paar Minuten später hatte Maxime das Stadtzentrum verlassen und entdeckte zwei Gestalten am Eingang des Waldes stehen. Die eine winkte ihm freundlich lächelnd, die andere sah so aus, als ob sie vor Müdigkeit jeden Moment umkippen könnte. „Du bist Spät, Kumpel!“, rief Raphael und grinste noch ein Stückchen breiter. „Wo wärst du so lange? Es ist gleich schon viertel nach Acht. Du hättest schon längst hier sein sollen, Mann! Sonst beschwerst du dich doch immer wenn ich zu spät komme.“ Maxime machte nur eine wegwerfende Geste und rollte mit den Augen. „Jammer nicht nicht so viel. Sag mir lieber mal, warum du mich heute um so eine unchristliche Uhrzeit hierher bestellt hast. Was soll der Mist? Es ist Sonntag, da möchte ich ausschlafen.“ „Darauf kriegst du keine gescheite Antwort. Das habe ich auch schon versucht...“ Bei der zweite Person, die fast aus den Schuhen kippte, handelte es sich um Charlotte. Sie sah genau so erschöpft aus wie Maxime und ihrem mürrischen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, würde sie auch viel lieber zu Hause in ihrem Bett liegen. Das braunhaarige Mädchen stieß einen tiefen Seufzer aus und umarmte den Neuankömmling. Als sie ihre Wange gegen Maximes Halsbeuge drückte, streifte ein warmer Atemzug ihr Gesicht und sie kicherte leise in sein Ohr. „Hey Maxi... ohne Schminke und Minirock siehst du tatsächlich aus wie ein richtiger Mann.“ Etwas erstaunt stimmte Maxime in ihre Lachen ein und verpasste Charlotte einen leichten Schlag gegen den Oberarm. Doch schon im gleichen Moment, folgte er ihren Blick und schaute an sich herab; Heute trug er nur eine knielange Sporthose und ein rotes T-shirt, keine extravagante Kleidung wie sonst immer. So sah er in der tat aus wie ein junger Mann. Die Arme vor der Brust verschränkt, wartete Raphael darauf das seine Freunde ihre „Begrüßungs-Zeremonie“, beendet hatten und trat dann aus den Schatten der Bäume hervor. Er blinzelte kurz in die Sonne, dann wieder zurück auf den Bildschirm seines Handys. „Hier sind wir richtig wenn sich mein Navi nicht geirrt hat. Das muss wohl der Wald sein, wovon alle sprechen...“ Fragend wechselten Maxime und Charlotte einen kurzen Blick. Ein Blick, der breites alles sagte: „Was hatte sich Raphael jetzt schon wieder für eine kranke Idee in den Kopf gesetzt?“ „Wovon sprechen alle...?“, fragte Maxime nun neugierig, als Raphael keine Anstalt machte seine Behauptung näher zu erklären. Kurzentschlossen nahm er ihm das Handy aus der Hand und warf selbst einen Blick auf den Display. Wie erwartet, konnte er dort Raphaels Navigationsprogramm erkennen welches an dem Platz wo sie gerade standen, mit einem roten >X< markiert war. Verblüfft legte der Blonde seinen Kopf schief. „Jetzt sagt mir bitte nicht, dass ihr noch nicht von der Sache im Wald gehört habt? Es steht doch schon seid Tagen in der Zeitung, auch auf Facebook gab es heute morgen einen kurzen Bericht.“ „Ähm...“ Charlotte kratzte sich nachdenklich am Kinn. Die Sache im Wald... da klingelte es doch bei ihr. „Redest du von den Wilderen die schon seit Monaten durch die Gegend ziehen und die Tiere aus den Wäldern erschießen?“ Raphael nickte. „Genau. Vor drei Tagen haben sie wohl schon wieder zugeschlagen und zwei Rehe getötet. Die armen Viecher waren bis auf die Knochen komplett ausgeweidet... da konnte man an Organgen nichts mehr finden. Ein Jäger hat die Kadaver bei einen Streifzeug zufällig im Wald gefunden, und sofort die Polizei alarmiert. Anscheinend war das ein richtig heftiger Anblick. In einem Interview hat der Jäger erzählt, das er so was bestialisches und Grausames noch nie zuvor gesehen hat.“ Maxime verzog sein Gesicht. Wovon zum Teufel redeten seine Freunde da? „Wilderer? Solche Leute gibt es hier wirklich? Davon habe ich ja noch gar nichts mitbekommen.“ „Jap, die sind ein immer wiederkehrendes Problem.Die Typen sind hier schon längere Zeit unterwegs. Ein Kumpel von mir hat mir neulich erzählt, dass es in den vergangenen 10 Jahren immer wieder zu solchen Vorfällen gekommen ist und das die Täter nie gefunden wurden. Irgendwie, hinterlassen die keine Spuren.“, Raphael legte seine Stirn und Falten schaute zum Wald. „Die Polizei weiß noch nicht mal, ob die Wilderer die Tiere nur zur Spaß töten oder auf den Schwarzmark verkaufen. “ In der Zwischenzeit hatte Charlotte ihr Handy aus der Hosentasche gezogen und die passende Internetseite mit dem Bericht geöffnet. „Aha. Ich habe hier ist noch etwas Interessantes gefunden! Hört mir mal zu: Im letzten Monat, also im März, haben die Wilderer eine ganzen Wildschwein-Familie gefangen, und... urg! Hier sind sogar ein paar Bilder von den Tieren. Jetzt kann ich verstehen, was der Jäger mit Grausam meinte. “ Sie zeigte ihren Freunden den Bericht und Raphael rümpfte sofort angewidert seine Nase. „Alter Flatter! Das ist ja wirklich ekelig, von einem Schwein ist das absolut nichts mehr zu erkennen...!“ Auch Maxime konnte den Anblick der zerfleischten Tiere nicht länger ertragen und schüttelte seinen Kopf. „Die Bilder erinnern mich total an eine Szene aus einem Horrorfilm, pfui! Und so was sollen Menschen gemacht haben. Abartig!“ „Und du möchtest wirklich durch diesen Wald laufen?“ Charlotte zog die Luft ein und schaute Raphael mit einer Mischung aus Furcht und Ärger in die Augen. „Also ich bin nicht so scharf darauf, um über einen abgetrennten Rehkopf oder so was in der Art zu stolpern. Warum interessiert dich diese Sache eigentlich so? Du bist doch auch sonst kein naturverbundener Mensch, der sich sonderlich für seine Umwelt einsetzt.“ Diesmal stieß Maxime Raphael seinen Ellbogen in die Seite. „Genau, da hat sie Recht, außerdem hasst du Bewegung. Woher kommt dieser plötzliche Elan? Bist du neuerdings unter die Ökos gegangen?“ „Das ist doch meine Sache!“ Für einen kurzen Augenblick verschwand das Lächeln von Raphaels Lippen und im selben Moment wünschte er sich, das er seinen Freunden niemals von der Idee erzählt hätte. Wobei...? Maxime und Charlotte wussten doch noch gar nichts von seinem Plan! *xXx* Maxime schüttelte stumm seinen Kopf und biss die Zähne feste zusammen. Nein, von seinem besten Freund hätte er so etwas... abscheuliches wirklich nicht erwartet. „Du bist... ekelhaft.“ „Und für so etwas klingelt uns der Kerl am Sonntagmorgen aus dem Bett.“, ergänzte Charlotte schnaubend. „Hätte ich gewusst worum es geht, wäre ich eiskalt zuhause geblieben.“ „Belogen hat er uns! Ja von wegen Raphael wollte Joggen gehen. Ich habe mir schon sofort gedacht, dass es da irgendwo einen Hacken geben muss. Aber so was...? Widerlich.“ Von vorne ertönte ein gereiztes Knurren. Raphael, der die Gruppe durch den Wald führte, hielt abrupt an. Falls sich seine Freunde noch einen weiteren, bissigen Kommentar in seine Richtung erlaubten, würde es Schläge geben.„Verdammte Hacke! So langsam habe ich es verstanden! Mir geht es am Arsch vorbei das Bambi und seine Mutter krepiert sind. Ich will nur die Belohnung haben, mehr nicht! Seit ihr nun zufrieden?“ Und ob sie das waren. Raphaels tolle Idee eine Runde durch den Wald zu Joggen, entpuppte sich als gemeiner Hinterhalt um sie hierher zu locken. In Wirklichkeit war der blonde Junge nämlich nur auf die Belohnung der Polizei scharf, und wollte das große Geld kassieren. Natürlich verschenkte die Behörde ihr Geld nicht aus reiner Gutherzigkeit; Sie wollten Hinweise und Spuren auf die Wilder bekommen. Und eine leichtere Methode wie Geld als Lockmittel gebrauchen, gab es nicht. Die ganzen Jugendlichen und chronisch Armen flogen förmlich ohne Nachzudenken auf dieses Angebot. Vor 3 Tagen hatten die Wilderer das letzte Mal zugeschlagen, deshalb wollte Raphael auch unbedingt im Wald auf Hinweis-Suche gehen. Und das war gar nicht mal so dumm: Die Spuren waren hier am frischesten und da es in den letzten Tage nicht geregnet hatte, würden sie mit einen bisschen Glück, vielleicht sogar für Leihen wie sie sichtbar sein! Charlotte knurrte leise, während sie über eine Wasserpfütze hinweg sprang um nicht den Anschluss zu verlieren. Mit den Händen griff sie nach einen dicken Baumstamm und machte dort eine kurze Pause. „Okay, jetzt haben wir ihn genug verspottet. Ich glaube, dass Raphael die Lage so langsam verstanden hat.“ Maxime hielt neben Charlotte an und legte ihr die Hände auf die schmalen, vor Anstrengung zitterten Schultern. „Du bist ja total aus der Puste, Kleines... Sollen wir kurz hier bleiben und etwas verschnaufen...? Raphael warte mal da vorne mal!!“ „Aber wir sind gleich da!“, rief der Angesprochene über seine Schulter zurück und zeigte den Nachzüglern sein Handy. „Komm schon Charlotte, jetzt reiß dich mal zusammen. Die letzten Meter schaffst du auch noch!“ Tatsächlich sollte Raphael recht behalten. Wenige Minuten später erreichten die 3 Freunde eine Art „provisorische“ Lichtung mitten im Wald und mussten erstmals stockend inne halten. Zuerst schluckte Maxime zwei mal kräftig, dann stieß dann keuchend hervor. „Das ist die Stelle? Sind wir hier richtig?“ Die Lichtung vor ihren Augen konnte unmöglich auf natürliche Weise entstanden sein. Die hereinfallenden Sonnenstrahlen malten gespenstische Schatten auf den Waldboden. Überall gab es kurze, abgebrochene Bäume, viel verbrannter Boden und in der Luft hing noch immer der leichte, schwefelhaltig Geruch von einem Feuer. Anscheinend waren in diesem Waldgebiet noch mehr Lebewesen gestorben, als nur ein paar Rehe. Zwischen den Büschen und Streuscheren verteilt, lagen mehrere tote Insekten und kleine Vögel regungslos auf der Erde und starrten mit weit aufgerissen Augen, in den Himmel. Angewidert schlug sich Charlotte die Hand vor dem Mund. Wenn es in der Schule um Biologie ging war sie ein Ass, aber konvertierte man sie im Alltäglichen Leben mit dem Tod, versagten bei ihr die Nerven. „Oh Gott! Das ist der reinste Friedhof!“ Raphael hingegen war sofort Feuer und Flamme und sank vor einen abgeschlagenen Baumstumpf in die Knie. „Wie Krass ist das denn? Von einen Feuer haben die Reporter gar nichts geschrieben. Hier sieht als ja noch viel schlimmer aus, als ich es mir vorgestellt habe! “ „Du sagtest es. Da haben die Wilder aber wirklich ganzen Einsatz geleistet!“ Brummend verschränkte Maxime die Arme vor der Brust und betrachtete einen großen Brandflecke auf dem Boden. Irgendwie wurde er das sichere Gefühl nicht los, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Das Feuer, welches hier von wenigen Tagen gewütet haben musste, war so stark gewesen, das sogar teilweise die Steinbrocken im Erdreich geschmolzen waren. Nach den ersten Startschwierigkeiten sah sich Charlotte ebenfalls auf der kleinen Lichtung um. Der Geruch des Todes, gemischt mit dem Schwefelgestank, schnürte ihr regelrecht die Kehle zu und sie hatte Probleme, ihre Augen von den am Boden liegenden Tieren abzuwenden. Plötzlich bemerkte das Mädchen einen stechenden Blick im Nacken. Sie drehte den Kopf in die besagte Richtung und sah Raphael, der sie eindringlich von der Seite musterte. “Was ist?”, fragte sie leise. „Geht es dir nicht gut? Du bist ziemlich blass geworden...“ „Naja, es geht. Ich finde es besser wenn ich mit lebenden Tieren zusammen bin. Du siehst aber auch nicht besser aus, mein Lieber. Mit so einen Anblick hast du wohl auch nicht gerechnet, was? Jetzt fehlt uns nur noch, das wir gleich tatsächlich über ein Todes Reh oder Wildschwein stolpern.“ Obwohl es Maxime an diesem Ort auch nicht behagte,schluckte er seine Furcht hinunter und gesellte sich mit einen Emotionslosen Ausdruck auf dem Gesicht zu seinen Freunden. „Habt ihr schon euch den Boden angesehen? Anscheinend haben die Typen ein Feuerwerk veranstaltet.“ Daraufhin begannen Charlotte und Raphael nochmal gründlich den ganzen Waldboden abzusuchen. Vor einem besonderes großen Flecken, verharrten die Freunde schließlich und Raphael fuhr mit der Hand über den schwarzen, verkohlten Boden. „Ich haue mich gleich weg! Bei wie viel Grad schmelzen denn so harte Dinger wie Steine?“, fragte Raphael verblüfft, während er eine Hand voll Erde aufnahm und den feinen Staub gleich darauf wieder durch seine Finger zurück rieseln ließ. Der fehlende Schlaf machte sich mittlerweile bei den Jugendlichen bemerkbar. Lustlos stolperten sie über die Lichtung und achteten dabei gar nicht mehr auf ihre Umgebung. Noch während Raphael und Maxime den Waldboden auf Hinweise absuchten, verdunkelte sich plötzlich der Horizont und die warmen Sonnenstrahlen, wurden von eisigen Windböen abgelöst. Charlotte war die erste, die die dunkeln Regenwolken entdeckte. „Oh Oh, das sieht übel aus.“, murmelte sie besorgt und lief dann eiligst zu ihren Freunden. „Hey, habt ihr schon die ganzen Wolken am Himmel gesehen? Das sieht nach Regen aus. So langsam sollten wir umdrehen und zurück gehen.“ Nickend stimmten ihr die beiden Jungen zu. „Sie hat recht... Und ich möchte auch nicht klatschnass zuhause ankommen. Sonst liege ich Montag morgen mit einer dicken Erkältung im Bett. “ Die Blätter über seinen Kopf raschelten verheißungsvoll als Maxime ebenfalls kurz nach Oben schaute. Dort sah er nicht nur düstere Wolkenbänke, sondern auch ein paar dicke Nebelschwade, die wie riesige Geister in der Luft hingen. Da ihnen das Wetter ganz und gar nicht zusagte, drehten sich die Kinder geschwind um und Raphael nutze noch einmal das Navigationsprogramm seines Handys, um ihnen einen kürzeren Rückweg zu zeigen. Nach mehreren Minuten, in denen sie sich mehr oder weniger schweigend durch kniehohes Gestrüpp kämpften, hielt Raphael plötzlich an und verharrte in seiner Bewegung. Ganz in der Ferne war leise das Plätschern von Wasser zu hören. Bestimmt gab es irgendwo einen Fluss, aber das war ein Ding der Unmöglichkeit; Bergedorfs Wald war zwar eine gut besuchte Touristenaktration, da es hier für naturverbundene Menschen ziemlich viel zu sehen gab, aber so etwas einen Fluss, besaß er nicht. „Hört ihr dass auch?“, fragte Raphael deshalb nach hinten gewandt. „Das ist Wasser, oder? Ich wusste gar nicht, das ein Fluss durch dieses Gebiet läuft.“ „Gibt es hier auch nicht. Früher habe ich in diesem Wald auch oft mit meinen Geschwistern gezeltet. Aber an einen Fluss oder See, kann ich mich komischerweise nicht erinnern.“, gab Charlotte in ihrem nettesten Tonfall zu, der ihren Freunde bedeutete, nicht weiter auf das Thema „Familien-Ausflüge“ einzugehen. Ohne zu zögern setzten Raphael und Maxime kurz darauf ihren Weg fort. Doch Charlotte zögerte noch einen Augenblick. Regungslos verharrte sie neben dem Baumstamm. Es schien so, als wäre sie sich nicht mehr sicher, ob sie weiter gehen sollte und auf einmal, drang auch ein sanftes Plätschern an ihre Ohren. Sie rief die Jungen mit einen lauten: „WARTET MAL! Raphael hat Recht! Hier ist doch ein FLUSS! Ich kann ihn hören!“, zurück. Unwillkürlich warf Maxime einen Blick in den Himmel – er wollte wissen wann das Unterwetter los ging – und dann entdeckte er hinter den Baumkronen, ein schwarzes Ziegeldach hervorblitzen. Nun war die Neugierde des Jungen geweckt. Bis jetzt hatte Maxime weder von einen Fluss gehört , noch war ihm die Anwesenheit eines Hauses in diesem Wald bekannt.... Seine Freunde waren auch an dem Haus interessiert, als Maxime ihnen von seiner Entdeckung erzählte. Sie stimmten seinem Vorschlag sofort zu, dem skurrilen Gebäude mitten im Nirgendwo mal einen kleinen Besuch abzustatten und die Gegend zu erkunden. Am Ende der finsteren Weges, konnten die 3 Kinder die undeutlichen Umrisse eines phantastischen Bauwerks erkennen. Dort hinten, gut versteckt zwischen Sträuchern und Tannenbäumen, stand ein altes Herrenhaus im gotischen Baustil, errichtet, auf einen kleinen Abhang . Das Gebäude bestand zum Großteil aus grauen Steinen und wirkte auf ihre Betrachter, wie die gruselige Hintergrundkulisse eines Horrorfilms. Die Fenster waren blind und mit schweren Metallstangen vergittert. Zu beiden Hausseiten hoben sich zwei runde Türme mit spitzem Helmen gegen den düsteren Himmel ab. Maxime ging hinter einen Brombeerstrauch in Deckung und kniete sich auf die Erde. „Na, Raphael? Kanntest du dieses Monster von einem Haus auch?“ Ein beklommenes Kopfschütteln war die Antwort. Raphael sank ebenfalls in die Hocke und rutschte zu Maxime hinter den Strauch. Das graue Gebäude sah durch und durch unheimlich aus. Auch wenn die Sonne immer noch hoch am Horizont stand, bildete sich auf Raphaels Armen eine dicke Gänsehaut. Er wollte nicht wissen, welche Wirkung der Anblick dieser Villa bei Nacht entfachte. „Nein Mann, woher sollte ich das denn kennen?“, krächzte der Blondhaarige etwas heiser. „Ich hatte bis jetzt absolut keine Ahnung, das hier draußen Jemand wohnt.“ „Also ich möchte hier nicht leben.“ Ängstlich quetschte Charlotte ihren schmalen Körper zwischen Raphael und Maxime. „Ich würde mir total einsam vorkommen. Hier ist doch nicht anders als Kilometerweites Waldgebiet. Wer soll dir denn schon zur Hilfe kommen, wenn etwas passiert? Niemand.“ Maxime hatte seinen Freunden schmunzelnd zugehört. Jetzt nickte er leicht. Das Mehrfamilienhaus in dem er selbst wohnte besaß auch seinen ganz eigenen Scharm, aber dieses Haus spielte in Sachen Gruselfaktor in einer anderen Liga. „Es würde mich ja mal interessieren, welche Sorte von Mensch an so einem abgelegenen Ort wohnt.“ „Jemand der gerne seine Ruhe hat?“, erwiderte Raphael etwas sarkastisch. „Aber wenn du so neugierig bist, kannst du doch gerne mal Klingeln gehen und nach schauen!“ Nach ein paar gezielten Schlägen auf den Hinterkopf von Charlotte und einen zornigen Seitenhieb in die Rippen von Maxime, gab Raphael endlich Ruhe und brummelte eine nicht sehr ernstgemeinte Entschuldigung. „Und guckt mal... dahinten haben wir auch unseren Fluss gefunden!“ Charlotte deutete mit den Zeigefinger auf den Garten des alten Hauses und regte das Kinn in die Höhe. „Die Bewohner haben einen kleinen Teich im Garten. Das waren die Geräusche, die wir vorhin gehört haben!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)