Aeonar von Phinxie (Willkommen im berühmtesten Magiergefängnis Thedas') ================================================================================ Kapitel 10: Zwischenspiel ------------------------- Vor einer Woche. Er umklammere den Stab der Spitzhacke und schwang sie über seinen Kopf, nur, um sie anschließend auf die harte Steinwand, die sich nur wenige Zentimeter vor seinem Gesicht befand, niedersausen zu lassen. Sein Atem ging schwer, seine Muskeln hörten nicht auf, unkontrolliert zu zucken und sein Rücken schmerzte von erneuten Peitschenhieben, die man ihm zur Strafe gegeben hatte. Zur Strafe, weil er ein einziges, patziges Wort gesagt hatte, da sein Wille zwar gebrochen, aber nicht ungezähmt war. So recht konnte sich der Blutmagier nicht an das erinnern, was nach seiner Bestrafung passiert war; seine Schreie waren durch die Gänge gehallt und alle anderen Gefangenen von Etage Eins hatten sich in die hinterste Ecke zurückgezogen, die Knie mit den Armen umschlungen, um betend und flüsternd zum Erbauer zu beten, dass sie nicht die nächsten seien, die man wohl ‘bestrafen‘ wollte. Jowan hatte seine Peitschenhiebe mitgezählt. Es waren zwölf Stück gewesen; zwölf harte Hiebe, die ihm die Haut von dem Rücken geschält hatten, bis das Fleisch aufgeplatzt und das Blut nur so in Strömen von seinem Körper gelaufen war. Noch immer erinnerte sich der Schwarzhaarige daran, wie er in den starken Eisenketten zusammengesunken war, als seine Knie nach dem fünften Hieb nachgegeben hatten. Nach dem zehnten Schlag hatte er kurzzeitig das Bewusstsein verloren, doch man hatte ihn wieder aufgeweckt, damit er seine Pein nicht verschlafen konnte. Und nach dem zwölften Schlag hatte der Mann sich noch nicht einmal mehr getraut, nach oben zu gucken, aus Angst, ein dreizehnter könnte folgen. Man hatte ihn von seinen Ketten befreit und zurück in seine Zelle geschliffen, wo er tagelang ausgeharrt hatte, mit dem Bauch auf dem kalten, nassen Stein, während seine Wunden sich entzündeten und zu eitern begangen. Jowan hatte schrecklich Albträume gehabt, das Wundfieber hätte ihn beinahe hingerafft – und ja, der Magier hatte sich zu jenem Zeitpunkt nichts sehnlicher gewünscht, als endlich zu sterben. Zu sterben und alles, was geschehen war, zu vergessen. Er hatte frei sein wollen, frei von allem. Von dem Turm, den Templern, dem griesgrämigen Greagoir. Frei von der Magie, um gemeinsam mit Lily ein schönes Leben aufzubauen. Und nun bezahlte er den Preis dafür. Anstatt frei zu sein saß er in Aeonar und wünschte sich jeden Tag, jede Stunde aufs Neue, er wäre doch niemals in die Kammer der Phylakterien eingebrochen und hätte sich niemals auf Loghain verlassen, der seinen Namen ja hatte reinwaschen wollen. Er hatte während seiner Bestrafung laut geschrien, dass er schuldig sei, dass er ein Sünder sei, da er die Magie beherrschte. Er hatte zugegeben Andraste und den Erbauer zu verspotten und dass seine Existenz nichts anderes als Blasphemie war, doch nichts hatte die Templer zufrieden gestellt. Im Gegenteil: Es schien sie sogar noch weiter angespornt zu haben, ihn weiter zu quälen und zu foltern, bis er blutüberströmt und wie eine Leiche da gehangen hatte, wie Vieh, das man zum Schlachten aufhing. Jowan hatte sich gefragt, ob die anderen Templer wussten, was in Aeonar geschah. Aber dann schalt er sich für diesen Gedanken und kam zu dem Schluss, dass dem nicht so war. Greagoir war ein Templer, ja. Er war ein Mensch, der seine Arbeit erledigte, viel Respekt entgegengebracht bekam und er sogar das Recht der Auflösung aussprach, sollte es von Nöten sein. Ein Templer, der um seine Pflichten und Aufgaben wusste. Aber er war kein Mensch, der jemanden in so etwas wie Aeonar schicken würde, wenn er wüsste, was dort wirklich geschah. Niemals im Leben hätte der Kommandant von Kinloch Hold es zugelassen, dass man die Magier so derartig behandelte – und noch weniger, dass man die eigenen Kirchenleute so behandelte. Lily. Der Name hatte sich in Jowans Gedanken eingebrannt und kurzzeitig, während seines Deliriums, hatte der Schwarzhaarige sogar vergessen, wer diese Person war. Doch dann war es ihm wieder eingefallen und er hatte sich, unter Tränen und Fieber, gefragt, ob man sie genauso behandelte wie ihn. Das hatte Lily nicht verdient, nein, nicht seine süße, unschuldige Lily… Und als klar gewesen war, dass er seinen Wunden nicht erliegen würde, hatte man ihn geholt. Geholt, um ihn auf Etage Drei zu bringen. Und nun stand er hier, inmitten all der Anderen und baute die Tunnel weiter, die Tevinter damals zurückgelassen hatte. Die Antimagie lastete schwer auf seinen Schultern und der Schwarzhaarige keuchte vor Anstrengung, die aber nicht von seiner körperlichen Arbeit herrührte. Einen kurzen Moment lang wagte er es, die Spitzhacke zu senken und sah sich um. Neben ihm befanden sich noch mehrere Männer und sogar die eine oder andere Frau. Es war schrecklich, wozu sie hier gezwungen wurden, doch Jowan wusste: Sich auflehnen würde nichts bringen. Er spürte den Blick des Drachens, den sie hier unten Erdbeerchen nannten, in seinem Rücken und hob schnell wieder die Spitzhacke, um weiterzuarbeiten. Erdbeerchen. Ein bescheuerter Name, doch die Gefangenen scheinen so besser mit der Situation klar zu kommen, dass sie von einem blutrünstigen, menschenfressenden Drachen bewacht und in Schach gehalten wurden. Jowan konnte sich damit nicht anfreunden und er war der festen Überzeugung, dass er derjenige war, der am allermeisten Angst vor dem roten Drachen besaß. Der schwarzhaarige Magier arbeitete seine mühsamen Stunden ab, bis der Gong ertönte, der ihm bedeutete, dass er aufhören durfte. Schwach und mit hängenden Schultern trottete er den Anderen hinterher und fragte sich, warum er hier unten gelandet war. Er hatte ja schon geglaubt, es könnte für ihn nicht schlimmer kommen, nachdem er auf Etage Eins gelandet war. Aber dies war ein fehlerhaftes Denken gewesen; Etage Drei war die reinste Hölle und während er mit dreckigen Fingern die Holzschale von dem Templer entgegennahm, der für die Essensausgabe zuständig war, war er versucht zu fragen, was er hier unten eigentlich verloren hatte. Ja, er gehörte hier nicht hin, befand er. Unter all diesen ganzen streng aussehenden Männern und Frauen war er doch direkt als Schwächster der Gruppe gekennzeichnet und lange, das war dem Magier klar, würde er hier nicht überleben. Jowan aß seinen kargen, doch erstaunlich deftigen Eintopf mit großen Fleischstückchen hastig leer – schon lange hatte er nichts so Gutes mehr zu sich genommen und es war nicht schwer zu erraten, warum die Gefangenen hier unten besseres Essen bekamen, als auf den höheren Etagen: Es schien, als wollten die Templer sie sich nicht zu Tode arbeiten lassen. Irgendwie war das auch verständlich; immerhin wurde nicht jeden Tag ein Magier zu dem berühmten Gefängnis gebracht und man musste mit dem Bestand auskommen, den man hatte. Und stärkere, gut genährte Magier bedeuteten wohl oder übel auch eine bessere Arbeitskraft. Jowan ließ die Schale in die Kiste fallen, in der sie gesammelt wurden und begann dann, sich zurück zu seiner Zelle zu begeben. Er hatte Glück gehabt; hatte seine eigene – verhältnismäßig behagliche - Zelle recht schnell gefunden und konnte sich den Weg auch gut merken. Rechts, links, rechts, rechts, geradeaus, links. Immer wieder flüsterte Jowan diese ewige Mantra vor sich hin, um den Weg in die Sicherheit bloß nicht zu vergessen. Hinter sich hörte er, wie Erdbeerchen langsam begann, sich auf die Jagd zu machen und ohne, dass er großartig darüber nachdenken musste, fing Jowan an, zu rennen, auch, wenn seine Knie jeden Moment unter ihm nachzugeben drohten. Es fühlte sich an, wie in einem Traum. Es schien, als würde er sich selbst zugucken, während er durch die spärlich beleuchteten Gänge rannte, um dem sicheren Tod zu entkommen. Jowan hatte ja niemals gedacht, dass er so schnell laufen konnte, doch nun flog er förmlich über die dunklen, glatten Steine und betete stumm zum Erbauer, die rettende Zelle zu erreichen, ehe Erdbeerchen ihn einholte. Der rote Drache nahm seine Richtung und Jowan versuchte, nicht allzu sehr darüber nachzudenken. Rechts, links, rechts, rechts, geradeaus- „Jowan?“ Verwirrt durch die plötzlich, ihm doch bekannte Stimme, blieb der Schwarzhaarige stehen, als er an der Kreuzung stand. Mit großen, schreckgeweiteten Augen und schwer keuchend starrte er dem Blondschopf mit dem auffälligen Goldring im Ohr entgegen, der nicht minder irritiert zurück starrte. Jowan öffnete den Mund, wollte etwas sagen, doch in dem Moment, in dem er Anders erkannte, spürte er den heißen, keuchenden Atem über sich und dann war Erdbeerchen auch schon da, senkte den Kopf und ihre zwei Reihen messerscharfer, großer Zähne schlossen sich um seinen Körper, während das Blut in alle Richtungen spritzte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)