Saphirblau von S-Ra (Sasuke & Sakura) ================================================================================ Kapitel 1 --------- E I N S Keuchend rannte eine eilige Frau den langen Bürgersteig New Yorks entlang, wobei sie die ein oder andere Person in ihrer Nähe zur Seite schubste, damit sie den Vorgang hatte. Diese Leute beschwerten sich bei ihr mit Rückrufe oder furiosen Blicken, die Sakura Haruno mit mehreren Entschuldigungen quittierte. Ihre Augen, die vermischte Grünfarbtöne von kellygrün bis hin zu permanentgrün besaßen, folgten intensiv den braunen Shiba Inu, der ungefähr zehn Meter weiter vorwärts rannte. „Ich hätte mir doch lieber eine Katze kaufen sollen“, keuchte Sakura leise gegen ihre vollen Lippen und spürte eine Sekunde später, die heftigen Seitenstiche, die durch das permanente Laufen verursacht worden waren. Na klasse. Womit hatte sie das nun wieder verdient? Sie wollte doch nur, mit Nawaki einen ganz normalen Spaziergang machen und keinen Marathon veranstalten. Das passierte nun, wenn sie sich ein neues Haustier kaufte und es keine großartige Beachtung schenkte. Aber woher hätte sie auch wissen sollen, dass sie mit Leckereien bei ihrer Hündin nicht punkten konnte? Nawaki bog plötzlich nach rechts, rannte unter dem Rock einer plötzlich aufkreischenden Frau hindurch, und versteckte sich im großen New York-Playground. Sakura klatschte sich konsterniert auf die etwas zu groß geratene Stirn, während sie weiterhin rannte und danach die Hand wieder zu sich nahm. Am liebsten wollte sie den Namen ihrer Hündin schreien, aber es würde nichts bringen – Nawaki hörte nicht auf sie. Noch ein Grund, weshalb Sakura sich hätte besser eine Katze kaufen sollte. Ihre Lunge schmerzte. Es war ein Fehler gewesen, hastig mit dem Mund zu atmen. Sakura war sowieso nicht die Schnellste gewesen, und Sport konnte sie seit der Grundschule nicht leiden. Noch ein verdammter Grund, sich besser eine Katze zu kaufen! Plötzlich, als hätte Gott erbarmen mit ihr gehabt, blieb der Hund im Zentrum des Parks stehen und ließ sich dabei von einem gut aussehenden Mann am Kopf streicheln. Bei genauerer Betrachtung stellte Sakura sofort fest, dass der Mann ein Japaner war. Sie würde immer und überall ihre Landsleute in einem fremden Land erkennen. Sie blieb außer Puste vor ihm stehen. „Vielen Dank ... dass Sie meine Hündin aufgehalten haben ... Sie wäre mir sonst noch beinahe davongelaufen“, sagte sie keuchend, und ein kleines nervöses Lächeln bildete sich auf ihre Lippen. „Ist sie denn nicht weggelaufen?“ Ihre Atmung normalisierte sich, und ihre Wangen nahmen einen dunklen Farbton an. Das war peinlich, weil der Fremde nämlich volle Kanne ins Schwarze getroffen hatte. „Sagen wir trainiert und nicht weggelaufen.“ Sie lächelte beschämt. Naruto brach in schallendes Gelächter aus. Sakura sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Er sah wirklich attraktiv in seinem schwarzen Anzug aus, aber wenn er lächelte, schmolz jede Frau in seiner Nähe vollkommen dahin. Ein Wunder, dass ein so eleganter Mann sich in ihrer Nähe aufhielt. „Ich bedanke mich wirklich sehr bei Ihnen, Sir“, sagte Sakura plötzlich und festigte die rote Leine, die sie die ganze Zeit bei sich gehabt hatte, an Nawakis Halsband. Naruto winkte ab. „Ist kein Problem. Ein anderer hätte es genauso wie ich gemacht; vielleicht mit dem Unterschied, dass derjenige den Hund entführt hätte.“ Sakura sah ihn an. „Hätten Sie das auch getan?“ „Niemals. Hunde sind nicht meine besten Freunde.“ Naruto schmunzelte. „Ich habe einen fetten Kater bei mir Zuhause.“ Ein Schnauben verließ ihre Kehle. „Als meine Hündin weggelaufen war, hatte ich auch das dumpfe Gefühl gehabt, dass ich mir lieber eine Katze hätte kaufen sollen anstatt einen Hund“, erzählte sie. „Katzen sind doch viel schneller, oder nicht?“ „Na ja, aber man müsste mit ihnen nicht Gassi gehen.“ Beide lachten, sprachen über Gott und die Welt, bis die rosahaarige Frau nach einigen Minuten auf ihre goldene Armbanduhr schaute und ihr schlagartig einfiel, dass sie dringend nach Hause musste. Naruto bemerkte ihre nachdenkliche Miene. „Was ist los?“ Er blinzelte. „Sagen Sie jetzt nicht, dass Sie was im Ofen liegen haben.“ „Nein. Das ist wirklich keine Ausrede, aber ich bin momentan sehr beschäftigt. Ich lebe alleine und muss mich daher um alles kümmern.“ „Haben Sie einen Freund?“, stellte er die abrupte Frage, die sofortige Wirkung auf Sakuras glühendes Gesicht zeigte. Er bemerkte die angespannte Stimmung, ehe er echauffiert die Hand vors Gesicht wedelte. „Nein, nein, verstehen Sie mich bitte nicht falsch, so meinte ich das nicht! Ich meinte, ob Sie denn keinen Freund haben, der Ihnen hilft.“ Die Röte verschwand. „Oh … ähm, nein. Ich habe mich erst vor kurzen von meinem Ex getrennt. Nun lebe ich alleine in meiner Wohnung – und das ist auch gut so.“ Männer machen nur Probleme, lag ihr auf der Zunge, doch sie verkniff sich diese Bemerkung gerade noch rechtzeitig. „Ach so.“ Er schob die Augenbrauen hoch. Sie waren blond, fiel Sakura gegenwärtig ein. „Und haben Sie auch einen Job?“ Der Glanz in ihren Augen verlor den Wert. „Auch diese Frage muss ich leider wieder verneinen“, war das erste, was sie sagte, bevor ihre langen Beine sich in Bewegung setzten. Doch eine Hand auf ihrer Schulter hielt sie auf. Sie brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass Naruto derjenige war, der sie aufhielt. „Bei euch Frauen muss man wirklich aufpassen, was man sagt“, ertönte seine angenehme Stimme, die eine Gänsehaut auf ihren Oberarmen verursachtete. Sakura drehte sich zynisch um. „Genau so ist es.“ Seufzend fuhr Naruto sich durchs Haar. Frauen waren genauso wie das Entschärfen von Bomben: Ein kleiner Fehler – und man war am Arsch. „Was sagen Sie, wenn ich Ihnen einen Job anbiete?“, fragte er vorsichtig weiter, doch bekam augenblicklich eine schallende Ohrfeige vom Feinsten. „Sehe ich aus wie eine Hure?!“, schimpfte sie empört. „Herrgott!“, rief er laut. „Wieso verstehen Sie immer alles falsch, was ich Ihnen sage? Und fuck, haben Sie eine Kraft!“ „Fünf Jahre Judo, mein Lieber“, erzählte sie stolz. Wohl eher fünf Jahre im Irrenhaus, dachte Naruto und hielt sich die brennende Stelle. Er konnte ihren Schlag nicht mal vorhersehen, so schnell war sie gewesen. Und was für eine Kraft sie besaß. Junge, junge. „Kennen Sie die Firma CEO Uchiha?“, fragte er nun ruhig, auch wenn das starke Pochen seiner roten Wange höllisch schmerzte. „Machen Sie Witze?“ Sie schnaubte. „Natürlich kenne ich die Firma. Sie ist schließlich weltberühmt. Jeder möchte dort arbeiten.“ „Und wollen Sie dort auch arbeiten?“ Sakura stockte der Atem. „Darauf wollten Sie hinaus? Dass ich bei CEO Uchiha arbeiten soll?“ „Hätten Sie mich zu Ende sprechen gelassen und mir keine gescheuert, dann wären wir schon längst in der Firma und hätten den Vertrag unterschrieben“, meinte er und zuckte gelassen mit den Achseln. „Sie verarschen mich doch.“ Unmöglich, schoss es ihr durch den Kopf. Weshalb sollte ein Mitarbeiter bei der berühmtesten Firma New Yorks bitteschön zu ihr kommen und ihr dort eine Arbeit anbieten? Das ergab doch alles gar keinen Sinn. „Wir haben ein kleines Problem in der Firma“, erzählte Naruto seufzend, als die Frau keine Antwort auf sein Angebot gab. „Uns fehlt eine zuverlässige Sekretärin.“ „Sekretärin?“, wiederholte Sakura. „Und da dachten Sie, dass ich bestens dafür geeignet wäre?“ „Sie haben kein Job, sind selbstständig, sehen intelligent aus, und haben eine Kraft, von der ich sogar denke, dass Sie stärker als unsere Secruity sind.“ „Woher wollen Sie wissen, dass ich intelligent bin? Ich könnte auch so gut wie bescheuert sein und nur so tun, als sei ich schlau.“ Sie schnaubte. Naruto lächelte. „Ihre breite Stirn hat Sie verraten.“ Natürlich. Er war Japaner und kannte somit auch, dass Menschen mit einer hohen Stirn in Japan als sehr intelligent galten. „Für diesen Spruch hätten Sie jetzt allerdings noch eine Ohrfeige kassiert.“ „Sie sind eine Sadistin.“ Er lachte und hielt sich reflexartig seine beiden Wangen. „Und, was sagen Sie? Nehmen Sie das Angebot an oder nicht?“ Sakura biss sich auf die Unterlippe. „Werden Sie mein Chef werden?“ „Wollen Sie das denn?“ „Nein. Alles, aber bloß nicht das.“ Er zog einen Schmollmund. „Sie sind gemein.“ „Ich weiß.“ Sie seufzte. „Das hat mein Ex-Freund auch gesagt, nachdem ich ihn beide Beine gebrochen hatte, als er mich verließ.“ Er schluckte den Riemen hinunter, den er die ganze Zeit geschmeckt hatte, und machte einen Schritt nach hinten. „Wissen Sie was? ich glaube, wir vergessen das alles hier, okay?“ Augenblicklich wich er mit dem Kopf zur Seite, als er Sakuras kommenden Faustschlag entdeckte. „Machen Sie einer Frau niemals falsche Hoffnungen, das kann wirklich in die Hose gehen. Oder auch zwischen die Beine, wenn Sie verstehen, was ich meine“, sagte sie zynisch und deutete auf ihre hohen Schuhe. Sogar mit solchen Absätzen war sie problemlos gerannt. Naruto schluckte. Diese Frau hatte es in sich. „Das würde ich niemals tun, Miss …“ „Sakura“, unterbrach sie ihn, wie sie hoffte, im neutralem Tonfall. „Sakura Haruno. Sie können mich aber ruhig mit dem Vornamen ansprechen.“ „Ah“, murmelte er. „Also duzen?“ Die Wut verflog. „Ja.“ In diesen Moment wusste Naruto, dass ihre Antwort auch auf sein Angebot basiert worden war. - × - „Wie sieht's denn hier aus?“, war das erste, was Mikoto Uchiha sagte, bevor sie fassungslos das Büro ihres jüngsten Sohnes betrat. Ihr konsternierter Blick schweifte sich von der umgekippten Kaffeetasse bis hin zu den vielen unbearbeiteten Dokumente auf dem Bürotisch umher. „Da sind die Kleinkinder ja viel ordentlicher als du, Sas-chan.“ Sas-chan stöhnte genervt. „Mutter, bitte, ich habe viel zu tun und daher keine Zeit, aufzuräumen“, erklärte er und ließ sich an seinem onyxfarbenen Sessel nieder. „Selbst Schuld, wenn du permanent deine Sekretärin feuerst“, tadelte sie ihn und knuff ihn unangenehm an den Wangen, worauf Sasuke kurz sein Gesicht verzog. „Mhmpf.“ Er rieb sich an seinen geröteten Wangen, als sie ihn losließ. „Woher weißt du das denn schon wieder?“ „Na hör mal“, sagte sie, nun ein wenig lauter. „Nur weil ich hier nicht mehr arbeite, heißt das noch lange nicht, dass ich von nichts mitbekomme.“ „Naruto hat dir das erzählt, richtig?“ Sasuke seufzte. Seine Mutter verschränkte die Arme vor der Brust und schaute ertappt zur Seite, zog dabei eine beleidigte Schnute. „Du erzählst mir ja nichts, da blieb mir keine andere Wahl ein.“ „Du hättest fragen können“, warf er ruhig ein. „Als ob du mir eine Antwort gegeben hättest!“ „Ein Versuch wäre es aber Wert gewesen.“ Die schöne Frau im schwarzen Abendkleid hinterließ im Büro ein tiefes Seufzen aus ihrer geschundenen Kehle frei. „Vielleicht werde ich nächstes Mal dran denken“, murmelte sie, ehe sie plötzlich die Augen eine Nanosekunde lang aufriss und sich dann um Sasukes Hals warf. „Aber sag schon, hast du endlich eine Frau gefunden, die zu dir passt?“ „Wie kommst du jetzt darauf?“ „Hm?“ Mikoto blinzelte. „Hör mal, du bist vierundzwanzig, da solltest du dir schon Gedanken über eine eigene Zukunft machen. Und um eine eigene Familie zu gründen, brauchst du eine Frau“, sagte sie strenger als gewollt. „Und außerdem will ich endlich kleine Sasuke-Babys in die Arme halten“, fügte sie mit einem schalkhaften Grinsen hinzu, bevor sie ihn entschuldigend ein Kuss auf die Wange hauchte und sich von ihm entfernte. Sasuke grunzte. „Ich bin nicht interessiert.“ Automatisch wanderte ihre rechte Augenbraue nach oben. „Wenn du nicht tagtäglich mit Frauen schlafen würdest, würde ich noch glatt denken, dass du homosexuell wärst.“ „Was?“ Er sah sie an. „Weißt du das etwa auch von Naruto? Und außerdem stimmt das nicht. Frauen sind mir genauso egal wie die Politik.“ „Also bist du asexuell?“ „Wenn ich ja sage, haust du dann ab?“ Sie sog scharf die Luft ein. „Ich bin deine Mutter!“ Sasukes Gesicht war ausdruckslos. „Und ich dein Sohn.“ „Ich hätte dich wirklich anders erziehen sollen“, sagte sie und senkte ihre Stimme verschwörerisch. „Da kommt dich deine Mutter mal besuchen und was ist der Dank? Richtig. Nämlich gar nichts.“ Ihre leuchtend topazbraunen Augen fixierten die von Sasukes. „Du wirst auch immer kälter, Sas-chan.“ Sasuke seufzte genervt. „Ich bezweifle ziemlich stark, dass du nur gekommen bist, um mir diese Predig zu halten, auch wenn ich mir einerseits schon denken kann, dass es stimmen könnte.“ „Nicht ganz, mein Hübscher.“ Mikoto verschränkte die Arme. „Eigentlich bin ich nur gekommen, um zu sehen, wie es mein Baby in der Firma so ergeht, da er ja kaum anruft und es selbst beantworten kann.“ In diesem Satz funkelte sie ihn bitterböse an, was bei Sasuke allerdings keine Wirkung zeigte. „Und weil ich ihm sagen wollte, dass er am Weihnachten wieder nach Japan kommen sollte, um als gesamte Familie zu feiern.“ Er hätte es wissen müssen. „Na gut, wenn das alles ist –“ Er brach ab, als er den Blick seiner Mutter entdeckte. Es war kein normaler Blick, sondern eins, was Mikoto Uchiha immer aufsetzte, wenn sie etwas zu verheimlichen versuchte. Das war eben nicht alles, das wusste er auch jetzt. „Wo steckt der Harken?“ „Na ja, dein Vater und ich hatten vor einigen Wochen ein ernstes Gespräch gehabt. Wir hatten über die Firma geredet, und plötzlich meinte dein Vater dann, dass du es nicht richtig machst. Gut, sagen wir mal, die schlechte Behandlungen deiner Sekretärinnen“, erklärte sie. Sasuke horchte auf. „Und das heißt?“ „Dass du am Weihnachten mit deiner Freundin erscheinen sollst.“ „Mama“, stöhnte er genervt. „Ich meine es ernst.“ Wütend blies sie die Wangen auf. „Das tue ich auch. Ich habe keine Lust, mitanzusehen, wie du als einsamer Kerl sterben wirst!“ Sasuke massierte sich die Schläfen, die bereits wehtaten. Jetzt wusste er auch wieder, weshalb er nach New York zog. Er konnte die Predigten, dass er sich endlich eine Frau suchen sollte, nicht mehr hören. Er war halt nicht interessiert, jedenfalls noch nicht jetzt. Aber wie oft hatte er das seiner Mutter erklären müssen? Zu oft, um wahr zu sein. „Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, möchten Vater und du, dass ich am Weihnachten mit meiner Freundin auftauche?“, erzählte er, ohne seine Mutter dabei anzusehen. „Und was hat das mit der Firma zu tun?“ „Das ist doch plausibel, Liebling“, winkte sie lächelnd ab. „Deine Freundin muss deine Sekretärin sein. Damit soll gezeigt werden, dass du wenigstens eine Helferin hast, die du nicht nach einem Tag kündigst.“ Sie zwinkerte ihm zu und hob ihren Zeigefinger triumphiert hoch. „Tolle Idee, was?“ „Und du bist dir ganz sicher, dass diese Idee von Fugaku Uchiha stammt? Klingt eher nach dir, Mutter.“ Sie schnalzte mit der Zunge. „Na und? Dann war es eben meine brillante Idee. Von deinem Vater würde so etwas auch nie kommen.“ Tief ausgeatmet verknotete er seine Finger ineinander und lehnte seinen Mund dagegen, während er seine Ellenbogen am Tisch abstützte. „Was passiert, wenn ich bis Weihnachten keine Freundin mitbringe, aber stattdessen Kuchen und Geschenke?“ „Die Kuchen und Geschenke nehmen wir herzlich an“, meinte sie schmunzelnd. „Aber dann kannst du dir dein Posten als Geschäftmann in CEO Uchiha vergessen, wenn du tatsächlich wagen solltest, mit keiner Frau aufzutauchen.“ Ihr Lächeln verschwand so schnell, wie es gekommen war. Kurz bevor Sasuke etwas sagen konnte, wurde die Tür ohne Erlaubnis geöffnet, und ein bekannter junger Mann mit einem siegreichen Grinsen im Gesicht tauchte hinter Mikoto Uchiha auf. Hinter ihm eine nervöse Frau, die sich permanent auf die Unterlippe biss. „Hey, Chef'chen, ich habe dir endlich deine gewünschte Sekretärin mitgebracht!“, rief Naruto enthusiastisch und gab Sakura ein leichten Schubs nach vorn, was ihm einen bitterbösen Blick einfangen ließ. Sasuke sah sie an. Ihr Gesicht war bemerkenswert – das heißt, eigentlich die Haut. Er schätzte sie auf seinem gleichartigen Alter, vierundzwanzig, aber in vielerlei Hinsicht war ihr Alter irrelevant: Über das ganze Gesicht zog sich kein einziger Mitesser, vor allem nicht um die feuchten und lebhaft grünen Augen herum. Vieles an ihr war schön: Die dichten zartrosa Haare, welche das Licht von der Fensterscheibe schluckten, die Haut, von der Sasuke sich vorstellte, ihr müsse der berauschende Duft von Meersalz anhaften. Es war ein Gesicht, das ein ganzes Leben an der frischen Luft verbracht hatte. Der Blick aber ließ ihn nicht los. Es lag etwas Hypnotisches in diesen Augen. Warum aber sah sie Naruto verächtlich an? Seine Mutter jedoch konnte über die Tatsache, dass sich eine wunderschöne Frau im Büro ihres Sohnes befand, nicht verhehlen. „Habe ich da gerade gewünschte Sekretärin gehört?“, fragte sie euphorisch und sah über ihre Schulter hinweg zu ihrem jüngsten Sohn. Sie grinste. „Und du sagtest, du bringst nur Kuchen und Geschenke mit.“ Sasuke rollte die Augen, während Naruto unwissend in schallendes Gelächter ausbrach. Sakura versuchte in stiller Verzweiflung herauszufinden, was daran so lustig war. Wenigstens hatte sie ihre Nervosität, weil sie gleich Uchiha Sasuke kennenlernen würde, für eine kurze Zeit beiseite geschoben. Sie spürte, wie leichtes Gewicht auf ihrer rechten Schulter verlagert wurde. Es war Naruto, der sie ermutigt anlächelte. „Keine Sorge. Du hast den Job so gut wie in der Tasche“, sagte er und zwinkerte ihr zu. Schüchtern lächelte sie zurück. Ob sie allerdings bei dem attraktiven Geschäftmann punkten konnte, stand in den Sternen geschrieben. Sie besaß ja nicht mal ein Lebenslauf oder eine Bewerbung, geschweige denn überhaupt etwas. Sofort wurden Narutos Wangen von Mikotos zierlichen Finger beschlagnahmt, was ihn sofort zum lauten Aufschreien quittierte. „Aw, du siehst echt männlich in deinem Anzug aus, Naruto“, fiepte sie und ließ ihn kurzerhand zufrieden los, worauf Naruto sich augenblicklich die schmerzende Stelle rieb. Sakura schaute verwirrt drein. Es schien für sie so, als kannten sich hier alle sehr gut. War sie etwa das dritte Rad am Wagen, der man keine Beachtung schenkte? Wohl kaum. Mikoto hatte sie schon längst nicht vergessen, das bemerkte sie deutlich, als sie ihren Honigkuchenpferd-Blick sah. „Und wer sind Sie?“ Sakuras Wangen glühten vor Scham. „Sakura Haruno, Miss. Freut mich, Sie kennenzulernen“, sagte sie nervös und verbeugte sich rasch. Mikoto rang sich ein Lächeln ab, als sie die Gestik erwiderte. „Die Freude ist ganz meinerseits. Mein Name ist Mikoto Uchiha. Ich bin die Mutter von dem Miesepeter hinter mir“, stellte sie sich vor und zeigte danach kichernd zu ihrem Sohn, der sie kühl besah. „So, genug jetzt mit das Kennenlernenspiel“, ging Naruto dazwischen und schlug die Hände auf Sasukes Holztisch. „Schließlich habe ich für Chef'chen eine zuverlässige Sekretärin gefunden. Also, wo ist meine Belohnung?“ „Die bekommst du erst, wenn ich ihren Lebenslauf gelesen habe“, antwortete Sasuke gelangweilt und erkannte auch schon sofort die Verwirrung auf Narutos Gesicht. „Was für ein Lebenslauf?“, nachfragte er leise. Deutlich spürte er schon, wie Sakura ihn am liebsten den Hals erwürgen wollte, als er sie leise knurren hörte. „Dachtest du wirklich, ich nehme eine unbekannte Person bei einer berühmten Firma auf? Wenn sie schon keine Bewerbung schreibt, dann sollte wenigstens ein Lebenslauf vorhanden sein.“ Narutos Nasenflügeln bebten. „Verarsch mich nicht, Sas. Von einem Lebenslauf war nie die Rede gewesen!“ Sasuke unterdrückte sich ein Seufzen. „Hör mal gut zu, Idiot. Wir hatten kein Zeitlimit vereinbart, deswegen hätte sie genug Zeit gehabt, eine Bewerbung inklusive ein Lebenslauf zu schreiben. Was kann ich denn dafür, dass du nicht richtig mitdenken kannst?“ „Sasuke!“, ermahnte seine Mutter ihn. „Sei –“ „Du willst sie kennenlernen?!“, unterbrach Naruto sie. Seine Stimme schlug wie ein Blitz ein und ließ die Luft um sich herum vibrieren. Sakura hätte niemals gedacht, dass ein so friedlicher Mann die Atmosphäre schlagartig ins negative verändern konnte. „Gut!“ Er packte sie plötzlich an die Schultern und zerrte sie grob nach vorne – vor Sasukes Augen. „Sie heißt Sakura Haruno, ist Japanerin und lebt alleine in New York. Sie wurde von ihrem Freund verlassen und hat eine Hündin, die ihr kaum gehorcht und ständig wegrennt. Ihr Alter weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass sie eine Frau ist und eine unheimliche Kraft besitzt – das durfte meine linke Wange nämlich selbst erfahren!“ Naruto holte tief Luft. Das Atmen fiel ihm schwer. Herrgott, es gab wirklich so einige Sachen, die er ihn auf dem Kopf geworfen hätte. Wirklich viele, obwohl er Sakura gar nicht lange kannte. Doch er erhielt eine Kopfnuss – eine wirklich harte Kopfnuss, die ihn schmerzverzerrt aufschreien ließ. „Scheiße!“, fluchte Naruto und rieb sich an die betroffene Stelle. „Wofür war das denn jetzt?“ „Für deine schlechte Beschreibung!“, schimpfte sie laut. Ihre Fäuste ballten sich so heftig zusammen, dass die Knöchel bereits weiß hervorragten. Ihr Brustkorb hob und senkte sich. Was fiel diesem Idioten ein, sie so schlecht darzustellen? Und das ausgerechnet vor ihm! Heute war echt nicht ihr Tag. „Und deswegen musstest du mir gleich eine scheuern?“, nachfragte Naruto mit empörter Stimme, die Mikoto zum Glucksen brachte. „Du hättest es viel einfallsreicher formulieren können“, argumentierte Sakura bissig und verschränkte die Arme vor der Brust. Ein unglaubwürdiger Ausdruck schlich sich auf Narutos Gesicht. „Ach komm, das hätte mir doch keiner abgekauft.“ Wieder eine Kopfnuss. „Argh, okay, ich bin ja schon still!“ Das belustigte Kichern von Mikoto verstummte nach Narutos Satz. Sie musste wirklich zugeben, dass Sakura einer der wenigen Frauen war, die nicht scheute, ihre Meinung zu sagen. Der Gedanke, dass sie sich mit Sasuke konfrontierte und ihm Feuer untern Hintern machte, stellte Mikoto sich grandios vor. „Vergessen wir doch einfach die Bewerbung und den Lebenslauf. Sie haben den Job schon, also machen Sie sich daher keine Sorgen um die Einverständniserklärung meines Sohnes. Ich habe, genau wie er, ein Mitspracherecht.“ Sasuke setzte zu seinem Protest an. „Mutter …“ „Wirklich?“, fragte Sakura sicherheitshalber nach, während ihr das Herz bis zum Hals schlug. „Natürlich.“ Mikoto lächelte und sah zu ihrem Sohn. „Ich denke, das dürfte doch kein Problem sein, oder, Sasuke Uchiha?“ Seinen vollen Namen hatte sie mit Absicht mit gepressten Zähnen ausgesprochen, und wenn sie seinen vollen Namen aussprach, duldete Mikoto Uchiha nie Widerrede, nicht einmal von ihrem Mann. Da hatte Sasuke wohl oder übel den schwarzen Peter gezogen. Er rang sich ein kurzes Nicken ab, das seine Mutter mit einem “Das ist mein Sohn!“ quittierte. Für ihn schien diese Sache abgehackt zu sein, denn er schickte die drei mit einer stummen Handbewegung nach draußen, wobei sich Mikoto selbstverständlich gewährt hatte, aber es dann beließ. Sie würde sich später, wenn Sasuke und Sakura bei ihr Zuhause waren, schon rächen. Und nun standen sie dort. Am Eingang von Sasukes Büro. Wortlos, aufgeregt und total froh. „Heh.“ Naruto kratzte sich an seiner Augenbraue. „Willkommen am Bord, Neuling!“, beglückwünschte er Sakura, die jedoch lieber den Anschein machte, wortlos die Tür anzustarren. Er wedelte blinzelnd mit seiner Hand vor ihr Gesicht. „Hey, noch da?“ Keine Antwort. - × - Dem Teufel hätte sie ihn geschickt. Nicht Naruto, sondern ihren neuen Chef, der es scheinbar mochte, Sakura auf die Palme zu bringen. “Der Ordner für die Zeichnungen der Häuser muss links neben dem Laptop stehen, Miss Haruno“, hatte er gesagt. Mal ehrlich, was machte das für einen Unterschied, wenn der Ordner links und nicht rechts neben dem Laptop stand? Wollte er sie wirklich ärgern, indem er solche Bemerkungen gab? „So ein Idiot“, fluchte Sakura leise in dem Korridor hinein, rempelte fast geistig abwesend einen weiteren Mitarbeiter, und stieg ins leere Aufzug hinein. Jetzt muss ich dem Herr auch noch Kaffee bringen, dachte Sakura mit bebenden Nasenflügeln und drückte auf den Buchstabe E für Erdgeschoss. Und auch die Information, wo sie den Kaffee überhaupt herbekäme, hatte sie von Naruto erfahren, da der gewisse Herr angeblich keine Zeit gehabt hätte. Sakura hätte ihn am liebsten den Hals erwürgt. Wenigstens das hätte er ihr doch sagen können, oder nicht? War ja nur ein Satz gewesen. Als ein Piepen ertönte und der Fahrstuhl ihr den Eingang gewährte, ging Sakura den Weg zur Cafeteria entlang, die außerdem randvoll mit einer gigantischen Menschenmenge gefüllt war. Ihr klappte beim Anblick die Kinnlade herunter. Und da sollte sie jetzt Kaffee bestellen? Konnte sie denn überhaupt dorthin, ohne sich dabei die Lungendrüsen zu zerquetschen? „Entschuldigen Sie, Miss“, ertönte plötzlich eine weibliche Stimme, die eine sofortige Wirkung auf Sakuras Zusammenzucken verursachtete. „Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein? Sie sehen leicht überfordert aus.“ Die dunkelhaarige Frau lächelte liebevoll. Irgendwie verursachtete ein einziges Lächeln ihrerseits eine starke Sympathie im gesamten Raum aus. Wer oder was war sie? Erleichtert atmetete Sakura entspannt aus. „Das bin ich auch“, sagte sie und lächelte schwach. „Ich bin noch ein Neuling.“ „Oh.“ Ihr Ausdruck von einem Lächeln wurde abrupt in einem überraschten Blick verwandelt. „Stimmt, jetzt wo Sie es sagen. Wie heißen Sie denn?“ „Sakura Haruno. Ich bin die neue Sekretärin von Sasuke Uchiha“, sagte sie, wie sie hoffte, im freundlichen Tonfall. Eigentlich war sie anfangs noch stolz darauf gewesen, für ihn als Sekretärin zu arbeiten, aber nach dem kleinen Kennenlernenspiel war sie es doch nicht mehr. Gut, so ganz verschissen hatte er bei ihr nicht ganz. Da blickte noch die kleine Hoffnung, dass er kein kompletter Arsch war, zwischen ihnen. „Hinata Uzumaki. Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Miss Haruno“, stellte sie sich optimistisch vor und streckte der schönen Frau ihre Hand aus. „Uzumaki?“, wiederholte jene verwirrt, nahm dennoch ihre Hand und schüttelte sie einmal kräftig, bis die beiden Frauen sich wieder entfernten. „Moment. Sind Sie etwa mit Naruto Uzumaki verwandt?“ Ihre Wangen nahmen einen zarten Farbton an. „Wir sind verlobt, aber trotzdem sprechen mich alle mit seinem Nachnamen an.“ „Das ist ja süß“, kommentierte Sakura lächelnd. „Ich habe ihn im Park kennengelernt, als meine Hündin abgehauen war und er sie rechtzeitig noch mit Streichereien hindern konnte, weiter wegzurennen“, erklärte sie und lachte schlussendlich laut auf. Hinata kicherte. „So kenne ich ihn.“ Ihr Lachen verstummte durch eine fragende Miene. „Und was machen Sie hier, Miss Haruno? Haben Sie schon Pause?“ „Schön wär’s“, murmelte sie seufzend. „Chefchen braucht sein Kaffee.“ - × - Wortlos überreichte Sakura ihrem liebreizenden Chef sein gewünschtes Getränk, welches er erst nach einer halben Stunde bekam. Sakura war in dem Gespräch mit Hinata zu sehr vertieft gewesen, als hätte sie rechtzeitig merken können, dass die Zeit wie im Nu verflog. Gut, dass Sasuke ihr noch eine zweite Chance gab. Welch Güte. Sasuke verzog angewidert sein Gesicht, als er den viel zu süßlichen Kaffee probierte. „Was zum …“, setzte er an, brach aber nach Sakuras unschuldigem Pfeifen ab. „Haben Sie das mit Absicht gemacht?“ „Was? Etwa mit Absicht Zucker in Ihrem Kaffee rein getan?“, fragte sie rhetorisch und verdrehte die Augen. Natürlich hatte sie es mit Absicht getan! Von Hinata fand sie nämlich heraus, dass Sasuke Uchiha kein Fan von Süßes war – und das hatte sie als ihre Chance ergriffen. „Wenn ich Ihnen sage, dass ich schwarzen Kaffee haben möchte, wieso tun Sie dann noch Zucker rein? Und dann auch noch so viel?“ „So trinke ich meinen Kaffee“, meinte sie desinteressiert. Wenn ihm das nicht schmeckte, dann sollte er gefälligst seinen Arsch bewegen und Kaffee holen! Sie war doch nicht sein Dienstmädchen. „Das ist schön für Sie. Aber ich mag mein Kaffee nicht so“, murrte er, sichtlich genervt von ihrem Handel. „Besorgen Sie mir neuen Kaffee, aber halten Sie sich gefälligst vom Zucker fern.“ Nun reichte es Sakura. Erst wurde sie von ihm schlecht behandelt, ignoriert, bestimmt für eine Nervensäge gehalten – und dann soll sie auch noch sein braves Dienstmädchen spielen. Sie war seine Sekretärin und keine, die ihm ständig Kaffee bringen sollte! „Jetzt hören Sie mir mal genau zu: Normalerweise habe ich von Leuten, die einen höheren Ruf als ich haben, totalen Respekt und zolle es ihnen auch, aber wenn es welche gibt, die so etwas nicht verdient haben, dann können diese Leute mich mal Kreuzweise. Ich bin Ihre Sekretärin, die für Euren Papierkram und Termine zuständig ist und keine, die Ihnen jede verdammte Minute Kaffee bringen muss. Wenn Sie Kaffee haben wollen, dann stellen Sie jemanden ein, der nur dafür verantwortlich ist!“ Sasuke blinzelte. Aus dem Augenwinkel registrierten die beiden, wie Naruto und Mikoto am Türrahmen standen und kurzer Zeit später in schallendes Gelächter ausbrachen. Seine Mutter hielt sich lachend den Bauch und legte nach einigen Lachtränen eine Hand auf Narutos Schulter, wobei ihr Lachen verstummte, aber seins nicht. „Naruto, das war eine großartige Idee, die beiden zu belauschen!“ Sakura bereute es, diesen Job angenommen zu haben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)