Konoha Gangs II: Game On von ximi (Das Spiel hat gerade erst begonnen) ================================================================================ Kapitel 12: Die verlorenen Jungen --------------------------------- Es war wahrscheinlich selbstverständlich, dass Sasuke und Sakura in dieser Situation nicht ganz folgen konnten. Ami hatte Sasuke inzwischen wieder losgelassen, aber ihre Augen glänzten verdächtig. Haru, ihr Mann stand inzwischen auch neben ihnen und grinste übers ganze Gesicht. „Darf ich fragen, was hier eigentlich los ist?“, fragte Sakura vorsichtig und Ami nickte, immer noch überwältigt. „Es tut mir wirklich leid, Sasuke. Ich hoffe, du hältst mich jetzt nicht für verrückt. Darf ich es dir erklären?“ Sasuke nickte langsam, immer noch ziemlich verwirrt. „Dann kommt doch bitte rein, wenn das für dich geht, Sasuke. Ach ja, das hier ist mein Mann, Haru.“ Haru schüttelte den Beiden die Hand. Er schien mit seinem breiten Lächeln und dem freundlichen Tonfall mindestens genau so nett wie Ami zu sein. Sasuke schien schon etwas Mühe zu haben, das Haus einfach so zu betreten. Durch die Tür zu gehen, durch die seine ganze Familie Tag ein Tag aus gegangen war. Aber er tat es, denn auch ihn trieb vermutlich die Neugier. Sakura blieb dicht bei ihm, einfach weil sie nicht wollte, dass er sich alleine fühlte. Im Haus betraten sie einen kleinen Flur mit einer Garderobenstange, an der einige Erwachsenen- und Kinderjacken hingen, unterhalb befand sich gleich ein Schuhregal mit geschätzt fünfzehn Paar Schuhen. Von hier aus konnte man sogleich ins Wohnzimmer sehen, welches einige grosse Fenster hatte, die zum Garten führten. Links nebendran konnte Sakura einen Blick in die moderne Küche erhaschen, rechts führte eine Treppe aus hellem Holz in den zweiten Stock hinauf. Von dort her hörte man, dass eines der Kinder duschte und das Andere sich gerade irgendein Kinderhörspiel anhörte. Das Haus war im Allgemeinen sehr freundlich und hell gebaut, es hatte viele Fenster und vorwiegend weisse Wände, an denen einige passende Bilder mit Landschaften und anderen Motiven hingen. Da kam Sakura natürlich nicht umhin, sich zu fragen, wie das Haus zur Zeit der Uchihas ausgesehen hatte. Es musst sich ganz schön verändert haben. Ami und Haru führten sie ins Wohnzimmer, das auf der linken Seite auch gleich als Esszimmer diente. Die Beiden schienen wahrlich Geschmack für Inneneinrichtung zu haben, denn die Möbel und das ganze Ambiente passten wirklich gut und verlieh dem Raum eine angenehme Wirkung. Was ihr sofort auffiel, war ein braunes Klavier in der hinteren Ecke. Sasuke musterte den ganzen Raum, die Einrichtung und auch den Garten. Selten hatte sie ihn mit so grossen Augen gesehen und noch seltener in so einer Umgebung wie dieser. Ami und Haru liessen ihm Zeit, sich umzusehen. Es mussten wahnsinnig viele Erinnerungen sein, die das aller hier hervorrief, wahrscheinlich sogar etliche Sachen, die Sasuke längst vergessen hatte. Ami und Haru beobachteten ihn dabei schweigend und Sakura hätte gerne auf der Stelle gewusst, warum die beiden Sasukes Namen kannten und wieso um Himmels Willen sie zu verstehen schienen, warum er so reagierte. „Setzt euch ruhig“, sagte Haru nach einer Weile und holte Sasuke so aus seinen Gedanken hierhin ins Wohnzimmer zurück. Die Beiden taten wie geheissen, jedoch sah man wohl besonders Sasuke an, dass er sich nicht besonders wohl fühlte. Ami und Haru setzten sich ihnen gegenüber hin und schienen selbst ziemlich nervös zu sein. Sakura hatte gar nicht bemerkt, dass Ami vorhin kurz in der Küche verschwunden war und ihnen je ein Glas Wasser hingestellt hatte. „Kann mir jetzt mal einer sagen, was hier läuft?“ Sakura war erstaunt, dass sich Sasuke zu Wort meldete, jedoch klang er eiskalt und abweisend. Er war wieder vollkommen auf Abwehr eingestellt, aber das war verständlich. „Sasuke, hör zu. Ich erzähle dir das Ganze jetzt von Anfang an“, begann Ami. „Als wir vor einigen Jahren auf der Suche nach einem Haus waren, stiessen wir auf eine Ausschreibung hier in Oto. Die Immobilienagentur machte einen seriösen Eindruck und als sie uns dieses Haus hier vorschlugen, freuten wir uns, es zu besichtigen. Und es gefiel uns. Genau das war es, was wir uns vorgestellt hatten. Als wir die Maklerin fragten, warum es denn zwei Jahre leer gestanden hatte, aber mehr als dass es sich um Renovierungsarbeiten gehandelt habe, konnte sie uns nichts sagen. Wir dachten uns nicht allzu viel dabei.“ Sie nahm einen Schluck aus ihrem Glas. Sie schien aufgeregt zu sein. „Als wir hier eingezogen sind, waren wir sehr zufrieden damit. Da der Garten ziemlich verwildert war, gab es einiges zu tun und wir brachten es richtig auf Vordermann. Tapezierten neu, gestalteten es vollkommen nach unserem Geschmack. Eigentlich war alles gut, bis wir einige Leute hier im Quartier kennenlernten. Diese erzählten uns dann die Geschichte, die uns die Maklerin vorenthalten hatte.“ Sie seufzte. „Die Geschichte von deiner Familie Sasuke. Man erzählte uns, dass eure Eltern durch einen entlaufenen, psychisch Kranken ermordet wurden und dass du und dein Bruder danach in ein Heim gebracht wurden. Und von da an behaupteten einige spitze Zungen, dass dieses Haus Unglück bringe. Dass in diesem Haus immer noch Seelen lebten, die keine Ruhe fanden und solchen Blödsinn.“ Jetzt meldete sich Haru zu Wort. „Es war nicht so, dass wir das glaubten. Aber die Geschichte deiner Familie beschäftigte uns so sehr, dass Ami nicht selten Mühe hatte, einzuschlafen. Sie erzählte mir oft, dass sie ständig daran denken müsse, wie ihr hier gelebt habt und wie es wäre, wenn das Schicksal deiner Familie eine andere Wende genommen hätte. Und mir ging es nicht wirklich anders. Wir hatten grosse Mühe, uns damit abzufinden. Und dazu kontaktierten wir die Maklerin, um uns über die mangelhafte Aufklärung zu beschweren. Die Frau kam sogar extra bei uns vorbei, um das mit uns auszudiskutieren. Wir waren natürlich wütend, schliesslich hat man bei einem Kauf, besonders so einem grossen, ein Recht auf alle Informationen, die etwas am Entscheid ändern könnten. Die junge Maklerin hörte sich unsere Beschwerden ruhig an und schien ziemlich verständnisvoll zu sein. Als sie dann zu Wort kam, sagte sie aber etwas, womit wir nicht gerechnet hatten.“ „Mr. und Mrs. Iwasawa, es tut mir leid, dass ich Ihnen diesbezüglich etwas vorenthalten habe. Ich verstehe, dass Sie wütend sind und biete Ihnen hier und jetzt sogleich an, den Kauf rückgängig zu machen. Jedoch möchte ich Sie auch gerne über meinen Standpunkt aufklären. Seit zwei Jahren suche ich nun schon nach einem geeigneten Käufer für dieses schöne Haus und leider war ich nicht erfolgreich. Von so vielen Interessenten, die es am Anfang gab, ist bisher jeder abgesprungen und zwar aufgrund seiner Vorgeschichte. Ich weiss, dass das keine Rechtfertigung für die Unterschlagung dieser Information ihnen gegenüber ist. Jedoch spürte ich seit ich dieses Haus hier zu vertreten begonnen habe, dass ich einen Käufer finden muss. Nicht wegen dem Geld, sondern seinen früheren Bewohnern zu liebe. Diese Familie verdiente jemanden, der sich von nun an richtig um ihr Haus kümmerte. Mich nahm diese Geschichte damals auch sehr mit, müssen Sie wissen und ich wollte meinen Teil dazu tun, diese Menschen in Ehren zu halten. Als ich Sie beide gesehen habe, da wusste ich, dass Sie in dieses Haus passten und ihm neues Leben einhauchen, ihm einen würdigen Neuanfang schenken konnten. Die Angst davor, dass sie abspringen würden, war zu gross, als dass ich mich dazu überwinden konnte, Ihnen die ganze Geschichte zu erzählen. Ich dachte, wenn Sie das Haus erst einmal gerne gewonnen haben, dann würde es nichts ausmachen, wenn Sie das alles von den Nachbarn erfahren. Ich war naiv und möchte mich an dieser Stelle noch einmal in aller Form entschuldigen. Wenn sie den Kauf also rückgängig machen möchten, dann können wir hier und jetzt gerne die Formalitäten besprechen.“ Haru grinste und griff nach Amis Hand. „Und darauf sagte Ami, dass sie ihre Blätter gleich im Aktenkoffer lassen könne und wir das Haus behalten.“ Ami strahlte noch heller, als ihr Mann. „Die Maklerin hatte genau die richtigen Worte gefunden. Sie brachte zuerst mich und dann auch Haru dazu, umzudenken. Warum sollten wir uns durch vergangenes Leid runterziehen lassen und nicht versuchen, daraus wieder etwas Gutes zu machen?“ Ein Seitenblick zu Sasuke verriet Sakura, dass er genauso gebannt zuhörte, wie sie. „Und wir behielten das Haus, all denen zu Trotz, die uns davon abrieten. Das Interesse an der Geschichte deiner Familie, Sasuke, wuchs zusehends und wir versuchten so gut wie möglich, mehr darüber rauszubekommen. Wir wollten mehr über unsere Vorgänger erfahren. Im Fundus der Gemeinde waren einige der Möbel und Gegenstände noch vorhanden, die einst zur Einrichtung des Hauses gehört hatten. Unter anderem auch das alte Klavier dort drüben und Fotos …“ Sasuke war vom Kopf bis in die Zehen gespannt wie ein Bogen. An seinen geballten Fäusten traten schon die Knöchel weiss hervor und Sakura wusste nicht, wie sie ihn beruhigen konnte. Ganz langsam liess sie ihre Hand unter dem Tisch nach drüben wandern und tippte die seine kurz an, damit er merkte, dass er nicht alleine war. Sie wusste nicht ob es wirklich half, aber wenigstens lockerte er dadurch seine Hände. Leider traf sie im nächsten Moment gleich wieder die Erkenntnis, dass sie solche Sachen nicht machen sollte. Es war wichtig, dass sie sich wenigsten ein bisschen auf Distanz von ihm hielt, ansonsten würde es niemals einfacher werden, in seiner Anwesenheit zu sein. „Da waren Fotos von dir und deiner Familie.“ Ami beobachtet Sasuke immerzu prüfend, um nicht etwas zu sagen, was das Fass zum Überlaufen brachte, denn seine Anspannung war nicht nur für Sakura seh- und spürbar. „Wir nahmen sie mit zu uns, nachdem wir das Okay dazu bekommen hatten und schauten sie uns an. Immerzu fragten wir uns, was wohl aus euch beiden Kindern geworden war, doch als wir nach einem Jahr endlich den Mut fassten, das Heim zu kontaktieren und nach euch zu fragen, wurde uns gesagt, dass es nach einem Ausbruch von mehr als zehn Kindern von den Behörden ins Visier genommen und kurz darauf geschlossen worden war.“ In Sakuras Kopf fügten sich langsam aber sicher einige Puzzleteilchen zusammen. Dann war der Grund dafür, dass das Heim heute in diesem neuem Glanz erschien also der Ausbruch gewesen, den Itachi und Sasuke angeführt hatten. Ansonsten hätte das Heim in dieser schlimmen Form vielleicht noch einige Jahre weiterbestanden. „Sag uns, Sasuke, waren du und dein Bruder bei diesem Ausbruch dabei?“, fragte Haru vorsichtig. Sasuke brauchte einen Moment, um Worte zu finden, aber antwortete dann gegen Sakuras Erwartung erstaunlich gefasst. „Wir haben ihn angezettelt.“ Haru und Ami schauten ihn zuerst etwas ungläubig an, doch dann mussten sie lachen. „Ich weiss, es ist nicht zum Lachen“, meinte Haru daraufhin. „Aber wir haben uns euch einfach genau so vorgestellt.“ Sakura lächelte. Den Beiden so zuzuhören und zuzuschauen war einfach angenehm. Es fühlte sich nicht gezwungen an, nein, im Gegenteil, sie waren frisch und lebensfreudig und das steckte sie irgendwie an. „Jedenfalls“, fuhr Ami weiter. „Haben wir uns damals versprochen, dass wir uns um das Haus kümmern. Immerzu in der Hoffnung, dass einer von euch eines Tages einmal zurückkommt und sehen kann, dass man euch nicht vergessen hat. Dass euer Haus noch steht, in guten Zustand ist und wieder Menschen einen schönen Ort zum Leben gibt. Das klingt kitschig, aber für uns war es wie eine Aufgabe. Auch als Takahiro und später Shina zur Welt gekommen sind, haben wir das nie vergessen.“ Sie schenkte Sasuke einen warmen Blick. „Und was geschieht heute? Du stehst tatsächlich vor unserer Tür, nach acht Jahren, in denen wir hier wohnten.“ Das war wirklich eine unglaubliche Geschichte. Sakura konnte es kaum fassen, dass die Beiden wirklich immerzu an die Uchihas gedacht hatten, nachdem man hätte meinen können, dass dieser Ort hier längst vergessen hatte, was vor gut zehn Jahren hier in Oto geschehen war. „Das ist ja unglaublich“, platzte es aus ihr heraus. „Wirklich unglaublich.“ Ami lachte erneut. „Das kannst du laut sagen! Deshalb bin ich euch wahrscheinlich auch vorgekommen wie eine Verrückte vorhin.“ In dem Moment stand Sasuke plötzlich auf. „Ich bin draussen. Erzähl ihnen was sie wissen wollen, Sakura.“ Damit verschwand er aus dem Esszimmer und zur Tür hinaus. Sakura spielte mit dem Gedanken, ihm nachzugehen, aber sie entschied sich dafür, zu bleiben. Er brauchte Zeit zum Denken und Luft zum Atmen. „Tut mir leid, wenn er etwas forsch ist…“, sagte sie entschuldigen, aber Ami und Haru schüttelten nur beide die Köpfe. „Wenn man das nicht nachvollziehen kann, dann weiss ich auch nicht. All das hier muss viel für ihn sein“, meinte Haru dazu. „Wir können es ja noch selbst kaum glauben und er nimmt das alles hier mit einer Fassung, die schon fast filmreif ist.“ Sakura seufzte. „Das kann er gut.“ Ami musterte sie aufmerksam. „Bist du seine Freundin, Sakura?“ Sie schüttelte vielleicht etwas zu hastig den Kopf, als das man ihr abkaufte, für Sasuke nichts zu empfinden. „Nein, nein. Wir sind nur Freunde.“ Die Beiden schienen sich bereits ihren Teil davon zu denken und Haru fragte stattdessen: „Ihr seid nicht aus der Gegend oder? Sonst wärt ihr wahrscheinlich schon hier gewesen.“ „Nein, wir sind beide aus Konoha.“ Amis Augen weiteten sich. „Konoha? Der summende Bienenstock?“ Sakura lachte. „Das kann man so sagen. Also ich bin auch nur zum Teil dort aufgewachsen. Für die Oberstufe und später fürs College bin ich zu meiner Tante gezogen.“ Das war jetzt vielleicht nicht die ganze Wahrheit, schliesslich hatte sie vor allem wegen ihren Eltern das Weite gesucht, aber das spielte ja jetzt keine Rolle. „Und Sasuke? Lebt er bei seinem Bruder?“ Genau diese Fragen waren heikel. Sie musste gut aufpassen, damit sie nicht Dinge sagte, die für Sasuke privat waren. Obwohl er ihr vorhin die Erlaubnis gegeben hatte, zu erzählen, durfte sie das nicht einfach zu locker nehmen. „Erzähl ihnen, was sie wissen wollen“, hiess in seiner Sprache nicht, dass sie hier alles ausplaudern durfte. Aber es gab ihr die Erlaubnis Ami und Haru über die wichtigsten Dinge zu informieren. „Also, ich will ehrlich zu euch sein. Sasukes Leben war nicht lustig und ist es auch heute noch nicht. Aber ich kann euch nicht alles erzählen, sondern nur das, was ich für okay halte.“ Ami und Haru nickten verständnisvoll. Die Beiden ahnten wohl, dass Sasukes Leben nicht unbedingt ein Zuckerschlecken gewesen war. „Also eigentlich ist das Ganze ziemlich kompliziert.“ Und dann erzählte Sakura ihnen die Geschichte, so gut sie sie nun einmal wiedergeben konnte. Sie erzählte ihnen von dem Punkt an, als Sasuke und Itachi in die Stadt gekommen waren und sich mit Botengängen für gemeingefährliche Untergrundbosse und Diebstahl durchgeschlagen hatten. Wie sie in jedem Wetter auf der Strasse gelebt hatten. Wie Madara dafür gesorgt hatte, dass sie bei den Takas aufgenommen worden waren, wie schnell sich die Beiden in der Gang einen Namen gemacht hatten und Itachi zum Leader geworden war. Sie war stets darauf bedacht, die Gangs in ein positives Licht zu rücken und dafür zu sorgen, dass Ami und Haru nicht den gängigen Vorurteilen gegenüber Gangs verfielen. Sie gab ihnen zu verstehen, dass die Gangs für diejenigen eine Familie waren, die keine mehr hatten oder sich keiner mehr zugehörig fühlten. Von Sasuke und ihr erwähnte sie aber nichts und schon gar nicht, dass sie zu einer anderen Gang gehörte. Nein, sich selbst liess sie weitgehend aus dem Spiel. Die beiden Zuhörer hatten gebannt ihren Erzählungen gelauscht und sahen dementsprechend geschockt aus. Besonders Ami schien das alles sehr mitzunehmen. In all den Jahren musste sie zu den beiden Jungen richtiggehend ein unsichtbares Band geknüpft haben, obwohl sie sie nur aus Bildern gekannt hatte. „Das ist einfach schrecklich…“, flüsterte sie und Haru streichelte ihr beruhigend die Hand. „Ich habe mir ja schon gedacht, dass die Jungen ein raues Leben hatten, aber dass sie solche Sachen durchmachen haben müssen… und anscheinend gibt es ja in dieser Gang noch viel mehr solche Schicksale“, meinte er und kratzte sich nachdenklich am Kopf. „Die gibt es. Obwohl ich finde, dass Itachi und Sasuke eines der Schlimmsten erlitten haben.“ „Und Itachi ist immer noch der Gangleader?“ Jetzt schluckte Sakura. Wie hatte sie das nur vergessen können? „Wegen Itachi… nun, der ist vergangenen Winter in einer Auseinandersetzung zwischen den Gangs gestorben. Sasuke ist jetzt der Leader.“ Jetzt schienen die Beiden wirklich kurz davor zu sein, rückwärts vom Stuhl zu fallen. Ami nahm das alles sehr mit, mehr, als Sakura erwartet hatte, denn sie weinte. Um einen jungen Mann, den sie gar nie richtig gekannt hatte. „Sakura…ist das wirklich wahr?“, fragte sie unter Tränen und Sakura nickte. Sie musste selbst aufpassen, dass all diese Gefühle sie nicht auch noch übermannten, sie, die doch so nahe am Wasser gebaut hatte. „Deshalb solltet ihr in Sasukes Nähe nicht von ihm sprechen. Ich weiss nicht, ob er jemals damit klarkommen wird.“ „Moment mal.“ Ami schien unter Tränen etwas einzufallen. „Manchmal kommen in den Nachrichten Berichte über diese Strassenbanden, eigentlich immer dann, wenn wieder etwas vorgefallen ist. Und gerade letzten Winter erinnere ich mich noch an einen, der ziemlich lang war und bei dem berichtet wurde, dass ein ganzes Fabrikgebäude in die Luft gejagt worden ist. War es das?“ Sakura nickte, auch wenn die Erinnerungen an diese verhängnisvolle Nacht sie beinahe erdrückten. „Ich weiss, es scheint in den Augen der Aussenstehenden nicht ersichtlich, warum sich Gangs bekämpfen“, sagte sie leise. „Aber dabei vergessen Menschen oft, dass sie selbst sich niemals auf der Strasse haben durchschlagen müssen. Denn auf der Strasse muss man stark sein, wenn man ein anständiges Leben führen will und sich gegen seine Gegner durchsetzten. Ansonsten stehen die Chancen gering. Hat etwas von der Wildnis. Fressen oder gefressen werden.“ Für Ami und Haru waren solche Dinge Neuland, das sah man ihnen an. Aber das war auch gut so. Niemandem wünschte sie so eine Vergangenheit wie Sasuke, Itachi, Kiba, Naruto und all die anderen sie hatten. Sie unterhielten sich noch ein wenig mehr über das Leben in Gangs, wobei die Beiden auch sie darüber ausfragten, wie sie in Kontakt mit den Gangs gekommen war. Dabei verschwieg sie aber geschickt, dass sie und Sasuke nicht dieselbe Gang-Zugehörigkeit teilten. Nach gut einer Stunde erhob sich Sakura. „Ich werde jetzt einmal nach Sasuke sehen und ihn fragen, wie seine Pläne aussehen, wenn es okay ist.“ Haru tauschte einen vielsagenden Blick mit Ami. „Sakura, wo schlaft ihr heute? In einem Hotel?“ Sakura schüttelte den Kopf. „Wissen wir noch nicht. Bei dem Wetter wahrscheinlich unter freiem Himmel, so wie letzte Nacht.“ Ami schien das ganz und gar keine gute Idee zu finden. „Kein Dach über dem Kopf?" Sakura verneinte abermals. „Das muss euch wirklich keine Sorgen bereiten. Für Sasuke ist das nichts Spezielles und ich habe kein Problem damit.“ Haru schüttelte entschieden den Kopf. „Gut, dass wir gefragt haben, Ami. Sakura, wir bieten euch gerne unser Gästezimmer an. Schlaft doch heute Nacht hier.“ Sakura fand es ungeheuer nett von den Beiden, dass sie ihnen so ein freundliches Angebot machten, Leuten, die sie kaum kannten. Aber sie wollte niemandem zur Last fallen. „Das ist doch nicht nötig, wir sind wirklich…“ „Sakura, wir würden uns freuen“, unterbrach sie Ami lächelnd, während sie sich die Tränen aus den Augen wischte. „Bitte seid unsere Gäste.“ Eigentlich gefiel Sakura den Gedanken an ein warmes Bett und ein Dach über dem Kopf, deshalb stellte sie sich nicht weiter quer. Sasuke allerdings, musste sie schon noch fragen. Wer wusste, ob er nicht so schnell wie nur möglich von hier weg wollte? Wie wenn das Universum ihn ärgern wollte, stand heute Nachmittag wirklich jede verfluchte Ampel in dieser verdammt grossen Stadt auf Rot. Als ob er es nicht schon eilig genug hätte. Nervös tippte Naruto auf dem Lenkrad des schwarzen, bandeneigenen Suzukis herum, bis endlich das erlösende Grün aufleuchtete und er seinen Weg bis zur nächsten Ampel, fortsetzen konnte, die ihm selbstverständlich auch die Durchfahrt wieder verweigerte. Wo war denn die „grüne Welle“ wenn man sie mal brauchte? Gerade vorhin hatte ihn Hinata angerufen, die ziemlich gestresst geklungen hatte. Anscheinend hatten irgendwelche Typen einen kleinen Strassenjungen verprügelt und die gute Hina war auf ihn gestossen. Wie wenn er nicht schon genug um die Ohren hätte, aber er war ja kein Unmensch. Zudem waren alle anderen entweder ausgeflogen oder pennten und er wollte seinen Leuten alle Ruhe gönnen, die sie vor dem grossen Tag brauchten. Da war es auch dumm, zu denken, dass er sich nach dem heutigen Besuch bei Oro etwas entspannen konnte. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte er endlich den South District, der eigentlich nur aus Fabriken und Ähnlichem bestand. Er lag nahe am West Village und deshalb auch gerne einmal ein Ort, an dem sich zwielichtige Typen herum trieben. Hinata hatte ihm genau gesagt, wo sie sich befand und tatsächlich fand er sie in einer leeren Seitenstrasse. Gut so, denn falls die Missetäter zurückkämen, wäre Hinata womöglich auch noch zum Opfer geworden. Er stellte den Wagen direkt neben ihnen ab und stieg aus. Hinata kniete neben dem dunkelhaarigen Jungen, der etwas mehr als zehn Jahre alt zu sein schien und ziemlich übel aussah. „Hinata!“, rief Naruto, als er auf sie zuging. „Was ist genau passiert?“ Hinata hatte den Jungen so gut es ihr möglich war verarztet, jedoch war es schon wichtig, dass ihn sich noch jemand vom Fach anschaute.„Tut mir leid, Naruto, ich habe ansonsten niemanden erreicht. Er wurde zusammengeschlagen. Von Riots.“ Naruto kniete sich ebenfalls neben die Beiden. Und sah sich den Jungen an. „Wer bist du?“ Der Junge sah ihn frech an. Naruto musste kein zweites Mal hinsehen, um zu erkennen, dass er ein Strassenkind war. Das erkannte er sofort an der Art wie er sich gab und vor allem, wie er angezogen war. „Konohamaru“, sagte der Junge und man hörte ihm an, dass er Schmerzen hatte. Sein rechter Wangenknochen war angeschwollen und auch an den sichtbaren Stellen seines Körpers erkannte er einige Blessuren, die teilweise auch bluteten. „Und du bist Big Fox.“ „Ist ja schön, wenn man mich kennt“, brummte Naruto genervt. „Komm ich jetzt zu euch ins HQ? So richtig in die Gang-Hood?“ Er grinste immer noch, obwohl ihm das alles ziemlich wehtun musste. Himmel, dieses Kind nervte Naruto schon jetzt. „Werden wir sehen. Und warum haben dich die Typen verprügelt?“ „Weil sie jemanden Kleinen für einen Einbruch brauchten und ich nicht mitmachen wollte. Und dann haben sie gesagt, es sei ihnen zu blöd und da haben sie mich verprügelt.“ Der Kleine bewies hier gerade eine unglaubliche Stärke, jedes andere Kind hätte an seiner Stelle wahrscheinlich geweint oder wäre total geschockt gewesen. „Ist nicht das erste Mal, dass ich unter die Räder gekommen bin“, meinte er und hielt setzte sich auf, wobei er kurz das Gesicht verzog. Er wollte aber eindeutig nicht, dass man ihm die Schmerzen ansah. „Komm, Konohamaru, wir bringen dich jetzt zu jemandem, der dir helfen kann“, sagte Hinata warm und versuchte ihn, so gut wie möglich beim Aufstehen zu stützen. „Ich glaube sein Bein ist entweder böse verstaucht oder sogar gebrochen.“ „Warte, lass mich das machen.“ Naruto schob Hinata sanft weg und half Konohamaru zum Auto zu humpeln. „Voll cool, jetzt sehe ich das Kurama-Hauptquartier!“, rief Konohamaru erfreut aus und Naruto fuhr wütend herum. „Klappe halten und zwar sofort!“ Er wusste auch nicht, warum, aber der Junge ging ihm auf den Wecker. Er war durch und durch Strassenkind, ansonsten wäre seine Reaktion auf das, was ihm gerade passiert war vollkommen anders und genau deshalb nervte er sich. Der Junge schien ihre Gutmütigkeit auch noch völlig als selbstverständlich anzusehen. „Können wir den Balg nicht einfach ins Krankenhaus bringen?“, fragte er. Hinata schüttelte den Kopf. „Er möchte das nicht. Sonst komme er in ein Heim, hat er gesagt. Und das will er unter keinen Umständen.“ „Wäre aber besser für dich, Kleiner“, brummte Naruto. „Wäre aber besser für dich“, äffte ihn Konohamaru ziemlich frech nach und Naruto riss die Autotür auf. „Du passt besser auf, was du sagst! Und jetzt rein da!“ Konohamaru humpelte hinein und Naruto schlug die Autotür mit voller Kraft zu. „Halbstarker Bengel.“ Hinata stieg auf den Beifahrersitz und verkniff sich das Lachen. „Warst du nicht einmal genau so? Jiraiya hat mir gesagt du hättest die Erwachsenen immer genauso frech angerempelt.“ „Pff…“ Daraufhin wusste er nichts zu sagen. „Ist Tsuna im HQ?“ Hinata nickte. „Und Shizune kommt heute Abend auch noch vorbei, falls nötig.“ „Gut.“ Naruto wusste selbst nicht, warum seine Laune so im Keller war. Wahrscheinlich lag es einfach daran, dass er so viel zu tun hatte und ständig für jeden verfügbar sein sollte. Jetzt auch noch dieses Gör. Aber wenn er in Hinatas Haut gesteckt hätte, wäre er auch nicht einfach vorbeigelaufen. Schliesslich half man den Schwachen, wenn man stark genug war. Das war nur richtig so. „Verbind ihm die Augen, Hina. Den Weg werden wir ihm bestimmt nicht zeigen.“ Sasuke sass auf der Treppe zu der meerblauen Eingangstür und rauchte, als sie aus dem Haus hinaustrat. Die Atmosphäre dieses wunderbaren, warmen Nachmittags, passte so gar nicht zur Sakuras derzeitiger Stimmung. Es war eine Art Hilflosigkeit, die sie verspürte. Was tat man in so einer Situation? Nicht einmal die verständnisvollsten Worte schienen in dieser Situation angemessen zu sein. Was verstand sie schon davon? Vorsichtig setzte sie sich neben ihn und er machte keine Anstalten, dass er damit ein Problem haben könnte, aber auch nicht, dass es okay für ihn war. Zu ihrem Erstaunen war er es, der nach einigen Minuten das Gespräch begann. „Und? Gefällt ihnen die Geschichte?“ Der Sarkasmus in seiner Stimme war nicht zu überhören. So kannte sie ihn gar nicht. „Ganz und gar nicht“, meinte sie ruhig. „Aber nicht wegen dir, sondern wegen dem Mist, den ihr habt durchmachen müssen.“ Er nickte und zog noch einmal ziemlich stark an seiner Zigarette. Normalerweise schien es ihn zu stören, wenn sie ihn beim Rauchen sah, aber jetzt war das alles wohl eher zweitrangig. Kein Wunder. „Jedenfalls haben sie uns das Angebot gemacht, dass wir hier übernachten dürfen, wenn du das willst. Aber sie verstehen es bestimmt auch, wenn du das nicht möchtest.“ Sakura schätzte die Chancen, dass Sasuke dieses Angebot annehmen würde, ziemlich gering ein. In einem Haus zu schlafen, das so viele unangenehme Erinnerungen weckte, war wohl kaum sein Wunsch. „Okay. Wir schlafen da.“ Zuerst traute Sakura ihren Ohren nicht ganz, doch als sie Sasukes Gesicht sah, blieb ihr kein Zweifel mehr: Sasuke meinte das ernst. Und gleich darauf fiel es ihr auch wie Schuppen von den Augen. „Sasuke, du musst das nicht meinetwegen machen, ja? Ich kann gut draussen schlafen, das ist echt kein Problem.“ Er schüttelte den Kopf und ohne zu ihrer Aussage Stellung zu nehmen meinte er: „Du kannst ihnen sagen, dass wir gerne bleiben.“ Dann stand er auf und ging in Richtung der Strasse davon. Sie rief ihm nicht hinterher, sondern liess ihn ganz einfach ziehen. Er brauchte jetzt einfach Zeit für sich und seine Gedanken. Sakura ihrerseits, begab sich wieder ins Haus, um ihren Gastgebern die Mitteilung zu überbringen. Sie freute sich, nicht weil sie heute ein Dach über dem Kopf haben würde, sondern vor allem deswegen, weil Sasuke irgendwie die Kraft aufzubringen schien, sich seiner Vergangenheit zu stellen. Und das war so ein grosser Schritt für ihn. Im Kurama-HQ war Konohamaru die Attraktion des Tages und zog mit seiner draufgängerischen und vorlauten Art einiges an Aufmerksamkeit auf sich. Tsunade verarztete ihn mitten im Aufenthaltsraum und das ärgerte Naruto schon wieder ziemlich. Er wusste nicht warum, aber der Junge löste in ihm komische Empfindungen aus. Vielleicht war es, wie Hina gesagt hatte und er erinnerte ihn einfach zu sehr an sich selbst. Temari und Tenten halfen Tsunade dabei Konohamaru zu verarzten und dieser schien das sichtlich zu geniessen. Auch wenn er es vertuschte, aber wahrscheinlich ging es diesem Jungen auch mental im Moment ziemlich dreckig. Geschockt war er bestimmt, nur war er so, wie viele Strassenkinder einfach ein guter Schauspieler. Das musste man sein, um zurechtzukommen. „Hey, Big Fox, können wir ihn nicht behalten?“, rief Tenten zu ihm herüber, als er sich gerade an den Tisch gesetzt, seine Beine darauf parkiert und in einer Motorradzeitschrift zu blättern begonnen hatte. „Ten, er ist kein Hund!“, rief er grimmig, ohne seinen Blick von der Zeitschrift abzuwenden. „Ach, du weisst wie ich das meine! Komm schon!“ „Wir sind hier keine Kinderkrippe, verflucht nochmal!“ Dieses Mal drehte er sich um. Daraufhin lachten alle. Was war denn daran bitteschön so lustig? „Ich sage es dir ja nur ungern, Big Fox, aber du warst etwa genauso alt, als du dazu gestossen bist“, lachte Kiba, der es sich am Boden neben Akamaru bequem gemacht hatte. "Zudem brauchen wir eine neue Generation, oder nicht?" Für solche Sachen hatte der Leader jetzt gerade echt kein Nerv. „Wir besprechen das später.“ Er hörte den Anderen nur noch mit halbem Ohr zu, welche sich Feuer und Flamme ausmalten, wie Konohamaru ein waschechter Kurama wurde. Dass er von den Riots angegriffen worden war, schürte den Ideenreichtum der Anderen nur noch mehr. Irgendwie schienen sie das alle im Moment zu brauchen. Sie wollten sich eine gute Zukunft für die Kuramas ausmalen, die er so nicht garantieren konnte. Das alles würde sich entscheiden, wenn sie gegen die Riots antraten. Um sie zu besiegen, würde mehr als nur ein einziges Battle nötig sein. Aber er liess sie machen. Wer wusste schon, was die Zukunft brachte? Sasuke kehrte auch dann nicht zurück, als Ami und Haru das Abendessen auftischten. Sakura hatte ihnen schon im Voraus gesagt, dass sie nicht mit Sasuke rechnen sollten. So wie sie ihn kannte, brauchte er jetzt Zeit für sich und ging jedem Gespräch aus dem Weg. Deshalb war es wohl kaum zu erwarten, ihn zum Abendessen hier zu sehen. Sie entschuldigte sich also bei Ami und Haru, welche aber nur abwinkten. „Sakura, wir haben ihn heute echt überrumpelt. Er soll das machen und lassen, was er will.“ Es war wirklich ein ausserordentliches Glück, heute die Bekanntschaft mit dieser Familie gemacht zu haben, die noch dazu so gastfreundlich und warmherzig war. Wer hätte gedacht, dass dieser Trip nach Oto eine so überraschende Wendung nehmen würde? Während sie also am Esstisch köstlichen Hackbraten, Kartoffeln und Gemüse genoss, erzählte sie den Beiden noch etwas mehr von ihrem Leben und erfuhr im Gegenzug auch Einiges von Ami, Haru und ihren beiden Kindern, die nicht im Mindesten schüchtern wirkten. Beide plauderten ausgelassen, Shina erzählte vom Kindergarten, Takahiro von der Schule. Anscheinend gab es morgen Abend in Oto ein Schulfest, das jedes Jahr in den Frühlingsferien stattfand und schon seit Jahren Tradition war. Die Schulkinder waren dabei auch immer in den Aufbau und die Organisation einbezogen. Shina fragte Sakura, ob sie auch Zeit hätte, zu kommen und ehrlich gesagt hätte sie wirklich grosse Lust dazu. Das Problem war nur, dass sie sich dann morgen für eine weitere Ausrede bei Tsunade melden musste und vor allem wusste sie nicht, ob Sasuke für so etwas zu haben war. Sie würde ihn auf jeden Fall fragen. Etwas später, nachdem sie noch bis neun Uhr mit Shina und Takahiro in seinem Zimmer mit der kleinen Lego-Eisenbahn gespielt hatte, zog sich Sakura in das gemütliche Gästezimmer zurück. Schon vorhin, als sie mit Ami die Betten bezogen hatte, war ihre Aufmerksamkeit von dem grossen Fenster auf sich gezogen worden. Es reichte bis zum Boden des Zimmers hin und wenn man durch die Tür kam stand man ihm parallel gegenüber. Weisse Vorhänge waren da, um vor Blicken zu schützen. Sakura gefiel der Ausblick von hier aus, man sah an einigen Hausdächern vorbei erstaunlich weit in die Ferne. Nachts musste es wundervoll sein. Die Wände waren in hellem blau tapeziert, den Boden deckte ein dunkelblauer Teppich. Sie hatte sich für das Bett auf der linken Seite des Zimmers entschieden und sich bereits darauf breit gemacht. Ami hatte ihr vorhin die Dusche gezeigt und deshalb entschied sie sich jetzt dafür, schleunigst im Bad zu verschwinden. Nach dieser Nacht im Freien kam ihr das mehr als nur gelegen und sie genoss das erfrischend warme Wasser in vollen Zügen. Frisch angezogen begab sie sich zurück ins Zimmer und erschrak fürchterlich, als dort bereits Sasuke auf dem Bett sass. Sie musste sich ziemlich zusammenreissen, um nicht gleich zu fragen, wo er die ganze Zeit gesteckt hatte. Er sah kurz von seinem Handy auf und schenkte ihr ein Kopfnicken, dann widmete er sich wieder dem Tippen seiner Nachricht zu. Sie fühlte sich im ersten Moment etwas unbehaglich, was eigentlich komisch war, schliesslich waren sie jetzt schon einen ganzen Tag miteinander unterwegs. Und trotzdem blieb diese Distanz zwischen ihnen. Aber das war schon gut so, je näher sie ihm nämlich kam, desto schmerzhafter wurde es im Nachhinein, wenn sie ihm endgültig Lebewohl sagen würde. Und Letzteres war nicht zu vermeiden. Sasuke verschwand fünf Minuten später ebenfalls unter die Dusche und Sakura fiel ein, dass sie vielleicht einmal ihr Handy checken sollte. Heute Nachmittag hatte sie noch eine SMS von Ino bekommen, auf die bisher noch nicht geantwortet hatte, zudem zeigte das Display eine Nachricht von Naruto und ein verpasster Anruf von Tsunade an. Zuerst antwortete sie auf die beiden Nachrichten, in denen sie lediglich schrieb, dass alles okay war und sie Genaueres später erzählen würde. Was Tsunade wollte, konnte sie sich jedoch nicht erklären. Kurzerhand wählte sie ihre Nummer und spürte schon während dem Piepen in der Leitung, wie ihr Herz zu klopfen begann. Jetzt galt es, ihre Lüge aufrecht zu erhalten. „Sakura?“, meldete sich Tsunade am anderen Ende der Leitung. „Hi Tsunade, du wolltest mich sprechen?“ Jetzt vernahm sie ein Seufzen, das schon eher einem Schnauben glich. „In der Tat.“ Das klang gar nicht gut. „Wo bist du, Sakura?“ „Na, bei Ino, habe ich doch…“ „Sakura!“ Sie zuckte zusammen. Langsam ahnte sie, was los war. „Hör auf mich anzulügen. Du solltest deine Freundin vielleicht darüber informieren, wenn du sie als Ausrede brauchst.“ Heilige Scheisse. Sie hatte Recht! Wie hatte sie denn so etwas vergessen können? Sie hatte es komplett verhängt, Ino darüber in Kenntnis zu setzen, welche Lüge sie Tsunade aufgetischt hatte. „Du bist mit dem Taka-Boss unterwegs, nicht wahr? So viel habe ich aus Ino rausbekommen.“ Tsunade hatte eine nahezu unerbittliche Art, die jeden noch so starken Charakter in die Knie zwingen konnte. Ino hatte grossen Respekt vor ihrer Tante und deshalb nahm sie es ihr auch nicht übel, dass sie geplaudert hatte. „Ja, Tsunade… bin ich.“ Eine kurze Pause am anderen Ende. „Sakura, warum machst du das? Warum lügst du mich an?“ Sakura fühlte sich wie vor den Kopf gestossen. Es tat ihr weh, zu hören wie enttäuscht Tsunade von ihrem Verhalten war. Schliesslich war ihr vollkommen bewusst, dass sie Blödsinn gemacht hatte. „Tsunade… es tut mir leid. Ich bin zurzeit in Otogakure und keine Sorge, es geht mir gut und wir haben ein Dach über dem Kopf. Ich kann dir im Moment einfach nicht mehr sagen, okay? Es ist eine private Sache.“ „Otogakure?! Sakura… warum seid ihr dort?“ „Ich wurde um einen Gefallen gebeten.“ „Aber das mit Demon…“ Ihr Tonfall verhiess, dass sie eben „das“ nicht wirklich als gut empfunden hatte. „Das ist doch vorbei oder nicht?“ Sakura spürte, wie in ihr die unterschiedlichsten Gefühle aufkamen und sie immerzu mehr verwirrten. Dieser emotionale Stress bekam ihr einfach nicht gut und sorgte bei ihr einmal mehr für aufsteigendes Augenwasser. „Es ist das letzte Mal. Ich muss abschliessen, okay? Ich kann es einfach nicht so stehen lassen, wie es war, aber das verstehst du nicht. Du versuchst es, aber du kannst es schlichtweg nicht. Das ist nicht schlimm, weil ich mich oft selbst nicht verstehe. Und darum bitte ich dich jetzt einfach um etwas, auch wenn es viel verlangt ist.“ Ihr Herz klopfte und ihre Hände zitterten zusehends. „Bitte, lass mich das hier sauber beenden, Tsunade. Das ist mein Abschluss zu einem abenteuerlichen, schwierigen Kapitel, das ich so nicht einfach zu den Akten legen kann. Du musst dir keine Sorgen machen, ich bin wohlauf. Aber bitte lass es mich zu Ende bringen.“ Die Art wie sie das sagte ähnelte vermutlich schon fast einem Flehen, aber es war ihr egal. Ihre Sicht war schon ganz verschwommen und sie musste sich Mühe geben, nicht vollends los zu weinen. Ihre Bitte an Tsunade liess das alles hier noch viel realer werden: Das bevorstehende Ende des bisher aufregendsten, wenn auch schwierigsten Kapitel ihres Lebens. In ihr machte sich wenigstens ein kleines bisschen Erleichterung breit, als Tsunade leise antwortete: „Na gut, Sakura. Aber kommt bald nach Hause. Und täglich eine SMS. Bis dann.“ Ein Klicken in der Leitung. Es tat so weh, dass ihre Tante nun auch noch sauer auf sie war, aber das hatte sie ganz alleine sich selbst zuzuschreiben. Sie hasste es, andere zu enttäuschen. Wie lange Sasuke allerdings schon dagestanden hatte, wusste sie nicht, jedoch wischte sie sich verstohlen mit der Hand über die Augen, als sie ihn bemerkte. Peinlich berührt drehte sie sich von ihm weg und tat so, als würde sie etwas auf ihrem Handy schauen. Himmel, hoffentlich hatte er nicht zu viel gehört. „Tut mir leid“, sagte er urplötzlich. Mit fragendem Blick im Gesicht drehte sie sich wieder zu ihm. „Weshalb?“ „Den Mist hast du jetzt wegen mir.“ Sie seufzte. „Nee. Den habe ich mir ganz alleine eingebrockt. Vergiss es.“ Dazu sagte er nichts mehr, löschte das Licht und liess sich selbst in sein Bett fallen. Es war zwar noch nicht besonders spät, aber hundemüde waren sie wohl beide. Als sie dann so dalagen, im sanften Licht des fast vollen Mondes und zu schlafen versuchten, huschten Sakura einige Gedanken durch den Kopf, Dinge, die sie völlig vergessen hatte. Wo war Sasuke gewesen? Hatte er etwas gegessen? Das hatte sie ihn gar nicht gefragt. Und jetzt schlief er hier, in seinem alten Haus. Was ging in ihm vor? Für ihn musste das alles bestimmt höllisch schwierig sein. Und wie stand er allgemein zu diesen vielen Überraschungen heute? Sie wollte ihn nicht mit Fragen löchern, aber interessieren würde es sie schon. Während sie sich also in die weichen Bettlaken kuschelte, die absolut kein Vergleich zu der Bank waren, auf der sie gestern genächtigt hatte, wägte sie ab, ob sie fragen sollte. Im Endeffekt siegte die Neugier. „Geht es dir gut?“ Sie zuckte vor Schreck zusammen. Gerade hatte sie ihn das fragen wollen, aber er war ihr zuvorgekommen. „Ja. Und dir?“ „Jetzt lügst du schon wieder.“ Autsch. Aber er hatte Recht, sie log tatsächlich schon wieder. „Na gut, es geht mir nicht so toll. Zufrieden?“ „Nein.“ Er sagte das in vollem Ernst und überging ihren etwas zickigen Tonfall einfach. Manchmal fragte sie sich, ob sie eigentlich immer mit demselben Mann sprach oder ob es einfach zwei verschiedene Versionen von Sasuke waren, die sie kennengelernt hatte. Wenn sie sich an den Abend im „Toad’s“ erinnerte erschauderte sie schon wieder, so negativ hatte sich das Ereignis in ihrem Kopf eingebrannt. Und jetzt klang er einfach vollkommen normal, wenn nicht sogar ein kleines, winzig kleines bisschen sanft. „Dir geht es ja selbst nicht blendend“, murrte sie. „Was hat das damit zu tun?“ „Eigentlich nichts.“ „Also.“ Eine Weile schwiegen sie. Das Gespräch hatte sie zwar nicht wirklich weiter gebracht, aber irgendwie tat es gut, mit ihm zu reden, als wäre all das Schlechte nie zwischen ihnen vorgefallen. Vielleicht war das dumm, denn vorgefallen war so einiges, aber im Moment war es ihr egal. „Was hältst du von den Iwasawas?“, fragte sie etwas später vorsichtig. Er antwortete nicht sofort. „Echt nette Leute.“ Sie wusste sofort, dass ihn die Gedanken an Amis und Harus Beweggründe zutiefst berührt hatten und es ihm schwer fiel, darüber zu reden. Deshalb fragte sie nicht weiter. „Nicht wahr?“ Sie lachte leise. „Shina hat mich schon gefragt, ob wir sie morgen nicht an ein Schulfest begleiten wollen.“ Sie hoffte, dass es eher wie eine Randbemerkung klang, obwohl sie eigentlich tierisch gerne seine Antwort darauf gehört hätte. „Hat sie mich vorhin auch gerade. Das Schulfest gab es schon zu unserer Zeit.“ „Und was hast du ihr geantwortet?“ „Dass ich mir es überlege.“ „Okay.“ Sie selbst hatte riesiges Interesse daran, Sasukes alte Schule zu sehen, aber das musste definitiv er entscheiden. „Möchtest du hingehen, Sakura?“ „Das liegt bei dir“, antwortete sie, etwas überrascht, dass er sie danach fragte. Schemenhaft nahm sie wahr, wie er den Kopf schüttelte. „Nein. Ich werde dich hier nicht herumkommandieren“, flüsterte er rau. Er klang irgendwie so, als ob er gerade etwas falsch gemacht hätte. „Tust du doch nicht. Aber wir können uns das morgen ja noch überlegen. Ob ich jetzt noch einen Abend länger wegbleibe oder nicht, spielt sowieso keine Rolle mehr. Und ehrlich gesagt finde ich das hier verdammt abenteuerlich.“ „Du suchst sowieso des Öfteren das Abenteuer oder?“ Es war keine wirkliche Frage seinerseits, denn die Antwort darauf kannte er. Und auch sie wurde sich dessen immer mehr bewusst. „Ja…“, flüsterte sie. „Ich glaube, das tue ich.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)