Konoha Gangs II: Game On von ximi (Das Spiel hat gerade erst begonnen) ================================================================================ Kapitel 23: Über den Schatten springen -------------------------------------- Kleider falten war nicht unbedingt eine tolle Beschäftigung. Es war eintönig und liess viel Zeit zum Nachdenken. Nicht einmal die Farbe der Shirts und Overalls änderte sich. Grau für die Shirts, orange für den Astronautenanzug – mit viel Fantasie hätte es einer sein können. Die Socken grau. Wenigsten die Pyjamas waren ihre eigenen. Das einzige an Persönlichkeit, was man ihnen liess. Noch ein Wäschebecken voll und sie hatten es geschafft. Jedenfalls bis zur Mittagspause. Die anderen Inhaftierten an dem langen Tisch waren teilweise in leise Gespräche verwickelt, andere starrten nur vor sich hin. Er selbst verstand Letztere sehr gut – ihm war auch nicht nach reden zu Mute. Im Gegenteil. Ihm schräg gegenüber sass Demon und faltete schweigend Shirts. Er sah nicht viel amüsierter aus. Wer hätte gedacht, dass sie einmal im Knast landen würden? Und dann noch zusammen? Es war schon ein Witz. Vor weniger als drei Wochen rasten sie noch frei wie Vögel auf ihren Motorrädern durch die Strassen. Vor einem Jahr waren sie sogar noch die Könige der Strassen gewesen. Jedenfalls hatten sie um diesen Titel gewetteifert. Vor diesem einen Jahr waren sie noch zu allem bereit gewesen. Sie waren um die Häuser gezogen und hatten mit ihren Leuten gefeiert. Einander mit Leidenschaft gehasst und mit Klasse bekämpft. Für sie hatte es Grenzen gegeben, das wussten sie. Aber innerhalb dieser Grenzen hatten sie sich alles genommen, was sie wollten. Und dann war alles bergab gegangen, auf einen Schlag. Die Riots waren aufgetaucht und sich wie Parasiten in ihre Welt hineingefressen. Red Ravens Tod. Hinatas Verrat. Kankuros Tod. Unzählige Outers, die ihr Leben im Staub dieser schmutzigen Strassen gelassen hatten. Und wofür? Naruto hatte nicht mehr viel Willen übrig. Das war etwas, was er kaum kannte, denn gewollt hatte er immer irgendetwas. Und jetzt konnte ihn nur noch ein Gedanke aufrecht halten: Seine Leute waren davongekommen und die beiden Kinder waren in Sicherheit. Er war bereit, diese Last auf sich zu nehmen. Die grauen Wände des Gefängnisses, die düstere Stimmung, die langweiligen Arbeiten. Die vielen trüben Jahre, die vor ihm lagen. Eine wunderbare Zeit seines Lebens, die er verpassen würde. Hätte er in dieser Zeit vielleicht eine Ausbildung gemacht? Geheiratet? Kinder gehabt? Er würde es nie wissen, denn für ihn war es vorbei. Nicht einmal Hinata hatte er auf den richtigen Weg zurückbringen können. Der einzige Sinn, der ihm blieb, waren die Menschen, die er liebte. Seine Gangbrüder und Gangschwestern. Aber würden sie sie stemmen, diese Last, unter der seine Knochen beinahe nachgaben. Wenn es seinen Leuten gut ging, dann schulterte er sie ohne mit der Wimper zu zucken. Diese Menschen würden ihn nicht in die Knie zwingen. Niemals. Die Gesellschaft hasste sie, das hatte er längst begriffen. Niemand wollte sie. Aber sie waren jetzt nun einmal da. Und damit würden sie klarkommen müssen, diese Menschen. Beim letzten grauen Shirt benötigte er drei Anläufe, bis es so gefaltet war, wie es sein sollte. Und dann war es Zeit für Mittag. Als er aufstand wechselte er einen Blick mit Demon. Seine Augen waren leer. So leer wie seine eigenen.   Frischer Wind schlug Sakura entgegen, als sie die alte Glastür des Wohnblocks aufstiess. Gerade hatte sie Miss Ichinose angerufen und ihr mittgeteilt, dass sie an dem Gespräch teilnehmen würde. Sie hatte grauenhafte Angst davor, aber es war das Mindeste, was sie tun konnte. Jetzt, wo sowieso alles vorbei war, konnte sie wenigstens das noch versuchen. Das schuldete sie Sasuke und Naruto. Es war ein sonniger Frühlingstag. Es hätte alles so schön sein können – heute vor einem Jahr war alles noch in bester Ordnung gewesen. Sie wollte nur kurz zum Kiosk an der U-Bahn-Station, um das aktuelle TV-Programm zu holen. Tsunade hatte es gestern verschwitzt. Auch sie war derzeit etwas neben den Schuhen, aus demselben Grund wie sie. Fast wäre ihr der feuerrote Haarschopf nicht aufgefallen. Gleich auf der gegenüberliegenden Seite, an die Parkmauer gelehnt, stand Karin neben ihrem Motorrad und musterte sie. «Prinzesschen!», rief sie Sakura spöttisch zu. «Karin, was machst du denn hier?» Sie konnte ihre Überraschung wirklich nicht verbergen. Karin schenkte ihr abermals einen spöttischen Blick, dabei fielen Sakura die dunklen Ringe unter ihren Augen auf. «Ich muss dir was geben.» Was um alles in der Welt könnte Karin ihr geben wollen? Sakura überquerte eilig die Strasse. Wenn Karin sich dazu durchrang, sie vor ihrem Haus aufzusuchen, dann musste es wichtig sein. «Nur keine Eile, ja?», meinte sie. «So dringend ist es nun auch wieder nicht.» Sakura blieb vor der Taka stehen. «Was ist los?» «Bis auf die Tatsache, dass alles an den Arsch geht? Eigentlich nichts.» Karin drückte aus, was Sakura auch dachte, nur hätte sie es wohl in etwas gewählteren Worten ausgedrückt. Aber sie brachte es auf den Punkt. In ihrer Lage konnte man ja nur noch fluchen. «Ich muss dir was geben.» Anscheinend wollte sie nicht mehr lange um den Brei herumreden. Bevor Sakura sich auch nur fragen konnte, was das sein mochte, hielt ihr Taka-Sniper einen Briefumschlag unter die Nase. Er war nicht in bestem Zustand, sah ziemlich vergriffen aus und vor allem so, als wäre er mehrmals wieder aufgerissen worden. Gerade wollte sie Karin nach mehr Information zu diesem Brief fragen, da fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. «Ist er… von Sasuke?» Karin nickte mit hochgezogener Augenbraue. «Jep. Hat gesagt, ich dürfe ihn nur über meine Leiche aufmachen. Dass er so vergammelt aussieht liegt nicht an mir, Demon muss ihn noch hundertmal aufgerissen haben.» Sakura strich mit den Fingerspitzen über das Papier. Innerlich kämpfte sie gegen den Drang an, ihn sofort aufzureissen. «Würd mich ja schon interessieren, was ihr da für einen Briefwechsel betreibt», meinte Karin und hatte dabei wieder ihren spöttischen Blick im Gesicht. Aber Sakura störte es nicht, sie wirkte nicht mehr wie das Biest, welches sie damals kennengelernt hatte. «Madara hat mir einen Brief von Sasuke gegeben und darin stand, dass ich dir den Umschlag geben soll. Musste mich zuerst durch sein ganzes Chaos wühlen, damit ich ihn überhaupt gefunden habe.» Sakura musste lächeln. Das konnte sie sich bei seinem Ordnungssinn bestens vorstellen. «Danke, dass du das gemacht hast.» «Oh, ich habe das nicht für dich gemacht. Aber ihm einen Wunsch abschlagen werde ich nicht, jetzt, wo er sitzt.» Sie senkte dabei ihre Stimme ein wenig und Sakura wurde bewusst, dass sie sich ja mitten auf der Strasse befanden. Für sie war Vorsicht geboten. «Trotzdem danke», sagte sie und meinte das auch so. Karin war wohl eine der wenigen Auserkorenen, die sein Zimmer betreten durften. Es war sicher nicht so toll für sie, ihr Botschaften von Sasuke zu bringen. Sakura wusste nicht, wie sie Sasuke gegenüber inzwischen empfand, aber glücklich über die Verbindung zwischen ihr und ihm konnte sie kaum sein. «Die werden bald die ganze Stadt nach uns absuchen. So richtig meine ich. Haben sie angekündigt», wechselte Karin das Thema und ihr Blick enthielt auf einmal eine Spur Traurigkeit. «Wir wissen noch nicht, wie es weitergehen soll, aber Pain und Genius beraten sich. Und eine Entscheidung muss bald fallen.» Davon hatte sie nichts gewusst. Aber es war anzunehmen gewesen, dass das früher oder später passieren würde. «Wir sind in einer echt miesen Lage, nicht wahr?», flüsterte sie. Karin nickte. «Und wie.» Schweigen machte sich breit, bis Karin das Wort ergriff. «War echt nett, was du vorgestern im Fernsehen gesagt hast. Uns hat es auch gefreut.» Sakura hob überrascht den Kopf. «Ihr habt es gesehen?» Sie nickte. «Auch wenn du mir das nicht glaubst, ich bin auch mit Leib und Seele eine der Unsrigen», meinte Sakura darauf hin. «Daran zweifle ich nicht mehr», antwortete Karin und wenn sich Sakura nicht täuschte war in ihren Augen ein Anflug von Freundlichkeit zu sehen. «Wie auch immer, ich muss los. Viel Spass beim Lesen.» Damit schwang sie sich auf ihr Motorrad, nickte ihr noch einmal zu und brauste davon. Und Sakura? Sakura machte rechtsumkehrt und verschwand wieder im Wohnblock. Das TV-Programm konnte warten. Sasuke nicht. Das Briefpapier war kariert und hatte einige Bleistiftflecken drauf, die beim Schreiben entstanden waren. Seine Schrift war nicht die einfachste zu lesen, aber das machte ihr nichts aus. Es war voll und ganz ein Brief von ihm.   Hey Sakura Du weisst, ich bin nicht wahnsinnig gut in diesen Sachen. Tut mir leid. Aber ich gebe mir echt Mühe. Ich habe dir nie wirklich gesagt, wie das bei mir abgelaufen ist. Vor fast einem Jahr an der Strassenparty. Ich war kurz davor, diesem dämlichen DJ den Hals umzudrehen. Es wäre ein Leichtes gewesen, ihm klarzumachen, dass ich sicher nicht zu seiner Unterhaltung das Tanzbein schwingen werde. Gott sei Dank habe ich ein paar wirkliche Idioten in meiner Gang, die daraus so eine Art Herausforderung gemacht haben. Sie mussten mir danach einen Monat lang mein Bier bezahlen (eigentlich wollte ich das nicht schreiben, aber ich bin ehrlich). Das Bier ist es übrigens nicht wert gewesen. Aber du. Du hattest etwas Süsses, Verlorenes, wie du da so auf dieser Bühne gestanden hast. Wenigstens jemand, der das genauso bekloppt findet, wie ich, habe ich mir gedacht. Ich war echt überrascht, dass ich mich an diese Schritte noch erinnert habe. Sag es niemandem, aber es hat mir Spass gemacht. Und du warst eine tolle Partnerin. An dem Abend habe ich eigentlich nicht damit gerechnet, dich irgendwann wiederzusehen. Jedoch haben mich meine Leute schnell darüber informiert, dass du aus dem anderen Lager kommst. Das hatte ich nicht erwartet, dachte mir aber nicht mehr viel dabei. Bis du dann bei der BZ unter meinem Messer lagst. Was soll ich sagen, für mich gab es da nichts zu entscheiden. In meinen Augen gehörtest du gar nicht auf dieses Feld. Nur damit du es weisst, ich habe nicht eine Sekunde lang mit dem Gedanken gespielt, dieses Messer an dir zu benutzen. Dann bin ich aufgestanden und gegangen. Du hattest diese Panik in den Augen, diese Todesangst. Ich konnte in dieser Nacht nicht schlafen, weil ich diesen Blick nicht aus dem Kopf bekam. Dich mit deinen Einkaufstaschen umzurennen war purer Zufall. Ein Zufall, um den ich sehr froh war. Sonst wäre ich die Gewissensbisse nie losgeworden. Und ich hatte bis dahin selten bis nie Gewissensbisse, das musst du wissen. Ich wusste nicht genau, wie ich zu dir stand. Zu dem Zeitpunkt war ich vor allem froh, dass du nicht vollkommen traumatisiert von dem Erlebnis bei der BZ warst. Für mich hat der Abend bei der DDM, besonders der Vorfall mit Redhead vieles verändert. Ich weiss nicht, warum ich dich mit zur Möbelfabrik genommen habe. Es war immer nur der Ort von Itachi und mir gewesen. Aber bei dir habe ich mir keine Sorgen gemacht, dass du dieses Wissen gegen mich verwenden würdest. Es tat mir leid, dass dir in dieser Nacht schon wieder so etwas widerfahren ist. Es hat mich nie gestört, was andere von den Takas halten, bei dir war es mir aber wichtig. Und wir glänzten zu dieser Zeit nicht gerade mit sauberem Verhalten. Wie auch immer, es hat mir nichts ausgemacht, dir in der Möbelfabrik ein wenig von mir zu erzählen, geschweige denn, dir diesen Ort überhaupt zu zeigen. Solche Sachen mache ich sonst nie. Aber du hast mir von Anfang an ein gutes Gefühl gegeben, auch wenn du das vielleicht nicht gemerkt hast. Und so ging es weiter. Jedes Mal, wenn ich mit dir zusammen war, fühlte ich mich gut. Du strahlst etwas Besonderes aus. Ich hatte noch nie jemanden wie dich getroffen, du kamst nicht aus meiner Welt, auch wenn du zu einer Gang gehörtest. Du bist warmherzig und urteilst nicht vorschnell. Du bist so rein und sanft. Und auf der anderen Seite kannst du auch voller Energie sein. Wenn du mich fragst, könntest du die Welt verbessern. Du hast die Gabe, Menschen zu nehmen wie sie sind und sie richtig anzupacken. Nimm mich als Beispiel. In deiner Gegenwart ist meine Abwehr gebrochen, ob ich nun will oder nicht. Selbst in den schwierigsten Zeiten, konntest du immer zu mir durchdringen. Tja, von da an habe ich jedes Mädchen mit dir verglichen. In Clubs, auf der Strasse, aber auch bei den Takas. Keine war wie du. Ich kannte dieses Gefühl nicht. Für mich gab es immer nur eine Art von Mädchen. Und du hast da nicht reingepasst. Anfänglich habe ich versucht, mich dagegen zu wehren. Wie du vielleicht schon erraten hast: Es hat nicht geklappt. Ein Glück. Früher oder später, das wusste ich, würden wir mit den Gangs in Konflikt geraten. Ist geschehen, jedoch hat das für mich nichts geändert. Mich hat es weniger mitgenommen als dich. Ich habe mich deswegen immer schuldig gefühlt. Ich dachte, dass irgendwann Lebewohl zu mir sagen würdest, aber das hast du nicht. Mir wurde bewusst, wie stark du doch bist, trotz deiner sanften Feinfühligkeit. Irgendwie haben wir es bis heute geschafft. Wir hatten viele Höhen und Tiefen, wobei ich hauptsächlich für die Tiefen verantwortlich bin. Das tut mir leid. Und als ich dich damals sogar körperlich verletzt habe, war ich mir sicher, dass nun alles vorbei ist. Du warst immer bei mir, in all den harten Zeiten und ich hatte den Nerv, dir das anzutun. Es gibt dafür keine Rechtfertigung. Alles was ich sagen kann ist, dass ich es unendlich bereue. Manchmal verliere ich die Kontrolle über mich und es ist meine grösste Angst, dass mir das wieder passieren wird und du dabei verletzt wirst. Trotzdem hast du mich nach Oto belgleitet. Es war ein weiteres Zeichen deiner grenzenlosen Gutmütigkeit. Ob du es glaubst oder nicht, Oto hat meine Sichtweise auf alles enorm verändert. Teilweise hat es mich sogar inspiriert. Und dass du dabei warst, war das Beste daran - dich wiederzufinden war das Beste daran. Ich bin dir unendlich dankbar dafür, dass du mir erneut eine Chance gegeben hast. Ich hoffe, dass du es nie bereuen wirst. Hinter diesem Schulgebäude von Oto war ich mir ziemlich sicher, wirklich das gefunden zu haben, was man «Liebe» nennt. Damals vor etwas mehr als einem halben Jahr hätte ich mir das nicht im Geringsten vorstellen können. Und jetzt wünsche ich mir, du wärst mir schon viel früher über den Weg gelaufen. Und jetzt sind wir hier gemeinsam in Konoha. Wir haben in diesem knappen Jahr mehr erlebt als andere in zehn und ich möchte dir dafür danken. Für jeden Moment, indem du mich nicht aufgegeben hast, obwohl es so einiges zum Aufgeben gegeben hätte. Für eine Nacht lang mühsames Essigsocken wechseln (man hat mir das alles sehr genau berichtet). Dafür, dass du mir bei der DD-Area waghalsig das Leben gerettet hast als ich schon nicht mehr daran geglaubt habe. Für einen eiskalten Heiligabend auf dem Friedhof, in der ich nicht im Traum daran gedacht hätte, dass du auftauchen würdest, ich aber so froh gewesen bin, dass du da warst. Für den Glühwein. Für deine Anwesenheit im HQ. Für die Silvesternacht auf dem Dach. Für die Reise nach Oto, die du trotz allem angetreten hast. Für jede gemeinsame Motorradfahrt. Für deine unendliche Geduld, die vielen Male, in denen du mir verziehen hast. Ich könnte noch so viel mehr aufzählen. Vielleicht fasse ich es am besten zusammen: Danke, dass du bei mir bist, obwohl ich so unglaublich kompliziert, verkorkst und armselig bin. Du bist das Beste, was mir in vielen Jahren passiert ist. Ich habe mich durch dich verändert, zum Positiven, und ich wünsche mir, dass du mich weiter veränderst, bis ich jemand bin, der dich verdient hat. Du bist der erste Mensch, der mich wirklich verändern kann und von dem ich mich verändern lassen will. Du bist intelligent, liebevoll, gutherzig, sanft, aber auch lustig und süss. Manchmal rennt dein Herz dir voraus, sodass es ein wenig gefährlich wird, aber dazu bin ja ich da. Ich passe auf dich auf. Und du bist schön, auch wenn du mir das nicht glauben willst. Du siehst an dir so viele Dinge, die dir nicht gefallen. Lass mich Folgendes sagen: Ich mag deine Nase, deine Haare, deine Augen, deine Zähne, deine Figur, deine Stirn. Alles an dir passt so wie es ist. Ich würde es auf keinen Fall anders wollen. Du kannst es äusserlich locker mit jeder anderen aufnehmen, das garantiere ich dir. Für mich wärst du immer die Siegerin. Aber weisst du, was ich noch viel wichtiger finde? Innerlich wird dir nie jemand das Wasser reichen können. Nie im Leben. Ich mag übrigens auch die Dinge an dir, die du als Macken bezeichnest. Du bist nicht naiv, sondern gutgläubig. Du erwartest von anderen dasselbe Vertrauen, dass du ihnen entgegenbringst. Du bist auch keine Heulsuse, sondern sensibel und einfühlsam. Du bist auch nicht tollpatschig, sondern süss. Es gibt noch einen ganzen Haufen Dinge zu schreiben. Aber ganz ehrlich, dann würde dieser Brief niemals ein Ende finden und du würdest vor lauter Langeweile über dieses Gesülze aufhören zu lesen. Deshalb: Beantwortet dieser Brief deine Frage? Ich hoffe es. Ansonsten weisst du, wo du nachfragen musst. Ganz zum Schluss: Es werden wahrscheinlich noch viele schlimme Sachen passieren. Erinnerst du dich an mein Versprechen von damals? Ich werde da sein, wenn es soweit ist und du Hilfe brauchst. Wir kriegen das hin. Ich bin sonst kein übermässiger Optimist, aber für dich tue ich das gerne. Egal was passiert, verlier nicht deinen Kopf. Du brauchst ihn und auch wenn das egoistisch klingen mag, ich brauche ihn auch. Ich liebe dich, Sakura. S. Eine Träne tropfte auf den Brief uns saugte sich langsam in die Fasern des Papiers. Ihr Herz raste, aber auf eine schmerzhafte Weise. Ein warmes Gefühl breitete sich in ihrer Brust aus und kämpfte gegen die Eiseskälte, welche ihr Verstand aussandte. Ich liebe dich auch, dachte sie. Warum bist du weg? Wunderschöne Worte. Einfach wunderschön. Mit so viel Liebe und Gefühl verfasst. Womit hatte sie das verdient? Ihr Herz wollte sich nicht mehr beruhigen. Sie lehnte sich gegen die Wohnungstür, sank auf den Dielenboden und liess ihren Gefühlen freien Lauf. Sie schluchzte. Aus einer Mischung von Glück und purer Verzweiflung. Diesen Brief würde sie bis in alle Ewigkeiten aufbewahren. Sie war sich sicher: Er war ihre Zukunft. Sie hätten gemeinsam irgendeinen Weg gefunden, zu leben und zufrieden zu sein. Und jetzt? Sie würde auf ihn warten müssen. Bis sie vierzig waren. Aber das war er ihr wert. Es würde hart werden, wahrscheinlich würde es sie sogar an ihre seelischen Grenzen bringen. Wenn es schon für sie schrecklich war, dann würde es für ihn doppelt und dreifach so schwer werden. Ehrlich gesagt wusste sie nicht, wie sie das überleben sollten. Und wie Naruto das überleben sollte. Sie konnte nicht mehr als sich immer wieder den einen Satz in den Kopf zu hämmern: Du weisst deinen Weg. Sei nicht feige und gehe ihn gefälligst! Ihre geballten Emotionen halfen ihr nicht wirklich dabei, ihr Leben wieder in einem besseren Licht zu sehen. Die nächsten Tage zogen sich endlos dahin und waren gekennzeichnet von zermürbenden Gedanken an all die Dinge, die sei verloren hatten. Die Frage nach dem Warum. Tsunades sorgenvolles Gesicht konnte sie kaum ertragen, fühlte sie sich doch jedes Mal wie ein kleines, schwaches Mädchen. Dabei war es nicht sie, die im Gefängnis sitzen musste. Im HQ war sie selten. Und deshalb überraschte es sie ungemein, als plötzlich Shikamarus Name auf dem Display ihres Handys aufleuchtete, während sie unter ihrer Bettdecke lag und sich vor der Welt versteckte. «Hm?» «Hey, Sakura.» «Hey.» «Wie sieht es bei dir aus?» «Nicht besser als bei euch.» «Habe ich mir gedacht.» Er klang genauso müde und niedergeschlagen, wie sie auch. «Hör zu, von jetzt an solltest du nicht mehr ins HQ kommen. Dort wird niemand zu finden sein.» Beinahe hätte sie das Handy fallen gelassen. «Was soll das heissen, Shika?» Er schien sofort zu bemerken, dass sie seine Worte dramatischer aufgefasst hatte, als es beabsichtig gewesen war. «Keine Sorge, es ist alles in Ordnung. Aber wie du weisst sind die Cops derzeit unterwegs und suchen nach jedem Indiz, dass sie in die HQs führt. Und wenn sie uns finden wollen, dann finden sie uns. Deshalb haben Pain und ich etwas beschlossen.» Sakura ahnte, was kam. «Wir werden bis auf weiteres die HQs verlassen. Wenn wir nicht ständig ein- und ausgehen und jedes Lebenszeichen von der Fabrik entfernen, dann können wir vielleicht irgendwann zurückkehren. Aber im Moment ist es einfach zu gefährlich.» «Unser HQ…», flüsterte Sakura. Das zu Hause der Kuramas. So sehr es auch schmerzte, wusste sie, dass es die einzig richtige Entscheidung war. «Ich weiss. Uns fällt das ja auch nicht leicht.» «Und wo kommt ihr unter?» Das HQ war das einzige Heim, für viele Kuramas und dasselbe galt für die Takas und ihr HQ. «Tema und Gaara nehmen Tenten bei Chiyo auf. Kiba, Sai, Shino, Choji, Lee und ich können fürs erste im Toad’s bleiben. Das wird auf Dauer nicht gehen, aber wir werden schon was finden.» «Sonst kann auch noch jemand bei uns…» «Nein, Sakura. Ich will das Tsuna nicht zumuten. Sie ist in letzter Zeit noch gehetzter. Und wenn sie dann vielleicht Ärger mit dem Vermieter kriegt…» Er hatte vollkommen Recht, aber Sakura wünschte sich, sie hätte etwas tun können. «Und die Takas?» «Die werden sich auch organisieren. Sie werden wahrscheinlich sogar für eine Weile die Stadt verlassen.» So weit war es also gekommen. Verstecken mussten sie sich, wie geschlagene Hunde. «Okay. Danke für die Info.» «Eine Bitte hätte ich allerdings. Wir haben einige Einrichtungsgegenstände, Flaggen und so, die wir irgendwo verstauen müssen. Ihr habt doch ein Kellerabteil in eurem Block, könnten wir die Sachen dort deponieren? Sind nur etwas drei Kartons, keine grossen.» Sakura willigte sofort ein. «Natürlich. Dort unten haben wir sowieso nicht viele Sachen gelagert.» «Super. Danke, Sakura. Können wir morgen vorbeikommen?» «Klar, ich bin zu Hause.» «Gut.» Eine Weile war es still in der Leitung. Sakura standen die Tränen wieder einmal zu Vorderst. «Shika, ich wollte euch noch was sagen.» «Ja?» «Ich bin morgen Abend im Fernsehen.» Sie musste durch ihren Tränenschleier leise lachen, weil das so absurd klang. «Was?» Er verstand natürlich nicht. «Talkshow. Schaltet einfach um acht KCTV ein, okay? Und seid nicht zu böse, wenn ich es verpatze.» Er schien immer noch nicht zu verstehen, sagte aber trotzdem: «Versprochen.» Nachdem sie das Gespräch beendet hatten, liess sich Sakura wieder rücklings aufs Bett fallen. Alles, aber wirklich alles ging den Bach runter, ohne dass sie auch nur die geringste Kontrolle darüber hatten.   Draussen auf dem Sportplatz spielten einige der Insassen Basketball. Er hatte noch nicht mit vielen von ihnen gesprochen. Beim Mittagessen sassen sie an ihrem zugewiesenen Platz, dort kam man zeitweise ins Gespräch. Er selbst hatte zwar keine besondere Lust, auch nur mit irgendwem in diesem Loch etwas näher zu tun zu haben, aber ihm war klar, dass es förderlich für die kommenden Jahre sein würde. Immerhin war das hier sein neues Leben. Interessant war, dass er mit Big Fox so eine Art stillschweigenden Pakt abgeschlossen hatte. Sie liessen einander weitgehend in Ruhe, rauchten in den Pausen zusammen und bewältigten so ziemlich alle Tätigkeiten zusammen. Er wusste nicht, was sich diese Gefängnistypen dabei gedacht hatten, ihn und den Kurama-Leader in eine Doppelzelle zu verfrachten. Von aussen gesehen war es kein besonders nachvollziehbarer Entscheid. Aber er war eigentlich ganz froh darüber, denn mit Big Fox musste er nicht reden – sie wussten bestens, wie sie zueinanderstanden. Big Fox hatte heute beschlossen, mit den anderen Basketball zu spielen. Er hatte diesen wahnsinnigen Bewegungsdrang, nachts in der Zelle ging er manchmal einfach auf und ab, unermüdlich. War schon immer voller Energie gewesen, der Typ. Er selbst sass auf einem der Bänke und rauchte. Es war später Nachmittag und über der Betonmauer mit Stacheldraht neigte sich die Sonne bereits dem Westen zu. Es war erstaunlich warm, der Frühling war endgültig in Konoha angekommen. Es wäre schon fast angenehm gewesen, wenn ihm die Mauer nicht die Sicht auf die Stadt versperrt hätte. Jetzt, in diesem Moment könnte er überall sein; in der Autowerkstatt, in der Möbelfabrik, bei seinen Leuten im HQ. Bei Sakura. Aber er war verdammt, bis er sein halbes Leben durch hatte hier zu bleiben. Wie hielten das andere aus? Es gab solche, die noch länger sitzen mussten und einige, die ihren Lebensabend hier verbringen würden. Die Vorstellung daran sollte ihm eigentlich aufzeigen, wie gut er noch davonkam. Was genau war eigentlich schiefgelaufen, dass er jetzt hier sass? Grundsätzlich gab es genug Gründe, ihn einzubuchten, das war ihm schon klar. Er war kriminell. So wie die Gangs nun mal kriminell waren. Aber hatte er jemals jemanden verletzt, der ihn nicht auch verletzen wollte? Hatte er jemals etwas anderes getan, als gegen Leute zu kämpfen, die ihn selber auch tot sehen wollten? Nein. Er hatte nie jemanden Unschuldiges angegriffen oder verletzt. Oder? Leider fiel ihm dazu etwas ein. Etwas, das er bis heute nicht wirklich wahrhaben wollte. Er hatte Sakura nie erzählt, wie er inzwischen dazu stand. Sie hatte ihn damals noch gewarnt. Bevor er den Abzug gedrückt und das Leben dieses einen Riots beendet hatte. Der Riot, der Itachi auf dem Gewissen hatte. Sakura hatte ihn gewarnt. Sie hatte schon damals gewusst, dass es falsch war. Mit dieser Tat hatte er sich endgültig zum Mörder gemacht. Freiwillig. Er hatte jemanden umgelegt, der hilflos war und ihn angefleht hatte, es nicht zu tun. Nach wie vor hasste er diesen Riot mehr als alles andere. Wäre er nicht gewesen, wäre alles anders gekommen. Aber er erinnerte sich an Sakuras Blick. An diese pure Verzweiflung und dann vor allem an den Schock in ihren Augen. Sie hatte es nicht glauben könnten. Damals hatte er in seiner ganzen Trance nichts mehr davon realisiert. Aber jetzt, wenn er an diesen Blick zurückdachte, wusste er, dass er ein Monster war. Und dafür verdiente er den Knast. Sakura hatte ihm wieder und wieder verziehen und er war ihr unendlich dankbar dafür. Aber das Wissen, ihr das angetan zu haben, war schwer zu ertragen. Sie war nur wenige Meter vor dem Riot entfernt gewesen. Er wusste, dass sogar etwas vom Blut des Riots auf ihren Pullover gelandet war. Nur wenig. Er hatte ihr dieses Bild in den Kopf eingebrannt, etwas, das sie nie vergessen würde. Aus purem, rachsüchtigem Egoismus hatte er ihr das angetan. Manchmal konnte er sich nicht kontrollieren, das hatte sie gemerkt, trotzdem war sie immer wieder zu ihm zurückgekommen. Es gab Zeiten, da beschlich ihn dieser dunkle Gedanke. Ein Gedanke, der ihn wahnsinnig machte.   Es ist besser, dass du hier hinter Gittern bist, denn du bist gefährlich. Du bist unberechenbar und am Ende würdest du ihr und allen anderen nur schaden. Wenn Itachi noch leben würde, sähe jetzt alles anders aus. Du hast versagt. In solchen Momenten kramte er ins einer Hosentasche und zog das Papier mit dem herbstlichen Hintergrund hervor, welches von dem vielen Herumtragen inzwischen etwas zerknittert war. Aber er brauchte diese Worte immer bei sich, denn sie gaben ihm das Gefühl, nicht ganz so ein schlechter Mensch zu sein, wie er dachte. Den Brief hatten sie ihm gelassen und in der U-Haft hatte er ihn sicher hundertmal durchgelesen. Zu dieser Zeit in Einzelhaft hatte ihn dieses Blatt Papier mit ihren wunderbaren Worten davor bewahrt, nicht komplett wahnsinnig zu werden. Und jetzt, wenn er ihn zum zigsten Mal durchlas, hatte er nicht das kleinste bisschen seiner Wirkung verloren. Jedes Mal sah er sie vor sich, wie sie in ihrem weissen Zimmer am Schreibtisch sass und an ihrem Stift kaute, während sie fieberhaft überlegte, ob sie nun wirklich alles geschrieben hatte, was sie hatte schreiben wollen. Er wusste ganz ehrlich nicht, was er ohne sie machen würde. Und vor allem, womit der jemanden wie sie überhaupt verdient hatte. Es war tröstlich zu wissen, dass er diesen Brief in den kommenden Jahren immer wieder durchlesen konnte. Egal, was Sakura in ihrem Leben machen würde. Er hoffte so sehr, dass sie sich nicht runterziehen liess. Vielleicht wollte sie ja heiraten, eine Familie gründen. Sie wäre eine wunderbare Mutter. So sehr es ihm wehtat, er wünschte sich, dass sie ihr Leben weiterlebte, ohne ihn. Sakura konnte alles erreichen, was sie wollte. Er würde ihr dabei auf keinen Fall im Weg stehen. Vielleicht ergab sich irgendwann die Gelegenheit, dass sie ihn besuchen kommen würde. Dann konnte er ihr vielleicht auf Wiedersehen sagen und ihr danken. Egal, wie es kam, ihre Worte würde er für immer bei sich tragen. Sie zu treffen war das absolut Beste, was ihm in den letzten Jahren passiert war. Sie hinterliess tiefe Spuren in seinem Leben. Die Erinnerung an sie würde er wie einen Schatz hüten. Er begutachtete die glimmende Zigarette in seiner Hand, bevor er sie auf den Boden warf und zertrat. Rauchen ist ungesund.   Sakura hatten den KCTV-Komplex schon öfters von aussen gesehen. Es war ein hoher Betonblock, an die fünfzehn Stockwerke und bestand zu einem grossen Teil aus Glas, welches das Licht der abendlichen Maisonne reflektierte. Durch die grosse automatische Glastür gelangten sie in das geräumige Foyer. In den Lounges sassen einige Leute im Gespräch, am Empfang stellte sie sich hinter zwei Herren an, dabei musterte sie die Plakate an den Wänden, welche für TV-Shows warben oder irgendwelche berühmten Moderatoren des Senders zeigten. Haruka Ichinose konnte sie darauf nirgendwo entdecken, aber genau das machte sie Sakura sympathisch. Soviel sie wusste, war sie noch nicht allzu lange beim Sender. Die Herren vor ihr gingen ihres Weges und sie trat einen Schritt nach vorne. Eine adrett gekleidete junge Frau mit hübscher Föhnfrisur schenkte ihr ein freundliches Lächeln als sie ihr Anliegen vorbrachte. «Nehmen Sie den Lift hinten rechts.» Sie wies mit der Hand in einen Seitengang des Foyers. «Der Nachrichtendienst befindet sich in den Stockwerken 4 bis 7, Sie müssen ins fünfte. Ich werde gleich nach oben telefonieren und Ihre Ankunft anmelden, Miss Haruno.» «Herzlichen Dank.» Sie verabschiedete sich von der Frau und tat wie geheissen. Das Gebäude hatte tatsächlich fünf Lifte, bei der Anzahl an Stockwerken war das aber nicht weiter verwunderlich. In ihr stieg langsam aber sich die Nervosität auf, als sich der Lift in Bewegung setzte. 3, 4, 5. Ein Signalton verriet ihr, dass sie am Ziel abgekommen war. Vor ihr öffneten sich die Türen und sie trat in einen breiten Gang hinaus. An ihr gingen geschäftig Leute vorbei und Sakura wusste im ersten Moment nicht, ob sie wirklich am richtigen Ort gelandet war. «Miss Haruno!» Dankbar, ihren Namen zu hören, drehte sie sich um und entdeckte Haruka Ichinose, bereits fixfertig gestylt für ihren Auftritt. «Schön, dass Sie es einrichten konnten», meinte Miss Ichinose und schüttelte ihr freudig die Hand. «Danke, dass Sie mich eingeladen haben. Ich hoffe, ich werde Sie nicht enttäuschen.» Sie winkte ab. «Wenn Sie heute ehrlich Ihren Standpunkt vertreten, dann können Sie gar nichts falsch machen. Dafür hole ich auch gerne Leute in die Sendung, die keine Kameraerfahrung haben oder routinemässig vor Publikum sprechen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, dann können wir uns gerne duzen. Ich bin Haruka.» «Sakura, freut mich.» «Die Freude ist ganz meinerseits. Komm mit, Sakura, jetzt machen wir dich bereit.» Sie folgte Haruka durch die Gänge, einmal links, einmal rechts. Das Getummel an Leuten legte sich je weiter sie sich vom Hauptgang entfernten. Diese Ecken des Gebäudes hatten keine Fenster, vermutlich waren sie nun im Studiobereich angelangt. Bald öffnete Haruka eine Tür und wies Sakura an, einzutreten. Der Raum war mit mehreren Tischen mit Spiegeln ausgestattet, eine Frau mittleren Alters klappte gerade einen Schminkkoffer aus. «Sakura, das ist Kazumi. Sie wird dich etwas schminken, damit es für das Licht im Studio passt. Wenn du Wünsche zum Make-Up hast, dann sag es ruhig. Deine Kleider sind übrigens perfekt.» Haruka hatte ihr am Telefon mittgeteilt, wie sie in etwa angezogen sein sollte. Sakura hatte sich für ganz normale Kleider entschieden, eine weisse Bluse, blaue Jeans und eine hellgraue Strickjacke. «Dann bin ich froh.» Sie schüttelte Kazumi die Hand, diese wies ihr einen Platz zu. «Bist du nervös?», fragte Haruka, als Sakura sich setzte. «Und wie. Ich weiss wirklich nicht, ob ich das kann. Ich habe das noch nie in meinem Leben gemacht.» Haruka lächelte ihr aufmunternd zu. «Keine Sorge, ich werde dir helfen. Ich glaube, dass wir da eine sehr spannende Diskussion vor uns haben. Sag einfach das, was du sagen willst, so wie du es fühlst. Niemand erwartet von dir mehr, okay?» «Okay, danke.» Das half Sakura schon ein wenig. Aber der Gedanke, dass ihr die halbe, wenn nicht die ganze Stadt dabei zusehen würde, wie sie im Fernsehen ihre Meinung vertrat, war schon beunruhigend. Kazumi machte sich an ihrem Gesicht zu schaffen, auf Anfrage steckte sie auch Sakuras Haare hoch. Himmel, sie war froh bekam sie die Gelegenheit, professionell zurechtgemacht zu werden, sie konnte ihr eigenes Aussehen nicht leiden. Und ihre Haare warne viel zu dünn, als dass sie ohne Behandlung anständig aussehen würden. Während Kazumi sie zurechtmachte, unterhielt sie sich noch einen Moment mit Haruka. Diese bereitete sie darauf vor, dass viele negative Sachen über die Gangs gesagt werden würden. Es war keine einfache Angelegenheit. Die anderen Anwesenden waren ein Soziologe, die ausgeraubte Tankstellenshop-Besitzerin und Vertreter des Polizeidepartements. Sie würden sich nachher kennenlernen. «Und als was gehe ich durch?», fragte Sakura. «Als jemand, der mit einigen Gangmitgliedern befreundet ist. Ist das okay für dich?» Sakura nickte. Das machte Sinn. «Gut. Vertrau mir, Sakura. Ich habe das Gefühl, dass du möchtest, dass noch viel mehr Menschen deinen Standpunkt kennen. Korrigier mich bitte, wenn ich falsch liege.» «Nein, da hast du schon recht.» Kazumi beendete ihre Arbeit und Sakura sah sich im Spiegel an. Das war schon besser. «Danke, Kazumi, das sieht toll aus», sagte Sakura und Kazumi lächelte. «Dann bin ich froh.» «Gutes Timing, denn wir müssen. Besten Dank, Kazu!» «Immer wieder gern, Haru!» Haruka wies Sakura zum Mitkommen. Jetzt wurde es ernst. «Darf ich dich was fragen, Sakura?», begann Haruka, als sie nebeneinander hergingen. «Natürlich.» «Kennst du die Gang-Leader, die jetzt inhaftiert sind?» Kurz überlegte Sakura, ob sie sich mit dieser Information in Gefahr begab, aber sie kam zum Schluss, dass dem nicht so war. Man konnte niemanden aufgrund einer Freundschaft verhaften. «Ja. Ziemlich gut sogar. Und sie sind die letzten, die man wegsperren sollte. Da gibt es einen Haufen Kriminelle, die tatsächlich ins Gefängnis gehören, denen man aber wegen der Gang-Debatte kaum Beachtung schenkt.» Haruka schmunzelte. «Das habe ich mir schon gedacht. Und das ist übrigens ein guter Punkt, den du da hast.» Sie erreichten eine Tür mit zwei Flügeln, dahinter lag der Raum, den sie schon so oft im Fernsehen gesehen hatte. Es waren fünf cremefarbene Sessel vor dunklem Hintergrund, zwischen den Sesseln standen kleine Tischchen mit einem Glas Wasser für jede Person darauf. Die Kameras waren bereit, die Beleuchtung machte Sakura schon wieder eine Heidenangst. Viele Augen würden auf sie gerichtet sein. Es wurde zwar nicht live übertragen, aber man hatte ihr schon gesagt, dass nicht mehr viel geschnitten wird. Die Sendung wurde nur wenig zeitversetzt ausgestrahlt, damit noch allfällige Korrekturen gemacht werden konnten. Vor diesem Kreis aus Sesseln standen bereits drei Leute in ein Gespräch vertieft. Die Frau musste die Tankstellenbesitzerin sein. Sakura schätzte sie Mitte vierzig und schon von weitem wurde sie aus ihrem Gesicht nicht schlau. Vordergründig lächelte sie freundlich, aber irgendwie wirkte es nicht so echt. Der eine Mann sah sehr freundlich und offen aus, der andere sehr entschlossen, aber auch freundlich. Sie waren jedoch alles über ihre Dreissiger hinaus. Konnte sie da mithalten? Jetzt war es zu spät, um sich noch solche Fragen zu stellen.   Gespräch mit der neuen Sozialtante. Sie wollte wieder einmal wissen, wie er sich fühlte. Was erwartete die gute Frau eigentlich für eine Antwort? Ich fühle mich wunderbar im Knast. Endlich bin ich meiner Bestimmung zugeführt worden. Seit er hier war hatte er zweimal wöchentlich eine Sitzung mit dieser Frau, die vermutlich keine Ahnung davon hatte, wie es war, einmal auf der Verliererseite zu stehen. Hatte irgendeinen hohen Abschluss und denkt jetzt, sie verstehe die Welt. Die Frau war seiner Schätzung nach in ihren späten Zwanzigern. Welche Ratschläge konnte die ihm den bitte geben? «Mr. Uchiha, wie haben Sie sich an die neue Alltagsstruktur gewöhnt?» Wie sie sich ausdrückte. Das war einfach nur nervig. «Woran soll man sich gewöhnen? Man pennt, isst, arbeitet und pennt wieder. Alles wie vorher, nur das Mauern drum rum sind.» Die Sozialarbeiterin legte den Kopf schief. Sie war neu, denn bis anhin hatte er seine Gespräche mit einer anderen gehabt, die sich definitiv den falschen Arbeitsort ausgesucht hatte. Andauernd war sie sauer geworden, weil er ihr keine brauchbaren Antworten geliefert hatte. Die hier fuhr auf der genau gleichen Schiene, da war er sich sicher. Vorhin hatte sie sich ihm als Naomi Ito vorgestellt. Sie musste lachen. «Sie fassen das sehr gut zusammen. Und für Sie ändern diese Mauern gar nichts?» Sasuke war kein Mensch der ausgeprägten Mimik, aber hier musste er sich Mühe geben, nicht die Augen zu verdrehen. Als er ihren Blick sah, verstand er. Sie glaubte ihm kein Wort. Nicht ein einziges. «Die Antwort können Sie sich selber geben», brummte er und wandte sich an die Frau. «Ganz im Ernst, was mache ich überhaupt hier mit Ihnen? Ich brauche keine Therapie.» Die Frau schmunzelte. «Mr. Uchiha, das ist bestimmt keine Therapie. Es geht darum, dass Sie eine Ansprechperson haben. Das hier ist keine leichte Situation, ob Sie es nun zugeben wollen oder nicht. Ich habe den Auftrag zu beobachten, wie Sie mit dieser Belastung umgehen und Ihnen zu helfen, wenn Sie Hilfe brauchen. «Ich brauche keine Hilfe, danke. Wie Sie sehen komme ich mit dieser ‘Belastung’ zurecht, das können Sie ihren Vorgesetzten mitteilen.» Die andere Tante wäre längst an die Decke gegangen. Die hatte null Nerven gehabt und es war einfach gewesen, sie loszuwerden. Diese hier schien ein härterer Brocken zu sein. Aber nicht unbezwingbar. Sein Ziel war es, in Ruhe gelassen zu werden und fertig. Mehr wollte er gar nicht. «Wohin ist eigentlich die andere verschwunden?» «Meine Vorgängerin?» Er nickte. «Sie hat darum gebeten, dass jemand anderes bei Ihnen übernimmt. Ihnen ist bestimmt aufgefallen, dass die Gespräche nicht sonderlich gut verlaufen sind. Sie hat einige schlechte Erfahrungen mit Gangs gemacht und sie hat mir die Erlaubnis gegeben, Ihnen das mitzuteilen. Ihr Sohn wurde von Gangs überfallen und sie meinte, dass sie bei Ihnen nicht mehr objektiv bleiben könne.» Plötzlich hatte die Frau Sasukes Aufmerksamkeit. «Wann?» «Vor einem Monat etwa.» «Okay.» Die Riots. Es war keiner seiner Outers gewesen. Er hätte ihnen die Hölle heissgemacht, wenn es so gewesen wäre. Auf eine sehr schräge Art und Weise konnte er das Verhalten der anderen Sozialarbeiterin nun nachvollziehen. War vermutlich die beste Entscheidung gewesen, eine andere bei ihm antraben zu lassen. «Es schein, als würde Sie das Thema sehr treffen», stellte Miss Ito fest. «Tja, es macht mich sauer. Wir waren das nicht. Das sind die anderen, die immer noch frei herumrennen und machen, was sie wollen.» Er war versucht, Miss Ito zu berichten, dass die Drecksäcke mit der Polizei kooperiert hatten, aber er konnte sich noch zügeln. Die Frau war auch Teil des feindlichen Systems. Da konnte er keine solchen Sachen sagen. Miss Ito nickte interessiert. «Erzählen Sie mir etwas von sich, Mr. Uchiha.» «Da gibt’s nichts zu erzählen.» «Ich bin sicher, dass sie sich da irren. Wo sind sie geboren?» «Otogakure.» «Kenne ich nur vage. Ein eher kleines Dorf nicht wahr?» Er nickte. «Sind Sie auch dort aufgewachsen?» «Teils.» «Was bedeutet das?» «Ein bisschen dort, ein bisschen in Iwagakure und den Rest in dem Loch hier.» «Ich habe gelesen, dass Sie nach dem Tod deiner Eltern eine Zeit in einem Kinderheim gelebt haben. Was das in Iwagakure?» Er nickte. Natürlich, er hatte bei seiner Ankunft hier zu seinen Eckdaten Rede und Antwort stehen müssen und sie bekam Einsicht in seine Akte. Viel würde er ihr nicht vorenthalten können. «Das muss eine schlimme Zeit gewesen sein», sagte sie und klang dabei nicht so möchtegern-einfühlsam wie erwartet. Nein, sie wirkte irgendwie echt. «Und wie lief das hier in Konoha?» «Wie meinen Sie das?» «Wie sind Sie in die Gang gekommen?» «Mein Bruder und ich sind hierhergekommen und drin waren wir. Mehr sage ich dazu nicht.» «Wer war der Mann, der Sie vor einer Woche besucht hat?» «Mein Onkel.» «Warum seid ihr zur Gang gegangen und nicht zu ihm?» Die Frau wollte es wissen. Aber er würde ihr bestimmt nicht erzählen, dass Madara ein ehemaliger Gangleader war. «Wir sind zur Gang gegangen und fertig.» «Okay.» Sie erkannte, dass sie bei ihm auf Granit stiess. «Haben Sie noch andere Verwandte?» «Ausserhalb von Konoha irgendwo ja. Kenne die aber kaum, wollen auch nichts mit mir zu tun haben.» «Interessant. Sie haben vorhin Ihren Bruder erwähnt. Was macht er?» Sasuke wollte es eigentlich nicht. Aber sein Körper spannte sich innert dem Bruchteil einer Sekunde wie ein Bogen und er musste sich Mühe geben, nicht das Glas Wasser vor ihm vom Tisch zu fegen. Seine Lage war doch schon beschissen genug, musste sie jetzt auch noch damit anfangen? «Gibt es nicht mehr.» Naomi Itos Gesichtsausdruck wandelte sich von interessiert zu bedrückt. «Das wusste ich nicht. Es tut mir sehr leid, Mr. Uchiha.» «Schon gut», brummte er. «Ist ja nicht Ihr Fehler.» Miss Ito musterte ihn mit einem durchdringenden Blick. Sasuke konnte sie einfach nicht unsympathisch finden, sosehr er es auch versuchte. Das war bei der anderen schon leichter gewesen. «Ich möchte gerne Ihre Situation besser verstehen. Das ist mein Ziel», sagte sie plötzlich. «Ich will Sie weder therapieren, noch belehren oder abwerten. Ich weiss, dass es für sie schlimm sein muss, hier zu sein. Ich kann Sie nicht rausbringen, aber ich kann Ihnen helfen, es erträglicher zu machen, wenn Sie sich auf mich einlassen.» Sie streckte ihm die Hand hin. «Mr. Uchiha, wären Sie bereit, mir ein bisschen etwas von Ihnen zu erzählen? Was auch immer Sie wollen. Es wird alles unter uns bleiben, hochheiliges Ehrenwort. Und dann entlasse ich Sie in den Abend.» Sasuke zögerte. Die Frau wirkte eigentlich ganz nett. Und wenn er hier kooperierte konnte er nachher Fernsehen gehen. Alles in allem war das eine gute Aussicht. Er schlug in ihre ausgestreckte Hand ein. «Aber nur, wenn sie mit dem Psycho-Gequatsche aufhören.» Naomi musste schon wieder lachen. Es war schon fast ansteckend. Aber nur fast.   Sakura wusste nicht wohin mit ihren schwitzigen Händen. Das Licht der Scheinwerfer leuchtete grell in ihrem Augenwinkel. Wenigstens sah sie so das Publikum nicht. Rechts von ihr sass Haruka, links von ihr der Polizeivertreter. Vorhin hatte sie Ihnen kurz die Hände geschüttelt. Die etwas wohlbeleibtere Tankstellenfrau hiess Manami Kato und vom ersten Moment an war Sakura klar, dass sie ihr nicht besonders wohlgesinnt war. Natürlich konnte sie verstehen, dass dieser Raub ihr sehr zugesetzt haben musste, schlussendlich verdiente sie damit ihre Brötchen. Aber das waren die Riots gewesen und nicht ihre Gangs. Der Polizeimann war undurchschaubar, sah aber streng aus. Laut ihren Infos war er Momochis rechte Hand. Auch vor ihn fürchtete sie sich. Nur der freundliche Mann, der Soziologe namens Yosei Inoue. Er wirkte interessiert und offen. Hoffentlich würde er diese ganze Diskussion irgendwie ruhig halten. Ganz ehrlich? In diesen letzten Sekunden vor der Sendung hatte sie ihren Entscheid, in diese Talkshow zu kommen, bereut. Auch jetzt fühlte sie sich nicht besonders wohl. Gerade war Manami Kato dabei, über die Gangs und ihre Machenschaften zu wettern und Sakura konnte nicht anders, als sich ein wenig auf ihre Seite zu stellen. Dieser Frau wurde eine Waffe direkt ins Gesicht gehalten, sie wurde gefesselt und geknebelt, fürchtete um ihr Leben. Da verstand sie jeglichen Hass – wenn er doch nur die richtigen treffen würde. «Die Gangs müssen verschwinden. Konoha war nie eine ruhige Stadt und wird es auch nie werden, aber sie einem halben Jahr läuft die Situation schlichtweg aus dem Ruder. Ich bin froh haben wir nun einen Polizeipräsidenten, der aufräumt.» Mrs. Katos zu stark geschminkte Lippen bebten bei den letzten Worten. «Vielen Dank, Mrs. Kato. Da wir gerade dabei sind, Mr. Sakamoto, Sie arbeiten mit dem Polizeipräsidenten höchstpersönlich, erzählen Sie uns etwas über seine Vorhaben», fädelte Haruka gekonnt ein. Sakamoto, seinen Vornamen hatte sie vergessen, nickte nur mit steinerner Miene. «Nun, wie Sie vielleicht wissen, hat die Bekämpfung der Belästigung durch die Gangs derzeit grössten Vorrang. Ich weiss, dass es auch Kritiken gibt, die betonen, dass dafür andere Kriminelle ihren Verbrechen nachgehen können, während wir unseren Fokus auf die Gangs legen. Jedoch werden wir Konoha ganzheitlich schützen. Selbst wenn unsere Priorität derzeit die Gangs sind, heisst das nicht, dass das System an anderen Stellen Lücken aufweist. Mr. Momochi plant, das Militär zuzuziehen – er bekleidet selbst einen der höchsten Ränge in der Armee.» «Und was genau wollen Sie dann mit diesen jungen Menschen machen?», fragte der Soziologe und stellte damit die Frage, die Sakura schon länger auf der Zunge lag. Sie meinte den Anflug eines Grinsens auf Inoues Lippen zu sehen, war sich jedoch nicht sicher. «Natürlich wird ihnen erst den Prozess gemacht», antwortete Sakamoto ungerührt. «Alle werden nicht in die Vollzugsanstalt kommen, da die Beweislagen oft schwierig sind. Schlussendlich ging es bis vor kurzer Zeit nur um Verbrechen unter Gangs, da gab es weder Anzeigen noch Klagen. Inzwischen haben wir einen anderen Status erreicht. Sicher ist, dass die Gangmitglieder sich für ihre Taten verantworten werden müssen, in welcher Form ist immer abhängig von den vorhergegangenen Regelbrüchen. Bei vielen von diesen Leuten werden psychische Störungen vermutet, deshalb sind auch Einweisungen in Psychiatrien nicht ausgeschlossen. Alles zu ihrem Wohle.» Sakura hätte sich bei Sakamotos ungerührter Miene übergeben können. Der Typ hatte null Ahnung. Psychische Störungen? Das war kein dummer Gedanke. Viele der Gangmitglieder hatten schlimmes gesehen und schlimmes getan. Aber sie waren alle bei klarem Verstand. In den Outers gab es ein zwei Typen, die schwierig waren, aber gerade die Gemeinschaft der anderen half ihnen dabei, sich zu kontrollieren. Aber so wie er klang würde er auch jemanden wie zum Beispiel Hidan einweisen lassen, nur, weil er an diesen komischen Gott glaubte – er tat jedenfalls so. Abkaufen konnte sie ihm das immer noch nicht. Deswegen war er aber noch lange nicht psychisch gestört. Sie waren anders. Aber nicht krank. Verletzt und eine kaputte Seele, ja. Dachschaden? Höchstens aus Sicht der Menschen, die sich nicht vorstellen können, was sie erlebt haben. Die dicke Kato nickte bekräftigend und drückte damit deutlich ihr Unwissen in der gesamten Situation aus. Sakura war nicht fürs Schubladisieren, aber hier konnte sie nicht anders. Mrs. Kato war leicht zu beeinflussen. Sie machte sich keine tieferen Gedanken, sondern folgte immer nur demjenigen, der ihre wichtigsten Interessen vertrat. Ohne Hinterfragung. «Miss Haruno», hörte sie plötzlich ihren Namen aus Harukas Mund. Jeder einzelne Muskel in ihrem Körper spannte sich an. «Als Freundin von Gangmitgliedern, finden Sie dieses Vorgehen sinnvoll?» Katos und Sakamotos brauchten nichts zu sagen, ihre Blicke verrieten ihre Gedanken. Aus dem Mund dieser kleinen Göre würde nichts Sinnvolles kommen. Schon gar nicht, wenn sie die Naivität besitzt, sich mit Gangmitgliedern anzufreunden. Ihr Herz raste und sie wusste nicht, ob sie auch nur einen Sinnvollen Satz rausbringen würde. Bis ihr Sasukes Worte wieder einfielen.   Wenn du mich fragst, könntest du die Welt verbessern. Du hast die Gabe, Menschen zu nehmen wie sie sind und sie richtig anzupacken.   Sie machte das hier für ihre Freunde, insbesondere für Sasuke und Naruto. Beide hatten immer an sie geglaubt. Und sie die Chance, etwas zu tun, beim Schopf packen. Selbst wenn es keinen Effekt haben würde. «Grundsätzlich bin ich auch der Meinung, das Verbrechern der Prozess gemacht werden muss und dass psychisch Erkrankte Menschen eine Therapie verdienen, Mr. Sakamoto. Das ist durchaus sinnvoll.» Sie konnte in Sachen Strafvollzug nur schlecht mitreden, er war darin aber stark. Sie musste ihn also in ein anderes Thema hineinziehen, in dem sie mehr zu sagen wusste. Ihre Stimme zitterte zwar noch leicht, jedoch sollte das nicht allzu gut bemerkbar sein. «Damit hätten sie dann die Gangs ausgeschaltet. Das sehe ich. Aber ich möchte Sie nun etwas Anderes fragen: Nehmen wir einmal an, sie lassen die Gangs verschwinden. Das von Ihnen erhoffe Resultat, Ruhe, Frieden und Zeit, sich wieder anderen Kriminalfällen zuzuwenden, tritt ein. Wie lange würde sich das halten?» Sakamoto schien nicht ganz zu verstehen, worauf sie hinauswollte. Kein Problem. Sie würde das liebend gerne für ihn ausführen. «Da draussen gibt es noch mehr als genug Strassenkinder, die Gangs gründen werden. Mehr als genug verzweifelte Menschen, die sich gegen Konoha auflehnen werden. Sie werden wiederkommen und die Sache beginnt von vorne.» «Da müssen Sie sich keine Sorgen machen», sagte Sakamoto ungerührt. «Wir werden jegliche kriminelle Aktivität unterdrücken.» «Damit bekämpfen Sie Symptome», gab Sakura ruhig zurück. «Warum tut die Regierung nichts gegen das Leid, welches hier vorherrscht? Da draussen verbringen kleine Kinder den Winter auf der Strasse, frieren, hungern. Werden von kriminellen Untergrundorganisationen für ihre Zwecke missbraucht. Kommen in Kontakt mit Rauschmitteln und verfallen ihnen. Und es geht nicht nur kleinen Kindern so. Gehe ich richtig in der Annahme, dass ihre vorgeschlagene Lösung dafür das Wegsperren dieser Menschen ist?» Die Frage war provokativ, da sie die Einfachheit von Sakamotos und Momochis Denken anprangerte. Der Soziologe neben ihr hatte ein leichtes Grinsen im Gesicht. «Natürlich werden wir die kriminellen Kinder in dafür vorgesehene Einrichtungen einweisen. Kinder- und Jugendheime zum Beispiel.» Sakamoto sah zwar nicht beunruhigt aus, seine Antwort war aber halbpatzig. Bevor Sakura etwas sagen konnte, meldete sich nun Inoue. «Ich finde Miss Harunos Punkt grossartig. Grundsätzlich hätte man die Gangproblematik gar nicht, wenn man an der Wurzel ansetzen würde. Warum nicht mehr in die Bekämpfung von Armut und Obdachlosigkeit investieren, anstatt junge Menschen einzusperren?» Sakamoto nickte. «Ich bin ein Vertreter des Polizeidepartements und dafür zuständig, Kriminalität zu vermindern und Kriminelle zu sanktionieren. Das ist mein Gebiet.» Der Soziologe nickte. «Das ist mir durchaus bewusst. Trotzdem könnten Sie doch ihre Meinung zu diesem Ansatz äussern, oder nicht?» Sakura freute sich. Wenn Sakamoto jetzt gut dastehen wollte, dann musste er jetzt diplomatisch sein. «Der Ansatz ist sicherlich eine Diskussion wert, aber nicht mit mir. Aktuell ist die Sicherheit dieser Stadt gefährdet und da gilt es, zu handeln.» Er liess sich nicht auf Inoue ein. Das brachte diesen aber nicht aus der Ruhe. «Okay. Miss Haruno, darf ich noch einmal auf sie zurückkommen?» Sakura nickte. Inoue gab ihr ein gutes Gefühl. «So viele junge Leute in einer Gang, die sich dem Leben alleine stellen mussten. Ich kann mir gut vorstellen, dass unter ihnen die unterschiedlichsten Fähigkeiten zu finden sind. Erzählen sie doch ein wenig von den Menschen, die man in so einer Gang antrifft.» Inoue war echt schlau. Und er war auf Ihrer Seite, das wusste sie jetzt. Damit konnte sie herausheben, dass die Gangs aus ganz vielen Individuen bestanden, die alle ihre eigenen Bürden und Freuden im Leben hatten. Es war bestimmt hilfreich, nicht immer von der «Gang» als Gruppe zu sprechen. Der Begriff war sowieso negativ konnotiert. «Nun, ich kenne zum Beispiel zwei gute Köche. Die können für eine ganze Gang kochen und es schmeckt immer noch fantastisch.» Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, als sie an Chojis Weihnachtsleckereien dachte. Oder an Juugo seine Pfannkuchen. «Viele sind echt gut darin, Dinge zu reparieren oder zu bauen. Besonders einer fällt mir da ein, der ein Flair für solche Sachen hat.» Kiba war der Mechaniker schlechthin. «Und sie haben auch einige gute Sänger und talentierte Kopfmenschen», fügte sie an. «Aber ich denke, dass sie alle eine Eigenschaft teilen und das ist die Beste: Sie sind füreinander wie Familie. Sie sind zu dem geworden, was die meisten von ihnen nie hatten. Es ist ein Zusammenhalt, den Sie sich nicht vorstellen können. Sie wissen durchaus, was richtig und was falsch ist, auch wenn das viele Menschen nicht einsehen können. Und sie würden die Dinge anders machen, wenn sie könnten. Wenn man ihnen die Chance dazu gegeben hätte.» Sogar Manami Kato hörte ihr aufmerksam zu, auch wenn sie nicht besonders amüsiert aussah. «Können Sie uns die Lebensgeschichte von jemand Konkretem erläutern?», fragte Haruka interessiert. Sakura überlegte. Erstens wusste sie nicht, ob ihre Freunde darüber so erfreut sein würden. Zweitens war es schwierig, eine passende Geschichte auszuwählen. Und sie glaubte, jemanden gefunden zu haben, der sich eignete und ihr nicht den Kopf abreissen würde. «Grundsätzlich haben sie alle schlimme Geschichten, das muss ihnen bewusst sein. Eine davon ist die eines Bekannten. Als Kind wurde er von seinem Stiefvater grün und blau geschlagen, seine Mutter liess es geschehen. Er riss von zu Hause aus und tauchte in Konoha unter. Damals war es Winter und er wäre beinahe auf den Strassen gestorben. Die Gangs waren es, die ihn aufnahmen und ihm ein Leben ermöglichten, das man lebenswert nennen konnte.» Akamaru verschwieg sie in dieser Version von Kibas Geschichte. «Und das ist nur eine von vielen. Manche haben ihre Eltern durch Mord verloren, andere lebten in Kinderheimen. Manche von Ihnen haben Eltern, die sich einfach nie gekümmert haben. Was sie alle gemeinsam haben ist, dass sie an ihrem tiefsten Punkt standen und an diesem Punkt tauchten die Gangs auf und liessen sie wieder leben. Aber ich kann Ihnen das nur durch solche Erzählungen wiedergeben. Sie würden erschauern, wenn sie es von ihnen persönlich hören würden.» Haruka sah schockiert aus, sogar im Gesicht von Manami Kato tat sich etwas. «Wenn sie also über die Gangs wettern und fluchen, dann möchte ich einfach, dass sie sich daran erinnern: Keiner von Ihnen hat das Glück im Leben gehabt, dass Sie haben.» Dafür erntete sie im Studio spontanen Applaus. Sasuke und Naruto starrten gebannt auf den Bildschirm des Fernsehers. Keiner der beiden konnte seinen Augen trauen. Da sass tatsächlich Sakura inmitten einer Talkshow und sagte einmal, was Sache war. Naruto hätte nicht stolzer auf seine Kurama-Cherry sein können, Sasuke verspürte bei ihrem Anblick ein wunderbares, beruhigendes Gefühl. Sie sah gesund, wenn auch etwas müde aus. Aber ihre Augen funkelten, wenn sie erzählte. «Wie sie dem Polizeityp die Stange hält ist krass», meinte Naruto. «Sie und dieser Inoue scheinen einer Meinung zu sein.» Sasuke nickte nur und starrte weiter auf den Bildschirm. Sie war da. Gesund und munter. Die Hoffnung hatte sie noch nicht verlassen. Der Anblick erwärmte sein Herz. Sie zu sehen, ihre Stimme zu hören war eine pure Wohltat. Dieses Mädchen kämpfte für sie. Nicht mit Messern und Kanonen, sondern auf ihre ganz eigene, diplomatische Art. Die Menschen sollten die Wahrheit erfahren. Unbedingt. Und wer würde sich besser für diese Aufgabe eignen, als Sakura?   «Was will die Kleine denn bitte erreichen?», kam es wütend vom Sofa her. Sie hielt sich etwas im Hintergrund und beobachtete ihre Gangkollegen. «Ah, hör auf ein Theater zu machen, Tomcat. Die Kleine ist knapp zwanzig. Unseren Plan wird sie mit ein paar netten Worten nicht durchkreuzen», meinte Ayato und nahm einen Schluck Bier aus der Flasche in seiner Hand. Der Fernseher zeigte Sakura in einer Talkshow von KCTV. Das hatte nicht nur sie überrascht. «Wir werden diejenigen sein, die in Konoha aufräumen und dieses beschissene Regime abschaffen. Und jetzt, wo man von den Kuramas und Takas nichts mehr hört, wird es bald Zeit.» Ayato sprach in dieser selbstsicheren und ruhigen Stimme, die ihn zu einem wirklich guten Anführer machte. «Deine Zuversicht sollte man haben, Crow», murmelte Miranda. Seit der Nacht, in der sie gegen Taka-Blue gekämpft hatte, war ihr ganzes Feuer wie ausgelöscht. Bis dahin hatte sie immer eine grosse Präsenz im Raum gehabt, inzwischen war sie einfach noch da. «Trotzdem interessiert mich das Mädchen», meinte Tomcat und stand vom Sofa auf. Seine blonden Haare waren wie immer die perfekte Mischung aus zurechtgemacht und wirr. «Wegen der ist Demon doch schon bei der DD-Area dem Tod von der Schippe gesprungen oder nicht?» «Richtig. Wer auch immer sie ist, ich habe sie noch nie kämpfen gesehen. Sie ist jedenfalls ‘ne Kurama», meinte Ayato. «Und warum rettet dann dieses Mädchen Demon? Sollte sie ja eigentlich wenig kratzen, auch wenn sie derzeit zusammenarbeiten», fragte Miranda. «Wenn ich wetten müssten, dann würde ich sagen, dass sie Demons Liebchen ist.» Ayato streckte sich und gähnte. Tomcat lachte. «Na dann weiss ich ja, was ich zu tun habe. Wenn die mir über den Weg läuft, werde ich sie mir schnappen.» «Tu, was du nicht lassen kannst.» Ayato setzte sich auf und winkte sie zu sich heran. «Hina! Komm und erzähl uns ein wenig von deiner Freundin aus dem Kurama-HQ. Was lief da genau zwischen ihr und Demon?» Hinata trat aus dem Hintergrund hervor und setzte sich neben Ayato auf die Couch. Er legte den Arm um ihre Taille und sie entspannte sich. Sie würde ihm sagen, was er wissen wollte. Das war keine Frage. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)