Eisblumen von Turbofreak ================================================================================ Kapitel 1: Eisblumen -------------------- „Boah, so ein Dreckswetter!“, er schüttelte sich vor Kälte, während sich die Rampe wieder schloss. Dabei fiel die kleine Schneeschicht von seiner Hutkrempe und segelte in flauschigen Wölkchen zu Boden. Der feine Schneeflaum sank in Windeseile in sich zusammen und schmolz zu einer kleinen Pfütze, in der er schon bald stand. Colt hatte für den Schneefall nicht viel übrig. Seit zwei Tagen schneite es dicke, weiße Flocken vom Himmel, inzwischen war gut ein Meter Schnee hier in den Bergen gefallen. Es wäre so schön in den unberührten Hängen eine Abfahrt mit den Skiern hinzulegen, aber die Sicht war leider viel zu schlecht. Dabei waren sie extra zum Skifahren hergekommen. Der Lockenkopf schüttelte sich noch einmal, er wollte möglichst alles an Schnee im Hangar lassen, nicht dass er wegen der Pfützen im Flur noch zum Putzdienst eingeteilt wurde! Er hatte beim Knobel verloren und war dazu verdonnert worden, die wichtigsten Einkäufe zu erledigen. Wohl gemerkt zu Fuß, denn es herrschte kein Flugwetter und das Auto hätte er nie vom Fleck bekommen. Hoffentlich hatten seine Freunde währenddessen wie versprochen gekocht. Ansonsten würde er eine Meuterei anzetteln! Je weiter er in Richtung der Aufenthaltsräume kam, desto eher glaubte er den Duft von Essen wahrzunehmen. Zu dem Duft gesellten sich auch Stimmen. Offenbar hatten die drei viel Spaß beim Kochen. Colt legte noch einen Zahn zu, dem Frohsinn wollte er beiwohnen. Mit einem Lächeln auf den Lippen trat er ein: „Zimmerservice!“ Während Saber nichts weiter als ein Lächeln und ein stummes Nicken als Begrüßung für ihn übrig hatte, nahm April ihm mit einem Küsschen auf die Wange die Einkäufe ab: „Ich hoffe, du hast alles bekommen.“ Fireball, der gerade dabei war, den Tisch zu decken, begrüßte seinen Kumpel ebenfalls: „Na, sieh mal einer an. Du siehst noch gar nicht aus wie ein Schneemann!“ Lachend nahm Colt seinen durchnässten Hut vom Kopf und legte ihn auf die Anrichte, dabei forderte er Fireball heraus: „Du weißt ja gar nicht, wie’s da draußen zu geht! In den Geschäften war kaum ein Durchkommen, die decken sich alle für den Weltuntergang ein. Vom Weg hierher fang ich gar nicht erst an.“ „Ach, Weltuntergang sieht anders aus!“, scherzte der Japaner, dabei legte er das Besteck an die Plätze: „Kein Jesse, kein Weltuntergang. Das kann alles nicht so schlimm sein.“ Colt zog die Augenbrauen zusammen. Er überlegte, ob es sich lohnte, ein kleines Wortgefecht vor dem Abendessen vom Zaun zu brechen. Kurz flog sein Blick zu Saber, der interessierte sich jedoch im Augenblick mehr für die Kochtöpfe. Also grünes Licht. Hämisch grinsend kam er auf den Tisch zu und ließ sich locker auf seinen Platz nieder: „Du hast wohl noch nicht nach draußen gesehen. Wenn ich dich jetzt von Bord werfe, versinkst du so tief im Schnee, dass du nicht mehr zu sehen bist.“ Mit dem letzten Besteck setzte sich nun auch Fireball an seinen Platz. Er sah zu Colt hinüber. Dem sprang der Schalk beinahe aus den Augen, so frech blitzten sie ihn an. Colt war an der frischen Luft wohl übermütig geworden, oder es lag ganz einfach an der generell fröhlichen Stimmung. Auch die drei, die an Bord geblieben waren, hatten gute Laune und waren fröhlich. Obwohl sie eigentlich zum Skifahren hergekommen waren, genossen sie auch die Tage, die sie aufgrund des Wetters drinnen verbringen mussten. Immerhin war es ihr Winterurlaub, den sie wie jedes Jahr gemeinsam verbrachten, es war egal, ob sie etwas taten, Hauptsache sie mussten nicht kämpfen. Auch ihnen hing ihre Arbeit manchmal zum Hals raus. Es grenzte an ein Wunder, dass sich die vier Freunde auch im Urlaub sehen wollten, es gab bestimmt viele Menschen, die im Urlaub als letztes ihre Kollegen um sich haben wollten. Der Japaner ließ den frechen Spruch nicht auf sich sitzen und ehe sie sich versahen, diskutierten sie schon, wer denn im Schnee mehr Chancen haben würde, verloren zu gehen. Sie lachten immer wieder hell auf, es hatte etwas ansteckendes, denn auch April und Saber stimmten in ihr Gelächter ein. Die einzige Frau an Bord half dem Oberhelden noch mit den letzten Handgriffen in der Küche, ehe das Essen serviert wurde. An diesem Abend hatte Saber angeboten, für sie alle zu kochen. Der Schotte ließ sich selten an den Herd zitieren, obwohl er sehr wohl für die gerechte Verteilung der Hausarbeiten war. Allerdings kochte er weniger gerne, da erledigte er normalerweise lieber den Abwasch. Aber an diesem Abend hatte er Lust gehabt, für seine Freunde ein kleines schottisches Dinner zu bereiten. Alle wünschten sich einen guten Appetit und griffen nach Herzenslust zu. Saber hatte niemandem gesagt, was er genau gekocht hatte, er kannte seine drei Pappenheimer viel zu gut. Hätte er von Anfang an erwähnt, dass er Haggis kochte, keiner von ihnen hätte auch nur eine Messerspitze davon gekostet. So schlugen sich alle die Bäuche voll und lobten den Schotten in den höchsten Tönen für seine Kochkunst. Und Saber selbst freute sich, dass es ihnen schmeckte. Manchmal wurde es während ihres Abendessens etwas leiser, das lag allerdings nur daran, dass alle den Mund voll hatten und sich nicht gegenseitig aufziehen konnten. Saber beobachtete seine Freunde dabei gerne in Ruhe. Auch wenn es öfter den Anschein hatte, er würde sich für diese Art Unterhaltung überhaupt nicht interessieren, so genoss er sie ebenfalls. Er konnte dabei sehen, wie wohl sich alle fühlten und dass es ihnen allen gut ging. Auch dieses Mal warf Saber beim Essen das ein oder andere Mal einen Blick in die Runde und schmunzelte stumm in sich hinein. Sie waren mehr als Kollegen. Sie vier waren gute Freunde. Das erfüllte Saber mit tiefer Zufriedenheit. April beteiligte sich rege an den Diskussionen, die Fireball und Colt während des Abendessens führten. Meistens ging es zwar nur darum, wer der bessere von beiden war, aber das störte niemanden. Diese Prahlerei war sie von den beiden schon gewöhnt und zwischendurch verpasste sie ihnen gerne einen Dämpfer, denn auch sie war in vielerlei Hinsicht ein Ass. Jedes Mal, wenn die beiden sie verblüfft und schweigend ansahen, brach sie in schadenfrohes Gelächter aus. April würde mit niemandem tauschen wollen. Klar vermisste sie manchmal eine Frau, mit der sie über manche Dinge sprechen konnte, oder die mit ihr Mädelskram machte, aber im Großen und Ganzen war das hier perfekt. In dieser Einheit gab es keinen Zickenterror und die Jungs ließen sich auch dann und wann mal um den Finger wickeln. Vor allem Fireball. Ein flehender Augenaufschlag und der Japaner ließ alles stehen und liegen, um ihr ihre Wünsche zu erfüllen. So saßen die vier bis spät in die Nacht am Esstisch. Nach dem Essen und einem abendlichen Kaffee hatten sie angefangen, Karten zu spielen. Immer wieder hallte das laute Lachen der Freunde durch die dunkeln Gänge von Ramrod. Es interessierte niemanden, wie viel es schneite. Sie genossen die gemeinsame freie Zeit. Erst weit nach Mitternacht löste sich die heitere Runde auf. Ebenso entspannt, wie der Abend geendet hatte, begann der nächste Tag. Kein Wecker und kein dringender Anruf zwang die vier aus dem Bett. Es war längst hell, als der erste aus den Federn kroch. Mit einer dampfenden, großen Tasse Kaffee stand er im Kontrollraum und sah in die glitzernde, weiße Winterwelt hinaus. Es war so still um ihn herum. Der Schnee schien alle Geräusche zu verschlucken. Er reflektierte das wenige Sonnenlicht, dass durch die dunkelgraue Wolkendecke brechen konnte und ließ die kleinen Eiskristalle funkeln. In der Nacht hatte es wohl aufgehört zu schneien. Keine einzige Spur war in den Schnee vor ihnen gezogen, man konnte nicht einmal ausmachen, wo der Weg verlief. Alles war eine große, weiße Decke. Fireball seufzte zufrieden. Das war schon fast zu kitschig. Aber es war herrlich. Nie würde er das neben Colt zugeben, aber auch ein Faulenzerurlaub und Stille waren eine Wohltat um sich zu erholen. Ob es wohl kalt draußen war? Er war fest entschlossen, das raus zu finden. Dick eingepackt, in seine grünen Skiklamotten, einer Wollhaube und Handschuhen, öffnete er kurze Zeit später die Rampe. Der Geruch von Schnee empfing ihn. „Hey, wo willst du hin?“ Fireball drehte sich erstaunt um und erkannte April oben. Sie war gerade aufgestanden und wusste noch nicht so genau, was sie von der kalten Luft halten sollte, die da so ungehindert an Bord strömte. Der Japaner ließ April mit einem Zwinkern wissen: „Ich muss raus in die Natur. Es hat aufgehört zu schneien und es sieht verführerisch draußen aus.“ Kurzentschlossen ließ April den Kaffee ausfallen. Sie bat den Rennfahrer noch kurz auf sie zu warten, sie wollte ebenfalls in die unberührte weiße Pracht hinaus. Egal, was sie machen würden, sie freute sich wie ein Kind am Weihnachtsmorgen. So schnell war April selten im Bad gewesen, wie Fireball feststellte. Nach einer Katzenwäsche und gefühlten fünf Minuten stand April bereits in ihrem pinken Zweiteiler vor ihm. Die Haare hatte sie hochgebunden und unter einer dicken weißen Mütze versteckt. Im Herunterlaufen zog sie sich noch die Handschuhe an. Sie war ausgeruht und gut gelaunt. Die blonde Frau freute sich auf den Spaziergang in der weißen Pracht und danach auf ein warmes Getränk. Das war einfach schon fast zu schön um wahr zu sein. Die beiden Star Sheriffs wateten mehr durch den Schnee als sie gingen, aber es war herrlich. Der Schnee war herrlich locker und leicht. Richtiger Pulverschnee. Sie jagten sich gegenseitig mit Schneebällen bis zum Waldrand. Beide hatten Spaß und lachten ausgelassen. Plötzlich hielt April Fireball den Mund zu und zeigte mit der anderen Hand vor sich. Sofort verstummte auch der Rennfahrer und machte sich kleiner. Aufmerksam beobachteten sie die Rehe, die auf die Lichtung gekommen waren, um Futter zu suchen. Die Hirsche mit ihren imposanten Geweihen gingen dabei zielstrebig auf die Futterstelle zu, die Rehe folgten mit den Kitzen schon vorsichtiger. In ihrer Nähe machte sich ein Uhu bemerkbar, sie waren mitten in der Natur gelandet. Erst, als das Rotwild wieder im angrenzenden Wald verschwand, richteten sich die beiden wieder aus ihrer Hocke auf und sprachen wieder miteinander. „Zuckersüß“, war alles, was April hervorbrachte. Sie war immer noch vom Anblick der Rehe angetan. Ihre blauen Augen strahlten zu Fireball hinüber. Schelmisch zwinkerte Fireball: „Weiß ich.“ April zog die Augenbrauen nach oben. Sie hatte doch die Rehe gemeint, was dachte er? Das Mädchen sah sich genötigt, das richtig zu stellen, sie wollte keine falschen Hoffnungen schüren. Obwohl… April war sich nicht sicher, ob diese Hoffnungen so falsch waren. Sie beide verstanden sich gut und manchmal, in Momenten wie diesen, wenn sie alleine und unbeobachtet waren, glaubte sie ein Knistern zu spüren. Aber das bildete sie sich bestimmt nur ein. Er machte ihr keine Avancen, da war sie sich beinahe sicher. Augenrollend stellte sie klar: „Ich hab die Rehe gemeint. Du bis maximal so süß, wie…“, ihre Stimme erstarb langsam. Hatte er sie jemals so angesehen, wie gerade eben? April schlug das Herz bis zum Hals, ihre wurde unglaublich warm. Sie fragte sich, ob sie sich zu warm angezogen hatte, weil ihr jetzt so heiß wurde. Fireballs Lächeln wurde kleiner, verschwand jedoch nicht aus seinem Gesicht. Ihm war klar gewesen, dass er für den frechen Spruch eine Neckerei von April zu erwarten hatte, diese ließ jedoch auf sich warten. Die Sonne brach nun endgültig durch die Wolkendecke und strahlte April an. Ihre zartroten Wangen, die von der Kälte diesen Schimmer angenommen hatten, ihre tiefblauen Augen und ihre blassroten Lippen, all das machte Aprils Gesicht perfekt. Fireball machte einen Schritt auf April zu, legte eine Hand auf ihre Taille. Sie war wunderschön anzusehen. Wie ihre Lippen wohl schmeckten? Als April seine Hand an ihrem Körper spürte, durchzuckte es sie wie ein Blitz. Automatisch legte sie ihre Arme locker um seinen Nacken, kam ihm einen Schritt entgegen. Fireball lehnte seine Stirn an ihre, sie blickten sich tief in die Augen. Fireball griff mit der zweiten Hand nun ebenfalls um ihre Taille. April gefiel ihm, das tat sie schon lange. Er hatte es ihr nie sagen wollen. Einerseits, weil sie Freunde waren und andererseits auch, weil er das Gefüge in ihrer Einheit nicht durcheinander wirbeln wollte. Vielleicht war es ja nur ein Strohfeuer, die Neugier an der verbotenen Frucht. Fireball wollte ihre Freundschaft nicht für ein heißes Abenteuer riskieren. Sie hatte ihn immer für attraktiv gehalten, insgeheim, hatte aber nie sagen können, was ihn tatsächlich so attraktiv machte. Er war nicht immer charmant, schon gar nicht zu ihr und mit seiner Risikobereitschaft hatte sie auch mehr als nur einen Kampf ausgefochten. Trotzdem war sie jedesmal eifersüchtig gewesen, wenn es den Anschein erregt hatte, ein Mädchen wäre gerne Fireballs Freundin. Colt und auch Saber hatten sie oft damit aufgezogen und sie hatte immer wieder beteuert, der Bengel würde ihr nicht mehr bedeuten, als ein Freund. „Du bist so süß wie“, April flüsterte. Doch auch dieses Mal konnte sie ihren Satz nicht beenden. Sie schloss die Augen, hoffentlich würde er ihren Wunsch erfüllen. Damit hatte sie seinen klaren Verstand gebrochen, sie hatte ihn um den Finger gewickelt und ließ ihn vergessen, was vernünftig war. Er zog sie an sich heran, umarmte sie zärtlich. Fireball neigte den Kopf zur Seite, schloss die Augen und hauchte ihr einen verstohlenen Kuss auf die weichen Lippen. Nur widerwillig gab er sie wieder frei. Fireball löste sich leicht von ihr, seine Augen strahlten. Leise flüsterte er an ihr Ohr: „Du bist süß wie Honig.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)