Rabenkind von Kadan (Kind der Nacht) ================================================================================ Erinnerung II - Schwarzstahl - Teil III --------------------------------------- “…angorius? Aufwachen!” Ein Rütteln, seicht, doch kräftig genug, um mich aus dem Schlaf zu ziehen. Netarius stand vor mir, leicht gebeugt, und als er sah, wie ich die Augen aufschlug, ließ er ab, lächelte leicht. Er wirkte müde und nickte nur gen Höhleneingang, ehe er sich zurück in seinen Schlafsack legte. Ich gähnte leise, streckte mich und stand auf. Mein Kopf dröhnte, trotz des Schlafes, und ich murrte innerlich. Kurz noch gönnte ich mir einen Schluck aus meinem Trinkbeutel, schöpfte mir eine handvoll Wasser ins Gesicht und trat gen Eingang, ließ mich an der Wand nieder und legte einen Holzscheit nach, um das sterbende, kleine Feuer wieder zu entfachen. Meine Wachschicht hatte begonnen und nun hieß es für mich, die nächsten zwei Stunden die Umgebung im Auge zu behalten. Nicht, dass in den vorangegangenen Nächten etwas passiert wäre, doch… Ich hielt meine Aufgabe für wichtig und tat sie, trotz der Müdigkeit, mit vollstem Elan. Nur kurz warf ich noch einen Blick zu den anderen, die allesamt tief und fest schliefen, ehe ich wieder nach draußen sah, die dunkle, steinerne Umgebung einmal musterte und schlussendlich den Blick im Feuer verlor… . . . . . . Oh, verzeiht. Ich… habe nur über etwas nachgedacht. Nichts von Belang, wohlgemerkt. Nehmt noch einen Becher warmen Met, mein Freund. Ich fürchte, es wird kalt werden… Ich saß also vor der Höhle, vor mir ein kleines Feuer, von dem wir hofften, dass es zumindest die kleineren Raubtiere fernhalten würde. Orks gab es in diesen Höhen nicht, zumindest hatten wir niemals von solchen gehört - und vor Räubern oder Novadi gar fürchteten wir uns nicht. Sie waren weiter südlich, nutzten wenn dann die besser zugänglichen Pässe, wo sich auch der ein oder andere Händlerkarren finden ließ. Hier, in der vollkommenen Wildnis, war die Wahrscheinlichkeit solche anzutreffen somit geschwindend gering. Raubtiere oder Unfälle waren da weitaus größere Gefahren… Und mit genau dieser Annahme ging ich auch an meine Nachtwache: Es würde nichts passieren. Und so, nachdem ich nun minutenlang ins Feuer hatte gestarrt, fasste ich den Entschluss, ein Stück zu gehen. Der Himmel war klar, die Nacht recht warm und windstill und das Madamal war in voller Gestalt am Himmel. Gute Bedingungen für einen Nachtspaziergang, wie ich damals fand. Und für ein paar Minuten sollte ja nun nichts geschehen, nicht? Es war nahezu totenstill, kein Tier war zu hören und selbst der Wind schien zu schweigen. Nur meine eigenen Schritte durchbrachen die Stille, die mir mit einem Schlag schlimmer vorkam als am Lager. Ich war bereits nach einigen Minuten ein gutes Stück gegangen, sah den Schein des Feuers nicht einmal mehr und blieb daher stehen, schaute mich einmal um und beschloss, dass es das Beste wäre, wieder umzukehren. Ich harrte jedoch noch einen Moment, genoss den Anblick, der sich mir bot. Schon am Tage war die Aussicht atemberaubend, doch jetzt in der Nacht, wo das Madamal schwere Nebelschwaden in schummriges Licht tauchte, wo Gebirgshänge scheinbare Körperkonturen und Höhle dunkle Schlünde ahnten, da merkte ich, dass es Dinge auf Dere gab, die die Menschen mit ihren Bauten niemals erreichen könnten. So, wie ein Tempel des Praios dessen Pracht nicht im Vollen darstellen oder ein Tempel des Boron niemals das wahre Wesen des Herrn einfangen konnte… Es war ein wunderbarer Anblick, wenngleich ein wenig unheimlich, erschien doch das Gebirge immer weniger sichtbar, die Dunkelheit sich hier immer stärker auf die Augen zu legen und das Schweigen, dass schon jetzt schwer wog, fast erdrückend zu werden. Ein unangenehmes Gefühl war es, dass sich langsam in meinen Gliedmaßen ausbreitete, ein Kribbeln, als würden Insekten unter meiner Haut kriechen, doch zugleich gepaart mit einer absoluten Taubheit, einer Lähmung gleich, die meine Finger steif und meine Beine müde machte. Mir wurde dumpf zumute, mein Kopf drückte und eine Art der bleiernen Müdigkeit überkam mich, ein Gefühl, wie es noch nie erlebt hatte. Meine Ohren dröhnten, ein bohrendes, schrilles Fiepen war das einzige, was ich noch vernahm, während vor meinen Augen alles begann sich zu drehen, unscharf wurde, verschwamm und mir jeglichen Orientierungssinn nahm. Ein eisiger Hauch streifte meinen Nacken und jagte mir einen Schauer über den Rücken, ließ die feinen Härchen sich aufstellen, ließ all meine Muskeln anspannen, in schmerzhafter Erwartung von etwas, von dem ich nichteinmal wusste, was es war… Dann schrie ein Rabe. Ich zuckte zusammen, mit einem riesigen Schreck, während alles Gefühl mit einem Schlag aus meinem Körper wich. Nur mein Herz, dass rasend schlug, und meine gehetzte Atmung waren, was blieb. Ich drückte eine Hand auf meine Brust, sah mich nach jenem Tier um und atmete tief ein, versuchte mich zu beruhigen, ehe ich einen fast schon paranoiden Blick hinter mich warf, um des kalten Hauches Ursprung zu suchen. Als ich nichts fand, ließ ich mich niedersinken, setzte mich ersteinmal und schloss die Augen, in einem Versuch, wieder Herr meiner Sinne zu werden. Für einen kurzen Moment wagte ich es nichteinmal die Augen wieder zu öffnen, in einer fast schon lächerlichen Angst, es könnte etwas vor mir stehen. Als ich mich dann jedoch überwand, war dort nichts, außer derselbe, atemberaubende Anblick von zuvor… Wie lachhaft es doch war, dass ich mir von ein bisschen Dunkelheit und Stille einen solchen Schrecken hatte einjagen lassen. Ich stand auf, gedachte dieser Worte und klopfte den Dreck von meiner Kleidung, richtete sie und versuchte die Gedanken an etwas anderes zu bringen, als den Vorfall vor wenigen Momenten. Erst, als ich mich wieder in Bewegung setzte, als ich nach vorne trat, in Richtung unseres Rastplatzes, beruhigte sich alles wieder, ebbte ab und schwand schlussendlich. Ich war beruhigt, tat das Geschehene als Erscheinung von Müdigkeit ab und lachte innerlich über mich selbst, während ich froh darüber war, dass es niemand mitbekommen hatte. Fehlte mir noch, dass sich Netarius nun jeden Abend über mich lustig machen würde, weil ich mich von Dunkelheit und Schweigen hatte verängstigen lassen… Als ich die Höhle endlich fand, war das Feuer fast gestorben, das Holz nur noch schwelende Glut, von dem nur hier und da noch ein kleines Stück offen brannte. Ich seufzte leise, griff nach einem Stück Holz und… fand keines. Etwas überrascht schaute ich genauer hin, fand keines, wo eigentlich welches liegen sollte und stockte. Hatte ich tatsächlich schon alles ins Feuer gelegt, was hier draußen lag? Ich seufzte erneut, diesmal etwas genervter und wandte den Blick nun kurz ab, suchte nach meinem Schwert, dass ich hier gelassen hatte, neben dem Eingang zur Höhle… und auch jenes war weg. DAS jedoch war unmöglich, denn ich wusste genau, dass ich es an die Wand hatte gelehnt, leicht versteckt hinter der Wölbung des Eingangs in die Höhle selbst. Doch vielleicht war einer meiner Gefährten erwacht, hatte die Klinge gesehen und sie hinein genommen, in der halbverschlafenen Absicht, dass es nicht geklaut würde..? Ich beließ es bei dieser Annahme und trat in die Höhle, um neues Feuerholz zu holen und natürlich nebenbei meine Klinge zu suchen. Es war verdammt dunkel, ich sah sogut wie nichts, denn das Feuer am Eingang war fast erloschen. Ich hielt meine Schritte so leise ich konnte, lief in den Lederstiefeln langsam und vorsichtig, um nicht versehentlich auf etwas zu treten und verursachte nur tapsende, dennoch hallende Geräusche. Tap… Tap… Tap…Klirr. Schabend rutschte Metall über den Steinboden, als ich gegen etwas stieß. Glas brach unter meinen Füßen, knirschte leise und ich harrte augenblicklich in jeder Bewegung, biss mir auf die Unterlippe und fluchte innerlich. Dann erst fragte ich mich, gegen was ich da eigentlich gestoßen war und bückte mich hinab, vorsichtig mit einer Hand danach tastend. Ich suchte nach Konturen, ließ das zersplitterte Glas jedoch in Ruhe, um mich nicht daran zu schneiden und bekam schlussendlich das Etwas gefasst, dass sich als kaputte Laterne erwies. Warum bei den Niederhöllen lag die hier?! Doch gut. Ich trat zur Seite, machte einen großen Schritt darüber hinweg und blieb kurz stehen, versuchte mich an irgendetwas zu orientieren, dass in der Dunkelheit sichtbar wäre. Lediglich die Konturen der Schlafsäcke waren einigermaßen erratbar, was mir jedoch in diesem Moment eine gute Hilfe war. Immerhin wusste ich nun wieder, wo ich besser nicht hintrat… Tap… Tap… Tropf… Wasser? Nein, das konnte nicht sein. Die Höhle war vor wenigen Stunden trocken gewesen, nichteinmal Moose hatten sich angesetzt. Und nun sollte sich Wasser hier befinden - Wasser, dass von der Decke troff? Vielleicht war die Antwort aber auch simpler, vielleicht hatte Ogrim sein Zwergenfass nicht richtig zugemacht, vielleicht war es die Cervisia, die herausrann, eine kleine Lache hatte gebildet und nun das Geräusch verursachte… Doch es roch nicht danach. Es roch... Tap… Patsch. Ich trat in etwas nasses, in eine Pfütze, die mitten in der Höhle war, knapp vor den Schlafsäcken, hinter der zerbrochenen Laterne. Nein, das war keine Cervisia. Das musste Wasser sein… Das konnte nur Wasser sein. Ich zog meinen Fuß zurück, bückte mich erneut, streckte eine Hand nach der Flüssigkeit aus und fuhr mit einem Finger… Etwas tropfte mir in den Nacken. Ich zuckte zusammen, schauderte, und griff danach, wischte mit der Hand über die Stelle an meinem Nacken, wischte die Flüssigkeit fort. Sie war dicker als Wasser. Klebte. Und roch… metallisch. Ich trat einen Schritt zur Seite, stieß erneut gegen eine Laterne, die sich jedoch beim Ertasten als heile erwies. Ich nahm also die Kerze, zündete sie mit dem Feuerstahl an und… erschrak. Ogrim lag knapp neben der zerbrochenen Laterne - nur wenige Spann weit von der Stelle weg, an der ich vorbeigegangen war, einen Dolch in seiner Brust, einen zweiten in seinem Hals. Felarions Körper lag in seinem Schlafsack und trug ebenso eine Klinge in der Brust… nur lag sein Kopf zwei Schritt weiter neben ihm. Kjaska befand sich knapp vor mir, die Augen aufgerissen und nach hinten verdreht, ihr Hals gänzlich zerfetzt, ihr Körper kreidebleich. Sie lag in einer Lache aus ihrem eigenen Blut, ihre Kleidung verschmiert und an der rechten Schulter zerrissen. In ihrem Gesicht stand purer Schrecken… Netarius schlussendlich lehnte mit dem Oberkörper an einer der Felswände, ebenso mit zerfetztem Hals, doch war seine Brust aufgerissen, wie von Raubtierkrallen, und seine Hand schien noch nach einer Klinge greifen zu wollen, die knapp neben ihm lag… Nach meiner Klinge. Ich stieß einen Schrei aus, entsetzt, während ich ruckartig nach hinten trat, zwei taumelnde Schritte weg von alle dem machte, was sich meinen Blick da bot, und mit dem Rücken gegen etwas stieß, die Hände vor die Lippen gepresst. Nein! Bei allen Zwölfen, das konnte nicht sein. Das war… unmöglich…Was hatte sie so zugerichtet? Was hatte meine Gefährten niedergeschlachtet, auf solche bestialische Weise?! Was für ein Monstrum war das gewesen?! Ich wollte mich umdrehen, wollte fliehen, dem Anblick entgehen und versuchte meinen Körper zu bewegen, doch als ich einen Luftzug im Nacken spürte, erstarrte ich gänzlich. Nein. Dass war kein Luftzug, das… Eine Hand legte sich an meinen Hals, drückte meinen Kopf nach oben. Etwas wurde geflüstert, doch mit blieb es unbekannt, denn ein Rabe krächzte in jenem Moment, so laut, dass es jedes Geräusch zu übertönen vermochte… nur meinen Namen nicht, der wie in Angst gerufen wurde. Sekunden später breitete sich ein brennender Schmerz an meiner linken Wange aus. Dann rechts. Und schlussendlich schoss ich ruckartig auf, stieß mit der Stirn gegen die von Kjaska und saß kerzengrade auf meinem Schlafsack. Ja, es war ein Traum gewesen. Ein Traum, wie ich ihn jedoch wohl nie wieder in meinem Leben hatte, von solcher Realität, von solcher Intensität, dass es mir noch heute schaudert, wenn ich nur daran denke. Es war nur ein grausamer Traum gewesen und doch zugleich eine Warnung, der ich noch heute Reue, dass ich ihrer nicht nachgegangen bin… Es dauerte einige Momente, bis ich überhaupt begriff, wo ich war. Ich war vollkommen nassgeschwitzt, mein Atem ging schnell und keuchend und ich zitterte am ganzen Körper. Kjaksa saß vor mir, rieb sich scheinbar verwirrt mit einer Hand kurz über die Stirn, ehe sie zusammenzuckte, mich an den Schultern griff und mich mit fragenden und zugleich besorgten Blick ansah. Auch Netarius kniete neben mir, während Ogrim am Höhleneingang stand und der Elf mit verschränkten Armen und geschlossenen Augen eben etwas weiter von mir weg. Er murmelte etwas vor sich hin, ein wenig gesungen. “Bei den Göttern! Ist alles in Ordnung?!” Kjaska ließ sich etwas zusammensacken, entspannte ihre Haltung, wodurch sie nun auf meinen Oberschenkeln saß, die Hände von meinen Schultern nahm und sie auf ihren Beinen ruhen ließ. “Ich… weiß nicht… was war denn überhaupt los..?” Meine Stimme war rau und meine Kehle schmerzte beim Sprechen. Ich räusperte mich leise, was jedoch keine Linderung verschaffte und beließ es dabei. “Das würden wir auch gerne wissen! Du hast aufeinmal losgeschrien, einen Moment wie wild gezappelt und als Netarius dich wecken wollte, wurdest du kreidebleich und hast dich nicht mehr bewegt. Wir dachten schon, Uthars Pfeil hätte dich getroffen…” “Ja. Und außerdem hast du deine Augen so gruselig nach hinten verdreht…” “Netarius!” Kjaska schaute ihn für einen kurzen Moment streng an, während er grinste und mir eine Hand auf die Schulter legte. “Er hatte bestimmt nur einen schlechten Traum. Lass ihn wach werden, sich beruhigen und dann meinetwegen weiterschlafen. Ich übernehm’ dann seine zwei Stunden. Ja, Gran-Kor?” Ich öffnete leicht den Mund, wollte eigentlich etwas sagen, schwieg jedoch, leckte mir mit der Zungenspitze die trockenen Lippen wieder feucht und nickte nur. Es wäre vielleicht tatsächlich keine schlechte Idee, mich wieder ein wenig hinzulegen. Erholsam war der Schlaf nicht gewesen und ich fühlte mich in diesem Moment wesentlich kaputter, als zu dem Moment, an dem ich mich schlafen gelegt hatte. Kjaksa seufzte leise, lächelte dann jedoch und klopfte mir auf die Schulter. “Gut, dann leg dich hin. Unser Füchschen scheint ja keine Probleme mit zwei Stunden mehr Wache zu haben.” Ich hörte noch, wie Netarius etwas murmelte, was nach einer Beschwerde über den Spitznamen ‘Füchschen’ klang, bevor Kjaska sich von mir erhob, sich streckte und sich auf ihrem Schlafsack niederließ, mich jedoch nicht aus den Augen lassend. Ogrim saß noch immer draußen und blieb es auch, selbst als Netarius seine nun zweite Wache antrat. Ich konnte mir sogar fast denken, warum… “Und es geht dir wirklich gut..?” Ich nickte auf ihre Frage, lächelte leicht und ließ mich dann wieder nach hinten sinken. Es dauerte einige Zeit, bis ich tatsächlich die Augen wieder schließen konnte und noch einen Moment mehr, bis ich wieder eingeschlafen war. Meine Gedanken kreisten viel zu sehr um das, was ich gesehen hatte, was ich geträumt hatte. Sollte ich es erzählen oder für mich behalten? Ja, sollte ich es überhaupt ernst nehmen? Vielleicht war es ja wirklich nur ein Traum gewesen, ein Hirngespinst, ob meiner Gedanken an Abenteuer und Kämpfe. Ja, vielleicht hatte ich tatsächlich einfach einmal zuviel darüber nachgedacht, wie gefährlich all das eigentlich war… Schlussendlich gab ich mich mit genau diesem Gedanken zufrieden, beließ es dabei, dass ich einfach zuviel nachgedacht hatte und dass all das nur ein böser Traum gewesen war… vielleicht sogar eine Strafe Bishdariels meines mangelnden Respekts Corvinia gegenüber? Ja, das war es. Ein Alptraum Bishdariels, als Strafe für meinen jugendlichen Charakterzug, für meine Respektlosigkeit. Wäre da nicht der Rabe gewesen, der mir direkt in die Augen gesehen hatte… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)