The Heart Collector von Gouda-kun ================================================================================ Kapitel 3: Kapitel 3: Das Wiedersehen - alle guten Dinge sind... zwei! ---------------------------------------------------------------------- Die bunte Gruppe aus Teenagern schien ganz in ihre Gespräche vertieft zu sein, doch Maxime entging trotzdem nicht, dass sich ein Mädchen aus der Formation gelöst hatte und beide Hände in die Luft streckte. Sie lächelte und ihre dunkelgrünen Augen funkelten spitzbübisch im Sonnenlicht. „Hey.“, sagte Maxime nur ruhig. Seine blauen Augen verengten sich zu Schlitzen, als er seinen Blick über den Körper des Mädchens gleiten ließ und richtete den Zeigefinger dann drohend auf ihre Nasenspitze. „Warum trägst du heute einen Rock?“ „Weil es laut Wetterbericht heute warm werden soll.“ Irritiert zog die Braunhaarige ihre schmalen Augenbrauen zusammen und schien offensichtlich nicht zu wissen, was Maxime von ihr wollte. „Sieht der denn so mies aus, oder warum fragst du?“ „Nein! Im Gegenteil, der sieht total süß aus. Das ist es doch grade!“, stieß Maxime hervor und machte einen kleinen Schritt nach vorne um das Mädchen in eine feste Umarmung zu schließen.  Für ein paar Sekunden hob er ihre zierliche Gestalt in die Luft und drückte sie kurz an seine Brust. „Jetzt muss ich wieder aufpassen, dass dich kein Perversling anbaggert!“ „Ach so!“, quietschte sie etwas von der Rolle und erschrocken von dem plötzlichen Überfall. „Ich dachte schon, das du  Sauer auf mich bist, oder so.“ Maxime lachte leise und setzte die Schülerin behutsam auf den Boden zurück. Glucksend sah er auf das Mädchen hinab, die wieder auf ihren Füßen stand und sich immer noch an ihm festhielt. „Wäre ich sauer auf dich, würde ich gar nicht mit dir reden.“ Das Mädchen hieß Charlotte und gehörte zu den besagten Freunden aus Raphaels alter Klasse. Leider war sie für ihre 16 Jahre ein wenig zu klein geraten und in Sachen weibliche Rundungen schien der liebe Gott es auch nicht gut mit ihr gemeint zuhaben. Charlottes Hüfte und Busen waren trotz der Pubertät und die der damit einhergehenden Hormonumstellung, immer noch so flach, wie die eines Jungen. Und da Maxime nun mal Raphaels bester Freund war, dauerte es natürlich nicht lange, bis er selbst Charlotte kennenlernte und sich irgendwann mit ihr anfreundete. Anfangs war sie ihm gegenüber sehr schüchtern und zurückhaltend gewesen, aber mittlerweile hatte sie Vertrauen gefasst und genoss seine Anwesenheit sichtlich.  „Du benimmst dich immer, als wärst du mein Vater!“ Murrend rümpfte Charlotte ihre Nase. Plötzlich spürte sie die Blicke der anderen Schüler im Nacken und das verursachte ihr eine unangenehme Gänsehaut. Alle starrten sie an, nur Raphael nicht. Er ignorierte die beide und beschäftigte sich lieber mit seinen anderen Freunden. Unwillkürlich ließ sie von Maxime ab. „Wie heißt es nochmal so schön: Big Brother is watching you, hmm? Da kommt man bei euch nicht dran vorbei.“ „Natürlich. Leider bin ich noch nicht mal älter als du, aber das passt schon.“ „Da hast du recht..“ Nun war es Charlotte, die grinste und dem Rosahaarigen den Zeigefinger in die Wange rammte. „Du bist erst 15 Jahre und benimmst dich schon wie ein alter Mann! Wann hattest du eigentlich deinen letzten Freund? Du bist neuerdings immer so unausgeglichen und übertrieben anhänglich...“ „Hey, habt ihr euch abgesprochen oder was? Raphael hat mich das vorhin auch schon gefragt.“ Mit einem gequälten Seufzen rieb sich Maxime über sein Gesicht, dann griff er nach Charlottes Arm und zog sie zum Fahrradkäfig. Dort angekommen lehnte er den Rücken gegen die Gitterstäbe und ließ den Blick einmal über den Pausenhof wandern. „Warum denken alle, dass ich mich verändert habe? Mir geht es doch gut, Mensch!“ „Das stimmt nicht, Maxime. Du bist unglücklich und wir als deine Freunde bemerken das nun mal.“ Charlotte tat es Maxime gleich und drückte ihre Kehrseite ebenfalls gegen die kühlen Gitter des Fahrradkäfigs. „Die Wohngemeinschaft und deine neuen Mitbewohner machen dir das Leben schwer und ich kann verstehen, wenn du mit dieser Situation alles andere als zufrieden bist. An deiner Stelle würde es mir nicht anders ergehen.“ „Das sind keine Mitbewohner, das sind Abgesandte des Teufels.“, knurrte Maxime plötzlich frostig und stopfte die Daumen in die Seitentaschen seiner Lederjacke. „Wenn ich gewusst hätte,  mit welchen Menschen die mich zusammen stecken, hätte ich das Projekt wohl abgelehnt. Aber na ja, dafür wohne ich nicht mehr 20 km weit entfernt und kann mit dir und Raphael auf eine Schule gehen. Das ist das einzig Positive an dieser Geschichte.“ Charlotte nickte mitfühlend. „Stimmt. Diese Mädchen sind schon anstrengend, wenn das wahr ist, was du immer über sie erzählst. Aber irgendwie ist das doch voll die Ironie. Du bist schwul und musst mit 2 Mädels zusammenleben. Ein heterosexueller Mann würde sein Glück kaum fassen können. Ähm... Die beiden sind Geschwister, oder?“ „Nein, eher so was wie beste Freunde.“ Von hier aus hatte Maxime einen guten Blick auf die Raucherecke, wo sich allerdings leider keine attraktiven Schüler tummelten, sondern nur die langweilen Typen die dort wie jeden Tag standen und ihren Lungen etwas Gutes taten. „Trotzdem sind sie ätzend und stärken sich gegenseitig den Rücken. Die eine ist total spießig und die andere ein männergeiles Flittchen. Eigentlich müsste man meinen, dass die nicht gut mit einander auskommen, aber das Gegenteil ist der Fall. Schlimm, ey. Und mit so was muss ich unter einem Dach leben.“ „Hmm, gib ihnen doch noch etwas Zeit. Vielleicht, musst du dich einfach noch an sie gewöhnen.“ meinte Charlotte und versuchte ein aufmunterndes Lächeln auf ihre Lippen zu legen.  „Charlotte…Diese beiden werden sich niemals ändern. Wir waren uns von der ersten Sekunde an unsympathisch und an dieser Tatsache, wird sich niemals etwas ändern. Wenn ich volljährig bin, sind die mich sowieso los. Also muss ich mir auch keine Mühe geben, um doch mit ihnen klar zu kommen. Sie hassen mich, ich hasse sie. Daran gibt es nichts zu rütteln.“ „Na und?“, brummte Charlotte plötzlich und bohrte ihren Zeigefinger mit Nachdruck in Maximes Hüfte. „Und was war damals mit Raphael? Als du ihn vor 3 Jahren kennengelernt hast, habt ihr euch auch nicht verstanden. Das ist erst nach und nach gekommen. Und jetzt guck mich nicht so böse an, du weißt das ich Recht habe!“ „Das mit Raphael war etwas anderes.“, konterte der Angesprochene. Er rieb sich über die Stirn und seufzte laut. Oh Mann, Charlotte war einfach viel zu gut für diese Welt; sie versuchte immer an jeder schlechten oder ausweglosen Situation etwas positives zu finden. „Wir haben uns nicht gehasst und da gab es von ersten Moment an etwas, das uns mit einander verbunden hat. Bei Scarlett und dieser japanischen Sumpfkuh gibt es so was nicht.“  „Aber...-“  Doch Maxime drückte ihr blitzschnell die Hand auf den Mund bevor sie weiter sprechen konnte. „Nein, kein aber.“, sagte er bestimmend. „Ich werde die beiden niemals akzeptieren, genau so wenig, wie sie es mit mir tun. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was sie sich immer für Gemeinheiten ausdenken, um mich zu quälen. Jeden Tag muss ich mich ihren verrückten Spielen stellen. Scarlett und Yukiko sind Menschen, die meine Freundschaft nicht verdienen.  Und können wir jetzt bitte über ein anderes Thema reden? Ich mache mir sowieso schon viel zu viele Gedanken über diese dummen Ziegen.“ Charlotte ging die Sache ruhig an: zähneknirschend nahm sie die schmalen, fremden Finger von ihrem Mund weg und presste bedrohlich die Lippen zusammen. „Du bist eine Zicke. Es ist kein Wunder, das es bei euch zuhause den ganzen Tag Terror gibt. Ihr seid doch alle aus dem gleichen Holz geschnitzt!“ „Tough!“ Maxime grinste, worauf Charlotte ihre angespannte Muskulatur etwas lockerte. Neugierig folgte sie seinem Blick über den Pausenhof und lächelte, als sie bemerkte, wohin Maxime schaute. „Bespannst du wieder die Leute?“, fragte sie und ihre Augen richteten sich nun ebenfalls auf die Ecke mit den rauchenden Mitschülern. „Und, ist heute Mr. Right für dich dabei?“ Schnaubend schubste Maxime das Mädchen ein Stückchen zur Seite. „Heh, Niemals! Auf dieser Schule gibt es keine anständigen Männer, nur Flaschen und Arschlöcher. Und das weißt du auch.“  Ohne die Antwort abzuwarten huschten Maximes Blick wieder zu der Raucherecke und betrachteten gelangweilt die einzelnen Leute. Dort standen allerhand Personengruppen. Streber, Machos, einige Lehrer, Normalos und aufgetakelte Tussen. Nichts Neues und vor allem nichts Interessantes für Maxime. Seinen Mr. Right gab es hier nicht. Maxime seufzte zum wiederholten Mal und drückte sich noch mehr gegen die Metallstangen in seinem Rücken.  Mr. Right nannte Charlotte ihn also. Ob sie das wohl von Raphael aufgeschnappt hatte? Warum, zum Geier, wollte ihn alle Welt plötzlich mit einen Partner sehen...? Ob sie meinten, dass er dadurch vielleicht eher die Probleme „Zuhause“ geregelt bekam? Maxime bezweifelte dies stark. Der blinde Punkt, welchen Maxime die ganze Zeit über unbewusst fixiert hatte, bewegte sich plötzlich und ein jäher Schatten erweckte seine Aufmerksamkeit. Geistesgegenwärtig reckte er den Kopf in die Höhe um zu sehen, was ihn da aus der Konzentration gerissen hatte. In Mitten der Raucherecke entdeckte er eine bunt zusammengewürfelte Gruppe aus Jugendlichen, die ein wenig abseits standen und offenbar gut mit einander auskamen. Sie lachten, rissen Scherze und sahen trotzdem irgendwie... erhaben... aus?  Maxime verengte seine Augen zu Schlitzen und betrachtete die seltsamen Schüler etwas genauer.  Sie alle wirkten wie die Kinder von reichen Leuten. Jeder von ihnen trug teure Markenklamotten, hielt ein noch teureres Smartphone in der Hand und über den Schmuck an ihren Armen oder Hälsen, musste man sowieso nicht sprechen. Jedes noch so kleine Detail unterstrich ihre Macht und das Ansehen innerhalb der Schule deutlich. Für solche Leute waren andere Schüler wie Maxime oder Charlotte nur billige, namenlose Statisten in dem Film, der ihr Leben ablichtete. Nichts, wo nach was man schauen musste oder kennen sollte, da sie ohnehin in der Masse aus tausenden Gesichtern verschwanden. Arztkinder oder Anwaltskinder mutmaßte Maxime und leckte sich mit der Zunge über seine weißen Schneidezähne. Mit solchen Leuten hatte er bis jetzt noch nie etwas zu tun gehabt. Sie spielten in einer ganz anderen Liga als er, und mussten sich ihr Reich ganz sicher nicht mit 2 nervigen Gören teilen. Früher an seiner alten Schule hatte Maxime ein schlechtes Bild von diesen Menschen gehabt. Neid verschleierte seine Sicht auf die Realität. Wieso lebten Einige in so günstigen Verhältnissen und andere, so wie er, in so Ärmlichen? Aber mit der Zeit begriff er, dass sie doch nichts dafür konnten; Sie waren nun mal in eine reiche Familie mit einen gewissen Status geboren worden und Maxime eben nicht. Das war nichts, was er ihnen vorwerfen konnte. Heute akzeptierte er sie als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft, was sie im Gegenzug von ihn dachten, konnte Maxime egal sein. Er wollte seinen Blick grade in eine andere Richtung drehen, doch dann sprang ihn plötzlich wieder der Schatten in die Augen, welcher sein Interesse überhaupt erst geweckt hatte. Einen von diesen Snobs kannte Maxime doch! Zuerst hatte er ihn nicht bemerkt weil er nicht solche teuren Klamotten wie die Anderen trug, aber dafür strahlte er in der Masse wie ein schwarze, mit Dornen versehene Rose. Was zum Teufel... das war ER! So eine blasse Gesichtsfarbe, in Kombination mit so dunkeln Haaren gab es nur einmal.  Das war der Kerl, der ihn vorhin angerempelt hatte... Dieser Penner aus dem Bus! Ungläubig klappte Maxime seine Kinnlade wieder zu, welche ihm vor Schreck beinahe auf den Boden gefallen war. Scheiße, dachte er nur und versuchte schnell wo anders hin zuschauen, aber die Person bahnte seinen Blick mit ihrer bloßen Präsenz. Oh Fuck! Das war übel... was war richtig übel! Maxime wusste doch, dass er diesen unhöflichen Typen von heute Morgen schon mal irgendwo gesehen hatte und jetzt wusste er auch wieder, wo das gewesen war!  HIER, in ihrer Schule!  „Hey...“, zischte Maxime leise und griff nach Charlottes Handgelenk. Jetzt wollte er natürlich auch wissen mit wem er es womöglich zu tun bekam. Das er bei den Snobs stand, war schon mal ein schlechtes Zeichen. Leider besaßen solche immer einen gewissen Einfluss auf andere Menschen und konnte die Masse in Hysterie versetzen.  Die Angesprochene neigte den Kopf und schaute ihm fragend in die Augen. „Ja?“, summte sie neugierig. „Guck mal nach da hinten.“, wies er sie an und deutete mit einen kleinen Nicken auf die Gruppe der reichen Kinder. „Siehst du diesen Jungen mit den schwarzen Haaren? Neben ihm stehen zwei Mädchen. Die eine ist blond, die andere rothaarig.“ „Ja.“, murmelte Charlotte ungewohnt kalt und ihre Stimme sank plötzlich ein paar Oktaven in die Tiefe. „Wieso? Interessierst du dich für ihn?“ „Naja, nicht direkt... er hat mich heute Morgen im Bus fast umgerannt. Kennst du ihn?“ Bei diesen Worten knirschte Charlotte mit den Zähnen und umfasste eine der Stangen des Fahrradkäfigs so fest, dass ihre Knöchel zum Vorschein kamen. Auf einmal hatte ihr schönes, herzförmiges Gesicht eine große Ähnlichkeit mit einem weißen Blatt Papier. „Natürlich kenne ich ihn. Jeder kennt ihn! Also wundere ich mich, wieso nur du nicht.“ „Keine Ahnung. Darum?“  Irritiert blinzelte Maxime gegen die Sonne und fühlte sich plötzlich wie in einen schlechten Horrorfilm hinein versetzt. Was war nur mit Charlotte los? Ihr war anzumerken, dass sie den dunkelhaarigen Rempler nicht gerade sympathisch fand. Obwohl sie ihm immer alles erzählte, hatte Maxime das Gefühl, dass er gerade dabei war, etwas wirklich Ernstes in ihr bewegt zu haben.  Etwas in ihren großen, grünen Augen strahlte eisige Kälte aus.  Wenn Alle diesen Jungen kannten und nur Maxime nicht, klang das irgendwie ziemlich beängstigend.   Charlotte rieb sich mit dem Finger über die Schläfe und schloss für einen kurzen Moment die Augen. „Es ist nur so, dieser Junge gehört zu den Menschen... die du kennen solltest damit du weißt... mit wem du lieber keinen Streit beginnst. Er heißt Kiley Sandojé. Na, klingelt es nun bei dir?“ „Nein? Dann erzähl mir doch von ihm. Ich habe noch nie von einen Kiley gehört.“ Maxime sah seine langjährige Freundin gespannt an und schob seine auf einmal kalten Hände in die Innenseite seiner Jackentaschen. Da lag doch irgendwas im Busch! Verflucht! Er hatte es doch geahnt, dass ihn dieser Typ von heute Morgen nochmal Schwierigkeiten bereiten würde. Ein Hoch auf die Zukunftsvisionen seines besten Freundes! Charlotte schluckte laut. „Er ist ein gemeines Arschloch...“ Maxime zuckte erschrocken zusammen. Oha...! Seit wann gab es solche Ausdrücke in ihrem wortkabular ?! „Er ist ein Arschloch...“, wiederholte sie scharf. „Er ist das größte Arschloch in dieser Stadt. Der König der Mistkerle! Egal wie sehr die Anderen für ihn schwärmen, für mich ist er einfach nur ein Alptraum.“ Charlotte und legte so viel Verachtung in ihre Stimme, dass Maxime innerlich zusammen zuckte. „Er gehört zu den beliebtesten Schülern und alle mögen ihn weil er ja ach so zuvorkommend ist. Aber wenn man ihn erst einmal so richtig kennt, verflüchtigt sich dieser gute Eindruck ganz plötzlich und der heldenhafte Samariter wird zum egoistischen Eisschrank. Seine ganze Freundlichkeit, Toleranz und Fürsorge ist alles nur gefaked, erstunken und erlogen.  Im Inneren ist Kiley unberechenbar und kennt nur seine eigenen Bedürfnisse. Um Andere kümmerte er sich nicht im geringsten; Solange es seinem Arsch gut geht, ist alles in Ordnung!“ „Das war ja eine Ansprache.“, murmelte Maxime leise. Was auch immer der Kerl verbrochen hatte; Es war eine Meisterleistung, da Charlotte so schnell auf niemanden wütend wurde. „Dann hält man sich also besser von ihm fern, oder? Ich habe den Eindruck, dass er auch sehr schnell, sehr ausfallend werden kann. Im Bus habe ich heute Morgen nichts von seiner vermeintlichen Freundlichkeit gespürt, ganz im Gegenteil, er hat mich sogar richtig zur Schnecke gemacht...“ Maxime verzog sein Gesicht. „ Aber ich muss zugeben, dass ich verstehen kann wieso er so beliebt ist; Er ist schon ziemlich attraktiv.“ „Ich kann gar nicht nachvollziehen, was alle immer so toll an ihm finden! Nur weil er gut aussieht, ist er nicht so sofort ein besserer Mensch. Ha! Und dabei macht Kiley die Leute, die er nicht mag,  sogar nieder. Und sowas nennst du also attraktiv?“ Charlotte verschränkte die Arme vor ihrer Brust und schoss die wildesten Verwünschungen in die Richtung des Schulstars. „Vor Gewalt und Mobbing schreckt er absolut nicht zurück. Es ist wirklich zum Heulen was er sich alles erlaubt! Gerüchte besagen, dass Kiley sogar schon dafür gesorgt hat, dass einige Schüler wegen ihm die Schule verlassen haben.“ Maximes Blick verschwamm leicht. In seinem Bauch begann es zu kribbeln und doch tat er nichts weiter, als einen kleinen Seufzer über seine Lippen zu stoßen.  Beliebtheit und Schönheit. Kileys demnach erschreckend kleine Welt drehte sich nur um diese beiden Eigenschaften. Wer anders war, wurde also ausgegrenzt und konnte nach einer neuen Bleibe suchen. „Dann hast du Recht. Er ist wirklich ein Arschloch.“, bestätigte Maxime und nickte zustimmend. Ein weiteres leises, kaum hörbares Knurren drang über Charlottes rote Lippen. Ein Schütteln durchfuhr ihren schmalen Körper und die Finger umschlossen so stark die Gitterstäbe in ihren Händen, dass die einzelnen Knöchel unter der Krafteinwirkung knackten. „Na, über wenn lästert ihr da schon wieder?“ Kaum realisierend was die Person gesagt hatte, tauschten Maxime und Charlotte einen kurzen Blick und drehten den Kopf  dann synchron in die Richtung, aus der die Unterbrechung gekommen war. Neben ihnen stand ein  Junge mit einer Zigarette im Mundwinkel. Das war Raphael, unverkennbar mit seinen hellblonden Haaren und den farbigen Kontaktlinsen. „Du darfst drei Mal raten...“, zischelte Charlotte unwirsch und bohrte ihre Zähne in die Unterlippe. „Über Mister. Mir-scheint-die-Sonne-aus-dem-Arsch.“ Irritiert hob Raphael eine Augenbraue an und runzelte seine Stirn. „Über... wen?“ „Über Kiley.“, antwortete Maxime stellvertretend für Charlotte und vermied es aus Sturheit dem anderen in die Augen zu schauen. „Heute Morgen gab es … nun ja, wie soll ich sagen?... Eine Art Auseinandersetzung.“ „Aha. Was war denn los?“ Jetzt schien Raphaels Interesse doch geweckt zu sein. Ihre kleine Meinungsverschiedenheit wegen der Mädchenclique vor Schulbeginn nagte noch immer an ihm; Die Tatsache, dass Maxime seine >Hilfe< in den Wind geschlagen hatte und nicht zu würdigen wusste, ebenso. Aber wenn Maxime ein Problem mit Kiley bekommen hatte, musste er hellhörig werden. Seitdem er diese Schule besuchte, verband er viele negative Dinge mit diesem Jungen und er wusste, wie gefährlich dieser unter Umständen werden konnte. Unwillkürlich glitt sein Blick zu der Raucherecke hinüber. Natürlich kannte Raphael die eingebildeten Geldsäcke dahinten und der Nachname Sandojé war ihm erst recht ein Begriff. „Ach... irgendwie ist das ziemlich blöd gelaufen.“, meinte Maxime etwas kurzsilbig. In der Zwischenzeit schaute er  flüchtig auf seine Armbanduhr, um zu sehen, wie lange ihre Pause noch dauerte. Glücklicherweise hatten sie noch ein paar Minuten Zeit, bevor Herr Asthon seinen Unterricht wieder anfing. „Als ich heute Morgen in den Schulbus eingestiegen bin, sind wir zusammen gestoßen. Daraufhin hat er mich etwas blöd angemacht und ist dann wie ein geölter Blitz verschwunden. Also ein bisschen empfindlich ist der schon, wenn ihn das direkt so aufregt.“ „Das ist ganz normal, das ist das typische Sandojé-Temperament. Diese ganze Familie zieht den Ärger nahezu magisch an. Die kriegen selbst mit den ruhigsten Menschen Stress.“ Raphael presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen und atmete hörbar aus. Irgendwie wurmte es ihn tierisch, das er erst jetzt von diesem Streit erfahren hatte, aber er behielt seine Gedanken lieber für sich. „ Du kannst froh sein das du Kiley begegnet bist, und nicht seinem Bruder Daimon.“ Maxime schluckte, unterdrückte aber das mulmige Gefühl in seinem Magen. So, so, Kiley hatte also noch einen Bruder? Alles klar, wenn ein Mensch schon so einen Namen trug konnte das unmöglich etwas Gutes heißen. Welche halbwegs gescheiten Eltern benannten ihr Kind schon nach einem bösen Geist, ohne sich irgendwelche Hintergedanken darüber zu machen? Was für ein Leben musste dieser arme Junge doch führen! „Er hat einen Bruder?“, wiederholte Maxime mit etwas piepsiger Stimme. Jetzt war es an der Zeit ihren dämlichen Streit zu vergessen und Raphael wieder ernst zu nehmen.„Ist der wenigstens etwas netter wie Kiley oder kommt der vom selben Schlag?“ „Schlimmer.“ Mürrisch zog Raphael an seiner Zigarette und inhalierte für wenige Sekunden den Rauch, ehe er ihn wieder über die Lippen nach draußen stieß. „Mit Kiley kann man noch Reden, aber bei Daimon ist Hopfen und Malz verloren. Wenn du mit ihm Streit bekommst, kannst du dich warm anziehen und am besten schon mal das Weite suchen. Der Typ hat ein ziemlich übles Temperament im Leib sitzen, dagegen ist Kiley ein Unschuldslamm.“ Plötzlich begann Maxime zu frösteln und rieb sich unbehaglich über seinen Arm. Das waren ja tolle Neuigkeiten, die ihm Raphael und Charlotte da vermittelten. Kurz öffnete er seinen Mund, entschied sich aber dazu ihn wieder zu schließen und grunzte nur. Wirklich, ganz tolle Neuigkeiten.  Maxime hatte noch nie gesehen, dass seine Freunde so einen Ausdruck in den Augen trugen wie jetzt gerade. Sie waren geweitet und verdunkelt. Dort war Angst zu lesen, und Wut.  „Aber mach dir keine Sorgen.“, schaltete Charlotte ihre Person wieder zum Gespräch dazu und versuchte es mit einem zittrigen, nicht sehr überzeugenden Lächeln. „Wenn Kiley keine Andeutungen gemacht hat, um dir das Leben zur Hölle zu machen, kannst du froh sein. Wenn das Unglück heute Morgen passiert ist, hat er das morgen sicher schon wieder vergessen.“ „Hoffentlich!“, sagte Maxime zugleich. Er betrachtete die Raucherecke noch eine Weile, währenddessen bohrte sich ein schrecklicher Schmerz in die Mitte seiner Brust. Es fühlte sich nicht so an, als würde er gleich einen Herzinfarkt bekommen, sondern eher so, als würde ihm jemand ein Messer in das Herz rammen. „Ich auch, Alter.“, flüstere Raphael und drehte den Kopf auf die andere Seite, da gerade die Schulglocke erklang und damit das Ende der Pause verkündete. Er warf die Zigarette auf den Boden, wo er die zischende Glut sofort mit seinem Fuß zertrampelte. „Daimon und Kiley sind zwei Typen mit denen ich am Liebsten nichts zu tun habe. Die machen einen nur Schwierigkeiten, gemeines Rumänen-Pack! Mit der Ausnahme ihrer eingeschworenen Fangemeinde besitzen diese möchte-gern Promis doch gar keine „richtigen“ Freunde, sondern alles nur Speichellecker, die ihnen wie Schoßhündchen überall hin folgen.“ „Oder Leute, die Angst haben und sich durch ihre Freundschaft Schutz erhoffen.“, fügte Charlotte hinzu und machte sich mit ihren beiden männlichen Kameraden auf den Weg in das Schulgebäude. „Naja, ihre Ideologie werden wir  wohl niemals verstehen. Was habt ihr jetzt für einen Unterricht?“                               *xXx* „Endlich! Endlich Schluss! Oh mein Gott, ist das ein geiles Gefühl. Freiheit!“ Brüllend warf Raphael seine Arme in die Luft und führte einen spontanen Freudentanz auf „Ich bin im Himmel!“ „Danke für das Kompliment, ich wusste doch schon immer das ich eine überirdische Ausstrahlung habe!“, sagte Maxime mit einen Schmunzeln und schlug seinem besten Freund leicht auf den blonden Hinterkopf. „Aua! Sind wir heute mal wieder gewalttätig veranlagt, he!?“ Raphael hob seine Hand und machte eine abwertende Geste, während er mit Maxime über den Pausenhof schlenderte. Vor Fünf Minuten hatten sie ihr letzte Unterrichtsstunde beendet und jetzt hieß es ab nach Hause, rein in den Feierabend. .„Das mit dem Himmel wird nicht auf dich bezogen! Die haben da oben sicher noch viel attraktivere Teile rumlaufen wie dich!“  „Pah! Das glaubst du doch wohl selbst nicht!“ Beleidigt zog Maxime einen Schmollmund. „Als Gott mich erschaffen hat, wollte er sicher angeben...“ Er rieb mit der Hand über seine hauchzart geröteten Wangen und fuhr sich anschließend durch die langen, rosa Haare. „...Aber wenn du sagst noch viel attraktiver, dann findest du mich wenigstens ein bisschen attraktiv, oder?“ „Ja, so attraktiv wie man einen pinken Kaugummi eben finden kann.“ „Hey!“ Zischend holte Maxime aus und verpasste Raphael einen weiteren Hieb, diesmal aber deutlich brutaler. „Wenn du so weiter machst kannst du deine Chili Con Carne alleine essen. Dann gehe ich jetzt sofort nachhause!“  „Ist ja schon gut, Mann! Beruhige dich.“ Brummend schob Raphael seine Hände in die Hosentaschen. „Also nimmst du das Angebot mit den Essen an?“ Maxime schnaubte. „Sieht wohl so aus.“ „Das ist cool.“ Das Grinsen war auf Raphaels Lippen zurückgekehrt und er betrachtete den Kleineren mit einem ehrlichen Ausdruck der Freude in den Augen. „Wir haben schon lange nichts mehr zusammen nach der Schule unternommen. Wann war eigentlich das letzte Mal? Mm, das ist sicher auch schon drei oder vier Wochen her.“ „Ich weiß es auch gar nicht mehr genau.“ Maxime deutete ein Schulterzucken an. „Aber das ist doch egal. Wir gehen jetzt zu dir und machen uns einen netten Tag zusammen. Aber... sag mal, wie wollen wir eigentlich zu deiner Wohnung kommen? Du bist doch mit dem Fahrrad da und der Bus ist um diese Uhrzeit immer so voll, das wir das Ding unmöglich mit rein nehmen können. Die Anderen würden uns erschlagen.“ Bei diesen Satz hatten die beiden Freunde den Fahrradkäfig erreicht und Raphael ging hinein um  sein Mountainbike herauszuholen. „Ach, mach dir mal keine Sorgen!“, rief er Maxime zu, welcher vor der Eingangstüre stehen geblieben war. „Dann fahren wir eben so. Du kannst dich doch hinten auf den Gepäckträger setzen, dafür habe ich den doch schließlich extra gekauft.“ Doch Maxime konnte das Lächeln nicht ins Gesicht bekommen, er quälte es sich auf die Lippen und trotzdem wirkte es nur wie ein Verziehen seines Mundes, damit er Raphael nicht verletzte. Sein Enthusiasmus  war mit einem mal verflogen.  „Aber ich habe doch einen Rock an...“, murmelte er ausweichend. „Außerdem wird das meinen Hintern verdammt wehtun, wenn ich die ganze Strecke bis zu dir nachhause auf diesen Stahlträger sitze.“ „Stell dich nicht so an, dein Hintern hat genug Fettdepots um das bisschen Metall auszuhalten.“  Inzwischen war Raphael mit seinem Mountainbike wieder draußen angekommen und stieß Maxime spielerisch in die Seite.  Dieser lächelte etwas gequält. Natürlich könnte er die Zähne zusammen beißen und den Weg zu Raphael überstehen, aber er hatte auch Angst, dass ihm während der Fahrt der Rock hochflog und alle Welt einen Blick auf seine Spitzenunterwäsche bekam. Dieses Gut war nur ausgewählten Menschen vorgesehen. Raphael runzelte seine Stirn und streckte seine Hand aus, um Maxime eine helle Haarsträhne aus den Augen zu streichen..„Hey... Keine Schläge oder Gemecker wegen dem Fett? Stimmt was nicht mit dir?“  „Ich...“, setzte Maxime an, verstummte aber, als er eine Bewegung aus dem Augenwinkel vernahm.  Aus dem Schulgebäude waren grade zwei junge Männer gekommen und steuerten ihren momentanen Aufenthaltsort an, der Ausdruck welcher in ihren Augen lag, versprach nichts Gutes. „Scheiße... nicht die schon wieder.“ knurrte er leise. „Na, wenn haben wir denn da? Unsere beiden Lieblingsschwuchteln!“, tönte auch schon einer der Jungen von weitem und blieb stehen, als er Maxime und Raphael erreicht hatte.  Raphael schnaubte nur. Auch wenn die Schüler sie gerade provozierten, blieb er diesmal überraschenderweise ruhig und hob nur höhnisch seine Mundwinkel. „Immer wieder dasselbe. Stehst ihr auf uns, oder wieso hängt ihr uns wie ein Kaugummi an den Fersen? Echt mal. Aber Sorry, wir stehen nur auf intelligente Männer und nicht auf so Vollpfosten wie euch.“ Rein aus Reflex griff Raphael nach Maximes Handgelenk und zog ihn ein Stück näher an sich heran. Nur für den Fall, dass einer der beiden Arschlöcher jetzt die Kontrolle über sich verlor. Die Schüler wechselten einen kurzen Blick und begannen dann spöttisch zu lachen. „Hättet ihr wohl gerne.“, antworte der andere, etwas kleinere Junge und fuhr sich mit der Zunge über seine silbernen Lippenpiercing.  Er strahlte schon eine düstere Aura aus und seine schwarzen, etwas längeren Haare unterstrichen diesen Eindruck nur noch mehr. „Aber wir sind nicht schwul. Also müsst ihr euch ein paar andere Arschficker suchen, die eure abnormalen Bedürfnisse befrieden. Wobei... Hey... ihr habt doch euch! Ein bisschen FreundschaftPlus hat bis jetzt den wenigsten Beziehungen geschadet.“ „Da würdest du wohl gerne zuschauen, nicht wahr, Jaromir?“, knurrte diesmal Maxime und zischte Raphael ein gut gemeintes. „Lass es...!“ zu, dem das Blut vor Wut schon in den Kopf schoss. Und das war ein schlechtes Zeichen, wenn man ihn kannte. Schnell hakte er sich bei seinem besten Freund unter, dadurch könnte er ihn wenigstens festhalten, wenn er den beiden Jungen an die Kehle gehen wollte. „Lass Du mich!“ Fauchend riss Raphael an seinen Arm, doch Maxime bohrte seine Fingernägel kraftvoll in seine Haut. Irgendwie hatte er plötzlich ein Déjà-vu und fühlte sich ganz leicht an heute Morgen zurück erinnert. Allerdings, war diese im Vergleich hierzu eine harmlose Situation gewesen, diese Mädchen heute Morgen auf dem Gang hatte Maxime noch nie zuvor gesehen – die Jungen welche ihn anscheinend wie die Pest hassten, schon, und sie waren viel gefährlicher. Die beiden Teenager in Raphaels Alter, hatten es schon seit Beginn des Schulwechsels auf Maxime abgesehen und wurden mit jedem neuen Aufeinandertreffen gemeiner, und gewalttätiger. Der dunkelhaarige Emo hieß Jaromir, und der andere Schüler Sebastian. Von dem Duo war sein Aussehen noch das natürlichste; Er war groß gewachsen, ein bisschen schlaksig und besaß hellbraune Haare, im modernen Skaterschnitt. Leider gehörte der Charakter nicht zu seinen positiven Eigenschaften, was eigentlich sehr schade war, da er an sich nicht schlecht aussah. Das Gleiche galt für seinen Freund Jaromir; Hübsch anzuschauen, aber ein Arschloch auf der zwischenmenschlichen Ebene. Beide gingen in die zehnte Klasse und überragten Maxime um etliche Zentimeter. Was sie genau störte, war ihm bereits am Anfang klar geworden; Sie verabscheuten homosexuelle Männer und solche, die sich mit Frauenkleidern schmückten, noch viel mehr. Es war nur Raphael zu verdanken, das Jaromir und Sebastian es bis jetzt bei verbalen Angriffen belassen hatten, und Maxime Schlimmeres erspart geblieben war. Jedoch verloren sie auch langsam den Respekt vor ihn. Der Kloß von vorhin hatte sich aufgelöst, doch das unangenehme Ziehen in Maximes Bauch hielt an. Dann ließ er Raphael los und schlang seine Arme um sich. Der Emo und der Schönling waren seine ärgsten Widersacher, sie hänselten ihn am schlimmsten! „Maxime? Wir gehen. Die beiden Wichser verderben mir die Laune.“ Raphael starrte Jaromir und Sebastian hasserfüllt in die hübschen Gesichter und versuchte ruhiger zu atmen, während er sich bemühte, weiter zu reden ohne dabei in Raserei zu verfallen. „Das ihr euch überhaupt noch im Spiegel betrachten könnt, ohne ihn zu zerschlagen. Es ist eine Schande, was aus euch geworden ist, früher habt ihr zwei euch nie so verhalten. Pfft, aber da sieht man mal wieder, was alles aus den Menschen werden kann! So was ist traurig.“ Was Raphael noch erzählte hörte Maxime kaum, es drang nur ganz leise und dumpf wie durch Watte an seine Ohren, und als er die Tränen in seinen Augen spürte, erschrak er sich fast zu Tode. Er bemerkte, dass Raphael ihn am Arm fest hielt und langsam auf den Ausgang zuschritt, mit der anderen Hand schob er sein rotes Mountainbike. Auch seine Finger zitterten vor Wut. „Fuck...“, zischte Maxime und rieb sich über den Hals, der von innen auf einmal ganz trocken und rau geworden war. „Diese verdammten Mistkerle.“ „Ignorieren!“, befahl Raphael monoton. „Du weißt wie gestört die Penner sind. Denk immer daran, dass sie das Problem haben und nicht du!“ Doch Maxime lachte nur bitter. „Ich kann die nicht ignorieren! Ich habe nicht so ein dickes Fell wie du und nehme mir nun mal alles zu Herzen, was mich stört!“ „Tja.“, murmelte Raphael und hielt an, um sich auf den Fahrradsitz zu schwingen. Er drehte den Kopf nach hinten und klopfte mit der Hand auf den kleinen, frisch montierten Gepäckträger. „Hoch mit dir, Puppe. Wir sollten Jaromir und Sebastian vorerst vergessen. Die sind es nicht wert, dass wir uns jetzt selbst Vorwürfe machen und dadurch den ganzen Tag vermiesen. Ich habe mich schon die ganze Zeit darauf gefreut, wieder was mit dir zu machen. Jetzt lass mich nicht hängen, ja Kumpel?“ Irgendwie besaß Raphael immer die Gabe andere Menschen aufzumuntern, und so wechselte Maximes Gesichtsausdruck von betrübt zu erleichtert, dann schaute er mit einen winzigen Lächeln auf den Lippen zur Seite. Aber bei so einer Grinsebacke ist das wirklich keiner Wunder, dachte er und langsam kehrte die Wärme zurück in seinen Körper. „Okay, du hast ja Recht.“ Keine Sekunde später hatte Maxime genügend Kraft gesammelt und sprang auf den Gepäckträger des Mountenbikes, seine Arme wickelten sich dabei wie von selbst um Raphaels Hüfte.                               *xXx* „Da sind wir. Alles absteigen bitte.“, verkündete Raphael dreißig Minuten später und bremste scharf ab als er und Maxime die Garage des mehrstöckigen Etagenhauses erreicht hatten, indem er seit seinem zwölften Lebensjahr wohnte. Bergedorf, ein Bezirk und gleichzeitig ein Stadtteil von Hamburg, gehörte zu den ruhigeren Plätzen der berühmten Hafen- und Handelsstadt. Maxime und Raphael liebten ihr kleines Paradies, hier ticken die Uhren alle noch ein bisschen anders; die Gegend war viel ländlicher und die Mieten im Vergleich zur der Großstadt relativ günstig. Nachdem Raphaels Mutter vor 4 Jahren an den Folgen ihres Alkoholmissbrauchs gestorben war, hatte er noch die ersten Jahre zuhause bei seinem Vater verbracht, aber es gab so heftige Auseinandersetzungen zwischen ihnen, dass Raphaels Vater ihn wenig später zu einer eigenen Wohnung verhalf. Er verlangte zwar, dass sich sein Sohn alle 2 Wochen meldete und über seine Lage berichtete, aber damit hatte er kein Problem.  Für seine 16 Jahre war Raphael schon richtig selbstständig. Wahrscheinlich wäre er auch von Anfang an alleine zurecht gekommenen, denn in dieser Sache war er unschlagbar; Wenn jemand die Anforderungen der heutigen Zeit bestehen konnte, dann er. In der langen Zeit alleine bei seiner alkoholkranken Mutter musste Raphael schließlich auch die Verantwortung für die Familie tragen. Sein Vater hatte die Augen vor der Sucht seiner Frau fest verschlossen. Wenn sie wieder in ein Tief zu rutschen drohte, schickte ihn sein Chef immer ganz spontan auf eine Geschäftsreise – dabei konnte er die Situation zuhause einfach nicht mehr ertragen! Und erst als es zu spät war, sah er ein, was er durch sein Wegschauen in Wirklichkeit verloren hatte; seine Familie. Nicht nur seine Frau, sondern auch noch einzigen seinen Sohn. Nach den Tod seiner Mutter hätte Raphael gerne den Kontakt abgebrochen, aber das brachte er trotz des ganzen Hasses, den er gegenüber seinen Vater empfand, einfach nicht übers Herz... Außerdem konnte er neben der Halbwaisenrente, das monatliche Unterhaltsgeld gut gebrauchen. „Danke.“, sagte Maxime und kletterte mit einigen Schwierigkeiten von dem Gepäckträger.  Stöhnend rieb er sich über sein pochendes Hinterteil; die Metallstangen auf denen er bis jetzt gesessen hatte waren wirklich verdammt unbequem gewesen! Hoffentlich lud ihn Raphael in der nächsten Zeit nicht mehr auf eine spontane Spritztour ein, ansonsten würde er ein dickes Sofakissen mitnehmen und gleich dazu eine große Tube Schmerzsalbe... Inzwischen hatte Raphael sein Mountainbike in der Garage untergebracht und zog das dunkle Tor mit einem lauten Knall hinter sich zu. Schnaubend atmete er die kühle Luft aus. „Geht es dir nicht gut?“, fragte er mit einen kleinen, gemeinen Grinsen als er Maximes verzerrten, eindeutig von der Fahrt resultierenden, Gesichtsausdruck bemerkte. „Na, tut dir der Arsch weh, oder was?“ Die Gegend in der Raphael lebte war ziemlich ruhig für einen Jugendlichen. Hier wohnten eigentlich nur ältere Ehepaare, ein paar kinderlose Familien oder so arme Leute, wie Raphael. Die Mieten der einzelnen Wohnungen waren nicht sehr hoch und durchaus bezahlbar, aber dafür gab es auch keine Möglichkeiten wo man als junger Mensch hin gehen konnte. Auch die Busverbindungen waren ziemlich schlecht und die angesagten Lokale leider kilometerweit entfernt. Wenn Raphael abends irgendwo hin wollte, musste er später meistens laufen um nach Hause zu kommen, oder auf eine Mitfahrgelegenheit hoffen. Aber Gott sei Dank hatte er in dieser Sache meistens Glück. Fast immer fand sich jemand, der Raphael nett fand und nachts in seinem Auto nach Hause fuhr. „Blitzmerker!“, konterte Maxime und verengte die Augen zu Schlitzen.. „Können wir jetzt hoch gehen? Es ist kalt und ich habe Hunger.“ „Oi! Ich wollte aber noch schnell eine Zigarette rauchen!“, warf Raphael ein. „Du weißt doch, dass mich der Vermieter killt wenn der erfährt, dass ich in der Wohnung rauche!“  Bei dem Gedanken daran lief ihm ein Schauer über den Rücken und er erstarrte für kurze Zeit um seine Erinnerungen zu sammeln. Sein alter Vermieter, Herr Meierbaum, hasste junge Leute und war, ohne übertreiben zu wollen, wirklich ein Mistkerl. Wenn er von jemanden nicht pünktlich sein Geld bekam, drohte er sofort mit einem Gerichtsverfahren, oder der sofortigen Kündigung. Schmunzelnd verschränkte Maxime die Arme vor der Brust und stieß einen kleinen Pfiff aus. „Was du natürlich NIEMALS tun würdest. Du hältst dich ja IMMER an die Regeln weil du so ein ehrlicher Mensch bist, und niemals etwas machst, was andere stören könnte. Habe ich nicht recht?“ Das hatte gesessen. Bei solch einer Ironie blieb Raphael im ersten Moment der Mund offen stehen.    „Nicht so laut du Schreihals! Willst du, dass uns die ganze Nachbarschaft hört?!“, zischte er unwirsch.  Selbst jetzt, wo er in diesem Niemandsland wohnte und es nicht viele Menschen gab die zuhören konnten, sprach er mit gedämpfter, leiser Stimme. Immerhin wollte Raphael sein Glück nicht provozieren und schüttelte ergeben seinen Kopf. „Alles klar, du hast gewonnen. Dann gehen wir erst etwas essen, aber danach kommen wir nochmal runter und dann darfst du mir beim Qualmen zu schauen. Abgemacht?“ „Abgemacht. Darf ich dich dann auch anzünden?“ Die zwei Freunde betraten immer noch zankend das enge, etwas nach Putz riechende Etagenhaus und mussten erstmal mehrere Treppen erklimmen, da das Haus fünf Etagen besaß und Raphael natürlich ausrechnet in der letzten wohnen musste. Auf dem Weg nach oben konnte er sehen, dass hier keine Kinder lebten. Nirgendwo lag Spielzeug im Flur verteilt, keine Kinderwägen standen vor den Türen und alles wirkte sauber und ordentlich. Hier und da entdeckte Maxime mal ein Schuhpaar auf einer Fußmatte, oder einen Willkommensgruß an  der Eingangstüre, aber das kam ziemlich selten vor - Anscheinend mochten die Bewohner keinen Schnickschnack und fanden langweile Ödnis viel interessanter.  Wenn sich mal eine Katze im Treppenhaus verirrte, war das für die Leute schon ein kleines Highlight.  Nach wenigen Minuten hatten Maxime und Raphael ihr Ziel erreicht.  „Ein Glas Cola wäre jetzt nicht schlecht.“, keuchte Raphael und lehnte sich dankbar an die kühle Wand. Er atmete schwer, sein Brustkorb hob und senkte sich hektisch. Irgendwann würde er dafür sorgen, dass der geizige Meierbaum eine Firma bestellte, die hier in das Treppenhaus einen Aufzug einbaute -  die alten Leute wären über diese Änderung sicher hoch erfreut!  Schweigend beobachtete Maxime, wie sein bester Freund den Haustürschlüssel aus seiner Hose zog und die Türe zu der Wohnung aufschloss. „Du musst mehr Sport machen, Raphael. Du bist total aus der Puste und dabei waren das noch nicht viele Treppen. Mein Haus hat doppelt so viele Stufen.“ Ertappt zog Raphael den Kopf zwischen seine Schultern. „Ich bin sportlich! Nur meine Ausdauer ist ein bisschen auf der Strecke geblieben! Ansonsten strotze ich nur so vor Energie.“  „Was du nicht sagst.“ Maxime folgte dem Blondhaarigen in die Wohnung und schaute sich kurz in der großen, hell eingerichteten Behausung um. Es war wirklich schon eine Weile her, das er Raphael das letzte Mal besucht hatte. Viele Dinge kamen ihm verändert vor. Besaß Raphael schon immer einen Schuhschrank? Und die dunkelrote Lederjacke an der Garderobe kannte er auch nicht.  „Wo ist Freya?“, wollte Maxime wissen als er die Inspektion des Raumes beendet hatte. Raphael streifte sich die Schuhe von den Füßen warf seine Jacke über den Haken der dunkel angestrichenen Garderobe.  „Keine Ahnung. Entweder pennt sie auf meinem Bett, oder sie bettelt bei der alten Dame von nebenan um essen.“ „Oh Mann. Ist sie immer noch so verfressen?“ Lächelnd strich Maxime eine rosa Haarsträhne aus seinen blauen Augen. „Du kannst froh sein das sie noch so jung ist und einen guten Stoffwechsel hat. Ansonsten könntest du sie schon lange durch die Gegend rollen.“ „Tja, dafür kriegt sie bei mit umso weniger.“, meinte Raphael und ging danach in die Küche, wo er seinen Kühlschrank öffnete und einen Topf, sowie eine große Flasche Fanta raus nahm. Nach einen Blick zurück in den Flur fragte er. „Möchtest du auch was trinken, Maxime?“ „Gerne.“  Summend schritt Maxime durch den Flur und betrat das helle Wohnzimmer. Das Ton-in-Ton-Konzept zog sich hier ebenfalls durch den Raum: Der Boden bestand aus einem dunkelbraunen Laminat, die Couch war in einem schönen creme Ton gehalten und farblich abgestimmte Schränke rundeten das ganze Bild harmonisch ab. An den Wänden hingen ein paar Poster von irgendwelchen Pop-Bands in modischen Metallrahmen und kleine, kreisrunde Lichter an der Decke erhellten Maxime den Weg, als er nun auch in die Küche ging und sein Glas von der Anrichte nahm.  Auch wenn Raphael nach außen nicht unbedingt so wirkte, war er ein sehr ordnungsliebender Mensch; Alles hatte seinen festen Platz in der kleinen 4-Zimmer Wohnung und wenn Maxime wollte, hätte er das Mittagessen auch vom Boden essen können ohne Angst zu haben, innerhalb weniger Stunden später von Bakterien oder Würmern zerfressen zu sein. Dieser Punkt ging eindeutig an Raphael - Maxime besaß noch nicht mal die Motivation, um jeden Tag sein Zimmer auf zu räumen.  „Hast du Freya gefunden?“, fragte Raphael und sah dabei zu, wie Maxime das Glas an seine Lippen führte und einen großen Schluck von der Fanta trank.  Freya war nicht irgendjemand. Oh nein, Freya war Raphaels geliebte Katze welche er vor 6 Monaten aus dem Tierheim geholt hatte und sie war einzige Frau, die ihren Füßchen in sein Schlafzimmer bewegen durfte ohne gleich erschlagen, gevierteilt oder in Blausäure getaucht zu werden.  „Nein. Aber ich habe auch nur im Wohnzimmer nachgeschaut.“ Er lehnte sich mit den Rücken gegen den freistehenden Küchenblock und hielt für eine Sekunde in seiner Bewegung inne. Etwas schüchtern hob er den Blick, stellte Kontakt mit einem violetten Augenpaar her. „Aber wegen vorhin... Ich wollte dir nur sagen, dass ich dich für deinen Mut wirklich bewundere. Ich bin immer wieder überrascht wie gut du mit Jaromir und Sebastian umgehen kannst. Erinnerst... du dich dabei nicht oft an eure gemeinsame Zeit zurück?“ Raphael zog seine Mundwinkel hoch, aber das Lächeln welches seinen roten Mund schmückte wirkte grausam verzerrt und gespielt. „An die, wo wir uns noch gut verstanden haben? Oder an die Zeit, wo sie mir die Freundschaft gekündigt haben, als ich ihnen erzählt habe das ich schwul bin?“  „An die Zeit davor.“ Maxime schaute kurz zu Boden und ließ seinem Freund die Zeit, die er braucht, damit die Worte zu ihm durchdrangen. Als er den Kopf wieder hob, hatte Raphael sein Gesicht abgewandt und starrte aus der kleine Dachluke der Küche. Ein wenig trotzig reckte Maxime das Kinn vor. „Oder willst du nicht darüber sprechen? Ich weiß, dass das Thema nicht sehr einfach für dich ist.“  „Nein.“, murmelte Raphael, die Augen noch immer in die Ferne gerichtet. „Ich versuche mich nur an die Zeit zu erinnern. Es kommt mir heute alles so verzerrt vor, so unwirklich.  Manchmal habe ich das Gefühl, das wir uns von Anfang an etwas vorgemacht haben, dass unsere ganze Freundschaft nur ein riesengroßer Bluff war und nichts mit der Wirklichkeit zu tun hatte. Weißt du was ich meine? Das Gefühl, als ob dich dein Leben von vorne bis hinten verarschen will.“ Maxime nickte mitfühlend. „Natürlich. Immerhin waren sie deine besten Freunde und haben dich dann von heute auf morgen einfach sitzen gelassen. Und das nur weil du homosexuell bist – als ob das eine Krankheit wäre.“ Er schüttelte seinen Kopf und bereute es schon fast das Thema angeschnitten zu haben – es war Raphael anzusehen wie sehr er immer noch unter den Verlust seiner ehemaligen Freunde litt. „Das ist Vergangenheit. Nun habe ich dich und Charlotte an meiner Seite. Ihr seid viel besser wie  Jaromir und Sebastian, bei euch kann ich so sein wie ich bin und brauche mich nicht wegen meiner sexuellen Neigung zu verstecken. Aber jetzt mal etwas anderes...“ Während Raphael sprach befüllte er einen Mikrowellenteller mit den Inhalt des Topfes und schüttete etwas Flüssigkeit über das Essen, damit es beim Aufwärmen nicht austrocknete. Danach schob er den Teller mit der Chili con Carne in den grauen Metallkasten.„...der Typ der dich heute Morgen im Bus anrempelt hat ist viel schlimmer als die beiden zusammen. Ich meine Kiley Sandojé.“ Jetzt wurde Maxime wieder hellhörig. Er riss den Blick von der Mikrowelle los und schaute seinen besten Freund in die Augen. Verwunderung machte sich auf seinem Gesicht breit.„Wie jetzt? Ich dachte, dass das alles schon gelaufen wäre. Charlotte hat doch gesagt das er mich morgen wahrscheinlich schon wieder vergessen hat!“ „Das möchte ich auch hoffen. Trotzdem solltest du besser vorsichtig sein falls er dir nochmal im Bus begegnet, da ihr offensichtlich mit derselben Linie fahrt.“, antwortete Raphael und lächelte etwas nervös. Er schluckte schwer und widerstand dem Drang nochmal den Kopf weg zu zudrehen. „Wie Charlotte dir richtigerweise schon erklärt hat, ist er relativ beliebt... aber leider auch ziemlich ungemütlich wenn es darauf an kommt. Du musst dich vor ihm in Acht nehmen – ich habe gehört, dass er einigen Leuten von der Schule schon wirklich übel mitgespielt haben soll. Kiley kann dir das Leben innerhalb weniger Tage zur Hölle machen.“ „Was?“, fragte Maxime ungläubig. „Aber es ist doch gar nichts passiert! Dieser Kiley hat gar keinen Grund um mich fertig zu machen, geschweige denn, dass er mich bei einem erneuten Treffen überhaupt wiedererkennt! So besonders bin ich jetzt auch nicht.“ Verärgert über so viel Ungerechtigkeit schüttelte er seinen Kopf und wollte gerade den Mund aufmachen, um weiter zu schimpfen, doch Raphael kam ihm zuvor und legte ihm einen Finger auf den Mund.  „Der Typ braucht keinen Grund, um andere zu mobben. Wenn er einen schlechten Tag hat und du zur falschen Zeit, am falschen Ort bist, hast du bei ihm bereits verloren. Kiley ist niemand der sich von moralischen Werten beeindrucken lässt.“  Vorsichtig schlang Raphael die Arme um die Hüfte des murrenden Maximes, zog ihn nach hinten an seine Brust und bettete das Kinn auf die nach Apfel riechenden Haare. Seufzend schloss er die Augen. Inzwischen kannte er Maxime gut genug um zu wissen, dass er ein Profi war wenn es darum ging, seine Gefühle in der Öffentlichkeit hinter einem Lächeln zu verstecken - doch in solchen Momenten ließ er die Maske fallen. Hoffentlich behielt Charlotte recht. Aber so auffällig wie Maxime immer aussah, bezweifelte Raphael, dass Kiley ihn morgen vergessen hatte. „Dann bin ich also tot wenn ich Kiley das nächste Mal sehe?“, fragte Maxime und quälte sich ein kleines Feixen auf den Mund. Es wirkte in dieser Situation so ehrlich wie das Lächeln was Raphael gebraucht hatte, als die Lage auf seine ehemaligen Freunde zu sprechen kam.  „Gehe ihm bei der Gelegenheit einfach aus dem Weg. Das ist das Beste, was du machen kannst. Wenn du Kiley die kalte Schulter zeigst, wird er das Interesse an dir verlieren und sich ein anderes Opfer suchen.“, sagte Raphael, bemüht die angespannte Atmosphäre wieder zu lockern.  Mit einen Seufzen ließ er die Arme von Maximes Hüfte gleiten und drückte ihm flüchtig die Lippen auf den Kopf. „Aber es ist ganz gleich, was auch immer geschieht; Du kannst auf mich zählen und wenn dieser eingebildete Grobian meint dich ärgern zu müssen, wird er ein ernsthaftes Problem mit mir bekommen.“ Maxime nickte sachte. Er ignorierte die Übelkeit, die Angst und die Wut in seinem Magen, welche ihn erzittern ließ und das Fass fast zum Überlaufen brachte. Abscheu schüttelte ihn, während er immer noch das höhnische, arrogante Gesicht von Kiley vor seinem geistigen Auge sah, als er ihn heute Morgen so unvermittelt angefahren hatte. Dennoch zwang sich Maxime selbst zur Ruhe und versuchte einen klaren Kopf zu bewahren. Er war nicht alleine. Charlotte und Raphael standen auf seiner Seite - demnach brauchte er keine Angst von diesem Jungen zu haben. Außerdem war er nicht auf den Mund gefallen und konnte ziemlich gut diskutieren. Notfalls würde er Kiley eben die Ohren voll quatschen, bis er ihn irgendwann von alleine in Ruhe ließ und die Flucht ergriff.  Raphael behauptete zwar, dass dieser Sandojé schlimmer war wie seine Erzfeinde Sebastian und Jaromir, aber wie sollte ein einzelner Schüler die Gemeinheiten übertreffen, die zwei Leute gleichzeitig verursachten? Das ging einfach nicht. Dafür brauchte er schon einen zweiten Mann, der ebenfalls verbal austeilen konnte. Wenige Sekunden später begann die Mikrowelle zu piepen und Raphael eilte zu ihr um den Teller heraus zunehmen, und Maxime begab sich in der Zwischenzeit auf die Suche nach dem Besteck. So konnten sie das Mittagessen im Wohnzimmer auf der gemütlichen Couch verspeisen. Nachdem Maxime die Gabeln und Messer gefunden hatte, ging er schon mal vor um sich Fernbedienung unter den Nagel zu reißen - immerhin war er der Gast und damit der König im Haus! Zu dieser Tageszeit ließ zwar nichts Atemberaubendes im Fernsehen, aber vielleicht strahlte RTL2 gerade in diesem Moment ein paar alte Animeserien von früher aus. Da würde sich Maxime sogar mit einer Sendung wie Hamtaro zufrieden geben, dem kleinen, niedlichen Hamster der mit seinen Freunden immer nervenaufreibende Abenteuer erlebte.  „Sollen wir nicht lieber einen Film gucken, oder irgendein Spiel von Sonic zocken? Was läuft denn jetzt schon im Fernsehen?“  Mit diesen Worten stellte Raphael den Mikrowellenteller auf eine Zeitschrift, welche auf seinem Wohnzimmertisch lag und zog beides an die Tischkante.  Noch im vorbei gehen nahm er Maxime die Fernbedienung ab, überhörte dessen wütende Protestschreie und entschied sich für die DVD, die er gestern Mittag angefangen hatte zu schauen und grinste den Kleineren bösartig an. „Das ist meine Bude.“, meinte Raphael barsch und startete den DVD-Player. „Auch wenn du der Gast bist, entscheide immer noch ICH was wir gucken. Mein Zuhause, meine Regeln. Du hast mich auch schon um meine Zigarette gebracht und das darfst du jetzt ausbaden, indem du schön brav bist und dich dem Älteren fügst.“ Maxime schnaubte belustigt, nahm Raphael die etwas ruppige Behandlung aber nicht übel. Der arme Süchtige stand immerhin unter Nikotin-Entzug und seine Psyche brachte ihn jetzt schon an den Rand des Wahnsinns. In solchen Momenten ließ man sie besser in Ruhe. „Das ist mir egal. Was gucken wir denn? Irgendwas Lustiges?“, fragte Maxime deshalb betont freundlich. Enthusiastisch schnappte er sich schon mal eine Gabel und ließ eine große Portion von der dampfenden, dunkelbraunen Bohnenmasse in seinen Mund verschwinden. Raphael nickte gedankenverloren. „Ja, das ist eine Komödie. Die wird dir sicher gefallen.“ Seine Augen waren violett und kalt, doch seine Mundwinkel kräuselten sich nach oben, als er Maximes entgeisterten Blick begegnete. „Hey, guck doch nicht so blöd. Du magst doch witzige Filme, oder?“ Aber Maxime schaute nicht etwa wegen dem Film so schockiert. Er hatte gerade ein ganz anderes Problem! Die Augen weit aufgerissen, saß er einfach nur da, schlug sich die Hände vor den Mund und rote Flecken erschienen auf seinen Wangen. Panisch summend begann er auf einmal den Kopf hin und her zu schütteln. In der nächsten Sekunde brach ihn auch schon aus allen erdenklichen Poren der kalte Schweiß aus, und Raphael runzelte verwirrt seine Stirn. „Maxime?“ Fragend beugte Raphael den Oberkörper zur Seite und musterte Maxime mit wachsendem Interesse. „Ist alles okay... bei dir? Deine Gesichtsfarbe sieht ein bisschen ungesund aus.“ Dieser konnte ihm jedoch keine Antwort geben; Maximes Körper verkrampfte sich immer mehr und er schnaubte leise, die Augen geschlossen. Er rang verzweifelt um seine Selbstbeherrschung, doch das Essen - DAS HÖLLISCH SCHARFE  ESSEN - in seinem Mund, machte jedes bisschen Durchhaltevermögen zunichte und wenige Sekunden später sprang Maxime auf seine Beine, gewillt, Raphael das Höllenzeug auf den beigefarbenen Teppich zu spucken.    Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)