Konoha Gangs II: Game On von ximi (Das Spiel hat gerade erst begonnen) ================================================================================ Kapitel 25: Revolution ---------------------- Karins feuerrote Mähne stach Sakura gleich ins Auge, als sie in Begleitung von Suigetsu und Deidara das Toad’s betrat. Sie trug eine knallenge, graue Röhrenjeans und ein schwarzes Shirt mit grosszügigem V-Ausschnitt. Karin wie sie leibte und lebte. Sie hatte so eine wahnsinnig tolle Figur, alles schien perfekt proportioniert zu sein. Ihre Gesichtszüge waren nicht rund, sondern scharfkantig und perfekt geformt, ihre Nase war sanft geschwungen. Wenn Sakura Karin sah, stieg in ihr immer der gleiche Gedanke auf: Karin war von Natur aus einfach schön. So besonders. Die Absätze ihrer schwarzen Stiefel waren auf dem Linoleumboden mehr als deutlich zu hören. Nach ihr drehten sich einige Leute um, denn sie hatte diese ganz bestimmte Präsenz im Raum, von der Sakura nur träumen konnte. Nach kurzem Umherblicken fanden ihre Adleraugen Sakura und sie nickte ihr zu. Die Drei steuerten direkt auf sie zu. Neben ihr erhob sich Ino, die sich bereiterklärt hatte, mit Sakura auf Karin zu warten. Nachdem sie von Suigetsu und Deidara etwas wärmer begrüsst wurde, erntete sie von Karin ein knappes Kopfnicken. «Legen wir los?» Sie machte kein Hehl daraus, dass sie hier nicht unbedingt freiwillig war. Gutes Zureden seitens der anderen Takas brachte sie hierher und Sakura musste jetzt das Beste daraus machen. «Klar, wenn du soweit bist.» «Blondie, Fangs, ihr könnt abzischen. Ach und bestellt mir einen Mojito.» Deidara verdrehte die Augen. «Alles klar, Gebieterin.» Trotz offensichtlichem Widerwillen begaben sich die zwei in Richtung Bar und Karin wandte sich wieder ihr zu. «Na, dann: Ich bin bereit.» Sie klang zwar nicht allzu motiviert, aber Sakura glaubte zu erkennen, dass sie willens war, ihr Möglichstes für ihre Gang zu geben. «Du musst mir aber dein Wort geben, dass das anonym bleibt! Mir ist es schon zuwider, dass das die Kuramas erfahren. Aber was soll’s.» «Du hast mein Ehrenwort darauf, Karin.» «Okay, dann leg los.» «Also kurz zur Erklärung, Haruka möchte gerne zwei verschiedene Lebensgeschichten von Gangmitgliedern darstellen, vermutlich wird sie das in einer Art Film mit Schauspielern nachstellen. Du kannst erzählen, was du willst und auch verschweigen, was du willst. Damit die ganze Aktion aber einen Effekt hat, sollte es schon ein wenig die schwierigen Kapitel in deinem Leben aufgreifen. Ist das gut?» Karin nickte. «Diese Haruka soll einfach nichts dazu erfinden, um es dramatisch zu machen.» «Da habe ich vollstes Vertrauen in sie», meinte Sakura. «Das war die Diskussionsleiterin, als du im Fernsehen gewesen bist, richtig?» «Genau.» Sie erwartete noch irgendeinen Spruch zu ihrem Auftritt, aber es kam nichts. «Hm, wo soll ich anfangen…» Sakura wusste, dass dieser Part nun schwierig werden würde. Nicht nur wegen den schwierigen Themen, sondern auch, weil sie so tun musste, als wüsste sie noch nichts von Karins Vergangenheit. Jedoch hatte sie an Silvester dieses Jahres einiges über sie erfahren. Erschütternde Tatsachen. Deidara kam kurz zurück, um Karin ihren Mojito zu bringen, verschwand dann aber gleich wieder. Er konnte es aber natürlich nicht unterlassen, Sakura anzugrinsen, so, wie er es immer getan hatte. Es wäre schon eher schräg gewesen, wenn es ausgeblieben wäre. «Vielleicht dort, wo du als Kind gelebt hast?», schlug sie vor. «Ich bin in den Vororten aufgewachsen. Heruntergekommene Wohngegenden, viele Ausländer und damit viele Kulturen. Niemand hat wirklich Geld, entweder lebt man von der Sozialhilfe oder überlebt durch schlecht bezahltes Schuften. Meine Alter arbeitete in irgend so ‘ner Fabrik, meine Mutter hat gesoffen wie ein Loch, bis sie im Kopf nicht mehr ganz richtig war. War auch viel in der Klapse deswegen.» In dieser Hinsicht hatten Karin und sie etwas gemeinsam: Beide hatten ein Elternteil, denen der Alkohol zum Verhängnis wurde. «Hab in dieser beschissenen Wohnung eigentlich alles gemacht. Gekocht, geputzt, eingekauft. Und wenn dann einmal was gefehlt hat, haben sie mir eine geknallt.» Sakura versuchte mit aller Kraft, nicht bestürzt auszusehen, denn Karin hätte das ganz bestimmt nicht gefallen. «Freunde habe ich in der Schule keine gehabt. Hab zu Hause auch nie Geld oder sowas gekriegt, trug immer dieselben hässlichen Lumpen. Und als meine Alte wieder in der Klapse war, sah ich mich nach ‘nem Job um. Kam zu der Zeit grad aus der Schule und war zwar erst fünfzehn, aber anscheinend hat man mir achtzehn Jahre abgekauft. Zuerst hatte ich keinen Erfolg, aber eines Abends kam Chuck, der Betreiber des Stripschuppens ‘Circus’ auf mich zu und fragte mich, ob ich nicht bei ihm anfangen wolle. War zwar grottenschlecht bezahlt, aber er gab seinen Angestellten auch Zimmer, in denen sie wohnen konnten. Und so bin ich ausgezogen. Meinen Eltern war es scheissegal.» Sie hatte ja immer gedacht, ihre Eltern seien schlimm, aber Karins Eltern waren echt das Letzte. Vom «Circus» hatte sie schon oft gehört, es war ein bekannter, aber heruntergekommener Stripladen im North, in denen vor allem Leute aus der Unterschicht verkehrten. «Naiv wie ich war, nahm ich an, dass das eine gute Idee war. Es arbeiteten noch sieben weitere Frauen dort, allesamt achtzehn und älter. Lusty Rose war so ein bisschen die Gruppenchefin und hat mir alles erklärt. Das Pseudonym, welches alle Stripperinnen dort von ihren Gästen erhalten, gab man mir bereits in meiner ersten Nacht, was ziemlich früh war. Devil’s Daughter oder auch Teufelstochter.» Karin musterte Sakura genau. Sie erinnerte sich ziemlich sicher genauso gut an Silvester, wie sie. Dass dieser Name sie gleich dazu gebracht hatte, Reissaus zu nehmen, war ihr wahrscheinlich ziemlich unangenehm da sie eigentlich immer die Starke zu markieren versuchte. Sakura tat so, als würde dieser Name bei ihr nicht allzu viel auslösen. «Und warum nannten sie dich so?» «Wegen den Haaren. Jedenfalls stellte sich heraus, dass Chuck ein kompletter Vollidiot war. Den älteren Frauen versprach er mehr Geld, wenn sie sich prostituierten und einige taten das in ihrer Geldnot. Lusty Rose schärfte mir immer ein, dass ich das auf gar keinen Fall tun dürfe. Es war eine ziemlich beschissene Zeit. Ich war Kettenraucherin, habe getrunken, gekifft… und einige andere Dinge, auf die ich nicht stolz bin. Aber dort taten das alle. Und es half mir, das Scheissleben zu vergessen, welches ich zu diesem Zeitpunkt führte. Ich war die ganze Nacht wach und schlief tagsüber. Manchmal, wenn ich tagsüber draussen war, um mit meinem mickrigen Lohn einzukaufen, sah ich die ‘normalen’ Mädchen, wie sie alle zufrieden Kleider shoppten und nach der Schule zusammen rumhingen. Manchmal beschwerten sie sich über ihre Eltern, wegen ganz banalem Mist. Das hat mich immer aufgeregt.» In Karins Stimme schwang Bitterkeit mit. «Tja, und wie wenn es nicht schon bescheuert genug gewesen wäre, mochten mich diese notgeilen Säcke im Stripschuppen alle, weil ich so jung war. Und deshalb nahm ich auch immer am meisten Geld ein, was die anderen nicht so cool fanden. Sie haben oft versucht, mich zu sabotieren, zerrissen meine Outfits, haben mich aber auch öfters geschlagen, an meinen Haaren gezerrt und mich beschimpft.» Sakura musste sich wirklich alle Mühe geben, nicht einen vollkommen geschockten Ausdruck anzunehmen. Sie hatte es ja schon von den anderen gehört, dass Karin eine schlimme Jugendzeit gehabt hat, aber es so von ihr zu hören, mit mehr Details, das war hart. «Was war denn mit Lusty Rose? Hat sie sich auch gegen dich gestellt?», fragte Sakura, um nicht vollkommen dämlich dazustehen. «Rose… Rose war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Striplokal. Sie war eine der Frauen, die sich prostituiert hat, um an mehr Geld für ihre Wohnungsmiete zu kommen. Sie wohnte nämlich nicht im ‘Circus’. Sie musste den Laden verlassen, weil sie manisch-depressiv wurde. Dazu litt sie seit Jahren unter dem Borderline-Syndrom und wurde in die Klapse eingewiesen. Wir haben nie mehr etwas von ihr gehört. Himmel, sie war damals erst fünfundzwanzig. Viel zu jung für sowas.» Karin klang nachdenklich. «Sie war so etwas wie deine Mentorin, verstehe ich das richtig?», fragte Sakura, als sie ihre stichwortartigen Notizen gemacht hatte. Karin überlegte. «Kann man so sagen. Sie war nicht besonders gefühlsbetont und schonte mich auch nicht im Mindesten. Aber sie beschützte mich auf ihre ganz eigene Art, vor den Kunden und von Chuck. Sie wirkte immer selbstbewusst und stark, aber manchmal brach diese Fassade und man sah, wie kaputt sie wirklich war. Ich mochte sie trotzdem. Hat sich immer noch mehr um mich gekümmert als meine Eltern.» Sakura nickte. Diese Frau schien eine ziemlich wichtige Rolle in Karins Zeit als Stripperin gespielt zu haben und deshalb war es wichtig, dass sie sich dazu ein paar Sachen notierte. «Und Chuck? Wie sah der aus und wie war er sonst so?» Karin lachte verächtlich. «Ein absolut klischeehafter Stripclub-Besitzer. Hatte einen Bierbauch, trug immer so hässliche Goldketten um den Hals und an den Handgelenken. Dreitagebart, ziemlich gross. Fiese, kleine Augen, Glatze. Mundgeruch und immer so bescheuerte Anzüge in dämlichen Farben. Von Leo-Prints bis Lila gab es alles bei dem.» Sakura erschauerte bei der Vorstellung dieses Mannes. Und so jemanden als Chef zu haben… «War grundsätzlich ein Arschloch. Kümmerte sich nur um das Geld und die Kundschaft. Seine Angestellten behandelte er wie Rinder auf einem Viehmarkt.» «Und wie ging es dann weiter?» «Nun, Chuck ist natürlich nicht entgangen, dass ich seinen Umsatz ganz schön in die Höhe trieb. Und gierig wie er war, wollte er mehr. Er sagte mir, dass er mir ‘nen Haufen Geld gibt, wenn ich auch mit den Kunden schlafe.» Sie nahm einen Schluck von ihrem Mojito. Man sah ihr nicht an, dass sie hier gerade über das dunkelste Kapitel in ihrem Leben sprach. Sie sah irgendwie unbeteiligt aus, aber Sakura kaufte ihr das nicht ab. «Ich habe mich geweigert, weil Lusty Rose mir damals mir ihren eigenen Geschichten klargemacht hat, dass ich es für immer bereuen würde, wenn ich das täte. Und ich wollte nicht enden wie sie. Chuck hat das nicht gefallen und ist stinksauer geworden. Er war eigentlich nie gewalttätig mir gegenüber, aber an diesem Abend war er stinksauer. Hinter dem Schuppen hat er versucht…», sie machte eine kurze, kaum merkliche Pause. «Hat er versucht mich zu vergewaltigen und ich sage dir, er hätte es geschafft. Der Typ war leider nicht nur fett, sondern auch kräftig. Es war das ekelhafteste, was mir je passiert ist.» Jetzt konnte sie nicht mehr anders, als bestürzt aus der Wäsche zu schauen. Sie stellte sich diesen ekligen Chuck vor, wie er Karin anfasste und sie sich wehrte… einfach nur grauenvoll. Karin zog eine Augenbraue hoch. «Hey, ist ja nichts passiert, okay? Dass an diesem Abend die Takas an diesem Hinterhof vorbeigingen und mich gehört haben, war das grösste Glück, welches ich in meinem Leben bisher gehabt habe. Es war Sasuke, der Chuck bewusstlos geprügelt hat. Dabei waren Suigetsu, Deidara und Hidan. Sie haben mich mitgenommen und brachte mich zu Itachi, da er als Leader das Sagen hatte, wer nun im HQ bleiben durfte und wer nicht. Er hat nicht eine Sekunde gezögert. Shion und Konan haben mir gezeigt, wo ich schlafen und duschen kann. Und von da an wurde mein Leben besser. Sie haben mich angenommen, jeder und jede Einzelne von ihnen. Ich gehörte sofort dazu, ohne auch nur irgendetwas tun zu müssen, damit sie mich mögen. Ich habe es allen voran Sasuke zu verdanken. Und das sollen sie verdammt nochmal in diesem Bericht sagen! Sorg dafür, ja?» Sakura nickte. «Ich werde dafür sorgen, versprochen. Es ist wichtig, dass wir auf die Gangs ein gutes Licht werfen.» «Mit meiner beschissenen Story willst du ein gutes Licht auf uns werfen?» Karin sah sie ungläubig an. Sakura lächelte. «Im Sinne von mehr Verständnis hervorbringen, Karin. Es soll hervorkommen, dass Gangmitglieder keinesfalls nur schlecht erzogene Kinder sind, sie sich austoben wollen.» «Ach so.» Jetzt schien es in ihren Augen mehr Sinn zu machen. «Na, dann. Brauchst du noch mehr?» «Wenn du nichts mehr hast, was du als wichtig und erzählenswert erachtest, dann sind wir fast fertig. Wenn du mir nur noch einmal kurz das Aussehen deiner Eltern etwas beschreiben könntest? Dazu brauche ich vielleicht noch ein bisschen eine Beschreibung deiner Mitarbeiterinnen im Striplokal und von den anderen Takas, wie sie damals so waren und ausgesehen haben.» Karin gab ihr kurze Beschreibungen der Personen ab, wobei sie aber nicht besonders amüsiert aussah. «Ich weiss nicht mal mehr, ob sie heute noch so aussehen. Habe sie seit Jahren nicht mehr gesehen.» «Okay. Dann vielen Dank, dass du mir das erzählt hast, Karin. Das war wirklich hilfreich.» Sie schüttelte den Kopf und leerte ihr Mojito-Glas, bevor sie es mit einem sanften Knall wieder auf der Tischplatte abstellte. « Keine Ursache.» Sakura wusste sehr wohl, dass Karin nicht so cool war, wie sie hier tat. Diese Geschichte war hart und sie jemandem zu erzählen musste sehr viele negative Gefühle hervorrufen. «Aber sag mir eins, Prinzessin: Denkst du, es gibt überhaupt eine Chance, an diesem ganzen System etwas zu ändern?» Sie überlegte kurz. «Nun, das kann ich dir erst sagen, wenn wir es wirklich probiert haben. Aber ich denke, dass man nicht aufgeben sollte, bevor man es überhaupt versucht hat.» Sie nickte, als leuchtete ihr das wirklich ein. «Macht Sinn.» Dann musterte sie Sakura. «Machst du das wegen ihm?» Sie wusste bestens, wen Karin damit meinte. «Für alle. Aber auch für ihn.» Kurz sah es so aus, als wollte Karin ein paar nette Worte von sich geben, doch gleich darauf zeigte sich wieder das spöttische Grinsen auf ihrem Gesicht. «Na, dann. Ich werde dir gerne dabei zusehen.» Sakura lächelte. «Dann ist ja gut.»   Sakura übermittelte all ihre Infos an Haruka und setzte sich einen ganzen Nachmittag lang mit ihr zusammen, um ihr alles haarklein zu erklären, damit auch wirklich alles richtig umgesetzt wurde. Dabei hob sie natürlich Parts hervor, die Karin und Kiba als besonders wichtig erachteten. Haruka war schwer beeindruckt von den beiden Lebensgeschichten. «Das könnte ein Renner werden, Sakura. Und ich meine das nicht nur hinsichtlich der Einschaltquoten. Wir werden das gross aufziehen.» «Aber wie versprochen Haruka: Wir bleiben bei den Geschichten, die hier auf dem Papier stehen.» Sie wies auf ihre ins Reine geschriebenen Notizen. Haruka nickte. «Natürlich. Schau, ich habe dir hier zur Sicherheit einen Vertrag erstellt. Ganz kurz und bündig, aber ich will, dass du dir keine Sorgen machen musst.» Tatsächlich stand auf dem Blatt Papier, das ihr Haruka vor die Nase legte, alles was sie besprochen hatten. Sie hatte ihre Unterschrift schon daruntergesetzt. «Gut, danke.» Sakura unterschrieb. «Wunderbar. Hör zu, vom Konzept her wird die Sache wie zwei Kurzfilme aufgezogen werden. Da der Sender so hohe Einschaltquoten mit den Gangthemen hatte, habe ich ein grosszügiges Budget erhalten. Wir werden einige Schauspieler aus unserer Kartei dazu ziehen, damit das auch wirklich authentisch wird. Das Ziel ist es, etwas mehr Verständnis für die Hintergründe von Gangmitgliedern zu schaffen. Die ganze Sache wird voraussichtlich in vier Wochen ausgestrahlt. Ich und meine müssen uns jetzt ranhalten.» Das klang doch schon mal wirklich gut. Sakura war gespannt. «Du wirst natürlich auch finanziell für deine Bemühungen entschädigt, Sakura. Genauso wie deine beiden Freunde.» Das war natürlich eine sehr nette Geste, jedoch war es für Sakura eigentlich schon Lohn genug, dass Haruka ihr diese ganzen Möglichkeiten bot. Aber Karin und Kiba würden sich bestimmt darüber freuen.   Inzwischen waren es fast zwei Monate Gefängnis. Er konnte nicht behaupten, dass er sich an die Gitter vor dem Fenster gewöhnt hatte – aber er akzeptierte inzwischen sein Schicksal. Sakura suchte in jedem Ereignis einen Sinn. Vielleicht hatte es so kommen müssen. Wer wusste schon, wie viele Leute nun vor ihm in Sicherheit waren. Allen voran Sakura. Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er so viel und so intensiv über sein Leben nachgedacht, wie in diesen zwei Monaten. Die regelmässigen Gespräche mit Naomi waren dabei zugegebenermassen hilfreich gewesen. Inzwischen störten ihn ihre Fragen nicht einmal mehr. Sie hatte versucht, mit ihm Ziele festzulegen, weil das ihr Auftrag war. Es ging darum seine Probleme in den Griff zu bekommen. Allen voran hatten sie mit Aggressionsmanagement angefangen. Einmal hätte er beinahe einen Mitinsassen zusammengehauen, weil dieser die Gangs in den Dreck gezogen hatte. War natürlich keiner begeistert von gewesen. Was er ihr strikte verschwieg, waren die Momente, in denen er Leute umgebracht hatte, weil er sich nicht mehr kontrollieren konnte. Er wollte hier auf keinen Fall etwas gestehen, was noch zu längerer Haft führte. Der blosse Gedanke, es auszusprechen, machte ihm Angst. Es gab genau eine Person, mit der er darüber reden würde und das war Sakura. «Sasuke?» Urplötzlich fand er sich aus den Gedanken gerissen im Besprechungszimmer wieder. «Entschuldige. Was sagtest du?» «Ich wollte fragen, ob Itachi auch unter Aggressionsproblemen gelitten hat?» Sogar Itachi konnte man inzwischen ansprechen, ohne dass es gleich wieder über ihn kam. Naomi stellte öfters Fragen zu ihm, vermutlich wollte sie sich nach wie vor langsam an ihn herantasten. «Nicht wirklich. Itachi hatte immer die Kontrolle über das, was er tat. War der Vernünftigere von uns beiden. Gewalt brauchte er nur, wenn es aus seiner Sicht notwendig war und auch dann verlor er sich nie darin.» «Hast du denn mal jemandem Gewalt zugefügt, obwohl du es gar nicht wolltest?» Er nickte betreten. «Oft.» «Darf ich nach den Personen fragen?» «Itachi habe ich mehrmals verprügeln wollen, wenn ich betrunken war und er mich zusammengestaucht hat. Das war eine Phase, in der ich zwischen vierzehn und siebzehn Jahren alt war. Und dann gab es etliche Male im Strassenkampf. Momente, wo ich längst gewonnen hatte, aber nicht aufhören konnte.» «Kannst du in diesen Situationen einen Auslöser nennen?» «Bei Itachi war es die Kontrolle, die er über mich ausübte. Ich mochte das zu der Zeit nicht.» Naomi lächelte leicht. «Pubertät, was?» «Gut möglich. Und bei den Kämpfen war es Wut. Mehr kann ich dazu nicht sagen.» «Okay. Und wie war es mit Gewalt gegen Mädchen, Sasuke?» Bis vor einigen Monaten hätte er noch den Kopf geschüttelt. Aber heute wäre es gelogen. «Bis zum letzten Jahr nie, manchmal etwas grobe Worte vielleicht? Und natürlich in Strassenkämpfen.» «Und was ist dieses Jahr passiert?» In ihm rebellierte alles. Er hasste es, daran zu denken. Er hasste es wie die Pest. «Das bedrückt dich, nicht wahr?» Es hatte keinen Sinn, ihr etwas vorzumachen und deshalb nickte er, den Blick starr auf die hölzerne Tischplatte gerichtet. «Du musst mir das nicht sagen, aber wie du weisst, es kann helfen, wenn man sich jemandem öffnet.» Da hatte sie allerdings recht. Er hatte sich schon ein paarmal überwunden und das war meistens schon irgendwie beruhigend gewesen. Was hatte er zu verlieren? «Ich war grob zu ihr, zweimal. Einmal habe ich sie ziemlich heftig geschubst, beim zweiten Mal habe ich ihr den Arm mit der Hand so fest abgeklemmt, sodass er richtig blau wurde…» «Du hast sie nicht geschlagen?» Er schüttelte den Kopf. Er fühlte sich wie Abschaum, wenn er das alles so offenbarte. «Und was hat sie getan, damit es so weit gekommen ist?» Er hob erschrocken den Kopf. «Nichts! Gar nichts! Jedenfalls nichts, was so eine Reaktion verdient hätte!» «Und trotzdem ist es irgendwie dazu gekommen, oder? Sag mir, was genau sie gemacht hat, ob es nun deine Reaktion verdient hat, oder nicht.» «Sie wollte wissen, was mit mir los ist.» Er seufzte. «Das klingt jetzt voll bescheuert.» Naomi schüttelte den Kopf. «Nein, ich denke, das macht grundsätzlich sehr viel Sinn, Sasuke. Was war denn los?» Er wollte das lieber verschweigen, denn es hing mit dem Vorfall hinter dem Toad’s zusammen, als die Riots sich an Sakura und ihre Freundin Ino vergreifen wollten. «Es sind einige Dinge passiert, auf die ich nicht stolz war… und habe mich irgendwie nicht mehr auf sie eingelassen. Und dann hat sie das gefragt und irgendwie kam da gerade alles hoch, was nicht stimmte und dann ist es halt passiert… ich meine, inzwischen haben wir es geregelt… aber es war trotzdem etwas vom Bescheuertsten, was ich je gemacht habe. Und das waren viele Dinge.» «Warum hast du dieses Mädchen denn bisher nicht erwähnt?» «Hätte ich das tun sollen?» Sie lächelte. «Nicht unbedingt, es überrascht mich nur. Du erwähnst Menschen die dir am Herzen liegen sonst regelmässig.» «Und woher willst du wissen…» Bei genauerem Nachdenken erübrigte sich die Frage. Sie wusste es einfach. «Warum frage ich überhaupt noch», brummte er. Naomi lächelte verschmitzt. Sasuke wusste sehr genau, warum er Sakura nicht erwähnt hatte. Das klang vielleicht dumm, aber alles, was er mit ihr erlebt hatte, gehörte nur ihnen. Mit jemandem anderen darüber zu reden… nun ja, er hatte irgendwie Angst, es dadurch zu einer ganz normalen, alltäglichen Beziehung zwischen zwei Menschen zu machen. Und das war es nun einmal nicht. Naomi musterte ihn. «Du musst mir nichts erzählen, wenn du nichts möchtest. Ich bin sicher, sie ist eine ganz interessante, kluge junge Dame.» Er nickte und tastete nach dem zerfledderten Stück Papier in seiner Tasche. Es da zu wissen war beruhigend. Er machte das inzwischen immer, wenn er sich über jemanden nervte. Wahrscheinlich war es auch bei seinem Aggressionsmanagement-Zeug hilfreich, aber er wollte das Naomi nicht sagen. Sie sollte nicht glauben, dass er schwach war. «Weisst du, Sasuke, ich will dir das ganz ehrlich sagen: Ich suche nach Menschen in deinem Umfeld, die dir Stabilität geben. Das klingt etwas trocken, ich weiss.» «Was meinst du denn mit Stabilität geben?» «Ich meine damit jemanden, der in dir das Beste rausholt. Gibt es so jemanden?» «Ja.» Da musste er nicht zweimal überlegen. «Darf ich dich fragen, wer es ist? Ich denke, diese Person könnte sehr wertvoll für dich in deinem weiteren Prozess sein.» Er schüttelte sofort den Kopf. «Da kann ich dir sowieso sagen, dass das nicht klappt. Bis ich hier rauskomme werden Jahre vergehen. Ich kann nicht von jemandem verlangen, mir mit alldem zu helfen.» «Und da haben wir eines deiner Probleme, Sasuke. Ob du es wahrhaben willst oder nicht, du willst keine Hilfe annehmen. Immer alles alleine machen. Alleine kommst du schon zurecht was? Hör mir bitte zu: Du bist eine starke Persönlichkeit, das habe ich wirklich verstanden. Aber niemand kommt durchs Leben, ohne sich ab und an mal helfen zu lassen.» Er wusste, dass sie recht hatte. Aber sie verstand das nicht ganz, denn diese Person war Sakura. Und er wollte, dass sie ihr Leben lebte, ohne ständig den Typen im Knast im Hinterkopf zu haben. «Ich will da niemanden mit reinziehen.» «Aber möchtest du denn niemanden mehr aus deiner Gang sehen? Gar niemanden mehr?» «Natürlich will ich sie alle wiedersehen. Aber sie sollen nichts mit dem zu tun haben, was hier abläuft.» «Und sie?» «Wer?» «Die Person, die das Beste aus dir rausholt.» Wenn Naomi wüsste, wie gerne er sie wiedersehen wollte. Dafür würde er einiges geben. Aber dann würde er ihr Lebewohl sagen. «Was hast du da in deiner Hosentasche, Sasuke?» Er hob schnell den Kopf. «Hm?» «Seit wir hier angefangen haben, nestelst du immer in deiner Hosentasche herum, wenn wir schwierige Themen ansprechen. Das ist mir schon lange aufgefallen. Zuerst dachte ich, du machst das nur aus Nervosität, aber du hast da doch etwas.» Er konnte nicht wirklich benennen, was das Problem war, aber in ihm stieg Wut auf. Was wollte Naomi von ihm? Genügte ja schon, dass sie in seinem Leben herumwühlte, jetzt wollte sie auch noch über den Inhalt seiner Hosentasche Bescheid wissen. «Geht dich nichts an», sagte er barsch. Er spürte, wie sich sein Körper langsam anspannte. Naomi legte den Kopf schief. Sie sah nicht besonders amüsiert aus, aber auch nicht wütend. «Fühlst du dich von mir bedroht?» «Blödsinn!» «Warum reagierst du dann so?» «Weil du in meinem Müll herumwühlst und ich es nicht ausstehen kann!» «Hier geht es also nicht nur um den Inhalt deiner Hosentasche?» Er wollte sofort etwas erwidern, aber es fiel ihm nichts ein. «Du hast so bemerkenswerte Fortschritte gemacht, Sasuke. Du hast mir sehr viel von dir erzählt und dafür danke ich dir. Keine einzige Information aus deinem Leben hat dazu geführt, dass ich die irgendwie in schlechtem Licht sehe, im Gegenteil. Du magst es nicht, wenn ich etwas tue, was dir zu nahetritt. Du lässt dich auf vieles ein, aber noch nicht auf alles. Und anscheinend ist deine Hosentasche genauso tabu wie diese besondere Person. Das bedeutet für mich einen Zusammenhang.» Diese Frau machte ihn fertig. Seine Wut war verraucht. Vor Naomi etwas für sich zu behalten war echt nicht einfach. Und sie meinte es auch nicht böse. «Ich werde nun nicht mehr weiter nachfragen, Sasuke. Aber ich werde einen Tipp über den Inhalt der Hosentasche abgeben, du musst mir nicht sagen, ob ich richtigliege. Ich denke, dass dort drin ein Gegenstand ist, den dir das Mädchen gegeben hat, von dem wir vorhin gesprochen haben. Denn dieses Mädchen ist eben diese Person, die das Beste in dir hervorbringt.» Dazu wusste er nun wirklich nicht mehr viel zu sagen. Er verspürte Resignation, war aber auch seltsam beeindruckt. «Du hast gewonnen, okay?», meinte er geschlagen.   Tsunades Wohnung platzte an diesem Abend aus allen Nähten. In zehn Minuten begann die Ausstrahlung von Harukas Sendung und die Kuramas liessen es sich nicht nehmen, dabei zu sein. Jiraiya war inzwischen so genervt von den Jungs, die andauernd in seiner Wohnung herumhingen, dass er sie für diesen Abend aus dem Toad’s verbannt hatte. Nun hatte Tsunade fünfzehn Leute in ihrer kleinen Wohnung und hatte sicherlich schon erfreuter ausgesehen. Allerdings liess sie es sich nicht nehmen, sich die Sendung mit den Kuramas anzuschauen und setzte sich diskret auf einen Küchenstuhl, mit etwas Abstand zu der aufgeregten Meute. Sakura befand sich mittendrin und teilte sich einen Sofaplatz mit Ino. Vor ihr Am Boden sass Kiba im Schneidersitz, Akamaru gleich daneben. «Bist du aufgeregt, Kiba?», fragte sie ihn leise unter all den anderen Gesprächen, die im Gange waren. Er zuckte mit den Schultern. «Nicht wirklich. Kenne die Geschichte ja schon. Aber wird bestimmt interessant. Ich meine, die mussten sich nach einem verdammt coolen Schauspieler umsehen.» Er grinste frech und Sakura musste lachen. Jedoch entging ihr die Anspannung in seinem Körper nicht, die er mit seinem Schalk zu überspielen versuchte. Fast wäre es ihm gelungen. Die Sendung begann mit Haruka im News-Studio. Sie begrüsste die Zuschauer und erklärte in einem kurzen Informationsteil den Zuschauern, was auf sie wartete. Das machte sie geschickt, auch wenn sie Kiba und Karin nicht kennen würde, hätte Haruka sie mit dieser Ansprache vermutlich ziemlich gut abholen können. «…uns bot sich daher eine exklusive Möglichkeit: In dieser Sendung porträtieren wir das Leben zweier Menschen, die es nicht einfach gehabt haben. Ein junger Mann, aufgewachsen unter einem gewalttätigen Vater und eine dramatische Flucht. Eine junge Frau, von ihren Eltern verachtet, gezwungen, einen eigenen Weg zu suchen. Aber sehen Sie selbst, liebe Zuschauer.» Es begann eine kurze animierte Sequenz, die den Titel von Kibas Geschichte zeigte. Haruka hatte Sakura diese Titel vorgeschlagen und sie hatte sich bei den Beiden erkundigt, ob sie damit einverstanden waren.  «Zu zweit allein – der Junge mit dem Hund» Die Reportage war tatsächlich wie ein Film aufgebaut. Die Filmsequenz begann in der Küche von Kibas ehemaligem zu Hause. Und sie zeigten unverblümt, was dieses Monster ihrem Freund angetan hatte.  Der Schauspieler von Kibas Stiefvater schlug mit allem zu: Gürtel, Kabel, Gläsern.  Kibas Kinderschauspieler war passend gewählt– Sakura hatte Haruka die wichtigsten Merkmale der Personen übermittelt. Kiba türmte an dem Abend, als sein Vater ihn mit einer kaputten Glasflasche malträtiert hatte. Seine scheussliche Mutter sah nur zu. In der ganzen Szene bellte sich ein Hundewelpe die Seele aus dem Leib, bis er von einem Tritt des Stiefvaters jaulend in die Ecke geschleudert wurde. Sein ganzer Rücken war von etwa fünf langen Schnittwunden überzogen und blutete. In der nächsten Sequenz sah man, wie er sich mühselig mit Bandagen aus der Hausapotheke den Rücken zu verbinden versuchte. Während der Prügel weinte er nicht, aber umso mehr als er sich den Rücken verband. Dabei blieb er so leise wie möglich, damit es niemand hörte. Sakura brach es das Herz. Klar, sie hatte das alles gewusst, aber es so echt vor sich zu sehen, war heftig. Kiba vor ihr starrte ziemlich konzentriert auf den Bildschirm, während er mechanisch Akamarus Fell kraulte. Schnell rutschte sie vom Sofa hinunter und gesellte sich zu den beiden. Als im Haus alle schliefen, schnappte er sich einen kleinen Rucksack, stopfte ihn mit Essbarem, Hundefutter und zwei Flaschen Wasser voll. Er schlüpfte in seinen dicksten Pullover, zog sich seine Winterjacke über und schlüpfte in seine Schuhe, während er sich einen dicken Schal um den Hals wickelte. Er türmte durch das Fenster und kletterte die Fassade des Hauses entlang hinunter. Akamaru hatte er in den Rucksack gesetzt, sodass sein Kopf noch hinausschaute. Unten angekommen leinte er ihn an und lief hinaus in die dunkle Nacht Konohas. Kiba hatte eigentlich nicht in schlechten Verhältnissen gelebt und das Reihenhaus etwas ausserhalb von Konoha wäre ganz hübsch gewesen. Aber was innerhalb dieser vier Wände über Jahre passiert war, war unverzeihlich. Seine erste Nacht verbrachte er mit Laufen, um Distanz zwischen sich und das Haus zu bringen. Der damals dreizehnjährige Kiba fröstelte. Es lag zwar kein Schnee, aber das Wintersetting hatten sie gut hineinkorrigiert. Man hörte den eisigen Wind um die Ecken der Häuser pfeifen. Haruka hatte echt viel in diese Sache investiert. Nun wurden mehrere Tage und Nächte gezeigt, in denen Kiba zum Überleben stahl und wie er von Menschen davonrannte, die es bemerkt hatten. Es zeigte die kalten Nächte in denen er zusammengrollt in irgendeiner windgeschützten Ecke kauerte, Akamaru in seiner Jacke. «Irgendwann kaufe ich dir alles Futter der Welt, Aki. Verlass dich drauf.» Sakura hatte darauf bestanden, dass auch Akamarus Name abgeändert wurde. Der Hund war genauso ein Mischling wie Akamaru, jedoch braun und sah auch sonst etwas anders aus. Es war trostlos, einem dreizehnjährigen Jungen zuzusehen, wie er und sein Hund immer dünner wurden. Sein Gesicht war fahl und kantig, seine Augen leer. Der junge Schauspieler machte das wirklich gut. Dann kam die Nacht, in der Kiba beinahe erfroren wäre. Er lag zwischen zwei Mülltonnen in einer düsteren Seitengasse, kraftlos von dem wenigen Essen, dass er zu sich genommen hatte, um das gestohlene Geld für Hundefutter zu verwenden. Er lag auf der Seite, sein Brustkorb hob und senkte sich nur langsam. Seine Augen waren ausdruckslos, seine Lippen blau. «Ich spüre mich gar nicht mehr, Aki», flüsterte er. Der Hund lag dich an ihn herangekuschelt da. «Blleibst…du h-hier…» Sein ganzer Körper zitterte unaufhörlich. Sakura legte Kiba den Kopf auf die Schuler. Sie weinte. «Bis es…vorbei…ist…» In diesem Moment begann Akamaru zu jaulen. Er jaulte sich die Seele aus dem Leib. Kiba hatte ihr erzählt, dass er ihm die Schnauze zugehalten hätte, wenn nicht schon sein ganzer Körper taub gewesen wäre. Die Angst davor, dass man ihn finden und zurück zu seinen Eltern bringen würde, war so wahnsinnig gross gewesen. Plötzlich erschien ein Lichtkegel im schwachen Mondlicht. Die Reportage war so wahnsinnig gut gedreht, dass Sakura richtig gespannt war, obwohl sie wusste, was passierte. Kiba wurde von drei Leuten gefunden, zu diesem Zeitpunkt war noch nicht bekannt, dass es sich dabei um Kuramas handelte. Es wurde ein Schnitt gemacht, in dem Kiba ohnmächtig war und später auf dem Sofa in einem Raum aufwachte, der ein HQ hätte sein können und so wie es aussah auch eines darstellen sollte. Kiba war in Decken gehüllt und wurde von einer jungen Kurama gepflegt, Ehemalige wurden mit Absicht nicht in die Geschichte eingebunden. Eigentlich war es Tsunade gewesen, die ihn versorgt hatte. «Hätte dein Hund nicht so laut auf sich aufmerksam gemacht, hätte man dich nicht gehört. Du hattest wirklich Glück, dass jemand von uns in deiner Nähe war.» Kiba schien noch nicht ganz angekommen zu sein und zitterte. «Ich will nicht nach Hause.» «Das musst du auch nicht.» In dem Moment betrat Iruka das Bild oder jedenfalls sein Schauspieler. Iruka Umino war vor Naruto Gangleder gewesen. Im Hintergrund sah man einige andere Kinder, einen kleinen Blonden betitelte er absichtlich mit dem Namen «Naruto». Naruto war auch der einzige, der Kinder, der eine Sprechrolle hatte und Kiba mit einem freundlichen Lächeln und einem sanften Händedruck begrüsste. Sakura vermutete, dass es nebst Naruto noch Shikamaru, Shino und Tenten waren. Der Film endete mit Irukas Worten und seiner Hand auf Kibas Schulter, der mit grossen Augen eine dampfende Teetasse in den Händen hielt. «Wir haben die Narben auf deinem Rücken schon gesehen. Du bist herzlich willkommen, bei uns zu bleiben, wenn du das willst.» «Wer seid ihr?», fragte er schüchtern. «Wir sind die Kurama Foxes.» Er grinste. «Möchtest du bleiben?» Kiba sah sich um und blickte dabei in freundlich lächelnde Gesichter und einen warmen, grossen Raum. Er nickte. «Dann bist du von nun an Teil unserer neuen Generation. Vergiss die alten Zeiten, okay? Willkommen in der Familie!» Iruka wuschelte ihm durchs Haar und Kiba lächelte. Anschliessend hörte man den Kinderschauspieler aus dem Off sprechen. Er zitierte Kiba. «Ich habe es nie bereut, zu ihnen gegangen zu sein. Sie waren das, wonach ich mich so lange gesehnt habe – meine Familie.» Abspann.   «Hey, Demon!» Naruto packte ihn energisch an der Schulter und Sasuke drehte sich verwirrt um. Gerade war er noch dabei gewesen, in dem sterilen Aufenthaltsraum ihres Blocks die Zeitung von gestern zu lesen. Irgendeinen Artikel über steigende Benzinpreise. «Was ist denn los?» Er seufzte. Wenn man sich mit jemandem ein Zimmer teile, lernte man einander kennen, ob gewollt oder nicht. Über Big Fox konnte er etwas sagen: Der Typ konnte eine Energie an den Tag legen, die er so selten gesehen hatte. Und das im Knast. Es kam ganz auf seine Laune an und meistens benutzte er als Ventil entweder das Basketball spielen im Innenhof oder eines der Ämter, welche ihnen wöchentlich aufgetragen wurden. Auf einer Art fand er es bewundernswert, das musste er zugeben. Aber andererseits konnte es einem auch ganz schön auf den Wecker gehen. «Fernsehen, jetzt!» Sasuke verstand, dass die Sache wahrscheinlich zu wichtig war, als dass er Big Fox noch widersprechen sollte. Deshalb erhob er sich und folgte Naruto nach oben. Um diese Zeit am Abend hatten sie so eine Art «Bewegungsfreiheit» und konnten entweder in der Zelle bleiben, im Aufenthaltsraum sein oder nach draussen in den Hof gehen. «Makoto aus Zelle 210 hat mir gerade gesagt, dass da auf KCTV wieder etwas zu Gangs läuft.» Ach ja, kontaktfreudig war er auch. Sasuke hatte bisher auch einige Bekanntschaften mit anderen Insassen gemacht, so kannte er zum Beispiel diesen Makoto auch, ein mehrfacher Steuerhinterzieher und Internetbetrüger, fünfundzwanzig Jahre alt. Aber Big Fox war da noch einmal ganz ein anderes Kaliber. Der kannte in diesem Block mindestens zwanzig Leute mit Vornamen, Delikt und Lebensgeschichte und dann schien er auch von jedem anderen Block mindestens vier Typen zu kennen.  Oben angekommen schaltete er sofort den Fernseher ein, Sasuke setzte sich auf sein Bett. Was im Fernsehen lief, sah aus wie ein Film. Es ging um einen Jungen mit einem Hund, der von seinem Vater verprügelt wurde. Allerdings verstand er noch nicht ganz, was das mit einer Gang zu tun hatte. «Das ist Kiba», sagte Big Fox auf einmal. Er hatte sich auf den Boden vor dem Fernseher gesetzt. «Die haben Kibas Geschichte in diese Doku gepackt? Und dann stimmt das alles auch noch fast bis ins kleinste Detail.» Er wählte den Teletext an. Dort stand, dass diese Reportage zwei Schicksale von Gangmitgliedern veranschaulichte. «Da hat Sakura ihre Finger im Spiel, ganz bestimmt. Wie hätten die sonst an solche Infos kommen können?» Er sagte das schon fast amüsiert. Sasuke verfolgte indes den Kurzfilm weiter. Er erinnerte sich daran, wie er mehrmals mit diesem Kiba gekämpft hatte. Es war schon interessant, etwas über seine Hintergründe zu erfahren. Beschissene Kindheit – wie sie alle. «Hey, das bin ja ich!» Naruto konnte kaum glauben, dass auch er in diesem Film vertreten war. «Warum nennen die mich denn beim Namen? Machen sie ja nicht einmal bei Kiba.» Bei Sasuke fiel in diesem Moment der Groschen. «Die wollen, dass du gut dastehst.» «Was meinst du damit?» «So schwierig kann das ja nicht sein. Die zeigen ein wenig Hintergründe von Gangs und nebenbei lassen sie dich gut dastehen.» «Ist ja der Hammer.» Nach dem Abspann erschiene eine Studioansicht, in der die Moderatorin auftauchte, die auch die Talkshow geleitet hatte, in der Sakura war. «In all diesen Momenten fragt man sich doch: Wo war hier der Staat? Das Jugendamt? Wo waren die Leute, die diesem Jungen helfen sollten? Nun es kamen Leute, jene, die selbst nicht viel hatten und trotzdem bereit waren, zu teilen. Wir haben eine weitere Geschichte für Sie. Nichts mehr hält dieses Junge Mädchen an dem Ort, welchen sie zu Hause nennen sollte. Werden sie Zeugen von diesem Mädchen, welches auf der Suche nach dem richtigen Weg die dunkelsten Seiten Konohas kennenlernt.» Bereits als der Titel der Geschichte erschien, fiel Sasuke die Kinnlade runter. «Teufelstochter». Das konnte er jetzt nicht glauben. «Sagt mir nichts», murmelte Naruto. «Aber mir.» Und gab dieser Film tatsächlich Karins Geschichte wieder und zwar bis ins kleinste Detail. Gebannt schaute er der Sache zu, beeindruckt davon, wie viel Arbeit die Filmcrew da reininvestiert haben musste. Natürlich, es sah alles ein wenig anders aus als im richtigen Circus, die Umgebung war nicht dieselbe, aber das hätte nebensächlicher nicht sein können. Sogar den bescheuerten Chuck hatten sie getroffen – er sah fast aus, wie das Original. Ihm wurde erst klar, dass er in diesem Film eine entscheidende Rolle spielte, als es schon zu spät war. Es war komisch, sich selber von jemandem anderen gespielt in einem Film zu sehen. Er fand nicht, dass dieser Typ ihm ähnelte, Naruto jedoch meinte, dass seine Film-Version gar nicht so schlecht war. Er musste schwer schlucken, als Itachi auftrat, aber er war nur kurz zu sehen. An diesen Tag erinnerte er sich noch, als wäre es gestern gewesen. Der Tag, an dem Taka-Sniper geboren wurde. Der Film endete mit Karin, die ihm einen schüchternen Blick zuwarf und dann lächelte. «Na, jetzt machen sie aber auch für dich Werbung, oder?» Er nickte und schwieg. Das konnte er nicht mehr abstreiten. Was stellte Sakura da auf die Beine? Er war beeindruckt. Richtig beeindruckt. Im kurzen Abspann erschien auch ihr Name. Zurück im Studio waren sie wieder bei Haruka Ichinose. «Zwei tragische Geschichten, die von einer steilen Talfahrt aus wieder aufwärts gingen und auch heute noch nicht zu Ende geschrieben sind. Meine lieben Zuschauer: In dieser Sendung geht es nicht darum, die Gangthematik einseitig zu behandeln. Es geht darum, die Seite aufzuzeigen, die noch niemand gesehen hat. Wir möchten, dass sie sich ihre ganz eigene Meinung bilden können, basierend auf dem Verständnis für Hintergründe die Gangmitglieder haben. So sind Devil’s Daughter und der Junge mit dem Hund keinesfalls Einzelfälle. In den Gangs gibt es noch viel mehr Leute wie sie, alle mit einer eigenen Geschichte. Diesen beiden hat niemand geholfen, bis es die taten, die am wenigsten Mittel dazu gehabt hatten. Bis heute hat sich an diesem System nichts geändert. Devil’s Daughters Rettung erfolgte vor knapp vier Jahren – wir sind heute noch nicht viel weiter, als zu dieser Zeit. Kinder auf der Strasse sind nach wie vor Realität. Was müssen wir hinterfragen? Das System oder die Gangs? Wo liegt die Wurzel allen Übels? Ich fordere Sie dazu auf, sich ihre Meinung zu bilden. In einer Woche lade ich Sie ein, wieder beim FridayTalk einzuschalten, wo die Thematik erneut aufgerollt wird. Bis dahin danke ich Ihnen für ihr Einschalten und wünsche Ihnen eine gute Woche.» Als dann der Werbeblock eingespielt wurde, waren sie beide sprachlos. Irgendwie konnten sie es beide nicht so ganz fassen. Die Menschen erachteten die Gangs als Abschaum, unbedeutende junge Versager. Und doch hatten es zwei Geschichten ins Fernsehen geschafft. Die Sendung war wirklich ein sehr interessantes, neues Licht auf die verschiedenen Leben von Menschen, die man alle in den gleichen Topf warf. «Vielleicht hätten wir uns früher gefangen nehmen lassen sollen», meinte Naruto mit dem Anflug eines Grinsens im Gesicht. «Dann wären die Steine schon eher ins Rollen gekommen.»   Nach der Sendung zog sich Karin zurück. Nicht in das Zimmer, welches sie sich mit Shion und Hotaru teilte, sondern nach oben, in den zweiten Stock. Der zweite Stock war nicht besonders gross und befand sich auch nur über einem Gebäudeteil. Dort oben lagerten sie Waffen und anderweitigen Krimskrams, durch eingebaute Lücken in der Mauer konnte man in den Aufenthaltsraum hinabsehen. Ging man etwas weiter, befand man sich am Ende das Ganges, wo ein grosses, jedoch trübes Fenster und davor einige alte Holzkisten waren. Hier hinten hatte man seine Ruhe und Karin kam hierher, wenn sie genau diese Ruhe wollte. Draussen herrschte eine fast schon romantische Abendstimmung – zum Kotzen. Der Himmel war wortwörtlich Rosa und die Sonne war inzwischen hinter dem Horizont verschwunden. Sie setzte sich auf eine der Kisten. Es war scheisse. Nun wusste die ganze Stadt über ihr beschissenes Leben Bescheid. Die Reporterin hatte wirklich einiges auf die Beine gestellt. Wenn sie etwas Glück hatten, dann diente es den Gangs. Aber ihr? Sie hatte die absolute Arschkarte gezogen. Ihr Leben noch einmal zu sehen, all diese Erlebnisse in diesem bescheuerten Circus, Chuck, Lusty Rose, dann die dumme Pute Nougat, die ihr von allen am meisten das Leben zur Hölle gemacht hatte. Diese kranke Schlampe hatte ihr Rasierklingen in die Schuhe gesteckt. Hätte sie sie nicht per Zufall entdeckt, wäre das damals eine blutige Sache geworden. Dauernd hatte sie solche Sachen versucht. Wer wurde da nicht paranoid? Aber nicht nur das. Es hatte sie auch an das allererste Jahr bei den Takas erinnert. Für sich nannte sie es das Demon-Jahr. Damals war sie zwar bereits ziemlich desillusioniert und kaputt gewesen, aber in Demon hatte sie jemanden gefunden, der das mit ihr teilte. Sie verbrachten oft Zeit hier, in genau dieser Ecke. Manchmal spielten sie zusammen Gitarre oder redeten. Damals kam es ihr ein wenig vor, wie eine absolut missratene Version der Aschenputtel-Geschichte, wobei Aschenputtel eine Stripperin war und der Prinz der Vize-Leader eine Gang. Trotzdem konnte sie nichts als Bewunderung für ihn empfinden und aus dieser Bewunderung war Liebe geworden. Sie war sich ziemlich sicher, dass er sie an irgendeinem Punkt in ihrer gemeinsamen Zeit auch geliebt hatte. Es war schwer zu sagen, da er in Sachen Emotionen noch kaputter als sie gewesen war. Aber sie waren zusammen gewesen, offiziell, und das hatte sie so verdammt stolz gemacht. Sie wurden zum einem berühmt-berüchtigten Duo. Ihre Beziehung erlitt einige Krisen, aber irgendwie waren die nie vom grosser Bedeutung gewesen. Und dann, irgendwann hatte er sie abgeschossen. Sich distanziert. Erst dachte sie, es wäre eine seiner Launen, aber da irrte sie sich. Natürlich war sie gekränkt gewesen, aber sie war sich ziemlich sicher gewesen, dass er wieder zu sich kommen würde. Doch lange passierte nichts. Und gerade als sie dachte, die Tür öffne sich wieder, kam sie – und damit schloss sich sie sich für immer. Nicht, dass sie es Demon verübeln konnte. Sie passten zusammen, auch wenn die Prinzessin ziemlich naiv und gutgläubig war. Aber genau deshalb mochte Demon sie so. Sie seufzte und dachte noch einmal an das Ende des Films. Die Filmcrew hatte nicht gewusst, dass sie und Demon nach ihrer Aufnahme in die Gang etwas miteinander angefangen hatte. Das Lächeln ihrer Schauspielerin in der letzten Szene, welches so eindeutig an Demon gerichtet war, sollte vermutlich einfach ein Ausdruck des Dankes sein. Doch es konnte auch ganz klar implizieren, dass sie ihm mehr als nur dankbar war. Und damit hatten sie ins Schwarze getroffen, diese Filmer. Seit er sie gerettet hatte, bewunderte sie diesen mysteriösen Jungen. Und auch als sie merkte, dass seine Gutherzigkeit nur eine Seite der Medaille war, hielt es sie nicht davon ab, ihn weiterhin zu lieben. Das hatte sich bis heute nicht geändert. Sie war eigentlich keine gefühlsduselige Barbie, aber sie konnte inzwischen strikt und einfach nicht mehr leugnen, wie sehr sie die Momente mit ihm vermisste. Die Nähe, die Intimität, dieses Gefühl, nie mehr jemand anderen bei sich haben zu wollen. Nach all den alten und jungen Typen im Circus einen Mann, mit dem sie mehr verband als nur ein Lapdance oder das Geld, welche er ihr in die Unterwäsche schob. Um das nicht falsch zu verstehen, sie war dankbar für alles, was sie hatte. Aber manchmal fühlte es sich an, als hätte sie trotzdem nichts. Manche Menschen malten sich eine glückliche Zukunft aus und was hatte sie? Einen schlechten Ruf, ein beschissenes Leben. Nicht einmal das Rauchen bekam sie in den Griff. Gerade jetzt ertappte sie sich dabei, wie ihre Hand in die Tasche ihrer Jacke rutschte und das zerfledderte Zigarettenpäckchen hervorzog. Es war schon die zweitletzte und dabei hatte sie das Päckchen hatte erst gestern Abend angebrochen. Aber sie hatte im Moment einfach nicht den Nerv dazu, es wirklich zu versuchen. Irgendein Psychoheini würde ihr wahrscheinlich sagen, dass sie depressiv ist. Möglicherweise ein bisschen, denn im Moment hatte sie auf nichts Lust, lag im Bett herum und dachte zu viel nach. Oft waren ihre Eltern oder die Zeit bei Chuck ein Thema. Seit sie das alles vor ein paar Wochen Sakura erzählt hatte, war alles wieder so präsent. Einerseits nervte sie es, andererseits merke sie, dass sie nie wirklich damit abgeschlossen hatte. Sie hasste sie beide immer noch für alles, was sie waren und für alles, was sie ihr angetan hatten. Es war alles so verkorkst. «Was bläst du hier eigentlich die ganze Zeit Trübsal, Sniper?» «Hau ab, Fangs», brummte sie ohne sich umzudrehen. «Na, du bist ja gut drauf heute.» Sie erwiderte nichts. «Darf ich mich dazusetzen?» «Mhm», brummte sie und er lachte nur. «Willst du reden oder rauchen?» «Rauchen.» «Okay.» Er zog eine Zigarette und ein Feuerzeug aus der Hosentasche, zündete sich den Glimmstängel an und nahm einen Zug. Und dann assen sie da, schweigend, rauchend. Aber auf Karin hatte es etwas Beruhigendes. In all der Zeit bei den Takas konnte sie eines sagen: Sie war nie alleine gelassen worden. Nie. Und das war bei all dem Mist in ihrem Leben doch ein schöner Gedanke. Ein sehr schöner. Die Kuramas genossen diesen Abend gemeinsam in Tsunades Wohnung. Ihrer Meinung nach war die Sendung ein vollkommener Erfolg gewesen, ja wirklich. Kiba war anfänglich etwas ruhig gewesen, was Sakura nicht überraschte. Seine eigene kaputte Kindheit so vor Augen geführt zu bekommen, das war nicht einfach. In einer ruhigen Minute zog sie ihren Freund zur Seite, genauer gesagt in die Küche, wo es etwas ruhiger war. «Danke, dass du da mitgemacht hast, Kiba. Das war für dich bestimmt nicht leicht.» Er schüttelte den Kopf. «Nichts zu danken, Cherry. Für die Gang tue ich alles.» «Es tut mir leid, was da alles in deiner Kindheit passiert ist… weisst du, es so in Szene gesetzt zu sehen war noch einmal heftiger.» Sie senkte den Blick. «Hast du irgendwann noch einmal etwas von deinen Eltern gehört?» Zu ihrem Überraschen nickte er. «Meine Mutter meldet sich immer, um mir zum Geburtstag zu gratulieren. Aber die Gespräche sind immer erzwungen und angespannt.» «Kommt mir bekannt vor», murmelte sie und er lachte. «Da haben wir’s, Cherry. Anscheinend haben wir bei der Wahl unserer Eltern alle auf das falsche Pferd gesetzt.» «Hey, kommt mal her!», ertönte es aufgeregt von Tenten aus dem Wohnzimmer. Was war denn nun los? Natürlich eilte sofort alles zu Tenten, die mit offenem Mund vor dem Fernseher sass. Gerade eben war noch eine Talkshow von KCTV gelaufen, doch nun wurden mitten in der Sendung News eingespielt. «… vor einer Stunde. Geschätzt werden mehr als zweihundert Mitglieder, die sich in den Strassen von Konoha gegen die Polizei stellen. Woher sie kamen ist unbekannt, wer sie anführt ist jedoch klar – die Gang der Jaguar Riots haben Konoha den Krieg erklärt. Seit die Kurama Foxes und die Taka Snakes von der Bildfläche verschwunden und es in der Stadt ruhiger geworden ist, hat die Polizei ihre Bereitschaft erheblich vermindert. War das ein Fehler?» In der Wohnung war es bis auf die Geräusche aus dem Fernseher totenstill. Es wurden Bilder von Krawallen gezeigt, Polizisten mit schusssicheren Westen, Helmen und Schilden. Rauch, lautes Knallen, Schreie. Das Geräusch von Motoren. Riot-Flaggen. Der Anblick liess Sakura erschauern und damit war sie bestimmt nicht die Einzige. «Der Bastard…» Shikamaru hatte seinen Blick starr auf den Fernseher gerichtet. «Von Anfang an.» Shino schüttelte ungläubig den Kopf. Bei Sakura war der Groschen noch nicht gefallen. Was realisierten ihre Freunde da? «Shika, was ist los?» Inos Stimme war unheimlich monoton. Das passte nicht zu ihr. Alle Augen waren nun auf den Vize gerichtet. «Crow… Crow, ihr Leader. Ich verstehe jetzt. Es war alles ein perfekter Plan.» In den Köpfen der beiden Leader fügte sich langsam ein Puzzleteil zum anderen. Plötzlich machte alles einen Sinn.   «Ihr seid frustriert, desillusioniert, Kuramas und Takas. Euch fehlen die nötige Energie und der Willen, Veränderung herbeizuführen. Ihr habt nicht den Mut, Grenzen zu überschreiten und etwas zu wagen, damit etwas passiert.»   Er hatte ihnen seinen Plan auf dem Silbertablett serviert und sie hatten es nicht geschnallt. Als leere, dumme Worte abgestempelt. Sie waren einfach zu verblendet gewesen. Kurz gesagt, Crow war wahnsinnig. Absolut wahnsinnig. Aber auch verdammt schlau. Er machte einen Pakt mit der Polizei und erfüllte all seine Pflichten in diesem Bündnis. Dann zogen er sich mit den Riots zurück, wie vermutlich mit Momochi vereinbart. Den Polizeichef hatten sie natürlich glauben lassen, dass ihr grösstes Ziel das Ende der Kuramas und Takas sei. Und nun, wo langsam aber sicher Ruhe in der Stadt eingekehrt war und die Gangs sich zurückgezogen hatten, wurde das gesamte Polizeiaufgebot kleiner gehalten, da es nicht mehr nötig war, all diese Kräfte für nichts in der Gegend herumstehen zu haben. Das Militär war vor einem Monat ganz abgezogen worden. Und was bedeutete das? Freie Bahn für die Riots. Für ihren wirklichen Plan. Wie lange Crow in seinem Grössenwahnsinn schon im Untergrund Leute gesammelt hatte, wussten sie nicht. Jedoch musste es eine lange Zeit gewesen sein. Und nun stand die Polizei einer verdammt grossen Horde Menschen gegenüber, die die Stadt wie ihre Westentasche kannten und nicht viel zu verlieren hatten. Crow hatte genug von der Unterdrückung der niedrigsten Schicht in Konoha. Und dieses Gefühl teilte er mit all den Leuten, die ihn in seinem Vorhaben unterstützten.   «Jedenfalls habe ich einen Plan. Diese Gesellschaft muss merken, dass man mit uns nicht einfach machen kann, was man will.»   Dieser Bastard wollte das Ende der Unterdrückung. Ob er mit dieser Menge an Leuten eine Chance dazu hatte, war in Frage zu stellen. Aber er war nicht dumm und die beiden wussten ohne lange Nachzudenken, dass er, was auch immer sein genaues Ziel darstellte, auf dem besten Weg dazu war, es zu erreichen.   Es war eine Revolution. Crows Revolution. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)