Be my drug von minowari (and stun me) ================================================================================ Kapitel 8: Run Rabbit Run ------------------------- Die grauen Untergrundwände rauschten wie ein dunkler Schatten an ihnen vorbei. Flackerndes Licht beleuchtete nur spärlich den Waggon, in dem eigentlich mehr Platz vorhanden war, als nur für zwei Personen. Als die U-Bahn zwischendurch anhielt, schienen die Menschen, die auf ihrer Seite einstiegen, automatisch Abstand zu nehmen. Die meisten spürten die mächtige und unheimliche Aura, die von den beiden Männern ausströmte, drängten sich an ihnen vorbei und trauten sich nicht, sich auch nur irgendwie einzumischen. Es schwankte ein wenig nach links und die beiden Männer rutschten ein Stück zur Seite. „Experiment?“, wiederholte Shizuo ungläubig und verengte die Augen. Für einen kurzen Moment war nur das Rattern und Ruckeln der U-Bahn zu hören, als sich die Maschine zum vierten Mal in Gang setzte. Der Floh hatte schon mehrmals probiert, sich dem Mördergriff zu entwinden, doch Shizuos Kraft war unbarmherzig. „Nur ein kleiner Versuch um was zu testen.“ „Was zum Teufel willst du denn testen, indem du meine Sachen zu dir schickst, du Bastard?“ Shizuo gefiel es eindeutig nicht, was der Floh da wieder im Kopf hatte. Denn Dinge, die ihn und den Floh betrafen, endeten nie gut. „Vielleicht werde ich dadurch irgendwann das Monster das du bist verstehen können, ne? Immerhin bestehst du nur aus Muskeln und unvorhersehbaren Aktionen.“ Shizuo drückte seine andere Hand gegen seinen Oberarm und Izayas Griff um sein Messer verstärkte sich, und doch brachte er es noch nicht zum Einsatz. Shizuos Augen verengten sich und für einen kurzen Moment sagte er nichts, sondern durchbohrte den Informanten mit einem eiskalten, aber auch nachdenklichen Blick. „Du kannst es einfach nicht lassen oder?“ Dafür, dass Izaya ihn schon so oft und auch lange genug provoziert hatte, verhielt Shizuo sich noch dementsprechend „gemütlich“. Er hätte ihn auch schon längst ohnmächtig prügeln können und dennoch tat er es nicht. Ob er es nicht wagte, weil der halbe Zug zusah, oder ob es aus einem noch ganz anderen Grund war, konnte Izaya nicht genau sagen. Interessant. „Ich möchte in dem Experiment gewisse Verhaltensweisen untersuchen. Und bei dir ist mir was Interessantes aufgefallen.“ Er sah, wie Shizuo irritiert die Stirn runzelte, bevor er anscheinend innerlich mit sich kämpfte. „Und das ist der einzige Grund…? Der einzige Grund dafür, dass ich aus meiner Wohnung geschmissen wurde, nächtelang auf einer Parkbank schlafen musste, du mir meine Zigaretten stiehlst und jetzt auch noch meine Sachen weg transportieren lässt?“ Shizuo Körper zitterte kurz unter einer seltsamen Anspannung, die vermutlich mit seiner Selbstbeherrschung zu tun hatte. „Ich kann dir eines versichern, Shizu-chan. Dass du aus der Wohnung geschmissen wurdest hat nichts mit mir zu tun.“ Shizuo schnaubte wütend. „Wer’s glaubt, wird selig! Es hat immer etwas mit dir zu tun!“ Izaya grinste schelmisch zu ihm hoch und lachte kurz. „Deine Entscheidung, ob du mir glaubst oder nicht.“ Die U-Bahn machte einen weiteren Ruck und kam abermals zum Stehen. Shizuo begann zu taumeln, was dem Informanten die Chance gab, sich besser zu bewegen. Schnell zückte er sein Messer, fuhr damit nach Shizuo, der überrascht zurück sprang. In Windeseile hatte sich der schwarzhaarige Mann sein Essen vom Boden aufgegabelt und huschte durch die offene Tür hinaus in die Freiheit. Shizuo blinzelte für einen kurzen Moment, bevor er ihm wild hinterher hetzte. „Ich war noch nicht fertig, du scheiß Floh!“, grollte es hinter ihm. Natürlich gab er nicht auf. Aber was anderes hatte Izaya ehrlich gesagt auch nicht erwartet. Er lachte. „Fang mich doch, wenn du kannst!“ Es war erstaunlich wie lange Shizuo durchhielt, unglaublich wie weit er ihm folgte. Ein weiteres Stoppschild bohrte sich nur knapp neben ihn in den Asphalt. Anscheinend war es ihm wohl wirklich wichtig, ihn aufzuhalten. Unglaublich. „Das wievielte Schild ist das nun Shizu-chan? Das 18te?“ „Halt die Klappe!“, kam es gebrüllt und bevor das nächste Objekt ihn treffen konnte, duckte er sich schnell hinter einem geparkten Auto. „Oh warte, das 19te!“, sagte Izaya, sprang hinter dem PKW hervor und huschte in die nächste Seitengasse. Das Wetter war immer noch genauso mies wie vorher und inzwischen waren beide Männer bis auf die Knochen durchnässt. Es brauchte nur noch eine Überquerung von einer Straße, bevor Izaya bei seinem Apartment ankommen würde. So langsam musste er ihn zu fassen kriegen. Shizuo knurrte. Wie lange wollte dieser Dreckskerl denn noch davon laufen? Er stampfte mit dem Fuß auf eine herum liegende Mülltonne, ehe er das Ding schnappte und in Richtung seines Feindes fliegen ließ. „Wirklich ein neuer Rekord, Shizu-chan.“, lachte der andere, als er dem Objekt leichterweise auswich und begann über den Zebrastreifen zu laufen. Der Blondschopf hetzte grimmig hinterher und als er den Arm ausstreckte, hatte er Izaya beinahe an seiner Kapuze erwischt. Doch der andere machte unerwarteter Weise einen Haken und entwischte ihm. Shizuo begann daraufhin fast zu stolpern, fing sich aber noch, bevor er gegen eine Wand prallen konnte. Schwer atmend drehte er sich um, scannte den Floh ab, der genau wie er, nicht mehr so ganz fit war wie noch am Anfang und dennoch zierte wie immer ein schelmisches Lächeln sein Gesicht. Der Regen rauschte in seinen Ohren. „Ich bin nicht mehr in Ikebukuro. Also geschafft für heute, ne…?“, erwiderte der Informant ein wenig außer Atem, bevor er sich kurz über das Gesicht rieb, das von dem Regen pitschnass war. Seine dunklen Augen flimmerten, aber das Grinsen wich keine Sekunde. Shizuo blieb eine Weile stehen und beobachtete seine Bewegungen. „Von wegen! Erst muss ich dir noch die Antworten aus dem Leib zu prügeln! Denn du weißt ganz was es mit meiner Wohnung auf hat…“ Shizuos Hand fuhr automatisch in seine Weste, aber stoppte auf halbem Wege, da ihm wieder bewusst wurde, dass er ja gar keine Zigaretten mehr hatte. Er zischte. „Oh, du nimmst meine Dienste in Anspruch? Wird aber ein wenig kosten. Kannst du dir das überhaupt leisten?“ Shizuos Gesichtsausdruck zeigte keine wirkliche Regung. Er war so oder so bereits bis zum Vollends gereizt, da prallten die beleidigenden Worte des Flohs einfach an ihm ab. Als Shizuo für einen Moment nicht antwortete, begann Izaya schließlich davon zu stolzieren, trat durch die Glastür hindurch, die sich durch die Bewegungssensoren für ihn öffnete. Der Informant stoppte in der Mitte der Eingangshalle, drehte sich um, als Shizuo ihm folgte. Weil es plötzlich ruhiger zuging als vorher, lag eine bestimmte Spannung in der Luft, die beide Männer vorsichtig werden ließ. Der Blondschopf fragte sich, warum dies so oft in letzter Zeit geschah, doch ihm fiel keine Antwort ein. Er hob den Blick und musterte den Informanten. Izayas Klamotten waren ebenfalls wie seine nun völlig vom Regen durchnässt. Die Kapuze, die ihn eigentlich vor den Wassertropfen schützen sollte, war schon bei Beginn der Jagd von seinem Kopf geflogen. Nasse Haarsträhnen klebten teilweise an seiner Stirn und ließen ihn wie einen begossenen Pudel aussehen. „Ich gebe dir was im Gegenzug.“, sprach der Blondschopf plötzlich und blieb ruhig stehen, nur ein paar Meter entfernt vom anderen. „Oh?“ Izaya legte amüsiert den Kopf schief und schien darauf zu warten, dass er fortfuhr. Doch Pudel waren nicht sein Ding. Und begossene Pudel schon gar nicht. Der plötzliche Luftzug, der auftauchte, fuhr scharf an Izayas Gesicht vorbei, als Shizuo erneut seine Faust in die Richtung des Flohs lenkte. Der andere schien damit aber gerechnet zu haben und hüpfte leichtfertig ein paar Schritte zur Seite, blieb am Rande der Treppen stehen. „Ich glaube, bei dir ist das Wort Geld mit Gewalt in deinem kleinen Gehirn vertauscht worden, oder?“, neckte Izaya, ehe er die Treppenstufen hinauf hetzte. „Pah, du bekommst nur was du auch verdienst, du Bastard!“, rief Shizuo und hetzte hinter dem anderen hinterher. Izaya lachte. „Also bisher habe ich doch ziemlich Glück gehabt!“ Shizuo knurrte verärgert. Es waren so gut wie keine Objekte in der Nähe, die sich zum Werfen eignen würden. Nur das Geländer der Treppe könnte er heraus reißen, was ihm aber in seiner jetzigen Situation nichts bringen würde. Denn der Floh war bereits einige Stufen voran, und schien immer ein kleines Stück schneller zu sein. Er musste ja zugeben, dass Izaya nun mal schneller als er war. Aber- Plötzlich gelang das Geräusch von klimpernden Schlüsseln in seinen Gehörgang und er spitzte die Ohren. Oh nein. Dich lasse ich nicht so einfach in deine Wohnung, du Floh! Als Shizuo die letzten Stufen überwand, sah er bereits wie der Schwarzhaarige an der Tür rumhantierte, doch offensichtlich nicht schnell genug. Nur Sekunden später hatte Shizuo seinen Arm mit dem Schlüssel ergriffen, als Izaya zur Seite ausweichen wollte. Der Informant verzog deutlich das Gesicht. Dessen Handgelenk begann unter seinem Druck zu zittern, was Shizuo ein kaltes Grinsen auf das Gesicht brachte. „Wer spuckt nun große Töne, ha?“ Unachtsam traf Izayas Rücken die harte Wand neben seiner Wohnungstür und die Schlüssel fielen ihm dabei auf den Fußboden. Die weiße Plastiktüte von Russia Sushi hing dabei lose um seinen Arm und man konnte sich schon vorstellen wie das Innere des Beutels aussehen musste… „Shizu-chan, du scheinst zu vergessen, dass wir in meinem Revier sind…“, sagte der andere und seine Stimme nahm eine seltsame Tonlage an, die wohl verdeutlichen sollte, dass er sich nicht in Gefahr sah, selbst als Shizuo den Druck deutlich erhöhte und mit seinem Kopf an seine Stirn knallte. „Dein Revier, huh? Meinst du das hat mich jemals interessiert?“ Izayas Augen verengten sich. Heute ging Shizuo viel weiter als sonst. Anscheinend hingen noch viel mehr Sachen drin, die ihn belasteten. Und es war ja eigentlich immer so, dass wenn irgendwas nicht richtig lief, gleich Izaya daran schuld war. Irgendwer musste ja schuld sein… Als Izaya nicht antwortete, sondern anscheinend auf Shizuo Reaktion wartete, schien das den anderen nur noch mehr zu verärgern. Er senkte den Blick erneut, und drückte mit seinem Kopf nochmal stärker an die Stirn seines Gegners. „Was ist mit meinem Bruder? Was hast du getan?“ Als Shizuo die Worte dunkel zischte, klang es so gefährlich, dass Izaya das kalte Eis quasi darin spüren konnte, dennoch blieb er weiterhin still. Was er genau er im Sinn hatte, wusste Shizuo nicht, dennoch irritierte es ihn, dass der Floh gar nichts sagte. Braune Augen durchbohrten rötliche, und dennoch war Shizuo nicht in der Lage auch nur irgendetwas in ihnen zu sehen. Irgendwas, das alles erklären würde. Warum er das tat. Doch das einzige was er wahrnahm, waren Izayas schwarzen, nassen Haare, die ihm unwirsch im Gesicht klebten, während noch einige Wassertropfen seine Haut bedeckten. Shizuos Gedanken schweiften plötzlich ab, und irgendwie kam ihm das Gefühl von ihrem gestrigen Kuss wieder hoch. Eine Gänsehaut überfuhr ihn und unbewusst lockerte sich sein harter Griff um Izayas Handgelenke, während er ein Stück nach hinten auswich. Auch wenn es nur vielleicht ein Zentimeter war, fiel es Izaya natürlich auf. „Ne, Shizu-chan…“, begann Izaya ruhig, während seine Hand unauffällig in seine Jacke zu seinen Messern verschwand. Shizuos Blick schweifte von Izayas Augen auf seine Lippen, als diese zu sprechen begannen und zum ersten Mal bemerkte, wie weich sie aussahen. Shizuo blinzelte kurz. Nein, das würde nicht nochmal passieren! „Woran denkst du gerade, hm…?“ Shizuo schoss unvorbereitet die Farbe ins Gesicht. Izayas Gesicht zierte wie üblich ein Grinsen, doch es war noch neckischer als sonst. Der blonde Mann ließ den Floh nun endgültig los und brachte etwas Abstand zwischen ihnen. Er zischte leise. „Monster denken nicht, Shizu-chan. Sie handeln.“, fuhr der Informant unbeirrt fort und bewegte sich wieder einen Schritt auf ihn zu. „Bestialische Kraft. Purer Zufall. Unvorhersehbar. Das ist es was dich ausmacht.“ Er stoppte kurz vor ihm. „Doch etwas ist heute anders. Und das gefällt mir nicht.“ Shizuo knurrte. „Izaya, spuck’s aus! Was ist mit meinem Bruder?“, wiederholte er und versuchte sein Bestes Izayas sinnloses Gebrabbel zu ignorieren. „Du weißt ja Shizu-chan, es kostet. Und du kannst mich offensichtlich nicht mit Geld bezahlen. Also was willst du mir stattdessen geben?“ Shizuo starrte ihn an. Als ob der Floh ihm nicht schon genug die letzten Jahre angetan hatte. Nun verlangte er immer noch nach etwas, dieser dreckige Bastard...! „Du kriegst höchstens ein blaues Auge!“, rief der Blondschopf und langte blitzschnell nach vorne. Aber wie fast immer konnte ihm der andere entwischen und statt dem grinsenden Hampelmann traf er dabei nur die Hauswand. Der Knall ging ihm durch Mark und Bein, und könnte sogar die Nachbarn aufmerksam gemacht haben, aber das interessierte ihn nicht. Verbittert zog der Blondschopf die Hand aus der Delle, einige Krümel und Steinchen bröckelten dabei hinaus. „Shizu-chan…“, flüsterte plötzlich Izayas Stimme an seinem Ohr, die Worte nicht mehr als ein heißer Hauch. „Nun schuldest du mir schon eine zweite Wand. Wie willst du mir das zurückzahlen?“ Shizuo dachte, es ginge nicht schlimmer. Machte er das extra? Wild drehte er sich um, schlug dabei Izayas Hand von sich, die sich seltsamerweise auf seiner Schulter befand. „Was willst du, Izaya?“ Shizuo nervte es. Dann sollte der verdammte Floh doch endlich mit der Sprache rausrücken. „Einen Deal.“ Shizuo schnaubte. Er erinnerte sich an den letzten „Deal“, den der Floh alleine für sich ausgehandelt hatte. Und dabei war nur rum gekommen, dass er nun ohne Zigaretten da stand. Sicherlich kam bei diesem Deal nur noch Schlimmeres bei rum. „Und du glaubst ernsthaft, ich gehe drauf ein?“ Izaya grinste erneut und Shizuo merkte an seinem Ausdruck, dass der Informant sich hundert Prozent sicher war, diese Runde gewonnen zu haben. „Du willst doch wissen, was mit deinem Bruder ist, oder etwa nicht? Außerdem schuldest du mir noch zwei Wände.“ Izayas Grinsen vertiefte sich, während Shizuo realisierte, dass ihm keine wirkliche Wahl gelassen wurde. Der Floh wusste natürlich genau, dass er kein Geld hatte. Also was genau wollte er von ihm? Er konnte natürlich den Deal ablehnen, jedoch wäre er dann kein Stück weiter. Wenn nun wirklich etwas mit seinem Bruder war, würde er sich hinterher nur Vorwürfe machen. Dieser Floh und seine Spielchen… Shizuo konnte nur hoffen, dass dieser Dreckskerl nichts extrem Schlimmes im Sinn hatte – was eigentlich so gut wie hoffnungslos war. Izaya war die Manifestierung des Bösen, des Hinterlistigen. Wenn er dabei keine Hintergedanken hatte, wer dann? „Tch. Was genau willst du?“, knurrte Shizuo schließlich und gab sich geschlagen. „Erinnerst du dich noch an das was ich vorhin in der U-Bahn erzählt habe?“, fragte Izaya, während er begann Shizuo zu umrunden und gestikulierte dabei mit seinen Armen in der Luft. „Du redest so viel Scheiße, das merke ich mir ganz sicher nicht.“ „Haha, vielleicht solltest du deinen Mitmenschen ein bisschen mehr Aufmerksamkeit schenken.“ „Und vielleicht solltest du endlich mal zum Punkt kommen.“ Seine Faust zitterte wieder und er war nahe dran, dem Informanten das Grinsen aus dem Gesicht zu schlagen. „Du wirst an meinem Experiment teilnehmen.“ Seine Stimme ließ keinen Widerspruch zu und war ganz klar eine Aufforderung. Izaya hob die Hand in die Luft. „Und bevor du fragst: Details erkläre ich später. Das Wichtigste für dich ist eigentlich nur, dass das Experiment voraussichtlich zwei Wochen dauern wird. Deswegen habe ich schon mal etwas vorgesorgt und-“ „Und hast meine Sachen zu dir transportieren lassen.“ Izaya lachte kurz. „Wow! Shizu-chan kann ja denken.“ Es war eher lächerlich gemeint, aber hinter seinem Lachen konnte Shizuo sehen, dass dem anderen irgendwas daran nicht gefiel. Er verengte die Augen. „Ich würde aufpassen was du sagst, Izaya.“ Der schwarzhaarige Mann winkte mit der Hand und ignorierte die Warnung. „Ich hab mir gedacht, dass ich mal so großzügig bin und dir eine kleine Wohnung zur Verfügung stelle. Du bist ja gerade sowieso obdachlos und da es wegen dem Experiment deutlich einfacher wäre, passt mir das ganz gut in den Kram.“ Shizuo runzelte die Stirn in deutliche Verwirrung. Was zum Teufel hatte der andere vor? Warum zur Hölle sollte er in eine Wohnung ziehen, nur wegen diesem Experiment? „Glaubst du ernsthaft ich zieh in irgendeine Wohnung nur wegen deinem dämlichen Experiment? Du unterschätzt mich, Izaya.“ Izaya zuckte mit den Schultern, bückte sich, um seine Haustürschlüssel aufzuheben und achtete gar nicht darauf, dass Shizuo ihn jederzeit von der Seite aus angreifen könnte. „Kann sein. Bei dir weiß ich schließlich nie was du tun wirst. Unvorhersehbar, ne?“ Die Schlüssel klimperten in seiner Hand, während er wieder einen Schritt auf ihn zuging. Shizuo spannte sich an. „Aber deswegen machen wir ja dieses Experiment.“ Izaya legte den Kopf schief. „Du hast kaum eine andere Wahl.“ Shizuo zischte, während er sich auf die Lippe biss. Dieser verdammte Dreckskerl. Shizuo wägte seine Möglichkeiten ab. Und da gab es leider nicht viel Auswahl. Wenn er Izaya einfach hier und jetzt verprügeln würde – falls er ihn denn nochmal erwischte – würde ihm das nicht viel bringen. Schließlich wusste nur er über seinen Bruder Bescheid. Es gab keinen anderen Informanten, der seine Arbeit so gut machte wie er. Das war selbst an seine Ohren gekommen, wenn auch von irgendwelchen zwielichtigen Gestalten, die ihm aufgelauert hatten. Aber was wenn er das Risiko des „Experimentes“ eingehen würde? Was käme auf ihn zu? Was würde er tun? Was hatte er vor? „Was ist mit meiner Arbeit? Ich werde ganz sicher nicht Tom in Stich lassen, nur wegen deinem dämlichen Experiment…“, erwiderte Shizuo grimmig und durchlöcherte abermals den schwarzhaarigen Mann mit seinem stechenden Blick, doch dieser schien anderweitig beschäftigt zu sein. Mit der einen Hand hielt er die weiße Plastiktüte auf, während er mit der anderen sich sein gekauftes Essen bestaunte. In seinem Blick kurz flackerte kurz so etwas wie Enttäuschung, als er sah, was noch von seinem Tuna übrig geblieben war. „Du kannst von mir aus gerne ein paar Leute verprügeln gehen. Hauptsache, du stehst abends zur Verfügung. Ich habe sowieso noch andere Dinge zu erledigen.“ Shizuo zischte abfällig. „Mit andere Dinge erledigen meinst du doch nur, anderen Menschen das Leben schwer zu machen.“ „Ach wo denkst du hin, Shizu-chan? Ich liebe die Menschheit!“ Der andere drehte sich kurz um sich selbst und lachte. Shizuo knurrte. Nun gut, wenigstens konnte er seinen normalen Arbeitstrott nachgehen. Tom hätte sich sonst sicherlich eh gefragt, warum er zwei Wochen nicht bei der Arbeit auftauchte ohne Bescheid zu geben. Doch diese kleine Ratte war wirklich gerissen. Seine Augen schweiften wieder auf den schwarzhaarigen Mann und er runzelte im nächsten Moment die Stirn. Zittrig schlang sich der Informant die Arme um die Schultern und sah aus, als ob ihm kalt wäre. Er rieb sich über die klatschnasse Plüschjacke, aber das schien nicht wirklich zu helfen. Gut möglich, dass sie beide bis morgen krank waren. Schließlich waren sie ziemlich lange in diesen nassen Klamotten herum gelaufen. Hoffentlich würde dieser Bastard erstmal krank werden und eine Woche flach liegen... „Hier“, hörte Shizuo plötzlich Izayas Stimme, ehe ein leises Klimpern folgte, was auf ihn zugeflogen kam. Aus Reflex fing er das Objekt ehe es den Boden berühren konnte. Shizuo blinzelte. Ein Schlüssel. „Ich dachte mir schon, dass du heute nicht so schnell warst wie sonst. Du hast Rückenschmerzen, oder?“ Der Blondschopf blickte überrascht auf. „Also wirklich Shizu-chan, auf einer Bank zu schlafen, ist ein absolutes Todesurteil für deinen Rücken. Wenn du so weiter machst, brauchst du bald noch einen Gehstock.“ Izaya stand erneut am Treppengeländer und blickte die Stufen hinunter. „Und wo wäre denn dann der Sinn dich zu ärgern? Du würdest mir nicht mal eine Minute hinterher laufen können. Vermutlich würdest du nur über deinen Gehstock stolpern.“ Tch. Natürlich. Shizuos Gesicht verzog sich merklich. „Halt die Klappe und sag mir endlich wofür der Schlüssel ist!“ Er hörte wie der Floh laut aufseufzte. „Und ich dachte, dass es selbst für dich nun offensichtlich genug wäre...“ Izaya drehte seinen Kopf wieder in seine Richtung und schüttelte ihn leicht. „Komm mit. Ich zeig dir die Wohnung.“ Und erst dann schien Shizuo zu begreifen. Die komplette Situation hatte sich in eine völlig andere Richtung gewandelt. Er war schon längst in seine Falle getappt. Von Anfang an. Und es war von Anfang an sein Ziel gewesen. Doch nichts desto trotz tat der Blondschopf nichts anderes, als dem schwarzhaarigen Mann die Treppen hinunter zu folgen, die er eben noch so angestrengt hochgehetzt war. Shizuo starrte auf den Schlüssel in seiner Hand und fragte sich, was sich daraus für angebliche Vorteile für den Floh ergeben würde. Eigentlich keine. Eher genau das Gegenteil. „Und was sagst du zu der Wohnung, Shizu-chan?“, fragte Izaya als dieser plötzlich die Haustür öffnete. Sie hatten nicht mal das Gebäude verlassen, eigentlich waren sie nur ein Stockwerk tiefer. Shizuo starrte irritiert auf den Floh, der nun mit einer Armbewegung in die Wohnung zeigte. Im Inneren konnte er ein paar von seinen Möbeln sehen. Unbewusst betrat Shizuo langsam das Apartment, ging ins Wohnzimmer, blickte dabei in die Küche und zum Schluss ins Badezimmer. Irgendjemand schien nicht nur seine Sachen hier hin transportiert, sondern auch an die richtigen Stellen platziert zu haben. Wen auch immer der Floh damit beauftragt hatte… „Du wohnst dann quasi nur ein Stockwerk unter mir. Um die Kosten drum herum brauchst du dir keine Gedanken machen. Bin ich nicht ein Gentleman?“ Izaya lachte kurz, drehte sich wie üblich im Kreis und tänzelte durch die Wohnung. Ja sicher, ein Gentleman… „Vergiss es.“ „Hm?“ Izaya sah Shizuos verzogenes Gesicht und schließlich die halbe Bewegung zu seiner Weste, in der sich aber immer noch keine Zigaretten befanden. „Ich werde nicht in die Wohnung ziehen.“ „Also sind dir Rückenschmerzen lieber? Deine schöne Parkbank wird dir nicht immer zur Verfügung stehen. Wer weiß, vielleicht liegt dort heute Nacht ja schon ein anderer Obdachloser.“, höhnte der Informant und das scharfe Wort Obdachloser brannte sich in Shizuos Gedächtnis. Die Art wie Izaya davon sprach, brachte erneut sein Blut zum Kochen. „Dann wird er sich derjenige bestimmt über die Wohnung freuen. Denn ich werde hier ganz sicher nicht einziehen.“, antwortete Shizuo und merkte wie Izaya ersichtlich nicht gefiel, wie er mit ihm sprach. Sicherlich würde Shizuo es nicht wagen irgendeinem Penner den Schlüssel zu geben, aber ganz sicher war sich Izaya da nicht. Schließlich tat der andere sowieso nie das, was man vom ihm erwartete. Dennoch lachte er nur. „Von mir aus, mach was du willst. Aber morgen Abend beginnen wir mit dem Experiment. Ich werde dich anrufen.“ „Was ist mit meinem Bruder?“ „Morgen, Shizu-chan...“ Tch... Es würde nicht mehr bringen hier noch endlos mit ihm zu diskutieren. Es war nun mal Izaya und wenn er entschied keine Informationen rauszugeben, dann würde das in nächster Zeit auch nicht passieren. Vielleicht gab er doch irgendeinem Penner den Schlüssel, sollte der Floh doch sehen was er davon hatte. Obwohl… seine Sachen waren noch in der Wohnung. Argh, es war sinnlos! Grimmig steckte Shizuo den Schlüssel tiefer in die Tasche und stapfte, ohne sich nochmal umzudrehen, fluchend die Treppe hinunter. Dabei sah er nicht, wie Izayas Grinsen hinab in die Tiefe fiel, während seine rötlichen Augen dem blonden Mann hinterher blickten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)