The Change of Fate von YharnamSunrise (a ZENONIA Fanfiction) ================================================================================ Kapitel 1: Revived again ------------------------ Historische Fakten zu ZENONIA: "Einst erschuf der Große Erschaffer die Galaxie. Sie bestand aus zwei großen Kontinenten, wobei einer dieser Kontinente von den Menschen regiert wurde. Die niederen Götter, die der Große Erschaffer einst aufgegeben und im Stich gelassen hatte beneideten die Menschheit und übten Vergeltung am Großen Erschaffer aus, indem sie die Menschenwelt verwüsteten und zerstörten. Der Große Erschaffer zerteilte daraufhin aus Zorn über dieses Verhalten die Welt in zwei Teile und verbannte die niederen Götter in das Reich der Dunkelheit. Durch diesen immensen Verbrauch an Kraft wurde der Große Erschaffer jedoch sehr geschwächt, woraufhin er sich mit seiner letzten noch verbleibenden Kraft in den Baum des Lebens/Tree of Life transformierte. Er erschuf den Heiligen Stamm (Divine Tribe) um seine Präsenz beschützen und wahren zu können während die niederen Götter im Reich der Dunkelheit den Devil Tribe erschufen. Sie bezeichneten sich dort selbst als Könige und zogen gegen den Divine Tribe und den Großen Erschaffer im Himmlischen Reiche im großen, sakralen Krieg zu Felde, welches aufgrund des Kampfes fast zerstört wurde. Teile des Himmlischen Reiches stürzten auf das Mittlere Reich, Midgard, herab, wobei auch alle im Himmlischen Reiche residierenden Personen nach Midgard stürzten. Man gab den Menschen die Schuld daran, dass das Himmlische Reich auf Midgard herabstürzte und begann diese zu verabscheuen." Weltenverzeichnis: In ZENONIA gibt es vier Welten: ➤ das Himmlische Reich, welches – wie der Name schon darauf schließen lässt – im Himmel ist. Dort herrscht beziehungsweise residiert der Himmlische Stamm. ➤ das Mittlere Reich (Middle Realm/Midgard), welches die Dimension zwischen dem Himmlischem Reiche und der Erde darstellt. Aufgrund des großen, sakralen Krieges stürzten Teile des Himmlischen Reiches auf Midgard herab wo noch heute verschiedene antike Ruinen und Architekturen des Himmlischen Reiches vorzufinden sind. Über dieses Reich herrscht Pontifex Temir. ➤ die Welt der Menschen, welche einst vom Großen Erschaffer erschaffen wurde; das Königreich der Menschen wird namentlich als Königreich Andra bezeichnet, der gesamte Kontinent heißt Zenonia [Die Könige im Überblick: Argos, Valens, Lu, Bronte/bzw. Neal als Prinz] ➤ das Reich der Dunkelheit (Dark Realm) welches die Heimat des Devil Tribes darstellt und immer wieder aufs Neue von grausamen, dunklen Königen regiert wird. [Die Könige des Devil Tribes im Überblick und nach Amtsreihenfolge: Ladon, Tiaris, Antoine, Shaturu, Aster (wenn man ihn als 'König' bezeichnen kann.] Bevölkerungs- und Stammesverzeichnis: In ZENONIA gibt es verschiedene Stämme und Wesen: ➤ der Himmlische Stamm (Divine Tribe) ist der heilige Stamm, der einst vom Großen Erschaffer erschaffen wurde, um dessen Präsenz als Baum des Lebens zu wahren. Die Angehörigen des Divine Tribes zeichnen sich durch ein besonderes Merkmal aus: sie haben helle, weiße Flügel. ➤ die Menschheit, der es – so denke ich – keiner weiteren besonderen Erklärung bedarf ➤ der entartete/degenerierte Stamm (Degenerated Tribe) ist eine Abspaltung des Himmlischen Stammes, die durch den Zerfall des Himmlischen Reiches entstand. Durch den Sturz aus dem Himmlischen Reich nach Midgard verloren manche Angehörige des Divine Tribes ihre Flügel. Sie wurden daraufhin von ihren ehemaligen Stammesangehörigen ausgegrenzt und als entartet abgestempelt, obwohl sie im Kerne immer noch dem Himmlischen Stamme anzurechnen waren. Dennoch vertrieb man sie, da sie eine immense Ähnlichkeit zu den ohnehin verachteten Menschen hatten. Unter der Regierung des Pontifex Temir verschlimmerte sich dieser Zustand nur noch mehr, natürlich sehr zum Leidwesen des Degenerated Tribes. ➤ der Dragon Clan/Devil Tribe (Teuflischer Stamm) ist der Stamm, den einst die niederen Götter erschufen. Die Angehörigen des Devil Tribes zeichnen sich, neben ihrer immens dunklen Energie, dadurch aus dass dessen Angehörige tiefschwarze Flügel haben. Viele Angehörige erscheinen in der Gestalt von Drachen oder drachenähnlichen Monstern, manche erscheinen jedoch auch als eine Art menschlichere Gestalt. Der Devil Tribe wurde zu Beginn der ZENONIA-Serien noch als Dragon-Clan bezeichnet, nunmehr bezeichnet man ihn als Devil Tribe. Der kleine Überblick über die Handlung von ZENONIA (Teile 1 – 4): Zenonia ist eine RPG-Spielreihe der Gamevil Inc., die im Wesentlichen von einem Helden handelt, der viele verschiedene Abenteuer bestreiten muss (in ZENONIA 2 handelt die Geschichte sogar gleich von vier Helden: Lu, Ecne, Morpice und Daza). Gut, das klingt noch nicht sonderlich extravagant für ein RPG, dennoch hat ZENONIA Irgendetwas, das es einzigartig macht: das gewisse Etwas an einer phänomenalen Story! Ja gut, das kann man jetzt auch wieder auf jegliche RPGs anwenden dennoch hat es mir persönlich diese RPG-Serie dank ihrer fesselnden und faszinierenden Story immens angetan. Der Hauptprotagonist heißt Regret, ein blonder Mann den man einst während einer Schlacht zwischen den Menschen/Heiligen Rittern und dem Dragon Clan/Devil Tribe auf dem Kampffeld TriPalo vorfand. Im Wesentlichen handelt die Story von ZENONIA davon den Erzfeind Ladon, den König des Dragon Clans (i.d.F. der Spielreihe als Devil Tribe bezeichnet), zu bezwingen. [Storyline ZENONIA 1 und teilweise ZENONIA 2 bezüglich Ladon] Er ist der Vater Regrets, dahingehend versuchte Regret sich, nachdem er Ladon besiegt hatte, daran abgelegen in Iris Town – einer kleinen Stadt im Königreich Andra – zu leben aus Angst vor der dunklen Energie Ladons, die noch immer in ihm verweilte. Er fürchtete immer, dass ihm diese dunkle Energie eines Tages einmal zum Verhängnis werden und ihn überkommen könnte. Er versuchte sich darin, diese dunkle Macht zu bezwingen, konnte dies jedoch nicht. Sozusagen eigens isoliert lebte er fortan in Iris Town, ehe eine Fee – Runa – ihn eines Tages bat, ihr zu folgen. Sie offenbarte ihm eine sterbende Frau des Divine Tribes sowie ein Kind. Die Frau bat Regret kurz vor ihrem Tode darum, sich um das Kind zu kümmern. Dabei gab sie Regret eine Kette, die zum Vater des Kindes führen würde. Regret nahm sich dem Kind an und zog ihn als seinen Sohn namens Chael groß. Die Beiden lebten eine ganze Weile friedlich zusammen als Chael eines Tages auf einmal durch eine beschwörende Magie in ein vollkommen anderes Reich gezehrt wird – Midgard. Dort erlebt er viele verschiedene Abenteuer und trifft auf seinen Bruder Luxferre und seinen wahren Vater, Pontifex Temir. Sein prädestiniertes Schicksal führt ihn in einen verbitterten Kampf gegen den aktuell regierenden König des Devil Tribes, Antoine. Da Antoine jedoch nur noch aus einer Seele besteht opfert Regret, der auch durch beschwörende Magie nach Midgard gelangt, seinen Körper an Antoine für die Chance, dass Chael Antoine besiegen kann. Das schafft er auch, jedoch stirbt Regret leider. [Storyline ZENONIA 3] Er erwacht wieder in einer Art Traumwelt, der er Dank einer Fee und dem Ich aus seiner Zukunft entfliehen kann. Regret wurde nach seinem Tod vom Großen Erschaffer über die Fee Anya wiederbelebt und lebt nach dessen Willen in der Vergangenheit weiter, wo er viele altbekannte aber auch neue Personen antrifft. Auch auf Chael trifft er, der mittlerweile der Kommandant einer bedeutenden Stadt ist. Nach sämtlichen Zeitreisen und dem Tod seines Sohnes trifft Regret dann schlussendlich auf den aktuellen Herrscher des Devil Tribes – Shaturu. Diesen besiegt er auch, jedoch schaffte es Shaturu einen Teil seiner Seele in die Seele einer Vertrauten Regrets, Elisa, zu pflanzen. Diese kontrollierte er nun dahingehend, dass sie Regret mit einem gezielten Stich in die Brust tötete – das, meines Erachtens nach, phänomenal-grandiose Ende des Normal Modes in Zenonia 4. [Es dürfte ersichtlich sein, dass das die Storyline aus ZENONIA 4 ist.] Und genau an dieses Ending werde ich in meiner FF jetzt anknüpfen. CHAPTER 1 - REVIVED AGAIN Der Vollmond stand hoch am Zenit während sein fahles Licht sanft die Stadt erleuchtete, wessen Türme und Häuser aus der Ferne grob auszumachen waren. Sachte umschmeichelte der Mond den Konturen der Stadt, welche pompös und beeindruckend wirkte. Da stand sie, die stolze Stadt und schien sich dem Mond emporheben zu wollen, ihm ihre volle Schönheit offenbaren und Jeden mit dieser Schönheit blenden zu wollen. Ein wahrhaftig wundervoller Anblick, was sich für eine Hauptstadt auch gebührte. Ja sie war mittlerweile die Hauptstadt, die Hauptstadt des Königreiches Andra. Die wundervolle, vielseitige Hauptstadt. Sie stand für Ideale wie Schutz, Sicherheit und Geborgenheit. Daher gab man sich die größtmögliche Mühe, diese Stadt aufzubauen, auszuweiten und zu einem würdigen Zentrum erwachsen zu lassen. Um genau zu sein machte sich der Himmlische Stamm die Mühe daran, das Reich komplett zu restaurieren – und das tat er innerhalb des Heiligen Zeitalters. Aus kleinen, unbedeutenden Städten wurden wunderbare, ansehnliche Metropolen. Das Heilige Zeitalter war die goldene Zeit, durch und durch. Dabei konnte man die Betonung jedoch getrost auf das kleine aber dennoch bedeutende Wörtchen 'war' legen. Warum? Warum nicht könnte man darauf antworten, dennoch sollte man eine anders gelagerte Frage stellen: Was war von dem Heiligen Zeitalter übrig geblieben? Schöne Städte könnte man nun anbringen, das würde wohl auch zutreffen. Atemberaubende Sehenswürdigkeiten könnte man noch anfügen – auch zutreffend. Dennoch sollte man hinterfragen, was einem all diese Sehenswürdigkeiten brachten, wenn die Städte nicht mehr sicher waren. Welchen Schutz gaben sie Einem denn noch? Waren sie wirklich die unbesiegbaren Festen, die Niemand ohne Weiteres erstürmen konnte? Oder waren sie mittlerweile nichts weiter als reine Sehenswürdigkeiten, die den Anschein verbreiten sollten, der Bevölkerung den bestmöglichen Schutz gebieten zu können? Ja doch, das traf in den meisten Fällen zu tat sich doch ein zentrales Problem auf, welches auch die allerschönste Stadt nicht lösen konnte: die Monster. Einst, innerhalb des Heiligen Zeitalters, hatte man alle bösen Kreaturen vom Antlitz der Welt getilgt – und das hatte man erfolgreich erledigt. Fein säuberlich vernichtete man jegliche unerwünschten Kreaturen, die Einem einst einmal gefährlich werden konnten – die etwas andere Art der Prävention. Dennoch war sie erfolgreich und sie wirkte nach. Jahrelang sichtete man kein einziges Monster mehr, bis auf einmal erneut Monster erschienen. Erst vereinzelt, dann in größeren Zahlen. An und für sich wäre es von nicht allzu immensem Aufwand diese Kreaturen zu vernichten, dennoch musste die Menschheit schon bald feststellen, dass dieses Unterfangen sich als schwierig und verlustreich entpuppte. Die Monster waren stark und verstanden sich darauf, in Gruppen scheinbar gezielte Angriffe zu starten. Bald schon brachte man auch den Grund des Erscheinens der vielen Monster in Erfahrung: der Devil Tribe – eine Gruppe teuflischer, rachsüchtiger Gestalten. Ja, der Devil Tribe war eine Horde gefürchteter Schergen. Einst, als der Große Erschaffer die niederen Götter in das Reich der Dunkelheit verbannte erschufen ebendiese Götter die dunklen Wesen des Devil Tribes, um Vergeltung am Erschaffer ausüben zu können. Und so taten sie es nun erneut mit verstärkten, gezielten Angriffen auf die Städte der verhassten Menschen. Gegen die Doppelbelastungen an Angriffen seitens der Monster und des Devil Tribes kamen viele der Städte nicht an, die Hauptstadt stellte da keine Ausnahme dar. Auch wenn sie allmächtig erschien war sie es nicht und konnte all das nicht mehr bieten, was sie eigentlich zu bieten versprach. Betrachtete man daher analytisch all die Ideale, für die diese Stadt einst stand und eigentlich auch heutzutage stehen sollte konnte man eigentlich nur die Hände über dem Kopfe zusammenschlagen und all das für eine Lüge bezeichnen. Sozusagen war die Sicherheit der gesamten Bevölkerung eine Lüge und etwas Unerreichbares, und das konnte man getrost auf das komplette Königreich Andra beziehen. Der Höllenschlund des Abgrundes versuchte immer wieder aufs Neue die Seelen und Willen der Wesen zu brechen um sie so in die abgründige Tiefe stürzen zu können. Und er schaffte es, zumindest bei schwachen und zerbrechlichen Wesen. Also hieß es stark zu sein, den Kopf stets erhoben zu halten und immer tapfer weiter zu kämpfen oder gegenüber der Bevölkerung den Anschein zu wahren, das sie sicher wäre. "Los, schnell jetzt oder willst du etwa, dass sie uns sehen?!" "Nein, seh' ich so aus?" "Nein das habe ich nicht gesagt! Aber wenn du weiter solchen Lärm machst werden sie uns noch finden!" "Ach Quatsch nicht, bis jetzt ging doch Alles gut. Außerdem – welchen Lärm mache ich denn? Etwa meine Schritte auf dem gedämpften Waldboden oder dem Gras? Das kann nicht sein!" "Das meine ich nicht! Du stolperst über alle möglichen Dinge! Sieh dich doch mal an, verdammt! Wie du aussiehst!" "W-was? Willst du mich verarschen oder was?! Als wenn deine Stimme nicht schon laut und auffällig genug ist Außerdem – wie kannst du mich einwandfrei sehen? Es ist doch Nacht!" "Ach? Schon mal was von Halbmond gehört? Außerdem flüstere ich!" "Ja? Tust du das? Für mich hört sich das ja nicht mehr nach Flüstern an!!" "Was? Jetzt glaube ich aber dass DU MICH verarschen willst!" "Wer ist es denn, der mich hier schon die ganze Zeit verarscht?! Richtig - kein Geringerer als DU!" Stimmen? Sind das…Stimmen? Höre ich da gerade Stimmen? Aber – wie kann das sein? ... I-ich glaube ich…höre tatsächlich etwas. Zweifelsfrei vernehme ich Wortfetzen. Aber wie ist das nur möglich? Ich bin doch tot, oder? Ich bin gestorben, als ich Chael die Möglichkeit geboten habe, durch die Aufopferung meines Körpers an den König des Devil Tribes, Antoine, ebendiesen zu besiegen, oder etwa nicht? Danach bin ich in einer Art Traumwelt gefangen gewesen welche durch Ladons dunkle Energie ausgelöst wurde, die noch immer in meinem tiefsten Inneren existiert. Und dann? Dann wurde ich von Anya in die reelle Zeit zurückgebracht, einer Fee, die mir der Große Erschaffer gesandt hatte. Kurz darauf begann ein aufregendes Abenteuer für mich, ich hatte eine ganz klare Mission: den aktuellen Herrscher des Devil Tribes auszuschalten, namentlich auch als Shaturu bekannt. Viele Erlebnisse prägten mich, ich besiegte viele Generäle der Feinde, gewann viel…aber verlor auch viel. Ja, ich verlor viel, zu viel. Chael. Wie konnte ich dich nur sterben lassen?! Ich…ich kann, will und fühle mich nicht annähernd dazu im Stande, darüber nachzudenken, so peinlich ist mir das Alles! Wie konnte ich nur? Wie konnte ich es wagen... dich...? Verdammt! Ich hatte mich nach Chaels Tod zu Shaturu begeben und kurz darauf... ...hat mich Shaturu getötet! Oh ja, das hat er – aber auf die hinterlistigste Art und Weise, die man sich vorstellen kann. Er hat eine Person, Elisa, durch Seelenmagie dazu beeinflusst, mir ihr Schwert bis zum Anschlag in die Brust zu rammen. Das ist Alles an das ich mich noch erinnern kann. Dann wurde alles schwarz und jetzt müsste ich eigentlich endgültig tot sein, eigentlich. Befinde ich mich jetzt also in dem Leben nach dem Tod? Gibt es überhaupt ein Leben nach dem Tod? Und kann man im Leben nach dem Tod überhaupt denken? Ich wage es zu bezweifeln. Aber warum kann ich es dann? Kann man in einem Leben nach dem Tod fühlen? Ich fühle den Schmerz über den Verlust meines Sohnes, welcher meine Seele zerbersten, sie in viele kleinen Splitter zerreißen zu wollen scheint. Aber warum kann ich diese Gefühle spüren? Merkwürdig, verwirrend. Ja alles in allem eine merkwürdige Mischung, die jegliche meiner ohnehin schon verzerrten Wahrnehmung komplett über den Haufen wirft. Warum nur passiert all das gerade? Es ist doch Alles tiefschwarz und dunkel um mich herum. Passiert überhaupt etwas? Oder bilde ich mir das Alles nur ein? Träume ich eventuell wieder und bin durch Ladons Energie in einem neuen Albtraum gefangen? "Bitte was?! Hast du einen sitzen oder was?! Weißt du nicht, wie gefährlich es hier draußen ist?!" "Oh es ist hier draußen gefährlich?! Wusste ich ja gar nicht! Warum denn, Abel?" "Warum? Stell dich nicht dumm!" "Ich stelle mich nicht dumm. Du stellst mich aber als dumm dar!" "Ja weil du es auch bist! Dein Leichtsinn unterstreicht deine Dummheit nur noch mehr! Seit wann verlässt man denn bitte des Nachts unbewaffnet und ohne die Begleitung einer Wache die Stadt?! Sei froh dass ich es noch rechtzeitig gemerkt habe!" "Äh… uhm…" "Oh, ich glaube da habe ich dich wohl auf frischer Tat ertappt." "Schande, wo ist meine Waffe?" Ich kann nicht sehen, nur hören. Was ist hier los? Wer ist da? Ich möchte etwas sagen, möchte den fremden Stimmen etwas zurufen, sie fragen, wer sie sind aber ich schaffe es nicht. Alles in meinem Inneren schreit danach, eine Äußerung zu treffen dennoch entweicht kein einziges Wort meinen Lippen. Ich kann nichts sagen... "Hier. Ich habe sie bei mir, weil du sie in der Kneipe liegen gelassen hast. Du bist so leichtsinnig und jetzt lass uns zurückkehren. Ich habe keine Lust darauf hier von einem Späher des Devil Tribes aufgegriffen zu werden." "Ja... Ja, du hast ja recht. Lass verschwinden... Tut mir leid." "Na also, geht doch. Mir täte es leid deiner Familie davon berichten zu müssen, dass dich ein Späher des Devil Tribes betrunken vor den Stadttoren erledigt hätte." "Ja... Und mir wäre das peinlich... Kommt nicht mehr vor, versprochen." "Das will ich auch hoffen." Auf einmal scheint das Gespräch der Fremden zu enden. Gedämpfte Schritte scheinen sich von mir zu entfernen. Abrupt und urplötzlich tritt erneut diese endlose Stille ein. Durchlebe ich vielleicht gerade noch einmal Teile meines Lebens? Eine Art Flashback? Nein, oder? Ich kann mich nämlich nicht daran erinnern je ein solches Gespräch geführt zu haben doch bin ich mir nicht zu einhundert Prozent sicher – schließlich war ich schon über vierzig Jahre alt und habe viel in meinem Leben erlebt. Was also, wenn sich tatsächlich in meinen jungen Jahren irgendwann einmal eine derartige Situation ereignet hat? Aber... aber dann müsste ich doch theoretisch die Stimmen der sich Unterhaltenden erkennen können, oder? Vielleicht waren es Lu und Morpice oder Daza? Dupre und Kommandant Vague? Meister Virulent? Oder sind meine Sinne so durcheinander und so geblendet dass ich die Stimmen nicht mehr zu erkennen vermag? Wer weiß das schon, ich weiß vieles und dennoch weiß ich im Moment gar nichts. Wie lange ist es eigentlich schon her seitdem ich gestorben bin? Einen Tag? Zwei Tage? Eine Woche? Zwei Monate? Zehn Jahre? Wer hätte es gedacht – ich weiß es nicht! Welch eine Überraschung – ist ja nichts Neues, nicht wahr? Egal. Plötzlich durchfährt mich ein stechender Schmerz, scheint wie ein Blitz in mein Innerstes einzuschlagen und im Kopf seine volle Kraft zu entladen. Wo ich zuvor noch den tiefen Stich in meinem Herzen wahrgenommen habe empfinde ich nun zusätzlich noch diesen unsäglichen Kopfschmerz. Gehört das auch zu meinem Leben nach dem Tod, wenn es denn ein Leben ist? Was ist es eigentlich? Schon unheimlich nicht zu wissen, ob es tatsächlich ein Leben ist. Ja doch, vermutlich gehört es zu dem Leben nach dem Tod. Ich bezeichne es jetzt einfach mal so - klingt doch beruhigend, nicht? 'Das Leben nach dem Tod' - das bei mir in tiefste Dunkelheit, Regungslosigkeit und Schmerz gehüllt ist. Wahnsinnig beruhigend, wirklich! Vielleicht habe ich es ja auch nicht anders verdient? Schließlich bin ich ja Mitglied des Dragon Clans und noch dazu Ladons Sohn. Ha, wie ironisch! Vielleicht haben diese fremden Stimmen ja mich gemeint? Aber ich kann mich noch nicht einmal bewegen – woher sollte ich daher einen Späher darstellen? Allerhöchstens einen toten Späher, der zu nichts mehr in der Lage ist. Apropos Bewegung und Wahrnehmung – sind meine Augen eigentlich geschlossen oder geöffnet? Kann ich etwas Anderes als Schmerz fühlen? Zum Beispiel meine Umgebung? Vermag ich etwas zu berühren? Versuchen könnte ich es doch eigentlich, oder etwa nicht? Was habe ich denn zu verlieren? Das Leben? – Der war gut, Regret! Na gut, dann versuche ich mich eben daran – aber wie? Bin ich noch ein Wesen? Antoine, der König des Dragon Clans, welcher nur noch eine Seele aber keinen Körper mehr hatte, hat schließlich meinen Körper vollumfänglich verzehrt und sich so meinem Sohn gestellt. Nun gut, eigentlich könnte man es als eine Art Pakt zwischen Antoine und mir bezeichnen – ich habe meinen Körper geopfert um Chael die Chance ermöglichen zu können, Antoine zu besiegen. Shaturu hat mich nach meiner erneuten Wiederbelebung töten lassen, ich hatte also für eine gewisse Zeit wieder einen Körper. Aber was hat er dann mit mir gemacht? Oh Großer Erschaffer - das will ich glaube ich garnicht wissen. Der alleinige Gedanke daran - uwah! Also gut, dann denken wir doch mal logisch. Hah! Ein Toter der über Logik nachdenkt - welch fatale Groteske! Shaturu... was hat er wohl mit mir angestellt? Schlussendlich war er es doch, der hinter meiner Ladon-Energie her war. Er wollte sie besitzen, sie sich unter die Nägel reißen um so allmächtig zu werden. Und das dürfte er – wenn ich es grob überschlage – auch geschafft haben. Gut, zuallererst wird er mich also tatsächlich meiner Ladon-Energie beraubt haben. Dahinter sind schlussendlich alle erdenklichen Feinde dieser Welt her, was auch sonst? Was?! Regret besitzt die Energie des sagenumwobenen Königs Ladon?! - Na wunderbar, dann hetze ich ihn solange zu Tode ehe ich ihn einfangen kann und mir die Energie unter die Nägel reißen kann! Und dann werde ich allmächtig! Nun gut, gehen wir also davon aus, dass er mich tatsächlich meiner Ladon-Energie beraubt hat, schön für ihn und noch viel schöner für mich - auf diesen Teil meiner Energie konnte ich nämlich getrost verzichten! Also weg von dem 'was bin ich' hin zu dem 'was ist von mir übrig geblieben'. Wirklich – das klingt einfach nur absurd! Schlussendlich müsste also jetzt die leere Hülle des toten Regrets vor Shaturu liegen, der sich für seine Handlung wohl gebührend feiern lässt. Endlich kann er allmächtig werden und endlich hat er das erreicht, was alle anderen Feinde zuvor nicht erreicht haben: er hält die Energie des legendären Königs Ladon in seinen Händen. Als nächstes wird er wohl meinen Körper beseitigen. Was er wohl damit anfangen wird? Stopft er mich jetzt aus und stellt mich zur Schau in seinem Thronsaal aus? Schön getreu dem Motto 'ich habe Ladons Sohn gefangen'? Igitt! Jetzt wird's definitiv krank! Schluss also mit diesem kranken Schwachsinn! Malen wir uns einfach ein beruhigenderes Szenario aus: Ich gehe davon aus, nur noch eine Seele zu sein. Ja genau, eine rastlose Seele, die keine Ruhe finden kann weil sie einen unschönen, unerwarteten Tod gestorben ist. Diese Seele müsste - wenn ich mich recht entsinne - irgendwo in Zerat Castle herumschwirren und dürfte von diesem Ort auch nicht mehr loskommen, weil sie dort hinterrücks dem Leben beraubt wurde. Also gilt es dann noch herauszufinden, wieso ich scheinbar - wenn auch nur als Seele - noch existiere. Eine Antwort scheint sich mir sofort offenbaren und offerieren zu wollen also schiebe ich meine Existenz auf etwas Anderes: Ladon – die Erklärung für so ziemlich Alles! Etwas, das ich zu Lebzeiten sicherlich amüsant gefunden hätte. Zu Lebzeiten, ja. Die nun ja leider vorüber sind. Wobei ich es nüchtern betrachtet keinesfalls anders verdient habe. Chael... Warum nur? Warum nur musste ich dich in dieser gottverdammten Höhle sterben lassen? Warum konnte ich nicht über meinen verdammten Schatten springen, in die Höhle zurückrennen und dich retten? Warum? Weil die Höhle am Einstürzen war? Weil ich unterbewusst Angst hatte, selbst draufgehen zu können? Weil mir das Adrenalin dermaßen heftig in die Adern geschossen ist, damit mich Elisas fluchtschwangere Worte dazu veranlassten, mit ihr gemeinsam nach draußen in die Sicherheit zu entfliehen? Waren diese Worte solches Balsam für meine Seele und das vor Angst verkommende Unterbewusstsein, dass ich keine andere Wahl hatte? Hat mich eventuell auch der Kampf gegen den dunklen General Leviathan so sehr beeinflusst und mitgenommen, dass ich - zumindest unterbewusst - schnellstmöglich das Weite suchen wollte? Ich kann es nicht sagen. Ich kann es mir einfach nicht erklären. Schicksal? Vielleicht ist das ja eine Erklärung. Schande, auf so ein verpatztes, leidvolles Schicksal kann ich getrost verzichten, aber sowas von! Vielen herzlichen Dank, wundervoller Großer Erschaffer, dass du mir ein solch tolles Schicksal offenbarst. Wahrhaftig wundervoll, nicht? Wobei ich es vermutlich nicht anders verdient habe – schlussendlich habe ich in einem Moment Alles gegeben, nur um im nächsten Moment Alles zu nehmen. Ich habe dir Alles genommen, Chael. Alles, wofür du gekämpft hast. Alles, für das du standest. Alles, was du bezwungen hast. Alles, für das du dich eingesetzt hast. Einfach Alles. Man pflegt stets zu sagen dass alles Schlechte, das man tut eines Tages negativ auf Einen zurückfällt. Ist das also meine gerechte Strafe? Ja doch, würde ich schon sagen. Schließlich musstest auch du eine Menge wegen mir durchleiden nicht wahr, Chael? Du musstest Antoine und damit auch mich töten, musstest zusehen, wie du alleine aufwächst. Du musstest den ganzen, unerträglichen Schmerz allein verarbeiten, musstest in ein Zuhause zurückkehren, in welchem dich kein geliebter Vater mehr erwartete. Wo Niemand mehr da war, der dich in freudiger Erwartung begrüßte. Wo Niemand mehr war, der dich zum Training animierte, der dir all die wichtigen Dinge des Lebens lehrte. Du hast so viel durchgemacht, so unwahrscheinlich viel. Ich bewundere dich, du bist zu einer solch starken Persönlichkeit erwachsen und wofür? Richtig, damit ich dich einfach im Stich gelassen und sterben habe lassen! Welch ein vorbildlicher Vater ich doch bin... Wenn ich jetzt seufzen könnte würde ich es an dieser Stelle tun: aus tiefstem Herzen. Wenn ich schreien könnte, würde ich Alles herausschreien und wenn ich weinen könnte... dann würde ich wohl nie wieder damit aufhören... Wenn ich mein Schicksal, dein Schicksal, nein unser Schicksal ändern könnte – ich würde es tun! Ich würde Alles dafür geben, Alles. Glaube mir! Aber ich kann es nicht… und das macht mich echt fertig. Aber warum nur kann ich so viel denken? Vielleicht ist das tatsächlich das, was mir zusteht. Das Leid, der viele Schmerz und diese Hilflosigkeit, meine ruhelosen Gedanken. Mein 'Leben nach dem Tod'. Konzentriere dich, Regret und verliere dich nicht in allerlei Gedankengängen! Was hatte ich gerade noch versucht? Ach ja, ich wollte mich bewegen – wie schwachköpfig von mir! Na gut, dann versuche ich eben etwas Anderes – vielleicht kann ich ja meine Augen öffnen, insofern ich diese noch haben sollte. Uwah! Wie merkwürdig es doch ist nicht zu wissen, was von einem noch übrig ist und was man ist. Gerade bin ich noch davon ausgegangen, eine Seele zu sein aber vielleicht... bin ich ja doch noch etwas mehr als eine rastlose Seele? Verdammte Ironie! Vermutlich ist das mein Schicksal – gefangen inmitten meiner Welt der Gedanken, meiner inneren Hilflosigkeit und der Unendlichkeit. Dennoch sollte ich den Versuch wagen. Ob ich wohl etwas erkennen kann? Da flammt sie kurz auf, diese immerzu präsente, dennoch latente Unsicherheit. Und noch ein weiterer - bisher unbewusster - Begleiter zeigt sich: die unterschwellige Angst. Ich muss mich von diesen Gefühlen ablenken. Also gut. Ich muss versuchen zu fühlen, mich auf meine Gefühle, nein nein, nicht auf die Gefühle sondern viel eher auf die Empfindungen zu konzentrieren. Ja genau. Was empfinde ich also? Ich spüre etwas, diesen Kopfschmerz der noch immer präsent ist und diese Last, die der Verlust meines Sohnes einher gebracht hat. Das scheint ja schon mal gut zu sein, eine fundierte, dennoch ausbaufähige Grundlage. Also versuche ich zu meinen Augen hinzufühlen und die Lider zu fühlen, die nun eigentlich geschlossen sein müssten. Aber ob sie es sind? Ich vermag es nicht zu sagen. Vielleicht – wenn ich noch eine menschliche Hülle haben sollte – starre ich ja auch mit leeren, toten Augen in eine unergründliche Ferne? Stiere in ein Nichts, eine Weite, die nur mir ergründlich ist und hoffe darauf, mit Chael wiedervereint können zu werden? Ob dem wohl so ist? Wer weiß das schon. Also fühle ich weiter. Ich fühle mich taub, kann den Rest meines Körpers weder ausmachen noch spüren – bis auf den Kopfschmerz. Also kommt mir eine andere Idee: ich werde also erstmal an dem Ausmachen meiner Augen und meines Sehvermögens festhalten. Angestrengt versuche ich hin und her zu sehen – damit müsste ich im Normalfall die Bewegung meiner Augen wahrnehmen und siehe da, ich tue es! Ein guter Anfang, perfekt! Meine Augen scheinen tatsächlich geschlossen zu sein, ja doch. So fühlt es sich zumindest an. Also versuche ich meine Augen richtig zu öffnen. Erst vorsichtig und zaghaft öffne ich meine Augen einen Spalt, ehe ich etwas Leuchtendes ausmache, das wie ein Mond aussieht. Sehe ich genauer hin stelle ich auch fest, dass es wirklich ein Mond ist. Schockiert zucke ich zusammen, und schließe meine Augen wieder. Die Angst. Da ist sie wieder. Ja, auch ein tapferer Krieger hat Angst. Was ist hier nur los? Tja, wohlgemerkt weiß ich das nicht – mal wieder nichts Neues! Ich spüre, wie das Gefühl des Schocks sich in mir ausbreitet, spüre die kurz einsetzende Lähmung durch die hervorgerufene Angst und meine - nunmehr sehr abgeflachte - schnelle Atmung. Soll ich es nochmals wagen? Soll ich meine Augen erneut öffnen? Nein, ich will nicht... Ich will die Dunkelheit nicht weiter sehen, ich kann sie nicht mehr ertragen. Aber egal wie ich es drehe und wende - ich sehe sie so oder so. Halte ich die Augen geschlossen, ist sie immer da. Öffne ich die Augen, ist sie wieder da aber noch etwas, ein Mond. Ein heller, leuchtender Mond. Was habe ich gleich nochmal zu verlieren? Nichts - richtig! Ja doch, dieser Gedankengang beruhigt mich und erfüllt mich mit neuem Mut. Also öffne ich vorsichtig die Augen und mustere den schönen, leuchtenden Halbmond. Wie ruhig er am Zenit steht, weit oben, unantastbar. Eine unerreichbare Schönheit. Um den Mond besser betrachten zu können muss ich mich etwas aufsetzen, vielleicht tue ich das unweigerlich unbewusst. Mit einem Male sitze ich da und stelle fest, dass ich auch das nicht verlernt habe. Ich kann mich aufsetzen und muss nicht still daliegen während ich mich nicht regen kann. Irritiert blicke ich an mir hinab. Tatsächlich scheine ich eine ganz normale, lebendige und menschliche Gestalt zu sein. Ich bin nicht verletzt als wäre nichts passiert. Der Kampf und Verlust von Körper und Seele an Antoine? – Nichtig! Der finale Kampf mit Shaturu? – Nie passiert! Wo befinde ich mich überhaupt? Eigentlich befand ich mich doch kurz zuvor noch in Shaturus Festung... Kurz zuvor? Der war gut! Wann war kurz zuvor gleich nochmal? Ich will gar nicht weiter darüber nachdenken. Unwillkürlich wandert meine Hand an meine Stirn während ich mich neugierig umsehe. Sonderlich viel kann ich nicht erkennen, dennoch mache ich Bäume und Sträucher aus. Sie werfen durch die Nacht und den sichelförmigen Mond große Schatten, die mir die Sicht erheblich erschweren. Und dennoch vermag ich zu erkennen, dass ich mich in einer Art Waldstück zu befinden scheine. Ob das, was hier gerade passiert wohl reellen Bestand hat? Nein, oder? Kann das sein? Vorsichtig senke ich meine Hand wieder und berühre den dunklen Boden – er fühlt sich echt an, kühl, hart. Reell. Alles wirkt wirklich nichts scheint falsch zu wirken. Dennoch kann auch ein Traum reell wirken, diese Erfahrung habe ich ja bereits gemacht. Erst jetzt nehme ich die kühle Nachtluft wahr, auch mache ich in der Ferne eine Stadt oder ein Dorf aus, kann jedoch nicht erkennen, was genau von Beiden es ist. Vorsichtig erhebe ich mich, fahre mir durch mein Haar und über das Gesicht. Ich scheine tatsächlich zu leben. Wo und wie ist jetzt die Frage. Erneut in einer Traumvision oder in einer reellen Zeit? Hast du mich noch immer in deinem eisernen Griff, Vater Ladon? Bestimmt. Das Blut Ladons fließt – insofern ich nun tatsächlich leben sollte – schließlich durch meine Venen, zirkuliert dort unaufhaltsam und verweilt auf ewig dort. Schande, warum muss ich auch mit Ladon verwandt sein? Meint er mir ein guter Vater sein zu müssen, indem er mich innerlich verrückt macht und mich in sämtlichen Traumwelten gefangen hält? Oder ist Osiris etwa dafür verantwortlich? Nein, niemals. Osiris habe ich damals schon den Garaus gemacht – und mir damit auch. Meine Erinnerung... Sie ist da, scheint neben der unterschwelligen Angst mein stetiger Begleiter zu sein! Ich kann mich erinnern und das obwohl ich eigentlich gestorben bin. Wenigstens ein treuer Begleiter, immerhin etwas. Gierig atme ich die kühle Nachtluft ein, ehe ich aus tiefstem Herzen seufze. Schweigend blicke an mir hinab. Ich trage meine gewöhnliche Kleidung und das schwarze Cape, welches ich schon während dem Kampf mit Antoine getragen habe – dennoch scheint auch die Kleidung unversehrt zu sein. Keine Spur von Kampf, kein in Fetzen hängender Stoff, keine zerrissene Hose – nichts. Was ist hier nur los? Ist wieder ein Jemand aus meiner Zukunft aufgetaucht und hat mir seine Kraft übertragen? Ganz bestimmt nicht, oder? Ich kann mir wahrlich nichts erklären – wie auch? Tja, und jetzt? Stehe ich blöd in der Weltgeschichte herum, mustere eine im Mond schimmernde Stadt und weiß Nichts mit mir anzufangen. Ob ich wohl gehen kann? Vorsichtig setze ich einen Fuß vor den Anderen und gehe ein paar Schritte – problemlos. Noch nicht einmal Schmerz empfinde ich, grandios! Vorsichtig und gemächlich gehe ich daher etwas auf die wundervoll glänzende Ortschaft zu, bleibe vorerst jedoch in greifbarer Nähe zu dem Wäldchen, in welchem ich soeben erwacht bin. Je näher ich komme desto eher kann ich mich der Tatsache versichern, dass es sich zweifelsohne um eine Stadt handelt, eine sehr große Stadt. Staunend bleibe ich in einiger Entfernung im Schutze des Waldes stehen und mustere die schöne, große Stadt. Welche Stadt es wohl ist? Leo? Deva Castle? Aria Castle? Oh großer Erschaffer lass es bitte nicht Leo sein. Das Massaker das ich dort einst veranstaltet habe hinterließ dort sicherlich nicht die besten und schönsten Erinnerungen und war für mich wohl auch nicht minder rufschädigend. Ein Rascheln reißt mich aus meinen Gedankengängen und lässt mich sofort zusammenfahren. Mein gesamter Körper spannt sich an – auch die Körperspannung scheine ich nicht verlernt zu haben! Gut so. Dennoch ist mir etwas unbehaglich zumute wenn ich die Tatsache beachte, dass sich hier wohl irgendein anderes Wesen in unmittelbarer Nähe zu mir befindet. Instinktiv greife ich hinter meinen Kopf und mache tatsächlich das große, breite Schwert aus, welches ich stets mit mir zu führen pflege. Die Klinge gezogen stehe ich da und mustere angestrengt die Dunkelheit des Walds um etwas ausmachen zu können. Aber ich kann nichts ausmachen. Vermutlich war es also nur ein Tier, welches nachtaktiv auf Futtersuche durch den Wald huschte. "Regret?" Eine vertraute Stimme erschreckt mich aufs Neue, wieder fahre ich zusammen. "Hast du mich etwa die ganze Zeit über nicht bemerkt? Ich beobachte dich schon eine ganze Weile.", erneut diese vertraute Stimme. Urplötzlich sehe ich das Funkeln hinter einem Busch im Wald und bald schon kann ich auch wieder zuordnen, dass es zu der Fee gehört, die mir entgegen geflogen kommt. Die kleine, leuchtende Gestalt. Anya. "Anya!", rufe ich verdutzt aus. "Gut, du kannst dich schon mal an mich erinnern, dem Großen Erschaffer sei Dank!", sagt die Schwarzhaarige und seufzt erleichtert. "Ja, ja doch. Wie könnte ich dich nur vergessen?", frage ich sie und lächle schwach. "Richtig – wie könntest du nur?! Ich bin einmalig.", antwortet sie und lacht kurz - ein erfolgloser Versuch, mich zum Lachen zu animieren. "Wieso... lebe ich?", frage ich sie und sehe sie abwartend an. Wieso lebe ich und nicht Chael?, setze ich gedanklich meine Frage fort. "Wieso? Ich habe dich wiederbelebt. Es ist der Wille des Großen Erschaffers.", kommt die prompte Antwort ihrerseits. So, der Wille des Großen Erschaffers also. Ich lebe, weil er es will. Gut zu wissen, dass er mich scheinbar weiterhin leiden sehen und mich als willenlose Marionette für seine Zwecke verwenden will. Aber... aber hat Anya uns eventuell wieder in eine andere Zeit geführt? Vermutlich nicht, kann sie sich doch scheinbar an Alles genau erinnern. "Shaturus Handlung war wahrhaftig grauenvoll, aber jetzt lebst du wieder und wir können es diesem Übeltäter ordentlich heimzahlen! Wir werden ihn suchen, ihn finden und ihn dann endgültig vom Antlitz dieser Welt tilgen!", sagt sie mit einer Motivation in der Stimme, die auch auf mich über zu springen sucht. "Ja, das werden wir! Ich muss mich an ihm rächen! Aber...", und dabei wirke ich zusehends bedrückter, "ich weiß nicht, in welcher Zeit wir sind geschweige denn, wo wir sind.", füge ich an und sehe die Fee erwartungsvoll an, die ebenfalls ratlos dreinblickt. "Um ehrlich zu sein habe ich uns in irgendeine Zeit befördert, welches Jahr ich dabei genau erwischt habe kann ich dir leider nicht genau benennen. Siehe da, dort ist eine Stadt. Wie wäre es, wenn wir dort nachfragen?", unterbreitet sie mir den Vorschlag, den ich für gar nicht so abwegig befinde. "Gute Idee.", willige ich in den Vorschlag ein und nicke kurz zur Bestätigung, "lass uns losgehen.", bei diesen Worten verstaue ich mein Schwert zurück an seinen Platz auf meinem Rücken und setze mich in Bewegung, Anya folgt mir. Sonderlich weit komme ich jedoch nicht, höchstens ein paar wenige Schritte sind es, die ich in die Richtung der Stadt gehen kann. Denn urplötzlich, wie aus dem Nichts heraus, verzerrt sich Alles. Als ob ich mit meinem Auftreten einen Schalter oder eine versteckte Falle aktiviert hätte. Schwindel überkommt mich, Alles beginnt sich zu drehen. Der Boden beginnt zu wanken und ich beginne den Halt zu verlieren. Ich sehe mich fallen und schlage hart auf dem sich rasant nähernden Boden auf, wo ich reglos liegen bleibe - Anyas verzweifelten Schrei höre ich nicht mehr. Erneut wird alles schwarz um mich. Mein Ende? Kapitel 2: Welcome to Deva Castle --------------------------------- CHAPTER 2 - WELCOME TO DEVA CASTLE Ich mache eine Berührung aus, eine erst sanfte, dann jedoch gröbere Berührung. Etwas scheint mich bei den Schultern zu fassen und mich zu greifen. Etwas scheint mich wachrütteln zu wollen. Kurz darauf dringt eine Stimme an mich, wenn auch verzerrt und wie aus weiter Ferne. "E-Entschuldigung? Ich... ich weiß gar nicht wie ich Euch jetzt ansprechen soll. Entschuldigt, seid Ihr wach? Könnt Ihr mich verstehen?" Die Stimme klingt hektisch, vielleicht sogar ein wenig panisch, versetzt mit einem Hauch an Hilflosigkeit und scheint mit jedem Wort klarer an mich heran zu dringen. Das Verwaschene und surreal Verzerrte verschwindet langsam aber sicher aus der Stimme und weicht der klaren Stimme eines jungen Mannes. "Äh also ich muss ja eigentlich... Also ich... äh... Verdammt!", kommt es von dem Fremden, ehe er deutlich leiser etwas anfügt, das er viel eher zu sich selbst als zu mir spricht - das ich es gehört habe war sicherlich keinesfalls geplant, "kannst du nicht einfach aufwachen?" Dass ich just in diesem Moment die Augen aufschlage scheint die andere Person komplett aus dem Konzept zu bringen. Tatsächlich beugt ich ein Mann über mich, fasst mich an den Schultern und scheint mich mit seinem Blick scheinbar von Innen heraus durchleuchten zu wollen. Wer er ist weiß ich nicht, noch nicht. Dennoch scheint er sich um mich zu sorgen und sich irgendwo um mich kümmern zu wollen. "Sie... Sie... ich...", setzt er an, während ich eine Hand an meine Stirn führe und mich mit seiner Hilfe langsam aufsetze. Noch immer habe ich höllische Kopfschmerzen, irritiert lasse ich meinen Blick umherschweifen und werde mir erneut bewusst, wo ich gerade bin. Stimmt, ich bin zuvor erst in diesem kleinen Waldstück erwacht und dann auf die Stadt zugegangen, als ich scheinbar auf einmal das Bewusstsein verloren habe. Anya! Wo ist Anya?! Gehetzt sehe ich mich um und mache sie aus, sie schwebt hinter dem Fremden und blickt mich besorgt an. "Regret! Geht es dir gut? Du hast mir vielleicht einen Schrecken eingejagt. Der Mann scheint mich nicht sehen zu können daher konnte ich ihn nicht davon abhalten, an dich heran zu treten.", meint sie entschuldigend während ich nur leicht nicke. "Wie fühlen Sie sich? Wissen Sie, was passiert ist? Sind Sie verletzt?", fragt mich der Fremde wieder, den ich nunmehr neugierig mustere. Er ist ein nicht sonderlich groß gewachsener Mann, vermutlich erst zwanzig Jahre alt – wenn überhaupt – und hat feuerrotes Haar und helle, blaue Augen. Diese Augen sehen mich in gehetzter Besorgnis an während der Jüngling noch immer ziemlich aufgeregt wirkt. "Wie ich mich fühle? Sagen wir es so: ich habe mich schonmal besser gefühlt.", sage ich und seufze dann, als ich über den zweiten Teil seiner Frage nachdenke, "nun ja, das ist die gute und berechtigte Frage. Ich... weiß es nicht mehr so recht. Und ob ich verletzt bin? Ich... denke nicht.", stammle ich was den Anderen natürlich nicht minder beunruhigt stimmt. "Das klingt nicht sonderlich beruhigend aber ich denke es ist gerade Alles einfach ein bisschen zu viel für Euch. Was haltet Ihr davon, wenn ich Euch erstmal mit in die Hauptstadt nehme und zu einem Arzt geleite?", fragt der Jüngling, woraufhin ich kurz schweige. Soll ich mitgehen? Ich weiß es nicht, dennoch - was habe ich denn zu verlieren? Vielleicht ist das ein garnicht so schlechtes Angebot, klingt es doch sehr verlockend für mich. Ein kurzer Blick in Anyas Richtung bestätigt mir, dass auch sie absolut Nichts dagegen zu haben scheint, nickt sie doch bestätigend in meine Richtung. "Meinetwegen.", bringe ich also hervor und stelle fest, dass der Andere nunmehr etwas beruhigter wirkt. Ob er mich wohl hier einfach so sitzen gelassen hätte? Nun gut, Menschen sind egoistische Wesen wenn es um ihre eigene Sicherheit geht dennoch denke ich nicht, dass dieser Kerl hier so unfair gewesen wäre und mich einfach hier gelassen hätte weil er seinen Weg zur Hauptstadt fortführen wollte. Irgendetwas hat er an sich das mir den guten Kern seines Charakters offen legt und doch weiß ich nicht, was es ist. Vielleicht hat er einfach ein gutes Herz? Besser als ich wird er allemal sein - nicht sonderlich schwer, ich weiß. Schweigend blicke ich in die Richtung, in der ich die Stadt vermute. Diese Stadt, die ich noch zuvor gesehen habe und in die mich der Andere nun bringen will ist also die Hauptstadt? Gut so. Dann sollte sie einigermaßen sicher sein und mir Schutz gebieten können. Mithilfe des Anderen richte ich mich vollständig auf und warte ab, dass der erneut einsetzende Schwindel endlich verschwindet. Und siehe da, nach nur wenigen Sekunden tut er das auch - sehr zu meinem eigenen Wohlgefallen, versteht sich. Dankbar sehe ich zu dem Anderen, der mich noch immer besorgt mustert als ihm auf einmal etwas einzufallen scheint. "Ich bin übrigens Jacques aber man nennt mich auch Jack. Und wer seid Ihr?", fragt mich der Andere und hält mir eine Hand hin. Soll ich meine Identität preisgeben? Soll ich ihm sagen, dass ich Regret heiße? Nein, oder? Fragend sehe ich zu Anya, die nur die Schultern zuckt. Der Andere scheint mir nicht gefährlich werden zu können, egal. Ich sage ihm einfach, dass ich Adas bin, wie schon auf meinen vorherigen Zeitreisen. "Adas. Sprich mich auf Du an. Freut mich dich kennen zu lernen und danke für die Hilfe.", sage ich während ich die Reaktion des Anderen deutlich ausmachen kann. "ADAS?! Du heißt tatsächlich Adas?! Ach du liebe Zeit! Das ist ja lustig! Ist das wirklich dein Name?", fragt er mich ungläubig, woraufhin ich nur nicke. "Das ist doch der Name der bekannten Schuhfirma! Aber egal, freut mich dich kennen zu lernen. Lass uns aber jetzt in die Hauptstadt gehen, dort sind wir fürs Erste sicher.", meint der Rothaarige woraufhin wir uns auch in Bewegung setzen. Langsam gehen wir auf die große Stadt zu, die immer näher und näher rückt. Diese Stadt... Sie ist zwar die Hauptstadt, dennoch sieht sie schlimm aus. Eigentlich könnte man sie vielmehr als einen unansehnlichen Haufen aus Trümmern bezeichnen, ja doch – das dürfte es gut treffen. Zerstörte Häuser zieren die Stadt, ein riesiges Loch prangt in der Stadtmauer, die kaum noch irgendwelchen Schutz zu gebieten scheint. Die Wachen, die auf der Stadtmauer patrouillieren scheinen eher einen Hindernisparcour bewältigen zu müssen als das sie eigentlich Monster und andere Gefahren ausmachen können. Und da soll man sich sicher fühlen? Na aber sowas von! Wenn kein Monster durch das riesige Loch in der Stadtmauer kommt dann weiß ich auch nicht mehr weiter. Ich wette dass eventuell sogar Ladon durch dieses Loch passen würde. Gut, vielleicht ist das ein klein wenig utopisch dennoch könnte er es schaffen. Er müsste sich eben hindurchzwängen und würde dabei eventuell das Loch in der Stadtmauer noch ein klein wenig vergrößern und einen weiteren Teil der Stadtmauer mitnehmen. Aber das dürfte ja keinen sonderlich großen Unterschied mehr darstellen. Auf der anderen Seite könnte man ihn dann fein säuberlich in der Hauptstadt willkommen heißen – perfekt! Schutz? Na aber immer doch! Und da soll Einem Jemand vorhalten, dass die Hauptstadt immer sicher wäre – von wegen! Alles sieht verwüstet aus, vermutlich herrscht sogar noch Krieg. Die etlichen Fahnen, die man einst an den Stadtmauern angebracht zu haben scheint hängen in Fetzen da oder sind vollends verschwunden - ebenfalls ein Zeichen des scheinbar vorherrschenden Zeitalters der Zerstörung. Während wir weiter auf die Stadt zugehen entgehen mir die gehetzten Blicke des Anderen nicht, die dieser immer wieder über seine Schulter wirft. "Was hast du? Du scheinst dich von Irgendetwas oder Irgendjemandem beobachtet zu fühlen.", stelle ich fest und warte ab, was der Andere mir nun zu sagen hat. "Machst du Witze?! Hast du keine Ahnung in welcher angespannten Lage wir leben oder was? Der Devil Tribe könnte uns hier jederzeit auflauern und dann zerreißen die uns in der Luft! Du bist vielleicht lustig!", meint der Andere und läuft mit jedem weiteren Wort schneller drauflos. Na gut - vielleicht habe ich meine Frage etwas sehr unpraktisch formuliert dennoch weiß ich noch immer nicht, was hier genau vor sich geht. Verdammte Axt aber auch noch mal! Das darf doch Alles nicht wahr sein. Was soll ich ihm denn jetzt sagen? Dass ich zu dumm für die einfachste Logik bin? "Ich... ähm... uhm...", beginne ich zu stammeln weiß jedoch nicht, was genau ich sagen soll, "ich... habe es wohl oder übel... vergessen.", setze ich nach und schaffe es, erneut in ein Fettnäpfchen zu treten; urplötzlich bleibt der Andere nämlich stehen, wendet sich abrupt um und eilt auf mich zu. Dicht vor mir bleibt er stehen während seine Augen wie wild funkeln, Entrüstung ziert das sanfte, junge Gesicht. "VERGESSEN?!", entweicht es dem Anderen erschrocken, ehe dieser sich erneut den Umständen bewusst zu werden scheint, die unser Treffen auf ganz spezielle Art und Weise prägen, "entschuldige. Du musst wahrhaftig durcheinander sein. Du musst dich denke ich einfach nur... ausruhen und... ordentlich ausschlafen.", sagt er nun wieder sanftmütiger woraufhin wir unseren Weg fortsetzen. Dass er sich gerade die Frage stellt ob ich an Amnesie leide beziehungsweise das sogar vermutet vermag ich nicht zu ahnen. Dass diese Gedankengänge eine wesentliche Erleichterung für ihn darstellen wage ich jedoch noch weniger vorherzusehen. Ein paar Schritte gehen wir weiter, dennoch plagt mich etwas. Eine Frage plagt mich, eine essentiell notwendige Frage. Die zentrale Frage: die Frage nach dem Jahr, nach dem Jahr, das wir verzeichnen. "Warte kurz.", beginne ich, bleibe stehen und sehe den Anderen fragend an, "könntest du mir eventuell sagen, welches Jahr wir... schreiben?", frage ich nunmehr erheblich zaghafter, woraufhin Anya breit grinst. Na aber klar doch liebste Fee, finde es ruhig amüsant wie ich mich hier blamiere, nur zu, tu dir keinen Zwang an! Nun gut – bei dem Blick des Anderen müsste selbst ich mich amüsieren – wenn ich mich denn in einer minder misslichen Lage befinden würde. Diese schockgeweiteten Augen, der offenstehende Mund und diese schiere Ungläubigkeit – ein wahrhaftig famoser Anblick! Dennoch katapultiere ich mich mit jedem weiteren Wort, das meine Lippen verlässt, immer weiter ins Aus. "Oh großer Erschaffer! Du musst echt am Ende sein...", stammelt der Andere nur was Anya dazu veranlasst, Tränen zu lachen. Betreten führe ich meine rechte Hand an meinen Hinterkopf und fixiere Jacques fast hypnotisch mit meinem Blick während ich noch immer auf seine Antwort auf meine Frage warte. Mal abgesehen von seiner Perplexität kann jetzt nicht mehr viel Schlimmes kommen und seine letzten Worte – vollends verständlich! Wie könnte ich auch nicht als verrückt in seinen Augen erscheinen wenn ich noch nicht einmal weiß, in welchem Jahr ich mich genau befinde. "Wir verzeichnen das Jahr 363 und das tun wir schon das ganze Jahr.", sagt er dann und sieht mich abwartend an. 363?! Wie kann das sein? Das ist doch der ganz normale, aktuelle Verlauf der Zeit – das Jahr in welchem ich mit Chael zum letzten Mal zusammengelebt und in welchem ich mich Antoine aufgeopfert habe war schließlich das Jahr 343. Oh verdammt, wie bin ich nur in dieser Zeit gelandet? Just in diesem Moment merke ich, wie meine Hände zu zittern beginnen. Übelkeit steigt in mir auf, während mir eine unsichtbare Hand die Luft abzuschnüren scheint. Nach Luft schnappend atme ich mehrere Male hastig ein und aus, wahrend sich meine Hände nunmehr in dem Stoff meiner Hose verkrallen. "Was hast du denn? Ist dir schwindelig? Rede mit mir! Du siehst schockiert aus. Habe ich etwas Falsches gesagt?", fragt der Andere sichtlich besorgt während ich nur schweigend den Kopf schüttle. "Nein, nein. Es ist alles in Ordnung, ich bin nur etwas... verwirrt.", stammle ich während er mir die Hände auf die Schultern legt und mich sehr eindringlich ansieht. Ich bin nur etwas verwirrt - von wegen! Ich weiß gleich null, bin eigentlich tot und scheinbar wiederbelebt worden. Aber hey - ich bin nur ein kleines Bisschen verwirrt. Aber nur minimalst. Von wegen, Regret! Dein Gefasel und deine Logik sind einfach nur einzigartig - einzigartig bescheiden und du, du bist ein einziger Witz! "Guuut...", sagt der Andere leise, wobei er das Wort etwas gut in die Lange zieht und mich nicht minder zaghaft ansieht, als ich es in seiner Situation täte ehe er schlussendlich in Richtung der Stadt nickt, "lass uns dann also unseren Weg fortsetzen. Wir sind gleich da.", meint er woraufhin ich seiner Anweisung Folge leiste und wir wieder auf die Stadt zugehen. Eine breit grinsende Anya schwebt neben mir her und beginnt schadenfroh zu lachen. "Etwas leicht verwirrt, Regret, was? Aber nur ein klitzekleines Bisschen. Der Andere denkt sicher dass du ein aus einer Anstalt entflohener Psychopath bist!", meint sie in aberwitzig-neckischem Tonfall, woraufhin ich sie genervt ansehe. "Halt deinen dummen Rand, Anya! Du nervst!", maule ich – was eine Kettenreaktion seitens des Anderen auslöst und diesen sofort dazu bewegt, stehen zu bleiben und sich erneut zu mir umzuwenden. Zutiefst schockiert sieht er mich an wahrend ich mir meiner etwas ungesund wirkenden Darstellung - undurchdacht wie eh und je - zu spät bewusst werde. Erst an den dem Anderen entgleitenden Gesichtszügen vermag ich festzustellen, was mir da gerade passiert ist. Welch fataler Fehler... Das totale Fiasko! Verdammte Schande aber auch! Spätestens jetzt müsste der Andere mich für einen waschechten Psychopathen halten. "Bitte... was?!", meint er entrüstet während ich mir meiner misslichen Lage immer mehr bewusst werde. "Ich... äh...", beginne ich, während meine Hand erneut an meine Stirne wandert, "ich... habe nicht dich gemeint... sondern... s-", stammle ich weiter und deute auf Anya, wobei ich bei meinem letzten Wort jedoch sofort abbreche. Was soll ich auch sagen? Hey Jacques nur zur Info für dich – ich habe die Fee neben mir gemeint. Siehst du sie? Sie schwebt jetzt in etwa auf Augenhöhe zu mir und bleckt mir neckisch die Zunge, während ihre Augen belustigt funkeln. Na aber klar doch – das sage ich ihm ganz bestimmt! Und dann wird er aufschreiend davonlaufen und mich laut und deutlich als verrückt abstempeln! Oh ja. Ich kann es mir schon bildlich vorstellen. Der Rothaarige sieht mich kritisch und nicht minder entrüstet als noch wenige Sekunden zuvor an. Dahingehend lasse ich meine auf Anya deutende Hand sofort wieder sinken und seufze kurz. "Vergiss es einfach, ja?", bitte ich ihn, während ich am liebsten im Erdboden versinken würde – die Blicke des Anderen werden langsam wahrhaftig unangenehm, fast schon schmerzhaft. "Ja... ist in Ordnung.", stammelt er ungläubig, dreht sich um und läuft weiter auf die Stadt zu. Ob er das wohl vergessen kann? Spätestens jetzt sollte er Angst vor mir haben, aber nicht nur in geringem Maße. Ich folge ihm während Anya neben mir nur weiter am Lachen ist, dann jedoch abrupt stoppt, als sie meinen nunmehr ernsten Gesichtsausdruck sieht. "Entschuldige Regret, ich wollte dich wirklich nicht in die Bredouille bringen.", meint sie, woraufhin ich nur sachte nicke. Jacques legt ein ordentliches Schritttempo vor, das muss man ihm lassen. Vielleicht will er ja auch nicht mehr, dass ich ihm folge. Ja, vielleicht will er das tatsächlich nicht. Vielleicht habe ich ihm Angst eingejagt? Nachdenklich verlangsame ich meine Schritte und erreiche dann geraume Zeit später die pompösen und intakt scheinenden Stadttore. Bevor ich die Stadt betrete sollte ich meine Gestalt jedoch verhüllen, nicht dass mich noch Jemand erkennt. Was, wenn das tatsächlich Leo ist? Also ziehe ich mir die Kapuze des Capes tief in mein Gesicht, ehe ich mich dazu bereit fühle, die große Stadt zu betreten. Der Rothaarige wartet erstaunlicherweise sogar auf mich und schenkt mir dazu sogar noch ein Lächeln, während er die Arme ausbreitet und sich einmal im Kreis dreht. "Willkommen in Deva Castle!", spricht er stolz den Namen der Stadt aus, die ich auf den ersten Blick gar nicht mehr wiedererkannt habe. "Das ist... Deva?!", stelle ich ungläubig fest und durchschreite das Tor, während ich die neugierigen Blicke der Wachen förmlich spüren kann. Fasziniert sehe ich mich um und stelle fest, dass sich diese Stadt im Verlaufe der Jahre wahrhaftig verändert hat. Dennoch sollte das normal sein, schließlich sind schon gute 20 Jahre seit meinem zweiten Tod vergangen. Die Stadt wirkt bunt, schön und wunderbar. Sie ist es würdig, Hauptstadt genannt zu werden. Da habe ich vorhin wohl voreilige Schlüsse gezogen aber dem Äußeren der Stadt nach zu urteilen... Außen pfui und innen hui würde ich mal sagen! "Los komm, folge mir! Ich muss nur ganz kurz noch etwas bei mir daheim holen und dann können wir auch schon zum Arzt aufbrechen!", meint er euphorisch und marschiert drauflos. Staunend folge ich ihm während ich mich interessiert umsehe. Alles wirkt lebendig. Ich habe noch nie so viele Menschen in dieser Stadt gesehen. Deva besteht aus vielen Seitengassen und einem riesigen Platz. Etliche Marktstände übersäen ebendiesen Platz während mehrere Menschen am Handeln, Verkaufen oder Durchschreiten des Platzes oder der Gassen sind. Alles wirkt so als ob dieser Krieg das Stadtinnere und seine Bewohner absolut nicht zu kümmern scheint. Alles sieht hier wunderbar und gut aus. Und die Burg an und für sich sieht erst phänomenal aus! Dennoch fällt mir gleich auf, dass hier scheinbar nicht allzu viele Wachen postiert sind. Dass dies auf einem Fachkräftemangel an Militärs beruht vermute ich nicht, stattdessen bin ich eher beruhigt ob dieser Tatsache. Nicht, dass mich noch Jemand für Irgendetwas verdächtigt, weil ich mit einem nicht gerade kleinen Schwert auf dem Rücken durch die Stadt laufe und nicht zum Inventar der Stadtwachen zähle. Jacques Haus ist nicht sonderlich weit entfernt, dennoch liegt es gut versteckt. Etliche Seitengassen müssen wir erst passieren, ehe wir das kleine Heim erreichen. "Da wären wir. Warte kurz hier auf mich, Adas, ja?", fragt mich der Andere – wie es sich entpuppt stellt er mir eine rhetorische Frage, ist er doch mit einem Satz auch schon im Inneren des Hauses verschwunden. Schweigend lasse ich mich gegen die Wand des kleinen Hauses sinken und atme tief ein und aus. Anya schwebt staunend umher während ich merke, dass mein Herz zu rasen beginnt. Verdammt, was ist das denn jetzt? Etwa eine Alterserscheinung? Behutsam und langsam atme ich tief ein und wieder aus, was das Ganze jedoch nicht unbedingt besser zu machen scheint. Erneut verstärken sich meine Kopfschmerzen während auch Schwindel eintritt. Alles beginnt sich erneut zu drehen, ein leichter, sich ausbreitender, schwarzer Schleier legt sich langsam über meine Umgebung während ich erneut das Bewusstsein verliere. "Es ist wahrhaftig traurig." "Es ist nicht traurig, es ist grauenvoll! Wie will man eine Stadt als Hauptstadt bezeichnen wenn man ihren Einwohnern noch nicht einmal den nötigen Schutz bieten kann? Muss es immer erst Tote und Verletzte geben bis man endlich mal etwas tut? Und dabei tut man doch Nichts, der König tut einfach Nichts!" Wie aus weiter Ferne dringen gedämpfte und dennoch energische Stimmen an mich heran. "Das kannst du nicht sagen, König Lu tut viel für unser aller Seelenheil.", vernehme ich eine vertraut klingende Stimme. "Ja stimmt. Ich nehme es zurück. Er tut Alles in seiner Macht stehende aber uns fehlen die Kräfte! Wir haben zu wenig Wachen und zu wenig qualifiziertes Personal, das andere Personen militärisch ausbilden kann. Weißt du, Jacques ich komme mir vor als wären wir unserem Schicksal schutzlos ausgeliefert. Dem Schicksal von Monstern verschlungen zu werden.", sagt eine Frauenstimme, die ich vorhin schon vernommen habe. Jacques, stimmt. Ich war mit ihm in Deva Castle, bin zu seinem Haus geschritten und dann? Dann bat er mich soweit ich mich zu erinnern vermag darum, kurz auf ihn zu warten. Er verschwand in seinem Haus und dann – dann wurde auf einmal Alles schwarz und ich auf ein Neues bewusstlos. Ich fühle mich so unendlich kraftlos und erschöpft. Mein gesamter Körper fühlt sich schwer wie Blei an und ich fühle mich einfach nur müde, träge und schlecht. Die Augen geschlossen haltend mache ich ein Flackern aus. Ja, Irgendetwas flackert in meiner Nähe, vermutlich eine Kerze. Langsam und vorsichtig öffne ich meine Augen und nehme verschwommen meine Umgebung wahr: einen abgedunkelten Raum. Kurz reibe ich mir über meine Augen woraufhin sich meine Sicht tatsächlich gänzlich klärt. Wo bin ich hier nur? Denk nach, Regret. Nochmals lasse ich das vorherige Geschehen Revue passieren und schließe daraufhin, dass ich mich wohl in Jacques Haus befinden muss. Das Gespräch zwischen der unbekannten Frau und dem Mann, dessen Stimme der Jacques sehr ähnelt bestätigt mich in dieser Annahme nur noch mehr. Vorsichtig setze ich mich auf und warte ab, ob sich Schwindel einstellt. Dennoch scheint mir der Schwindel fürs Erste erspart zu bleiben. Auch mal angenehm. Einen Moment verharre ich in dieser sitzenden Position, fahre mir mit den Händen durch mein Haar und über das Gesicht, ehe ich mich aufrichte und dann den Schreck meines Lebens bekomme: Ein Mann steht mir gegenüber. Ich habe den Mann die ganze Zeit über nicht bemerkt, er hat sich aber auch in keinster Weise bemerkbar gemacht. Grundgütiger! Schockiert bleibe ich wie angewurzelt stehen und mustere den Anderen aufmerksam. Er ist ein großer Mann von dünner Statur, dennoch besitzt er eine gewisse Ausstrahlung. Irgendetwas geht von ihm aus und wenn ich ihn mir näher besehe kann ich auch ausmachen, was es ist. Seine Ausstrahlung, seine gesamte Erscheinung scheint nach außen hin vollends stark zu sein. Aber seine Augen, seine Augen... Sie scheinen eine ganz eigene Geschichte zu erzählen. Scheinen mich anschreien zu wollen, mir ihr Leid offen klagen zu wollen und spiegeln eine Traurigkeit wieder, die ich so zuvor erst an einem einzigen anderen Menschen in meinem Leben gesehen habe. Und dieser Jemand war Chael. Chael... Auch ich blicke für einen Moment betreten drein und balle meine rechte Hand zur Faust. Gerade schon will ich den Mann ansprechen als ich sehe, dass er meine Bewegung nachahmt und seine Hand just in dem Moment zur Faust ballt, in welchem auch ich meine rechte Hand zur Faust geballt habe. Und dann erst fällt es mir wie Schuppen von den Augen: der Mann bin ich. Ein großer Spiegel hängt an der Wand des Zimmers und spiegelt meine Gestalt wider, trägt das Wesen zum Vorschein, das mich darstellen soll. Wie konnte ich mich nur so täuschen lassen? Wie? Vorsichtig trete ich näher an den Spiegel heran und mustere mich aus nächster Nähe darin. Ich bin nicht mehr der kleine Junge, der gegen Shaturu gekämpft hat. Ganz im Gegenteil. Ich bin wieder gealtert, ja ich müsste in etwa genauso alt sein wie zu dem Zeitpunkt meines Todes in dem Kampf gegen Antoine. Scheinbar ist also die Vermutung, dass man im Tod nicht altert korrekt. Der Mann in meinem Spiegelbild starrt mir entgegen, sein Blick scheint eisern dem meinigen standhalten zu wollen. So sehen wir uns gegenseitig an, unnachgiebig. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Mustere ich den Mann im Spiegel so mustert er mich, verfolgt mich mit seinem Blick und tastet mich mit seinen Blicken förmlich ab. Er versucht sich darin, mich mit seinem drängenden Blick zu ergründen und doch bin ich derjenige, der ihn zu ergründen scheint. Die roten Augen des Mannes blicken ausdruckslos drein, kein Glanz vermag von ihnen auszugehen. Er sieht müde aus, ich sehe müde aus. Müde, erschöpft und gebrochen. Ich bin ein gebrochener Mann. Meine Augen ziert der Schmerz, den ich empfinde. Der Schmerz, der meine Seele am liebsten zersplittern lassen würde in viele, feine Splitter. Und ich wünschte mir er könnte es und würde es tun. Vielleicht ginge es mir dann besser? Vielleicht müsste ich nicht mehr so leiden? Doch scheint ebendieses Leid für mich prädestiniert zu sein. Ich finde meinen Namen sehr passend für mich, sozusagen sitzt er wie angegossen. Regret, der Alles bereut. Aber was bringt mir die Reue nur? Sie bringt mich auch nicht unbedingt recht viel weiter. Ganz im Gegenteil. Sie bringt mir meinen Sohn auch nicht mehr zurück. "Lass uns schlafen gehen. Genug diskutiert für heute." "Was hältst du davon, den großen Fremden um Hilfe zu bitten? Er führt ein breites Schwert mit sich – bestimmt ist er kampferprobt." "Ich weiß nicht so recht, lieber nicht. Er wirkte heute unwahrscheinlich durcheinander." "Aber der Arzt sagte doch, dass Alles mit ihm in Ordnung wäre?" "Ja das sagte er, dennoch war er wahrhaftig verwirrt, glaube mir." "Egal. Lass uns morgen weiter darüber sprechen und uns jetzt erst einmal schlafen." "Gerne." "Schlaf gut, Jacques." "Ja, du auch." Schweigend stehe ich an dem geöffneten Fenster meines Hauses und starre in die Ferne. Noch ist es angenehm warm, die Dämmerung setzt dennoch langsam ein. Der wundervolle, in verschiedenste Farben getünchte Himmel - er wirkt wie Balsam für meine Seele. "Oje Runa, wir sind echt spät dran. Das gibt richtig Ärger mit Vater!", "Was hast du denn, Chael? Ich fand die Apfeltörtchen echt total lecker.", aus der Ferne vernehme ich zwei mir nur allzu vertraute Stimmen und weiche von dem Fenster um mich in den Türrahmen der Küche zu stellen und dort auf die Ankunft der sich unterhaltenden Personen zu warten. "Ja, weil es dir auch nur ums Fressen geht!" "Was denn?! Wem geht es denn sonst immer nur ums Fressen, werter Knabe?! Soll ich Mister Regret mal fragen?" Ein Seufzen, kurz darauf höre ich auch schon, wie die Türe aufschwingt und sehe meinen Sohn Chael und die Fee eintreten. "Oh... oh Vater! Tut mir leid dass wir so spät dran sind aber Runa musste sich ja unbedingt vollfressen bis zum Gehtnichtmehr!", höre ich Chael aufgeregt sagen, während er auf die weißhaarige Fee deutet. "Als wenn du weniger gefuttert hättest als ich!", mault diese nur, während ich schmunzeln muss – diese Beiden passen echt wie die Faust aufs Auge zusammen. "Wartest du schon lange auf uns, Vater?", fragt mich mein Sohn, während er mich erwartungsvoll mit seinen großen, rotbraunen Augen ansieht. "Ach was.", beruhige ich ihn und seufze dann kurz, "dennoch hatten wir eine andere Uhrzeit vereinbart. Chael, Pünktlichkeit ist eine Tugend!", füge ich dann an und sehe ihn scheltend an - ich muss ihn noch so viele Dinge lehren. Jetzt ist es an ihm, sich eine Entschuldigung abzuringen und sich aus dieser misslichen Lage wieder zu befreien - man muss den Jungen einfach fordern und das tue ich nur zu gerne. "Runa! Sie hat ewig viel gegessen und-", setzt der Jüngling gerade an, als besagte Fee auch schon dazwischen geht. "Was?! ICH?! Chael, ich glaube wir hatten das Thema gerade eben schonmal. DU hast zu viel gefressen, ewig viel. Und dabei hast du nicht auf die Zeit geachtet!", mault sie sofort drauflos, was Chael wiederum nicht akzeptieren will. "Na und? Du hast ja wohl auch Augen im Kopf und hättest mal auf die Zeit achten können!", folgt sofort die Beschwerde meines Sohnes, der die Hände in die Hüften stemmt und trotzig in Runas Richtung sieht. "Ich bin doch nicht dein Wecker! Ich bin eine Fee außerdem hat Mister Regret zu DIR gesagt, dass DU baldmöglichst mit dem morgigen Training beginnen sollst und dahingehend eher heimkommen sollst. Das hat er nicht zu mir gesagt, tze!", hält Runa weiter dagegen als ich merke dass ich dazwischen gehen muss - andernfalls würde diese Diskussion noch mehr ausarten, als sie es ohnehin schon tut. Also stelle ich mich zwischen die Beiden und halte Chael den Mund zu, der gerade dabei ist zu einem neuen Gegenargument anzusetzen. "Jetzt ist es gut, verstanden?", frage ich die Beiden und sehe dann zu Chael, "das Training war ein gutes Stichwort - geh und ruh dich aus, damit du morgen fit und ausgeschlafen bist!", sage ich zu ihm und schicke ihn damit auf direktem Wege ins Bett, ehe ich meine Hand wieder von seinem Mund nehme. Auch wenn der Junge jetzt gute 15 Jahre alt ist verhält er sich doch Desöfteren noch etwas kindlich. Er legt eben die typische, kindliche Unbeschwertheit an den Tag. Er ist eine Frohnatur, ganz anders als sein Vater. Disziplin ist ihm noch immer ein Fremdwort und das ist es, was ich ihm noch eintrichtern muss. Aber ganz so anders als ich es in seinem Alter war ist er nicht. Gut, ich war in seinem Alter schon auf dem besten Wege, meinen Vater zu verlieren, dennoch habe auch ich ähnliche Charakterzüge wie er mein Eigen nennen können. Wir haben so viel gemeinsam und dabei ist er noch nicht einmal mein leiblicher Sohn. Ganz im Gegenteil, er ist ein Findelkind. Eine Tatsache, die ich ihm noch immer nicht sagen konnte. Ich bringe es einfach nicht übers Herz. Nicht, dass ich es ihm absichtlich vorenthalten wollte, ganz im Gegenteil. Aber... Sagen wir es so – ich finde einfach nicht den rechten Moment dazu. Er fragt mich immer wieder aufs Neue über seine Mutter aus, worauf ich jedoch nicht sonderlich viel entgegnen kann. Ich weiß noch nicht einmal, wie die Frau hieß, die ich tot neben ihm aufgefunden habe. Ich habe sie begraben, an einem sonnigen Platz, wo sie immer zum Himmlischen Reiche aufblicken kann, aus dem sie offensichtlich zu uns gekommen war. Es erfüllt mich manchmal mit Trauer, dem Jungen all das noch nicht gesagt zu haben doch bin ich der festen Überzeugung dass der richtige Zeitpunkt noch kommen wird und dann – dann packe ich die Gelegenheit beim Schopfe, definitiv! "Ist in Ordnung, Vater. Und... tut mir leid dass ich erst so spät heim gekommen bin, obwohl wir einen früheren Termin vereinbart haben.", sagt er und umarmt mich kurz. Ich erwidere seine Umarmung, seufze nur kurz und wuschle ihm durch sein blondes Haar. "Ist gut und jetzt Abmarsch.", sage ich, woraufhin er nach oben verschwindet, sich dann aber auf dem Treppenabsatz nochmals zu mir umwendet. "Schlaf gut, Vater.", sagt er und grinst breit, woraufhin auch ich sanft lächle. "Ja, du auch.", antworte ich ihm. Wie schnell Einen eine gegenwärtige Situation doch in die Vergangenheit zurückkatapultieren kann. So wie es jetzt die Situation mit Jacques und der Frau mit mir getan hat. Wer hätte gedacht, dass mich dieser Moment einmal zu Tränen rühren würde? Chael... Verdammt... Wieso musste Alles nur so kommen, wie es gekommen ist? Warum musste ich mich so verhalten, wie ich mich verhalten habe? Warum habe ich dich im Stich gelassen, Sohn? Warum musste ich dich sterben lassen? Warum konnte ich mich nicht einfach gegen dieses verkorkste Schicksal zur Wehr setzen? Der Mann im Spiegel sieht mich aus glasigen Augen heraus an. Das erste Mal seit langem beginnen seine Augen zu glänzen – wenn auch in einem traurigen Glanz. Der Mann, er strahlt so viel Leid aus, solch unsägliches Leid. Tränen strömen mir unentwegt über die Wangen. Ich habe es nicht anders verdient, ich muss das Leid ertragen können schlussendlich bin ich es, der all das Leid verursacht hat. "Cha...el...", hauche ich den Namen meines Sohnes, während ich erneut den Halt unter den Füßen verliere und auf die Knie sinke. Unentwegt zittere ich während ich keinen einzigen, klaren Gedanken mehr zu fassen vermag. Die Fee, die sich ebenfalls in dem Zimmer befindet habe ich schon zuvor nicht bemerkt. Aus einer dunklen Ecke des Raumes heraus hat sie mich schon geraume Zeit gemustert, ich jedoch habe sie nicht bemerkt. Und auch jetzt mustert sie mich wieder. Mitfühlend und betroffen stiert sie schweigend in meine Richtung, sagt jedoch fürs Erste kein Wort. Meine Hände wandern vor mein Herz und verkrallen sich dort in dem Stoff des Capes während mir ein weinerlicher Seufzer entfährt und ich mich etwas nach vorne beuge. Tränen strömen gen Boden und schlagen auf diesen wie Blitze ein, während ich ein weiteres Schluchzen nicht unterdrücken kann. Noch nie zuvor habe ich mich in meinem Leben so schlimm gefühlt, noch nie. Noch nicht einmal, als ich das Massaker in Leo veranstaltet habe. Ich wünschte ich könnte die Zeit zurückdrehen und mein Schicksal ändern. Ich wünschte ich wäre damals in die Höhle zurückgekehrt und hätte Chael gerettet. Ich wünsche es mir so sehr, verlange förmlich danach und doch ist dieser Wunsch in Gewichtung meines Schicksals wohl oder übel nichts wert. Egal wie viel er mir auch bedeutet, meinem Schicksal scheint er egal zu sein. Kraftlos lasse ich mich vollends zu Boden sinken, wo ich zitternd und schluchzend liegen bleibe und nicht merke, wie sich die Tür einen Spalt öffnet und mich eine im Schatten verborgene Gestalt beobachtet. Letzten Endes beruhige ich mich geraume Zeit später wieder etwas, mein Schluchzen verebbt, auch das Zittern erlahmt und meine Gefühle werden für einen kurzen Moment des Schlafs ausgeschaltet. Schlussendlich schließt sich die Türe wieder, mein stiller Beobachter verschwindet... Wir lernen nie aus. Auch wenn wir meinen, einen festen und verlässlichen Stamm an Wissen im Leben zu haben werden wir doch immer wieder aufs Neue eines Besseren belehrt. Dies passiert auf die verschiedensten Arten und Weisen, manchmal schön und manchmal auf die doch etwas unangenehmere Art und Weise. Ob wir das wollen? Wer frägt uns schon danach? Das Schicksal meint es gut mit uns oder... manchmal eben auch schlecht. Und so muss wohl auch ich meine Lektion lernen, die Lektion, dass mein Schicksal es nicht unbedingt gut mit mir meint... Kapitel 3: The Unwanted Reunion ------------------------------- CHAPTER 3 - THE UNWANTED REUNION "Einen wunderschönen guten Morgen wünsche ich! Na, gut geschlafen?" "Geht so, und selbst?" "Ach ganz gut. Nur... wegen gestern. Du... du wolltest doch den Neuen um Hilfe bitten." "Ja das wollte ich, da hast du recht." "Ich glaube wir lassen das lieber." Erneut dringen gedämpfte Stimmen an mich heran, die Stimmen eines Mannes und einer Frau. Aberwitzige Sonnenstrahlen kitzeln mich im Gesicht und schaffen es so, mich aufzuwecken. Verschlafen grummle ich und öffne vorsichtig die Augen, ehe ich sie aufgrund der blendenden Sonne sofort mit meinen Händen vor dem grellen Licht abschirme. Schmerzlich werde ich mir der Tatsache bewusst, dass ich die Nacht zusammengerollt auf dem Boden verbracht habe. Ich habe noch immer Kopfschmerzen, damit diese jedoch nicht so einsam sind scheinen meine Muskeln die Freundlichkeit zu besitzen, noch ein paar Verspannungen hinzukommen zu lassen – wie überaus aufmerksam von ihnen! Ächzend will ich mich aufrichten als ich durch meine Bewegung wohl oder übel die Fee aufwecke, die sich ihr Nachtlager scheinbar in meinen Haaren eingerichtet hat. Gerade noch rechtzeitig fange ich die fallende, verschlafene Gestalt auf, die gen Boden sausen will. "Regret was soll das?! Ich will schlafen!", kommt die prompte Beschwerde während sie sich erhebt und nun in unmittelbare Augenhöhe zu mir fliegt um mich herausfordernd anzusehen. "Kannst du dir nicht einen anderen Schlafplatz suchen, Anya? Hier – du hättest sogar ein ganzes Bett für dich haben können.", meine ich wenig beeindruckt und deute auf das Lager aus Fellen, das wohl ein Bett darstellen soll, Streit am frühen Morgen stellt nicht unbedingt Balsam für meine geschundene Seele dar. Meine Knochen, Alles tut mir weh – ein unschöner Nebeneffekt jagt den nächsten. Gerade will ich das Zimmer verlassen und gen Türe gehen, als ich den Spiegel erneut ausmache. Jetzt, wo es draußen wieder hell ist und der Tag angebrochen ist kann ich mich in voller Helligkeit darin erkennen und nicht mehr in dem Halbdunkel, in welchem ich mich heute Nacht gesehen habe. Noch immer scheint sich die Gestalt im Spiegel nicht sonderlich verändert zu haben. Der Mann sieht – auch nach mehreren Stunden Schlaf – noch immer erschöpft aus. Seine roten Augen blicken mir noch immer mehr starrend als neugierig entgegen, noch immer scheint er mein Innerstes ergründen zu wollen. Auch sehe ich, dass auch jetzt, am darauffolgenden Tage keinerlei Glanz in die Augen des Mannes getreten ist. Noch immer starrt mich dieses gebrochene Wesen aus tot wirkenden Augen heraus an. Er sieht bemitleidenswert aus. Er sieht furchtbar aus. Ich sehe furchtbar aus. Seufzend wende ich mich dahingehend um, kehre dem Mann im Spiegel den Rücken und lasse ihn allein zurück. Langsam schlurfe ich auf die Türe zu und ignoriere sämtliche weitere Beschwerden Anyas als ich mein Schwert ausfindig mache. Sofort greife ich mir die große Waffe und platziere sie auf meinem Rücken, ehe ich vor der Türe stehen bleibe und diese einen Spalt breit öffne. "Wieso denn das, Jacques? Er scheint ein Krieger zu sein!" "Auch wenn er ein Krieger ist... Irgendetwas stimmt nicht mit ihm." "Wie meinst du das denn jetzt?" "Weißt du... Heute Nacht... Der Mann... Ich glaube es geht ihm nicht gut. Irgendetwas scheint ihn traurig, nein warte, fertig zu machen. Ich habe ihn heute Nacht dabei beobachtet, wie er im Gästezimmer geweint hat. Etwas... scheint ihn immens zu quälen.", sagt Jacques, ich kann seine Worte laut und deutlich vernehmen. Noch immer stehe ich vor der Türe und verlasse das Zimmer nicht, in dem ich mich gerade befinde. Wie käme es auch, wenn ich just in diesem Moment das Gespräch der Beiden unterbrechen würde, welches in einem Zimmer unweit neben mir stattfindet? "Oh nein. Der Ärmste. Aber... du... Meinst du?" Kurz darauf wird das Gespräch der Beiden durch ein Klopfen an der Türe unterbrochen. "Ich geh schon.", höre ich erneut Jacques Stimme, ehe ich mich dazu entschließe, das Zimmer diesmal wirklich zu verlassen. Kurz lasse ich den Rothaarigen unbemerkt passieren ehe ich die Türe endgültig öffne und in die Richtung gehe, aus der ich das Gespräch der Beiden zuvor vernommen habe. Ich gehe einen kurzen Korridor entlang, ehe ich an einer Küche vorbeikomme, die zu meiner Linken liegt und in der eine, mir fremde, Frau sitzt. Abrupt bleibe ich stehen, Beide mustern wir uns aufmerksam. "Hallo.", grüße ich kurz angebunden während sie mich aufmerksam mustert, ihr eindringlicher Blick ist fast schon schmerzhaft für mich, auch Anya scheint ihr Blick nicht sonderlich gut zu gefallen. "Hallo, Sie sind ja schon wach. Wobei – es ist halb zehn Uhr! Also schon spät.", scherzt sie und lacht kurz, ich stimme jedoch nicht in ihr Lachen ein. "Ja, bin ich.", sage ich nur und pausiere kurz mit dem Reden, während ich im Hintergrund ein Gespräch zwischen Jacques und einer weiteren, männlichen Person vernehme, "habt Dank, dass ihr mich-", setze ich gerade an, als sie mir mit dem Erheben ihrer Hand Einhalt gebietet. "Keine Ursache, ist doch eine Selbstverständlichkeit. Ich bin übrigens Aria.", sagt sie und schenkt mir erneut ein Lächeln, während sie mir ihre Hand hinhält, "und ich weiß, dass du Adas heißt. Freut mich, dich kennen zu lernen. Ich hoffe es ist in Ordnung, dass ich dich duze?", sagt sie und sieht mich abwartend an. Ein Lächeln andeutend ergreife ich ihre Hand und nicke nur sachte, "natürlich ist es in Ordnung. Freut mich auch, dich kennen zu lernen, Aria.", sage ich, als auf einmal Jacques mit einer weiteren Person die Küche betritt, die allem Anschein nach zu urteilen ein Arzt ist. "Oh Adas, du bist ja schon wach. Der Arzt ist vorbei gekommen, um dich zu untersuchen.", kündigt Jacques an und lächelt kurz in meine Richtung. Der Arzt ist hier um mich zu untersuchen? Na astrein! Und wer genau hat jetzt um mein Einverständnis für eine ärztliche Konsultierung gebeten? Niemand, goldrichtig. Bei aller Liebe – ich finde es ja nett, dass der Andere gleich einen Arzt konsultiert hat dennoch kann ich mich wohl oder übel getrost selbst untersuchen. Ich bin schließlich auch etwas medizinisch bewandert. Außerdem wage ich dezent zu bezweifeln dass ich mich in irgendeinster Weise in der finanziellen Lage dazu befinde, einen Arzt für seine Dienste entlohnen zu können. Was sollte ein, zuvor noch, Toter auch an sich haben? "Danke, das ist sehr gütig und aufmerksam von dir, Jacques aber ich brauche keinen Arzt.", meine ich bestimmend was dem Anderen absolut nicht zu gefallen scheint. "Ach ja? Du brauchst also keinen Arzt? Und warum bist du dann gestern gleich drei Mal ohnmächtig geworden?", beginnt er und sieht mich nun in herausfordernder Abwartung an. Seine Körperspannung und nicht zuletzt die verbissen wirkenden Gesichtszüge lassen mich darauf schließen, dass er alles Andere als zufrieden mit meiner Antwort ist. "Das... war gestern. Ich hatte einfach einen schlechten Tag. Kreislaufprobleme eben.", streite ich das Ganze in ruhiger Tonlage ab – immer schön sachlich bleiben und nie aus der Ruhe bringen lassen, Regret. "So, Kreislauf also? Interessant. Und wie erklärst du dir dann, dass du mit der Luft sprichst oder auf irgendwelche Dinge deutest, die ich nicht sehen kann? Entschuldige bitte aber ich glaube ja wohl kaum, dass du in der Lage dazu bist darüber urteilen zu können, ob du einen Arzt benötigst oder nicht!", redet er weiter – er redet sich langsam aber sicher in Rage. Sehr zu meinem Leidwesen muss ich feststellen, dass Jacques wohl oder übel nicht darüber hinweggekommen ist, dass ich mich mit Anya unterhalten habe. Er kann sie ja auch nicht sehen... aber ich! Anya verkneift sich ein Lachen, das kann ich ihr ansehen, dennoch blickt sie schnell wieder ernst drein und sieht mich abwartend an. Tja, was soll ich jetzt darauf geben? Abstreiten oder auf pure Konfrontation gehen? Ich entscheide mich vorerst für Ersteres. "Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Tut mir leid aber ich glaube hier liegt eine Verwechslung vor.", sage ich und sehe, wie dem Anderen und nicht zuletzt dem Arzt langsam aber sicher die Gesichtszüge entgleiten; auch Arias Miene verfinstert sich urplötzlich. Das war dann wohl die falsche Entscheidung, Regret. Tja, Pech gehabt. Man trifft eben nicht immer die richtigen Entscheidungen. Selbst Vater hat mir das einst gesagt. Vater... Vater, auch dich habe ich getötet aber vom Allerfeinsten! Nicht dass das jetzt eine Eigenschaft wäre, auf die ich stolz sein sollte, ganz im Gegenteil. Dennoch hat Osiris, der Keim meines inneren Chaos, dich getötet und damit ich. Und nun habe ich meinen Sohn getötet – perfekt! Ich sehe schon, ich bin ein wahrhaftiger Angehöriger des Dragon Clans, durch und durch. Ich könnte auch eine Karriere als Meuchelmörder anstreben – so käme ich sicher zu ausreichend Kohle und... Nun gut, ich sollte mich nicht in Einzelheiten verlieren. Also mal sehen, wie der Andere jetzt genau auf meine abstreitenden Worte reagieren wird. Fassen wir die mir ersichtlichen Reaktionen einmal kurz zusammen: einmal hätten wir da eben diese entgleitenden Gesichtszüge. Die sonst freundliche Miene wird nun durch reine Ungläubigkeit verunstaltet während die Augen des rothaarigen Mannes wütend funkeln. Fast schon scheinen mich die Augen des Anderen anzuschreien und mich allein mit ihrem wütenden Aufblitzen in Stücke reißen zu wollen. "Willst du mich eigentlich verarschen?! Du... du krankes Schwein! Gestern noch Halluzinationen haben und heute Alles abstreiten!", ruft der Andere und schlägt mit seiner rechten, nunmehr zur Faust geballten Hand, auf seine linke Handfläche um somit die Anwesende Aria zu verschrecken. Oh verdammt noch mal, Regret. Jetzt bring dich erstmal aus dieser misslichen Lage und bekomme es hin, dass er dir nicht mit den Krallen ins Gesicht springt! Gerade will ich etwas sagen als sich Jemand Anderes einmischt: der Arzt tritt vor und schüttelt sachte den Kopf. "Schluss jetzt. Sie haben sich jetzt genug gestritten. Beruhigen Sie sich also bitte, Beide. Und Sie", und damit legt er mir behutsam seine Hand auf die Schulter, "kommen jetzt erst einmal mit mir mit. Ich denke wir müssen reden.", sagt er ruhig, dennoch mit einer Bestimmtheit, woraufhin ich mich ergebe und nur kraftlos nicke – der Klügere gibt nach, oder? Na ja, ob ich so viel klüger bin wage ich zu bezweifeln, dennoch kann ich dem Anderen keine weiteren sinnlos-gearteten Auseinandersetzungen mit mir mehr zumuten. Armer Jacques, was denkst du jetzt nur von mir? Na hoffentlich nur Dinge die in die Richtung gehen, dass ich vollends verwirrt bin oder Ähnliches. Hoffentlich fühlst du dich nicht verraten aber im Verraten anderer Menschen bin ich ja Weltklasse! Pah! Der Arzt verabschiedet sich von den anderen Beiden und lotst mich mit einem Drang aus dem Haus durch die halbe Stadt zu seinem Haus, welches sich direkt auf dem großen Marktplatz befindet. Den gesamten Weg bis vor die Haustüre haben wir schweigend verbracht ehe er die Türe aufschließt und mich darum bittet, einzutreten. Dennoch verharre ich vor der Türe, tue keinen Schritt in das Innere des Hauses. "Was haben Sie? Denken Sie, ich will Ihnen etwas Böses?", fragt mich der hagere, ältere Mann während sein Blick eine Sanftmütigkeit und Ruhe ausstrahlt, die man nicht häufig an anderen Personen erkennen kann, zumindest nicht in Kriegszeiten. Ja, der Mann ist ruhig. Innerlich wie äußerlich und er verbreitetet den Anschein als könne der Krieg ihm rein gar nichts anhaben. Als würde ihn der Krieg nicht interessieren, ihn nicht belasten. "Nein, nein. Das ist es nicht. Ich...", wie soll ich mich denn jetzt schon wieder aus der Situation herausreden? Mein ganzes Leben scheint aus einer einzigen Ausrede zu bestehen, furchtbar. Ein kurzer Blick zu Anya bestätigt mir, dass auch sie ratlos ist. "Mir geht es soweit gut. Ich weiß das mag jetzt komisch klingen aber... Bitte lasst mich gehen, werter Herr. Habt vielmals Dank für Eure Mühe dennoch denke ich, dass eine Behandlung nicht erforderlich ist.", bin ich es nun, der seine Worte bestimmend ausspricht, sich dann umwenden und davongehen will. "Aber aber!", kommt es protestierend von dem Anderen ehe er eine flinke Bewegung macht, die ich von ihm nicht erwartet hätte. Mit einem gezielten Griff umfasst er mein Handgelenk, zerrt mich zu sich und sieht mich eindringlich an. "Ich sehe es in Ihren Augen... Sie verheimlichen mir etwas! Sie sind verwirrt. Sie können es nicht leugnen.", meint der Andere, während ich etwas hilflos dreinblicke. Was soll ich ihm denn jetzt entgegnen? Etwa Dinge wie 'da haben Sie aber Sowas von Recht!' oder 'Stimmt, Sie haben recht!'. Ganz bestimmt nicht! Ich muss hier weg, und das schleunigst, da kann ich ihm nicht zustimmen – auch wenn er mit allem was er sagt recht hat. "Ich brauche keine Hilfe!", protestiere ich und lockere mit meiner linken Hand seinen eisernen Griff um mein rechtes Handgelenk, "trotzdem danke ich Euch aber ich muss jetzt gehen.", sage ich, löse mich endgültig aus seinem Griff und will gerade davongehen, als ich eine Kleingruppe Uniformierter ausmache, die den Marktplatz durchschreitet. Und allen voran... ein sehr edel gekleideter Mann. Vermutlich ist er ein Priester, der Stab in seiner Hand, seine Kleidung und sein Aussehen lassen darauf schließen, insofern ich das in diesem kurzen Augenblick erkennen kann. "Was hast du jetzt vor, Regret?", fragt mich Anya, deren Frage ich jedoch im Moment nicht mitbekomme. Nur flüchtig kann ich die Gestalt erkennen, die die Truppe Uniformierter anführt dennoch ist dieser flüchtige Moment mehr als genug, um mich durch das das reine Erblicken dieses Mannes in blankes Entsetzen zu versetzen. Sofort merke ich, wie mir die Luft wegbleibt, und doch scheint die Atmung gerade mein geringstes Problem darzustellen. Wie in Zeitlupe laufe ich weiter während ich nicht merke, dass ich einen Passanten anremple. "Hey du Idiot, pass doch auf wo du hin läufst!", kommt die prompte Beschwerde, die mich ebenfalls nicht zu erreichen scheint. "Regret, du Idiot! Rede mit mir!", auch Anyas geschriene Beschwerde scheint an einer unsichtbaren Barriere abzuprallen, die scheinbar Alles Andere für einen Moment von mir abschirmt. Kann das sein? Wieso er? Ist es möglich? Wo bin ich hier nur gelandet? Das soll das Jahr 363 sein?! Von wegen! Alles verlangsamt sich urplötzlich, wie in Trance gehe ich ein paar Schritte nach vorne während ich auch den Arzt nicht bemerke, der mich verfolgt und aufgeregt auf mich einredet. "Bitte, was haben Sie?!", fragt er mich, während Anya nun unmittelbar vor meinem Gesicht fliegt. "Regret, ANTWORTE!", schreit sie und sieht dann zu dem Arzt, "helfen Sie ihm doch, tun Sie etwas!", fordert sie ihn auf und ist sofort verwundert, dass er sie erkennen kann. "Was glaubst du versuche ich gerade, Fee?!", kommt es sichtlich unentspannt von dem Anderen der mir nun den Weg versperrt, mich bei den Schultern fasst und mir tief in die schockgeweiteten Augen sieht. "KOMMEN SIE ZUR BESINNUNG! ANTWORTEN SIE MIR!", ruft er schon fast während ich erneut merke, wie der Boden unter meinen Füßen nachzugeben scheint. Den Halt verlierend sinke ich auf die Knie, der Arzt lässt sich ebenfalls auf die Knie sinken. Was ist hier nur los? Ich weiß nicht, wie oft genau ich mir diese Frage jetzt schon gestellt habe aber vielleicht sollte ich mal damit anfangen, zu zählen. Wobei – irgendwann würde ich wohl oder übel nicht mehr mit dem Zählen hinterher kommen. Oh ja, traurig aber wahr. Mein Herz... Es scheint mir aus der Brust springen zu wollen, dem Arzt entgegen zu springen. Ich muss mich beruhigen, unbedingt. Aber... ich konnte nicht damit rechnen, dass ich... ihn... ausgerechnet ihn... wiedersehen würde. Außerdem hätte ich nie damit gerechnet, dass sein alleiniges Erblicken mich derartig aus der Bahn werfen würde... "HILFE! HILFE!", höre ich eine Frau aufgeregt schreien, der die Gruppe anführende Priester bleibt kurz stehen, sieht zu der Frau und sieht nun geradewegs zu dem Arzt und mir. Und ich hoffe, nein ich bete inbrünstig, dass er mich nicht erkennt. Bitte sieh mich nicht, bitte nicht., flehe ich ihn innerlich an als auf einmal eine weitere Stimme ertönt. "Wir haben hier Alles unter Kontrolle. Alles ist gut.", die Stimme gehört dem Arzt, der noch immer vor mir kniet und seine Hände auf meinen Schultern platziert hat. Verdammt noch mal jetzt reiß dich endlich zusammen, Regret! Ich kann hier doch keinen derartigen Aufriss machen! Nicht jetzt und nicht... in seiner Gegenwart. Er darf mich nicht sehen, noch nicht. Bitte nicht. Also komm zur Besinnung, Regret. Gut... ich muss mich besinnen... muss mich beruhigen und einen kühlen Kopf bewahren. Also atme ich tief ein und versuche so, gegen die Blockade anzukämpfen, die mir meinen Atem rauben will. Tief ein, lange und sehr langsam wieder aus. Und noch mal. Tief ein, langsam aus. Auch der Arzt scheint das zu merken und animiert mich, damit weiter zu machen. "Vorsichtig einatmen, langsam und schön lange ausatmen. Achten Sie darauf, dass Ihre Ausatmung länger als Ihre Einatmung ist.", sagt er und lässt mich nicht aus den Augen, während ich den Blick gen Boden richte, "nicht zu Boden sehen, das ist bei Schwindel nicht gut.", sagt er woraufhin ich meinen Blick wieder auf den Arzt richte. Mir ist zwar nicht schwindelig aber sonderlich gut ist mir auch nicht zumute. Also atme ich weiter ein und aus und merke, wie sich langsam aber sicher mein Herzschlag normalisiert. Gut so, weiter so. "Scheiße der hyperventiliert hier noch. Verdammt wir brauchen einen Arzt!", höre ich die aufgeregte Stimme eines Mannes, der unruhig neben mir und dem Arzt hin- und hergeht. "ICH BIN ARZT!", kommt es von dem Arzt mit erhobener Stimme, "und jetzt hören Sie auf wie wild geworden hier herumzulaufen. Bleiben Sie stehen und halten Sie den Mund!", ermahnt er den Anderen, der sofort gehorcht. Anya schwebt neben mir und mustert mich verstohlen, ehe sie die Gruppe rund um den Priester mustert. "Sehr gut, das machen Sie klasse.", lobt mich der Arzt, während ich weiterhin damit beschäftigt bin, meinen Atem zu lenken und ihn tatsächlich normalisieren kann. Auch der Arzt scheint das zu merken und sieht mich sanftmütig an. "Sehr gut. Können Sie aufstehen?", fragt er mich, woraufhin ich nur nicke. Um ehrlich zu sein habe ich keine Ahnung, ob ich aufstehen kann oder nicht. Eigentlich ist mir eher ungut zumute, ich fühle mich eher bescheiden und zittrig dennoch kann ich nicht ewig hier auf dem Boden sitzen bleiben wenn ich nicht noch mehr Zuschauer anlocken will oder gar die Aufmerksamkeit des Priesters provozieren will. Mithilfe des Arztes erhebe ich mich daher langsam und lasse mich von ihm zu seinem Haus führen, dessen Türe noch immer einladend offen steht und uns so willkommen heißen zu wollen scheint. Einen letzten Blick werfe ich noch in die Richtung des Priesters. Zum Glück habe ich die Kapuze meines Capes über gezogen, sehen wir uns doch just in diesem Moment Beide direkt an. Dennoch scheint der Priester beruhigt über die Tatsache zu sein, dass ich von dem Arzt weggeführt und versorgt werde, dreht er sich doch um und setzt seinen Weg gen Burg fort. Und so wende auch ich mich ab und gehe mit dem Arzt nach innen. Weg von dem Priester... ...weg von Pontifex Temir. Das Halbdunkel des Hauses und die dort herrschende Kälte scheinen uns freudig begrüßen zu wollen. Der Arzt hält kurz inne, um die Türe zu schließen hält mich jedoch weiterhin am Arm fest, ehe er sich daran macht, gemeinsam mit mir den Weg ins Innere des Hauses fortzusetzen. Wir durchschreiten einen kleinen Gang ehe er mich in ein Behandlungszimmer führt und mir bedeutet, mich auf einen Stuhl zu setzen. Schweigend komme ich seiner Forderung nach und nehme auf besagtem Stuhl Platz, ehe ich erstmal das Gesicht in meinen Händen vergrabe und tief seufze. Ich merke, dass der Andere sich neben mich stellt und fühle erneut seine Hand auf meiner Schulter. "Was war das gerade? Was ist da gerade mit Ihnen passiert?", vernehme ich seine naheliegende Frage während ich meinen Blick aufrichte und ihn ansehe. Tja, was war das gerade? Gute Frage! Sagen wir es so, ich wollte – nachdem ich Ihnen eine Lüge allerfeinster Klasse aufgetischt habe – gerade das Weite suchen... als ich Pontifex Temir gesehen habe. Und dann... ist es wohl oder übel mit mir durchgegangen. Temir... Habe ich schon angemerkt dass ich inbrünstig hoffe, dass er mich nicht erkannt hat? Gesehen muss er mich haben, schlussendlich hat er mich geradewegs angesehen. Aber ob er mich wohl wirklich nicht erkannt hat? Ich bin mir nicht zu einhundert Prozent sicher, dennoch war ich schon etwas gut weit von ihm entfernt als dass er mich hätte vollends erkennen können. Noch dazu hatte ich mein schwarzes Cape mitsamt Kapuze an, da dürfte selbst die neckische blonde Strähne, die unter meinem Cape hervorgelugt hat mich nicht unbedingt zwingend verraten haben. Dennoch muss man beachten dass Temir nicht auf den Kopf gefallen ist, ganz im Gegenteil. Er machte – insoweit ich ihn in der kurzen Zeit vor dem Kampf mit Antoine 'kennen lernen' konnte – einen sehr klugen Eindruck. Ein scharfsinniger Mann mit messerscharfem Verstand. Und innerhalb der Zeit nach meinem Tode habe ich mich nicht verändert – also dürfte es wiederum gar nicht so abwegig gewesen sein, dass er mich – wenn schon nicht an meinen unverkennbaren Haaren – doch an meiner Kleidung erkannt hat. Aber er machte keinen erschrockenen Eindruck. Er sah nicht einmal ansatzweise überrascht aus. Ob er mich nun also wirklich erkannt hat? Diese Spannung, sie scheint wie ein Blitz in mich eingefahren zu sein und hat mich derart feste in ihrem eisernen Griff, dass ich im Moment an nichts Anderes mehr denken kann als an die – mir verborgene – Antwort auf meine Frage bezüglich Temir. Apropos Frage. Der Arzt hat mich etwas gefragt, stimmt. Vielleicht sollte ich netterweise dann doch einmal die Güte besitzen, ihm eine Antwort zu schenken. "Nichts.", hauche ich tonlos, was den Anderen alles Andere als zu befriedigen scheint. "Nichts? Das nennen sie also nichts? Sie sind da draußen gerade fast kollabiert und sie sagen mir es war 'nichts'? Also guter Mann, so wahr mir der Große Erschaffer helfe aber das kann ich Ihnen nicht abkaufen. Sie lügen!", kommt es von dem Arzt, zwar noch immer ruhig aber dennoch mit einer Intensität in der Betonung bestimmter Worte, die mir erneut den Boden unten den Füßen wegzureißen scheint. 'SIE LÜGEN!' Ja, ich lüge! Mein gesamtes Leben, es besteht aus einer einzigen Lüge! Verdammt! Habe ich dich nicht auch belogen, Chael? Ich habe dich auf die mieseste Art und Weise hintergangen, die man sich vorstellen kann, habe dich mit Füßen getreten und... ...und Temir? Temir, dich habe ich doch auch belogen, nicht wahr? Gut, vielleicht habe ich dich nicht dreckig angegrinst und dir eine Lüge aufgetischt, nein ich habe es auf andere Art und Weise getan, fieser und – um einiges hinterlistiger. Indem ich dir deinen Sohn genommen habe. Und damit meine ich nicht Luxferre, ich meine Chael. Und du wusstest anfangs Nichts davon, rein gar Nichts! Ob wohl irgendwann einmal ein Bote mit der finsteren Botschaft direkt aus Deva Castle zu dir ins Himmlische Reich gekommen ist? Ich hoffe es, kann es nur hoffen und es... es tut mir leid. Wie mir so vieles in diesem verruchten Leben leid tut. Wie lange es wohl gedauert hat, dass Jemand einen Boten losgeschickt hat? Wie du wohl auf diese Nachricht reagiert hast, Temir? Damals, als du mich fragtest was aus deiner Frau geworden wäre sah ich den Schmerz in deinen Augen. Ein Schmerz, den du niemals Jemandem offenbaren würdest – latent und verborgen in den tiefsten Abgründen deiner Seele. Und doch war er da, zeigte sich mir kurz und verschwand dann wieder zurück in sein Zuhause in deiner Seele. Ich konnte ihn sehen, konnte ihn fast schon fühlen. Und als ich dir gesagt habe, dass ich deine Frau an einer sonnigen Stelle beerdigt habe, wo sie immer einen Blick auf das Himmlische Reich hätte, da... scheine ich dich vollends gebrochen zu haben. Für einen Moment warst du froh über diese Tatsache, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Das sah man dir an, ehe du jegliche deiner Empfindungen wieder vor mir verschlossen hast. Vermutlich hasst du mich jetzt, nicht? Aber – und da wären wir mal wieder beim 'Wiedererkennen' – du bist noch nicht einmal auf mich zugestürmt gekommen, um deinem Ärger und der angestauten Wut mir gegenüber endlich einmal Luft machen zu können. Ganz im Gegenteil: du hast mich angesehen, dich abgewendet und bist gegangen. War das vielleicht deine Reaktion auf den Schock, mich wiedersehen zu müssen? Vielleicht hast du dich wie in einem schlechten Alptraum gefühlt und hast auf diese Art und Weise das Weite gesucht, versucht mir auf diese Art zu entkommen. Hast nicht glauben können, WEN du da gerade zu Gesicht bekommen hast und... wolltest es vielleicht auch nicht unbedingt wahrhaben. Und dabei habe ich mir deine Reaktion auf mich ganz anders vorgestellt – bei weitem nicht so nobel und beherrscht wie vorhin, ganz im Gegenteil. Meine Fantasie – sie ist grenzenlos. Deine Reaktion hingegen... Sie entspricht absolut nicht meinen Vorstellungen. In meiner Fantasie entfaltet sich deine Reaktion auf anderen Wegen, die eher übel für mich aussehen: Angefangen von dem Zustürmen auf mich über das vor mir stehen bleiben würde es losgehen. Dein eisiger Blick wäre nicht das Einzigste, was mir in diesem Moment einen gehörigen Schauer über den Rücken laufen lassen würde. Die Zeit... sie würde vermutlich für einen Moment stehen bleiben und unsere Außenwelt? Wir würden uns wohl für einen Moment davon abheben, sie in eine weite Ferne verbannen. Nur du und ich, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Wir würden uns mustern, fürs Erste wohl wortlos. Ehe du deiner Wut freien Lauf lassen würdest. Egal wie, du würdest und du wirst es wohl irgendwann einmal tun. Ich weiß dich nicht unbedingt perfekt einzuschätzen, das muss ich gestehen. Dazu kennen wir uns einfach noch zu wenig. Dennoch denke ich, dass du nicht der Typ bist, der zu Schreien beginnt. Obwohl? Wenn dich die Trauer über den Verlust deines Sohnes und der Hass mir gegenüber wieder überkommen würdest eventuell sogar du diese Gefühle etwas lauter zur Schau stellen, würdest mich vielleicht nicht unbedingt anschreien aber mir auf andere Art und Weise deine Sichtweise der Dinge mitteilen. Aber – und damit kommen wir wieder zu deinen Verhaltensmustern und meinen Fantasiegespinsten zurück – trotzdem denke ich, dass du irgendwo deine Klasse bewahren wirst. Du bist ein stolzer Mann, du stehst für so viel und repräsentierst so viel. Da würdest du sicherlich nicht dein Gesicht durch irgendeine derartige, tölpelhaft-aufbrausende Handlung verlieren. Vielleicht würdest du dich mehr klassengerecht verhalten. Ja, du bist ein Mann mit Klasse Temir, das weiß ich. Vielleicht würdest du dahingehend auch nur eine Drohung mir gegenüber aussprechen, würdest mich mit deinen roten, wütend-funkelnden Augen ansehen und mir so deine verborgenen Gefühle zuteil werden lassen. Wer weiß das schon. Oder... du würdest etwas Anderes tun, etwas in deinen Augen Phänomenales! Du würdest mich einfach mit meinen eigenen Waffen schlagen und mich hinterrücks ermorden lassen oder du würdest mich höchstpersönlich hinterrücks ermorden. So würdest du mich aus der Welt schaffen und vielleicht würde es dich glücklicher stimmen. Vielleicht würde dich dein Triumph über mich mit Freude erfüllen, dein Gewissen beruhigen und zur Heilung deiner geschundenen Seele beitragen. Ich sollte auf der Hut vor dir sein, Temir und... ich denke ich sollte das Gespräch mit dir suchen. Nein, ich muss mit dir sprechen. Wir müssen uns sprechen. Ein Gespräch ist das Geringste, das dir zusteht. Ich muss dir alles erklären und vor allem muss ich mich bei dir entschuldigen. Ich muss es, zwingend. Aber fürs Erste sollte ich wohl das Gespräch mit dem Arzt suchen, der mich noch immer abwartend ansieht. Seine Worte, sie lösen so viel in mir aus und doch können sie nicht verhindern, dass mein Innerstes sich gegen meinen Willen nach außen drängt, meine Empfindungen sich von der Stimme des Arztes geradezu angesprochen fühlen. Und so gebe ich es zu. "Ja, ich lüge! Ist es das, was Sie hören wollen?! Wollen Sie hören, dass ich ein Lügner bin?! Ein Verräter?!", beginne ich während ich mich erhebe, "ich bin eine miese Person, ich bin hinterhältig und ich lüge gerne! Für Jeden, der mir etwas lieb ist habe ich irgendeine Art von Schmerz, Verrat oder Betrug im Angebot! Famos, nicht?", rede ich mich weiter in Rage während die Wirkung dieser selbstgehässigen Worte auf den Anderen nur allzu deutlich zum Vorschein kommt: blankes Entsetzen ziert das Gesicht des Mannes, ehe sich dieses Entsetzen letzten Endes in Mitleid umwandelt. Und ich hasse Mitleid. Ich habe kein Mitleid verdient daher hasse ich es, wenn man es mir gegenüber zur Schau trägt. Und doch kann ich nicht verhindern, dass der Arzt sich nun ebenfalls erhebt und mir seine Hände auf die Schultern legt, um mich so wieder zu beruhigen. Diese alleinige Berührung scheint wie ein magisches Siegel auf mich zu wirken, welches mich urplötzlich verstummen und ruhiger werden lässt. Den Blick des Arztes zieren eine Flut aus Traurigkeit und vor allem Mitleid. Ich tue ihm leid. Ich tue mir selbst leid. Mit einem Seufzen lasse ich mich gegen die hinter mir befindliche Wand sinken, während der Arzt mich weiterhin in seinem Griff hat. Schweigend sehen wir uns an. Während er mit seinem Blick in meine Seele einzudringen scheint versuche ich mich darin, seine Gefühlswelt zu ergründen. Und so vergeht einige Zeit, Zeit, in der wir uns nur gegenseitig anstarren. Niemand scheint ein Wort über die Lippen zu bringen und doch muss Einer vor uns den Anfang machen. Und er tut es. "Was habt Ihr nur? Es tut mir leid, ich habe... noch nie Jemanden so hasserfüllt über sich selbst sprechen sehen. Ist es das, was Euch so sehr zu verwirren und aus der Bahn zu werfen scheint? Euer Selbsthass?", fragt er mich, woraufhin ich ihm erstmal eine Antwort schuldig bleibe, weil ich mir meiner misslichen Lage erneut bewusst werde. Dem Arzt einen Schubser verpassend stoße ich mich von der Wand ab – ich kann mir hier doch nicht solche Blöße geben. Ganz im Gegenteil. "Vergesst was ihr gesehen habt.", sage ich daher bestimmt und sehe den verwunderten Arzt an. "Warum sollte ich? Seht ihr nicht, dass Ihr Euch etwas vormacht?", ist er es nun, der mich in die Bredouille bringen will. Als ob ich das nicht sehen würde – natürlich weiß ich, dass ich mir etwas vormache. Dennoch ist es er, dem ich gerade etwas vormachen will. Was soll ich auf diese Frage entgegnen? 'Na aber klar doch!' ist das Erste, was mir in den Sinn kommt, dennoch wäre es gerade etwas unpraktisch formuliert. Dann eben doch anders. "Ihr versteht das nicht daher bitte ich Euch, es einfach zu vergessen und entschuldige mich dafür, Euch Unannehmlichkeiten bereitet zu haben.", fahre ich nun fort, was dem Anderen nicht sonderlich zu gefallen scheint. "Ihr macht Euch etwas vor!", kommt es erneut von dem Anderen, "lasst Euch helfen, ich kann das nicht einfach so vergessen.", bittet er mich dann während ich nicht weiß, was ich jetzt entgegnen soll. Anya sieht auch ratlos aus, sie habe ich bis eben gar nicht bemerkt, wie sie uns klammheimlich bis vor die geöffnete Türe des Behandlungszimmers gefolgt ist. Ich soll mir helfen lassen? Auch wenn es unendlich nett von dem Anderen gemeint ist kann er mir doch gar nicht helfen. "Habt vielmals Dank für Eure Güte aber... Ihr könnt mir nicht helfen.", sage ich und sehe den Anderen geradewegs an. "Sagt so etwas nicht, es gibt immer Hilfe.", versucht er es weiter. "Nicht in dieser Situation.", merke ich sofort an und schneide ihm damit fast schon das Wort ab. "Doch, ihr müsst sie nur zulassen.", kommt es von dem hageren Mann. "Habt Dank aber meine Antwort lautet nein!", wiederhole ich meine Worte und hoffe, dass es damit nun getan wäre. "Gut, ich kann Euch zu nichts zwingen. Dennoch habe ich eine Frage. Wer seid Ihr und wo lebt Ihr? Lasst mich Euch nach Hause geleiten, sicherheitshalber.", meint er nun und damit hat er mich – scheinbar hat er ein Fable dafür aber er hat es tatsächlich geschafft, mich zu bezwingen! Ja, wohin will ich gehen? Etwa nach Iris Town zurück? Interessieren würde es mich ja schon, ob unser Haus dort noch steht... Alles schreit in mir, mich dorthin zu begeben. Ich muss es tun, für mein Gewissen. Für mich. Für Chael. "Ich komme aus Iris Town.", sage ich daher, woraufhin der Andere neugierig dreinblickt. "Aus Iris? Interessant.", kommt es von ihm, ehe er fortfährt, "Iris Town ist eine schöne Stadt, nicht? Aber es ist gefährlich, zu gefährlich sie zu erreichen. Verweilt hier in Deva Castle, hier seid Ihr sicher und Ihr könnt sehr gerne bei mir unterkommen, wenn Ihr wollt.", schlägt er mir vor, woraufhin ich nur tonlos lache. "Bei Euch unterkommen? Verzeiht werter Herr aber ich denke nicht, dass dies eine Option für mich darstellen wird.", meine ich – wie sollte es auch? Ich habe kein Gold, kein ZEN - gar Nichts also kann ich mir wohl oder übel auch keine Unterkunft leisten und auch nicht bei dem Arzt unterkommen. "Schade, mein Angebot steht.", sagt der Arzt, woraufhin ich nur langgezogen ausatme. "Danke, zu gütig von Euch. Verratet mir Eines, habt Ihr mich bei dem rothaarigen Mann bereits zuvor behandelt?", frage ich den Arzt und hoffe, er möge 'Nein' sagen. "Nein, noch nicht vollständig. Ich habe Euch nur flüchtig untersucht, nichts weiter Besonderes.", sagt mir der Arzt, woraufhin ich nur nicke. "Sagt mir, was ich Euch für Euere Dienste schuldig bin.", fahre ich fort und warte seine Antwort ab. "Fünf Gold.", sagt er und sieht mich weiterhin direkt an. Ich sehe die Neugier in seinen Augen, sehe aber dennoch, wie sein Blick vor Hilfsbereitschaft nur so strotzt. "Verzeiht mir, ehrenwerter Herr aber ich habe kein Bargeld bei mir. Gibt es etwas Anderes, das ich für Euch tun könnte?", frage ich ihn daher, woraufhin sein Blick Bände zu sprechen scheint. "Von wegen. Hört auf mich zu belügen. Ihr habt kein Zuhause, nicht? Ihr wusstet gestern doch noch nicht einmal, wo Ihr seid. Ihr könnt mich nicht in die Irre führen.", meint er mit einer Sicherheit in der Stimme, die jegliche weitere Widerreden im Voraus abzuweisen scheint. Was soll ich jetzt tun? Kann ich dem Mann trauen? Aber wohin soll ich denn ansonsten ohne Geld? Ich weiß nicht, was ich ihm antworten soll und schweige, als er auch schon wieder das Wort ergreift. "Ihr leidet offensichtlich an einer Amnesie, ganz bestimmt. Ansonsten wäret Ihr gestern nicht vor Deva Castle erwacht und hättet nicht gewusst, wie Ihr an diesen Ort gekommen seid. Lasst Euch von mir helfen. Ich biete es Euch an, die Nacht hier zu verbringen und im Gegenzug helft Ihr mir morgen dabei, ein paar Kräuter zu sammeln. Man kann nicht mehr alleine in die Wälder aber Ihr scheint ein großer Krieger zu sein, daher...", beginnt er, woraufhin ich nur nicke – eine Nacht dürfte unschädlich für mich sein, morgen helfe ich ihm dann beim Kräuter sammeln und mache mich dann aus dem Staub. Nochmals sehe ich zu Anya, die nur kaum merklich nickt und ebenfalls zufrieden gestellt scheint. "Einverstanden.", sage ich und sehe, dass der Andere erleichtert über meine Antwort ist. "Gut so, das erleichtert mich. Ich mag es nicht, wenn sich Menschen nicht helfen lassen obwohl sie zweifelsohne Hilfe benötigen. Es erfüllt mich mit einer Art Hilflosigkeit. Natürlich ist es die Entscheidung eines jeden Individuums festzulegen, wann es Hilfe benötigt und wann nicht, dennoch sehe ich Andere ungern leiden.", erklärt der hagere Arzt das Offensichtliche und hält mir seine Hand hin, "ich bin Marius, freut mich Euch kennen zu lernen.", sagt er, woraufhin ich seine Hand ergreife. "Adas, freut mich ebenfalls Euch kennen zu lernen. Habt nochmals Dank für Eure Hilfe.", sage ich, woraufhin mir der Andere erneut dieses sanftmütige Lächeln schenkt. "Schon gut, ich sehe das als Selbstverständlichkeit an dennoch schätze ich Eure Dankbarkeit, Sir... Adas.", sagt er und bedeutet mir, ihm zu folgen. Warum er meinen Namen so merkwürdig ausspricht vermag ich nicht zu sagen, vermutlich scheint er den Namen ebenso lustig zu finden, wie es Jeder Andere bisher auch getan hat. Dass er weiß, wie ich wirklich heiße ahne ich nicht im Geringsten. Er führt mich in ein Zimmer, das ansonsten wohl von einem Patienten bewohnt wird, wenn er denn einen hat. "Hier könnt Ihr Euch einrichten und übernachten, Adas.", erklärt er mir, woraufhin ich anerkennend nicke – Anya hingegen fliegt munter in dem Raum umher und kundschaftet diesen aus. "Sehr gut, danke.", sage ich, während ich Anya mit meinem Blick verfolge. "Eure Fee scheint sich hier sehr wohl zu fühlen.", stellt der Arzt fest, woraufhin ich ihn entgeistert ansehe. "Sie... können sie sehen?!", frage ich verschreckt, woraufhin der Andere nur nickt. "Natürlich kann ich das! Ich habe so gesehen magisch ausgeprägte Fähigkeiten. In meiner Vergangenheit diente ich einst als Magier zum Schutze Deva Castles doch sind diese Zeiten längst vorbei. Und nun diene ich Deva als Heiler.", sagt er, während sein Blick immer neugieriger und er selbst immer aufgeregter zu werden scheint, "wer seid Ihr, dass Ihr mit einer Fee gemeinsam reist?", frägt er mich nun, woraufhin ich einen Moment lang schweige. Jetzt bloß nicht damit rausrücken, dass du vom Devil Tribe bist, Regret... Feen. Sie sind heilige Wesen. In unserer Welt erachtet man sie als Geschenk des Großen Erschaffers. Niemand steht dem Großen Erschaffer näher, als es diese Wesen tun. Wenn dann noch eine menschliche – oder wie in meinem Beispiel menschlich wirkende – Gestalt von einer Fee begleitet wird bedeutet dies Großes! Feen erscheinen immer nur in Zeiten einer bevorstehender Krise und sind dazu prädestiniert, einem Helden auf seiner Reise zu begleiten, damit er die Welt retten kann. Sie verfügen über immense Kraft und weitreichende Fähigkeiten. Sie können sogar das Zeitgefüge verändern und somit in eine andere Zeit reisen, um diese zu retten. Sie sind – wie ich schon angemerkt habe – heilig und werden von allen Wesen dieser Welt und insbesondere dem Himmlischen Reiche verehrt. Da kann man sich doch vorstellen dass es dann schon das etwas auffällig ist, wenn ein – wenn auch dem Anschein nach – menschliches Wesen mit einer Fee reist. Und wenn der Gegenpart dann auch noch, wie eben auch der Arzt, die Fee sehen kann ist es definitiv schwer, ihm schnell, sang- und klanglos zu entkommen oder derartigen Fragen einfach so auszuweichen. Und die Eigenschaft, mit einer Fee zu reisen beinhaltet natürlich einen nicht allzu geringen Anteil an Nebeneffekten. Seien sie jetzt positiv oder negativ – das sei mal dahingestellt. Aber sie sind vorhanden – in Hülle und Fülle! Und in welcher Hülle und Fülle! "Ich bin ich.", sage ich nur und schüttle leicht den Kopf, "ich bin nur ein ganz normaler Mann, nicht mehr und nicht weniger.", sage ich und sehe den Anderen nunmehr wieder schweigend an. "Blondie hier ist niemand Besonderes, eigentlich viel eher eine arme Sau.", sagt Anya nur und lacht frech, während ich keinerlei Einwände einbringe. "Interessant. Ich hoffe ihr wisst über die Geschichte der Feen Bescheid?", fragt der Andere mich und sieht mich erwartungsvoll an. "Natürlich tue ich das.", sage ich und nicke zur Bestätigung meiner Worte. "Gut so. Nun denn.", sagt er und wendet sich der geöffneten Türe zu, "ich müsste noch kurz ein paar Besorgungen erledigen.", kündigt der Arzt an, "ihr ruht Euch hier bitte so lange aus. Ich bin bald wieder zurück, Adas.", fügt er an woraufhin ich nur nicke und er tatsächlich verschwindet. Seufzend entledige ich mich meines Capes und lasse mich auf das Bettlaken sinken, wo ich für einen Moment meine Augen schließe. Die Haustüre fällt hinter dem Arzt in ihren Rahmen und so lässt er mich allein zurück. Allein mit meinen Gefühlen. Also fast allein, mal abgesehen von der Fee, die – zumindest bevor ich meine Augen geschlossen habe – noch neugierig in meine Richtung gesehen hat. Und nun herrscht für einen Augenblick lang Stille, drückende Stille. Bestimmt stellt sich Anya jetzt die Frage, ob sie mich ansprechen soll oder ob sie es lieber unterlassen sollte. Doch ist mir das für einen Moment egal. Ob sie mich anspricht oder nicht – was soll's? Ruhig und tief atme ich ein und wieder aus, ehe ich meine Augen wieder öffne und mich etwas aufsetze. "Regret... Der Priester vorhin. Wer war er?", fragt sie mich und sieht mich abwartend an. Diese Frage musste einfach kommen, das war mir sowas von klar. Und ich bin ihr auch definitiv eine Antwort schuldig, mehr als schuldig sogar. "Pontifex Temir", beginne ich und setze sofort etwas nach, "der Mann war Pontifex Temir. Und ich... Anya, damals in Deva Castle – ich habe dir nicht die volle Wahrheit gesagt.", setze ich fort und fahre mir kurz durch mein Haar. "Wann hast du mir nicht die volle Wahrheit gesagt? Und in welchem Deva Castle? Dem der Vergangenheit oder dem Gegenwärtigen?", hakt sie nach woraufhin mir sofort bewusst wird, wie ungünstig und undurchsichtig ich meine Antwort formuliert habe. "Weißt du noch als wir bei den vier Kommandanten waren und dich Chael erkannt hat?", frage ich sie nun und scheine so tatsächlich ihre Erinnerung zu wecken. "Ja klar, wie kann ich diese Szene nur vergessen? Welch undankbares Balg aber auch!", giftet sie sofort, während ich nur die Hand hebe und so versuche, ihr Einhalt zu gebieten. "Warte kurz. Weißt du noch, was ich dir damals gesagt habe?", frage ich sie. "Ja klar. Dass du sein Vater bist.", kommt es prompt von der Fee. "Gut. Das ist nicht die volle Wahrheit.", beginne ich und offenbare mal wieder einer Person, dass ich sie belogen habe – ist ja nichts Neues mehr, ich weiß. "Wie meinst du das?", fragt Anya und sieht mich abwartend an. "Ich... Ich bin nicht Chaels wirklicher Vater.", beginne ich und seufze kurz. "Wieso? Bist du seine Mutter oder was?!", kommt es prompt von Anya, woraufhin ich nur den Kopf schüttle und mir ein verbittertes Lächeln nicht verkneifen kann. "Nein, natürlich nicht. Aber weißt du, ich bin nur sein Ziehvater. Sein leiblicher Vater ist Pontifex Temir.", sage ich, was bei der Anderen zu einer ordentlichen Reaktion führt. "Was zur Hölle?! Sag dass das nicht wahr ist! Der ist... Aha, jetzt wird mir so Einiges klar. Vielleicht war er deshalb ja so großkotzig und fies dir gegenüber? Und jetzt verstehe ich auch, warum du gesagt hast, dass er ursprünglich aus dem Himmlischen Reich ist.", sagt sie und provoziert mich auf diese Art und Weise – wenn auch ungewollt, schlussendlich kommt ihre Antipathie gerade in vollem Maße zum Zuge. "Ich... Du weißt doch, dass ich mich damals Antoine geopfert habe.", beginne ich woraufhin ich erneut unterbrochen werde. "Klar weiß ich das, ICH habe schließlich DICH in Kenntnis von deiner Wiederbelebung gesetzt, du Volltrottel!", entgegnet sie mir, woraufhin ich nur nicke. "Ja, das hast du. Aber du kanntest nie die volle Geschichte, kanntest nie die Hintergründe und... die Wahrheit um Chael. Verstehst du, eines Tages habe ich ihn neben einer sterbenden Frau des Divine Tribes vorgefunden. Sie bat mich darum, mich um ihn zu kümmern. Und dann, als er nach Midgard beschworen wurde traf erst er und dann letzten Endes auch ich auf den Pontifex. Ihn jetzt zu sehen... Ich... er.... Wie muss er sich fühlen wenn ich mich schon so schlecht fühle?", frage ich zum Ende hin immer stotternder und holpriger, während Anya mich besorgt ansieht. "Er sah absolut nicht traurig aus. Eher hochnäsig, edel und so, als ob er sehr viel von sich halten würde. Mach dir um diesen Großkotz keine Sorgen, der weiß sich mit Geld über Alles und Jeden hinweg zu trösten.", meint Anya nüchtern, woraufhin ich nur erneut den Kopf schütteln kann. "Er war aber sein Sohn! Ein Kind geht aus dem Herzen, verstehst du das nicht?! Er... auch wenn sie vielleicht nicht sonderlich viel miteinander zu schaffen hatten – er war sein Sohn. Und Luxferre, sein Bruder. Wie muss er wohl gelitten haben?", frage ich und erhebe mich, während ich unruhig in dem kleinen Raum auf- und abschreite. "Zerbrich dir nicht andauernd den Kopf über das Leid der Anderen. Du musst dich auf dich selbst und vor allem auf Shaturu fixieren. Du hast keine Zeit für solche Dinge! Die Zeit kannst du nicht ändern, du kannst sie nicht zurückdrehen und du kannst das Geschehene auch nicht mehr ungeschehen machen. So hart das jetzt klingen mag aber komm zur Besinnung und reiß dich verdammt noch mal zusammen! Trauern kannst du ein andermal immer noch! Außerdem ziehst du alle Personen damit gehörig in den Dreck, die deinetwegen ihr Leben gelassen haben.", meint Anya fast schon wütend, ehe ich urplötzlich stehen bleibe und sie wieder mit meinem Blick fixiere. Vielleicht hat sie recht. Vielleicht sollte ich mich wahrlich erstmal auf Shaturu konzentrieren und mich nicht von dem unerbittlichen Kampf gegen meine Schuldgefühle ablenken lassen? Klingt doch vernünftig. Ein guter Appell an das versteckte etwas an Vernunft, das tief in mir schlummert und nur darauf wartet, von mir geweckt zu werden. Aber vielleicht ist es auch ignorant und Ignoranz... Ich hasse sie! Ja, ausgerechnet ich, wo ich doch nicht minder ignorant war. Schande. Was soll ich nur tun? Was soll ich unterlassen? Was soll ich zulassen? Was sollen meine nächsten Schritte werden? Was soll mein nächstes Ziel werden? Shaturu. Er ist die sofortige Antwort die in mir aufkeimt – und doch kann ich nicht einfach alle Gefühle vergessen, die noch immer zu präsent in meinem Inneren vorhanden sind. Ich kann sie nicht verdrängen, ganz im Gegenteil. Das wäre ignorant, viel zu ignorant. Ich würde Alles mit Füßen treten. Ich würde dich mit Füßen treten, Chael. Ich weiß, dass das nichts Neues ist aber... Erneut überkommt mich eine Woge der Trauer, tränenblind wende ich mich schnell von Anya ab und versuche mich mit einem Blick aus dem Fenster auf das hektische Treiben der Stadt abzulenken. Es tut mir doch alles so leid, so unendlich leid. Und doch kann ich es nicht ändern. Ich bin meinem erbarmungslosen Schicksal hilflos ausgeliefert und diese Hilflosigkeit ist es, die mich verzweifeln lassen will. Und sie wird es schaffen, eines Tages, bestimmt. Wenn ich nichts daran ändere. Wenn ich mich dem erbarmungslos hingebe und in den tiefsten Abgründen meiner Trauer versinke. Vielleicht sollte ich mich doch auf Shaturu konzentrieren, vielleicht tut er mir in dieser Hinsicht gut. Wie absurd! Als ob einem Jemand gut tun könnte, der Einen noch kurz zuvor von einer Kameradin hat erstechen lassen. Ganz bestimmt! Und doch weiß ich, dass mein Schicksal mit dem seinigen eng verschlungen ist, verwächst und zu einem gemeinsamen Schicksal erwächst. Dem Kampf auf Leben und Tod. Sein oder nicht sein. Er oder ich. Wer wohl diesmal den Kürzeren ziehen wird? Ich kann nur hoffen, dass es diesmal Shaturu ist. Kapitel 4: The Lurking Danger ----------------------------- CHAPTER 4 - THE LURKING DANGER Schweigend stehe ich da, während ich meine Stirn an das kühle Fensterglas lehne und für einen Moment die Augen schließe, um kurz inne zu halten. Ich muss mich sammeln. "Regret?", höre ich Anyas Stimme hinter mir, woraufhin ich mich von dem Fenster abwende und mich wieder zu ihr umwende. Ihr Blick schafft es aufs Neue, mich kurzerhand aus der Bahn zu werfen. Die orangefarbenen Augen blicken unwahrscheinlich mitfühlend drein – dass ich einen solchen Blick einmal an Anya sehen würde hätte ich mir in meinen kühnsten Fantasien nie erträumt, ganz im Gegenteil - ein verbaler Arschtritt ihrerseits wäre viel wahrscheinlicher als die Anzeige von irgendwelchem Mitgefühl gewesen. "Es ist schon gut.", sage ich daher nur – ich muss mich zusammenreißen! Shaturu. Regret, denk einfach an Shaturu! Ja doch, das klingt nach einer guten Strategie. Urplötzlich merke ich, wie Verbitterung und Wut in mir aufsteigen – gut so. Anya geht – sehr zu meinem eigenen Wohlwollen – nicht mehr weiter auf meine kurze Gefühlswendung ein und schweigt für einen Moment, ehe sie mich wieder anspricht. "Ich habe Hunger. Hol mir was zu essen, Blondie!", befiehlt sie mit harscher Stimme – ein weiterer Aufmunterungsversuch, der nicht erfolglos an mir vorbeizieht. Kurz lächle ich, ehe ich mich strecke und dann ebenfalls feststelle, dass ich nicht minder hungrig bin. "Ich auch.", sage ich nur, "aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, wo wir etwas Essbares herkriegen sollen. Ich habe kein Geld, kaufen kann ich uns also Nichts..", meine ich und sehe sie abwartend an. "Ja gut, dann lass uns rausgehen. Lass dem Arzt eine Notiz da und wir suchen uns Irgendetwas Essbares.", schlägt Anya vor. "Ich hoffe du hast gehört, das ich kein Geld habe. Dahingehend sollte dir bewusst sein, dass wir uns anderswo Essen suchen müssen. Wir müssen also Beeren pflücken oder Wurzeln essen.", sage ich, woraufhin sie deutlich genervt ausatmet. "Ja habe ich, du brauchst mir nicht alles dreimal sagen, Regret! Dann gehen wir eben Beeren pflücken.", willigt sie mürrisch ein, ehe ich mir mein Cape überwerfe und dem Arzt eine Notiz hinterlasse, ehe wir Beide nach draußen verschwinden. Draußen ist es mittlerweile bewölkt und stürmisch geworden – kein sonderlich angenehmes Wetter, auch Anya sagt das Wetter nicht unbedingt zu. Schweigend lenke ich meine Schritte in die Richtung, in der meines Wissens nach das riesige Loch in der Stadtmauer prangen müsste. Und siehe da, wir finden es sogar auf Anhieb. "Du willst nicht ernsthaft da durch.", meint Anya nur entgeistert, während ich anstatt einer Antwort einfach Taten sprechen lasse. "He! Du da! Was zur Hölle fällt dir ein einfach da durch zu gehen?! Schon mal was von Stadttor gehört, du Vogel?!"; vernehme ich sofort die scheltenden Worte einer Turmwache, die ich zuvor überhaupt nicht in ihrem Wachturm gesehen habe. "Entschuldigt bitte, ich wollte eine Abkürzung nehmen, werter Herr.", sage ich und blicke zu dem Bewaffneten auf, der mir nur den Vogel zeigt und eine wegwerfende Handbewegung macht. "Werter Herr am Arsch! Such dir das nächste Mal eine andere Abkürzung und jetzt verreiß!", befiehlt er mir, woraufhin ich nur nicke und tatsächlich beschleunigten Schrittes das Weite suche. Kurze Zeit später erreichen wir das kleine Wäldchen, vor dem ich gestern erst aufgewacht bin, wobei es doch etwas schwieriger ist gegen den Wind gehen zu müssen. Auch Anya müht sich ab, ehe ich sie mir greife und sie so mittransportiere. Die Kapuze meines Capes, die ich eigentlich einmal aufgehabt habe versuche ich nicht einmal annähernd, wieder tief in mein Gesicht zu ziehen – es wäre ohnehin vergebens. Im Wald angekommen öffne ich meine Hände wieder, mit welchen ich einen Schutz um Anya gebildet habe, diese flattert mir aufgeregt entgegen. Danke? Nein, natürlich kommt kein Wort des Dankes über ihre Lippen, dafür ist sie schlichtweg zu stolz - und zu dreist! "Na los, du kennst dich doch hoffentlich mit so etwas aus.", kommt es nur fordernd von ihr, während ich mich in dem Wald nach etwas Essbarem umsehe. Kurze Zeit später mache ich mehrere Fliegenpilze aus, die unter einem Baum wachsen – so viel Spaß muss sein! "Mhmm, lecker~", sage ich und tue so, als ob ich mich zu den Giftpilzen hinabbeugen wollte um sie aufzusammeln. "REGRET, NICHT! Die sind giftig!", kommt sofort die Warnung von Anya – als ob ich das nicht wüsste, ich muss wahrhaftig hart damit kämpfen, nicht zu lachen. "Wie blöd bist du eigentlich?! Da sieht man mal wieder, dass du blond bist!", faucht Anya, während ich mich wieder aufrichte und nun tatsächlich zu lachen beginne. "Was ist so lustig?", kommt die prompte Frage, "findest du es lustig, vergiftet zu werden? Nur zu – iss die Dinger, du wirst schon sehen was es dir bringt. Diesmal belebe ich dich ganz bestimmt nicht wieder, du Affe!", setzt sie nach – hart wie immer. "Ich hab dich reingelegt, was sonst? Glaubst du etwa, dass ich Fliegenpilze essen würde?", frage ich sie und lache nochmals, ehe ich mich wieder auf die Suche nach Nahrung mache. "Dir ist Einiges zuzutrauen, du Penner!", mault sie mir hinterher, was mir jedoch redlich egal ist. "Du kannst mir ja helfen, wir wären sicherlich schneller fertig.", meine ich, was nicht sonderlich zweckdienlich zu sein scheint. "Du kannst mich mal! Mach deinen Scheiß allein, Blondie!", kommt es von ihr, ehe sie sich abwendet und in den Wald fliegt. Soll sie doch. Sonderlich lange wird sie da ohnehin nicht bleiben. Das kann ich mir jetzt schon ausmalen. Kaum kommt ein Monster – und sei es das kleinste und ungefährlichste Monster dieser Welt – auf sie zu, wird sie ohnehin das Weite suchen und zu mir zurückkehren. Ja, das wird sie. Und das ist es, was mich für den Moment beruhigt. Schweigend suche ich also weiter und mache tatsächlich Himbeeren aus. Lecker! Auch Brombeeren finde ich. Gut, dass ich meine Schwertscheide habe – die Klinge blank gezogen kann ich so in der Schwertscheide das Essen verstauen. Eigentlich sehe ich viel eher als ein Jäger als ein Sammler aus, dennoch grabe ich lieber nach Wurzeln und pflücke Beeren, als dass ich ein Monster oder Tier erlege. Zeiten ändern sich, was? Zeiten ändern dich, Regret. Zeiten ändern so vieles. Gerade grabe ich ein paar Wurzeln aus, als auf einmal ein heller Schrei ertönt. Sofort spannt sich mein gesamter Körper an, ehe ich in die Richtung des Schreis renne. Der Schrei stammt von Anya, so viel steht definitiv fest. So schnell ich kann eile ich in den Wald hinein und versuche, nicht über Wurzeln, andere Äste, Gestrüpp oder sonstige Stolperfallen zu stürzen, ehe ich den Auslöser für diesen Schrei sehe. Nein, diesmal war der Auslöser für Anyas Schrei definitiv kein Monster, viel schlimmer. Anya schwebt scheinbar reglos in der Luft während sie ihren Blick wie hypnotisiert auf das richtet, was sich ihr da offenbart. Und auch ich kann nicht anders, als meinen Blick auf das zu richten, was sich da in unmittelbarer Nähe vor uns befindet. Vor Schock wie gelähmt stehe ich da, während die Zeit auf einmal stehen zu bleiben scheint. Mein Herz scheint mir aus der Brust springen zu wollen während Alles um mich herum verblasst. Meine ganze Aufmerksamkeit richte ich auf die Stelle, die auch Anya wie hypnotisiert beobachtet. Ich kann nicht anders, dennoch muss ich handeln, unbedingt. Auch wenn ich gerade in einer Art Schockstarre bin. Mein Verstand schaltet sich sofort wieder ein, appelliert an mich und veranlasst mich dazu, Anya zu schnappen, auf dem Absatz kehrt zu machen und zu rennen, was das Zeug hält. Schwer atmend sprinte ich durch den Wald, hechte über Wurzeln und merke wie mir Äste ins Gesicht peitschen, doch ist mir das im Moment herzlich egal - ich habe andere Sorgen. Ich muss hier weg! Ein kurzer, hektischer Blick über meine Schulter bestätigt mir nur das, was ich ohnehin schon wusste: mein Verfolger ist hinter mir, dicht hinter mir. Immer wieder versucht er, nach meinem Cape zu greifen, bekommt dies jedoch glücklicherweise nicht zu fassen. Seine Schritte auf dem Waldboden kann ich ebenfalls gut vernehmen, seinen keuchenden Atem noch viel besser. Mittlerweile hat es zu regnen begonnen und ich sehe sogar einen Blitz zucken. Perfekte Kulisse also, nicht? Verdammt, ich kann nur hoffen, dass er mich nicht in die Finger bekommt – andernfalls... Ich will es mir nicht ausmalen. Weiterhin eile ich durch den Wald, während ich Anya in einer Hand und mein Schwert in der Anderen halte. Und dann passiert es doch, mein Verfolger bekommt mich zu fassen weil ich kurz über eine Wurzel stolpere und dabei fast das Gleichgewicht verliere. Sofort nutzt er die Gunst der Stunde, fasst nach meinem Cape und reißt mich durch diese urplötzliche Stoppbewegung zu Boden. Unsanft schlage ich auf dem Boden auf und merke, dass er sich im wahrsten Sinne des Wortes auf mich stürzen will. Gerade noch rechtzeitig rolle ich mich zur Seite kann jedoch nicht verhindern, dass er nach meiner Kehle greift. Anya, die ich noch während meinem Sturz freigegeben habe, schreit verschreckt auf, während ich versuche, die nach meiner Kehle greifende Hand abzuwenden. Und tatsächlich bekomme ich das Handgelenk des Anderen zu fassen, ehe mir dieser mit seiner anderen Faust ins Gesicht schlägt. Mein Kopf schnellt auf den Schlag nach hinten gegen den harten Boden, während er mich mit seiner anderen Hand am Kragen packt. Schnell habe ich mich wieder unter Kontrolle und verpasse dem Anderen nun eine Kopfnuss, die ihn nach hinten wirbelt. Nun bin ich es, der nach seiner Kehle greift und ihn so zu Boden bringen kann. Feste drücke ich zu, ehe ich mich auf ihn setze um ihm so seiner Bewegungsfreiheit zu berauben. Seine Augen starren mich nicht nur an, nein, sie scheinen mich förmlich in Stücke reißen zu wollen. Dieser wilde Blick ist wahrhaftig unheimlich. Schwer atmend sehe ich ihn an, ehe ich ihm mit dem Griff meines Schwertes gegen die Schläfe schlage und ihm so das Bewusstsein raube. Was danach kommt hätte ich jedoch nicht erwartet. Zu spät merke ich nämlich den Schlag, der mich am Hinterkopf trifft und mich so halb bewusstlos auf den unter mir liegenden Mann sinken lässt. Mit halb geöffneten Augen liege ich da und nehme verschwommen die Gestalt wahr, die sich neben mir niederlässt. Ich könnte schreien! Ich habe unendliche Angst! Nicht, dass ich mich in irgendeiner Weise rühren könnte aber könnte ich es, würde es wohl keinen besonderen Unterschied machen: ich wäre nämlich definitiv vor Angst wie gelähmt. Welch ein Horrorszenario, Jemandem hilflos ausgeliefert sein zu müssen. Und das bin ich nun auch noch. Bitte nicht. Bitte bitte lass diese Person nicht... Ich will nicht daran denken was der Mann nun alles mit mir machen könnte. Ob er mich wohl umbringt? Um des Großen Erschaffers Willen, bitte – ich will leben! Nein, ich MUSS leben! Ich muss doch Shaturu besiegen! Mein Herz pocht nicht, es hämmert wie wild und scheint mir aus dem Brustkorb springen zu wollen während sich Alles erheblich verlangsamt. Stille kehrt ein, unendliche Stille. Alle Geräusche wirken erstaunlicherweise gedämpft, auch scheint sich meine Umwelt von mir zu entfernen. Nur der Mann bleibt, der nun seine Hand nach mir ausstreckt. Wenn ich doch nur... Urplötzlich verzerrt sich Alles vor meinen Augen, ich merke, dass Bewusstlosigkeit einsetzen will. Ich kann nicht bewusstlos werden, nicht jetzt! Ich muss bei Bewusstsein bleiben, unbedingt! Wie aus weiter Ferne höre Anyas Schrei, der schiere Verzweiflung zum Ausdruck bringt und sich unendlich langgezogen anhört, während ich weiterhin gegen die einsetzende Ohnmacht ankämpfe. Der schwarzhaarige Mann saß schweigend in dem Wagen der Kutsche, der wie ein Schiff auf Wellengang unsanft hin- und hergerissen wurde – dem draußen tobenden Sturm sei Dank. Die Miene des Mannes ließ jedoch keinerlei Rückschlüsse darauf ziehen, dass ihm die Reise unangenehm wäre. Ganz im Gegenteil. Der brünette Mann, der ihm im Wagen gegenüber saß starrte ihn schon eine gefühlte Ewigkeit an. Geradewegs sah er seinem Gegenüber in die Augen und schien dem Anderen so eine Regung abringen zu wollen, schaffte dies jedoch nicht. Seine lilafarbenen Augen schienen das schweigsame Gegenüber ebenfalls nicht zu beeindrucken, die kurz – natürlich bewusst und gewollt – nach innen schielten. Seufzend ließ sich der Braunhaarige dahingehend gegen die Lehne der Sitzbank sinken, auf der er saß, ehe er eine Melodie summte und seinen Blick aus dem Fenster richtete. Aus dem Summen wurde ein leises Singen, er sang schon immer – es war seine absolute Leidenschaft. Seine sonst eher fest wirkende Stimme hatte einen warmen, klaren Klang, den Andere stets bewunderten. Der Mann sang eine traurige, dem düsteren Wetter angebrachte Melodie während der Andere nun tatsächlich eine Regung zeigte. Ein warmes Lächeln umschmeichelte den Gesichtszügen des Schwarzhaarigen, während der Braunhaarige nur fortfuhr und sich nicht von den Regungen des Anderen beirren ließ. "Ich hätte dich zu meinem Minnesänger machen sollen, nicht jedoch zu meinem Berater.", kam es nun von dem Schwarzhaarigen, woraufhin die Beiden kurz lachten. Sie waren sehr enge Freunde, hatten viel zusammen erlebt, erheblich viel. Ihre Freundschaft hielt schon seit ihrer Jugend an und würde es wohl auch auf ewig tun. "Es wäre mir ein Vergnügen geworden, Eure Majestät.", scherzte der Andere und lachte wieder, während der Schwarzhaarige nur genervt seufzte. "Daza, wie oft soll ich dir eigentlich noch sagen, dass du mich nicht so ansprechen sollst? In der Öffentlichkeit vor weiteren Beteiligten ist es ja akzeptabel aber wir sind unter uns, da kannst du mich getrost auf meinen Vornamen ansprechen.", meinte er genervt, während er den Anderen vorwurfsvoll ansah – diese Predigt hatte er ihm weiß der Große Erschaffer schon oft genug gehalten. "Ach komm, Lu! Jetzt wo du schon mal König bist!", meinte der Andere und lachte wieder, während der Angesprochene den Blick zu dem verregneten Geschehen draußen abwandte – auf das Thema weiter einzugehen glich dem verzweifelten Versuch das Unmögliche möglich zu machen. Auch gab der Klügere bekanntlich nach. "Ein Gewitter zieht herauf.", stellte Daza fest, der dem Blick seiner Majestät nach draußen gefolgt war. "Zeit wird es, die Sommerhitze wurde schon fast unerträglich.", meinte Lu, woraufhin Daza nur nickte. Lu hatte recht, es war seit Wochen immens heiß, die Natur brauchte den Regen. Doch wenn es gewitterte, wütete es vom Allerfeinsten. Das durften auch die beiden verhüllten Personen am eigenen Leibe erfahren, die auf der Kutsche unter freiem Himmel saßen und sich dem weitgehenden Spektrum an Witterungsschwankungen so gebührend widmen konnten. "Uwah ich sterbe noch an einer Erkältung, wenn ich jetzt dann durch ein Gewitter fahren muss!", beschwerte sich einer der beiden großen Männer, woraufhin sein Nebenmann nur lachte. "Ach was, Nicoon! Du übertreibst doch maßlos! Du stirbst, wenn dich der Blitz trifft!", kam es prompt von ihm. "Nein tu ich nicht, Tuturan! Ich würde jetzt auch lieber wie Daza im Inneren der Kutsche sitzen.", kam es erneut von Nicoon, woraufhin der Andere ihm auf die Schulter schlug und ihn kurz vorwurfsvoll ansah. "Nicoon, wenn ich dir eine Sache in Erinnerung rufen darf: du gehörst den Kataljo Hunters an, also sollten dir Gewitter, Nässe und die dadurch einsetzende Kälte Nichts ausmachen!", kam es erneut von Tuturan, woraufhin der Andere nur seufzte, Tuturan hatte ja recht dennoch gab es Angenehmeres. Tuturan und Nicoon waren Angehörige des Minotaur Tribes. Ihr Aussehen ähnelte dem eines normalen Menschen mit der Besonderheit, dass ein Horn in der Mitte ihrer Stirne prangte. Gemeinsam mit Daza, ebenfalls ein Angehöriger des Minotaur Tribes, gehörten sie einer Gruppe an Jägern, den Kataljo Hunters, an. Von den Beschwerden der Kutscher bekamen Daza und Lu Nichts mit auch ob der Tatsache, dass sie sich nunmehr wieder schweigend gegenüber saßen. Gerade blickten die Beiden wieder nach draußen, als ein heller Schrei die zwischen ihnen herrschende Stille durchbrach. Erschrocken blickten die beiden Männer sich an, ehe Daza sich sofort erhob, auch Tuturan und Nicoon sprangen urplötzlich auf. "Das war in der Nähe.", stellte Lu fest und erhob sich ebenfalls, wurde jedoch von Daza zurück auf seinen Platz gedrückt. "Du bist der König, wenn dir etwas passiert... Du bleibst hier!", befahl er, öffnete die Tür der Kutsche und sprang aus der fahrenden Kutsche. Noch während er auf dem Boden aufkam verlor er das Gleichgewicht, konnte sich in letzter Sekunde jedoch wieder fangen und so seinen Weg ohne Sturz fortsetzen. "Daza, warte!", vernahm er hinter sich die Stimme Nicoons, welcher ihm folgte, auch Tuturan hatte sich angeschlossen, das merkte Daza im ersten Moment jedoch noch nicht. Weiterhin peilte er die Richtung an, aus welcher er den Schrei vermutete ehe er sich kurz umwandte und dann über die Tatsache erschrak, dass ihm tatsächlich beide besagten Kollegen folgten und sie den König allein mit zwei weiteren Wachen zurückließen. Lu war einst ein General gewesen, wusste sich also zu verteidigen. Dennoch war er der König und den konnten sie schlecht ohne makellosen Schutz zurücklassen. "Tuturan, bleib beim König!", rief er über die Schulter, woraufhin der Andere umkehrte und zurückeilte. Es war zu gefährlich den König mit den beiden Wachen zurück zu lassen, die sich ebenfalls in der Kutsche befunden hatten. Sicherer war es, einen erfahrenen Krieger in Gegenwart des Königs zu lassen, wobei der König selbst ein erfahrener Krieger war – welch eine Groteske! Die Spannung, welche in der Luft lag, war immens. Fast schon konnte Daza das herannahende Unwetter riechen, so drückend war die Luft. Hastig sprintete er über ein Feld als der Schrei erneut ertönte. Zweifelsohne kam er aus dem kleinen Wäldchen, das in unmittelbarer Nähe vor ihm und Nicoon lag. Ohne weiter darüber nachzudenken betrat der Krieger den Wald, seine Instinkte lenkten ihn – sein Verstand zog für einen Moment den Kürzeren; vermutlich war dies auf seine Abstammung des Minotaur-Tribes zurückzuführen. Immer tiefer eilte Daza in den Wald, während er innerlich hoffte, die schreiende Person vorfinden zu können und sie nicht zu verfehlen. Panik stieg einen Moment in ihm auf – jede Minute zählte, was auch immer es war, etwas Gefährliches geschah gerade und er musste der Frau zur Hilfe kommen, die immer wieder aufs Neue schrie. Erneut ertönte der Schrei. Verzweifelt. Ohrenbetäubend. Es war nicht mehr weit, wenige Meter müssten ihn nunmehr von der Schreienden trennen. Gerade eilte er an einem Baum vorbei als er es sah: eine Kleingruppe an Männern, vermutlich Schergen, sorgte für den Aufruhr. Und der da schrie – war eine Fee! Und sie bemerkte ihn sogar und sah ihn mit schockgeweiteten Augen für einen Moment an, ehe sie erneut schrie. Kurz analysierte er die Situation: ein Mann lag auf einem anderen Mann, beide schienen bewusstlos zu sein. Zumindest war es das, was Daza vermutete, konnte er das Gesicht des blonden Mannes nicht erkennen, der auf dem Bewusstlosen lag. Vor dem Blonden kniete eine vermummte Gestalt während neben den Dreien noch ein weiterer, vermummter Mann stand. Und die Fee – sie schwebte hinter dem stehenden, vermummten Mann. Noch hatten ihn die Männer nicht bemerkt, er konnte die Situation also zu seinen Gunsten nutzen, als er auch schon Nicoon bemerkte, der neben ihm zum Stehen kam und ebenfalls das Geschehen analysierte. Kurz sah der Braunhaarige zu seinem Kollegen, der ihm kurz zunickte – das war das Zeichen! Daza stürzte sich auf die Männer, Nicoon stellte sozusagen seine Reserve dar. Der kniende Mann würde ihm später gefährlich werden als der Stehende, daher müsste er den stehenden Mann zuerst ausschalten. Fürs erste verpasste er also dem stehenden Mann einen Sprungkick, der ihn zu Boden wirbelte, ehe er auf den Anderen losging, der sich gerade erhob und auf ihn zueilte. Dem Fausthieb des Feindes wich er aus und schmetterte diesem im Gegenzug seine Faust ins Gesicht, ehe auch er einen Tritt aus nächster Nähe beschert bekam. Stöhnend fiel der Mann nach hinten während sich sein Partner wieder aufrappelte. Die beiden Feinde sahen sich kurz an, ehe sie beide die Flucht ergriffen. Sofort heftete Daza sich an ihre Fersen, Nicoon eilte auf die am Boden liegenden Gestalten und die Fee zu. "Was ist hier passiert?", wollte er sofort wissen – wer war hier gut und wer war böse? Nicoon konnte es nicht sagen. Vor ihm lagen zwei Männer, die scheinbar beide bewusstlos waren. Ein blonder Mann lag auf einem bewusstlosen Anderen, beide waren dunkel gekleidet – an der Kleidung konnte er also schon einmal nicht bestimmen, wer hier gut und böse war. Auch die blutende Wunde am Hinterkopf des blonden Mannes ließ keine Rückschlüsse darauf zu, ob er den bewusstlosen Mann unter sich zuerst angegriffen hatte oder ob es umgekehrt vonstatten gegangen war. Und da er die Beiden nicht kannte musste er nun auf die Fee hoffen, die noch zuvor um Hilfe geschrien hatte. "Dieser Kerl", begann sie und deutete auf den Mann, auf dem Regret lag, "er hat meinen Begleiter hier auf einmal im Wald angegriffen. Wir waren nur auf Nahrungssuche als wir auf einmal auf ihn gestoßen sind.", erklärte sie während sie Nicoon aufgeregt entgegen sah. Das war Nicoons Empfindung zu urteilen mehr als genug Erklärung, ein kurzer Blick noch in Richtung Daza – er verfolgte die Feinde weiterhin. Aus der Ferne konnte er auch hören, wie er nach Tuturan rief. Dennoch konnte er sich fürs Erste auf den bewusstlosen Mann auf dem Boden konzentrieren - die beiden anderen Minotaur dürften schon mit den Feinden fertig werden. Schnell kniete er sich neben den halb bewusstlosen Blonden, der auf seinem Peiniger lag. "He Ihr, könnt Ihr mich verstehen?", fragte er als er sah, dass der blonde Mann seine Augen halb geöffnet hatte, "Ihr müsst bei Bewusstsein bleiben, das ist sehr wichtig und was noch viel wichtiger ist: ich will Euch absolut nichts Böses! Alles wird gut! Wir haben diesen Schergen eine ordentliche Lektion erteilt!", fügte er an und merkte dann, dass Tuturan ebenfalls am Ort des Geschehens ankam. "Da lang – Daza ist da lang!", rief er hektisch und deutete sofort in die Richtung, in die der Braunhaarige zuvor noch gesprintet war – warum war Tuturan jetzt zu ihm gekommen und nicht Daza gefolgt?! Konnte er etwa die Stimme des Anderen nicht richtig deuten? Wobei... Daza war kurz zuvor noch bei ihnen gewesen, ehe er nach Tuturan gerufen hatte daher war es logisch dass dieser nun bei ihm aufschlug. "Gut.", kam es kurz und bündig von dem Anderen – als Team funktionierten sie auch ohne viele Worte, sie verstanden sich blind und waren, zumindest Nicoons Ansicht nach, ein perfekt eingespieltes Team. Aber das mussten sie als Jägerbande auch sein wenn sie denn in der Natur überleben wollten. Weiterhin versuchte sich der Jäger nun jedoch daran, den halb bewusstlosen Mann wieder zu vollem Bewusstsein zu kriegen und machte sich dann daran, ihn fürs Erste nach schwerwiegenderen Wunden zu untersuchen. Vorsichtig legte er den Mann neben seinem bewusstlosen Feind auf den Boden, öffnete das Cape und tastete den Mann dann nach Wunden ab, konnte jedoch keine schwerwiegenderen Verletzungen ausmachen. Der Mann war sportlich gebaut, dennoch war er relativ dünn. Auffällig war neben der Kopfplatzwunde nur die Tatsache, dass er ein goldenes Amulett mit einem roten Stein darauf trug, mehr fiel Nicoon zu seinem Wohlwollen jedoch nicht auf. Anya schwebte derweil neben Nicoon und blickte gebannt auf ihren Kompagnon. Kurze Zeit wird Alles dunkel um mich, ich kann jedoch nicht sagen ob diese Tatsache an der einsetzenden Bewusstlosigkeit oder der Furcht vor dem weiteren Handeln meines Peinigers liegt. Ich kann es wahrhaftig nicht sagen, dennoch verschwindet die kurz einsetzende Dunkelheit wieder und weicht einem verschwommen Etwas an Umgebung, das es mir noch schwieriger macht, meinen ohnehin schon vernebelten Verstand zu klären. Und doch bekomme ich – wenn auch wie aus weiter Ferne und eher ab- als anwesend – mit, wie scheinbar ein Kampf in unmittelbarer Nähe zu mir ausbricht. Die Person, die gerade noch ihre Hand an meinem Kragen hatte entfernt sich von mir wobei es nicht so aussieht, als würde sie weggehen. Ganz im Gegenteil: es sieht eher so aus als würde sie weg geschlagen. Aber mit voller Wucht und mit einer Geschwindigkeit, die aus meiner Perspektive geradezu rasend aussieht. Und aufs Neue mache ich eine Gestalt aus, die sich zu mir beugt und nach mir greift. Sie spricht mich sogar an, zumindest glaube ich leise die Stimme eines Mannes zu vernehmen. "He... könnt... verstehen?", sind die Fetzen von Worten, die mir vonseiten des Mannes entgegenschlagen und für die ich scheinbar eine Ewigkeit brauche, um sie ordnungsgemäß zu analysieren. "Ihr... Bewusstsein... ich... will... Böses.", gerade als ich die ersten drei Worte verarbeitet habe erreichen mich auch schon die nächsten hektischen Worte des Anderen, die mich vollends verwirren. Was? Wie? Er will mir Böses? Aber warum kündigt er mir das denn dann bitte an? Benommen wie ich bin merke ich nicht, dass ich den essentiell wichtigsten Punkt dieses Satzes, das kleine aber dennoch bedeutende Wörtchen 'nicht', nicht gehört habe. Schlecht für mich und noch viel schlechter für den Anderen! Fühle ich mich nun doch dazu gezwungen meine – wenn auch in nur geringen Maßen – vorhandenen und verbliebenen Ressourcen zu mobilisieren, um handeln zu können. Und wie ich handle? Nun ja, sagen wir es mal so, ich habe vor so zu handeln, dass es für den Anderen nicht gerade angenehm werden soll – und das in meinem benommenen Zustand. Das kann ja heiter werden! Also konzentriere ich mich, schließe kurz meine Augen und öffne sie dann wieder, um meine Hand zu heben und dem Anderen damit einen Fausthieb ins Gesicht zu verpassen. Meine Willenskraft scheint wahrhaftig etwas bewirkt zu haben merke ich doch, wie der Kopf des Anderen etwas nach hinten gestoßen wird, auch sein kurzes Stöhnen entgeht mir nicht. "Au! Was ist denn jetzt falsch?!", stieß Nicoon aus während er sich das schmerzende Gesicht rieb, "der hat ja noch ordentliche Kraftreserven.", meinte er anerkennend während er den Anderen aufmerksam musterte. Er musste vorsichtig sein, wie er den fremden, blonden Mann jetzt zur Kutsche schaffte. Scheinbar war er dem Minotaur nicht unbedingt friedlich gesinnt beziehungsweise hielt er diesen für eine Art Bedrohung, obwohl Nicoon dem Mann ja eigentlich zuvor zugesichert hatte, ihm nichts Böses zu wollen. Vermutlich war der Mann einfach nur so benommen dass er Freund nicht mehr von Feind unterscheiden konnte, das war es bestimmt. Mit dieser Erklärung richtete Nicoon seine Worte erneut an den unbekannten Fremden. "Ich bringe euch jetzt in Sicherheit, ja?", sagte er langsam und hoffte, dass diese Worte bei dem verwundeten Mann ankamen, der ihn aus halb geöffneten Augen anzusehen schien. Ob er ihn tatsächlich sah wagte der Minotaur zu bezweifeln – der Kerl schien einfach viel zu benommen zu sein, als dass er ihn auch nur annähernd hätte wahrnehmen können. Gut, dann würde er eben die Gunst der Stunde nutzen und den Anderen mit seiner Handlung einfach überraschen. Schwerer verletzt schien er nicht, bis auf die Kopfwunde schien der Mann unverletzt. Also würde er sich den Mann über die Schulter werfen und dann zu König Lu zurückkehren. Kurz wartete er ab bis sich der Blonde wieder etwas beruhigt hatte und griff sich den Mann dann im Affekt, der nicht sofort reagierte und schlichtweg von seinem Helfer überrascht wurde. Mit einem Schwung legte er den halb Bewusstlosen über seine Schulter ehe er gen Kutsche lief. Dass das Amulett des Fremden sich dabei löste und dumpf auf dem Waldboden aufschlug bemerkte er dabei nicht, auch Anya merkte es nicht, verfolgte sie doch den Fremden und musterte diesen aufmerksam. "Was habt ihr jetzt mit ihm vor?", fragte sie den Minotaur gerade als auf einmal ein Schrei ertönte. "NICOON!", hörte man Daza aus der Ferne rufen woraufhin der Angesprochene sich sofort suchend umsah und den halb Bewusstlosen dann vor einen Baum setzte und ihn mit dem Rücken gegen dessen Stamm lehnte. "Ich komme sofort wieder, wartet hier auf mich!", befahl er ehe er verschwand und in die Richtung eilte, in der er Daza vermutete. Scheinbar habe ich getroffen. Wer auch immer mir Böses will oder mir nach dem Leben trachtet hat jetzt eine unschöne Begegnung mit meiner Faust gemacht, was Demjenigen nicht allzu sehr zu gefallen scheint. Verschwommen nehme ich war wie sich der Mann über sein, scheinbar schmerzendes, Gesicht reibt. Ich hätte nicht für möglich gehalten dass ich den Mann treffen würde, ganz im Gegenteil. In meinem jetzigen Zustand hätte ich vermutlich nicht mal ansatzweise darüber nachdenken dürfen können. Der Fremde scheint sich jedoch nicht unbedingt geschlagen geben zu wollen. Nochmals richtete er irgendwelche Worte an mich, die ich nicht verstehen kann. Dann erst merke ich dass ich von ihm über die Schulter geworfen und vor einen Baum wieder abgesetzt werde. Irgendwo kann ich mein Bewusstsein nicht mehr aufrecht erhalten. Alles um mich herum verblasst völlig. Ich verstehe keinerlei Worte mehr, nehme nichts mehr wahr. Langsam aber sicher legen sich schwarze Schatten über meine Umgebung, hüllen mich in Dunkelheit. Nunmehr völlig bewusstlos schließe ich meine Augen für ein letztes Mal, sinke immer weiter gegen den Baumstamm ehe mein Oberkörper zur rechten Seite hin wegsackt und letzten Endes mit einem dumpfen Schlag auf dem Waldboden aufschlägt. Anyas Rufen und Drängen bekomme ich nicht mehr mit. Ihre Versuche, mich zu wecken, verblassen vollständig. So sehe ich auch die Person nicht mehr, die sich hinter einem großen Strauch versteckt hält und uns so aus dem Verborgenen heraus beobachtet. Auch Anya bemerkt die Person nicht, die kurz abwartet bis unser Retter verschwunden ist und dann langsam um den Strauch herum geht, um hinter einem Baumstamm verschwinden zu können und dann aus einem anderen Winkel langsam auf uns zu zu gehen. Langsam und bedächtig, sodass wir sie nicht hören können... Kapitel 5: The Lurking Danger Pt. II ------------------------------------ CHAPTER 5 - THE LURKING DANGER PT. II Lange dauert es nicht, bis ich wieder erwache. Ich finde mich in liegender Position auf einem Waldboden wieder. Etwas benommen liege ich noch da ehe ich die Fee bemerke, die dicht vor meinem Gesicht herumflattert und aufgeregt auf mich einredet. "Regret, kannst du mich sehen und hören?", will sie hektisch von mir wissen während ich meine roten Augen erst nur einen Spalt breit geöffnet halte um sie so etwas an das grelle Tageslicht gewöhnen zu können. Ja, ich verstehe sie. Ich verstehe sie! Etwas verwirrt blicke ich noch drein während ich zu rekonstruieren versuche, was kurz zuvor noch passiert ist. Angestrengt denke ich einen Moment nach und kann tatsächlich alle meine Erinnerungen wieder rekonstruieren. Gemeinsam mit Anya hatte ich mich auf den Weg aus der Stadt in das kleine Wäldchen gemacht, ehe ich bewusstlos geschlagen wurde. Was dann passiert ist kann ich nicht mit voller Sicherheit sagen habe ich dank dem großen Maße an Benommenheit doch nicht sonderlich viel mitbekommen. Dennoch ist es doch ein absoluter Fortschritt dass ich meine Erinnerungen im Vergleich zu der vorhergehenden Situation wieder zurückerlangen konnte und Anyas Stimme klar und deutlich vernehmen kann – noch zuvor habe ich nämlich Niemanden sonderlich gut verstanden. Kurz räuspere ich mich ehe ich zum Sprechen ansetzen will. Doch gerade als ich etwas sagen will mache ich den Schatten einer Gestalt aus, die direkt auf uns zuzukommen scheint, sich dennoch aber vor uns versteckt zu halten scheint. "Was glotzt du denn in die Ferne? Mach dein Maul auf und rede gefälligst mit mir, Blondie!", kommt es bissig von Anya – erwartungsgemäß unfreundlich. Ihre Worte interessieren mich im Moment jedoch herzlich wenig – der Gestalt, die sich da hinter einem Baumstamm versteckt wohnt gerade meine vollste Aufmerksamkeit inne. Und diese Person scheint sich nun tatsächlich dazu zu entschließen, sich uns zu nähern. Also versuche auch ich mich aufzurichten und schaffe es sogar, mich normal aufzusetzen. Stechender Schmerz durchzuckt meinen Körper vom Kopf aus, ehe er in den Rest meines Körpers ausstrahlt. Kurz stöhne ich auf die Schmerzen ehe ich mich wieder fange. Ich muss zusehen Anya und mich vor diesem Schergen zu verteidigen. Also strecke ich die Hand nach dem Breitschwert aus, das unweit neben mir auf dem Boden liegt. Die verhüllte Gestalt kommt dennoch immer näher und näher, hat uns fast schon erreicht. Auch Anya dürfte es kein Rätsel mehr sein, warum ich ihr nicht antworte, gerät sie doch augenblicklich in Panik. "Oh was zum Henker?! Nicht noch ein Dieb!", kommt es panisch von ihr während ich mich weiter meiner Waffe widme. Gerade schaffe ich es, den Griff der Waffe in die Finger zu bekommen als die Gestalt auf einmal ihre Worte an uns richtet. Erst als ich höre wer da zu mir spricht lasse ich die Finger wieder von der Waffe und seufze erleichtert. "Regret, was macht Ihr denn hier? Um Himmels Willen Ihr seid verletzt!", kommt es von Matthew, dem Arzt, der mich zuvor noch bei sich aufgenommen hatte. Schnell eilt er herbei und hilft mir auf, ehe ich mit ihm gemeinsam in die Stadt und in sein Haus zurückkehre. Dort versorgt er meine Kopfwunde ehe er neben meinem Krankenlager Platz nimmt und mich eindringlich mit seinem Blick mustert. Erst Anya schafft es die zwischen uns herrschende Stille zu durchbrechen. "Wie habt Ihr uns gefunden?", will sie von dem Arzt wissen der kurz so nickt als ob er diese Frage bereits sehnsüchtig erwartet hätte. "Ich habe Euren Zettel gelesen dass Ihr etwas draußen wäret und auf Nahrungssuche ginget. Dennoch wart Ihr erheblich lange fort sodass ich mir sofort Sorgen machte. In Eurem verwirrten Zustand hätte Euch so Einiges widerfahren können und das ist es scheinbar leider ja auch.", meint der Arzt was mich nicht sonderlich zufrieden stimmt. Was soll das denn jetzt bitte heißen? Dass er so etwas schon längst vorhergesehen hatte weil ich seiner Ansicht nach zu blöd dazu bin, mich wie ein normaler Mensch zu verhalten? Ich bin nicht verwirrt! Ich bin bei klarem Verstand! Zu gerne würde ich ihn fragen wie er sich verhalten würde wenn er eigentlich tot gewesen ist und dann urplötzlich wieder zum Leben erwacht um sich vor den Stadttoren einer fremden Stadt wieder zu finden, dennoch unterlasse ich das. Kurz seufze ich ehe ich meine Augen schließe. Nein, ich werde ihm überhaupt nichts entgegnen, nicht Kund tun dass mir seine Redensart nicht behagt und dass er mir mit seiner Wortwahl vielleicht sogar etwas Unrecht tut. Dazu fühle ich mich gerade nicht Imstande, ich habe keine Kraft für irgendwelche Diskussionen oder Widerreden. Ich denke dass ich erst einmal etwas Ruhe benötige um das Geschehene verdauen zu können. Den Blick des Arztes, der mich scheinbar zu durchbohren scheint, kann ich förmlich spüren. "Ruht Euch etwas aus, Ihr braucht die Ruhe, sie wird Euch gut tun. Solltet Ihr Irgendetwas benötigen lasst es mich jederzeit gerne wissen. Ich werde jetzt noch eine Kleinigkeit essen und dann zu Bette gehen, wir reden dann morgen. Gute Nacht.", sagt er, ehe er uns allein zurücklässt und die Türe zu meinem Krankenzimmer hinter sich schließt. "Verdammt! Die kriegen wir nie! Sie sind zu schnell!", kam es von Nicoon, der gemeinsam mit Tuturan und Daza hinter den Schergen hereilte, die kurz zuvor noch den blonden Mann mit der Fee attackiert hatten. Die drei Minotaur jagten wie wild hinter den Angreifern her, die sich scheinbar jedoch besser in der Gegend auskannten, in der sie gerade zugange waren und so leichter fliehen konnten. Und tatsächlich schafften sie es, die drei Minotaur abzuhängen und vollends allein dastehen zu lassen. Atemlos blieben die drei Jäger stehen und sahen sich gegenseitig ratlos an. "Schande, was jetzt?", wollte Tuturan wissen, während Daza einen Blick in die Richtung warf, in die die Angreifer verschwunden waren. "Die sind erstmal weg von Deva Castle und dem König. Lasst uns zurückkehren und dann geben wir in der Stadt dem leitenden Kommandanten den Auftrag, die Kerle zu fassen.", schlug Daza vor woraufhin sich die drei auf den Weg in die Richtung machten, in der sie den verletzten Mann vermuteten, der von den Schergen zuvor noch attackiert worden war. Doch war der blonde Mann nirgends mehr anzutreffen. Der Mann lehnte nicht mehr an dem Baumstamm, gegen den Nicoon ihn vor wenigen Minuten noch gelehnt hatte. "Sind wir an der falschen Stelle oder was?", fragte Tuturan und runzelte die Stirn ehe er etwas Schimmerndes auf dem Waldboden ausmachte. Das Amulett, welches der Mann getragen hatte, lag noch auf dem Waldboden, wo er es kurz zuvor noch unbewusst verloren hatte. "Verdammt, wo ist er hin?", fragte Nicoon entsetzt während die drei Krieger den halben Wald durchkämmten um den Mann zu finden, jedoch vergebens. "Na hoffentlich geht es dem Kerl gut. Hoffentlich hat ihn kein Monster gerissen oder Derartiges...", murmelte Tuturan während die drei Krieger beisammen standen und über ihr weiteres Vorgehen berieten. "Wir können ihn hier nicht finden, auch setzt die Dämmerung bald ein. Lasst uns zum König zurückkehren und dann dem Militär auch hierzu einen Auftrag zukommen lassen, nach dem Kerl zu suchen.", schlug Daza erneut vor woraufhin alle drei zu König Lu zurückkehrten. Gemeinsam kehrten sie in Deva Castle ein während Daza Lu über alles Geschehene in Kenntnis setzte. Sofort machten sie sich daran in das Kommandantenzimmer in der Burg zu gehen, in welchem sich die obersten Kommandanten Deva Castles zu ihrer täglichen Arbeit trafen. Gerade eben trafen sie jedoch nur eine einzige Kommandantin an, die ihre Arbeit stillschweigend verrichtete. Die blauhaarige Frau saß über eine Karte gebeugt da, während sie mit mehreren Stecknadeln mehrere Stellen auf der Karte punktierte. Erst ein Räuspern seitens Daza riss die Frau aus ihrer Arbeit und veranlasste sie dazu in Anbetracht ihrer hohen Gäste sofort aufzuspringen. "Verzeiht mir meine Unhöflichkeit!", entschuldigte sie sich sofort hektisch ehe sie sich tief vor dem König und den Neuankömmlingen verbeugte, "Kommandantin Ruira zu Euren treuen Diensten. Wie kann ich Euch behilflich sein?", fragte sie höflich als auf einmal eine weitere Person den Raum betrat. "Hallo~", kam es von einer großen Frau mit extrem langem, lockigem blonden Haar, die Daza kurz auf die Schulter klopfte, "du stehst ein klein wenig ungünstig im Türrahmen, mein Guter.", meinte sie grinsend und schubste Daza in den Raum ehe sie die Türe hinter sich zuzog. "Ecne!", kam es überrascht von dem Minotaur während sich die Angesprochene provokant auf der Tischplatte niederließ des großen Tisches niederließ, der in der Mitte des Raumes stand und der mit sämtlichen Karten und Dokumenten übersät war. Das Kommandantenzimmer war ein recht geräumiger Raum, der von dem massiven Tisch und mehreren an den Wänden und an Kartenständern hängenden Karten als Ambiente verschönert wurde. Eine breite Fensterfront sorgte dafür, dass ausreichend Tageslicht in das Rauminnere gelangte und eine Flagge an der Wand erinnerte daran, dass man sich hier im Kommandantenzimmer der Stadt Deva Castle befand. Alsbald Ecne ihren Platz gefunden hatte bedeutete sie allen Anderen, sich ebenfalls zu setzen, auch Kommandantin Ruira nahm wieder vor ihrer Karte Platz. Das war Ecne. Generalin Ecne um genau zu sein – eine sehr bekannte Persönlichkeit. Gemeinsam mit Lu, Morpice und Daza hatte sie damals einen von vier legendären Kriegern dargestellt, die die Welt vor Schlimmem gerettet hatten. Noch heute war sie eine Legende und hatte – zumindest bis zum Ableben von Morpice und zur Krönung von Lu – gemeinsam mit Lu und Morpice als Generäle für das Königreich Andra gedient. Und nun hielt nur noch sie als Generalin die Stellung – Lu war König und Daza war nie zum Militär gegangen und Lus königlicher Berater. Dennoch schaffte sie all das auch leicht allein: Ecne war berühmt-berüchtigt für ihre doch sehr eigenen Charaktereigenschaften. Sie war direkt, wirkte manchmal unhöflich und nahm sich immer, was sie wollte. Ecne kannte keine Furcht, sie schaffte es dennoch Leute das Fürchten zu lehren. Und so kam es, dass sie sich überall ihren Namen machte und bis heute bekannt oder gar gefürchtet war. Dass Ecne zum Beispiel provokant auf der Tischplatte Platz nahm war ein ecne-typisches Verhaltensmuster – sie nahm sich eben, was sie wollte und verhielt sich, wie sie wollte. Ob der König in ihrer Gegenwart war oder der Große Erschaffer es selbst wäre – es würde sie nicht im Geringsten kümmern. Erst schüttelte Lu leicht den Kopf über das Verhalten seiner Kameradin ehe er sich neben ihr auf einem Stuhl niederließ. Auch Daza, Tuturan und Nicoon ließen sich an dem Tisch nieder ehe sie Ecne von ihren heutigen Erlebnissen berichteten. "Das klingt nicht sonderlich gut. Was waren das nur für Kerle?", fragte Ecne während sie sich mit einer Hand durch ihr langes, lockiges Haar fuhr. "Keine Ahnung. Entweder waren sie normale Schergen oder aber sie gehörtem dem Devil Tribe an, wobei ich Letzteres für eher unwahrscheinlich halte.", meinte Daza. "Gut, ich schicke sofort Jemanden. Ruira, sei so lieb.", bat sei ihre Kommandantenkollegin, die sofort aus dem Raum eilte und alles Zugehörige einleiten würde. "Ich dachte du nimmst dich der Sache vielleicht persönlich an.", kam es von Lu, der Ecne direkt musterte. "Vergiss es, Lu. Wieso sollte ich mich solchen Lappalien annehmen? Das ist Kinderkacke, mit Sowas können sich die normalen Kommandanten beschäftigten.", meinte Ecne harsch worauf der Andere nur seufzte – das war typisch für Ecne, sie war eben eine abgebrühte Frau, die ihre Meinung auf doch recht direktem Wege Kund tat. "Sieh dir die Karte hier an.", sagte sie zu ihrem König und schnappte sich einen Stab, der auf dem Tisch lag, um von ihrer Position auf dem Tisch aus ein paar Punkte an der Karte anzutippen, "siehst du das? Oder das hier? Oder das? Das alles sind Dinge, die mich mehr interessieren sollten. Der Devil Tribe attackiert immer und immer wieder dieselben Stellen, verstehst du? Aber irgendwelche vermissten Kerle suchen? Schergen schnappen? Sorry, Schätzchen.", sagte sie und legte den Stab wieder beiseite, ehe sie aufsprang, "wir haben die Lage unter Kontrolle – ich wollte dir nur die Gewichtung bestimmter Sachen näher erörtern. Jetzt wo du nicht mehr beim Militär tätig bist hast du vielleicht die ein oder andere Sache vergessen.", meinte sie grinsend und beugte sich etwas zu ihrem König und Freund hinab, dem sie den Kopf tätschelte und welchen sie dann leicht lächelnd musterte. "Alles klar, Ecne.", kam es von Lu während Daza nachdenklich dreinblickte. "Was hast du, Daza?", fragte der König den Minotaur, der kurz seufzte. "Was, wenn sie ihn nicht finden? Ich könnte mir nicht verzeihen wenn ihm etwas zugestoßen wäre. Der Mann war wehrlos.", sagte der Braunhaarige besorgt ehe Nicoon sich einschaltete. "Ja, er war wahrhaftig wehrlos.", bestätigte der Kollege Dazas seinem Kameraden nochmals, was diesen nicht unbedingt beruhigte. Ecne lachte nur kurz tonlos, ehe sie auf Daza zuging und dessen Kinn anhob während sie ihn aus ihren nachtblauen Augen ernst musterte. "Daza. Wir sind das Militär. Wir sind gut, verdammt gut. Und du bist lieber vorsichtig uns Unfähigkeit zu unterstellen. Wir finden Jeden, den wir haben wollen, kapiert?", fragte die Generalin woraufhin Daza nur leicht lächelnd nickte. "Du hast ja recht. Das Militär, also ihr, werdet ihn finden.", sagte er während Ecne zufrieden sein Kinn los lies und Daza sich daran machte, das Amulett des Fremden aus seiner Hosentasche zu kramen. "Was ist das? Hast du mir ein Geschenk mitgebracht oder willst du mich bestechen, du Schleimer?", fragte Ecne während auch Lu aufstand, um sich das Amulett genauer ansehen zu können. "Das gehört dem Gesuchten...", sagte Daza, "...wobei es mir irgendwo vertraut vorkommt.", setzte er nach während Ecne ihm das Schmuckstück aus der Hand nahm, um es selbst zu begutachten. Mit ihren Fingern fuhr sie die Verzierungen des Amuletts nach ehe sie es vor ihr Dekolleté hielt. "Steht mir doch, oder?", meinte sie scherzend ehe sie zum Fenster ging, dieses öffnete und einen Moment in die einkehrende Nacht starrte. Dann, als sie gefunden hatte, wonach sie einen Moment lang gesucht hatte, nahm sie Daumen und Zeigefinger in den Mund um einmal laut zu pfeifen. Ruira, die draußen mit dem Suchtrupp im Burginnenhof stand richtete ihren Blick nach oben zu Ecne, die ihr das Amulett nun zuwarf. "Ecne bist du des Wahnsinns?!", kam es entsetzt von Lu während Ecne nur mit dem Daumen nach oben zeigte – die Kommandantin hatte das Amulett erfolgreich aufgefangen. "Ist doch Alles gut gegangen.", sagte sie zu Lu, ehe sie sich wieder zu Ruira wandte, "das gehört dem Typen, der vermisst wird.", sagte sie, ehe sie das Fenster wieder schloss und den Vorhang des Raumes wieder zuzog, um sich umzudrehen und ihre Gäste wieder mustern zu können. "Wir finden ihn schon, keine Sorge. Und jetzt beschreibt mir mal diese Schergen, die auf ihn und euch losgegangen sind.", forderte sie und zückte ein Blatt, auf dem sie alles Wichtige vermerken würde um dies dann an ihre Offiziere weiterleiten zu können, die eine entsprechende Fahndung einleiten würden. Für einen Moment liege ich schweigend da ehe ich meine Augen wieder öffne und die Fee erblicke, die neben meinem Krankenbett flattert. "Wie geht es dir, Blondie?", fragt mich Anya, woraufhin ich am liebsten nur geseufzt hätte, dennoch bin ich Anya eine vernünftige Antwort schuldig. "Es ging mir schon besser, mein Kopf schmerzt abgöttisch. Ansonsten geht es mir jedoch gut.", meine ich und sehe sie dann abwartend an, "und wie geht es dir?" "Ich glaube ich bin mit einem Schrecken davon gekommen, so geht es mir aber auch ganz gut.", lässt mich die Fee wissen ehe sie mich fragend ansieht, "wer waren diese Typen nur? Glaubst du das waren Shaturus Leute?", will sie wissen, woraufhin ich nur die Schultern zucke. Ich weiß es nicht, ich kann es wirklich nicht sagen. Gestern noch bin ich vor den Toren Deva Castles aus dem Tode erwacht – wie soll ich also wissen ob unsere Angreifer Shaturus Leute waren? Weiß er überhaupt, dass ich lebe? Vielleicht waren diese Kerle auch hinter meiner Ladon-Energie her? Vielleicht waren sie auch einfach nur stinknormale Räuber? Wer weiß das schon. Zu viele Gedanken strömen auf mich ein, die ich im Moment nicht unbedingt gut einordnen kann. Ruhe tut mir denke ich fürs Erste gut, also entschließe ich mich dazu, mich erstmal auszuruhen ehe ich irgendwelche Rückschlüsse oder Nachforschungen zu dem heutigen Tage anstellen werde. "Ich weiß es nicht, Anya. Es gibt so viele Möglichkeiten, was diese Leute sein könnten. Sie können ganz normale Personen sein, ganz gewöhnliche Diebe. Sie können aber auch hinter meiner Ladon-Energie her sein, wer weiß das schon? Lass uns fürs Erste schlafen.", meine ich bittend und senke immer weiter meine Stimme – Matthew soll nicht unbedingt mitbekommen, dass er 'den Feind' höchstpersönlich in seinem Haus hat. Rein rechtlich gesehen gehöre ich ja dem Devil Tribe an, bin also de facto ein Feind der Menschen. Dennoch habe ich mich der Menschheit angeschlossen, um gegen meinesgleichen zu kämpfen. Wüsste der Arzt jedoch, dass ich ein Angehöriger des Devil Tribes bin würde er mich sicherlich nicht so ohne weiteres bei sich übernachten lassen. Anya scheint meinen Vorschlag nicht allzu schlecht zu finden und legt sich selbst ebenfalls hin. Dass sie noch lange darüber nachgrübelt, wer unsere Angreifer waren und was die Beweggründe für ihren Angriff darstellen weiß ich nicht, werde ich doch schon bald vom Schlafe übermannt. Ein helles Licht weckt mich. Glühendes Licht scheint mich zu umgeben. Verschlafen öffne ich meine Augen und erschrecke für einen Moment, finde ich mich doch in einer Höhle wieder. Lava umgibt das Felsplateau, auf dem ich mich wiederfinde. Haben mich die Kerle aus dem Wald etwa in eine Höhle verschleppt? War ich nicht kurz zuvor noch in Matthews Haus? Oder habe ich nur geträumt in Matthews Haus zu sein? Etwas erschrocken blicke ich drein ehe ich mich wieder fange und mich von meinem Standpunkt aus etwas in der Höhle umsehe. Ich muss hier weg – wenn meine Verfolger hier sind haben sie mich vielleicht für den Moment aus den Augen gelassen um dann wieder zurück zu kommen. Das ist meine Chance, jetzt oder nie! Also eile ich drauflos, ziellos und völlig orientierungslos husche ich an mehreren Felsen vorbei ehe ich erschrocken innehalte. Eine Gestalt läuft unweit mir durch die Höhle. Nun gut, als vollwertiges Laufen kann man das vielleicht nicht unbedingt bezeichnen, dennoch geht diese Gestalt durch die Höhle. Schwankend und stolpernd macht sie sich daran, gen Norden zu laufen. Dennoch gerät die Gestalt immer wieder nahe an die Lava, ein gefährliches Unterfangen. Ob das wohl ein Wächter meiner Peiniger ist? Ob mir diese Person wohl friedlich gesinnt ist? Ich weiß es nicht, kann von meiner Position aufgrund der glühenden Hitze, die meine Sicht verschliert, aber auch nicht erkennen um wen es sich bei dieser Person handelt. Kurz warte ich noch bis die Person verschwunden ist, ehe ich meinen Weg fortsetze. Irgendwie kommt mir diese Höhle bekannt vor. Alles kommt mir irgendwie unwahrscheinlich vertraut vor. Gerade passiere ich eine weitere Felsgruppe als ich zu einem großen Felsplateau gerate, welches von Lava umgeben ist. War ich hier... nicht schon einmal? Irgendwie kommt mir auch dieser Ort bekannt vor. Sehe ich mich an diesem Ort genauer um bestätigt sich mir meine Annahme: hier bin ich soeben aufgewacht! Wie kann das nur sein? Bin ich im Kreis gelaufen? Mit einem Stein markiere ich eine Stelle auf dem Felsboden und will mich gerade wieder erheben, als mich eine Person bei den Schultern packt. "Es ist Alles deine Schuld.", zischt die Person, die eher tot als lebendig wirkt. Schockiert muss ich feststellen, dass es sich bei dieser Person um meinen toten Sohn Chael handelt, der mich mit einem wilden Blick mustert. Allein sein Blick scheint mich schon in Stücke zu reißen während ich ihn noch immer perplex mustere. Seine Kleidung hängt in Fetzen an seinem Leib, der völlig von Schrammen und Blut übersät ist. Knochige Hände umfassen meine Schultern während mich mein Sohn immer weiter in Richtung der Lava zurückdrängt. Ich will sprechen, will zum Reden ansetzen und doch kommt kein Laut über meine Lippen. Verzweifelt starre ich meinem Sohn entgegen, der mich dann doch gegen eine Felswand drückt und mich am Kragen packt, während er mich mit seinen rotbraunen Augen zu durchleuchten scheint. "Du bist schuld.", wiederholt er seine Worte von vorhin, "du bist schuld, dass ich nicht mehr leben kann!", setzt er nach, woraufhin ich nach seinen Schultern greifen will. Ich weiß es, ich weiß dass ich Schuld an seinem Tod bin. Aber jetzt, wo wir schon hier sind – vielleicht kann ich ihn ja doch noch retten? Ich will ihm meine Schuld eingestehen, will ihm versprechen, dass ich es wiedergutmachen werde und doch kann ich nichts sagen. Ich will mein Schicksal ändern und doch scheint es mich fest in seinem eisernen Griff zu haben. Was für ein Alptraum ist das? Plötzlich beginnt die Erde zu beben. Die Höhle beginnt einzustürzen! Felsen stürzen von der Decke auf uns herab, während wir uns weiterhin gegenüberstehen, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Gerade als ich nach den Schultern meines Sohnes greifen will verschwindet seine Silhouette im Feuer, Flammen stieben empor und ich befinde mich wieder vor der Höhle, deren Ausgang komplett von eingestürzten Felsen versperrt ist. Schluchzend sinke ich vor den Felsen in die Knie, lehne meine Stirn an die kühlen Felsen und weine um den Verlust meines Sohnes, ehe ich erneut den Halt verliere. Ich falle in die Tiefe, Alles wird schwarz um mich. Kurze Zeit später finde ich mich vor Shaturu in dessen Kammer wieder. Ein Schwert steckt in meiner Brust während ich röchelnd auf dem Boden liege und die Personen mustere, die ihren Sieg feiern. Die rothaarige Kommandantin lacht finster während auch Shaturu in ihr Lachen einfällt und mir vor Augen führt, wie gut er mich doch hinters Licht geführt hat. "Cha-el.", stammle ich, nicht merkend dass Anya und Matthew wie wild auf mich einreden. Erst ein erneutes Rütteln an meinen Schultern entreißt mich aus meinen wirren Träumen und befördert mich wieder in die Realität zurück, der ich normalerweise auch angehöre. Erschrocken starre ich in die zwei besorgten Gesichter des Arztes und der Fee. "Blondie?", spricht Anya mich fragend an während ich mich schwer atmend etwas aufsetze. Was für ein Traum war das denn jetzt? So wirr habe ich schon lange nicht mehr geträumt. Erneuter Schmerz durchzuckt meinen ganzen Körper und lässt mich wieder auf das Krankenbett zurücksinken. "Ist Alles mit Euch in Ordnung, Regret?", fragt Matthew und legt mir behutsam seine Hand auf meine Schulter, "Ihr habt wohl sehr schlecht geträumt. Fieber habt Ihr Keines dennoch habt Ihr viele hektische Worte verloren und immer wieder einen Namen ausgesprochen. Chael, ja genau. Diesen Namen habt Ihr immer und immer wieder aufs Neue ausgesprochen.", meint der Arzt woraufhin ich erneut die Augen schließe und tief durchatme. Die in mir aufsteigende Trauer will ich den Arzt nicht sehen lassen, seine Frage allein schmerzt mich schon zu sehr, ich darf mich nicht von meiner Trauer übermannen lassen. Nicht in seinem Angesicht. Als ich mich wieder etwas beruhigt habe sehe ich den Arzt mit merklich gefasstem Blick wieder an. "Es ist nichts. Alles ist gut. Ich habe nur schlecht geträumt.", antworte ich ihm woraufhin der Andere meine Schulter kurz etwas mit der Hand drückt, die noch immer dort verweilt. "Egal was es ist – Ihr könnt gerne mit mir reden wenn es Euch hilft.", meint er ehrlich und schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln, ehe er mich wieder fragend ansieht, "wie fühlt Ihr Euch heute?", will er von mir wissen. "Habt vielmals Dank dennoch ist das nicht notwendig.", sage ich ehe er glücklicherweise endlich das Thema wechselt, "es geht. Ich habe nur schreckliche Kopfschmerzen.", sage ich woraufhin der Andere nickt. "Ich werde Euch ein Schmerzmittel zubereiten, ich bin gleich zurück. Eine Kleinigkeit solltet Ihr auch essen und etwas trinken.", stellt er fest ehe er aus dem Zimmer verschwindet. "Ich könnte auch etwas zu knabbern vertragen!", meint Anya scherzend ehe sie mich wieder mustert, "na Blondchen? Hast wohl von Shaturu geträumt oder warum hast du dein Gesicht so verzogen?", fragt sie mich vermeidet es dennoch aber tunlichst, mich auf meinen verstorbenen Sohn anzusprechen. Ich rechne ihr wahrlich hoch an dass sie mich damit in Frieden lässt, vermutlich steckt irgendwo tief in ihrem Inneren doch ein guter Kern. "Unter Anderem, ja.", gebe ich zu woraufhin die Fee sich auf meiner Brust niederlässt. "Hm, kein Wunder. Sei mal ehrlich – wie geht es dir?", will sie von mir wissen und fixiert mich mit ihren orangefarbigen Augen ehe ich mich etwas aufrichte, um ihr in die Augen sehen zu können. "So, wie ich es dem Arzt schon gesagt habe. Gut, mir ist vielleicht auch etwas übel.", gebe ich noch zu woraufhin die Fee sofort wieder in die Luft flattert. "Uh heißt dass das du dich übergeben musst?", fragt sie während ich mich vollständig aufsetze und kurz etwas lächle. "Nein.", gebe ich nur zurück und bin amüsiert über die Tatsache, wie schnell die Fee auf einmal verschwunden ist. Kurz bleibe ich einen Moment lang still sitzen und fixiere mit meinem Blick die Wand gegenüber mir um dem kurzfristig einsetzenden Schwindel entgegen zu wirken. Dann, als der Schwindel endlich abgeklungen ist, richte ich mich vorsichtig auf, was jedoch erneuten Schwindel auslöst. Kurz taumle ich etwas, stütze mich dann jedoch an der Wand ab um so weiter gehen zu können. "Regret! Bist du des Wahnsinns?! Du sollst noch nicht gehen, du hast doch gehört was der Arzt gesagt hat - du brauchst Ruhe!", schalt mich die Fee während ich ihre Worte ignorierend auf das Fenster zugehe und vor diesem schlussendlich zum Stehen komme, "hallo?! Hörst du mir zur, Blondie?!", faucht die Fee woraufhin ich nur leicht nicke. "Muss ich ja zwangsläufig.", meine ich neckisch woraufhin die Andere nur seufzt. "So schlecht kann es dir ja nicht gehen wenn du noch gegen mich sticheln kannst.", meint sie während ich meinen Kopf gegen das kühle Fensterglas lehne und etwas nach draußen sehe. Erneut beobachte ich das hektische Treiben in den Straßen Deva Castles. Die Stadt ist wahrlich zu einem würdigen Zentrum erwachsen. Wie viele hunderte Menschen wohl hier leben? Oder gar tausende? Eine Zeit lang stehe ich nachdenklich da während ich eine Person mustere, die zielsicher durch die Straßen geht und scheinbar gleich mehrere Personen nach etwas befragt. Irgendetwas hält sie in ihrer Hand, das aus der Ferne wie ein Blatt Papier wirkt. Sie scheint etwas zu suchen, zeigt sie doch immer wieder von Neuem auf das Blatt wenn sie mit einer weiteren Person spricht. Dass die Personen den Auftrag General Ecnes ausführt, mich zu suchen vermag ich beim besten Willen nicht zu ahnen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)