The Heart Collector von Gouda-kun ================================================================================ Kapitel 4: Kapitel 4: The Haunted Mansion ----------------------------------------- Der Himmel trug am nächsten Morgen noch immer sein dunkles Abendkleid von der gestrigen Nacht. Graue, schwere Wolken hingen über der kleinen Stadt Bergedorf in der Nähe Hamburgs und nur vereinzelte Sonnenstrahlen, konnten die düstere Masse teilen und sich bis zur Erde vorkämpfen. Aber die kleinen, goldenen Lichter waren hartnäckig. Wenn sie wollten, dann schafften sie es durch jede Wolke, durch jeden Nebel... und sogar durch den winzig kleinen Schlitz in den Rollladen eines ganz bestimmten Mehrfamilienhauses. Ein kleines Stöhnen schlich sich aus Maximes Mund, als die Sonne ihn mit ihren hellen Strahlen begrüßte und die letzten Momente der Entspannung zunichte machte. Ein heftiger Stich fuhr im gleichen Moment durch seine Glieder. Maxime blinzelte leicht und schielte auf die Seite zu seinen Wecker. Die Zeiger des alten Prachtstückes in der Form eines niedlichen Katzenkopfes, verkündigte die aktuelle Tageszeit von 6.05 Uhr Maxime stöhnte umso lauter und drehte sich wieder auf den Bauch, während er die Bettdecke über seinen Kopf zog. In solchen Momenten verfluchte er seine innere Uhr; Er hätte mindestens noch 10 Minuten schlafen können, aber nein, natürlich musste er früher aufwachen. Dennoch blieb er noch ein paar Minuten liegen. Eigentlich hatte Maxime keine Durchschlafprobleme, aber gestern Abend war es ziemlich spät geworden und er kam erst um 22.30 Uhr von Raphael nach Hause. Natürlich war er dann nicht sofort ins Bett gekommen, wie jeder andere Junge der vielleicht noch bei seinen Eltern wohnte: Maxime musste noch seine Hausaufgaben erledigen und mit ungewaschenen Haaren, wollte er am nächsten Tag auch nicht unbedingt in die Schule gehen. Kein Problem sollte man meinen, aber bei ihm die Sache ein bisschen anders aus; Seine Rosa-Mähne gehörte zu der störrischen Sorte. Die einzelnen Strähnen waren ziemlich dick und schwer und so dauerte es stundenlang, bis sie mal endlich trocken waren. Föhnen konnte er seine Haare leider auch nicht da sie sich unten der heißen Luft sofort verknoteten. Und jetzt fühlte sich Maxime wie ausgekotzt. Fünf Stunden Schlaf waren für ihn EINDEUTIG zu wenig. Maxime hob seine Arme und versteckte das Gesicht zwischen den Fingern, sodass er die Sonnenstrahlen nicht mehr sehen musste. The Haunted Mansion - Die Geistervilla, oder eher Die verfluchte Villa, wie Maxime sie gerne nannte, war das große Mehrfamilienhaus indem er schon seit 3 Monaten lebte. Und wenn er sagte groß, dann meinte er das wortwörtlich wortwörtlich. The Haunted Mansion war ein altes, 4 Stöckiges Gebäude, plus Dachboden, welches im Rahmen des Sozialprojektes einmal komplett kernsaniert und umgebaut wurde. Vom Baustil her erinnerte es eher an eine Villa aus den letzten Jahrhunderten - deshalb hatte sich Maxime auch für diesen Spitznamen entschieden. Das Haus an sich gefiel ihm sehr gut, nur seine Mitbewohner störten Maxime gewaltig. Da das „Zimmer“ von jedem Projektteilnehmer früher einmal als eigenständige Wohnung gedacht war, bot es alles, was man zum Leben brauchte: Ein Schlafzimmer, ein einiges Bad und zwei leer stehende Räume, wovon einer wohl die Küche darstellen sollte. Aber die zwei Räume fielen den Händen der fleißigen Bauarbeiter zum Opfer, sodass die zwei kleinen Zimmer in ein großes Zimmer umfunktioniert wurden. Maxime war diese Begebenheit nur ganz recht. Er benutzte diesen separaten Raum heute als eine Art private Abstellkammer. Dort stand sein Computer und allerhand Gegenstände, welche er nicht jeden Tag brauchte, aber trotzdem gerne in seiner Nähe wusste. Zum Beispiel die Nähmaschine, die er von seiner Erziehern zum Abschied geschenkt bekommen hatte, seine ausgefallenen Halloween- oder Karnevalskostüme oder die alte Kassettensammlung aus seiner Kindheit... Kurze Zeit später stand Maxime auf und streckte seinen Körper genüsslich in die Länge. So langsam sollte er sich mal fertig machen und runter in die Küche kommen. Sie fungierte als Treffpunkt für die Hausbewohner. Es war die einzige Küche im ganzen Gebäude und wer etwas essen wollte, musste runter gehen und da jeder nun mal Nahrung brauchte um zu leben, fanden Maxime und die beiden Mädchen dort mindestens einmal am Tag zusammen. Die warme Luft der Heizung schlug Maxime entgegen als er sich in das Badezimmer schleppte und Blick in den Spiegel warf. „Na super...“, murmelte er und berührte mit den Fingern die kühle Glasscheibe. Der Junge im Spiegel tat es ihm sofort gleich, die blauen Augen blickten ihm müde und schwer entgegen. Er sah so schrecklich aus wie er sich fühlte! *xXx* Nach 20 Minuten war Maxime fertig und stieg die Treppen von der zweiten Etage zum Erdgeschoss runter. Immerhin hatte er es noch geschafft, seine scheußliche Gesichtsfarbe mit einen Haufen Make-up zu verstecken und seine müden Augen mit knalligen Lidschatten in das richtige Licht zu rücken. Trotzdem fühlte er sich immer noch Scheiße. Hinter seiner Stirn vernahm er ein dumpfes Pochen. Auch seine Lieblings-Klamotten konnten seine miese Stimmung heute nicht aufhellen. Abgeschlagen und genervt betrat Maxime die Küche und entdeckte am Essenstisch eine junge Japanerin mit langen, fliederfarbenen Haaren und großen, himmelblauen Mandelaugen. Sie hob den Blick als sie den Neuankömmling bemerkte, ihre Miene blieb jedoch kalt und ausdruckslos. „Guten Morgen.“, sagte Maxime betont freundlich. Auch wenn er seine beiden Mitbewohnerinnen nicht ausstehen konnte bemühte er sich trotzdem um eine entspannte Atmosphäre. Immerhin musste er hier noch knapp 3 Jahre wohnen, da wollte er es sich nicht mit ihnen verscherzen. „Morgen.“, erwiderte das Mädchen monoton. Danach wendete sie ihre Aufmerksamkeit sofort wieder der Tageszeitung zu, die ausgebreitet auf den Tisch lag und offenbar sehr viel interessanter war, wie Maxime. Das Mädchen sah wirklich hübsch aus, das konnte niemand bestreiten. Ihre langen Haare reichten ihr bis zur Hüfte und glänzten im Licht als wären sie mit tausenden Diamanten bestückt. Das kleine, herzförmige Gesicht strahlte eine kühle, fast schon königliche, Erhabenheit aus welche zwar so gar nicht zu ihrem jugendlichen Aussehen passen wollte, aber einfach zum Gesamtpaket dazu gehörte. Das Mädchen brauchte noch nicht mal Schminke oder andere Hilfsmittel um sich des Morgens herzurichten, sie war von Natur aus eine Schönheit! Sie hieß Yukiko – und diesen Namen trug sie zurecht; Er bedeutete so viel wie Schneekind. Und Schnee passte so gut zu ihr, weil ein Blick in Yukikos blaue Augen jedes Wesen sofort zum frösteln brachte. In seinen Gedanken bezeichnete Maxime sie auch gerne als die Schneekönigin der Herzen. Als hätte das Mädchen Maximes schändliche Gedankengänge erraten, wandte sie ihren Blick von der Zeitung ab und schaute zu ihm hoch. Missmutig rümpfte sie ihre feine Nase. „Frühstückst du nicht oder wieso setzt du dich nicht hin?“, fragte sie zischend und der Angesprochene zuckte durch den eisigen Klang in ihrer Stimme zusammen. Na toll, ging das schon wieder los... Seufzend schüttelte Maxime seinen Kopf. Seine andere Mitbewohnerin Scarlett war vielleicht kalt und verklemmt, aber dennoch hatte er lieber mit ihr zu tun, als wie mit Yukiko. Scarlett suchte wenigstens keinen Streit und wollte am liebsten ihre Ruhe haben, aber für Yukiko gab es offensichtlich nichts Schöneres, als hitzige Diskussionen und Wortgefechte. Sie fand immer eine Möglichkeit um ihn zu triezen. Wer hatte Küchendienst? Maxime. Wer musste als nächstes die Badezimmer putzen? Maxime. Wer war mit dreckigen Schuhen im Hausflur rum spaziert? Maxime. Wer hatte den letzten Erdbeerjoghurt aus dem Kühlschrank genommen? Auch Maxime! Der, der alles machen musste, oder immer an allen Unglücken die Schuld trug, war er! Bemüht, sich seine schlechte Laune nicht anmerken zu lassen, zog Maxime einen Stuhl zurück und setzte sich mit einer plumpen Bewegung neben Yukiko an den reichlich gedeckten Küchentisch. Kurz musterte er das Angebot des heutigen Tages. Wie jeden Morgen gab es dasselbe zu essen: Getreideflocken, kalte Milch, Jogurt, frisches Obst, Butter, Marmelade, Aufschnitt und ein paar Scheiben Graubrot. Schlusslicht fiel die Wahl auf das normale Brot und Maxime war ziemlich froh darüber, noch vorgestern eingekauft zu haben. Yukiko und Scarlett aßen zum Frühstück bis auf ihr Obst und Müsli so gut wie nichts anders. Und hier machten sich wieder die Typischen Frauen-Probleme bemerkbar: Obwohl Maxime fand das beiden Mädchen wirklich gute Figuren besaßen – vor allem Yukiko war gertenschlank und konnte trotzdem sehr üppige Kurven vorweisen - ernähren sich die beiden Damen als wären sie auch einer Dauerdiät. Bei ihnen kam nichts anders als Gemüse oder Obst auf den Teller. Da sprangen einem die Vitamine schon förmlich ins Gesicht und Maxime bekam sofort ein schlechtes Gewissen. Er scherte sich nicht viel um seine Essgewohnheiten. Er war genügsam und verspeiste so gut wie Alles was ihm unter die Nase kam, Hauptsache, er hatte es selbst zubereitet. Nach 10 Minuten ertönte vom Treppenhaus her plötzlich wüstes Gepolter und ein Mädchen mit wehender Lockenmähne stürmte in den Raum. Hektisch warf sie ihre Schultasche auf die Anrichte, murmelte ein kurzes „Guten Morgen.“ in die Runde und knallte dann ein dickes Schulbuch auf den Tisch. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, schlug sie es auf und verschwand auf Nimmerwiedersehen hinter den weißen Blättern. Diese Szene hatte noch nicht mal Fünfzehn Sekunden gedauert und trotzdem war die ganze Atmosphäre in der Küche geplatzt. Maxime und Yukiko staunten nicht schlecht und betrachteten die dritte, und gleichzeitig letzte Mitbewohnerin des Mehrfamilienhauses voller Skepsis. Es war ungewöhnlich, wenn die sonst so gradlinige Scarlett mal aus dem Konzept fiel und so deutliche Stresssymptome zeigte, wie gerade eben. Die Erste, die ihre Sprache wieder gefunden hatte, war Yukiko. „Schreibst du einen Test?“, fragte sie das blondhaarige Mädchen und ein kleines Lächeln lag auf ihren Lippen. Scarlett schüttelte den Kopf. „Nein, aber ich muss gleich eine Präsentation halten, dafür wollte ich mich noch ein bisschen vorbereiten.“ erklärte sie kurz ohne den Blick von ihrem Buch abzuwenden. „Ich bin die Erste aus meiner Klasse, dementsprechend hoch sind auch die Erwartungen der Lehrer.“ „Ach so.“, sagte Yukiko und nickte leicht. Im Gegensatz zu ihrer Freundin oder Maxime hatte sie mit der Schule nicht allzu viel am Hut. Obwohl sie gute Noten schrieb, wollte Yukiko ihre schulische Laufbahn eigentlich schon nach der 10. Klasse beenden, aber die Sozialarbeiterin vom Jugendamt hatte ihr nahe gelegt, das besser zu lassen, wenn sie weiterhin in diesen Haus wohnen wollte. Dies war nämlich eine Voraussetzung um an dem Projekt teilzunehmen: Alle Bewohner mussten einen regulären Abschluss erlangen und durften die Schule nicht früher abbrechen, nur weil sie keine Lust mehr hatten. Ja, es gab auch Regeln an die sich die drei Jugendlichen halten mussten. Eine weitere Grundvoraussetzung besagte außerdem, dass alle Teilnehmer aus einem Waisenhaus oder Kinderheim kommen sollten und mindestens das 12 Lebensjahr vollendet hatten. Die Älteste von den dreien war mit ihren 16 Jahren Yukiko, Maxime und Scarlett belegten den zweiten Platz, beide waren ein Jahr jünger und damit die Nesthäkchen im Haus. Aber den Altersunterschied merkte man ihnen kaum an – jeder, sowohl Maxime als auch die Mädchen, hatten so ihre Phasen in denen sie sich besonderes erwachsen, oder besonderes kindisch benahmen. Maxime runzelte seine Stirn als er über die Gläser und Flaschen hinweg einen Blick in Scarletts Buch warf. „Was trägst du denn vor? Wie lautet das Thema deiner Präsentation?“, fragte er sie, die Konzentration auf die Überschrift geheftet, welche er nur schlecht entziffern konnte da sie auf den Kopf stand. Er erkannte nur, dass es sich um ein Englischbuch handelte. „Ach, das kann dir doch egal sein.“ Scarlett hielt die Augen stur nach unten gerichtet, doch auch wenn ihre Stimme einen sehr weichen Klang besaß, konnte man den tiefen Groll in ihr unmöglich überhören. Die langen, dunkelblonden Haare mit den schweren Locken umrahmten ihr zartes Gesicht wie eine Stichflamme und brachte ihre Himbeerfarbenden Seelenspiegel zum leuchten. Sie waren erfüllt von Wut und Abscheu, als Scarlett ihren Blick auf Maxime richtete. Ein Schauer lief ihn über den Rücken, doch er riss sich zusammen. Diesmal würde Maxime nicht still bleiben. Er wollte Scarlett wenigstens dieses eine Mal die Stirn bieten und ihr zeigen, dass er keine Angst hatte. „Geht das nicht ein bisschen freundlicher?“, zischte Maxime daher und funkelte das Mädchen mit den dicken Locken ebenso wütend an. „Ich habe dir doch nichts getan, Mann, komm mal runter...“ Scarlett zog ihre schmalen Augenbrauen in die Höhe und betrachtete ihr Gegenüber herablassend. „Es interessiert dich sonst auch nicht was ich mache, also kannst du dir deine dämlichen Fragen sparen. Ich bin vielleicht eine Blondine, aber das heißt noch lange nicht, das ich dumm bin und mich verarschen lasse!“ „Bitte was?!“ Erstaunt riss Maxime seinen Mund auf. Er konnte nicht glauben, was er da gerade gehört hatte! Was sollte das heißen, er interessierte sich nicht für sie?! Scarlett und Yukiko waren doch die denjenigen die ihn ständig übersahen, und nicht andersherum. „Du hast mich schon genau verstanden.“, antwortete Scarlett ruhig und schob sich einen Löffel mit Müsli in den Mund, während sie wieder so gleichgültig und gefasst wirkte wie immer. Der kurze Wutausbruch vor ein paar Sekunden war ihr nicht mehr anzumerken. Zornig schlug Maxime seine Hand auf die Tischplatte. Die Ruhe die Scarlett ausstrahlte machte ihn seltsamerweise nur noch wütender „Nein, das habe ich eben nicht verstanden! Was soll das heißen, ich beachte euch nicht!? Ihr seid es doch, die sich nur um ihre eigenen Sachen kümmern und mich ständig wie Luft behandeln!“ Bei diesen Satz musste Yukiko ein kleines Lachen unterdrücken und pustete stattdessen in ihre Kaffeetasse. „Und das wundert dich ernsthaft, so wie du dich immer in unserer Gegenwart aufführst? Du bist zickig, meckerst nur rum, verbringst deine Wochenenden fast immer in der Disco, schleppst einen Kerl nach dem anderen ab... “ „Halt deinen Mund! Mit dir rede ich doch gar nicht!“, fuhr Maxime sie an und schnaubte befriedigt, als er feststellte, wie Yukiko vor Überraschung das Lachen im Hals stecken blieb. „Maxime!“ Nun war Scarlett diejenige die ihre Faust auf den Tisch schlug. „Yukiko hat Recht! Es ist wirklich schwer mit dir zusammen zu leben. Du musst immer das letzte Wort haben, merkst du das eigentlich gar nicht? Wenn man mit dir diskutieren möchte, wirst du sofort ausfallend und aggressiv!“ „Ich und aggressiv?!“ Jetzt riss Maxime die Augen auf und starrte Scarlett vollkommen entgeistert an. Diese Aussage traf ihn wie ein Messerstich mitten ins Herz. Er hatte lange genug über ihre dämlichen Aktionen hinweg gesehen – jetzt war der Punkt erreicht, wo auch bei ihm die Nerven versagten. Er wollte und konnte Scarletts und Yukikos Gemeinheiten nicht länger ertragen! „Habt ihr einen Knall?!!“ Noch bevor die beiden Mädchen etwas erwidern konnten, war Maxime schon auf die Beine gesprungen und stieß dabei den Stuhl zur Seite. Schwer atmend stemmte er die Hände auf die Tischplatte. Zu seiner großen Missgunst musste er gestehen, dass Scarlett mit ihrer Behauptung noch nicht mal ganz unrecht hatte; Auch Raphael hatte ihm schon mal vorgeworfen, dass er rechthaberisch war und nur selten auf die Meinungen der Anderen hörte... „Ihr nennt mich aggressiv, nur weil ich mir nicht mehr kommentarlos eure dummen Sprüche anhöre?“, spie Maxime den Mädchen wütend entgegen. „Und Diskutieren kann ich also auch nicht, obwohl ich mich täglich mit zwei Puten gleichzeitig rumschlagen muss?! Was würdet ihr denn in meiner Situation machen, he? Hätte ich keine Erziehung genossen und wäre ich ein Mädchen, dann würdet ihr spätestens jetzt gegen die nächstbeste Wand geklatscht!“ Die Angesprochenen wechselten nur einen kurzen Blick und zuckten dann mit den Achseln. „Wenn du meinst...“, erwiderte Scarlett kühl und nippte an ihrem Glas Milch. „Und schliess nicht von dir auf andere.“, fügte Yukiko genauso kaltschnäuzig hinzu. „Ach, denkt doch was ihr wollt! Ihr seid ja total durch und krank. Sucht euch bei der passenden Gelegenheit doch mal einen guten Psychologen!“ Zischend drehte Maxime den Kopf in die Richtung der Wanduhr herum. Oh Scheiße....! Verzweiflung stieg ihm in die Kehle, als er auf das Ziffernblatt schaute und feststellte, dass er nur noch 10 Minuten Zeit hatte um seinen Schulbus zu bekommen. Jetzt musste er aber wirklich Gas geben! Hektisch und unter dem Einsatz all seiner zu Verfügung Kräfte flitzte Maxime hoch in die zweite Etage. Schnell holte er sein Handy und die Schultasche aus dem Schlafzimmer, ehe er die Treppe wieder zurück nach unten wetzte. Dabei stolperte er vor lauter Panik über die letzte Stufe und konnte sich nur retten, indem er seine Arme um den Treppenpfeiler schlang und ihm eine stürmische Umarmung schenkte. „Fuck.“, knurrte Maxime angepisst und wischte mit den Handrücken über sein pochendes Kinn. „Ich hasse die Kombination aus Treppenstufen und Socken!“ Als die Haustüre nach weiteren fünf Minuten endlich in die Angel gefallen war, seufzten die Mädchen in der Küche erleichtert auf. „Irgendwie habe ich das kommen gesehen.“, meinte Yukiko höhnisch. Sie strich sich grinsend eine violette Haarsträhne aus dem Porzellangesicht und atmete auf. „Endlich ist der Mistkerl weg. Ich dachte schon, dass er dir gleich eine gepfefferte Ohrfeige verpasst.“ „Hn!“ machte Scarlett, welche jetzt auch auf die Uhr schaute. „Er ist aber nicht der Einzige der sich beeilen muss. Wir sind auch ziemlich spät dran.“ *xXx* „Woah, was ist mit deinem Gesicht passiert? Bist du gegen eine Wand gelaufen? Das habe ich eben ja noch gar nicht gesehen!“ Maxime zog eine Augenbraue hoch, beide Mundwinkel nach unten zeigend. „Das möchtest du gar nicht wissen...“ „Ähm...“ Nachdenklich zupfte Raphael an seinem Ohrläppchen und musterte seinen besten Freund eindringlich. „Doch, eigentlich schon. Als ich dich gestern Abend bei der Bushaltestelle abgesetzte habe, hattest du diesen roten Flecken noch nicht gehabt... Hat dich jemand auf den Weg nach Haus verprügelt?“ Er lehnte sich nach vorne und wollte seinen Finger auf Maximes gerötetes Kinn drücken, aber der Rosahaarige schlug sie unsanft zur Seite. „Finger weg! Das tut weh, du Trottel! Ich bin auf der Treppe ausgerutscht und mein Gesicht musste mehr oder weniger die Bremse spielen. Reicht dir das als Information?“ „Was?! Ach Herm, du bist aber auch ein kleiner Trottel!“ Raphael kicherte leise und erntete dafür einen zornigen Blick, weil er die Dreistigkeit besaß, Maxime in so einer kritischen Lage auszulachen. Die beiden Jungen waren vor wenigen Minuten aus dem Schulbus gestiegen und liefen jetzt grade die letzten Meter zu dem Eingangstor des Städtischen Gymnasiums hoch. Genervt strich Maxime seinen roten Faltenrock glatt, ehe er leise und seufzend die Luft ausatmete. Wie er es geschafft hatte, die Bushaltestelle noch rechtzeitig zu erreichen, war ihm unbegreiflich. Raphael, der neben ihn her lief, verschränkte die Arme hinter seinen Kopf. „Ach, es ist schade dass wir Kiley nicht im Bus gesehen haben. Ich bin echt neugierig wie er reagiert und was er macht, wenn er dich nochmal sieht.“ „Ach, Raphael. Hör doch mal auf mit den Kerl.“ Maxime beschleunigte seine Schritte und schob brummelnd die Daumen in seine Jackentaschen. „Ich kann den Namen Kiley langsam nicht mehr hören! Was soll denn schon Schlimmes passieren wenn ich ihn wieder sehe? Und selbst wenn er mich verprügelt... na und? Dann zeige ich ihn eben bei der Polizei an und dass ist dann das Ende der Geschichte. Punkt. Ich weiß gar nicht, warum du und Charlotte so empfindlich auf dieses Thema reagiert. Das ist doch nur ein verwöhnter und verzogener, arroganter Bengel, der eine große Klappe hat. Mehr nicht.“ Ein gequältes Grinsen hüpfte auf Raphaels Lippen. „Oho! Du bist heute ja Mutig! Gestern klang das aber alles noch ein bisschen anders.“, meinte er und zwickte Maxime in die Seite. „Wir machen uns solche Kopfschmerzen weil wir diesen Typen kennen. Du bist noch relativ neu hier - Im Gegensatz zu dir, haben wir schon die einen oder anderen Sachen mitbekommen.“ „Na und? Ich bin doch nicht so dumm und lasse es auf ein zweites Treffen ankommen. Ich werde ihm die kommenden Tage aus dem Weg gehen und mit der Zeit wird sich die Lage wieder entspannen. Herr Gott nochmal, als ob ich hier der Einzige wäre, den er mobben kann...“, erwiderte Maxime ungerührt, wobei ihm jedoch nicht entging, wie schwer es ihm fiel, die letzten beiden Sätze laut auszusprechen. Aber diese Tatsache beschloss er vorerst zu übergehen. Tief in seiner Seele verstecken sich natürlich so manche Zweifel was Kiley anging, aber davon wollte er sich beirren lassen. „Das stimmt irgendwie auch schon wieder. Kiley hat genügend Leute mit denen er sich beschäftigen kann.“, sagte Raphael in einem Ton, als würde er noch eher an Aliens glauben, als an seine eigenen Worte. Er ließ eine Hand in seiner Hosentasche verschwinden und zog eine dunkelrote Packung Zigaretten heraus. Der Pausenhof wirkte ungewöhnlich leer und ruhig, als die zwei Teenager ihn betraten. Neugierig drehte Maxime seinen Kopf in alles Himmelrichtungen, aber es brachte keinen großen Unterschied, wenn hier draußen vielleicht zwanzig Schüler und Schülerinnen standen, war das viel. Noch nicht mal eine der Lehrkräfte patrouillierte heute Morgen das weitläufige Gelände. „Oh... und wobei wir schon mal bei den Thema sind, guck mal nach da vorne.“, zischelte Raphael plötzlich und stieß Maxime den Ellbogen in die Seite. „ Da sind Sebastian und Jaromir auf zwölf Uhr... Und anscheinend haben sie ein neues Opfer gefunden!“ „Hmm..?“ Neugierig drehte Maxime seinen Blick in die besagte Richtung. Nicht weit von ihnen entfernt entdeckte er die großen und düsteren Gestalten von zwei männlichen Schülern, die eine dritte Person in die Ecke gedrängt hatten. Sebastian stützte eine Hand an der roten Ziegelsteinmauer ab und beugte sich wie eine Hyäne über sein Opfer. Seine Gesichtszüge wirkten hämisch und der kalte Ausdruck in seinen vor Wut funkelnden Augen, deutete auf Schwierigkeiten hin. „Möchtest du dir noch eine Schelle einfangen, oder redest du langsam mal Klartext?!“, zischte der braunhaarige Sebastian ungeduldig und packte den schmächtigen, bedeutend kleineren Jungen am Kragen und riss ihn brutal von der Wand weg. Sofort keuchte der Schüler erschrocken auf und ein gemeines Grinsen verzerrte Sebastian hübsches Gesicht, als er sah, wie der Junge vor Angst und Schmerz im ersten Moment die Luft anhielt. „Ich habe... doch gesagt, dass ich nichts dabei habe...!“, presste der Junge zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch. Jaromir, Sebastians Kumpel, stand ein paar Meter abseits und lachte laut auf. „Ha! Was für ein Witzbold. Naja, jetzt haben aber wir genug geschäkert. Mal schauen ob du wirklich Recht hast, und dein Portemonnaie tatsächlich zuhause liegt! So, dann kann jetzt der Spaß beginnen!“ Der dunkelhaarige Schüler mit den kleinen Metallringen in seiner Unterlippe hielt eine Schultasche in den Armen und seine Beobachter konnten sich nur denken, was als nächstes passierte; Jaromir öffnete die silbernen Schnallen der Tasche und drehte sie auf den Kopf, worauf der Inhalt der Schwerkraft nachgab und wenige Sekunden später den ganzen Boden bedeckte. Auch wenn die kleine Gruppe immer noch ein ganzes Stück von ihnen entfernt stand, konnten Maxime und Raphael den Aufschrei des in die Ecke gedrängten Jungen deutlich hören. „Nein!“ Der Junge wollte toben und seinen Schmerz in diese große und ungerechte Welt hinaus brüllen, doch Sebastian machte eine flinke Bewegung als er einen Schritt nach vorne ging, und schleuderte ihn mit den Rücken zurück gegen die Wand. Noch bevor der blonde Junge einen weiteren Versuch starten konnte, wurde die Luft von einen tiefen Knurren zerrissen. „Nichts nein! Du bleibst schön da, wo du bist.“, fauchte Sebastian und rammte dem Anderen seinen Ellbogen in die Magengrube. „Und schrei* nicht so rum! Du machst noch allen Leuten Angst mit deinen panischen Gebrülle! Bist du eine Weib, oder was?“ „Boa, so was ist doch wirklich ekelhaft.“ Mit einen ebenso tiefen Knurren biss Raphael auf seine Zigarette und hielt den Blick stur auf die Gruppe gerichtet. Er war stehen geblieben und sah so aus, als ob er sich nie wieder bewegen würde. Die Lippen fest zusammen gepresst, schüttelte er seinen Kopf. „Das ist... abartig! Wie Alt mag der Junge sein? 12 Jahre vielleicht...? Warum müssen sich Sebastian und Jaromir immer solche wehrlosen Menschen aussuchen? Weißt du was? Wir sollten rein gehen und einen Lehrer holen.“ Nervös biss sich Maxime auf die rote Unterlippe und verbarg seine dunkelblauen Augen, unter einem dichten Kranz schön geschwungener Wimpern. „Du sagst es.“, flüsterte er mit vor Kummer erstickter Stimme. Nicht ganz wütend, aber dafür umso schockierter, wendete er sein Gesicht ab. Dieses gemeine, ungerechte Leben... Maxime wollte nicht mehr sehen, wie Sebastian und Jaromir diesen Schüler quälten. Er wollte auch nicht mehr hören, wie sie ihn auslachten, nur weil er jetzt schon leise wimmerte und ihn mit Bezeichnungen wie „Heulsuse“, oder „Weichei“ beschimpften. Niemand, der keine sadistische Ader besaß, würde so etwas freiwillig beobachten. Gerne würde Maxime eingreifen, zu den Schüler laufen und die Übeltäter verscheuchen, aber seine Beine wollten sich einfach nicht von der Stelle rühren. Diese blonden Haare... dieser schmale und zierliche Körper....diese großen Augen... dieses feine, mädchenhafte Gesicht... Das war Marcel, der Junge von gestern Morgen! „Oh Fuck! So eine Scheiße! Der Bastard hat ja wirklich recht gehabt. Mann, dann war die ganze Mühe doch umsonst gewesen!“ Frustriert warf Jaromir die Hände in die Luft und verschränkte sie kurz darauf hinter seinen Kopf. „Und dabei dachte ich schon, dass das heute ein richtig großen Fang wird... aber Fehlanzeige. Der Pisser hat noch nicht mal einen Fünf Euro Schein dabei! Ist das armselig.“ Sebastian legte seinen besten Freund wie zur Beruhigung eine Hand auf die Schulter. „Hey Jaro, mach dir nichts daraus. Der Zwerg wird uns sicher morgen das Geld mitbringen, oder habe ich nicht recht, du Pisser?!“ Er warf Marcel einen vernichtenden Blick zu und hielt den Kontakt mit ihm so lange, bis der Junge schließlich ergeben nickte. Dieser konnte sich kaum noch rühren, während er völlig verkrampft da stand und versucht, irgendwie Luft zu kriegen. „Bitte...“, Keuchend und kraftlos fiel Marcel vor dem älteren Schüler auf die Knie. Sebastians Augen verdunkelten sich bei dem Anblick des gebrochenen Jungen, der nun weinend auf den Boden saß und wie Espenlaub zitterte. Das hatte zur Folge, dass er den Fuß hob und ihn noch einmal kräftig in die Seite trat. „Kannst du auch mal aufhören zu jammern?“ Er rümpfte angewidert seine Nase. „Wir haben dir doch gar nichts getan, Mensch. Du Memme, jetzt reiß dich mal ein bisschen zusammen und benimm dich wie ein Mann! Du bist eine Schande für das „Starke“ Geschlecht.“ In der Zwischenzeit zündete sich Jaromir in aller Ruhe eine Zigarette an und schmunzelte ein wenig. Er zog den Rauch tief ein, atmete ihn langsam und genüsslich wieder aus und wirkte dabei wie jemand, der unter Hypnose stand. Doch plötzlich machte sich ein nachdenklicher Zug auf dem blassen Gesicht breit. „Sebastian?“ Neugierig ging er einen Schritt nach vorne. „Hör mal... das ist jetzt zwar eine blöde Frage, aber du bist dir sicher, dass dieser.... dieses Individuum tatsächlich ein Junge ist? Also wenn ich ihn mir einmal so von der Nähe betrachtete, bin ich mir da plötzlich nicht mehr so sicher.“ „Was?!“ Erschrocken riss Sebastian den Mund auf und musterte Marcel noch einmal von oben bis unten. Plötzlich sah er ebenfalls unsicher aus, Jaromirs Bedenken brachten ihn zum Grübeln. Trotzig hob er eine Augenbraue und starrte Marcel an. Für einen Jungen war sein Gesicht wirklich sehr fein geschnitten... Auch seine großen Kulleraugen besaßen definitiv einen weiblichen Touch. „Hey... Hey du da, auf dem Boden...“ Marcels Züge entglitten ihm. Er hob den Blick und starrte seine Peiniger mit einer Mischung aus Furcht und Verzweiflung in die Augen. „Was ist?“ „Du bist ein Kerl, oder?“, fragte Sebastian herablassend. „Natürlich.“, erwiderte Marcel zugleich, irritiert über so eine unsinnige Frage. Sebastian nickte zufrieden und ein breites Grinsen stahl sich auf seine Lippen. Die Angst ein Mädchen verprügelt zu haben, war mit Marcels Antwort so plötzlich verwunden, wie sie gekommen war. Mit einem gezischten „Siehst du?!“, wendete er sich wieder an Jaromir. „Was denkst du eigentlich von mir? Ich bin doch nicht so scheiße und schlage ein Mädchen. Also ein bisschen Würde besitze ich nach all den Jahren auf dieser Schule immer noch. Ich bin doch kein gewissenloses Arschloch, verdammt!“ Regungslos stand Maxime da und starrte Marcel und die beiden Jungen an, während ihm sein Herz mit einen sanften „Plopp“ in die Hose rutschte. Die Hand erhebend griff er nach Raphaels Oberarm. „Wollten wir nicht rein gehen und einen Lehrer holen?“, fragte Maxime und wendete den Blick von der Gruppe ab. Er konnte diesen abscheulichen Anblick nicht länger ertragen. Erneut sah er, wie Marcel zu weinen begann. Die Tränen liefen ihm als feuchte Rinnsale über die schöne, makellose Haut und tropften dann von seinem Kinn auf den Boden. Sebastian und Jaromir entfernten sich währenddessen vom Tatort und lachten miteinander über die Situation. Unfähig seine Emotionen noch länger im Zaun zu halten wischte Marcel die Tränen aus seinem Gesicht, doch es kamen immer wieder neue nach, die seine Haut befleckten. Er griff nach seiner Schultasche und klaubte die ausgeschütteten Sachen wieder zusammen. Ein paar Mal musste er innehalten, da ihn neue Tränenschübe schüttelten, aber so langem versiegten die feuchten Bäche. Mit jeder verstrichen Sekunde die an Marcel vorbei zog, gewann er an Fassung und Stärke zurück. Am Ende stand er auf, warf sich seine Schultasche über die Schulter und folgte seinen Peinigern in die Schule. „Ein Tag wie jeder anderer...“, zischte Marcel sarkastisch. Das Leben war beschissen. Genauso wie das Gefühl, unerwünscht zu sein. Ihm graute es jetzt schon vor den kommenden Schultag, aber Marcel wusste, dass er den unangenehmen Teil für heute schon überstanden hatte. Zumindest, wenn er nicht an Zuhause dachte – Dort warteten nämlich noch weitaus schlimmere Dinge auf ihn, als nur gemeine Sprüche und ein paar harmlose Schläge. Zuhause wartete die Hölle. Aber sein Zuhause war nun mal sein Zuhause. Deswegen ging Marcel auch immer wieder zurück, obwohl ihn seine Familie jeden Tag zeigte wie sehr sie ihn verabscheuten und es so aussehen ließen, als wäre es ihnen ganz Recht wenn er bald von der Bildfläche verschwand. Oftmals hatten sie noch nicht mal einen Grund um ihn so quälen, sie betrachteten es einfach als einen netten Zeitvertreib. In ihren Augen war Marcel doch sowieso ein Niemand – ein lästiger Schmarotzer ohne Rechte. Dieses Leben war für Marcel normal, aber es versetzte ihm trotzdem jedes Mal einen Stich. Es ist wie ein Schlag mitten ins Gesicht. Man weiß, dass der Schmerz kommt, und doch kann man sich nicht darauf vorbereiten wenn es passiert. Marcel war diesem elenden Dasein schutzlos ausgeliefert. Für ihn gab es keinen Ort, an dem er sich verstecken konnte – seine Familie würde Amok laufen wenn sie erfuhren, dass es passieren könnte, dass er womöglich ihr wohlgehütetes Geheimnis ausplauderte. In dieser Angelegenheit kannten sie keine Gnade. Niemand von ihnen, noch nicht mal Marcels ältester Bruder. Sogar Jeremy verlor seine Geduld, wenn irgendjemand Fremdes eine Gefahr für seine Familie darstellte. Dann wurde aus dem großen, fürsorglichen Bruder ganz schnell ein kaltschnäuziges und herzloses Monster, welches jedes Lebewesen niedermetzelte, was ihm in die Quere kam. Marcel schaute nicht mehr zurück als er durch die Eingangstüre ging, deswegen bemerkte er auch nicht die Anwesenheit von Maxime und Raphael, die ihm in das Innere der Schule folgten. Mit schnellen Schritten bahnte sich Raphael seinen Weg durch die Masse und zog Maxime wie einen übergroßen Staubsauger hinter her. „Der Kleine ist ganz schön zäh. Ich dachte schon das er draußen bleibt und nach der Aktion vielleicht nach Hause läuft, aber er bleibt tatsächlich hier in der Schule... Mhm, zäher Bursche. Er hat schon Mut, das muss ich ganz offen zugeben.“ Oder einfach kein richtiges Zuhause, dachte Maxime bitter und schluckte seine Gedanken herunter. Irgendwie wollte er Raphael nicht erzählen dass er Marcel kannte. Er schämte sich, einen Jungen wie ihm nicht geholfen zu haben. Marcel hätte sicher nichts dagegen gehabt wenn Maxime an seiner Seite erschienen wäre, auch wenn er ihn gestern noch vielleicht abgewiesen hatte. In so einer Situation würde sich jeder über einen Retter freuen. Aber als er Sebastian und Jaromir erblickte, wie sie sich über Marcel beugten... wie sie ihn verletzten... wie sie ihn auf das übelste Beleidigten... wie sie Marcel voller Abscheu und Hass ansahen... da verließ Maxime sein ganzer Mut. Er fühlte sich wie das letzte Stückchen Dreck auf der Welt – Er war nicht besser wie Marcels Peiniger, denn im Endeffekt war er genauso feige wie sie, da er lieber Abstand hielt und seine Augen vor der Angst niederschlug. Ja, Maxime hatte auf der ganzen Linie versagt. *xXx* „Hey Kleiner, was ist los mit dir? Du bist auf einmal total blass geworden. Ist dir schlecht oder was?“ Maxime spürte, wie Raphael ihm die Hand auf den Kopf legte und vorsichtig durch seine Haare streichelte. „Ich...“, flüsterte Maxime heiser, doch mal als dieses eine Wort bekam er nicht über die Lippen. In Wahrheit war er am Ende und total erschöpft. Natürlich hatte er Raphaels jähe Anspannung bemerkt und das machte ihn noch viel nervöser als die Tatsache, dass er Lügen musste. „Ja...Ich?“, wiederholte Raphael leise. Den Mund zu einer strengen Linie verzogen beugte er seinen Oberkörper nach vorne und musterte das Gesicht seines besten Freundes. „Was ist los mit dir, Maxime? Wurdest du wieder von deinen Mitbewohnern schikaniert, oder warum ziehst du so ein langes Gesicht?“ Das stimmte zwar, aber das war nicht der Grund für Maximes Stimmungstief. Sein Problem hieß Marcel und wurde durch die Schuldgefühle in seinem Bauch nur noch stärker. „Ich hasse es wenn jemand gehänselt wird. Warum sind keine Lehrer in der Nähe, wenn man einen braucht? Sonst hängen die einen doch auch immer wie Kaugummi an den Fersen...!“ Mürrisch packte Maxime seine Schultasche aus und knallte die Bücher auf die Tischplatte. „Dann meinst du, wir hätten doch einen Lehrer zu den Jungen schicken sollen? Ich weiß nicht so recht... das ist eine Sache die uns nichts angeht. Außerdem wird er den Überfall sicher selbst melden – es ist total unnötig, wenn wir uns da jetzt auch noch da einmischen.“ „Wer weiß, vielleicht hast du recht... Wir haben immerhin unsere eigenen Probleme.“ Gerade noch rechtzeitig konnte Maxime seinen Blick von Raphaels dunkel umrandeten Augen abwenden, die ihn fragend in Grund und Boden starrten. Diesen Satz laut auszusprechen fühlte sich so falsch an, dass er befürchtete, gleich eine lange Nase zu bekommen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)