Konoha Gangs II: Game On von ximi (Das Spiel hat gerade erst begonnen) ================================================================================ Kapitel 28: Alles oder nichts ----------------------------- Es war abends um halb Elf als sich Shikamaru meldete. Der Plan stand – das Vorhaben sollte in einer Woche starten. Laut Shikas Ausführungen waren sie fast ohne Pause um die acht Stunden mit Hatakes Team zusammengesessen. Jedoch würden sie sich in den nächsten Tagen zu weiteren Besprechungen treffen, wichtig war jetzt, dass die Kooperation geheim gehalten wurde. Sakura und die Anderen waren erleichtert, das zu hören. Jedoch war ihnen allen bewusst, dass Grosses bevorstand. Und nicht nur Grosses, sondern auch Gefährliches. Was sie vorhatten, war gewagt. Niemand war sicher. In den kommenden Tagen bereiteten sie sich vor. Das bedeutete auch, dass sie ins HQ zurückkehrten, um ihre Autos und Motorräder vorzubereiten. Das HQ wieder in Betrieb zu nehmen, war zu riskant, da die Riots ihre Spitzel überall verteilt hatten. Deshalb machten sie sich zu fünft im Banden-Suzuki auf den Weg. Sakura, Kiba, Ino, Lee und Sai. Als sie in der Garage ankamen, fühlte es sich an, als wären sie nach langer Zeit nach Hause gekommen. Die Garage lag verlassen vor ihnen, als sie aus dem Auto stiegen. Die beiden anderen Autos sowie etwa zehn Motorräder waren noch hier. Sie hatten sie allesamt abgedeckt, damit sie keinen Staub ansetzten. Es war so ungewöhnlich still. Normalerweise konnte man selbst in der Garage Stimmen und Geräusche von nebenan hören. Als sie auf den Flur traten, fühlte sich Sakura fast schon wie in einem Geisterhaus. Kiba und Lee blieben gleich in der Garage, um sich die Maschinen anzuschauen, Sakura und Ino wollten mit Sai zur Waffenkammer, um ihm beim Tragen zu helfen. Sie traten in den Aufenthaltsraum. Natürlich hüteten sie sich davor, das Licht einzuschalten. Durch die Oberlichter schien die Nachmittagssonne und sorgte so für eine gute Sicht. «Das ist ja echt wie in so einem Gruselhaus hier», murmelte Ino. «Wenn wir hier wieder einziehen, müssen wir erst einmal alles abstauben.» Da hatte sie schon Recht. Die Couch und die Sessel hatten sie allesamt abgedeckt, jedoch gab es einen Haufen Möbelstücke, die dem Staub schutzlos ausgesetzt waren. An den Wänden hing nichts mehr. Das war alles demontiert worden und ruhte nun in Kartonschachteln in Tsunades Keller. «Darüber können wir uns Gedanken machen, wenn es soweit ist», meinte Sai nur und begab sich zielstrebig zu der kleinen Kammer in der hinteren linken Ecke, wo sie die Waffen verstaut hatten. Ino folgte ihm schnurstracks, aber Sakura musste diese ungewohnte Leere erst einmal auf sich wirken lassen. Es war verrückt, wie viele Erinnerungen sie an diese Räume hatte. Gute und schlechte, wobei die guten überwogen. Als sie zur Abstellkammer kam, hörte sie Ino und Sai lachen. Bevor sie eintrat besann sie sich und mache rechtsumkehrt. Sie witterte bei den beiden etwas und wollte nicht einfach so in ihr Gespräch hineinplatzen. Deshalb verschwand sie in Richtung der Schlafzimmer und öffnete als erstes die Tür zum Schlafraum der Jungs. Bei dem (zugegebenermassen erwarteten) Anblick konnte sie nur den Kopf schütteln. Die Betten waren zwar gemacht, am Boden lag trotzdem noch jede Menge Müll herum. Leere Dosen, Chips-Tüten, sogar ein voller Aschenbecher. Sie konnte nicht anders, als die Unordnung zu beseitigen. Als sie fertig öffnete sie noch kurz die Fenster, um etwas frische Luft in die Räume zu lassen. Das HQ in diesem Zustand zu sehen stimmte sie nachdenklich. Im letzten Jahr war so vieles geschehen. Es schien, als wäre nichts mehr so, wie es noch im letzten Sommer gewesen war. Und jetzt standen sie an einem Punkt, der ungewisser nicht hätte sein können. Wer wusste schon, wie ihre Situation in einem Monat aussehen konnte? «Cherry! Könntest du uns mal helfen?», hörte sie Ino aus dem Aufenthaltsraum rufen. Anscheinend war ihre Hilfe nun doch von Nöten. «Ich komme!»   Am nächsten Mittwoch waren die Inners der Gangs zu einem Briefing eingeladen. Das Ganze fand im Hörsaal der South Konoha University statt, da es zu auffällig wäre, die Gangs in den Hauptsitz der Polizei einzuladen. Da Semesterferien waren, fanden sie den Campus nicht ganz so belebt vor, wie während den regulären Unterrichtszeiten. Auf der grossen Rasenfläche vor der Universität hatten einige Leute Decken ausgebreitet, picknickten oder sassen einfach so gemütlich beisammen. Im Schatten der grossen Eichen konnte man das schöne Wetter bestens geniessen. Von ihnen ernteten sie einige interessierte Blicke, als sie durch das Tor auf dem Kopfsteinpflaster des Hauptweges in Richtung des alten Steingebäudes gingen. «Hab noch nie ‘ne Uni von innen gesehen», murmelte Deidara, als er die Steinfassade musterte. «Wir haben ja noch nicht einmal ein College von ihnen gesehen», meinte Hidan nur und Deidara zuckte mit den Schultern. Die Universität hatte eine riesige Eingangshalle mit einer hohen Decke. Irgendwie sah alles ein wenig aus wie in einem Schloss, die Bilder, die Ornamente, die breite Steintreppe. Der für sie vorbestimmte Hörsaal befand sich im Parterre und war riesig. Nach oben versetzte Bankreihen aus dunklem Holz, riesige Fenster und eine Wandtafel. Als Dozent musste man sich ganz schön klein fühlen, wenn der Saal mit Studenten gefüllt war, die nun wie das Publikum auf den Löwen in einer Zirkusarena hinunterschauten. Die Kuramas und Takas setzten sich in die vordersten Reihen und Hatake stellte sich flankiert von Mitarashi und Sarutobi nach vorne. Der ganze Plan war auf einer Powerpoint-Präsentation festgehalten. Shikamaru hob anerkennend eine Augenbraue und meinte: «Ein Hoch auf den Fortschritt. Gangs die sich in einer Universität briefen lassen – das hat es bestimmt noch nicht gegeben.» «Willkommen in ‘Gangkampf 101’», scherzte Kiba und Sakura musste laut lachen. «Die Gang-Akademie. Das wäre mal eine gute Idee für eine Serie.» Hatake räusperte sich und erhielt sofort die Aufmerksamkeit aller Anwesenden. Die Gangs waren topmotiviert, die neue Strategie zu erfahren. Es hiess jetzt alles oder nichts und das war jedem im Raum bewusst. Die Polizisten hatten vorhin die alten Fensterläden geschlossen, damit niemand in den Raum hineinsehen konnte. Hatake begrüsste sie und bedankte sich bereits im Voraus für ihr Mitwirken. Der Plan war bei Weitem grösser, als alles, was die Gangs bisher gemacht hatten. Das war auch kein Wunder, denn nebst den knapp hundert Personen der Kuramas und Takas, waren etwa 300 Polizisten und Polizistinnen im Einsatz. Und nicht nur das: Sie hatten tatsächlich fünfzehn vollbesetzte Sanitätsfahrzeuge aufgeboten, dazu kamen fünf Tanklöschfahrzeuge in Bereitschaft. Die Gangs staunten nicht schlecht. Shikamaru und Pain führten ab und an Hatakes Erklärungen noch ein wenig aus, um es etwas mehr in Gangsprache auszudrücken. Gangs benutzten oft Wörter oder Floskeln, die ganz bestimmte Bedeutungen hatten und nicht für jeden aussenstehenden Zuhörer dasselbe bedeuten würden. Grundsätzlich war der Plan nicht allzu komplex. Die Polizei wusste nicht genau, wann sich die Jaguar Riots wo zeigen würden. Da sie aber sowieso immerzu irgendwo auftauchten, war es kein Problem, Bereitschaftsdienst zu machen. Und zwar hatte die Polizei in der ganzen Stadt zwölf Standorte festgelegt, richtige Quartiere in denen auch geschlafen werden konnte. Die Gang würden auf neun dieser Standorte verteilt werden. An jedem Standort gab es ein Gangmitglied, das eine Leitungsfunktion übernahm und als Ansprechperson für die Polizisten galt. Von diesen Standorten aus würde operiert werden. Das konnten einerseits Einsätze sein, die als Antwort auf Aktivität der Riots folgten, andererseits auch geplante Festnahmen an bestimmten Orten. Den Gangs kam hier ihr Wissen von vergangenem Winter zu Gute, als sie die Riots beschattet hatten. Es lohnte sich, diese Ortschaften erneut auszukundschaften und je nachdem war es möglich, ein ganzes Nest dieser Riots in irgendeinem Club ausfindig zu machen. Und nun, da ihnen die Polizei half, sollte es keine grossen Schwierigkeiten geben, einen Club ganz abzuriegeln. Dieses Beschatten und Auskundschaften sollte ganz in die Verantwortung der Gangs abgegeben werden, da sie sich damit besser auskannten. Sie verstanden es wie keine Zweiten, sich unauffällig unters Volk zu mischen. Als Hatake erklärte, dass Waffen und Ausrüstung von der Polizei zur Verfügung gestellt wurden, hörte man fröhliches Johlen aus den Reihen der Gangs. Das gefiel ihnen natürlich. «Ich bin noch nicht fertig.» Er wandte sich erneut an sein aufgeregtes Publikum. «Ich brauche nicht nur Leute, die mit der Polizei unterwegs sind, sondern auch solche, die die Sanitäter begleiten. Auch sie sollen jemanden an ihrer Seite haben, der Erfahrung mit Gangfights hat. Eure Leader haben folgende Personen vorgeschlagen.» Er las acht Namen herunter, Sakura und Inos waren dabei. «Ist das in Ordnung oder gibt es Einwände?» Es bedurfte kurzer Absprache, jedoch dauerte es keine fünf Minuten, bis zugestimmt wurde. Sakura und Ino freuten sich natürlich und waren begeistert von der Idee, etwas zu der ganzen Sache beitragen zu können. Neben ihnen war Choji genannt worden, der nicht besonders aufs Kämpfen aus war und ein Mädchen vom Outer, Matsuri. Von den Takas wurden drei Outer- und zwei Inner-Taka bestimmt: zwei Jungs, die sie nicht kannte, Hotaru und ein weiteres Outer-Mädchen. «Besten Dank. Die Sache wird am Freitag losgehen. Damit ihr auch vorbereitet seid, werdet ihr gleich morgen eure jeweiligen Divisionen kennenlernen. Die Einteilung werde ich euren Vizes gleich noch in Papierform geben. Eure Leader haben sich mit diesen Formationen einverstanden erklärt.» Er schaltete eine Folie ein, auf der die Divisionen ersichtlich waren. Die Sanitätstrupps waren auch Standorten zugeteilt worden. Sie fand ihren Namen in der Division «South Konoha University». Hatake hatte bereits vorhin erwähnt, dass die Uni einer der beiden Hauptstützpunkte war. Ino war mit ihr gemeinsam eingeteilt. Da dieser hier, gemeinsam mit dem HQ der Polizei, der grösste Stützpunkt war, waren auch dementsprechend viele Leute eingeteilt. Karin, Suigetsu, Kiba, Tenten, Ripper und Sasuke. Ihr Herz hüpfte ihr beinahe aus der Brust, als sie seinen Namen dort stehen sah. Die beiden Leader waren auf die Hauptstandorte verteilt worden, Narutos Name fand sie beim HQ der Polizei. Langsam aber sicher wurde ihr bewusst, dass sie hier und jetzt die Möglichkeit hatten, etwas an ihrer Situation zu verändern. Immerhin bekamen sie die Chance, mit der Polizei und all ihrer Technologie zu arbeiten. Sie befanden sich am längeren Hebel als die Riots, oder? Nun, es würde sich zeigen. Aber ihre Chancen standen gut. Und vielleicht, ja vielleicht, war das hier der Wendepunkt in ihrem Leben. Vielleicht würde sich vieles zum Positiven entwickeln. Sie durften einfach die Hoffnung nicht aufgeben.   Den nächsten Tag verbrachten die Gangs bei ihrer jeweiligen Division in der Uni und wurden dort je nachdem den zuständigen Polizisten, Sanitätern oder auch Koordinatoren vorgestellt. Shika zum Beispiel würde in der Zentrale bleiben, um ein Auge auf das gesamte Geschehen zu haben. Sakura würde ein Fahrzeug begleiten, das von zwei Sanitäterinnen und einem Sanitäter besetzt war. Sanae würde nebst ihrer Rolle als Sanitäterin das Fahren übernehmen und Sakura würde als ihre Beifahrerin agieren, während Aoi und Kenta sich hinten um Verletzte kümmerten. Die drei waren richtig nett und schienen ihr gegenüber vollkommen vorbehaltslos zu sein. Sie zeigten ihr den gesamten Krankenwagen und gaben ihr einige Erklärungen dazu, wie sie vorgingen und was zu beachten war. «Du musst wissen, wir haben so etwas noch nie gemacht. In einer so grossen Mission mitgewirkt, meine ich. Du bist von daher in dieser Hinsicht die Erfahrenste», meinte Sanae als sie ihr die Gerätschaften im Fahrerraum des Krankenwagens erklärte. «Denkst du, es besteht eine Gefahr, dass wir auch attackiert werden?» Sakura musste sich ihre Antwort gut überlegen. «In einem normalen Gangkampf, nein. Aber das hier ist kein normaler Gangkampf und die Jaguar Riots sind auch keine gewöhnliche Gang. Weisst du, auch wir haben gewisse Regeln in jedem Kampf. Ungeschriebene Gesetze, die für ein Mindestmass an Fairness sorgen sollen. Zum Beispiel, dass keine Wehrlosen oder Verletzen attackiert werden dürfen. Im Falle der Riots ist aber Vorsicht geboten. Sie sind nicht gerade bekannt dafür, sich an Regeln zu halten. Sie sind so viele, dass es für den Leader sowieso unmöglich ist, alle im Griff zu haben. Ich denke nicht, dass ein Krankenwagen ihr Ziel Nummer 1 ist, aber Vorsicht geboten ist auf jeden Fall.» Sanae nickte. «Nur damit wir wissen, was auf uns zukommt. Man hat uns gesagt, die Polizei würde uns schützen, aber sind wir ehrlich, es ist ein Strassenkampf. Es kann alle passieren.» «Macht ihr das hier aus freien Stücken?», fragte Sakura. «Ja und nein. Es wurde uns eine Zahl von Sanitätern aufgedrückt, die zur Verfügung gestellt werden müssen. Manche, darunter auch wir drei, haben sich freiwillig bereiterklärt. Wir wollen alle endlich wieder Ruhe haben. Seit die Riots in dieser Stadt wüten müssen wir andauernd ausrücken, meistens wegen verletzten Polizisten, manchmal Zivilisten. Es wird Zeit, dass sich etwas ändert und wir werden da nicht einfach zusehen. Man kann nicht immer andere für einen aufräumen lassen. Und wir werden euch unterstützen. Denn grundsätzlich seid ihr hier diejenigen, die am wenigsten Grund haben, irgendetwas zu tun. Andere an eurer Stelle hätten sich vielleicht zurückgelehnt und genossen, wie alles den Bach abgeht. Aber ihr macht mit. Ich weiss nicht, was euer Endziel ist, aber ich bin dankbar, dass ihr mitmacht.» «Und wir sind froh diese Chance hier zu bekommen», sagte Sakura. «Wir haben euch zu danken, dass ihr dabei seid.» «Eine Hand wäscht die andere, Sakura. So sollte es eigentlich sein.»   Der Startschuss sollte an der Universität fallen. Es war ein Anliegen der Gangs gewesen, ihre Leader noch einmal in der Gemeinschaft in Empfang nehmen zu können, bevor sie sich auf die verschiedenen Posten verteilten. Hatake hatte das gutgeheissen, schlussendlich würde das auch der Motivation der Gangs dienlich sein. Sakura hatte sich schon ein bisschen in die zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten eingewöhnt. Es waren drei grosse Zimmer im linken Flügel mit Matratzen für die Inners und Outers zu schlafen da, das grosse Foyer wurde als Materiallager benutzt und die Polizei hatte sich im rechten Flügel einquartiert. Die Cafeteria im Keller war für die Verpflegung da und im Hof standen alle Motorräder und Autos bereit. Seit zwei Stunden, es wurde bereits dunkel, waren Sakura, Ino und ihre Gangleute da, genau wie die Takas. Sie waren in ihren jeweiligen Gruppen noch einmal den Plan durchgegangen und hatten die Karten der jeweiligen Gebiete begutachtet, für die sie zuständig waren. Sie sprachen hier nicht von gewöhnlichen Karten, sondern von Gang-Karten. Dort war so einiges mehr darauf eingezeichnet oder markiert worden, was auf herkömmlichen Karten nicht zu finden war. Die Karten waren Gangeigentum und wurden den Polizisten nicht gezeigt. Sie waren alle nervös, auch wenn das nicht jeder zugab. Die Tatsache, dass einige von ihnen vielleicht nicht zurückkommen würden, war noch nicht so recht zu allen durchgedrungen. Und zu Sakura schon gar nicht. Sie war viel zu aufgeregt. Denn in wenigen Minuten würden die Leader hier eintreffen. Dabei hätte man meinen können, dass der Ernst der Lage zu ihr durchgedrungen war, denn inzwischen trug sie ein Leuchtkombi, genau wie die Sanitäter und auch Ino, Choji und die anderen. Sie war vollkommen bereit. Und trotzdem noch nicht wirklich im Jetzt angekommen. Auf dem Vorplatz der Uni hatten sich inzwischen alle versammelt, es war ein riesiger Auflauf. Sogar Haruka und ihr Kameramann waren da, um diesen Moment festzuhalten. Das Material würde selbstverständlich nicht im Fernsehen ausgestrahlt werden, jedoch wollte man Film- und Bildmaterial einer Kooperation sammeln, wie es sie noch nie gegeben hatte, um sie später, wenn alles vorbei war, in Berichten verwenden zu können. Zu ihrer eigenen Ablenkung unterhielt sich Sakura noch ein wenig mit den Sanitätern, die selbst schon richtig nervös waren. Ihre Aufregung erreichte ihren Höhepunkt, als sie Suigtetsu rufen hörte. «Da kommen sie!» Ein Kastenwagen ohne Aufschrift kam näher. Begleitet wurde er von zwei zivilen Fahrzeugen der Polizei, vermutlich um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die Gangs jubelten und sie sah unter den Polizisten und Sanitätern einige amüsierte und weniger amüsierte Gesichter. Letztere waren ihr herzlich egal. Die Wagen parkten direkt vor der Uni, Sakura stand etwas entfernt von dem ganzen Trubel. Sie befanden sich auf der Vorderseite der Uni. Vom Vorhof aus führte eine steinerne Treppe hinauf zu einer höher gelegenen Terrasse mit kunstvollem Steingeländer, von der aus die Uni zugänglich war. Von hier oben hatte sie einen wunderbaren Überblick über das Geschehen. Sie wollte sich nicht in die vielen Leute hineinbegeben, auch wenn sie es kaum erwarten konnte, die Leader zu sehen. Es war schon so verdammt lange her. Das letzte Mal war in dieser verheerenden Nacht in der BZ gewesen, als man ihre Köpfe auf den staubigen Boden gedrückt und sie danach wie Schwerverbrecher abgeführt hatte. Allein die Erinnerung daran jagte ihr einen unangenehmen Schauer über den Rücken. Sie waren weit gekommen. Niemals hätte sie sich vor zwei Monaten erträumt, dass sie sich wiedersehen würden, und schon gar nicht in einem Rahmen wie diesem hier. Doch da war er, der Kastenwagen. Er hielt an und zwei Polizisten öffneten das Schloss am Wagen. Und dann war es soweit. Das freudige Jubeln ihrer Leute klang wunderbar in ihren Ohren. Es war die Vorfreude auf eine Wiedervereinigung. Sie hätte Luftsprünge machen können, als sie Naruto aus dem Kastenwagen springen sah. Er grinste übers ganze Gesicht und liess sich von seinen Leuten gebührend in Empfang nehmen. Innerhalb einer Sekunde war er von seinen Gangmitgliedern umringt, wurde umarmt, gedrückt und willkommen geheissen. Und gleich nach ihm entdeckte sie Sasukes rabenschwarzen Haarschopf. Genau wie Naruto trug er eine kugelsichere Weste mit der Aufschrift «Konoha City Police Department». Er sprang aus dem Wagen und die Takas waren sofort da, um ihn zu begrüssen. Sakura hätte vor Freude weinen können. So lange hatte sie es sich gewünscht, ihn in Fleisch und Blut vor sich sehen zu können. Und nun war er da und sie wusste nicht, was sie tun sollte. Wie versteinert stand sie bei den anderen Sanitätern und konnte sich nicht rühren. So viele Emotionen brachen wie ein Sturzbach über sie herein. Da war er, ihr Sasuke. Der einzige Mann, den sie jemals geliebt hatte. Sie konnte ihre Augen nicht mehr von ihm nehmen. Er lächelte, umgeben von seinen Freunden, seiner Familie. Trotzdem erkannte sie auch aus dieser Distanz, dass ihn die Monate im Gefängnis mitgenommen hatten. In seinen Augen stand Anspannung, was sie ihm bei dem, was bevorstand, kaum verübeln konnte. Und trotzdem war er so schön. Der Drang in ihr, ihm in die Arme zu fallen, wurde immer grösser. Aber sie wusste auch, dass hier eine Kamera in der Nähe war.   Karin klopfte Sasuke nach einer herzhaften Umarmung anerkennend auf die Schulter. «Schön dich zu sehen, Demon.» Er lächelte sie und seine Leute an, doch dann schweifte sein Blick suchend über sie hinweg. Karin verdrehte die Augen, musste aber trotzdem ein wenig lachen. «War ja klar.» Als er sie entdeckte, musste er erst einmal schlucken. Seine Hand rutschte in seine Hosentasche zu dem vertrauten Stück Papier. Dem Licht im Dunkeln, welches sie ihm geschenkt hatte. Sie schaute direkt in seine Richtung und ihre Blicke ruhten aufeinander. Sie trug Jacke und Hose mit Leuchtstreifen wie die Sanitäter um sie herum und ihr Haar war zusammengebunden. Ein Blick zur Seite. Da war die Presse, das sah er schon. Wäre das hier ein normaler Tag gewesen, unter normalen Umständen, dann hätte er jetzt schön brav gewartet, bis er sie in einer ruhigen Minute erwischte. Aber seine Geduld war am Ende. Er wollte nicht mehr darauf warten, sie bei sich zu haben. Seit sie über die Kooperation informiert worden waren, wartete er darauf, sie sehen zu können. In diesem Moment wollte er es aufgeben, seinen Gefühlen für dieses Mädchen zu widerstehen. Jetzt war sie da und ihre Zeit war begrenzt. Es war ihm egal, was von nun an passieren würde, wenn er sie nur noch einmal bei sich haben konnte. «Sorry, Leute.» Sasuke schob sich zwischen Hidan und Suigetsu hindurch. Sakura zögerte, doch als sie bemerkte, dass er auf sie zusteuerte, kam sie ihm langsam die Treppe hinunter entgegen. Er beschleunigte seine Schritte. Sekunden später fiel sie ihm in die Arme und er war so voller Energie, dass er sie hochhob und einmal herumwirbelte, bevor er sie vor sich absetzte und sie an sich drückte. Er konnte kaum beschreiben, wie sehr er ihren Geruch, ihr Lächeln, ihr Haar, ihre Stimme vermisst hatte. Es war, als würde die Zeit um sie herum völlig stillstehen. Er hörte, wie die Takas laut pfiffen und lachten, aber es war ihm sowas von egal. Sollten sie es ruhig alle endgültig wissen. Er mochte das nicht mehr unter den Teppich kehren. Sie umklammerte ihn und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust. Er konnte kaum in Worten ausdrücken, wie froh er um diese Reaktion war. Langsam spürte er ihre sanften Hände unter der Weste an seinen Rücken gleiten. Er hatte seinen Kopf an ihren gelegt und atmete ihren Geruch ein. Obwohl er es nicht gerne zugab, aber diesen Moment hatte er sich in seiner Zelle oft ausgemalt. Als seine Hand an ihre Wange wanderte, hob sie den Kopf und sah in mit ihren wunderschönen, sanften Augen an.   Ihr Herz klopfte. Endlich war er da, endlich konnte sie ihm nahe sein. Sein Geruch, seine Wärme, seine sanften Arme um sie. Sein Blick war so offen, wie sie ihn noch nie erlebt hatte. Sachte strich er ihr mit dem Daumen über die Wange. Es war ihr sowas von egal, ob man nur Fotos von ihnen machte oder sie filmte und das Pfeifen und Grölen der Takas ignorierte sie sowieso. Und die Kuramas sollten denken was sie wollten. Sein Gesicht verschwamm vor ihren Augen vor lauter Tränen. Langsam näherte er sich ihren Lippen und sie spürte die Luft zwischen ihnen förmlich vibrieren. Ihn zu küssen war noch viel schöner, als sie es in Erinnerung gehabt hatte. Sie hatte sich so danach gesehnt und jetzt übertraf es all ihre Vorstellungen bei Weitem. Sie wusste wirklich nicht, was die bevorstehende Zeit bringen würde, aber in diesem kurzen Augenblick war es ihr gleichgültig. Als sie sich allmählich von ihm löste, vergrub sie den Kopf in seiner Halsbeuge. Sie spürte seinen warmen Atem in ihrem Haar. «Ich liebe dich», murmelte sie, während die Tränen einfach nicht mehr versiegen wollte. Als Antwort schloss er seine Arme noch enger um sie.   Naomi Ito ging ein ganzer Kronleuchter auf, als sie das Geschehen vom Kastenwagen aus beobachtete. Sie hatte die Chiefs gebeten, die Gangleader bis zur Uni begleiten zu dürfen. Sie wollte diese Gangs erleben und die Dynamik kennenlernen, die Sasuke ihr immer wieder geschildert hatte. Übertrieben hatte er keinesfalls, ganz und gar nicht. Sie verstand, warum das hier seine Familie war. Warum er alles für diese Menschen tun würde. Was sie aber noch mehr überraschte war die Tatsache, dass das Mädchen aus dem Fernsehen anscheinend die sagenumwobene junge Dame war, von der Sasuke gesprochen hatte. Es machte durchaus Sinn – dieses Mädchen schien etwas ganz Besonderes zu sein. Es war schon fast beunruhigend, was für eine Sympathie sie in dieser kurzen Zeit für Sasuke entwickelt hatte. Rein anhand seiner Akte hätte man ihn für den grössten Gangster in Konoha halten können. Aber ihn zu erleben war etwas ganz Anderes. Und sie hoffte das Beste für ihn. Selig hielt er dieses Mädchen in den Armen und wenn sie heute Abend nicht andere Pläne gehabt hätten, wären sie bestimmt noch lange so eng umschlungen dagestanden. «Wir brechen in einer halben Stunde zu den jeweiligen Stützpunkten auf», informierte Hatake die Umstehenden. Sakura trennte sich für diese halbe Stunde von Sasuke, um noch einmal Zeit mit den Kuramas zu verbringen. Zudem hatte sie Naruto noch gar nicht begrüsst. «Na, ich dachte schon, du hättest mich vergessen», meinte er schmollend, jedoch machte sich gleich darauf ein Grinsen in seinem Gesicht breit. «War ein Witz. Hi, Cherry.» Sie umarmte ihren besten Freund mit aller Kraft. Ihn hatte sie auch vermisst. Und wie. Seine Energie und seine Ausstrahlung gehörten einfach zu den Kuramas und deshalb hatte in diesen vergangenen Monaten das Herzstück ihrer Gang gefehlt. «Danke für alles, Cherry. Ohne dich wären wir nicht hier. Du hast uns da rausgehauen. Auch wenn es nur für den Moment ist.» «Ich hatte tatkräftige Unterstützung und viel Zufallsglück, sonst hätte das nie geklappt.» «Aber du hast das ins Rollen gebracht. Das ist, was zählt.» «Und jetzt?», fragte sie. «Meinst du, wir können alles irgendwie hinbiegen?» «Alles retten können wir bestimmt nicht. Aber wir haben die Chance, etwas zu verändern. Das ist für den Moment genug.» Er sah so zuversichtlich aus. Genau diese Zuversicht hatte ihnen allen gefehlt. Dieses Vertrauen in die Zukunft. «Wir haben noch einiges zu erledigen, bevor wir einfach so von der Bildfläche verschwinden können. Gerne hätte sie ihn nach der Zeit im Gefängnis gefragt, aber irgendwie spürte sie, dass das jetzt nicht Thema sein sollte. Die anderen Kuramas, Inners und Outers, kamen und sie setzten sich etwas abseits hin, wo sie sich unterhielten, lachten und sich amüsierten. So wie es früher gewesen war. Einfach noch einmal die normalen Kuramas sein, das wollten sie – für eine halbe Stunde sollte die Welt in Ordnung sein. Aber eine halbe Stunde war kurz. Ehe sie es sich versahen, brachen die Kuramas und Takas mit ihren Divisionen in alle möglichen Richtungen auf. Die weitere Ausrüstung würden sie jeweils vor Ort erhalten. Am Ende standen immer noch etwas über dreissig Leute auf dem Platz, doch im Vergleich zu vorher war das definitiv wenig. Ihre Division wurde von Asuma Sarutobi geleitet, der ihnen nun erklärte, dass sie sich zurückziehen konnten, bis der erste Einsatz angesagt war. Sie sollten aber in Bereitschaft bleiben. Sakura hielt nach Sasuke Ausschau, doch konnte ihn nirgends entdecken. Sie erschrak, als plötzlich jemand neben ihr auftauchte und sie bei der Hand nahm. «Komm.» Sasuke führte sie die Treppe hinauf ins Uni-Gebäude. «Ist der obere Stock auch besetzt?», fragte er und sie schüttelte den Kopf. «Soviel ich weiss nicht.» Er sagte nichts mehr und führte sie die breite Treppe hinauf, wo er den rechten Gebäudeflügel ansteuerte. Sasuke öffnete die erste Tür. Vermutlich hatte man für die Polizei extra keine der Türen abgeschlossen. Es war ein kleiner Hörsaal mit etwa halb so vielen Bänken, wie der, in dem das Briefing stattgefunden hatte. Sasuke schob Sakura mit einer Hand in den Raum mit der anderen schloss er die Tür hinter ihnen. Es roch nach Holz, Papier und Kreide. Die Sonne war nun endgültig verschwunden und der Mond warf sein sanftes, silbernes Licht durch die grossen Bogenfenster. Es war angenehm ruhig. Durch die dicken Wände drangen keine Geräusche von ausserhalb. «Du wirst vielleicht auch einmal in einem solchen Hörsaal sitzen und dir Vorlesungen anhören», meinte er und sie lachte leise. «Kann ich mir ehrlich gesagt nicht wirklich vorstellen.» «Und warum nicht?» Er betrachtete die leere Tafel. «Weiss ich auch nicht. Scheint irgendwie nicht so meine Welt zu sein.» Sie setzte sich auf eines der Pulte. Sie betrachtete ihn. Seine kugelsichere Weste hatte er bereits vorhin unten im Foyer abgelegt. Trotzdem war er immer noch wie ein Polizist gekleidet. Ungefähr so, wie die Polizisten, die man an Demonstrationen sah. Ein schwarzer Overall und Gurte, an denen er seine Waffen befestigen konnte. «Müsst ihr das tragen?», fragte sie und wies auf seine Kleidung. Er schüttelte den Kopf. «Hatte nichts anderes, was in ein Battle gepasst hätte. Zudem ist es recht praktisch. Man kann sich gut bewegen und es ist pechschwarz. Sollte also nicht schwer sein, mit der Dunkelheit zu verschmelzen. Die anderen wollten nicht, ich habe ihnen aber wenigstens die Weste aufschwatzen können. Unsere Leute sind sich das Kämpfen nun einmal anders gewohnt und ja, die Weste kann die Bewegungsfreiheit des Oberkörpers schon einschränken, aber während Motorradfahrten oder in anderen Momenten, in denen man exponiert ist, kann sie einen vor einer tödlichen Kugel bewahren.» Er schaute sie an. «Und du? Ist das obligatorisch?» «Ja. Sie wollen, dass Sanitäter von Kämpfern unterschieden werden können. Mich stört es nicht.» «Du siehst richtig taff aus», meinte er und lächelte eines seiner typischen Sasuke-Lächeln, die wie eine Mischung zwischen frechem Grinsen und aufrichtigem Lächeln waren. Wie sie das vermisst hatte. «Kann ich nur zurückgeben. Hätte dich beinahe mit einem Polizisten verwechselt.» Auf diese Aussage hin wirkte er nachdenklich. «Ich muss mich schon noch daran gewöhnen, dass wir jetzt mit Cops zusammenarbeiten. Ich meine, das sind wir einfach nicht.» Sie wusste schon, was er meinte. Die anderen hatten das auch öfters diskutiert. Die Frage, ob sie sich selbst verrieten, indem sie mit ihrem grössten Feind, der Regierung zusammenarbeiteten. «Um das nicht falsch zu verstehen: Es ist der einzige Weg, wie wir die Riots besiegen können. Und ich bin dankbar für diese Chance. Es geht nur ein wenig ums Grundsätzliche.» «Und genau dieses Grundsätzliche ist das Problem. Wenn sich an unserer Situation irgendetwas bessern soll, dann müssen wir dieses Gut-Böse-Denken ablegen. Sonst kommen wir nie zum Ziel.» Er nickte. «Du hast recht. Diese Einstellung hat dich weit gebracht.» Sie schwiegen einen Moment. «Darfst du dich innerhalb des Gebäudes eigentlich frei bewegen?» «Ja. Wir dürfen uns hier frei bewegen. Das Gelände ist sowieso an allen Ausgängen und Seiten gesichert, haben sie gesagt. Big Fox und ich hätten keine Chance, zu türmen. Zudem gehen sie dieses Risiko ein, wenn sie uns in die Battles lassen. Können ja nicht dauernd ein Auge auf uns haben.» «Und wenn ihr abhauen würdet, dann wäre eure Chance auf eine Reduktion des Strafmasses vom Tisch oder?» «Richtig. Und sie wissen, dass wir das nicht riskieren werden.» Nun war es wieder still. Die Zeit im Gefängnis war der Elefant im Raum, aber Sakura traute sich kaum, das anzusprechen. «Im Knast hat man viel Zeit zum denken», sagte er plötzlich in die Stille hinein. Konnte er nun auch noch Gedanken lesen? Das überraschte sie nun ziemlich. Unangenehme Themen umging Sasuke sonst immer. Damit, dass er selbst darauf zu sprechen kam, hätte sie nicht gerechnet. «Ich werde nicht ohne Strafe davonkommen, Sakura. Ich werde vielleicht nicht mehr so lange im Knast sitzen, aber ich werde sitzen. Da bin ich mir sicher. Und diese Zeit im Gefängnis wird immer ein Teil davon sein, was ich bin. Ich meine nicht, dass ich sonst eine grosse Chance auf ein normales Leben gehabt hätte, aber mit dieser Verurteilung ist die Sache gegessen.» Sie beobachtete seine Silhouette im Mondlicht. Worauf wollte er hinaus? «Nicht, dass ich unschuldig wäre. Ich sehe meine Fehler klar und deutlich. Die Frage ist nur…» Er machte eine lange Pause, weil ihm die richtigen Worte nicht einzufallen schienen. «Ich werde nie so sein wie du oder die anderen aus Oto. Dafür ist es zu spät.» Sie hörte den unterdrückten Schmerz in seiner Stimme, auch wenn er sich die grösste Mühe gab, es nicht durchdringen zu lassen. Sakura tat es im Herzen weh. Dass er so über sich selber redete… er hatte sich verändert. Ja, er musste in der Tat viel nachgedacht haben. «Was möchtest du mir damit sagen?», fragte sie leise. «Dass ich mich freue, dich zu sehen Sakura. Mehr als ich es in Worten ausdrücken könnte. Aber ich werde nach alldem wieder weg sein. Fort von der Bildfläche. Das hier ist eine befristete Freiheit. Und auch nachdem ich meine Strafe abgesessen habe, werde ich immer ein Ex-Knasti sein.» Er machte eine Pause und die Worte, die folgten klangen gepresst. «Willst du dich wirklich mit sowas abgeben? Ich meine, du wirst warten müssen. Und auch danach bin ich…» «Sasuke, ich weiss, warum man dich eingesperrt hat. Ich finde diese Strafe nicht gerechtfertigt.» Nun sah er sie an. Ohne, dass sie jedes Detail in seinem Gesicht erkennen konnte, wusste sie, wie ernst sein Blick war. «Bist du dir da ganz sicher?» Er klang herausfordernd. Sie schwieg, seine Art verunsicherte sie. «Ich habe eine kriminelle Organisation angeführt. Ich habe geklaut, vandaliert, mich geprügelt und gemordet. Und im Gegensatz zu anderen Gangleuten habe ich Menschen ermordet, die für mich keine Bedrohung mehr waren. Die ich getötet habe, weil ich wütend war. Wenn du mich fragst, dann klingt das nach genug Rechtfertigung.» Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Er hatte recht, aber irgendwie einfach auch nicht. «Und selbst, wenn das stimmt», begann sie, «dann beeinflusst das nicht, wie ich zu dir stehe.» «Sollte es aber, Sakura. Ich habe so viel Scheisse gebaut und du warst auch davon betroffen.» Er wandte sich ab. «Ich liebe dich, Sakura. Aber genau deshalb sage ich dir, dass es besser ist, wenn du dich nachdem das alles hier vorbei ist Neuem zuwendest.» Sie schüttelte den Kopf. «Warum machst du das? Ich meine, ich habe mich wirklich gefreut dich wiederzusehen. Ich will niemanden anderen, Sasuke. Aber es verletzt mich, dass du meine Gefühle dir gegenüber einfach so abtust. Dass du sie nicht wertschätzt, nicht einmal anerkennst. Hör endlich auf damit, immer alle von dir wegzustossen und akzeptiere, dass du keine Kontrolle darüber hast, wie dich andere sehen.» «Sakura…» «Es ist nicht falsch für seine Fehler Reue zu zeigen, im Gegenteil. Aber das heisst nicht, dass du dich selbst hassen musst! Und schon gar nicht, dass alle anderen dich hassen müssen!» Er setzte an, etwas zu sagen, doch sie liess ihn nicht sprechen. Schnell sprang sie vom Pult. «Das alles hier kann doch kein Zufall sein, Sasuke! Ich meine, wie gross war die Chance, dass wir aus diesen Tausenden von Leuten an der Strassenparty ausgesucht werden, um uns vor genau den Leuten zum Affen zu machen? Wie gross war die Wahrscheinlichkeit, dass wir beide einen passenden Tanz gekannt haben und uns deshalb doch nicht blamiert haben? Wie um alles in der Welt kam es dazu, dass ausgerechnet wir in der Blood Zone aneinandergeraten sind, dass wir aus verschiedenen Gangs kommen und daraus trotzdem etwas entstanden ist? Das kannst du mir alles nicht mit Zufallslogik erklären!» Inzwischen machte er keine Anstalten mehr, etwas zu sagen. «Warum, ja sag mir, warum gibt man dir eine Chance, dich jetzt erneut zu beweisen und zu zeigen, wer du wirklich bist? Für dich ist jetzt nicht die Zeit, die Flinte ins Korn zu werfen, sondern zu dem zu werden, was du sein willst. Was denkst du, wie viele Menschen sich eine zweite Chance wünschen und sie nie erhalten? Und hier stehst du mit einer solchen Chance, kurz davor, sie wegzuwerfen! Was denkst du dir eigentlich dabei?!» Ihre Stimme versagte gegen Ende beinahe. Sein Blick hatte sich verändert. Er war näher zu ihr getreten und im Mondlicht konnte sie sein Gesicht erkennen. Es hatte etwas Verletzliches, Sanftes, aber irgendwie sah er auch aus, als ob er sich regelrecht nach diesen Worten gesehnt hatte. «Akzeptiere es einfach. Bitte.» Er nickte langsam. «Und jetzt… lass uns einfach diese kurze Zeit geniessen, in der wir noch nicht ausrücken müssen. Okay?» Sie machte zwei Schritte auf ihn zu und umarmte ihn. Was sie gesagt hatte schien bei ihm immer noch richtig ankommen zu müssen, denn er zögerte, bevor er ihre Umarmung erwiderte. Sie hatte den Kopf an seine Brust gelegt und lauschte der angenehmen Stille, die nur von ihren ruhigen Atemzügen begleitet wurde. Es war einer von diesem ganz besonderen Momenten, in denen sie ausblenden konnte, was gewesen war und was kommen würde. Einer dieser Momente, in der sie einfach in der Gegenwart war und sich keine Gedanken machen musste. Seine Arme schlossen sich enger um sie. Sie spürte seine sanften Lippen auf ihren, seine Hände an ihrem Körper. Da sie diesen Overall trug, spürte sie seine Wärme nicht so, wie sie es gerne gewollt hätte. Kurzerhand schlüpfte sie aus ihrer Jacke, unter der sie noch ein schwarzes T-Shirt trug. Er erkannte die Einladung und strich ihr sachte über ihre Arme. Ihre Haut kribbelte überall da, wo er sie berührt hatte. Sie spürte dieses Verlangen nach ihm, welches sie über Monate unterdrückt hatte und nun, da er bei ihr war, wieder an die Oberfläche trat. Sie küsste ihn intensiver und er erwiderte das. Sie spürte, es ging ihm ähnlich wie ihr. Sie fuhr mit ihren Händen durch sein weiches Haar, während in ihr eine feurige Hitze aufstieg. Irgendwann wurde ihnen die Differenz in ihrer Körpergrösse zu mühsam. Sasuke hob sie mit einer Leichtigkeit hoch und sie schlang ihre Beine um ihn. Ihr Atem beschleunigte sich und sie wollte ihn so nahe bei sich haben, wie es nur möglich war. Sasuke machte zwei Schritte vorwärts und setzte sie auf dem Pult ab, welches die perfekte Grösse hatte. Seine Hände rutschten unter ihr Shirt und liebkosten ihren Rücken. Sie musste ein Keuchen unterdrücken, als er ihren Hals küsste und sie kurze Zeit später seine Lippen auf ihrem Schlüsselbein spürte. Heute wäre sie bereit gewesen, ihm alles zu geben. Alles. Aber Zeit und Ort waren nicht wirklich optimal. Es war nicht der Moment. Und wie wenn ihr das Universum eine Bestätigung schicken wollte, vibrierte Sasukes Handy in diesem Augenblick. «Demon, die wollen dich in zehn Minuten für eine Besprechung hier unten haben», vernahm sie Suigetsu sagen. «Alles klar.» Er hängte ab und seufzte. «Du hast es gehört.» «Na und? Bleibt noch ein wenig Zeit.» Sie grinste und zog ihn wieder an sich heran.   Zehn Minuten später machten sie sich auf den Weg nach unten, wo Sasuke sich in das Kommandobüro begab und Sakura beschloss, ein wenig schlafen zu gehen. Allerdings widerstrebte es ihr, in den grossen Raum voller Leute zu spazieren, der eigentlich für das Schlafen vorgesehen war. Sie wollte ein wenig Ruhe für ihre Gedanken haben. Also machte sie sich auf den Weg in die Cafeteria, die zu diesem Zeitpunkt leer war. Wie sie erwartet hatte, befanden sich dort einige Sofas. Es war relativ dunkel, durch die Kellerfenster fiel ein wenig Licht und die drei Getränke- und Snackautomaten spendeten auch noch ein wenig Helligkeit. In der hinteren Ecke fand sie ein rotes Sofa, das für ihre Grösse perfekt war. Ein wenig schlafen, bevor alles losging, schien ihr verlockend. Sasuke würde sie anrufen, wenn es soweit war, deshalb stellte sie ihr Handy auf laut. Bis auf das Summen der Automaten war es vollkommen still. Es brauchte keine Minute, bis sie auf dem Sofa eingedöst war. Erwachen tat sie erst wieder, als ihr jemand übers Haar strich. Langsam öffnete sie die Augen, dabei wusste sie längst, wer sie hier weckte. «Geht es los?», fragte sie schlaftrunken und er schüttelte den Kopf. «In einer Stunde.» Er streckte ihr einen Becher Automaten-Kaffee hin. «Und ich dachte mir, dass du vielleicht etwas Zeit zum Wachwerden brauchst, nachdem du eine Stunde geschlafen hast.» Sie griff nach dem Becher. «Danke, da hast du vollkommen recht. Wie spät ist es?» «Viertel vor Elf.» Sie setzte sich auf. «Und was habt ihr vorhin noch besprochen?» «Es wurde eine grosse Gruppe von Riots im Business-District gesichtet, in einem der Innenhöfe. Dort fühlen sie sich geschützt, weil rundherum grosse Gebäude stehen und sich an den Wochenenden auf den Fabrikgeländen sowieso niemand aufhält. Würde mich auch nicht wundern, wenn ein Teil dieser Fabriken Tomcats Eltern gehören würden und er sich so freien Zugang verschaffen kann.» «Meinst du, seine Eltern wissen von seinen Machenschaften?» Er schüttelte den Kopf. «Nee. Seine Eltern leben im Ausland, soviel ich weiss. Haben neben ihrem riesigen Haus in der Sunside irgendeine dicke Villa an einem See in der Schweiz und leben auch die meiste Zeit dort. Ich denke nicht, dass Leute wie die es so toll fänden, wenn ihr Sohn in einer kriminellen Gang mitmischt.» «Er passt so gar nicht in dieses Gangjungen-Schema, nicht wahr? Als er mit mir geredet hat, dachte ich…» «Du hast mit Tomcat gesprochen?!» Sasukes Augen verengten sich. «Oh. Hat euch Shika nicht erzählt, wie es überhaupt zu dem Moment gekommen ist, als ich die Zusammenarbeit der Riots mit Momochi im Fernsehen preisgegeben habe?» «Er hat nur gesagt, das die Riots euch dazu angehalten haben. Nicht, dass du mit Tomcat gesprochen hast.» Sie nickte. «Gut, dann weisst du es jetzt. Der ist beim Toad’s aufgetaucht als ich gerade Feierabend machen wollte. Die Jungs waren nicht da und wir haben gesprochen. Er hat mir erzählt, was für ein kranker Mensch Momochi ist und dass er ebenso kranke Pläne gehabt hat. Sie wollten ihn loswerden. Er meinte, dass es uns ja auch dient, Momochi loszuwerden.» «Hat er sonst noch etwas gesagt?» Sasukes ganzer Körper war angespannt. «Er hat mir noch ans Herz gelegt, dass ich es bereuen werde, wenn ich irgendetwas tue, was den Riots schadet.» «Was für ein bescheuerter Typ», brummte Sasuke sichtlich gereizt. «Ist dir bewusst, dass du in genau diesem Moment etwas tust, was den Riots schadet? Die Kooperation mit der Polizei wäre ohne dich nicht zu Stande gekommen, jedenfalls wird das in Tomcats Augen so aussehen. Er dreht die Realität so, wie er sie gerne haben möchte.» «Darüber habe ich nicht wirklich nachgedacht…» Das beunruhigte sie schon ein wenig. «Meinst du wirklich, er würde das tun?» Er nickte. «Falls du Tomcat irgendwo da draussen begegnest, geh ihm aus dem Weg, okay? Ich meine, das solltest du sowieso tun. Aber jetzt musst du dir bewusst sein, dass er irgendetwas an dir als Gefahr ansieht. Er wäre nicht auf dich zugekommen oder hätte dir gedroht, wenn es anders wäre. Beweg dich nie alleine und bleib immer im Kreise der Leute, mit denen du unterwegs bist.» «Meinst du nicht, der wird anderweitig beschäftigt sein?» «Vermutlich. Aber schliesse nichts aus. Er ist sich gewohnt, zu bekommen, was er will. Er hat Macht und geniesst diese Macht. Ich werde trotzdem nicht wirklich schlau aus ihm und das macht ihn gefährlich. Auch wenn er ziemlich besonnen und clever wirkt, ich weiss nicht, wie berechenbar er wirklich ist. In dieser Hinsicht ist er ein wenig wie Crow. Er weiss sich zu präsentieren, aber wer weiss schon, was er dabei alles versteckt.» «In Ordnung. Ich werde vorsichtig sein. Du aber auch, ja? Die werden Augen machen, wenn sie euch sehen.» «Wir müssen einfach aufpassen. Ihre miesen Tricks haben uns schon öfters kalt erwischt. Der Plan ist, dass wir die Gruppe direkt angreifen, beziehungsweise wird die Polizei erst eine friedliche Verhaftung versuchen, jedoch wird das zu neunundneunzig Prozent nicht funktionieren. Das wissen Hatake und die anderen. Dann werden wir ins Spiel kommen. Es seien ungefähr vierzig, es sollte also klappen, da wir in der Überzahl sind.» «Ich hoffe, es wird gut gehen.» Die restliche Zeit bis zum Aufbruch verbrachten die beiden damit, einander von den vergangenen Monaten zu erzählen und ihre Kaffeebecher zu leeren. Es war so viel geschehen. Sasuke erzählte ihr vom Gefängnis und liess sogar seine regelmässigen Gespräche mit der Sozialarbeiterin nicht aus. Es schien, als hätte er da wirklich eine gute Person erwischt, die wusste, wie er anzugehen war. Was sie besonders freute war, dass er von seinen ehemaligen Klassenkameraden einen Brief erhalten hatte. «Du musst ihnen unbedingt zurückschreiben, Sasuke. Oder wir besuchen sie irgendwann einmal wieder.» Er nickte nur. «Wirst du mir die Sachen einmal zeigen, die sie dir geschickt haben?» «Klar. Die Sachen habe ich allerdings noch in unserer Zelle. Ist ja nach wie vor mein Wohnort.» Um halb Zwölf standen sie auf, schmissen die Plastikbecher in den Abfalleimer und machten sich auf den Weg nach oben. Kurz bevor sie in Sichtweite der anderen kamen, zog Sasuke sie noch einmal an sich ran. Sie küssten sich ein letztes Mal. «Bereit?», fragte er. «Bereit.»   Aoi winkte ihr bereits, als sie auf den Krankenwagen zusteuerte. «Na, ready?» Sakura nickte lächelnd. «Na klar. Und ihr?» «Ich hab selten so viel Energie gehabt», meinte Kenta. Es war toll, dass sie alle so motiviert waren. «Sanae sitzt bereits am Steuer. Kannst gleich zu ihr gehen.» Sakura steuerte die Beifahrertür an. Auf dem Platz herrschte ein emsiges Treiben. Die Polizei hatte Jeeps organisiert, die ziemlich militärisch aussahen. Auf ihnen konnten einige Gangleute mitfahren, die andere würden wie sie es gewohnt waren, auf ihren Motorrädern mitfahren. In all dem Gewusel entdeckte sie Sasuke. Bei ihm stand eine Frau, die sie nicht kannte. Sie sprachen miteinander und Sasuke wirkte entspannt. Ob das diese Sozialarbeiterin Miss Ito war? Sie hatte keine Zeit mehr, darüber nachzudenken. «Hey, Saku!» Tenten kam angerannt. Sie war bis an die Zähne bewaffnet und Sakura musste unwillkürlich lachen. Das war Tenten wie man sie kannte. Hinter ihr stand Neji und Kiba. «Wir wollten nur noch einmal nachsehen, ob du bereit bist. Alles klar?», fragte Letzterer. «Danke, ich bin bereit. Und ihr?» «Sowas von!» Tenten lächelte und wies auf das Gewehr an ihrem Rücken. «Diese Babys haben eine Qualität, von der sogar Oro nur träumen kann!» Sie legte ihr eine Hand auf die Schulter. «Jedenfalls, viel Erfolg, Saku. Wir werden natürlich auf euch aufpassen. Trotzdem.» «Das wünsche ich euch auch. Wir müssen unser Bestes geben, ja?» «Natürlich werden wir das. Das hier ist unsere Chance.» Selbst der eher kühle Neji liess sich von Tenten noch zu einer Gruppenumarmung überreden. Sakura streichelte noch einmal Akamaru, bevor er und Kiba sich in Richtung eines Jeeps begaben. «Wir sehen uns, Cherry!», rief Tenten und zog Neji in Richtung der Motorräder. Sakura stieg mit einem Lächeln im Gesicht in das Fahrzeug ein. «Willkommen im Verbandsmobil, Sakura», begrüsste sie Sanae. «Na, bist du soweit?» «Absolut.» «Gut zu hören. Mal sehen, wie das heute wird.» In diesem Moment hörte sie draussen die Motore aufheulen. Gleich darauf setzten sich fünf Jeeps, zwei Krankenwagen und etwa zwanzig Motorräder in Bewegung. Sanae startete den Motor des Wagens. Durch das kleine Fenster, welches Fahrerkabine und den Raum dahinter verband, rief sie: «Startklar.» Von hinten kam Zustimmung. «Na dann los.» Der Wagen setzte sich in Bewegung und Sakura fühlte, wie sich ihr Puls beschleunigte. Das war der Moment, auf den sie gewartet hatten. Von diesem Punkt an hiess es: Alles oder nichts.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)