(In)Complete von Yoa-chan (oder: Der Tag, an dem Zorro verschwand) ================================================================================ Prolog: Realization ------------------- Juli – Zorro blickte auf. Nur ein paar Meter von ihm entfernt saßen seine Freunde, Ruffy, Nami, Lysop, Sanji, Chopper, Robin und Franky. Sie hatten sich dicht nebeneinander gesetzt, schienen sogar regelrecht zu kuscheln und betrauerten so in stiller Verzweiflung den Verlust ihres treuen Weggefährten, den sie vor wenigen Tagen in den unendlichen Tiefen des Meeres zurück gelassen hatten. Der Abschied von der Flying Lamb war für sie alle sehr schwer, vielleicht sogar kaum zu ertragen gewesen, doch nun, kaum eine Woche nach diesem Schicksalstag, schien sich noch etwas anderes verändert zu haben. Nachdenklich legte der Schwertkämpfer den Kopf schief und versuchte zu verstehen, was seine Freunde in diesem Moment von dem hübschen Bild der Strohhutpiraten, das sich über die Monate in seinem Unterbewusstsein entwickelt hatte, unterschied. In diesem Moment kam es ihm so vor, als würde draußen vor einem wunderschönen Häuschen stehen, in tiefster, kältester Finsternis, und schaffte es gerade mal, durch eines der Fenster zu blicken. Als wäre er auf der falschen Seite eines unüberwindbaren Eisenzauns, durch dessen Rillen er einen kurzen Blick auf die warme, hell erleuchtete, richtige Seite werfen konnte. Dort, wo er Ruffy sehen konnte, der mit einem Arm eine leise schluchzende Nami an sich drückte und den Anderen um die Schultern seines Kanoniers gelegt hatte. Der Kopf des kleinen Rentiers ruhte im Schoß von Robin, die sich wiederum an ihr neustes Crewmitglied, Franky, gelehnt hatte. Der Cyborg lächelte leicht, hatte er doch kaum eine so tief gehende Verbindung zu der Flying Lamb gehabt wie die Übrigen, doch auch er hatte Lysop eine schwere Hand auf die Schulter gelegt und nickte ihm hin und wieder aufmunternd zu. Zu guter Letzt war da Sanji. Sanji, der Namis Hand hielt und mit seinem Daumen nicht zu erkennende Muster auf die blasse Haut der Navigatorin zu zeichnen schien. Zorro wandte den Blick ab und starrte wieder in die Flammen des Lagerfeuers, das sie vor wenigen Stunden entzündet hatten. In seinem Kopf formte sich ein neues, aktuelleres Bild der Strohhutpiraten, das genau das zeigte, was er soeben mit eigenen Augen gesehen hatte: Alle verschieden, aber dennoch auf irgendeine seltsame Art miteinander verbunden. Ein perfektes Foto einer Crew, die miteinander lachen und weinen konnten und gleichzeitig ihre Ziele, so absurd sie auch alle schienen, erreichen konnten. Ein Foto von Ruffy und Lysop, Chopper, Franky und Robin, von Nami und Sanji. Das Bild in seinem Kopf wirkte wie eine plötzliche Erleuchtung für ihn: Die Strohhutpiraten waren ein Team aus Sieben Leuten. Wie hatte er das nicht bemerken können? Natürlich wusste er, dass Nami und Sanji Gefühle für einander hatten, das war ihm schon klar gewesen, als der Koch die Navigatorin zum ersten Mal ins Auge gefasst hatte. Natürlich verstand er auch, dass Namis Liebe für den Blonden immer wieder mit der Unsicherheit und daraus resultierenden Eifersucht auf mögliche Konkurrentinnen zu kämpfen hatte. Und trotzdem... jedes Mal, wenn er versuchte sich Nami und Sanji als Paar vorzustellen, schien es nicht zu klappen. Vielleicht, wenn die Navigatorin endlich einmal über ihren Schatten springen, oder der Koch nicht jedem x-beliebigen Mauerblümchen hinterher lechzen würde, könnte Zorro sich die beiden eher in einer Beziehung vorstellen. Nicht, dass er das Bedürfnis hatte, sich die beiden als Paar auszumalen. Auch war die inoffizielle Beziehung zwischen Koch und Navigatorin wohl eher nicht für die Veränderung der Gruppendynamik verantwortlich. Ihre Gefühle hatten nicht ein einziges Mal ihre Ziele beeinträchtigt und Zorro wusste, dass weder Nami noch Sanji jenes zulassen würden. Wie also war es zu dieser neuen, ihn ausschließenden Konstellation gekommen? Alles hatte doch einen ganz normalen, alltäglichen Anschein gemacht! Okay, seine Freundschaft mit Sanji hatte schon bessere Tage gesehen... wobei, eigentlich nicht. Nicht wirklich. Eigentlich hatten sie sich ja vom ersten Moment an nicht ausstehen können. Aber irgendwie waren sie trotzdem immer miteinander zurecht gekommen, wenn sie sich auch öfters prügelten oder einfach nur beleidigten, um der Beleidigungen willen. Auch die Beziehungen zu den übrigen Crewmitgliedern waren okay, wenn nicht sogar gut. Na ja, jedenfalls bis jetzt. Bis zu seiner 'Erleuchtung'. Eigentlich waren die Beziehungen zwischen den Crewmitgliedern sogar sehr gut. Er selbst war eben nur kein Crewmitglied mehr. Jetzt, wo er darüber nachdachte, hatte seine Isolation schon mit der Abreise von Alabasta ihren Anfang gefunden. Aber wie? Und warum? Vermutlich, wenn er ehrlich mit sich selber war – und das versuchte er eigentlich immer zu sein – hatte es wohl mit seinem Erfolg begonnen, Eisen zerschneiden zu können. Er war so aufgeregt gewesen, es hatte regelrecht in ihm gebrodelt, kaum dass Chopper ihm die Verbände angelegt hatte, seine neue Fähigkeit auszutesten und bis zur vollkommenen Perfektion zu verbessern, koste es was es wolle. Tag und Nacht hatte er sich fort geschlichen, stets darauf bedacht, niemanden zu wecken, die Verbände, die der kleine Schiffsdoktor jeden Tag mit neuer, bewundernswerter Hingabe anlegte, gelöst und mit allen Mitteln versucht, den Atem, die Seele seiner Umgebung zu erspüren. Zuerst kam es ihm vor, als hätte er den Kampf gegen Mister 1 nie gekämpft, denn der erhoffte Anschluss an seine neu gewonnenen Fähigkeiten blieb aus und in einem seiner seltenen schwachen Momente, über die Zorro nicht gerne nachdachte, hätte er fast schon die Möglichkeit in Betracht gezogen, auf seine vollständige Genesung zu warten. Doch seine schier unerschöpfliche Geduld hatte sich bezahlt gemacht, langsam aber sicher hatte er verschiedene Objekte wahrnehmen können, wenn sie sich in unmittelbarer Umgebung befanden. Zuerst waren es die Steine, Grashalme, Sandkörner und Blätter auf dem Boden gewesen und mit jedem darauf folgenden Tag verschärften sich seine Sinne, in jeder weiteren Nacht erweiterte sich sein Geist. Nichts schien ihn je mehr beflügelt zu haben als die Nacht, in er es schaffte, die verschiedenen Präsenzen seiner Kameraden im Palast von Alabaster zu spüren, fehlerfrei zuordnen und zeitgleich zwei menschengroße Geröllfelsen stemmen zu können. Sein Ziel, Mihawk besiegen, der beste Schwertkämpfer aller Zeiten werden und so seinen und Kuinas Traum verwirklichen zu können, kam ihm jetzt kaum mehr einen Steinwurf entfernt vor. Zorro musste aufgrund seiner eigenen Naivität die Augen verdrehen. Mit einem lauten Knacken, mit dem sich ein großer Holzscheit der Übermacht des Feuers ergab, stoben rot glühende Funken in die Dunkelheit der Nacht hinaus. Der Blick des Schwertkämpfers folgte dem Schwarm der wild umher wirbelnden Holzpartikel, bis ihr intensives Pochen zu einem matten Glimmen zusammen schrumpfte und sie schließlich endgültig verglühten. Ja, er war regelrecht besessen von seinen neuen Fähigkeiten gewesen, hatte jegliche Verbote seitens Chopper ignoriert, Namis Kopfnüsse ertragen, seine Anstrengungen im Gegenteil sogar noch verdoppelt und sich so immer weiter von seinen Freunden abgeschottet. Der Abschied von Vivi war ihm, im Gegensatz zu den übrigen Strohhutpiraten, nicht wirklich schwer gefallen, hatte er sie doch mehrere Tage kaum bis gar nicht zu Gesicht bekommen, zu beschäftigt war er mit seinem Training gewesen, als dass er sich auch noch um die Gefühle der Prinzessin hätte kümmern können. Außerdem ging es ihr gut, da wo sie jetzt war, sie hatte Freunde, ihre Familie und diesen Corsa an ihrer Seite. Um Vivi musste er sich keine Sorgen machen. Und dann war diese Frau plötzlich auf das Deck getreten. Nico Robin. Hatte sich heimlich an Bord geschlichen und verzauberte nun nach und nach die ganze Crew, sei es durch ihre Teufelskräfte oder einfach durch geschickte Manipulation. Was es auch gewesen war, Zorro hatte ihr gleich zu verstehen gegeben, dass sie sich an ihm die Zähne aus beißen würde. Seine wortlose Herausforderung war angenommen worden und zu seinem Entsetzen hatte die Frau genau gewusst, was er seit vielen Wochen im Zuge seines Trainings hatte entbehren müssen: Zuwendung, Aufmerksamkeit, vielleicht sogar eine gewisse Art von Liebe. Also hatte sie mit ihm geredet, ihn angelächelt, wenn er abblockte, ihm eine Decke oder einen Mantel hingelegt, wenn sein Körper sich einbildete, dass ihm kalt war, ihn langsam aber stetig bearbeitet, wie der gottverdammte Smutje mit seinem Brötchenteig hatte sie ihn zugerichtet, bis sie ihn formen konnte wie sie lustig war. Eine der wenigen Niederlagen, die er bisher hatte einstecken müssen. Und er hatte es versucht, wirklich versucht es ihr mit gleicher Münze heimzuzahlen, hatte den Gentleman gespielt, sie beschützt, auch wenn sie es selbst hätte tun können, sie betont galant aufgefangen, als sie auf Skypia von Enel angegriffen worden war, er hätte mit seiner geheuchelten Freundlichkeit selbst die Küchenschabe übertreffen können, wenn er gewollt hätte. Seine Erleichterung, als sie ihm durch einen kurzen, perfekt getimten bösen Blick zu verstehen gegeben hatte, dass sie ihre Niederlage eingestand, war unbeschreiblich gewesen. Dann war da der Davy Back Fight gewesen, der vorläufige Höhepunkt seiner Reise. Haha. Oh, diese Selbstironie. Nicht genug damit, dass er sich einen überaus peinlichen Schnitzer bei dem Inselrennen geleistet hatte, nein, natürlich hatte er sich bei dem K.O. Ringkampf zusätzlich blamieren müssen. Die Zusammenarbeit mit dem Kochlöffel, wenn man es denn so nennen konnte, hatte ihm wirklich zu denken gegeben. War ihre sonst so unerschütterliche Dynamik etwa durch sein exzessives Training und seine damit einhergehende Isolation ins Wanken geraten? Seit er noch mehr Zeit und Energie als sonst schon für seine Einheiten aufbrauchte, hatten er und der Koch kaum mehr als das Nötigste miteinander geredet und von irgendwelchen sinnlosen Streitereien konnte gar nicht mehr die Rede sein. Und obwohl Zorro es weder benennen, noch beweisen konnte, so spürte er doch instinktiv, dass sich irgendetwas zwischen ihm und Sanji verändert hatte. Damals hatte er das noch auf die leichte Schulter genommen, hatte dem Koch einfach bei der nächstbesten Gelegenheit ein Bein gestellt und darauf vertraut, dass sich diese verwirrende Situation schon irgendwie wieder entwirren würde. Außerdem waren sie kurz darauf auf den Marine Admiral Ao Kiji getroffen, der sie alle wortwörtlich eiskalt erwischt hatte. Die Prophezeiung, die dieser Eismensch in Bezug auf Robin gemacht hatte, war für ihn keinesfalls überraschend gewesen. Er hatte es schon immer gesagt und würde seine Meinung wohl auch nie ändern: Frauen brachten nichts als Unglück und Verwirrung. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten sie auch Nami auf Kokos zurück gelassen. So einfach war das. Schließlich waren sie auf Water Seven gelandet; die Schäden der Flying Lamb ließen sich einfach nicht mehr länger ignorieren, der Besuch einer Werft war unvermeidlich. Er hatte den Optimismus seiner Kameraden nicht trüben wollen, er hatte schon früh gemerkt, dass die meisten nicht mit seiner direkten Art klar kamen, doch er hatte um den Zustand ihres Schiffes gewusst, er hatte die Endgültigkeit in Eckis Augen gesehen, noch bevor der Schiffszimmermann den Mund geöffnet hatte, um ihm die schlechte Nachricht zu überbringen. Verdammt, wenn er es schon beim Segeleinholen schaffte, beinahe den Mast abzubrechen, dann konnte die Flying Lamb einfach nicht mehr seetüchtig sein! Zusammen mit dem gehörigen Dämpfer, den das Selbstbewusstsein des Kanoniers durch die Niederlage gegen die Franky Familie hatte hinnehmen müssen, so hatte sich Zorro schon zu diesem Zeitpunkt gedacht, würde diese Botschaft bei Lysop wohl nicht allzu gut aufgenommen werden. Dass der Schütze aber vollkommen dicht machen und sogar die Crew verlassen würde, war sogar für ihn überraschend, auch wenn er es nicht gezeigt hatte. In einem Anflug von stillem Zynismus hatte er sich gefragt, was Robin wohl für ein Gesicht gemacht hätte, als Lysop seinen Austritt aus der Bande verkündet hatte. Aber die feine Dame hatte sich ja ebenfalls aus dem Staub gemacht und ihnen den Rücken gekehrt. Zorro hatte es ja schon immer gewusst; die Frau bedeutete nichts als Ärger. Und dennoch hatte er sich mit den Anderen nach Enies Lobby aufgemacht, Seite an Seite mit seinen Freunden gekämpft, es irgendwie fertig gebracht, den Seezug auf die Justizinsel zu bringen und wieder einmal schaffte er es, im Kampf gegen Ecki über sich hinaus zu wachsen. Dass er zuvor erneut mit Lysop, Verzeihung, Sogeking aneinander geraten war, war zwar zu einem gewissen Grad ärgerlich, aber verschmerzbar. Gegenüber seiner verbesserten Willenskraft, die es ihm tatsächlich ermöglicht hatte, Illusionen seiner selbst zu erschaffen, verlor jeder Streit mit der Langnase seine Bedeutung. Wenn er sich auch äußerlich nichts anmerken ließ, so reichte sein Hochgefühl doch schon fast an das nach dem Kampf gegen Mister 1 heran. Die Angriffe der Marinesoldaten erlebte fast wie in einer Art Rausch, Welle um Welle der weißen Mäntel schlug über ihm zusammen, doch er ließ sich nicht von ihnen davon tragen, durchbrach stattdessen ihre Verteidigung und stoppte ihren zunächst unaufhaltsam voran schreiten Vormarsch. Doch in Gedanken war er schon wieder bei seinem Ziel, Mihawk zu schlagen, noch während er Soldat um Soldat niederstreckte überdachte er neue, effizientere Trainingsmethoden, malte sich immer weiter greifende Fähigkeiten aus, die es zu meistern galt. Wenn er in diesem Tempo weiter an sich arbeiten und ebenso viele Erfolge zu verzeichnen haben würde, so überlegte er beim Abtrennen eines in Weiß gewandtem Arms, dann könnte er nächstes Jahr um diese Zeit vielleicht schon an den Rückkampf gegen Falkenauge denken. Doch inmitten dieser Euphorie war etwas geschehen, dass ihn völlig aus der Bahn geworfen hatte. Im Nachhinein konnte er sich wieder einmal nur selbst für seine eigene Ignoranz in den Arsch treten. Lorenor Zorro, 120 000 000 Berry Kopfgeld schwer, übertölpelt von einem Marinekapitän. Sein Yubashili, zerstört, nicht mehr zu reparieren, zu Rostpartikeln zerfallen. Hätte diese sonst so feige, regelrecht hinderliche Langnase nicht eingegriffen... Zorro wusste nicht, was mit einem menschlichen Körper passieren konnte, der so intensiv mit Rost in Berührung gekommen war wie der Seine und eigentlich wollte er es auch gar nicht wissen. In diesem Moment existierte nur ein einziger Gedanke in ihm: Wenn er es schon nicht schaffte, mit einem einfachen Marinekapitän fertig zu werden, wie zur Hölle sollte er dann Mihawk besiegen können?! Die Trance, in die er fiel, war wie das krasse Gegenteil des Rausches, den er nach seinem Sieg gegen Ecki verspürt hatte. Doch natürlich ließ er es niemanden merken, sein Körper agierte wie von selbst und als plötzlich die Flying Lamb durch die Wasseroberfläche brach, so war er ebenso überrascht wie seine Crewmitglieder, doch in seinem Inneren war nichts als eine große, alles verschlingende Leere. Und dann... ja, dann. Dann war ihr Schiff auseinander gebrochen. Er hatte gewusst, dass sie nicht mehr zu retten gewesen war. Vielleicht war das der Grund, warum er nicht so trauern konnte wie die anderen. In solchen Beziehungen war er ein Realist. Außerdem hatte er vor wenigen Stunden eine unerwartete Niederlage einstecken müssen und im selben Moment sein Yubashili verloren. Niemand konnte von ihm erwarten, dass er sich jetzt auch noch mit dem Verlust der Flying Lamb auseinander setzen sollte. Er vergoss keine Träne. Nicht als das Schiff in Flammen aufging, nicht als Schneeflocken seinen Kopf und seine Schultern zu bedecken begannen, nicht als seine Kameraden allesamt die Fassung verloren und selbst Robin Tränen in den Augen standen, nicht als der Geist der Flying Lamb sich für die wunderschöne Zeit bedankte und schließlich in den Tiefen des Meeres versank. An die anschließende Rückkehr nach Water Seven erinnerte er sich nur verschwommen, einzelne Gesichter erschienen und verschwanden aus seinem Blickfeld, er hörte die Worte, die an ihn gerichtet wurden, aber er verstand sie nicht. Irgendwann fand er sich dann am Stadtrand wieder, allein, sein zerstörtes Yubashili in den Händen. Noch immer hatte er den Verlust seines treuen Weggefährten nicht überwunden. Das Schwert hatte ihm immer gute Dienste geleistet und auch wenn sein emotionale Wert nicht mit dem des Wado-Ichi-Monji zu vergleichen war, so konnte er die kläglichen Überreste des einst so stolzen Katanas nicht einfach wegschmeißen. Also hatte er es behalten, trug den nun so unnützen Ballast mit sich herum, als konstante Erinnerung an seine eigene Verantwortungslosigkeit. Und er trug diese Bürde, er trug sie mit für seine Crew, erinnerte sie an ihre Versprechen, die sie Ruffy im Zuge ihres Beitritts gegeben hatten, an die Verantwortung, die sie alle gegenüber sich und den anderen zu erfüllen hatten, als sie sich, ähnlich wie er selbst vor wenigen Stunden, von ihren fehlgeleiteten Gefühlen beeinflussen wollten. Wenn Lysop wirklich zurückkommen wollte, dann musste er darum bitten, ehrlich und aufrichtig musste er nach der Vergebung seines Kapitäns, nach Ruffys Vergebung streben. Nie wieder, so schwor er sich im Stillen, wollte er sich so hilflos fühlen, angewiesen auf die Hilfe anderer, wie bei dem Kampf gegen den Marinekapitän, der Yubashili zu Rost hatte zerfallen lassen. Und obwohl er wusste, dass Helmeppo ihm haushoch unterlegen war, kämpfte er mit äußerster Konzentration und ohne Gnade. Er besiegte seinen Gegner klar und deutlich, aber freuen konnte er sich trotzdem nicht. Was nützte es ihm, wenn er gegen einen Gegner gewann, der weit unter seinem eigenen Können agierte? Es war, als hätte er erst durch diesen Sieg seinen Rückschlag besiegelt. Einzig und allein sein neuer Steckbrief und das damit verbundene Kopfgeld veranlassten ihn zu einem Grinsen. Für einen kurzen Moment schmeckte er wieder das Gefühl eines echten, bedeutenden Sieges und die damit verbundene Euphorie. Und das Portrait des Suppenkaspers war natürlich auch zum Brüllen komisch. Wenn er in Stimmung gewesen wäre, hätte er den Koch so lange damit aufgezogen, ihm sowohl die Zeichnung, als auch das Kopfgeld, dass weit unter seinem eigenen lag, unter die Nase gerieben, bis es zu einer handfesten Schlägerei gekommen wäre. Doch seine gute Stimmung hielt nur so lange an, bis er sich wieder an seine Niederlage erinnerte, als er den Steckbrief von dem Pausenclown Sogeking entdeckte. Also gestattete er sich nur einen kurzen verächtlichen Blick auf Sanjis Portrait, murmelte etwas von „Ich seh keinen Unterschied.“ und kapselte sich so schnell wie möglich wieder von den anderen ab. Die Thousand Sunny beeindruckte sie alle. Keiner von ihnen hatte mit einem derartigen Geschenk gerechnet und als Franky sich ihnen dann auch noch (gezwungenermaßen) anschloss, war Ruffy beinahe wieder sein ewig quirliges, gut gelauntes Selbst. Schon kurz darauf verließen sie Water Seven unter tosendem Kanonenhagel der Marine und Lysops herzzerreißendem Schrei nach Vergebung. Und Ruffy hatte ihn gehört. Das erneute Brechen eines dicken Holzscheites riss Zorro unsanft aus einer bewegungslosen Starre. Sein ganzer Körper stand von einem Moment auf den anderen unter Hochspannung, seine Hand zuckte zu seinen Schwertern, rasch schnellten seine Augen von links nach rechts, suchten nach einer möglichen Gefahr. Erst, als er sich vollkommen sicher war, dass keine Bedrohung von seiner unmittelbaren Umgebung ausging, entspannte er sich wieder. Inzwischen war es tiefste Nacht und das Feuer war nun fast vollständig herunter gebrannt. Nur die Glut pulsierte in verschiedensten Rottönen, wie ein heißes, lebendiges Herz. Er blickte ein weiteres Mal zu den Anderen, die noch immer in genau der selben Stellung dasaßen, die sie am Anfang des Abends eingenommen hatten, jedoch gelöster, friedlicher. Sämtliche Tränen waren im warmen Schein der Flammen getrocknet und so waren sie einfach noch enger zusammen gekrochen und in einen tiefen, geruhsamen Schlaf abgedriftet. Zorros Mundwinkel hoben sich zu einem kurzen Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. Seine Gelenke knackten leise, als er sich erhob, stets darauf bedacht, kein unnötiges Geräusch zu machen. Wahrscheinlich war es tatsächlich seine Schuld, dass er nicht mehr länger zu ihnen gehörte, überlegte Zorro, während er den Sandstrand in Richtung der Thousand Sunny durchquerte. Er hatte all ihre Worte, das Lachen, die Bitten, die Versprechungen, die Verwünschungen und Hilfeschreie gehört, war ihnen gefolgt bis knapp ans andere Ende der Grand Line. Und doch war das alles nicht genug gewesen, ihn davon abzuhalten, sich weiter und weiter von ihnen zu entfernen. Sein Training, das ihm dabei half, seine Stärken weiter zu steigern und seine Schwächen auszumerzen, war sinnvoll, es unterstützte sein Ziel, seinen Traum. Er konnte einen Unterschied machen, er wollte einen Unterschied machen. Im Gegensatz dazu war die Besorgnis, die die Crewmitglieder ihm hatten zu Teil werden lassen, wenn er sich mal wieder einem schweren Kampf gestellt hatte, wohl eher hinderlich für sie, regelrecht zur Gewohnheit geworden. Tatsache war, dass sie alle innerhalb weniger Monaten mehr erlebt hatten als Manche in ihrem gesamten Leben, er aber schon länger, noch bevor Alabaster, das Gefühl gehabt hatte, die Hälfte von den ganzen Abenteuern zu verpassen. Klar, er hatte gekämpft, war stärker geworden, unbestreitbar, aber dennoch erschien ihm die ganze Situation wie eine Art Traum, schön anzusehen, aber nichts von Dauer. Zorro wusste nicht wie oder warum, doch irgendwann, in Alabasta, irgendwie hatte er es bemerkt, vielleicht sogar schon von Anfang an gewusst. Also hatte er das getan, was ihm nach dem Sieg gegen Mister 1 am sinnvollsten erschien. Geschickt hangelte sich der Schwertkämpfer an der Bordwand der Thousand Sunny empor, bevor er mit einem dumpfen Laut auf den Holzplanken aufkam. Er hatte trainiert. Und hatte feststellen müssen, dass er sich und seine Fähigkeiten nicht weiter entwickeln konnte, wenn er nicht dazu bereit war, Opfer zu bringen. Also hatte er sich zurück gezogen, hatte Gewichte gestemmt bis seine Arme taub wurden, noch nicht einmal mit Sanji gestritten, obwohl er gerade das mehr liebte, als er sich hatte eingestehen wollen. Eine Schwäche für den blonden Smutje zu entwickeln war für ihn völlig inakzeptabel, das hatte er schon früh gemerkt. Es brachte ihn einfach keinen Schritt weiter, wenn er immer dann, wenn der Koch in Gefahr schwebte, einen fast animalischen Beschützerinstinkt an den Tag legte und letztlich nur irgendwelche dummen Beleidigungen an den Kopf geworfen bekam. Zumal Sanji auch zu 100 % auf Frauen, insbesondere Nami stand. Nein, nur um mit diesem Kettenraucher eine Art Freundschaft zu etablieren, auf sein Training, auf die Verwirklichung seines Traumes zu verzichten, das kam für Zorro überhaupt nicht in Frage. In einem der Schränke in der Kajüte der Jungen wurde der Schwertkämpfer schließlich fündig. Bepackt mit einem halben Dutzend Decken verließ er das Schiff wieder und kehrte, ohne sich zu verlaufen, zu der Feuerstelle zurück, wo seine Freunde noch immer ungestört schliefen. Vielleicht, dachte Zorro, als er Ruffy und Nami jeweils eines der groben Tücher über die Schultern legte, vielleicht existierte die Strohhutbande, so wie er sie einst gekannt hatte, überhaupt nicht mehr. Sicher, der Grundstein war da und auch all die anderen wichtigen Teile, die man für ein vernünftiges, funktionstüchtiges Gerüst benötigte – nichts, was ihn mit einschloss. Nami und Sanji waren verliebt und auch zwischen Robin und Franky schien sich entgegen jeder Vernunft etwas anzubahnen, das man nicht mehr als rein platonische Freundschaft bezeichnen konnte. Irgendwann, vielleicht nicht in nächster Zeit, aber wenn sie ihre Träume verwirklicht hatten, würden sie die Strohhutbande verlassen, ihr eigenes Leben leben, heiraten, Kinder bekommen, nicht unbedingt in der Reihenfolge, aber nichts desto trotz absehbare Ereignisse. Lysop würde auch wieder zu seiner Miss Kaya zurückkehren und das arme Mädchen ebenfalls an sich binden, Chopper würde wohl nach Drumm reisen oder vielleicht sogar bei Robin und Franky bleiben. Und Ruffy... Zorro erlaubte sich ein kurzes Grinsen, während er die übrigen Decken verteilte. Wenn der Idiot nicht bei seinem Versuch, König der Piraten zu werden, draufging, würde er seinen Zeit vermutlich mit essen und schlafen und schlafen und essen verbringen. Doch irgendwann würde auch der Schwarzhaarige eine Frau finden, die ihn so liebte wie er war. Wer konnte das schon wissen. Und er selbst? Unschlüssig hielt er die letzte Decke in seinen Händen, die er eigentlich locker um den Koch hatte drapieren wollen. Der Trottel war im Schlaf auf den weichen Sandboden gerutscht, wo er jetzt, abgewandt von seiner Geliebten, vor sich hin träumte und hin und wieder ein leises, kaum zu hörendes Schnarchen von sich gab. Schnell warf Zorro die Decke von sich, als ob er sich an dem Stoff verbrannt hätte, sodass sie sich lieblos über Kopf und Oberkörper des Smutjes legte. Ohne noch einmal einen Blick zurück zu werfen, stapfte der Schwertkämpfer davon, weg von Sanji, er musste weg, fort, weit fort von den Anderen, von diesem Mann, diesem dämlichen Smutje, den er verabscheute, den er nicht ausstehen konnte... der ihn niemals so ansehen würde, wie er Nami ansah. Sie alle hatten einander, ihre gottverdammte, grenzenlose Liebe, die sie antrieb, wieder aufstehen ließ. Liebe, die er sich selbst, und ihm schließlich auch die Anderen verwehrt hatten. Wie er es auch drehte und wendete, schlussendlich war er schon immer – immer noch – bloß eine Art Zusatzausstattung, ein Extra, ein Bonus. In gewissen Situationen hilfreich zu haben, geradezu nützlich, doch nicht essenziell wichtig für den Zusammenhalt der Crew. Kurz fragte er sich, wie es wohl für Vivi gewesen war. Für die Prinzessin waren die Strohhutpiraten etwas gewesen, zu denen sie hatte aufsehen können, Verbündete, auf die sie sich verlassen konnte und, ja, schließlich sogar Freunde, denen sie bedingungslos ihr Schicksal und das ihres Volkes anvertrauen würde. Und dennoch, obwohl Vivi mit ihnen zusammen eine Menge Abenteuer bestritten hatte, so war sie doch nie ganz bis zum Kern, dem Herz der Bande durchgedrungen. Wäre sie an Bord geblieben, wäre weiter mit ihnen gereist, so hätte sich ihr eines Tages alles offenbart, jedes Detail, jegliche Einzelheiten, die sie davor übersehen hatte. Doch die Prinzessin hatte andere Aufgaben zu erfüllen, musste Prioritäten setzten, und so dachte sie vermutlich mit Wehmut an ihre Zeit bei den Piraten zurück, würde sie jedoch nicht mit jeder Faser ihres Herzens vermissen, da sie zu keinem Zeitpunkt zu den elementar wichtigen Bausteinen der Crew gehört hatte. Doch er hatte es. Wenigstens hatte er es glauben wollen. Diese Erkenntnis schien sich wie ein roter Faden durch sein Leben zu ziehen. Zorro erlaubte sich ein humorloses Lächeln. Ebenso wie hier, so hatte er auch schon in jungen Jahren die Erfahrung gemacht, nirgendwo wirklich dazu zu gehören. Nicht zu seiner Familie, die er verlassen hatte, um sie als erfolgreicher Dojoyaburi stolz machen zu können, nicht zu Koshiros Dojo, das er verlassen hatte, als er die stille Trauer seines Meisters nicht mehr hatte ertragen können, und zu Johnny und Yosaku erst recht nicht, zu stark hatten die Unterschiede zwischen ihnen gewogen. Also hatte er sich von den beiden im Guten getrennt und war allein weiter gezogen. Erst als sich dieser Idiot vor ihn gestellt hatte und mit völliger Unverfrorenheit verkündet hatte, dass er von nun an Mitglied seiner Piratenbande wäre, hatte Zorro es sich nach langer Zeit wieder gestattet, etwas zu fühlen, keine Hoffnung, aber doch eine seltsame Art der Verbundenheit mit dem Jungen. Und nacheinander, ganz langsam natürlich, hatten sich mit den ganzen Abenteuern auch die nachfolgenden Crewmitglieder in seinen Verstand und schließlich, es widerstrebte ihm zutiefst es zuzugeben, in sein Herz geschlichen. Inzwischen war er bis zu den Ausläufern der Vegetation der Insel vorgedrungen und kurz davor, den im Mondlicht weiß schimmernden Sandstrand hinter sich zu lassen. Kurz bevor er sich endgültig in die Dunkelheit des nächtlichen Dschungels schlug, blieb er für einen Moment stehen. Dann setzte er sich wieder in Bewegung und fragte sich, was ihn in dem scheinbar undurchdringlichen Unterholz des Regenwaldes wohl erwarten würde. Und auch, wenn er es nicht geplant, noch nicht einmal voraus gesehen hatte, so fühlte sich der letzte Blick, den er über die Schulter auf den Lagerplatz seiner Freunde warf, wie ein Abschied auf sehr, sehr lange Zeit an. --- Ziemlich lang, nicht wahr? Und eigentlich nur ein Vorgeschmack auf Kommendes :D Wenn es euch gefallen hat, oder ihr irgendwelche Fragen/Wünsche/Verbesserungen habt, könnt ihr mir gerne einen Kommentar hinterlassen. Bis die Tage, Yoa-chan Kapitel 1: Cognition -------------------- Er wusste nicht, wie lange er schon ziellos durch den Wald gestreift war, als er das Sirren zum ersten Mal hörte. Vor wenigen Minuten war er dazu übergegangen, sich nicht mehr länger durch das viel zu dichte Unterholz zu schlagen, sondern stattdessen durch das weitläufige Geäst der Bäume zu streifen, losgelöst von der Erde, vollkommen mit sich und der Welt im Einklang. Und es war toll, sich an den mal dicken, mal dünneren Ästen entlang zu hangeln, auf ihnen zu laufen, wenn sie breit genug waren, dann plötzlich in einem waghalsigen Manöver abzuspringen und schließlich doch sicher in einer Astgabel zu landen. Die Orientierung völlig verloren, doch wo Verwirrung, Ärger, vielleicht auch ein Stück weit Unsicherheit herrschen sollte, war nichts als eine seltsam befreiende Leere, die nur darauf wartete, mit Emotionen aller Art aufgefüllt zu werden. Seine Beine schienen wie von selbst zu laufen, er ging in die Knie, wenn er springen musste, und bis auf ein leises Rascheln der Blätter war kein Laut zu hören, wenn er seinen Sprung mit den Fußballen abfederte. Obwohl er nicht mit voller Geschwindigkeit unterwegs war, so spürte er doch tief in seinem Inneren, dass er sich mit jedem Schritt immer weiter von seinen Freunden entfernte, so weit bis er irgendwann nicht mehr zurück finden würde. Zorro stoppte mitten im Lauf, seine Schwerter schlugen mit einem Klappern gegen seine Beine, dass in der Stille des nächtlichen Waldes widerhallte. Fast wie in Zeitlupe und doch gleichzeitig in einer fließenden Bewegung lehnte sich der Schwertkämpfer an den mächtigen Baumstamm, der direkt hinter ihm aufragte und sich noch bis weit über seinen Kopf erstreckte. Während er sich daran hinab rutschen ließ, bis er auf dem kräftigen Ast saß, den er kurz zuvor noch hatte entlang laufen wollen, versuchte Zorro die Spitze des Baumes zu erkennen, doch obwohl er selbst nachts genauso gut sehen konnte wie tagsüber, so war es ihm unmöglich, das Ende des riesigen Gewächses zu erspähen. Nachdenklich ließ er ein Bein über den Rand des Astes in die Tiefe baumeln. Wollte er etwa nicht mehr zu seinen Freunden zurück finden? Sein Leben als einsamer Wolf weiterleben, seine Freunde verlassen, wie er es schon so viele Male getan hatte, nur noch sein eigenes Ziel vor Augen bis zum bitteren Ende? In seinen Ohren tönte das gemeinsame Lachen von Ruffy, Nami, Lysop und Sanji, Chopper, Robin und Franky, wie sich ihre Stimmen zu einer wohlklingenden Melodie vereinten, sich zusammen fügten zu einer wunderbaren, unzerstörbaren Einheit. Und obwohl er seinen eigenen Platz auf dem Abstellgleis nun endlich akzeptiert hatte, konnte er nichts gegen den plötzlichen, scharfen Schmerz ausrichten, der seine Brust durchzuckte. Genau zu diesem Zeitpunkt hörte er es zum ersten Mal. Ein leises, kaum wahrnehmbares Sirren, wie das Flirren der Sonne auf Stein drang es durch sein Bewusstsein, umspülte seinen Verstand und ließ ihn ein zweites Mal in dieser Nacht nach seinen Schwertern fassen. Doch so plötzlich er es wahrgenommen hatte, so plötzlich war es auch wieder verschwunden und die gespenstische Ruhe senkte sich erneut über den Wald. Schon während er sich durch das Unterholz geschlagen hatte, hatte er diese eigenartige Stille bemerkt. Nicht ein Vogel zwitscherte, keine Grille zirpte, sogar der leichte Wind, der am Strand geherrscht hatte, schien wie ausgelöscht, verschluckt von der ohrenbetäubenden Ruhe, die sich wie eine Glasglocke über den gesamten Dschungel gesenkt hatte. Ein eisiger Schauer lief ihm über den Rücken. Rasch und ohne einen Laut von sich zu geben erhob Zorro sich, beide Hände an jeweils einem seiner Schwerter. Noch während er mit seinen Augen in die Dunkelheit starrte, tastete bereits sein Geist nach irgendeiner Präsenz, irgendeinem Leben in seiner Umgebung, das sich als mögliche Gefahr herausstellen könnte. Die Stille war nicht mehr länger beruhigend, sondern regelrecht bedrohlich, als würde selbst die Natur den Atem anhalten und abwarten, was als nächstes passieren würde. Doch kein übergroßes, wildes Tier preschte aus dem Unterholz und versuchte ihn zu zerfleischen, kein Eingeborenenstamm fiel über ihn her und betete ihn als ihren neuen Fruchtbarkeitsgott an, noch nicht einmal ein Blatt regte sich, stattdessen riss, wie auf ein geheimes Zeichen, die bis zu diesem Moment undurchdringlich dunkelgraue Wolkendecke auf und kaltes, weißes Mondlicht warf seinen Schein auf die Welt und ließ die Umgebung in einem eigenartigen, beinahe mystischen Glanz erstrahlen. Langsam ließ er die Hände sinken, die sich schon um die Schwertgriffe geschlossen hatten und entspannte sich wieder. Seine Augen folgten dem Lichtstrahl, der sich geradewegs an ihm vorbei im Dickicht des Dschungels zu verlieren und gleichzeitig einzuladen schien, ihm doch hinter her zu gehen. Zorros Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln. „Warum eigentlich nicht?“, flüsterte er leise in die Dunkelheit hinein, bevor er erneut loslief, dieses Mal jedoch mit einem Ziel vor Augen. Was hatte er schon zu verlieren? Die Orientierung würde er so schnell nicht mehr wiederfinden und die Nacht war seines Erachtens noch jung, da konnte er ruhig noch ein bisschen tiefer in den Wald vordringen. Es war ja nicht so, als würden die Anderen ihn vermissen, wenn er fort war. Er biss die Zähne zusammen. Wahrscheinlich waren sie sogar froh, dass er sich aus dem Staub gemacht hatte. Vollkommen auf seine dunklen Gedankengänge konzentriert verpasste er es, vor seinem Sprung einen geeigneten Platz zum Landen auszuwählen und so riss er mit einem ohrenbetäubenden Krachen eine regelrechte Schneise in das zugewucherte Unterholz des Dschungels, Äste und Zweige brachen, ganze Kleb- und Klettergewächse nahm er in seinem Fall mit sich und war in diesem kurzen Moment so überrascht, dass er erst realisierte, was passiert war, als er bereits mit einem schmerzenden rechten Arm auf dem Waldboden lag. Leise vor sich hin fluchend kam er wieder auf die Beine, während er seinen Arm auf Verletzungen untersuchte. Wen kümmerte es jetzt schon, dass er sich nicht mehr so leise wie möglich verhielt?! Es hörte ihn sowieso niemand! Genauso gut hätte er vor lauter Frustration durch die Gegend brüllen können bis er heiser war und trotzdem würde sich niemand um ihn scheren. Er fauchte wie ein verwundeter Panther, als er seinen Arm massierte. Zum Glück war er nicht gebrochen, aber sicher übel geprellt. Das war ihm schon seit mindestens zehn Jahren nicht mehr passiert. Nur weil er an diese Idioten gedacht hatte...! Tief in seiner Würde und seinem Stolz getroffen ließ Zorro von seinem Arm ab und hob den Kopf. Er stand am äußersten Rand einer völlig von Vegetation befreiten Fläche. Sie war seltsam gewölbt, es erinnerte ihn auf seltsame Art und Weise an einen übergroßen Topfdeckel. Irgendetwas schien den Wald daran zu hindern, über die unsichtbare Grenze des kreisrunden Bereiches hinaus zu gedeihen, auch nur einen Ast überhängen zu lassen. Zorro ließ den Blick schweifen. Die Fläche des Kreises schien gut doppelt so lang wie die Thousand Sunny zu sein und mindestens dreimal so breit. Nicht ein einziger Grashalm spross unter den riesigen dunkelgrauen Steinplatten hervor, die in einem einzigartigen Mosaik bis zum Zentrum hin angeordnet worden waren. Und im Mittelpunkt schien sich das Herzstück dieses seltsamen Ortes zu befinden. Aus der Ferne sah es nach einem übergroßen steinernen Ring aus, der durch ein an der Unterseite befestigtes Halbkreis artiges Gerüst mit dem Steinboden verbunden schien. Doch als Zorro die flachen Stufen hinauf schritt, die zu dem aufgestellten Kreis führten, bemerkte er, dass, wie auf dem Zifferblatt einer Uhr, auf dem überraschend schmalen Reif diverse, für ihn nicht entzifferbaren Symbole und Schriftzeichen eingraviert worden waren. Nachdenklich strich er mit seinen Fingern über die glatte Oberfläche und schließlich über eines der in den Stein geschlagenen Zeichen. Robin hätte wahrscheinlich keine Schwierigkeiten gehabt, diesen Wisch zu lesen und irgendeinem aufgeblasenem Kult zuzuordnen. Er unterdrückte ein entnervtes Fauchen und verbot sich jeden weiteren Gedanken an die Strohhutpiraten. Was kratzte es ihn schon, wenn er nicht wusste, was irgendwelche Halbaffen in einen dämlichen Steinring gemeißelt hatten? Vermutlich handelte es sich nur um eine Gedenkstätte für Ahnen oder eine Art Opfertisch um die Götter milde zu stimmen. Er verdrehte die Augen. Für ihn gab es hier nichts interessantes zu sehen. Gerade wollte er sich abwenden und noch etwas weiter durch den Dschungel streifen, da bemerkte er ein seltsames Flimmern der Innenfläche des Steinkreises. Er kniff leicht die Augen zusammen und sah genauer hin. Tatsächlich, im Inneren des Reifs flimmerte die Luft wie sonst vor Hitze und schuf so Konturen, die einen Wimpernschlag später wieder verschwunden waren um sich im selben Moment an anderer Stelle wieder neu zu formen. Wie eine unsichtbare Wasseroberfläche, die leichte Wellen schlug, weil der Wind über die Schaumkronen strich und so das Gewässer in Aufruhr versetzte... Unwillkürlich trat er näher. Dann ging alles ganz schnell. Aus den Augenwinkeln sah er gerade noch einen Fetzen des Mondes, dessen Schein genau in das Zentrum des Kreisinneren zu strahlen schien, im nächsten Moment schien das gesamte Gebilde regelrecht zu vibrieren, als erwachte es aus einem tiefen Schlaf zu neuem Leben. Plötzlich war da etwas, das an ihm zog, an seinem Körper zerrte, unsichtbare Ketten schienen sich um ihn gelegt zu haben und rissen ihn unbarmherzig nach vorn, direkt in den vor Kraft sirrenden Steinkreis hinein. Zorro zuckte zusammen und sein Herz setzte für einen Moment aus. Hier lief etwas ganz gehörig falsch! Starr vor Schock stolperte er unter dem immer stärker werdenden Sog ein paar Schritte vor, dann aber stemmte er sich mit ganzer Kraft gegen das, was auch immer ihn da gepackt hatte. Doch der Sog hatte ihn nun endgültig erfasst und gab ihn nicht mehr frei. Innerhalb weniger Herzschläge stand sein linker Fuß auf der Schwelle des Steinkreises, der zum Entsetzen des Schwertkämpfers regelrecht von der unsichtbaren Macht im Portal (denn genau DAS war es, was auch Zorro nun endlich klar wurde) zersetzt wurde. In einem letzten verzweifelten Versuch sich zu befreien zog er sein Kitetsu, doch der ungenaue Schwerthieb spaltete weder den Steinkreis, noch legte sich der unerbittliche Sog, der ihn jetzt schon fast vollständig in das Portal gedrängt hatte, das verfluchte Schwert zerschnitt nur den Riemen, an dem das Yubashili befestigt war. Und noch ehe das zerstörte Katana mit einem lauten Klappern auf dem steinernen Boden aufschlug, war der Spuk vorbei und Zorro verschwunden. - Er schien zu fliegen, sah verschwommen bunte Umrisse an ihm vorbei rauschen und dann wurde er auch schon mit einer unglaublichen Wucht aus dem Strom geschleudert und durch die Luft katapultiert. Unsanft schlug er auf dem Boden auf. Er schmeckte Gras, Erde und Blut, doch er hatte keine Zeit die Augen zu öffnen, denn sein Körper blieb nicht liegen, sondern rollte weiter, überschlug sich mehrere Male, in seinem Kopf drehte sich alles und er fiel... und fiel... und... fiel... - Kapitel 2: Strangeness ---------------------- - Er war nicht mehr auf der Insel. Vermutlich noch nicht einmal mehr auf der Grand Line. Genau das war sein erster klarer Gedanke, als er nach seinem Fall wieder zu Bewusstsein kam. Auf seinen Instinkt hatte er sich immer verlassen können. Er blinzelte. Er lag auf dem Rücken, Arme und Beine weit von sich gestreckt und starrte hinauf in die endlosen Weiten des azurblauen Himmels. Weiße bauschige Wölkchen erschienen am Rand seines Sichtfeldes und deckten die strahlende Sonne auf. Er blinzelte erneut. Er sah den Vögeln nach, die sich hoch hinaus in die Lüfte schwangen und wusste, dass er zwar keine Ahnung hatte wo er war, jedoch mit absoluter Sicherheit sagen konnte, wie er hier her gekommen war... wo auch immer 'hier' genau war. Schwerfällig bewegte Zorro seine Finger, er ertastete Gras. Mal überlegen. Zuerst war er ziellos durch den dichten Wald der Insel gestreift, doch dann hatte er plötzlich auf einem Steinplatz gestanden und dann... war er durch eine Art Portal gefallen? Nein, überlegte er, während er weiter regungslos auf dem Boden lag und die Wolken betrachtete, nein, irgendetwas hatte das Portal aktiviert, sodass es ihn regelrecht aufgesogen hatte. 'Das Mondlicht!', durchfuhr es ihn. Ja, er erinnerte sich genau, als der kalte Schein auf das Portal gefallen war, hatte es angefangen zu beben und ihn hindurch zu ziehen. Wahrscheinlich so eine Art altertümlicher Mechanismus, den sich irgendwelche Eingeborenen ausgedacht hatten um so ihre Ahnen zu verehren. Sagte man dem Mondlicht nicht sogar magische Kräfte nach? Es war zum totlachen. Er konnte kaum seine Arme und Beine bewegen, aber sein Verstand schien beinahe dem von Robin Konkurrenz zu machen. Zorro rollte sich langsam auf die Seite und stöhnte leise. Fast wünschte er sich, noch immer bewusstlos zu sein. Dennoch schaffte er es, auf die Füße zu kommen, unsicher, aber endlich wieder aufrecht. Er biss die Zähne zusammen. Sein Kopf brachte ihn fast um, doch seine Schmerzen waren für einen Moment vergessen, als er sich umdrehte und erkannte, was für ein riesiges Glück er gehabt hatte. Das Gegenstück des Portals, das ihn aufgesogen und dessen Zwilling ihn wohl in dieser Gegend ausgespuckt hatte, war in eine ebenfalls dunkelgraue Felsnische eingelassen worden. Die weiteren Ausläufer der Geröllberge schlangen sich wie ein an mehreren Stellen löchriger Ring um das Portal herum. Hätte er einen dieser Felsen bei seiner Landung getroffen, hätte er sich jeden einzelnen Knochen seines Körpers gebrochen. Seine Hand fuhr an seine Seite. Und stockte. Er hatte das Kitetsu und das Wado-Ichi-Monji bei sich. Wo war das Yubashili? Hecktisch tastete er seine Hüfte ab, doch dort wo sein drittes Katana hätte sein sollen, war nur noch ein durchgeschnittener Riemen. Ungläubig betrachtete er das kaputte Lederband an seinem Haramaki, als erwartete er, dass das Yubashili sich plötzlich wieder an seiner Seite manifestieren würde. Doch nichts dergleichen geschah. Natürlich, jetzt er erinnerte sich wieder! In seiner Verzweiflung, dem Sog des Portals zu entkommen, hatte er nicht genau zielen können und so statt des Steinrings den Riemen des schwarzen Katanas getroffen. Wahrscheinlich lag es noch immer vor dem Portal im Dschungel. Zorro schluckte. War es normal, dass er sich ohne ein zerstörtes Katana so seltsam nackt fühlte? Verdammt, es war in seinem emotionalen Wert noch nicht einmal mit dem Wado-Ichi-Monji zu vergleichen, und trotzdem fühlte er sich, als würde ein Teil von ihm fehlen. Sobald er wieder zurück war, würde er das Schwert, seine Bürde, wieder aufnehmen und weiter tragen, solange er musste. Und seinen malträtieren Arm untersuchen. Rasch humpelte er den Weg zurück zum Portal, das ihn hier ausgespuckt hatte. Wenn sich das eine Portal durch den Schein des Mondes aktiviert hatte, so müsste dessen Gegenstück wohl bei strahlenstem Sonnenlicht zum Leben erwachen, so folgerte er. Alles ganz logisch. Robin hätte es nicht besser sagen können. Er war ein Genie. Zeit, zurück zu kehren. Schnell. Er stellte sich dicht an das Zentrum des Portals und wartete. Und wartete. Doch der unerbittliche Sog, mit dem der Schwertkämpfer gerechnet hatte, blieb aus, noch nicht einmal das Sirren, mit dem der Steinkreis zum Leben erwacht war, ertönte, stattdessen passierte etwas anderes. Nämlich gar nichts. Ungehalten streckte Zorro seine Hände aus, versuchte nun irgendetwas zu ertasten, seine Finger griffen in die Luft, fasste nach einem unsichtbaren Türgriff, einem Fenster, etwas, das ihm seinen Rückweg auf die ihm bekannte Insel ermöglichen würde. Doch alles, was seine Fingerkuppen streiften, war die raue Felswand, die sich wie eine undurchdringliche Mauer vor ihm erhob, als wollte sie ihn und seinen Wunsch nach Rückkehr verspotten. Schließlich trat er ein paar Schritte zurück und sah das Portal an, starrte das verdammte Ding regelrecht nieder. Noch nie zuvor hatte er eine derartige Konstruktion gesehen, nun ja, bis vor wenigen Minuten. Oder waren es bereits Stunden? Wie lange war er schon hier?! Rasch schüttelte er den Kopf, nur um gleich darauf schmerzhaft das Gesicht zu verziehen. Mit ungewohnter Vorsicht tastete er Kinn, Mund und Nase ab, fuhr schließlich den Haaransatz nach und wurde fündig. Seine linke Schläfe schien aufgeplatzt, Blut klebte an seinen Fingern. Er fühlte sich wie gerädert, seine rechte Seite brachte ihn fast um und auch die Übrigen Gelenke pochten wie ein zweiter, schmerzender Herzschlag. Bei genauerer Betrachtung waren auch seine Hände zerkratzt und dreckig und als er sich an sein linkes Ohr fasste, zuckte er kurz zusammen. Sanft strich er über das zerfetzte Ohrläppchen und entfernte den einen Ohrring, der sowieso nur noch lose in der gerissenen Haut gehangen hatte. Nachdem er das goldene Schmuckstück in seiner Hosentasche verstaut hatte, drehte er dem Portal vorerst den Rücken zu und betrachtete seine neue Umgebung. Nun, immerhin war es nett hier. Das Gras war dicht und so grün, wie Zorro es bisher nur auf gemalten Bildern gesehen hatte. Einige hundert Meter von ihm entfernt spross eine kleine Anzahl von Laubbäumen aus dem Boden. Trotz der Schmerzen in seinem Körper streckte er die Arme, ließ seine Schultern rollen. Eine sanfte, warme Brise fuhr ihm durch die kurzen Haare und der Himmel strahlte in einem beinahe unwirklich erscheinenden Blau. Die Wolken, die er eben entdeckt hatte, waren weiter gezogen und wenn er sich hier auf einen gewöhnlichen Tagesablauf mit normalem Sonnen- und Mondzyklus verlassen konnte, so war es hier wohl gerade später Nachmittag. Leider nur kam ihm nichts davon auch nur annähernd bekannt vor. Zorro ließ seinen Blick schweifen und fast sofort runzelte er die Stirn. Das, was er sah, gefiel ihm gar nicht. In einiger Entfernung erhob sich ein riesiger, jedoch durchaus schön anzusehender Berg aus der sonst ziemlich flachen Landschaft. Und von dessen Spitze stieg eine feine, aber nicht zu übersehende Rauchsäule gen Himmel. Er war direkt neben einem Vulkan gelandet. Neigte sich seine Glückssträhne nicht langsam dem Ende entgegen? Er musste von hier verschwinden. So schnell wie möglich. Eilig wandte er sich von der Landschaft ab und hastete zurück zum Portal. Mit fahrigen Bewegungen strich er über die flache, runde Steinplatte, suchte nach einem Schalter, einem Hebel, einer Mulde, nach irgendeinem verdammten Hinweis, wie er von hier weg kommen konnte. Dann versuchte er erneut, irgendwie, den Sog, den Strudel, was auch immer es war, zu aktivieren. Natürlich erfolglos. „Scheiße!“, fluchte er. Seine Stimme klang rau, er musste sich räuspern. Wieder strich ihm der Wind durch die Haare, irgendwo, fern in einem der Bäume zwitscherte ein Vogel. Die Sonne (war es überhaupt 'die' Sonne? Oder eine Andere? Gab es andere Sonnen?! Verdammt, verdammt, er musste hier weg!) neigte sich langsam dem Vulkan entgegen und sandte so ihre Strahlen direkt auf seinen Rücken, der sich schnell erwärmte und ihn für einen kurzen Moment die Augen schließen ließ. Einer plötzlichen Eingebung folgend, trat er einen Schritt zur Seite, sodass das abendliche Licht, ebenso wie der Mond bei dem anderen Portal, in das Zentrum des Steinkreises fiel. Erwartungsvoll beugte der Schwertkämpfer sich vor. Doch es passierte nichts. Jedenfalls nicht sofort. Erst nach mehreren langen Sekunden, nach denen er sich schon entnervt hatte abwenden wollen, schien die Felswand hinter dem Portal zu erglühen. Kleine, wie Glut glimmende Schnörkel schälten sich aus dem Stein heraus, verbanden sich miteinander oder formten sich neu, bis sie sich schließlich nicht mehr bewegten, sondern nur noch in einem dunklen Rot vor sich hin pulsierten. Entgeistert starrte Zorro auf die Buchstaben auf der Felswand, die sich zu einem kurzen Text zusammen gefügt hatten. Stirnrunzelnd trat er näher, um die ungewöhnlich geschwungenen Schriftzeichen zu entziffern. Durch dieses Tor Ihr seid geschritten Und es bald sich Euch nun zeigt Euer Leben sich dem Ende neigt Alle Qualen sind durchlitten Zürnet und ängstigt Euch nicht Genießt den Frieden und die Ruh' Und wenn Euch fallen die Augen zu So lächelt und gehet zum Licht Er las einmal, dann ein zweites und sogar noch ein drittes Mal, bis die glutrote Färbung verblasste und wieder mit dem Grau des Felsen verschmolz. Dann rieb er sich über die Augen, drehte dem Portal den Rücken zu und verschränkte die Hände hinter seinem Kopf, während er mit starrem Blick die weiten Grasflächen, den Laubwald zu seiner Linken und den Vulkan zu seiner Rechten betrachtete, ohne sie wirklich wahrzunehmen. Verdammt. Seine Finger zuckten. Im nächsten Moment riss er einen riesigen Felsbrocken aus der Erde und schleuderte ihn mit einem frustrierten Schrei durch die Luft. Kaum war dieser aus seinem Sichtfeld verschwunden hatte er seine Schwerter gezogen, der kalte Stahl spaltete sämtliche Felsen in seinem Umfeld, mähte einige in der Nähe gedeihende Büsche rücksichtslos nieder, wie die Laute eines verwundeten Panthers durchschnitt sein Gebrüll die Abendstille. Schwer atmend verharrte er schließlich inmitten der Verwüstung, die er in seiner blinden Wut angerichtet hatte. Mit jedem seiner Atemzüge entwich mehr von der Kraft, die seine plötzliche Hilflosigkeit ausgelöst hatte. Langsam schob er seine Schwerter wieder zwischen die Riemen. Ein trockenes Lachen entwich seiner Kehle, dann sank er auf den steinernen Boden und vergrub für einen Moment sein Gesicht in den Händen. Er musste verdammt nochmal den Tatsachen ins Auge sehen: Er war gestrandet, auf einer Insel, auf dem Festland, vielleicht auch auf einer verfluchten Landzunge, wer konnte das schon wissen, auf jeden Fall mitten in einer vollkommen fremden Gegend. Wiesen, Wälder und Berge, soweit das Auge reichte. Keine Aussichten auf sauberes Trinkwasser oder viel versprechende Nahrungsquellen. Keine Anzeichen für den Gefahrengrad dieses Flecken Erde, den Vulkan ausgenommen. Kein Rückzugsort um zu schlafen, auszuharren bei möglichen Wetterumschwüngen, schwerwiegende Verletzungen auszustehen. Keine Gesellschaft. Er war allein. Seine Faust schmerzte, als sie auf dem Steinboden aufschlug. Dabei hatte er sich eine solche Einsamkeit doch noch vor kurzem gewünscht, sie geradezu herbeigesehnt. Oder nicht? Er hatte doch gewusst, was es bedeuten würde, wieder ganz auf sich gestellt zu sein? Er wusste gar nichts mehr, bis auf eines: Er war verloren. Er war nicht Robin, die vermutlich sofort gewusst hätte, was diese seltsamen Zeilen bedeuten sollten und im selben Moment einen Weg aus diesem Mist heraus gefunden hätte. Er war auch nicht Franky, und ganz sicher nicht Lysop, die sich sicher beide mit irgendwelchen Erfindungen zu helfen gewusst hätten. Weder war er Chopper, der mit seinen Heilmitteln jegliche Verletzung kurieren konnte, noch war er Nami, die sich mithilfe ihrer Navigationskünste wohl innerhalb kürzester Zeit orientiert hätte. Es fehlte ihm Ruffys unerschütterlicher Optimismus und Neugierde, und er schaffte es noch nicht einmal, aus den simpelsten Zutaten eine anständige Mahlzeit zubereiten, wie Sanji es konnte. Jeder von ihnen wäre mit dieser Situation besser zurecht gekommen als er. Er hatte nichts, was er brauchte, was lebensnotwendig für ihn war. Kontrolle. Sanji. Wasser. Seine Freunde. Sanji. Was hatte er stattdessen? Zwei Schwerter an seiner Hüfte, die dringend einen Schleifstein gebrauchen konnten. Einen goldenen Ohrring in seiner Hosentasche, den er nicht mehr anstecken konnte. Ein weiteres Mal ließ er den Blick schweifen, in der verrückten Hoffnung, dass sich das alles bloß als ein schlechter Traum herausstellen würde. Doch bis auf den Stand der Sonne, die sich nun schon gefährlich nach unten (Süden, korrigierte er sich) senkte, blieb seine Aussicht gleich. War wohl besser, wenn er sich schon einmal an die Gegend hier gewöhnte. So wie die Dinge im Moment standen, hatte er wohl keine andere Wahl als eine Weile hier zu bleiben. Vielleicht sogar – möglicherweise – für immer. Der Gedanke traf ihn mit einer Härte, wie er sie noch nie zuvor verspürt hatte. Was sollte er tun, wenn es tatsächlich keinen Weg zurück für ihn gab? Wenn dieser Ort wirklich keine andere Verbindung zu 'seiner' Welt kannte, als das steinerne Portal hinter ihm? Was würde aus seinem Traum, aus Kuinas Traum werden?! Reglos kniete der Schwertkämpfer auf dem Steinboden, starrte auf die weit entfernte Rauchsäule des Vulkans ohne sie zu sehen. Für einen Moment fragte er sich, was er ohne seinen Traum, ohne sein Ziel, eigentlich war. Es erschreckte ihn, dass er auf diese Frage keine Antwort wusste. Zorro biss die Zähne zusammen. Verdammt, er durfte sich und seinen Traum nicht so einfach aufgeben! Das war nicht sein Stil! Er würde einen Weg finden, irgendwie, auch wenn er noch keine Ahnung hatte, wo er überhaupt ansetzen sollte. Der Wind frischte auf, Zorro rieb sich geistesabwesend über den rechten Arm, dessen schmerzhaftes Pochen jetzt wieder in den Vordergrund seiner Gedanken drängte. Vielleicht würde er besser erst morgen mit dem 'Finden' dieses Weges anfangen. Langsam, darauf bedacht keine belastenden Bewegungen zu machen, kam er auf die Füße. Gerade war es weitaus wichtiger, einen annähernd sicheren Schlafplatz zu finden. Oder wenigstens einen halbwegs vernünftigen Sichtschutz zu bauen. Auch ein Feuer wäre gut. Wer wusste schon, welche Gestalten sich hier im Schutze der Nacht herumtrieben und auf Beute hofften. Doch Feuer zu machen stellte sich schwieriger heraus als Zorro es erwartet hatte. Selbst wenn er einen Taschenspiegel oder eine Lupe besitzen würde, so war die Sonne mittlerweile fast gänzlich hinterm Horizont verschwunden und die verbliebenen Strahlen zu schwach, als dass sie für ein Feuer gereicht hätten. Und auch Sanji war nicht in der Nähe, um mit seinem Feuerzeug oder seinen stinkenden Glimmstängeln auszuhelfen. Blöder Koch. Zorro knurrte unwillig. Und wie ein Höhlenmensch zwei Stöcke aneinander zu reiben, nein, dafür war er noch nicht verzweifelt genug. „Dann eben kein Feuer.“ Seine Stimme schien zwischen den Felsbrocken wieder zu hallen. Sie klang seltsam hohl, zu laut in der ungewohnten Stille um ihn herum. Er schloss den Mund. Während er einige der Steinbrocken, die er in seiner Wut zertrümmert hatte, zu einem behelfsmäßigen Wall aufschichtete, versuchte er tunlichst, nicht an seine Freunde zu denken. Stattdessen konzentrierte er sich vollkommen auf den Aufbau seines vorübergehenden Nachtlagers, schnitt kräftige Kletterpflanzen, die in der Nähe vor sich hin wucherten, und drapierte sie so an seiner Steinmauer, dass er darunter liegen konnte und rupfte sogar noch ein paar Büschel von dem dicken, saftigen Gras, die er sowohl zum Stopfen des 'Dachs', als auch als Ersatz für ein Futon benutzte. Doch als er seine Arbeit beendet hatte und durch ein Loch zwischen zwei Ranken hinauf in den Nachthimmel starrte, fragte er sich im Stillen, wie Ruffy, Lysop und Chopper, Nami, Sanji, Franky und Robin wohl reagierten, wenn sie bemerkten, dass er nicht mehr bei ihnen war. Ruffy würde sicher lachen und den Koch zum Vizen ernennen, Franky würde vielleicht gemeinsam mit Lysop und Chopper ein Klagelied anstimmen, Nami wäre sauer, dass sie ihr Geld, was er ihr angeblich noch schuldete, nie wiedersehen würde, Robin würde ihr Alleswisser Lächeln aufsetzen und sich ihren Teil denken und Sanji... Sanji würde sicher ein paar Freudentränen verdrücken. Unwillkürlich ballte Zorro seine Hände zu Fäusten. Sie schmerzten. Verärgert drehte er sich auf die Seite und schloss die Augen. Er wollte nur noch schlafen. - Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)