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Kaltes Herz

von

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Help me...

Komm, komm näher.

Eine kalte Brise umspielte die schwarze Haarpracht, erbebte den spärlich bekleideten Leib.

Sie fror. Schützend schlang sie die Arme um den Brustkorb, nahm stockend flache Atemzüge und wenn die eisige Luft durch den Mund eindrang, rebellierten die Lungenflügel. Ihr Innerstes strotzte aus Leibeskräften den äußeren Einflüssen. Doch wie lang?

Nackte Fußsohlen trafen auf erfrorenen, weißen Marmor und jeder neue Schritt erschwerte ihren Gang. Noch einer, noch einer, doch wohin?
 

Den Kopf gebeugt, lauschte sie. Woher kamen die Worte? Leise wisperte sie: „Wer bist du?“ Stille, nur der Windhauch drang an ihre Ohren. Bedächtig spähte sie von links nach rechts. Nichts. Ihre trockenen Lippen formten zart hauchend „Was möchtest du von mir?“.

Erneut blieb die ersehnte Antwort aus. Reflexartig schluckte sie, hob den Kopf ein kleines Stück an, nur um geradeaus sehen zu können. Ein fragender Ausdruck lag auf ihrem Gesicht. Der Raum war kahl, ohne Einrichtung, die Wände ebenfalls aus Marmor. Einzig ein Spiegel, schwarz wie die Nacht, vom Erdboden bis hoch zur Decke, mit Gold umrandet, fand sie vor. Welch ein merkwürdiger Ort. Entkräftet sackte die Frau auf die Knie, beugte nach vorne über, das Beben ihres Körpers wurde stärker, wie auch ihr eigener Griff. Die Kälte nahm sie gänzlich ein.
 

Wie verloren du wirkst. Wo ist dein Anmut geblieben?“ Ihre Muskeln gefroren, die Augen schockiert geweitet. Diese Stimme, so anders, so vertraut, so…? Nein, die Kälte trug Schuld daran, brachte diese Einbildung mit sich.

Komm, sieh mich an!“ Sie wollte widersprechen, stark bleiben. In der Hoffnung aufzuwachen, den Ort hinter sich zu lassen, die Wärme ihres Bettes, ihrer Geliebten zu spüren. Wo blieb ihr Wille?

Halb erfroren, schleppend wie in Trance folgte sie der Aufforderung. Ein Fehler. Nach Luft schnappend, fiel sie nach hinten hin weg. Einzig ihre Hände, die rasch reagierten, trennten sie vom leicht gefroren Marmor. Angst ging ihr durch Mark und Bein. Ihr Verstand schrie alarmierend auf, lauf. Ihr Mund war leicht geöffnet, doch schnürte ihr die Furcht die Kehle zu, sie blieb stumm.

Was hast du? Erträgst du dein wahres Gesicht nicht?“ Ihre Vermutung war bestätigt, die Frau die sprach, das war sie. Hellblaue Iriden – die Farbe grad und grad vorhanden – fixierten ihre Gestalt, lähmten sie gänzlich. Selbst die Atmung hielt sie an. Die Mundwinkel des Spiegelbildes zu einem dunklen Grienen verzogen. Und so starrte sie in ihr eigenes Ich, unfähig einen Gedanken zu fassen, auch nur einen Finger zu rühren. Ein amüsiertes Lachen echote durch den Raum.
 

Zerstör ihn, rauschte es ihn ihrem Kopf. Leicht zuckten ihre Augenlider. Ihr Abbild, hielt inne, grinste wissend und hob tadelnd den Zeigefinger.

Ich rieche einen unartigen Gedanken.“ Arme, kalt wie Eis, umfassten ihren Körper, drückten sie gegen jenen, der in ihrem Rücken erschien. Ein Körper nicht dazu geboren Wärme auszustrahlen. Tonlos sog sie Luft ein, die sich schmerzhaft in ihrer Lunge ausbreitete. Ein Kinn betete sich auf ihre Schulter, der Griff blieb unnachgiebig. Die Fingerspitzen ihres Ichs strichen quälend langsam ihr Brustbein entlang, kamen erst direkt über ihrem Herzen zum Erliegen. Dieses hämmerte unkontrolliert, drohte förmlich zu zerbersten ehe sich ruckartig brennend zusammenzog.

Wehre dich nicht. Schon bald sind wir wieder vereint und dein Herz wird mir gehören.

Damn the cold, it's following me

57. 58. 59.Drei Uhr.
 

Erschöpft schloss die schwarzhaarige Archäologin die Augen. Eine Stunde, eine geschlagene Stunde lang hatte sie die Wanduhr angesehen, die Minuten und gar manches Mal die Sekunden mitgezählt. Aufgewacht von diesem Traum, fern jeglicher Vernunft. Wie die Nächte davor blieb der Schlaf anschließend aus. Was war los mit ihr? Anstatt einer Besserung erhielt sie täglich eine neue Wendung. Ihr Alptraum durchfuhr regelrecht eine eigene, dynamische Entwicklung. Beim ersten Mal? Da lachte sie, glaubte ihr Unterbewusstsein spielte einen eigenwilligen Streich. Die Quittung erhielt sie die Tage danach. Auf die klare, lockende Stimme, die nach ihr suchte und ihr den Weg durch die Dunkelheit wies, kam die Kälte, der kahle Raum und eine Stimme, die nichts mit der lieblichen zu Beginn gemeinsam hatte.

Mit der heutigen Nacht hatte diese Fantasie einen neuen Höhepunkt erreicht. Zeigte den tiefsten Abgrund ihrer Seele. Nachdenklich streckte sie ihre Hand unter der Decke hervor und bevor sie diese an ihrer Stirn ruhen ließ, strich ihre Handfläche druckvoll durchs Gesicht. Das Frösteln kehrte zurück, ihre Härchen ragten in die Höhe und der kalte Schauer, der ihr den Rücken entlang lief, ließ sie ihren Kiefer aufeinander pressen. Binnen einem Tag hatte die Temperatur einen rapiden Absturz dahin gelegt. Statt sommerlichem herrschte herbstliches, wenn nicht gar, winterliches Wetter. Die Sonne verlor an Wärme und Wolken taten das Übrige. Als ob das frostige Gefühl in den Träumen und kurz nach dem Erwachen nicht ausreichte.
 

Ihre Aufmerksamkeit glitt zum schlafenden, vollkommen entspannten Körper, nur wenige Zentimeter neben den ihrigen. Nami schlief wahrlich den Schlaf der Gerechten. Wie lange noch konnte Robin ihr eine heile Welt vorspielen? Sacht zuckten ihren Mundwinkel in die Höhe, formten ein schwaches Lächeln. Solang sie nicht mehr wusste, wollte sie ihre Freundin nicht beunruhigen. Diese Angelegenheit musste sie selbst klären. Vorsichtig, um die junge Frau nicht aus dem Schlaf zu reißen, hob Robin die Decke an, legte sie behutsam über den freigelegten Rücken und hauchzart berührten ihre Lippen den Nacken der anderen.

Frische Luft brauchte sie. Vielleicht verhalf ihr diese zu einem kühleren Kopf und wenn dieser eintrat, dann suchte sie weiter nach einer passenden Lösung. Achtsam stand die Schwarzhaarige auf, erkannte spärlich ihre Schlafkleidung, die Stunden zuvor achtlos den Weg auf den kalten Holzboden gefunden hatte, doch entschied sie sich für wärmeres Gewand. Schleichend schritt sie zum Schrank, ertastete einen flauschigen Pullover sowie eine bequeme Hose. So leise wie möglich zog sie sich an, achtete akribisch auf jede ihrer Bewegungen. Nami zeigte keine Regung, atmete ruhig weiter und verblieb im Reich der Träume.

Kaum stand Robin an Deck, atmete sie die frische Nachtluft tief ein. Den Kopf gen Himmel gereckt, schnupperte sie. Die Luft roch förmlich nach Schnee. Und obwohl der Mond die Nacht erleuchtete, bildeten sich bereits Wolkenfronten, die schon bald die Sterne und das helle Licht gänzlich verschlangen. Atemwölkchen stiegen empor und ihre Wangen kühlten bereits ab. Um dem kommenden Frösteln zu entgehen, rieben die Handflächen ihre Oberarme entlang und sie schritt auf die untere Ebene. Ablenkung, ging Robin durch den Kopf. Ein gutes Buch, nebenbei eine heißdampfende Tasse Kaffee. Bloß nicht einschlafen und die Gedanken sortieren. Ihre Schritte verlangsamten sich. Hatte sie mittlerweile tatsächlich Angst vor dem Schlaf? Wo sollte dies enden? Ihre Augen suchten das Meer, welches einen leichten, beruhigenden Wellengang aufwies. Beunruhigung zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Ihr Körper war erschöpft, seit vier Tagen hatte sie kaum einen erholenden Schlaf genossen. Spuren machten sich allmählich sichtbar.

„Das sind Träume, nichts weiter!“ Oder? Wenn es so war, warum sagte ihr Gefühl anderes? Alpträume kannte sie sehr gut und diese Träume waren definitiv bizarr. Seit wann bauten sie aufeinander auf und entwickelten eine eigene Geschichte? Nie zuvor hatte sie so etwas erlebt. Und zu allem Überfluss: Wären es nur Träume, lächerliche Hirngespinste bräuchte sie keine Angst empfinden. Und diese stahl sich in ihr Bewusstsein. Das Ich im Spiegel, das gehörte der Vergangenheit an, hatte sie es doch vor Jahren begraben. Sie war nicht länger dieser kaltherzige Mensch. Nicht wahr?
 


 

× ×
 

„Morgen“, begrüßte Nami herzhaft gähnend und gab der Türe mit dem Beine einen ordentlichen Schubs. Erst halb acht Uhr und somit traf sie lediglich zwei Personen an. Einerseits den Smutje des Schiffes, Sanji, der den Kopf seitlich in den Nacken warf und ihr ein strahlendes Lächeln schenkte.

„Gute Morgen, Schönheit“, trällerte er und hantierte weiter mit den Pfannen, erkundigte sich noch ob sie lieber einen Tee oder Kaffee trank. Seitens ihrer sichtlichen Müdigkeit unnötig gefragt. Wie aus einer Pistole hörte er den Ruf nach Kaffee und ermattet sank Nami auf den Thekenstuhl. Neben ihr saß Franky. Bei ihrem Eintreten hatte er lediglich genickt und mittlerweile nuckelte er schlaftrunken an seiner Cola. Die Nachtwache hinterließ Spuren.

„Sieht nach Schnee aus.“ Sanji grinste freudig, stellte eine Tasse ab, dessen Inhalt noch dampfte, und schnitt nun Gemüse klein. Sacht nickte Nami, seine Worte entsprachen der Wahrheit. Seit dem gestrigen Tag ließ sie das Gefühl auf Schnee nicht los. Nicht nur die erkennbare Wetterveränderung wies daraufhin, nein, sie spürte es tief in ihrem Körper. Noch heute musste es schneien. Vorsichtig nippte sie an ihrem Kaffee. Ihre Augen streiften durch den Raum, fragend legte sie die Stirn in Falten.

„Ist Robin bereits gegangen?“ Skeptisch hielt Sanji inne, hob den Kopf an und neigte ihn anschließend zur Seite.

„Nein, ich dachte sie schläft länger. Außer euch war niemand hier“, verneinte er die Frage und erkannte einen überraschten Ausdruck im Gesicht der jungen Frau. Der Griff um die Tasse festigte sich und Nami spürte die davon ausgehende Wärme, die ihre Handflächen glühen ließ.

„Habt ihr…? Du weißt schon“, fing der Smutje leicht beunruhigt an, doch rasch schüttelte Nami mit dem Kopf und starrte auf den Inhalt ihrer Tasse.

„Beziehungsprobleme? Nein, und wenn es so wäre, dann wurde ich nicht informiert.“ Nachdenklich zogen sich ihre Augenbrauen zusammen. Ein merkwürdiges Gefühl beschlich sie, wenn sie an ihre Freundin dachte. Franky hatte die Flasche geleert, fuhr angestrengt durch seine Haartolle und stand auf. Mittlerweile hielt er kaum die Augen offen und so war es wohl besser das Frühstück auszulassen.

„Sie ist in der Bibliothek. Seit Stunden. Nacht, wir sehen uns beim Mittagessen“, sprach er gähnend und ließ die beiden unter sich zurück. Ein paar Minuten lang herrschte Schweigen, denn Sanji wusste nicht so recht, was er sagen sollte, zumal Nami einen unglücklichen Eindruck machte.

„Irgendetwas bedrückt sie“, murmelte die Navigatorin schlussendlich und stützte das Kinn an der linken Hand ab und sah dem Smutje direkt in die Augen. Seit ein paar Tagen war ihm eine gewisse Müdigkeit an ihr aufgefallen, aber ansonsten? Morgens war sie weiterhin normal wie eh und je fast zeitgleich mit ihm auf den Beinen. Entweder gesellte sie sich alleine in die Kombüse oder zusammen mit Nami, einzig dieser Morgen war eine Ausnahme, doch dachte er nichts Schlimmes.

„Robin wirkt normal auf mich und“, sprach er aus, verzog leicht den Mund, „vielleicht hat sie nicht schlafen können und dachte ein gutes Buch hilft und ist dort eingeschlafen? Du kennst sie ja, sie vergisst dabei schon mal die Zeit.“ Dieses Gefühl kam doch nicht aus heiterem Himmel. Seit Tagen wirkte ihre Freundin abwesend, mit den Gedanken an einem anderen Ort. Fiel nur ihr das auf? Oder sollte sie Sanji Glauben schenken und sie bildete sich diese Veränderung bloß ein? Unweigerlich stieß Nami einen Seufzer aus.

„Schenkst du mir weitere Tasse ein?“, fragte sie lächelnd und warf die Bedenken zur Seite. Womöglich lag er richtig und sollte sie nicht bald auftauchen, konnte sie noch immer nachsehen gehen.
 


 

× ×
 

Bibbernd durch die frostigen Temperaturen und dem mittlerweile schwach eingesetzten Schneetreiben, eilte die junge Frau die Planken Richtung Bibliothek entlang. Die Mannschaft, abgesehen vom Zimmermann, der seine schlaflose Nacht nachholte, saß bereits am Frühstückstisch und aß ausgiebig. Einzig Robin glänzte mit ihrer Abwesenheit. Das mulmige Gefühl kehrte zurück und der nachdenkliche Gesichtsausdruck des Smutjes hatte ihr eine kleine Bestätigung gegeben. Nach einem leichten Zögern klopfte Nami sacht an die Tür, horchte, doch erhielt sie keine Antwort. War Robin woanders hingegangen? Mit gerunzelter Stirn öffnete Nami vorsichtig die Türe, lugte bereits durch den Spalt hindurch und suchte nach der Gestalt ihrer Freundin. Leicht erhellten sich ihre Züge. Robin fand sie am Schreibtisch vor, den Kopf auf ihren Armen gebettet und allem Anschein nach schlafend. Kopfschüttelnd ließ Nami die Türe leise ins Schloss fallen und trat dicht hinter die schwarzhaarige Frau. Über deren Schulter hinweg erspähte sie mehrere Bücher sowie einen Notizblock. Der Inhalt war kaum einsehbar, denn ihre Arme verdeckten insbesondere das Selbstgeschriebene. In der Bibliothek war es kaum wärmer als draußen und so entschloss sich die junge Navigatorin ihre schlafende Freundin zu wecken. Sanft schlang sie die Arme um deren Oberkörper, bettete das Kinn an der Schulter.

„Aufgewacht, Schlafmütze!“, kicherte Nami ihr ins Ohr, küsste sie sacht am Hals. Die Reaktion erfolgte prompt. Panisch fuhr die schwarzhaarige Frau hoch, befreite sich kraftvoll aus dem Griff und stieß die Navigatorin von sich, die vollkommen überrumpelt durch die Geste das Gleichgewicht verlor und nach hinten auf ihr Steißbein fiel. Leise fluchte Nami auf.

Außer Atem fuhr sich Robin über ihr Gesicht, durch die Haare. Kontrolle, ihr erster Gedanken und die suchte sie sehr. Nur schwer beruhigte sich die schwarzhaarige Frau und mehrmals holte sie tief Luft. Nami, die noch am Boden saß, musterte ihre Freundin forschend. Kein gutes Zeichen. Schwungvoll sprang Nami auf die Beine, massierte die leicht gereizte Stelle und trat vorsichtig näher.

"Robin?", sprach sie sanft und streckte ihre Hand aus, die sich auf die Wange der anderen legte. Ein Zucken war spürbar, doch zum ersten Mal sah Robin sie an, blinzelte hektisch. Auf Nami wirkte es, als ob sie erst jetzt tatsächlich erwachte und realisierte das sie nicht alleine im Raum war. Entschuldigend senkte sie den Kopf, neigte ihn jedoch der warmen Handfläche entgegen.

"Tut mir leid. Habe ich dir wehgetan?" Ein wenig hatte das Steißbein schon gezwickt, aber das war kaum der Rede wert, und so schüttelte Nami den Kopf. Kaum ersichtlich zuckten Robins Mundwinkel. "Ich hab schlecht geträumt", fügte sie hinzu. Die Worte entsprachen sogar der Wahrheit und als sie die Arme um ihren Körper spürte, war es wie in diesem Traum. Langsam aber sicher lief all das außer Kontrolle.

"Wovon?", wisperte die Navigatorin und überbrückte den letzten Abstand, sah besorgt zur Schwarzhaarigen hoch, während ihr Daumen sacht über die Wange streichelte. Schweigend lehnte Robin ihre Stirn an die der Navigatorin und schloss die Augen, während ihre Arme an deren Hüfte ruhte.

"Einfach ein miserabler Alptraum.“ Alles andere als zufrieden seufzte Nami, zwingen konnte sie die andere noch nie. Wenn sie schon zu ihrem Traum keine Antwort geben wollte, so konnte sie wenigstens die Gunst der Stunde nutzen um ihrem unguten Gefühl nachzugehen.

"Und was bedrückt dich sonst?" Langsam öffnete Robin ihre Augen, sah direkt in jene ihrer Freundin.

"Ich bin... einfach müde. Ich schlaf nicht so gut. Vielleicht habe ich zu viel an meinen Forschungen gearbeitet", gestand sie ehrlich. "Mach dir keine Sorgen", murmelte sie gegen die Lippen der anderen. Doch warum konnten Nami den Worten keinen Glauben schenken.

It snows here all the time

Land in Sicht!“, rief Zorro und lehnte seinen Oberkörper aus dem geöffneten Fenster des Krähennestes. Drei goldene Worte die seine Mitstreiter eilig aus der warmen Stube lockten. Der Schneefall hielt weiterhin an, war mittlerweile stärker geworden. An sich ein nicht der Rede wert, doch war dieser gepaart mit einem eisigen Wind, der selbst Ruffy die Freude am Herumtollen nahm und ihn in die Kombüse lockte und sich lieber einen warmen Tee gönnte. Das Deck zierte ein weißer Anstrich und einzig Chopper strotzte den Bedingungen, blieb die Zeit über alleine am Treppenansatz sitzen und betrachtete das Schneetreiben. Der Wind drang kaum durch sein dickes, dichtes Fell und so fühlte sich das Rentier pudelwohl. Erst die Nachricht über die neue Insel brachte ihn auf die Beine und wie seine Freunde, lief er aufs höher gelegene Deck, blieb neben der Galionsfigur stehen und hievte sich auf die Begrenzung. Mit großen Augen starrte er auf das Stück Land und selbst aus dieser Weite konnte er die schneebedeckte Landschaft erkennen. Während die männliche Besatzung bereits fröhlich jauchzte, zog Nami den Zip ihrer Jacke so hoch wie möglich ehe sie forschend auf den Log-Port starrte. Keine der drei Nadeln zeigte auf besagte Insel und somit war diese nicht ihr angesteuertes Ziel.

„Merkwürdig“, flüsterte sie in Gedanken, warf erneut einen Blick geradeaus. Das beständige Wetter war durchaus ein Indiz für eine Insel gewesen, und obwohl das Auftauchen einer nicht registrierten Insel keine Besonderheit mehr war, irritierte sie die Insel. Denn ihre Reise auf hoher See hielt bereits drei Wochen an und in Anbetracht ihrer Recherchen, trotz aller Wetterumschwünge, müsste ihr eigentliches Ziel ebenfalls in unmittelbarer Nähe liegen. Zwei Inseln in dieser kurzen Distanz waren auf diesen Gewässern, insbesondere der Neuen Welt, unüblich. Es machte sie durchaus stutzig, zumal ihr dieses winterliche Eiland nichts sagte.

„Gehen wir vor Anker“, lachte der Strohhutjungen, der bereits auf seinem Lieblingsplatz am Kopfe der Galionsfigur stand, und freudig auf und ab sprang, den Blick dabei nie vom Land abgewandt. Nach Wochen auf hoher See sehnte sich Ruffy bereits nach einem neuen Abenteuer. Sogar die Marine war in dieser Zeit selten aufgetaucht und er spürte bereits die gähnende Langeweile, die ihm die Laune verdarb. Somit war die Insel eine willkommene Abwechslung und insgeheim erhoffte er sich bereits den einen oder anderen Schlagabtausch. Der nächste Tyrann den er vom Thron stoßen durfte? Doch reichte ihm bereits eine Horde von Monstern. Hauptsache er konnte sich nach Lust und Laune austoben. Argwöhnisch musterte Nami ihren Kapitän. Nach all den Jahren war ihr durchaus bewusst, woran dieser gerade dachte und musste sogleich seufzen. Seine Worte allerdings hatte ihre Berechtigung. Einen Aufenthalt nahmen sie mit Sicherheit wahr, denn allmählich neigten sich die Vorräte tatsächlich ihrem Ende entgegen und bevor sie länger auf See verweilten und die Reise noch mehr Zeit in Anspruch nahm, sollten sie wenigstens reichlich versorgt sein.

„Gut“, fing die Navigatorin an und setzte ein Lächeln auf, „gehen wir an Land. Solange der aktuelle Kurs intakt bleibt, versteht sich. Frischen wir die Vorräte auf und mal sehen, wir können den Abend ja in einer Bar ausklingen lassen.“ Sofort war die Crew Feuer und Flamme. So eine Landschaft hatten sie schon lange nicht mehr und auf den ersten Blick hin glaubte Nami kaum daran, dass ihnen die Insel Schwierigkeiten bereitete. Auch lud der Anblick zu einem Spaziergang ein und eine ausgiebige Shoppingtour war ebenfalls längst überfällig.

Einzig Robin blieb ruhig, nach außen hin konnte sie sogar desinteressiert wirken, doch brodelte ihr Inneres. Eine merkwürdige Ausstrahlung ging von der Insel aus, die sie nicht zu benennen wusste. Mit den Händen in der Manteltasche wanderte sie näher zur Begrenzung und musterte akribisch das Stück Land. Das Gefühl bestärkte sich und ein kalter Schauer, der sich nicht nach dem kalten Wind anfühlte, jagte ihren Rücken hinunter. Als ob hinter ihr jemand stünde, der ihr die Wärme stahl, fühlte sie sich erfroren.

Finde mich.“, vernahmen ihre Ohren und ihr Körper erstarrte. Leicht vergrößerten sich ihre Pupillen.
 


 

× ×
 

„Du bildest dir das ein“, murmelte Nico Robin ihrem Spiegelbild entgegen. Das Schiff hatte in der Zwischenzeit angelegt, die Aufgaben waren verteilt und jene, die von Bord gingen, bereiteten sich vor. Neben Franky und Brook blieb auch sie hier, obwohl Nami ihr mehrmals versucht hatte eine Shoppingtour schmackhaft zu machen. Jegliches Interesse die kleine Stadt zu erkunden, war binnen Sekunden verflogen. Vielmehr verspürte sie eine gewisse Abneigung, ihr Körper sträubte sich einen Fuß an Land zu setzen. Die Stimme hörte sie nun bereits außerhalb des Schlafes und so sehr sie das ihren gereizten Nerven schuldete, so sehr musste sie eingestehen, dass das kein gutes Omen war. Als Robin Schritt vernahm, wich sie vom Spiegel zurück, und ging zum Sofa.

„Lässt du dich wirklich nicht umstimmen?“, fragte Nami die die gemeinsame Kajüte betrat und schnurstracks auf ihren Kleiderschrank zusteuerte. Der Weg, den sie gesehen hatte, war vollkommen mit Schnee bedeckt, hie und da glitzerte eine Eisschicht durch, und daher brauchte sie ein weitaus passenderes Schuhwerk. Nach all den Monaten konnte sie wenigstens endlich ihre Winterschuhe ausprobieren, deren Schachtel mittlerweile schon eine Staubschicht aufweisen könnte, wenn sie nicht hie und da umräumen würde. Robin stand ans Sofa gelehnt da, die Arme verschränkt und den Blick auf den Boden gerichtet.

„Wohl nicht. Wenn wir länger bleiben, dann läuft mir ein Landgang nicht davon“, versuchte sie ihre Freundin zu überzeugen und Robin war durchaus bewusst, wie sie auf die andere wirkte. Nami war nicht auf den Kopf gefallen und seit dem Vorfall in der Bibliothek spürte die Schwarzhaarige die vielen Blicke, die nichts Gutes erhofften. Markant unterschieden sie sich von denen, die sie sonst erhielt. Diese waren besorgter Natur, waren regelrecht durchbohrend, als erhoffte die Navigatorin ihre Gedanken zu lesen. Zufrieden hatte Nami ihre Schuhe gewechselt, betrachtete diese ehe sie ihre Aufmerksamkeit auf die ältere Frau lenkte.

„Ich habe dich vorhin beobachtet“, murmelte sie während sie aufstand und einen Schal um den Hals gab. Ertappt sah Robin auf, versuchte diese Regung jedoch nicht zu sehr nach außen dringen zu lassen. Ein leichtes Räuspern folgte.

„Wie darf ich dich verstehen?“ Nami stand nun vor dem Spiegel, rückte die passende Mütze zurecht und lächelte wissend, wenngleich dieses Lächeln einen traurigen Schimmer trug.

„Weichst du aus?“, fragte sie leise und trat, nach einem letzten musternden Blick auf ihr Erscheinungsbild, dicht an die Schwarzhaarige. Einen Moment lang sahen sie sich in die Augen. „Wenn du dein Schweigen schon vorziehst, dann achte besser auf deine Köpersprache.“ Robin schluckte auf die Worte hin. Seit dem Fiasko am Morgen hatte Nami ihre Freundin bei jeder Gelegenheit im Auge behalten und hie und da einen Unterschied ausgemacht. Ganz gleich wie gut die Schwarzhaarige versuchte ihre Emotionen zu verbergen, nach der langen Zeit und dem Jahr, das sie nun in einer Beziehung verbrachten, kannte sie sehr wohl die feinen, aber markanten Unterschiede.

„Was beunruhigt dich an dieser Insel? Kennst du sie?“, fragte Nami mit sanfter Stimme, hoffend dadurch eine Antwort zu erhalten, die ihr mehr Aufschluss gab. Ohne groß darüber nachzudenken schüttelte Robin den Kopf. Nein, sie hatte keinen blassen Schimmer auf welcher Insel sie sich befanden und doch spürte sie diese Abneigung, wie nie in ihrem Leben zuvor. Tonlos seufzte Nami auf, sah an ihrer Freundin vorbei zur Türe.

„Nachdem ich dir ein ‚Ich liebe dich‘ entlocken konnte, dachte ich wir wären an einem Punkt angelangt, an dem du mir gänzlich vertraust und dich fallen lässt.“ Diese Liebesbekundung aus dem Mund der Archäologin zu hören, war mehr als sie je erhofft hatte. Wusste Nami doch um die Schwierigkeit Gefühle offen auszusprechen. Denn diese drei kleinen Worten hießen in Robins Welt sehr viel und sie wurden nicht grundlos und unüberlegt ausgesprochen. Ein Zeichen wie ernst es ihr mit der jüngeren Frau war.

„Hör auf“, wisperte Robin und sah ihre Freundin traurig an, „ich vertraue dir, du weißt das. Mehr als sonst jemanden.“ Wie ihr Schweigen wirkte, war Robin durchaus bewusst und dennoch taten ihr die Worte weh. An einem Mangel an Vertrauen lag ihre Zurückhaltung nicht. „Mach dir bitte keine Sorge. Gib mir ein wenig Zeit, dann hört es auf. Warum müssen wir darüber überhaupt diskutieren?“ Solange Robin nicht einschätzen konnte, womit sie hier kämpfte, wollte sie diese Träume für sich behalten.

„Ich mache mir aber welche“, erwiderte Nami sogleich und sah die andere wieder an, „ ich kenn dich und deine Alpträume. Egal ob ich dich dann geweckt habe oder nicht, nach dem Aufwachen hast du ihnen keine Beachtung geschenkt. Sofort warst du normal, als hättest du nie einen gehabt!“

„Was ist, wenn ich selbst keine Antwort habe?“

„Dann erzähl mir davon. Ich kann dir vielleicht helfen.“ Und dann wurde Nami oftmals gesagt, sie war ein Sturkopf. Anscheinend hatten diese, ihre Freunde eigenommen, nie eine Diskussion mit ihrer Freundin geführt, wo es um mehr als Belangloses ging. Robin schloss daraufhin einen Augenblick lang die Augen, atmete tief durch.

„Die Jungs warten auf dich.“ Streng sah Nami zur Archäologin hoch, die ein beschwichtigendes Lächeln aufsetzte. „Wir müssen unser Gespräch wohl auf später verlegen.“ Als Antwort erhielt Robin ein Brummen.

„Du lernst es nie“, murmelte die Navigatorin, marschierte an ihrer Freundin vorbei und streifte sich ihre Handschuhe über, die sie zuvor aus ihrer Jackentasche genommen hatte. Für den Moment hatte Robin zwar gewonnen, aber mehr auch nicht. Sobald sie zurück an Bord war, da würde ihr Nami neuerlich auf den Zahn fühlen, ohne Chance auf Ausflüchte. Nami trat an die frische Luft und erkannte bereits den Smutje und den Schwertkämpfer, verstrickt in eine gewohnte Diskussion. Während Sanji bereits guter Laune war und sich auf ein paar Stunden in der Stadt freute, zeigte Zorro großen Widerwillen. Das lag daran, dass er die Vermutung nicht los wurde, bloß als Gepäcksesel zu fungieren.

„Wird auch Zeit“, meinte Zorro angesäuert und verließ daraufhin das Schiff. Nami ignorierte seine liebreizende Ader gekonnt.

„Ich schätze der Rest ist schon unterwegs?“ Sanji nickte. Ruffy hielt kaum still und so hatte er Lysop und Chopper gepackt um endlich dem Erkundungsdrang nachgehen zu können. Lächelnd verabschiedete sich der Smutje, winkte dabei Robin hoch und folgte Zorro. Nami hingegen blieb an Ort und Stelle. Ein mulmiges Gefühl beschlich die junge Frau. Irgendetwas lag in der Luft, sie spürte es förmlich, als ob ein Sturm aufzog. Unschlüssig hob Nami den Kopf an. Robin stand noch da, wartete bis sie verschwunden war.

„Pass auf“, gab sie der Archäologin zu verstehen und hierbei meinte sie nicht das Schiff. Schwerfällig wandte sich Nami ab und folgte den Jungs. Warum fühlte sich ihre Entscheidung von Bord zu gehen gerade mehr als falsch an?
 

× ×
 

Nach einer ausgiebigen Erkundung der Hauptstraße und den dort beherbergten Läden, hatte Ruffy das Ruder an sich gerissen und seine Kameraden, Lysop und Chopper, in das nächste Wirtshaus gezerrt. Sein Magen hatte die Kontrolle übernommen und der Hunger gehörte eindeutig gestillt. Da sie bereits den einen oder anderen Einkauf getätigt hatten, wehrten sich die beiden kaum dagegen, außerdem spürten sie mit der Zeit ein eigenes Knurren.

Ohne große Worte zu verlieren, hatten sie das erstbeste Wirtshaus an, welches ihnen ins Auge stach, angesteuert. Während Chopper und Lysop ruhig hinterher marschierten, lief Ruffy voller Tatendrang los und sprang regelrecht in das Gebäude und schnurstracks zum nächstbesten freien Tisch. Der Wirt wirkte irritiert, zog die Brauen zusammen und musterte den neuen Gast. Die anderen Anwesenden taten es dem Wirt gleich. Kaum folgten Chopper und Lysop, schon erstarben die letzten Gespräche und die Aufmerksamkeit lag gänzlich auf der kleinen Gruppe. Der Wirt brauchte kaum eine Bestellung aufnehmen, denn Ruffy schrie lachend nach Fleisch und Chopper tat das Übrige. Lysop hielt sich zurück, denn die Blicke der Leute machte ihn stutzig. Nur nach und nach nahmen sie ihre Unterhaltungen wieder auf, doch ihre Augen lagen weiterhin auf den Unbekannten. Gut, ihre Crew war mittlerweile bekannt und viele erkannten ihre Gesichter, aber so reagierten Menschen selten auf ihre Anwesenheit. Sein Blick glitt zu seinen Begleitern, die den anderen keine Aufmerksamkeit schenkten sondern sich voll und ganz ihrem Essen widmeten. Solange niemand angriff brauchte er sich wohl keine Sorgen machen und so tat er es seinen Freunden gleich.
 

„Wohin gehen wir danach?“, fragte Chopper neugierig und biss herzhaft ins Stück Fleisch. Lysop dachte einen Moment nach, tippte sich dabei ans Kinn.

„Keine Ahnung, vielleicht finden wir noch einen interessanten Laden. Ansonsten können wir von mir aus zurück an Bord. Denn solange der Schneefall und der Wind anhalten macht das Spazieren wenig Spaß“, meinte der Schütze mit verzogenem Gesicht. So schön das Städtchen auch war, die Wetterverhältnisse waren genauso störend wie auf See.

„Der Schneefall endet nie“, nuschelte der Wirt neben ihnen gepresst und stellte weitere Teller ab. Lysop verschluckte sich an einem Bissen und sah dem Mann ängstlich entgegen. Dessen Stimme verhieß nichts Gutes und der Mann fügte hinzu: „Und ihr, ihr solltest verschwinden solange ihr noch dazu in der Lage seid.“ Chopper wurde stocksteif und ließ dabei das Besteck fallen.

„Sie veralbern uns, oder?“, fragte der Schütze vorsichtig. Ein undurchschaubarer Ausdruck ruhte auf dem Gesicht des Mannes.

„Wir sind Piraten, aber wir tun nichts. Wir legen hier nur eine Pause ein“, meldete sich Chopper sogleich zu Wort und verstand nicht, was ihnen der Wirt mitteilen wollte. Sahen sie sie daher so an? Weil sie Angst vor einem Überfall hatten? Der Wirt grinste leicht.

„Kleiner, Piraterie ist nicht das Problem“, erklärte er ernst und sah zu Ruffy, der weiterhin ohne Bedenken das Essen verschlang, „Auf der Insel herrscht ein Fluch und eure Anwesenheit sagt mir, dass er bereits ein neues Opfer gefunden hat. Sammelt eure Freunde ein und verschwindet, bevor er euch zerstört.“

„A-aber…“, stammelte Lysop sprachlos.

„Ruffy…?“ Ängstlich sah Chopper zu seinem Kapitän, der kauend den Wirt ins Visier nahm. Einen Moment wirkte Ruffy ernst, schluckte angestrengt die Bissen hinunter, doch zuckte er plötzlich verspielt mit den Schultern.

„Ich glaube nicht an Flüche“, lachte Ruffy und zog die neuen Teller näher. Chopper und Lysop tauschten nachdenkliche Blicke untereinander aus. Sollten sie Ruffys Einstellung übernehmen oder lieber dem Mann Glauben schenken? Die Antwort erfolgte prompt.

„Dann fang lieber damit an“, vernahmen sie eine neue Stimme. Ein alter, gebrechlicher Mann hatte das Wirtshaus betreten, stützte sich an einem Gehstock ab und nahm die drei unbekannten Besucher in Augenschein.
 


 

× ×
 

Knochen brachen und Körper fielen. Ungerührt von ihrer Tat entfernte sich die Frau. Reue kannte sie nicht. Um ihre Weiterreise zu gewährleisten, war ihr jedes Mittel recht.
 

Angespannt starrte Robin auf ihre Hände, die leicht zitterten. Wie viele Leben waren mit ihnen bereits ausgelöscht worden?
 

Du bist ein Monster!“, fauchte der Käpt’n und fiel auf die Knie. Röchelnd spuckte er Blut, sah nach seiner Mannschaft, die bereits leblos am Boden lag. Kalt lachte die Frau, war gemächlich an den Mann herangetreten und ging neben ihm in die Knie. Die Piratenbande hatte sie erkannt und gedacht, sie könnten mit ihrem Kopfgeld die Bordkasse auffüllen.

„Ah, ah. Das Monster habt ihr erschaffen, ihr alle“, sprach sie eisig und schenkte dem Mann ein letztes, dunkles Lächeln.
 

Konzentriert versuchte sie dem Zittern entgegenzuwirken, wirkungslos. Ganz gleich wie viel sie tat, ihr Körper gehorchte nicht.
 

„Kümmere dich um diese Narren.“ Breit grinsend nahm der Mann einen Zug seiner Zigarre, sank tiefer in den ledernen Sessel und betrachtete die vielen Krokodile.

„Gern“, entgegnete die Agentin, schob den Mantel über ihre Schultern und stolzierte bereits die ersten Stufen nach oben.

„Keine Überlebenden“, hörte sie ihren Partner und nickte. Wie immer, rasch und ohne Skrupel.
 

Woher kamen all die plötzlichen Erinnerungen? Lange Zeit hielt sie diese unter Verschluss, tief vergraben in ihren dunkelsten Ecken. Aus dem Nichts heraus kamen sie ihr in den Sinn, wirkte real wie eh und je.
 

Ich bin in deiner Nähe.“ Erschrocken fuhr Robin hoch. Entgeistert suchte sie den Raum ab. Niemand da, sie war alleine. Den Kiefer fest aufeinander gebissen sodass der Knochen stark hervorstach, ballte sie ihre Hände. Vielleicht lag mehr hinter den Träumen als angenommen? Gar ein Feind aus alten Tagen? Doch wer könnte ihr Gegenspieler sein? Feinde hatte sie in Hülle und Fülle. Geistesabwesend schritt sie durch den Raum, versuchte den entscheidenden Faktor zu finden. Existierte die Stimme tatsächlich und war keine Einbildung, dann musste jemand dahinter stecken.
 

Folge mir und höre auf deine wahre Natur

„Schluss damit. Wer ist da?!“, knurrte die Archäologin förmlich.

Geh in den Wald, du kennst den Weg“ Die Umgebung war menschenleer, das erspähte sie mit Hilfe ihrer Kräfte. Wie war dies möglich? Sollte sie dem nachgehen oder lieber bleiben? Gespalten sank sie auf ihr Bett, lehnte den Oberkörper vor und vergrub das Gesicht in den Handflächen. Ihre Nerven lagen blank. Die Stimmt war fort, doch nahm die Kälte ihren Körper in Anspruch.
 

„Du willst die Welt wahrlich brennen sehen“, sprach der Mann energisch und betrachtete die Frau mit Argusaugen, „und ich kann dir helfen.“ So manch ein Handlanger suchte nach ihr, nicht ihres Kopfes wegen, vielmehr um ein Geschäft abzuschließen. Sacht schüttelte die Archäologin ihren Kopf.

„Feuer ist mir kein guter Freund gewesen. Da sehe ich sie lieber im eisigen Winter erstarrt.“
 

Antworten, sie brauchte Antworten ehe sie ihren Verstand gänzlich verlor. Ihr Körper wurde rastlos, unruhig zuckte ihr Bein. Wieder stand sie auf, marschierte quer durch den Raum.

„Hopp oder tropp.“ Je länger sie hier verweilte desto schlimmer erging es ihr und so fand Robin nur einen Ausweg. Sie musste den Ursprung finden. Noch im Gehen schnappte sie ihren Mantel. Ein kleiner Ausflug bedeutete gewiss nicht das Ende der Welt, oder?
 

× ×
 

„Die Insel ist von Idioten bewohnt!“, kommentierte Nami gereizt und stapfte den schneebedeckten Pfad entlang Richtung Schiff. Niemand konnte ihnen eine zufriedenstellende Auskunft geben. Wurden sie nicht nur mit Starren quittiert, erhielten sie Antworten, die lächerlicher nicht sein konnten. Mehrmals wurde ihnen gesagt, sie sollten die Insel verlassen.

„Der Fluch der Schneekönigin? Pah, das ich nicht lache!", murrte sie weiter. „Schneekönigin! Die Bewohner fürchten ein Märchen? Dass Kinder daran glauben, verstehe ich, aber Erwachsene? Verrückt. Nein, lächerlich! So ein bescheuerter Haufen ist mir lange nicht untergekommen.“ Schweigend rauchte Sanji seine Zigarette während sein Blick hoch gen Himmel glitt. Der Schneefall ließ nicht locker und wie sie erfahren hatten, blieb dieser konstant, hörte nie gänzlich auf. Was war hier los?

„Vielleicht ist Monet am Leben und hat sich nach dem Fall ihres Meisters hier niedergelassen“, lachte der Schwertkämpfer, vollkommen unbeeindruckt vom dem Palaver der Leute. Momentan störten ihn lediglich die Einkäufe, die er wie ein Packesel hinterher tragen musste. Sanji warf einen Blick zur Seite. Was wenn die Worte der Wahrheit entsprachen? Die Bewohner wirkten verängstigt deswegen und niemand schien als ob er log, nur um die Piraten von der Insel zu vertreiben. Die Geschichte rund um die Königin war ihm durchaus bekannt. Genauso wie jenes Märchen über Noland. Bis zu Skypia dachte er all die Jahre es war bloß eine einfache Lügengeschichte und am Ende entsprach die Aussage des Mannes der Wahrheit. Und doch die Schneekönigin hatte ein weitaus höheres Niveau.

„Vergessen wir das“, erhob Nami nochmals das Wort und hielt an der Leiter, die hoch zum, normalerweise, grasbedeckten Deck führte, inne. „Wir haben unsere Vorräte aufgestockt. Daher schlage ich vor wir fahren noch heute weiter. Die Lust länger hier zu bleiben, ist mir eindeutig vergangen!“ Oben angekommen, fanden sie Franky vor der putzmunter war und das Deck freischaufelte.

„Ist was passiert?“, fragte er irritiert als er das genervte Gesicht der Navigatorin sah.

„Frag nicht. Idioten soweit das Auge reicht. Ist Robin in der Bibliothek?“ Sofort schüttelte Franky mit dem Kopf.

„Nein, sie ist schon eine Weile mit Brook aufgebrochen.“ Perplex blinzelte Nami.

How our sun has gone away

Ein Landgang?“, hörte Robin den Musiker, hielt in ihrem Schritt innen und blickte zur Seite, wo dieser guter Laune auf seinen Zylinder klopfte, diesen vom Schnee befreite.

„Ein kleiner Spaziergang schadet nie“, erwiderte sie schließlich und vernahm ein Kichern.

„Bei dem Schneegestöber? Unsere Freunde dürfte bald zurück sein.“ Der Schneefall blieb konstant und sein Blick glitt über die Landschaft. Der Winter hatte hier wahrlich Fuß gefasst. „Darf ich dich begleiten?“ Wie lange sie hier verweilten, war fraglich und die Neugierde auf jeden Fall vorhanden, zudem Franky mittlerweile Schlaf nachgeholt hatte.

Die Miene der Schwarzhaarigen blieb unergründlich, doch Brook spürte eine Hastigkeit in ihrem Verhalten. Die Frage störte sie. Eine alleinige Erkundung war ihr Grundgedanke gewesen, ohne die wachsamen Augen eines Freundes an ihrer Seite. Doch wie wirkte eine mögliche Abweisung? Einfach unhöflich? Irritierend? Oder dachte Brook nicht viel dabei?

„Yohoho“, lachte er verklärt und trat näher. „Verbirgt sich hinter deinem Zögern ein Geheimnis?“ Die Antwort auf ihre Fragen. Selten lehnte sie die Gesellschaft ab, sofern sie angeboten wurde. Anstatt Brook länger anzusehen, wandte sie der Insel ihre Aufmerksamkeit zu.

„Und wer passt auf das Schiff auf?“, fragte sie bedächtig und trat bereits an die Begrenzung. In ihrem Kopf ratterten die Gedanken. Einerseits half ihr eine Begleitung, denn so musste sie Acht geben, andererseits war ihre Verfassung wünschenswert und kaum einzuschätzen und ohne dem Wissen, was sie dort erwartete, wollte sie lieber alleine die Begebenheiten herausfinden.

„Franky isst gerade, er hat sicherlich nichts dagegen.“ Mit diesen Worten marschierte der Musiker rasch in die warme Stube während Robin gespalten an Ort und Stelle verharrte.
 

Grübelnd zog Brook seine Taschenuhr hervor, stieß einen überraschten Laut aus. Knapp eine Stunde dauerte der Spaziergang bereits an. Sein Blick richtete sich nach vorne, nahm seine Gefährtin ins Visier, die seit einer Weile kein Wort mehr sprach und starr einem kleinen, engen Pfad folgte, auf dem schon länger niemand gewesen war. Lange genug lief er Robin hinterher, beobachtete sie lediglich und fragte, wohin sie der Weg trieb, denn die Schwarzhaarige gab den Takt vor und schien ein klares Ziel vor Augen zu haben. Kannte sie die Insel? Und dann war da das Wetter. Bisher machte ihm der Schnee keine Probleme, leichtfüßig nahm Brook jedes Hindernis, gar die Kälte perlte ab. Robin wirkte anders. Der Weg nahm an Steilheit zu, die Schneedecke wurde höher und unweigerlich schüttelte er den Kopf, nahm an Geschwindigkeit zu, rief ihren Namen. Keine Antwort und so packte er Robin an Handgelenk, zwang sie zum Stillstand.

„Kehren wir um. Bald ist es dunkel und ich finde der Schneefall wird stärker“, versuchte er ruhig. Erneut blieb ihm eine Antwort verwehrt, Robin löste lediglich seinen Griff und marschierte unbeirrt weiter. „Dir muss kalt sein!“, rief er hinterher, denn ganz gleich wie warm ihr Mantel wirkte, so trug sie weder einen Schal, Handschuhe noch eine Mütze. Rasch überbrückte Brook den Abstand, überholte sie und blieb stehen, streckte die Arme zur Seite, verhinderte ein Vorbeikommen. Irgendetwas war faul.

„Was ist mit dir?“, fragte er fast flüsternd, denn in ihrem Gesicht erkannte er bloß einen dunklen Ausdruck, den er höchstens Feinden gegenüber erspähte. Markant zuckten ihre Augenlider.

„Geh mir aus dem Weg!“, forderte sie in einem eisigen Ton, der normalerweise ausreichte um jedes Widerwort im Keim zu ersticken, aber Brook hielt stand. Ohne eine überzeugende Begründung gab er den Weg nicht frei.
 


 

× ×
 

„Wir müssen sofort verschwinden!“, brüllte Lysop panisch und Chopper nickte hastig: „Genau!“ Bereits aus der Ferne hatten sie nach ihren Freunden gerufen. Lysop nahm tiefe Atemzüge, war er gerannt als ob der Feind ihn im Nacken saß. Die Erzählung, so verrückt sie sich anfangs anhörte, bereitete ihm Sorgen. Der alte Mann, der sich als Bürgermeister zu erkennen gab, sprach mit eisernem Ernst, die Blicke der Anwesenden taten ihr Übriges. Zorro brummte rau, fuhr mit der Handfläche durchs Gesicht. Damit hatte er rechnen müssen.

„Lasst mich raten“, antwortete Nami, trat näher an den kleinen Trupp, Schärfe lag in ihrer Stimme, „sie haben euch das Märchen aufgebunden?“ Dementsprechend legte sie einen genervten Gesichtsausdruck zu Tage. Während Lysop und Chopper ein Zucken durchfuhr und eingeschüchtert wurden, blieb der Käpt’n ungerührt, grinste vielmehr freudig.

„Haben sie. Ist das nicht klasse? Der Fluch der Schneekönigin… das klingt nach einem spannenden Abenteuer! Bleiben wir und warten“, frohlockte er regelrecht, Vorfreude keimte auf, er sehnte förmlich nach Spannung. Die letzten Wochen auf See waren eintönig und somit langweilig gewesen. Kaum ein Marineschiff kreuzte ihren Weg, lediglich eine kleine Insel, aber war diese unbewohnt gewesen und dort machten sie lediglich eine Nacht lang Halt. Umso mehr hatte er der Erzählung mit großen Augen gelauscht, sie hörte sich nach einer ordentlichen Portion Spannung an, die er allzu gerne in Erwägung zog.

„Tickst du noch richtig? Entspricht das der Wahrheit, dann haben wir ein massives Problem!“, fuhr Lysop seinen Käpt’n an, der darauf bloß lauthals zum Lachen anfing.

„Darum geht ‘s doch“, erwiderte er sogleich. Was ihnen nicht auffiel, war die Ader an Namis Schläfe, die markant hervorstach und stark pochte.

„Das ist ein bescheuertes Märchen, ihr Deppen!“, zischte sie gefährlich. Alle drei holte sich eine kraftvolle Kopfnuss ab. „Wir reisen ab sobald Robin und Brook zurück sind.“ Nachdem sie ihren Standpunkt knapp, aber ausreichend darstellte, stapfte sie Richtung Kombüse. Warum hatte sie sich dafür hinaus in die Kälte begeben? Nach dem Gebrüll hatten sie mit einer ernsten Nachricht gerechnet, einem Feind oder anderen Komplikationen, aber erneut wurde sie eines Besseren belehrt. Ihre Freunde fielen auf jedes Geschwätz rein.

„Eure Naivität ist erschreckend“, meinte Zorro an die Gruppe, schüttelte den Kopf und folgte der Navigatorin. Chopper war eine Sache, er glaubte jeden Bären, den man versuchte ihm aufzubinden, aber Lysop, der täglich Märchen erzählte? Ruffy glaubte zwar, aber er hatte keine Angst und doch erwartete er sich mittlerweile ein wenig mehr von seinem Kapitän.

Sanji stand wieder an der Arbeitsplatte, setzte seine Arbeit fort. Ein kleiner Nachmittagsimbiss. Schweigend hatte er gelauscht und obwohl sich die Geschichte bescheuert anhörte, so spürte er aufkommende Zweifel. Gewiss, ein Teil hielt sie alle für Schwachköpfe und trotzdem war da ein mulmiges Gefühl in seiner Magengegend. Die Bewohner wirkten nicht wie Lügner auf ihn, sie glaubten felsenfest an jedes einzelne Wort, das konnte er in ihren Gesichtern lesen. Allein die Blicke als sie den Marktplatz betraten, durch die Straßen schlenderten. Besucher waren fremd. Fluchend nahm Nami am Hocker Platz, riss ihn aus seinen Gedanken. Still beobachtete er, wie sie an ihrem Tee nippte, der mittlerweile stark abgekühlt war.
 


 

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„Robin…“, keuchte der Musiker schwer, wälzte vergebens im Schnee. Die Arme machten ihn bewegungsunfähig, hatten ihn rasch von den Beinen gezerrt und je länger er sich dagegen wehrte desto mehr schwanden die Kräfte. Nach etlichen Versuchen und den resultierenden Minuten des Schweigens seitens der Archäologin, war ihr der Geduldsfaden gerissen. Sein Pech, dachte sie.

„Lass mich los!“, brüllte er schlussendlich aus Leibeskräften, doch schenkte Robin ihm kein Gehör und nahm die letzten Meter zum Ziel alleine in Angriff. Um Begleitung hatte sie nie gebeten, er hatte nicht aufgehört und so zog sie ohne Bedenken die Notbremse. Wer ihr den Weg versperrte, musste mit Konsequenzen rechnen. Verzweifelt sah Brook hinterher, wie sollte er freikommen, wenn sie ihn nicht ließ? Langsam gab er auf, sah keinen weiteren Sinn dahinter anzukämpfen. Regungslos lag er da, starrte gen Himmel. Vielleicht, so hoffte er, ließ Robin von ihm ab sobald sie erkannte, dass er resignierend aufgehört hatte.
 


 

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Der Schneefall war stärker geworden und an Bord herrschte eine Unruhe, die selbst Nami nicht länger verleugnete. Von dem Gerede der Bewohner wollte sie weiterhin nichts hören. Ihrer Ansicht nach lag der Grund für die besorgten Gemüter in den fehlenden Crewmitgliedern, die weiterhin spurlos untergetaucht waren. Vermehrt hatte Nami die Uhr gesucht, solange bis sie es in der Kombüse nicht länger aushielt. Robins merkwürdiges Verhalten ging ihr kaum aus dem Sinn. Kein Wunder, dass ihr die Atmosphäre auf den Magen schlug. Nun stand sie an Deck, eingepackt in feste Winterkleidung, und dennoch spürte sie die Kälte, die ihr durch die Glieder fuhr. Immer wieder trat sie auf der Stelle, behielt die gesamte Zeit über die Landschaft im Auge, suchte förmlich nach den Umrissen der beiden, die nirgends auftauchten.

„Irgendein Zeichen?“ Franky tauchte hinter ihr auf, nachdenklich zog er die Brauen zusammen und tat es der Navigatorin gleich. Er starrte förmlich auf den Weg, der einzige, der direkt zu ihrem Schiff führte. Wortlos schüttelte Nami den Kopf, strich kraftvoll ihre Oberarme entlang, ihre geröteten Wangen schmerzten allmählich durch den beißenden Wind, der jegliche Wärme stahl. Wie konnten sie bei diesem Wetter solange draußen verweilen?

„Die Insel ist friedlich, glaube kaum, dass sie in einen Kampf geraten sind“, kommentierte Sanji seinerseits, blies nervös den Rauch aus, rückte den Schal um seinen Hals enger. Selten machten sie sich Sorgen, wenn jemand länger an Land blieb, aber allein des Wetters wegen, fiel auch ihm die Geduld länger im Warmen abzuwarten.

„Wie lange schon?“

„Drei Stunden“, hörte sie Franky. Erschöpft massierte Nami ihren Nasenrücken. Noch hatten sie Zeit, noch spielte das Tageslicht mit, aber was dann? Die Insel war, sofern sie ihre Freunde suchen mussten, groß genug um aneinander vorbeizulaufen.

„Brook hat dir wirklich nichts gesagt?“ Frankys Blick reichte aus, immerhin hatte Nami die Frage bereits mehrmals gestellt. Ein Räuspern folgte, Sanji warf den Zigarettenstummel von Bord, lehnte gegen das Holz, nahm insbesondere Nami ins Visier.

„Ich habe verstanden, dass du von dieser Geschichte nichts hören möchtest, aber nehmen wir an, sie enthält einen Funken Wahrheit. Dann haben wir eine Erklärung für ihr Verschwinden.“ Er erkannte den Spott in ihrem Ausdruck, seufzte. „Du hast selbst gesagt, sie wirkt anders.“ Nein, daran verschwendete sie keinen Gedanken. Für Robins Verhalten gab es am Ende eine logische Erklärung, die nicht auf ein Märchen beruht.

„Lass das. Seit wann glauben wir an ein dümmliches Geschwätz, das Unerwünschte von der Insel verjagen soll?!“ Fassungslos über die Worte ihres Kameraden schüttelte Nami den Kopf, wehrte sich vehement gegen seine Theorie. Von ihm hatte sie eine andere Einstellung erwartet. Sanjis Lippen hingegen formten ein schwaches Lächeln, denn in ihrer Stimme hatte ein gewisser Nachdruck gefehlt, den er kannte, wenn sie ihre Meinung vertrat, der ein Ankommen gegen sie beinah unmöglich machte. Vollkommen überzeugt war Nami wohl nicht mehr. Einzig der Cyborg schwieg, starrte weiter nach vorne, hatte den Ernst in Sanjis Worten wahrgenommen und wusste selbst nicht mehr, was er glauben sollte.
 


 

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Brook rannte, so schnell seine Beine ihn ließen, die letzten Meter hoch. Nachdem er regungslos ausgeharrt hatte, verschwanden die Hände, plötzlich und unerwartet, wie sie ihn umschlagen hatten. Nur zwei Möglichkeiten fielen ihm ein. Entweder aus freiem Stück, da Robin gemerkt hatte, wie er resignierte oder aber dahinter lag ein anderer Grund: Sie brauchte ihre Kräfte anderweitig. In Anbetracht der Verfassung der Schwarzhaarigen, konnte Brook kaum einschätzen, welche Variante er vorzog. Tief durchatmend verlangsamte er die Schritte. Er befand sich auf einer Ebene, halb umrandet von massiven Felswänden, während auf einer Seite der Abgrund wartete. Eine einfache Schlussfolgerung, dieser Ort konnte nur über den Pfad erreicht werden. Rasch ließ er den Blick schweifen, von Robin fehlte jegliche Spur. Ihre Teufelskräfte boten durchaus Spielraum, ohne Schwierigkeiten hätte sie die Felswand hinauf können, aber den Gedanken verwarf er sofort je näher er dem Hindernis kam. Ein Schneesturm tobte, die Sicht erschwerte sich und doch erkannte er einen Spalt, eine Öffnung inmitten der Bergwand, die als Eingang diente.
 

Unsicher blieb Brook stehen. Seine Intuition war überzeugt, Robin dort drinnen vorzufinden, aber wie sollte er sich nähern? Mit ihren Kräften lag er schneller am Boden als ihm lieb war und seiner Einschätzung nach, war Robin nicht sie selbst. Er hatte eine andere Frau kennengelernt, die nie ihre Hand gegen die eigenen Freunde erhob. Vielleicht wartete er und hoffte auf ihr Zurückkehren, aber auch hinter diesem Einfall bestand ein Maß an Risiko. Die Dämmerung setzte bald ein. Der Griff um seinen Gehstock, der ihm als Waffe fungierte, festigte sich. Nachdenken brachte ihm nichts, konnte er, sobald er Robin gefunden hatte, immer noch. Gewillt das Innere zu betreten und die Archäologin aufzuspüren, setzte er sich erneut in Bewegung, doch am Eingang traf er auf Widerstand, der ihm den Eintritt verwehrte und unsanft zurückwarf. Perplex lag er neuerlich im Schnee, gerne hätte er geblinzelt. Schwerer als erwartet sprang er auf die Beine, zog die Klinge. Selbst seine Attacken verpufften, hinterließen keine Spur. Woran lag das? War sie doch woanders? Schwer atmend sank Brook auf die Knie, suchte vergebens nach der Archäologin, schrie mehrmals ihren Namen und der Moment, den er nie herbei gesehnt hatte, war endgültig gekommen: Panik kroch hoch.
 


 

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Chopper stolperte regelrecht um die Ecke. Nachdem er die aufgebrachte Stimme des Cyborgs gehört hatte, der laut nach ihm rief, war er sofort aufgesprungen und aus der Bibliothek geeilt. Da er nur seinen Namen gehört hatte, schloss er einen Angriff aus. Jemand brauchte seine Hilfe. Er sah Sanji, der auf den Knien mit dem Rücken zu ihm war, Franky der ihn eilig herbei winkte und dann erkannte er Nami, die zusammengekauert gegen die Begrenzung lehnte.

„Was hat sie?“

„Du bist der Arzt!“

„Das weiß ich selbst! Ich muss aber dennoch wissen, was passiert ist!“

„Dann schau nach!“

„Haltet die Klappe!“, fauchte Nami daraufhin, brachte Franky und Chopper zum Schweigen. „Alles in Ordnung.“ Gegen den Willen des Arztes stand sie auf, Sanji half ihr dabei, die Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ihre Hand ruhte auf ihrer Brust, tief atmete sie durch. Was war das?

„Komm mit, ich untersuche dich.“

„Ich hatte bloß Herzstechen“, spielte sie die Situation herunter, denn das war wahrlich untertrieben. Für einen Moment hatte es sich angefühlt, als ob ihr jemand das Herz gewaltsam entriss.

I've lost it all

Ratlos beäugte Chopper die Navigatorin, lugte neuerlich die gemachten Notizen. Anhand der Untersuchung ergab sich keine plausible Diagnose, das behagte dem Arzt nicht und so suchte er nach neuen Möglichkeiten, die zu ihren Symptomen geführt hatten. Chopper musste eingestehen, dass das Thema vorerst abgehakt war. Doch würde er später gewiss ein weiteres Mal nachforschen, denn so etwas durfte er nicht einfach so auf sich beruhen lassen. Außerdem glaubte Chopper nicht die gesamte Wahrheit gehört zu haben, dafür hatte sich Nami viel zu sehr gegen eine Untersuchung gewehrt. Beschwichtigend lächelte diese, sprang vom Bett und schlüpfte, halbwegs zufrieden, in ihren Pullover. Nach etlichem Hin und Her hatte sie nachgegeben, ließ die Prozedur ergehen und wie erwartet, wenn nicht gar erhofft, fand er kein Anzeichen für ihr kurzfristiges Unwohlsein.

„Chopper“, fing sie sanft an, kniete nieder und sah dem Rentier in die Augen, „ich stand länger in der Kälte, hab womöglich falsch geatmet. Kann vorkommen. Mir geht’s gut.“ Im Normalfall war sie froh über seine Hartnäckigkeit, aber dieses Mal musste er aufhören und den Moment als Nichtigkeit abtun. Andere Probleme standen im Vordergrund und ihnen gehörte die höchste Priorität, immerhin waren Robin und Brook weiterhin abwesend, warum also die Zeit verschwenden? Und doch, sie redete sich die Situation selbst schön. Seit sie diesen Schmerz gespürt hatte, dachte sie darüber nach. Nie zuvor war sie solchem begegnet und nie wieder hoffte sie auf ihn. Und je länger sie nach dem Grund suchte desto stärker wurde eine unliebsamer Gedanke: Der Schmerz entsprang nicht körperlicher Natur. Sie war gesund, fühlte sich pudelwohl. Eine Vermutung, die Nami nicht aussprach, für sich behielt. Eben solange bis sie eine Erklärung fand oder wenigstens die richtigen Worte.

„Du hast wirklich keine Beschwerden mehr? Und sonst ist nichts vorgefallen?“, fragte Chopper nochmals, der strenge Ton hörbar, den er nur bei solchen Angelegenheiten an den Tag legte. Ihre Mundwinkel zuckten.

„Nein“, log sie, ohne lange Bedenkzeit, zuckte bedächtig mit den Schultern. Gelogen aufgrund eines kleinen Details, das sie bewusst zurückhielt, das sie selbst ratlos machte, bei dem sie zugeben musste, dass das merkwürdig war. „Belassen wir das Ganze. Ein einmaliger Vorfall. Wir haben andere Sorgen.“ Unweigerlich warf Chopper einen Blick auf die Uhr, die Dämmerung hatte mit Sicherheit bereits eingesetzt und er wusste zu gut, dass dieser Übergang von Tag und Nacht rasch erfolgte. Somit widersprach er nicht, nickte bloß.
 


 

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„Durchhalten!“ Entkräftet irrte Brook durch die Schneemassen. War er richtig? Bald musste er doch dort ankommen? Längst hatte er sowohl sein Zeitgefühl als auch die Orientierung verloren. Seine Konzentration lag einschließlich darin bei Bewusstsein zu bleiben. Wie lange war er unterwegs? Lief er in die falsche Richtung?

Der Schock saß ihm in den Gliedern, ließ diese schlottern, während ihm die Kälte nach und nach jegliche schützende Wärme entriss. Unachtsam, den Blick stets nach vorne gerichtet, blieb der Musiker hängen, stürzte neuerlich nach vorne weg. Die Knochen klapperten, fröstelten während die weiße Decke ihn mit offenen Armen willkommen hieß. Flach atmete er, umfasste fest den Griff des Stockes. Würden sie ihm Glauben schenken? Verstand er immerhin selbst nicht, was dort oben vorgefallen war. Fand er überhaupt eine passende Erzählung? Wie erklärte er seine alleinige Rückkehr? Lange genug hatte er oben am Plateau ausgeharrt, gewartet, der Witterung gestrotzt und mit aller Kraft einen Weg ins Innere gesucht. Bis sie aufgetaucht war. Verbittert biss er die Kiefer aufeinander, bis er den Schmerz spürte. Das aufkeimende Schluchzen erstarb noch in seiner Kehle.

Müde sah er gen Himmel. Die Nacht hatte die Insel in Beschlag genommen, die massive Wolkenfront verhinderte den Schein des Mondes. Lediglich der Schnee spendete ein wenig Sicht, die ihn nicht gänzlich blind umher irren ließ und ihm bisher einen halbwegs guten Dienst erwies, trotz allem. Doch blieb er liegen, atmete stockend. Er musste ruhen, all das hatte an seinen Kräfte gezerrt. Die bleierne Müdigkeit seiner Knochen machte ihn bewegungsunfähig. Ein paar Minuten, sagte sich Brook, dann setzte er die Reise fort.
 


 

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Schmollend schlürfte der Strohhutjunge durch die Kombüse, drehte die Runden, die Arme hingen zu Boden. Die theatralischen Blicke, die er stets seiner Navigatorin schenkte, ignorierte diese gekonnt. Nein, mit der Aufteilung war Ruffy keineswegs zufrieden. Sogar Chopper und Lysop durften den Trupp, der die verschollenen Freunde suchte, bewohnen und ausgerechnet er, er war gezwungen an Bord abzuwarten. Niedergeschlagen atmete er lange, laut hörbar, aus, damit sie ihn ja nicht überhörte. Unverändert, ohne Ruffy die gewünschte Aufmerksamkeit zu schenken, saß sie da, starrte lediglich die Teleschnecke zu Tode, die jederzeit sowohl gute als auch schlechte Nachrichten überbringen konnte.

„Ich bin der Käpt’n“, versuchte er nun. Ein Kapitän, der binnen Sekunden überstimmt worden war. Gewiss befehligte er das Schiff nach wie vor, aber in manchen Belangen, wusste sie ihn aus dem Spiel zu nehmen, aus gutem Grund. Solange sie nicht wussten, was los war, war es besser.

„Dann sei ein Kapitän und vertrau deinen Mitstreitern!“

„Was ist, wenn sie von einem blutrünstigen Monster angegriffen werden?“ In seinen Augen lag keine Furcht, sondern ein Funkeln, das vielmehr nach dem Verlangen rief, einen Kampf bestreiten zu dürfen. Er wollte die angestaute Energie der letzten Wochen loswerden.

„Hast du keinen Hunger?“ Den Blick kannte Nami, leider und eine Diskussion darüber brachte sie gerade keineswegs, dafür lagen ihre eigenen Nerven blank genug.

„Nein“, kam die Antwort prompt und der Strohhutjunge verzog keine Miene. Geraume Zeit sahen sie sich bloß in die Augen bis Ruffy erneut das Wort erhob: „Tu was gegen die Langeweile! Das Warte ist furchtbar…“ Entnervt rollte Nami mit den Augen.

„Machst du dir eigentlich Sorgen oder stört es dich bloß, dass dir ein mögliches Abenteuer entgeht?“ Eine Frage, die sie nicht grundlos stellte. Während die Sorge sie innerlich auffraß, wirkte er wie ein kleines Kind, das nicht mitspielen durfte. Ein merkbar ungünstiger Moment.

„Nö. Die machen das schon. Brook und Robin sind stark, die werden nicht einfach überrumpelt“, erklärter er zuversichtlich und grinste, „außerdem, Robin findet immer einen Weg um uns eine Nachricht zu übermitteln. Wären sie in Gefahr, hätte sie das längst getan.“ Ungläubig schüttelte Nami den Kopf. Entweder glaubte er wirklich daran oder er spielte die Situation für sich selbst hinunter in der Hoffnung, dass es ihnen tatsächlich gut ging.

„Und warum haben wir bisher nichts von ihnen gehört? Ruffy…, sie sind seit Stunden fort!“

„Vielleicht haben sie etwas Interessantes gefunden und die Zeit vergessen. Sie tauchen schon auf.“
 


 

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„BROOK!“ Franky stapfte quer feldeinwärts, ebnete Zorro und Chopper, die ihn begleiteten, einen Pfad. Sie hatten die Gunst der Stunde genützt, denn binnen weniger Minuten hatte der Wind aufgehört und der Schneefall war kaum noch erwähnenswert. Grundlegende Bedingungen, die ihnen die Suche um einiges erleichterten.

„ROBIN!“, schrie das Rentier, versuchte weiterhin eine Witterung aufzunehmen. Dennoch verlief dieser Teil bisher erfolglos. Da Sanji und Lysop die Stadt absuchten, durchstreiften sie hingegen das Umland. Zorro hielt eine Laterne in die Höhe, ließ immer wieder den Blick streifen.

„Wenn das so weiter geht, dann haben wir in ein paar Stunden die gesamte Insel abgeklappert“, murrte der Schwertkämpfer und allmählich glaubte er sogar daran. Eines wusste er, sobald er die beiden gefunden hatte oder sie von alleine zurückkamen, dann würde er eine saftige Ansprache halten, die sich gewaschen hatte. Seine Vorstellung von einem gelassen Abend war dahin. Statt ein paar Gläser zu heben, durfte er durch den Schnee stapfen und Suchtrupp spielen. Keine seiner Lieblingsbeschäftigungen.

„Dann machen wir das eben. Hauptsache wir finden sie“, entgegnete Franky und hielt inne. Sie waren an einem Weg angelangt.

„Wohin? Folgen wir dem oder laufen wir weiterhin ohne Plan durch die Gegend?“, fragte der Cyborg Chopper, irgendwie hatte er mittlerweile selber keinen Schimmer wo lang.

„Tiefer in den Wald“, antwortete jedoch Zorro, woraufhin Franky bloß die Brauen hob, ein Lachen unterdrückte er.

„Vergiss das, dir folge ich keinen Meter“, feixte er allerdings und hörte ein Schnauben des Schwertkämpfers, dessen Ader hervorstach und in Folge eine Diskussion ins Rollen brachte. Chopper hingegen starrte gebannt Richtung Norden, schnüffelte konzentriert. Noch bevor er seine Kameraden davon berichtete, lief er schon los.

„Chopper!“, hörte er die beiden im Chor, doch rannte er weiter, er hatte eine Spur, zwar kaum vorhanden, aber sie war da. Rasch eilten sie dem Rentier hinterher und blieben genauso abrupt stehen wie ihr Freund.

„Scheiße“, murmelte Franky geschockt. Brook lag bewusstlos vor ihnen. Schnell entfloh Chopper seiner Starre, untersuchte den Gefundenen.

„Lebt er noch?“, war die erste Frage, die Zorro in den Sinn kam. Erleichtert nickte der Arzt.

„Noch…“, sprach Chopper schließlich und wusste, dass sie ihn schnellstmöglich auf das Schiff bringen mussten. „Stark unterkühlt“, murmelte er.

„ROBIN!“ Franky suchte nach der Gestalt ihrer Freundin. Warum war der Musiker alleine? Wo war sie? „Chopper?“ Sorge schwang mit. Vielleicht nahm er ihren Geruch auf, schließlich hatte er Brook auch auf diese Weise entdeckt. Doch eine Antwort blieb ihm verwehrt. Ungeduldig sah er über die Schulter, zog die Brauen zusammen. Sowohl das Rentier als auch Zorro, beide starrten auf den Körper ihres Freundes. Die Frage blieb ihm erspart, hörte er Choppers Stimme.

„Er hat diverse Knochenbrüche…“ Ein kalter Schauer durchfuhr den Cyborg, dessen Grund nicht die Temperatur war. Seine Augen fanden Zorros, der Ausdruck, der in ihnen lag, sprach Bände. Nie, nicht seit sie gemeinsam reisten, hatte er je solch einen Gedanken gehegt, wenn er an die Archäologin dachte, aber sofort verstand Franky, was ihm der Schwertkämpfer mitteilen wollte. Warum? Blitzartig zückte Zorro das Wado-Ichi-Monji.

„Ein voreiliger Schluss“, versuchte er dennoch, „steck das Schwert fort.“ Chopper horchte auf, unternahm die Erstversorgung, mehr konnte er erst tun, sobald er den verletzten Musiker auf das Schiff gebracht hatte. Obwohl er gern naiv reagierte, war ihm der Grundgedanke nicht entgangen, doch weigerte er sich diesen zuzulassen. Bestimmt gab es eine andere Erklärung. Robin würde ihren Freunden nie ein Haar krümmen. Während er hantierte und jeder Handschritt saß, musste er sich innerlich zusammenreißen. Hier lief sehr viel schief.

„Sie sind gemeinsam aufgebrochen, aber finden wir Brook alleine. Knochenbrüche? Wir kennen einen einzigen Menschen, der solche laufend verteilt und dieser bleibt verschwunden? Tut mir leid, Freundin hin oder her, aber das ist ein großer Zufall!“ Unverblümte teilte Zorro seine Vermutung mit. Eine für ihn logische Schlussfolgerung, obwohl der Zusammenhang, der Grund für diese Tat, unbekannt blieb. Vermutlich würden sie das erst erfahren, wenn sie entweder Robin fanden oder Brook aufwachte und Bericht erstattete. Solange dies nicht geschah, mussten sie vom Schlimmsten ausgehen.

„Nein, du irrst dich!“, widersprach Chopper, seine Stimme zitterte, „Robin würde nie…, oder Franky?“ Hilfesuchend sah er hoch, hoffte Franky würde ihm den Rücken stärken. Entschuldigend drehte dieser den Kopf, suchte den Schnee ab.

„Bring Brook aufs Schiff. Da sind Spuren. Zorro und ich folgen ihnen.“ Nicht die Antwort, die er sich gewünscht hatte.
 


 

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„Jungchen, ein Klappergestell übersieht niemand“, gab der Wirt trocken von sich. Dennoch hatte Sanji lieber zweimal nachgefragt. Sicher war sicher. Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben, einfach eine weitere Sackgasse.

„Hör mal, weder die Frau noch das Skelett sind in der Stadt gewesen. Die Leuten reden über Unbekannte, erst recht wenn euer Freund ein besonderes Erscheinungsbild hat.“ Der Blonde nickte, nahm einen langen Zug und behielt den Rauch länger in seiner Lunge. Ob der zweite Trupp besser dran war? Wo sollte er weitersuchen? Vielleicht hatte ja Lysop eine Ausgangslage geschaffen? Entmutig stieß er den Rauch aus.

„Ihr habt unsere Warnung ignoriert. Warum seid ihr geblieben? Hinter allem steckt ein Funken Wahrheit. Lernt man das nicht auf See?“ Der Wirt stützte die Arme an der Holzkante ab, ließ den Smutje kaum aus den Augen, seufzte. Wie oft schon hatte er dasselbe Schauspiel miterlebt? Sichtlich schluckte Sanji. Von Anfang an verspürte er dieses beklemmende Gefühl und nun sollte es eintreffen?

„Wir haben die Weiterfahrt vorgehabt, wirklich. Kaum jemand glaubte der Geschichte, allein unsere Navigatorin sieht darin ein Ammenmärchen um Fremde von der Insel zu locken. Die Lust auf einen längeren Aufenthalt war abgeklungen, aber unsere Vermissten haben einen Strich durch die Rechnung gemacht und sind aufgebrochen während wir die Einkäufe erledigten“, erklärte Sanji wahrheitsgemäß und verstand weiterhin nicht die Intention, die hinter dem Spaziergang lag. „Sie weigerte sich…, verhielt sich merkwürdig“, fügte er flüsternd hinzu. Der Wirt nickte mehrmals, lief es stets auf dieselbe Weise ab.

„Eure Freundin ist der Grund, warum ihr die Insel angesteuert habt.“

„Was?“, erwiderte Sanji entgeistert.

„Noch nie wurde dieser Ort durch Zufall entdeckt.“ Sanji verstand immer weniger. Das ergab keinen Sinn, aber vielmehr störte ihn die Gleichgültigkeit, die in der Stimme des Wirtes mitschwang. Konnte er ihm nicht die Informationen geben, die er benötigte? Der Mann zerrte an seiner Geduld, er mochte ja ein Fremder sein, aber musste er alles kleinweis erzählen?

„Was passiert hier? Was hat es mit diesem Fluch auf sich?!“

„Ruhig Blut, Jungchen“, winkte der Wirt ab. Er verstand den Smutje, war er nicht die erste Person, die nach Informationen suchte und mit dem Fluch konfrontiert wurde. Bis zu einem gewissen Punkt verstand sich. Der Großteil von den Banden, die den Weg hierher fanden, verfielen anschließend, mordeten oder aber verschwanden sofort von der Insel, ganz gleich was mit dem Crewmitglied geschah, das in die Fänge geraten war. Die Bewohner? Sie konnten bloß mitansehen und abwarten, bis der Spuk erneut für einen Zeitraum endete. Diese Crew bildete keine Ausnahme und so fragte sich der Wirt bereits, welches Schicksal auf diese Gruppe wartete.

„Eure Freundin hadert mit ihrer Vergangenheit“, kam eine knappe Erläuterung, nachdem Sanji ihn auffordernd angesehen hatte. „Die Insel zieht Menschen an, die die Kälte suchen, ihren Gefühlen davon laufen und Angst haben.“

„Blödsinn! Gut, sie hat viel durchgemacht, aber das liegt hinter ihr! Außerdem ist ihr all das angetan worden“, versuchte der Smutje gegenzureden, konnte den Worten kaum Glauben schenken. Warum sollte Robin weiterhin gegen ihre Vergangenheit ankämpfen? Dafür bestand keinerlei Grund. Jeder an Bord akzeptierte sie, sie hatte eine enorme Veränderung durchgemacht, zum Besseren, warum sollte ausgerechnet sie einem Fluch verfallen? Sanji fand keine Erklärung, hoffte der Mann log ihm ins Gesicht.

„Sag mir, wie war ihr Verhalten innerhalb der letzten Tage?“ Unweigerlich hallten die Worte der Navigatorin in seinen Ohren, dachte an die Müdigkeit zurück, die ihm selbst aufgefallen war. Sie war anders, aber musste eine rationale Erklärung dahinter stecken. Jeder hatte schlechte Tage.

„Sanji!“, hörte er eine bekannte Stimme. Lysop war aufgetaucht, hatte anscheinend Nachrichten. „Sie haben Brook gefunden.“

„Und Robin?“ Er schüttelte lediglich mit dem Kopf.

„Sie suchen weiter, von ihr fehlt weiterhin jede Spur. Wir können die Suche hier wohl abbrechen.“

„Kehr auf das Schiff zurück. Ich bleibe noch, aber halt mich auf dem Laufenden.“ Lysop stutzte auf die Worte hin. Wozu hier bleiben? „Geh!“, festigte Sanji seine Entscheidung, „wir sehen uns später.“ Überzeugt, ob das so eine gute Idee war, war der Kanonier nicht, aber anscheinend hatte es keinen Sinn.

„Was machst du?“, wollte er dennoch wissen.

„Reden und in Erfahrung bringen, wie wir dem Fluch entgegen wirken können, richtig?“ Dieses Mal sah er den Mann an, der schwach lächelte.

„Anscheinend glaubst du endlich daran.“
 


 

× ×
 

„Wir sollten einen normalen Angriff in Erwägung ziehen“, durchbrach Franky das minutenlange Schweigen. Hintereinander marschierten sie den steilen Pfad hinauf, der Cyborg folgte seinem Vize, obwohl er vorhin anderes gesagt hatte, aber hierbei konnte sich dieser kaum verlaufen. Der Drang nach Wahrheit trieb ihn an, das Schwert war weiterhin gezückt und dieser Umstand beunruhigte Franky zunehmend. Reine Spekulation, dachte er sich, die aus den Verletzungen entstand.

„Hast du überhaupt einen Plan?“, sprach er weiter, denn Zorro schwieg eisern, als ob eine andere Erklärung nicht existierte.

„Hast du so wenig Vertrauen in sie?“ Er konnte nicht aufhören. Das Schweigen ließ ihn verzweifeln. Zwar hatte er vorhin zugestimmt und Chopper zurückgeschickt, aber vollkommen überzeugt, war der Cyborg nicht. Er kannte die Frau.

„Zorro!“, setzte er strenger nach, der Angesprochene drehte sich ihm zu, ging rückwärts weiter.

„Folg Chopper, wenn dir die Situation unangenehm ist“, beendete Zorro sein Schweigen, mürrisch, wütend über das Gejammer. „Denkst du, ich wünsche mir das? Wieder herausfinden zu müssen, ob sie Freund oder Feind ist? Es ist leider eine Option, so beschissen der Gedanke auch ist! Und ich habe nur einen Plan: Robin finden. Keine Ahnung was dann kommt.“ Wieder drehte er seinem Kameraden den Rücken zu, beschleunigte den Schritt. Die Situation beschäftigte ihn, wie jeden, aber für Sorgen und Schönreden, war er nicht geschaffen. Gefühlsduseleien beeinträchtigten und Zorro wollte unter allen Umständen einen klaren Kopf bewahren, alle Möglichkeiten in Erwägung ziehen. Lieber vom schlimmsten Szenario ausgehen und positiv überrascht werden als unerwartet ins Verderben zu rennen. Eine hilfreiche Devise.

„Könntest du sie angreifen?“

„Bevor ich mich von ihr töten lassen? Ja.“ Franky schloss die Augen, hatte er mit der Antwort ehrlich gesagt gerechnet, atmete durch.

„Hoffen wir, dass das nicht eintritt.“ Schweigen setzte ein und eine Weile später fanden sie sich auf jenem Plateau an dem Brook die Flucht ergriffen hatte. Rasch machten sich die Männer einen Überblick, aber fanden sie niemanden vor.

„Eine Sackgasse.“ Die Enttäuschung stand Franky ins Gesicht geschrieben. Der Weg war umsonst und sie keinen Schritt weiter. Umkehren und nochmals in den Wald hinein? Angestrengt fuhr seine Handfläche durchs Gesicht.

„Verdammtes Weibsstück!“, keifte der Vize wutentbrannt, ein Schwerthieb donnerte gegen die Felswand, die unbeschadet standhielt. Während Franky verwundert über die Reaktion war, wurde Zorro stutzig, die Wut wich. Warum fielen keine Gesteinsbrocken? Sein Ausbruch hätte Spuren hinterlassen müssen.
 


 

× ×
 

„Der Fluch…“, wisperte der Schütze, sackte auf den Stuhl und sah entgeistert geradeaus.

„Das ist ein gottverdammtes Märchen!“, keifte die Navigatorin indes, war mehr damit beschäftigt Ruffy vorerst im Raum zu behalten, der am liebsten sofort Zorro und Franky gefolgt wäre. „Bleib hier!“, ermahnte sie abermals, riss ihren Kapitän regelrecht zurück.

„Unser Freund ist angegriffen worden! Sag bloß, du duldest das?!“ Ruffy war außer sich und wer dahinter steckte, dem würde er eine Lektion erteilen. Niemand vergriff sich an seinen Kameraden, ein ungeschriebenes Gesetz an Bord.

Viel wussten sie bisher nicht. Chopper war plötzlich aufgetaucht, trug Brook wortkarg ins Behandlungszimmer, warf dabei den Kapitän, der Antworten wollte, aus dem Zimmer, hatte Ruhe eingefordert. Sie wussten nur, dass die Suche nach der Archäologin weiter anhielt. Kurz darauf folgte Lysop, ebenfalls mit einer Nachricht. Anscheinend ging Sanji einer eigenen Spur nach und so hieß es erneut warten und hoffen, aber dieses Mal erschien dieser Part weitaus schwieriger.

„Nein, aber du hast Chopper gehört. Die beiden sagen uns, wenn sie Hilfe benötigen. Bevor du alleine herumirrst, kannst du gleich hier bleiben. Außerdem haben wir keine Ahnung, was passiert ist.“ Geschweige denn wo sich Robin aufhielt. Allein dieser Umstand bereitete ihr einen Stich.

„Seid leise!“ Ruckartig trat Stille ein, drei Augenpaare wanderten gleichzeitig Richtung Türe, die ins Behandlungszimmer führte, in dessen Rahmen Chopper inne hielt, sichtlich erzürnt.

„Wird er… gesund?“, fragte Lysop vorsichtig, woraufhin der Arzt nickte, die Türe sacht schloss und an den Tisch trat. Die Erleichterung seiner Freunde war erkennbar, aber wie gesagt, sie kannte nicht alle Einzelheiten. Unwohl scherte er mit dem Hufen.

„Chopper?“ Ruffy war derjenige, der ihn ansprach, spürte er das etwas nicht in Ordnung war. Hart schluckte die Navigatorin, ihr Blick wanderte abwechselnd zwischen den beiden hin und her.

„Robin“, wisperte sie den Namen ihrer Freundin. „Was hast du verschwiegen?“ Wollte sie eine Antwort? Sichtlich drückte sich Chopper davor, doch mussten seine Freunde davon erfahren. So atmete er tief durch, suchte nach den passenden Worte. Das Kinn sank auf seine Brust.

„Wir haben Brook alleine gefunden und er…“, stockte der Arzt, kämpfte selbst noch gegen den Gedanken an, „er hat Knochenbrüche erlitten, daher…“

„Nein!“, unterbrach Nami sogleich. Sofort erahnte sie den Grundgedanken, der hinter seiner Aussage stand. War sie wütend oder schockiert? Beides zugleich? Auf jeden Fall fassungslos und so trat sie näher. „Wie kommt ihr…?“, brach sie ab, schüttelte ungläubig den Kopf.

„Die Leute haben uns gewarnt.“ Lysop vergrub das Gesicht in den Handflächen, dachte an die Erzählung des Bürgermeisters und des Wirtes zurück. Nicht grundlos war Sanji geblieben, er war überzeugt und wollte mehr erfahren, hören wie sie dagegen ankämpfen konnten. Zum ersten Mal schwieg Nami, gab ihm keine patzige Antwort, aber nicht weil sie anfing dem Ammenmärchen Glauben zu schenken, nein, vielmehr weil sie nicht verstand, wie ihre Freunde tatsächlich Robin für Brooks Befinden die Schuld anrechneten.

„Den Arsch hole ich mir!“, brüllte Ruffy wütend und wollte bereits wieder verschwinden, doch lief ihm dieses Mal Lysop hinterher.

„Warte, du fehlinterpretierst hier etwas.“ Chopper zuckte unweigerlich zusammen, hob vorsichtig den Kopf an. Während sowohl Nami als auch Lysop verstanden, schoss ausgerechnet sein Kapitän erneut über das Ziel hinaus. Dagegen konnte er nichts unternehmen, er hatte andere Probleme, bedrohlich, wie er es nicht kannte, stand Nami direkt vor ihm.

„Wer hat diesen Mist verzapft?! Zorro?“, fuhr sie Chopper harsch an, ignorierte Ruffys Unbeholfenheit. Eingeschüchtert stolperte das Rentier ein paar Schritte nach hinten.

There is blood...

War das denn notwendig?“, seufzte der Cyborg. Die Nerven waren allmählich überstrapaziert, aber Grund genug für solch einen unnötigen Ausbruch? An diesem Punkt sah er sich jedenfalls noch nicht. Dennoch, konnte er nicht abstreiten, dass das ein derber Rückschlag war erst recht nachdem sie sich bereits Hoffnung gemacht hatten, Robin hier an diesem Ort zu finden. Gründe gab es jedoch allerlei. Fahrig fuhr er durch sein Haar, überlegte bereits die nächste Route. Dringend brauchten sie einen neuen Anhaltspunkt. Erneut planlos in den Wald? Während er darüber nachdachte, rückte Zorro näher an die Felswand, ignorierte den Einwand gekonnt. Zorro suchte förmlich nach einer Erklärung. Bevor seine Hand das Gestein berührte, hielt inne, horchte auf.

„Komm, verschwinden wir. Keine Nachricht vom Schiff, wir müssen weitersuchen. Uns bleibt der Wald nicht erspart.“ Dieser war weiträumig, nahm einen Großteil der Insel ein, und beschäftigte sie locker die nächsten paar Stunden. Ein perfektes Terrain um aneinander vorbeizulaufen. Resignierend warf Franky den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und atmete tief die kalte Luft ein. Die Nacht erschwerte die Suche ungemein, doch am Tage, als der Sturm wütete, hätten sie kaum eine Chance gehabt. „Hörst du mich?“, setzte er nach, doch als Antwort hörte er bloß ein lautes, genervtes Brummen. Mit hochgezogenen Brauen trat Franky an seinen Kumpanen heran, der die Hand hob und in schlussendlich mit dieser nach hinten drängte.

„Versuch dein Glück“, forderte Zorro den anderen auf, der nicht skeptischer dreinblicken konnte als er es auf diese Worte hin tat. Ein schlechter Scherz und doch sah er die Überzeugung im Auge des Schwertkämpfers. Anscheinend verlor hier wahrlich jemand die Nerven.

„Lass mich raten, die Felsen haben dich schief angesehen und das bekommt dir nicht?“, kommentierte missbilligend. „Bescheuert“, murmelte er hinterher und wandte sich bereits zum Gehen. Markant stach eine Ader an Zorros Schläfe hervor, sein Auge zuckte.

„Hättest du aufgepasst, dann würdest du meinen Vorschlag nicht ins Lächerliche ziehen. Mach einfach!“, versuchte Zorro so ruhig ihm noch möglich war. Glaubte Franky allen Ernstes er würde aus Spaß länger verweilen, obwohl alles verlassen aussah und nichts auf eine Spur Robins hinwies?

„Du willst mich wohl veräppeln? Ziehen wir endlich weiter“, wehrte sich Franky erneut.

„Schieß, danach kannst du mich gerne für bekloppt halten.“ Eine Schärfe lag in der Stimme, die Zorro selten auf diese Weise durchsickern ließ und Franky wusste, dass das erst aufhörte, wenn dem Wunsch des anderen nachkam. Seine eigene Meinung zählte kaum, ganzgleich ob er es als reine Zeitverschwendung ansah oder nicht. Wollte er die Suche nach ihrer verschollenen Freundin fortsetzen, so hatte Franky in diesem Moment keine andere Wahl. Erneut verließ ein Seufzen seinen Mund. Unmotiviert nahm er einen noch größeren Abstand ein, hob den Arm und schoss wie gewünscht. Laut knallte die Munition gegen die Felswand, Rauch bildete sich und vernebelte die Sicht für einige Sekunden gänzlich.

„BUM! Siehste. Alles wirr“, brach Franky ab sobald die Rauchschwade verschwunden war, die Sicht freigab und, zu seinem Entsetzen, die Wand ohne Einschlag verblieb. Ungläubig strich Franky fest über seine Augen, blinzelte mehrmals. Sogleich zierte ein siegreiches Grinsen Zorros Lippen und tippte sich mit der stumpfen Rückseite der Schwertklinge auf die eigene Schulter. „Unmöglich“, nuschelte Franky, die Munition die er verwendet hatte, musste etwas hinterlassen haben.

„Wer ist nun der Verrückte unter uns?“, stichelte Zorro belustigt und lachte leise. Zorro hatte auf ganzer Linie einen Sieg eingefahren und doch, so schnell gab sich Franky nun gewiss nicht geschlagen.

„Zurück.“ Ein weiterer Versuch, dieses Mal sein Laserbeam, doch dieser Versucht hinterließ ebenso keine einzige Spur. Spätestens nun musste Franky sich eingestehen, dass das nicht mit rechten Dingen zuging. „Unmöglich! Das ist… das ist…“
 

„Anormal?“ Die Gesichtszüge erstarrten, das Lachen blieb Zorro im Hals stecken. Geschwind warfen sie einen Blick über ihre Schultern. Die Umrisse konnten nur einer Person gehören, ihrer gesuchten Archäologin. Franky stieß einen erleichterten Atemzug aus, denn in erster Linie wirkte sie unversehrt.

„Scheiße! Erschreck uns nicht. Wo warst du? Wir dachten schon du versteckst dich vor uns“, sprudelten die Worte aus seinem Mund, die Züge sichtlich entspannter, freundlicher. „Wir alle haben uns Sorgen gemacht, erst recht nachdem wir Brook fanden. Darüber unterhalten wir uns auf jeden Fall noch, ich gebe eben den anderen Bescheid.“

„Franky“, knurrte Zorro vorsichtig, „warte.“ Dieser kramte bereits in der Tasche, suchte nach der Teleschnecke. Lieber früher Bescheid geben und ihnen die gute Nachricht überbringen.

„Richtig, der glaubt du hättest den Verstand verloren“, grinste Franky schief, hielt jedoch erst inne, als er die Hand des Schwertkämpfers an seinem Oberarm wahrnahm. Jede Sekunde über behielt er Robin im Blick. Ihre Ausstrahlung hatte eine ungewohnte Form angenommen, die er nicht zu benennen wusste. Es roch jedoch nach Gefahr.

„Du hast Brook verletzt“, eine Feststellung. Seit sie ihren Freund fanden, brannte die Frage auf seiner Zunge, und nun, da Robin vor ihnen stand, blieb lediglich noch die endgültige Bestätigung, aus ihrem eigenen Mund, aus.

„Brook“, formten ihre Lippen langsam. „Du meinst das Klappergestell“, sprach sie lauter für die beiden hörbar. Franky stutzte sofort, vergaß sein Vorhaben. Bevor er allerdings nachfragen konnte, erhob Robin erneut die Stimme. „Das war hier, hat einen fürchterlichen Radau gemacht und meine Warnung ignoriert. Sprach wirres Zeug. Ich musste Hand anlegen. Sonst wäre er nie verschwunden.“
 


 

× ×
 

„Halt stillt, Brook, bitte“, wisperte Nico Robin, kniete neben ihrem Kameraden, der sich am Boden wälzte.

„Hör auf!“, protestierte der Musiker, erhaschte einen Blick in ihr Gesicht. Für einen Moment glaubte er Angst in ihren Augen gesehen zu haben. Was war los? Doch verschwand der Ausdruck, wurde undurchschaubar und ihr Kopf neigte Richtung Anhöhe. „Verdammt, lass sie verschwinden!“ Ein mattes Lächeln, ein Kopfschütteln.

„Würde ich gern, aber du folgst mich und das muss ich verhindern.“ Recht schnell hatte sie ihre innere Kontrolle verloren. Verstanden, dass das keine Einbildung war. Je länger sie unterwegs waren desto stärker war die Stimme geworden, die Rufe, die drohenden Worte. Brook durfte nicht in Gefahr gebracht werden und ihr wurde deutlich gemacht, dass eben das geschah, wenn er mit ihr ging.

„Wovon…?“

„Ich habe keine Antwort, ich muss erst selbst dem Ganzen nachgehen. Vertrau mir.“ Brook hielt in seinem Treiben inne, verstand keines ihrer Worte, spürte jedoch, dass das kein gutes Omen war.

„Du hast ‘nen Knall. Was für ein Spiel läuft hier?“

„Eines das ich womöglich verliere. Komm mir nicht alleine nach, hol die anderen.“ Ohne näher auf das Gesagte einzugehen und dem Musiker ein Chance zu geben, sie umzustimmen, richtete Robin sich auf und trat die letzten Meter alleine an. Ihr Herzschlag pulsierte in ihren Ohren. Ein Zurück schien unmöglich, sie musste eine Antwort finden, alleine. Die Schreie ihres Kameraden blendete sie aus. Von Anfang an hatte ihr Körper gewusst, welche Richtung sie einschlagen musste. Dieser Ort strahlte eine unangenehme Vertrautheit aus. Es entsprach der Wahrheit, hier war sie in ihren Träumen gewesen. Umso größer spürte sie das Unbehagen, wusste sie, wie diese endeten. Warum konnte sie nicht umkehren? Den Ruf ignorieren?
 


 

× ×
 

Entsetzt verharrte der zurückgekehrte Smutje im Türrahmen. Da er vorerst alle nötigen Informationen gesammelt hatte, war er auf schnellstem Wege aufs Schiff geeilt; immerhin mussten seine Freunde erfahren, welch mysteriöse Kräfte hier vorherrschten, umherspukten und die Insel in einem nie endeten Bann hielten. Das Szenario, welches sich vor seinem Augen abspielte, das hatte er ins keiner Weise erwartet. Vielmehr eine nachdenkliche Stimmung, Ruhe. Weit gefehlt. Hektik, lautes Stimmengewirr füllten den Raum.

Ruffy und Lysop standen nahe der Theke beieinander, keppelten. Der Käpt’n weigerte sich an Bord zu bleiben. Wie abermals zuvor, packte Lysop ihm am Hemd, hielt ihn fest. Ein kräftezerrendes Unterfangen. Den Worten schenkte Ruffy kein Gehör, obwohl der Schütze ihm den Stand der Dinge erklärte, doch zählte bloß der Angriff auf seinen Kameraden, der weiterhin im hinteren Zimmer schlafend lag. Direkt vor der Türe zum besagten Raum, erklang die laute, gereizte Stimme der Navigatorin, die den Arzt der Crew in die Schranken wies. Unaufhaltsam bombardierte sie ihn mit ihrer Wut, ließ keinen Fluchtweg offen und obwohl er mittlerweile seine Gestalt gewechselt hatte, sie nun angestrengt hochsehen musste, zeichnete sich Furcht auf seinem Gesicht ab. Einer in Rage versetzten Nami standen sie ungern gegenüber.

Allmählich wurde Sanji bewusst, dass er sehr wohl die eine oder andere Kleinigkeit verpasst hatte und in seinem Inneren wuchs bereits eine dumpfe, mehr als unangenehme Vermutung, die ihm einen Grund hierfür nannte. Erst das Gespräch im Wirtshaus, das ihm bereits sehr viel Aufschluss gab und ihm Unbehagen bereitete, und nun die eigene Crew, die sich gegenseitig aufstachelte. Fassungslos stieß er einen tiefen Atemzug aus ehe er der Tür einen schwungvollen Stoß gab, die daraufhin hörbar für alle Anwesenden ins Schloss fiel. Blitzartig verebbte das Gerede, die Blicke suchten den Grund, und zum ersten Mal realisierte die Gruppe die Anwesenheit ihres Smutjes. Stille herrschte und einzig Chopper nutzte die Gunst der Stunde, setzte sich sofort in Bewegung und eilte, zurückverwandelt in seine Standardform, an Nami vorbei, direkt auf Sanji zu, bei dem er sichtlich nach Schutz suchte. Die Angst vor einer weiteren Schimpftirade blieb aufrecht, so klammerte sich der Arzt regelrecht an Sanjis Hosenbein fest.
 

„Ich hoffe, ihr habt eine plausible Erklärung parat“, warf Sanji vorwurfsvoll in die Runde, da niemand sonst das Wort erhob, musterte die anderen. Einen schlechteren Moment hatten sie sich kaum aussuchen können.

„Nicht meine Schuld. Die halten mich auf!“, protestierte Ruffy sogleich, erkannte in seiner Vorgehensweise keinen Fehler. Anstatt bereits den Verantwortlichen zu suchen, musste er mit dem eigenen Mitstreiter fertig werden, der ihm partout nicht von Bord gehen ließ. Selbst wenn er Lysop auf Abstand brachte, so kam ihm am Ende Nami in die Quere, die ihre Wut ganz und gar nicht unterdrückte. Auf den Starrsinn seiner Freunde konnte er sich keinen Reim machen. Zähneknirschend hatte Lysop die Hände zu Fäusten geballt.

„Dann hör genau hin! Wegen dir bekommen wir noch unnötig Ärger! Du bist immerhin der, der keinen blassen Schimmer hat. Blindlings nach draußen zu eilen … das bringt uns nichts!“, kamen die Worte grimmig über die Lippen des Schützen, der mittlerweile kaum noch wusste, was er noch alles sagen konnte damit Ruffy endlich aufhörte, hier blieb und mit ihnen abwartete. Blindlings die Insel erkunden brachte sie keinen Schritt weiter. Bisher basierte alles auf losen Vermutungen, die rasch erneut eine andere Richtung einschlagen konnten. Bislang hatte sie keinen Ton von Zorro und Franky gehört. Wo sie sich aufhielten oder was sie taten, wusste niemand, aber hatten sie versprochen Meldung zu geben, sobald sie auf Neuigkeiten stoßen. Als ob Robin Verschwinden dem Schützen nicht ausreichte. Eine weitere Suchaktion, weil Ruffy irgendwo im Nirgendwo landete, brauchte er bestimmt nicht.

„Seit Chopper mit Brook zurückgekehrt ist, interessiert ihn bloß der Gedanken den Verantwortlichen aufzuspüren. Uns fehlen jedoch jegliche Einzelheiten“, mischte Nami sich ins Gespräch ein, die Hände in die Hüfte gestemmt, „hör endlich mal auf uns und benimm dich entsprechend. Als ob diese bescheuerten Theorien nicht ausreichen!“ Bewusst glitt ihr Blick zu Chopper, dessen Fell sich ängstlich aufstellte. Sein Griff um Sanjis Hosenbein wurde fester je länger sie ihn ansah.

„Und wovon genau sprichst du?“, hinterfragte der Smutje, ignorierte das Rentier und nahm direkt Nami ins Visier. Statt direkt eine Antwort zu geben, grinste sie bloß hämisch, sank müde vom Theater auf die langgezogene Sitzbank.

„Frag ihn.“ Erst auf die Worte hin, betrachtete Sanji den Arzt zum ersten Mal seit seiner Rückkehr genauer, hob fragend die Augenbraue. Auch Chopper gab nicht sogleich die gewünschte Antwort, löste die Umklammerung und sah betreten zu Boden, zog seinen Hut tief ins Gesicht. Nie wollte er mit der Aussage einen Streit anzetteln und doch war schnell einer daraus geworden, den er auf normale Weise sowieso nie gewonnen hätte. Selbst die Chance auf Verteidigung war ihm verwehrt geblieben. Leise drang sein Name an sein Ohr. Sogar Lysop schwieg und wartete, obwohl er bereits wusste, was Chopper aussprechen würde; im selbst missfiel der Gedanke.
 

„Zorro und Franky suchen weiterhin nach Robin und“, einen Moment versagte seine Stimme, vorsichtig lugte er zu Nami, die den Kopf gesenkt hatte, „Zorro ist felsenfest davon überzeugt sie sein der Grund für Brooks Verletzungen.“ Leise, beinah wispernd sprach er die Vermutung aus. Für ihn überraschend, blieb Sanji ruhig, gelassen. Hatte er ihn überhört, gar missverstanden? Irritiert sah er hoch und erhaschte die leicht zuckenden Mundwinkel.

Zufall? Sanji wusste, dass Zorro jemand war der, obwohl er selten davon sprach oder es anmerken ließ, die Sicht hinter die Fassade suchte. Hinsichtlich der aktuellen Lage jedoch, schien es eine glückliche Fügung zu sein, nicht mehr. Immerhin hielt der Schwertkämpfer nichts von dem Gerede der Dorfbewohner, hielt sie allesamt, wie ihre Navigatorin, für Humbug. Und doch verdächtigte er Robin. Wohl wegen dem Stand der Dinge. Sie blieb weiterhin unauffindbar, Brook war verletzt, auf eine Weise die sie nur von ihr kannten.

„Knochenbrüche sind bei einem Skelett ja äußerst selten“, drang die knurrende Stimme ihrer Freundin an sein Ohr. Ein plausibler Gedanke, dem er unter anderen Umständen sofort zugestimmt hätte. Brook erlitt keine Fleischwunden. Seinen Feinden standen bloß Knochen zur Verfügung. Ohne die neugewonnen Informationen hätte er ähnlich reagiert, nie und nimmer daran geglaubt ausgerechnet in Robin die Schuldige zu finden, aber die Sachlage hatte sich verändert und das konnte und durfte Sanji nicht aus den Augen lassen. Wieder blieben seine Gedanken an Zorro hängen, der einfach eins und eins zusammengezählt hatte. Ein gewagter Zug der ohne nötige Beweise erst recht zu Problemen untereinander führte, solang sie eben auf die Wahrheit warteten.

„Robinchen ist immerhin untergetaucht“, sprach er schließlich gefasst, nickte sachte vor sich hin. Verschleiert starrte er an Chopper vorbei. Ihnen blieb nichts anderes übrig, sie mussten Robin so schnell wie möglich finden, aber zuvor galt es die letzten Zweifel auszumerzen.

„Moment!“, meldete sich Ruffy, dem geschockt der Mund offen stand. Automatisch erhielt er die gesamte Aufmerksamkeit und sie sahen ihm förmlich an, wie sein Gehirn ratterte und die Worte verarbeitete.

„Ernsthaft?“, stöhnte Nami, vergrub das Gesicht in den Händen. Ihr Kopf hämmerte unaufhörlich. Schon seit einer Weile hielten die Kopfschmerzen an, verstärkten sich von Minute zu Minute.

„Spinnst du?!“, schrie Lysop in unnatürlich hoher Tonlage auf.

„Was denn?“, entgegnete Ruffy fauchend. Der Schock war entwichen und grimmig sah er seinen Mitstreiter an.

„Das hat uns Chopper schon längst gesagt! Tu nicht so als würdest du das erst jetzt mitbekommen.“ Lysop schien außer sich zu sein.

„Ich hab lediglich daran gedacht, dass unser Freund angegriffen worden ist!“, begründete Ruffy seine Reaktion und traf ehrlich gesagt sogar auf Verständnis. Sanji und Chopper tauschten vielsagende Blicke aus. Sie kannten ihren Kapitän, er besaß die besondere Gabe jede Information zu überhören, sobald er auf eine Sache konzentriert war.

„Es fängt an …“, murmelte Chopper. Seine Nerven waren sowieso schon strapaziert genug, mussten sie das nun ein weiteres Mal durchkauen? Namis Standpaukte reichte ihm, da brauchte er vorerst keine weitere Eskalation.

„Wir haben keine Bestätigung, das ist bloß ein Gedanke. Also reiß dich zusammen und bleib ruhig“, redete Sanji schließlich dazwischen. „Hier“, damit warf er Lysop ein Buch zu, das er die gesamte Zeit über schon unter den Arm geklemmt hatte, „schmökert ein wenig.“ Lenk ihn ab, formten seine Lippen zusätzlich. Lysop verstand, nickte. Irgendwie packte er das schon. Irgendwie. Denn Ruffy nahm nun erst recht Fahrt auf. Immerhin packte ihn der Entschluss herauszufinden was los war, umso mehr. Niemand durfte einfach eine Freundin beschuldigen. Angespannt packte Lysop seinen Kapitän am Kragen zog in mit sich an den Tisch, der sich mehr und mehr dagegen wehrte.

„Halt die Luft an! Du machst nichts, keine Widerrede!“, fauchte Nami, deren Kopf allmählich einer Explosion nahe kam. Augenblicklich herrschte Stille. Schwert atmend lehnte sie zurück. Wie gefordert blieb Ruffy tatsächlich ruhig, senkte rasch den Kopf und lugte von der Seite aus auf die Seiten des Buches, die ihn ganz und gar nicht interessierten.

Sanji, der anscheinend in der Zwischenzeit mit Chopper gesprochen hatte, und dafür auf Augenhöhe gegangen war, richtete sich langsam auf. Nami erkannte lediglich noch ein Nicken des Arztes ehe er aus dem Zimmer verschwand. Misstrauisch beäugte sie den Koch, der ihr ein leichtes Lächeln schenkte.

„Nami, kommst du mal mit“, sprach er mit ruhiger Stimme, „wir müssen reden. Dringend.“

... on the snow

Widerwillig trat Nami aus der Kombüse. Erneut hatte sie ihren Mantel angelegt, doch drang die Kälte ungebändigt hindurch, kroch unaufhaltsam in ihre Glieder. Der Stoff stellte sich als überflüssig dar, trotzdem hinterließ sie einen positiven Aspekt, sie linderte die Kopfschmerzen, die ihr vorhin beinah den Verstand raubten. Lange schon hatte sie sich nicht mehr so elend gefühlt. Tief sog sie die beißende Luft ein, massierte ihre geschlossenen, trägen Augenlider. Sie brauchte eine Portion Schlaf, dem Drang allerdings, diesem musste sie widersprechen. Ganz gleich wie groß die Müdigkeit war, ihr Verstand hielt sie wach, würde das Einschlafen verhindern, selbst wenn sie es versuchte. Solange Robin verschwunden blieb, änderte sich bestimmt nichts an ihrer Einstellung.

Die Türe wurde geschlossen, Zigarettenrauch stieg Nami in die Nase. Die Arme an der Reling abstützend, warf sie einen Blick zur Seite, betrachtete den Smutje. Obwohl die Crew erneut im Ausnahmezustand war, erkannte sie kaum eine Falte in seinem Gesicht, keine Angst vor dem Ungewissen, als ob eine gewöhnliche Nacht sie auf Trab hielt. Diese unverständliche Gelassenheit, woher nahm Sanji diese? Kopfschüttelnd reckte sie den Kopf auf die andere Seite, starrte Richtung Pfad, der trotz der großzügigen Lichtquellen des Schiffes keine Einsicht bot; auch sonst verblieb die Dunkelheit, nirgends die Spur einer Laterne, nichts.

„Also“, fing Nami schließlich an, brachte die Unterhaltung lieber schnell hinter sich, „du wolltest reden.“

„Lysop hat euch gesagt, warum ich im Dorf geblieben bin?“ Innerlich hatte sich Sanji bereits auf eine zähe Unterhaltung eingestellt. Mit bloßen Worten sahen seine Karten schlecht aus, er benötigte Beweise. Kaum merklich nickte Nami.

„Du hast mit den Bewohnern geplaudert.“

„Robin und Brook haben den Ort nie erreicht.“

„Lysop hat bereits eine Andeutung gemacht.“ War ein kleiner Dämpfer gewesen. Irgendwie hatte Nami gehofft, sie waren dort aufgetaucht und man hätte ihnen Informationen geben können, Fehlanzeige. Übrig blieb das gesamte Areal und am Tage hatte Nami den Wald gesehen. Er nahm die Insel in Beschlag und vermutlich brachten ihnen all die Diskussionen, die Suchaktion nichts, nicht solange Brook schlief, sich von den Strapazen erholt hatte und ihnen näheres sagen konnte.

„Auf der Insel spielt sich etwas Übles ab. Niemand lügt uns an.“

„Das ist ein gottverdammtes Märchen!“, brachte Nami gepresst, schärfer hervor. Hierfür musste es eine plausiblere Erklärung geben, die vielleicht direkt vor ihren Augen lag. Ungesehen, aufgrund dieser bescheuerten Einschüchterungstaktik.

„Dann lass mich deinem Gedächtnis helfen“, sprach der Smutje mit ruhiger Stimme, ignorierte gekonnt ihren Tonfall, „Wir haben am eigenen Leib erfahren wie schnell aus einem Märchen Realität geworden ist. Im North Blue kennt jeder das Märchen um Noland. Jedes Kind hat davon gehört. Lügnern ergeht es schlecht und du hast selbst darin gelesen. Heute kennen wir die Wahrheit, er hat nie ein Hirngespinst erzählt, wir waren auf jener Insel, von der er berichtet hat.“ Warum er bei Nami auf Granit biss, verstand er nicht. Nach all den Erlebnissen. Als ob ihnen jeder Glauben schenken würde, denen sie davon erzählten.

„Ein Märchen und darauf stützt du dich?“ Nami stöhnte auf, dann hatte sich das Märchen rund um den Lügenbaron eben als Wahrheit herausgestellt. Niemand, der nicht in nächster Nähe war, konnte wissen, dass ein einziger Knock Up-Stream eine halbe Insel in den Himmel beförderte. Sacht grinste sie. „Du musst gestehen, war ein nachvollziehbarer Grund.“ Fassungslos warf Sanji den Zigarettenstummel von Bord.

„Kehren wir eines Tages in die Blues zurück und erzählen von unseren Abenteuern“, wagte er einen neuen Versuch und warf ihr einen süffisanten Blick zu, „denkst du uns wird Glauben geschenkt? Wer von diesen Hohlköpfen glaubt an einem Menschen, der im Bauch eines Wales haust? Oder an einen Inselfressenden Fisch? Ein Leben im Himmel? Erzähl denen mal von einem Dinosaurier, selbst Riesen werden dort als Fantasie abgestempelt. Soll ich ernsthaft von der Neuen Welt anfangen? Inseln fern jeglicher Logik. Der Blitzregen von letzter Woche und darf ich dich an die Crew erinnern? Ein Cyborg, ein sprechendes Rentier das als Arzt unterwegs ist und ein singendes Skelett, das auf dem Archipel vor ausverkauftem Haus ein Konzert hielt!“

„Teufelskräfte zählen nicht“, murrte Nami. Gut, auf den ersten Blick hin waren ihre Abenteuer wirklich wie aus einem Geschichtsbuch. In den Blues lief vieles anders ab, aber das hieß noch lange nicht, dass das unwahrscheinlicher war als ein Fluch, der auf eine verrückte Schneekönigin basierte. Allmählich gefiel ihr Zorros Kommentar. Vielleicht lebte Monet tatsächlich zurückgezogen auf der Insel und ließ ihren Kräften freien Lauf.

„Weil Teufelskräfte in den Teilen der Welt weit verbreitet sind, klar“, entgegnete der Smutje, triefte vor Sarkasmus. „Daher ist deine Freundin ja als Monster angesehen worden. Wovor hast du Angst?“, war er gegen Ende hin lauter geworden und Stille trat ein.
 


 

× ×
 

„Die spielt mit uns!“, knurrte Zorro giftig. Pausenlos drehte er den Kopf, suchte die Umgebung nach der wahren Gestalt der Archäologin ab.

„Sei froh.“ Noch blieben ernstgemeinte Angriffe aus, von beiden Seiten und dafür war Franky mehr als dankbar. „Verschwinden wir lieber“, setzte er nach. Einen Reim auf diesen Umstand konnte er sich weiterhin nicht machen, aber momentan brachte ihnen eine Auseinandersetzung nichts. Lieber Rücksprache mit der restlichen Crew halten und einen Plan schmieden anstatt Robin direkt ins Messer zu laufen.

„Hast du etwa Angst vor ihr?“, hinterfragte Zorro mit amüsanter Miene, grinste breit. Angenehm war hier nichts, aber abhauen gehörte selten zu seinem Repertoire.

„Was ist dein Vorschlag? Ein Kampf?“

„Sie mitnehmen.“

„Wie soll das gehen? Wir wissen nicht, wo die echte Robin steckt.“

„Dann finden wir das heraus. Ein kräftiger Schlag auf den Hinterkopf hat noch niemandem geschadet. In ihrem Fall wäre er sogar hilfreich und sie weiß wieder wer wir sind.“ Fassungslos betrachtete Franky den Schwertkämpfer, der seine Worte tatsächlich ernst meinte und umsetzen wollte.

„Du tickst nicht richtig!“

„Im Gegensatz zu dir habe ich wenigstens einen Vorschlag, bei dem wir nicht ohne leere Hände auf …“, brach Zorro ab, setzte zum Sprint an. „Lauf!“ Eine Aussage, die er kaum tätigen musste, denn Franky reagierte von alleine. Gigantische Beine waren erschienen, denen sie gerade noch ausweichen konnten.

„Du musstest ja eine Diskussion anfangen“, schrie der Schwertkämpfer und lief neben dem Cyborg einher.

„Du hast auch nicht aufgepasst!“ Weit kamen sie nicht, wurden gleichzeitig an den Beinen gepackt und zu Boden gerissen. Entnervt stöhnte Zorro auf, hob den Kopf an, spuckte den Schnee aus.

„Hast du toll gemacht.“

„Schieb mir die Schuld nicht in die Schuhe“, knurrte der Cyborg, ließ das Kinn in den Schnee sinken.

„Wer von uns hat sie ignoriert? Oder gar versucht sie anzufassen!“, schnauzte Zorro zurück und nahm bereits die Arme wahr, die ihn nach unten drückten.
 


 

× ×
 

„Mach dich nicht lächerlich!“ Spott lag in ihrer Stimme. Angst. Ein Schauer lief ihren Rücken hinab. Zugegeben, manche Argumente sprachen für den Smutje, aber vollkommen ließ sie sich nicht auf den Gedanken ein. Würden sie an jede Geschichte glauben, dann würden sie in diesem Gewässer in Vorneherein den Verstand verlieren und anhand der Erzählungen lag dann sehr viel vor ihnen, was eintreten konnte. Lediglich eine Kleinigkeit sprach sie der Insel zu, sie beherbergte etwas Sonderbares, das sie nicht in Worte fassen konnte. „Du versteifst dich auf eine einzige Erklärung, Sanji!“

„Gewöhn dich lieber schnell daran.“ Langsam wandte sie sich dem Smutje gänzlich zu.

„Wir vergeuden für so eine Unterhaltung kostbare Zeit, überlegen wir uns lieber wie wir Robin finden!“ Dieser Punkt hatte oberste Priorität. Allein um die Anschuldigungen vom Tisch zu fegen. „Und keine Sorge“, gluckste sie, klopfte Sanji auf die Schulter, „kommt die böse Schneekönigin, werden meine Tränen Robins Herz erweichen und, um der Märchenwelt alle Ehre zu machen, erhält sie einen Kuss der wahren Liebe und wir leben glücklich bis ans Ende aller Tage.“ Damit war für Nami das Thema eigentlich abgeschlossen und sie wollte zurück in die Kombüse, Kontakt mit dem Suchtrupp aufnehmen, doch da packte Sanji sie bereits am Arm. Bevor er erneut ein Wort sprach, hörten sie Chopper.

„Wer küsst wen?“ Eilig kam er um die Ecke gelaufen, bremste abrupt.

„Vergiss das Gehörte“, winkte Nami sogleich ab und entfloh aus dem Griff des Smutjes, dem ein Kommentar im Hals stecken blieb. Wenn er Nami überzeugen wollte, brauchte er dringend einen Beweis und den hatte das Rentier hoffentlich gefunden.

„Und?“ Enttäuscht schüttelte Chopper den Kopf.

„Nein. In der Bibliothek liegt nichts.“ Hellhörig spitzte Nami die Ohren und verstand.

„Lass mich raten, du hast auf Hinweise gehofft? Denkst du, sie hat darüber Bescheid gewusst und die kleine Information geheim gehalten?“

„Kann sein“, antwortete Sanji schulterzuckend. Bei dem Gehörten klammerte er sich eben an jeden Strohhalm und war er noch so klein. Eine Weile sah sie ihm in die Augen, verschränkte die Arme vor der Brust. Damit konnte sie ihm hoffentlich einen Dämpfer verpassen.

„Chopper, in der Kombüse ist es unheimlich still. Sieh bitte nach“, sprach sie an den Arzt gewandt, ohne den Blick vom Smutje abzuwenden. Misstrauisch beäugte Chopper seine Freunde, hielt seine Fragen jedoch zurück und ging der Aufforderung schließlich nach. Eine Auseinandersetzung mit der Navigatorin reichte für diesen Tag.

„Komm mit.“ Wenn er diesen Verdacht hegte, so gab es bloß einen Ort an Bord, wo Robin diese Aufzeichnungen versteckt haben konnte und fanden sie dort nichts, so musste er sich wenigstens diesen Gedanken aus dem Kopf schlagen.
 


 

× ×
 

„Ihr seid ein lustiger Haufen. Erst ein Skelett, dann ihr.“ Ein Klon der Archäologin ließ sich auf Frankys Rücken nieder, betrachte sie abwechselnd. „Wisst ihr, das Klappergestellt machte einen verstörten Eindruck. Keine ernste Bedrohung, hat sich kaum gewehrt. Du“, dabei tätschelte sie den Rücken des Cyborgs, „wirkst in erster Linie nicht anders, aber vom werten Samurai, bin ich ehrlich gesagt enttäuscht.“ Lächelnd musterte sie Zorro, der ihr anfangs skeptisch entgegen sah. „Von dir habe ich mir mehr Unterhaltung erwartet.“ Beide lagen weiterhin am Boden, festgehalten von den Armen, zeigten keine Gegenwehr.

„Robin …“, brachte Franky nervös hervor. Er verstand die Welt nicht mehr. Hatte sie tatsächlich ihr Gedächtnis verloren? Wie war das möglich? Bewusst ignorierte sie den jämmerlichen Versuch des Cyborgs, behielt weiterhin den Schwertkämpfer im Auge, auf dessen Gesicht ein breites Grinsen erschien.

„Können wir gerne nachholen“, lachte er. Bisher verblieben beide Parteien ohne gröbere Versuche und obwohl er ihr gerne einen deftigen Schlag verpasst hätte, der ihr Gehirn auf Vordermann brachte, war er auf das Spielchen eingestiegen. Solange Robin nicht ernsthaft angriff und deutlich machte, sie zu töten, nutzte er die Zeit. Irgendwo in nächster Nähe befand sich ihr richtiger Körper. Ihre Mundwinkel zuckten. Der Samurai konnte warten, vorerst lenkte sie ihre Aufmerksamkeit auf den Cyborg. Ausgiebig hatte sie ihn beobachtet und wage Bilder schossen ihr durch den Kopf.

„Ich kenne dich, nicht persönlich“, sprach sie gedämpft, verklärt, mehr zu sich selbst.

„Wir gehören derselben Crew an!“, versuchte Franky durchzudringen. Ein gutes Zeichen, oder? Robin erkannte ihn, irgendwie. „Seit Water Seven segeln wir gemeinsam. Du hast mir mein peinlichstes Erlebnis beschert. Vor versammelte Stadt hast du meine geliebten Kronjuwelen geschändet. Nicht super! Wie kannst du das vergessen?!“, setzte er gereizter nach. Niemand hatte dieses Ereignis aus dem Gedächtnis gestrichen.

„Nein“, kam die trockene Antwort. Selbst Zorro erinnerte sich daran zurück, lachte schelmisch. Das vergessen, war wahrlich eine Meisterleistung. Den witzigen Augenblick schob er jedoch recht schnell zur Seite, denn etwas an dem Ton, in dem Robin vom Cyborg gesprochen hatte, machte ihn stutzig. Wieder blickte Zorro hoch und erkannte eine Veränderung in ihrem Gesicht, Kälte kehrte zurück.

„Du hast ihn Franky genannt.“ Ihre Zunge schnalzte.

„Ne, hast dich verhört.“ Hastig schüttelte er den Kopf, ihm ahnte Übles. Leichtfüßig stieß sie sich ab, landete im weichen Schnee. „Framm! So heißt er. Franky, Framm, ist doch dasselbe.“ Franky stand der Mund offen. Hatte nun Zorro den Verstand verloren? Er versuchte ihrem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen und sein Freund fing damit an? Ausgerechnet mit diesem Namen? Den mochte er nie, eine Bestrafung für jedes Kind! Seine Arme waren blockiert, aber liebend gerne hätte er Zorro den Vogel gezeigt. Ein Widerwort kam ihm nicht über die Lippen, vielmehr versuchte er Zorros Gestik zu verstehen. Diesem standen die Haare zu Berge, ein Schauer durchfuhr seinen Körper und das Gefühl stammte nicht vom Schnee oder der kalten Brise. Lag es an den Sichtverhältnissen oder hatten ihre Augen stets diese Helligkeit gehabt? Franky zuckte leicht, sein Kopf wurde in die Höhe gedrückt und er spürte kalte Finger, die sein Kinn anhoben. Da er auf Zorro geachtet hatte, war ihm gar nicht aufgefallen, wie sich Robin vor ihn hingestellt hatte und in die Knie gegangen war. Unschlüssig sah er ihr in die Augen, suchte nach einem Anhaltspunkt, der diese merkwürdige Situation auflöste.

„Du bist aus Water Seven, dieser Cutty Framm, der sich Franky als Namen ausgesucht hat und der wie Eisberg meinen Tod fordert.“ Ein Kloß bildete sich in seinem Hals, der seine Stimme versagen ließ. Schlucken half nichts. Unangenehm, so fühlten sich die kalten Finger auf seiner erhitzten Haut an, hinterließen ein Brennen. Wie kam Robin ausgerechnet darauf?
 


 

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„Oberste Regel: Bewahre wichtige Unterlagen an einem sicheren Ort auf“, erklärte Nami beiläufig, öffnete ihren Mantel. Wo Robin ihre Schätze verwahrte, wusste Nami sehr wohl. Neugierig war ihr Sanji ins Zimmer gefolgt, hob skeptisch seine Braue.

„Wir können nichts damit anfangen …“ Schwach lächelnd warf sie ihm einen Blick über die Schulter zu.

„Stimmt, ist halt eine Angewohnheit. Außerdem … du kennst Ruffy, er...“ Nami zögerte. „Sagt alles, oder? Das Zimmer sieht er tatsächlich als Tabuzone.“ Die Frauenkajüte war mittlerweile der sicherste Ort an Bord. Zwar hatte der Strohhutjunge anfangs oftmals über die Stränge geschlagen, aber nach ein paar schlagkräftigen Argumenten hatte er endlich verstanden und so brachte Nami selbst gerne die eine oder andere, vor allem aufwändige Karte hierher.

„Sollte Robin eine Vorahnung gehabt und recherchiert haben, dann finden wir ihre Aufzeichnungen in diesem Raum.“ Nami blieb vor dem Kleiderschrank der anderen stehen, öffnete ihn und hob eine Kiste hoch, trug diese zur Sitzecke. Vollkommen überrascht war der Smutje nicht, immerhin hatte er sich selbst bereits gefragt, wo die Archäologin manche ihrer Forschungen aufbewahrte. Insbesondere jene, für die sie gesucht wurde. Gespannt nahm er neben Nami Platz, die die Kiste mittlerweile geöffnet hatte. Ganz wohl beim Gedanken war Nami nicht, denn nie zuvor hatte sie in den Aufzeichnungen der anderen gestöbert, die sowieso kaum ein Wort darüber verlor. Eine Ausnahmen, die einzige Chance um Sanji von diesem Gedanken abzubringen. Ohne näher auf den Inhalt einzugehen, blätterte Nami durch den ersten Ordner, hatte Sanji unterdessen einen weiteren gereicht. Recht schnell erkannten sie ein System. Vorsichtig entnahmen sie die Unterlagen nach der Reihe, wollten nichts durcheinander bringen, aber Nami wusste irgendwie, dass diese kleine Schnüffelei nicht unentdeckt bleiben würde. Minuten verstrichen und allmählich fühlte sie sich als Sieger, bislang fanden sie nichts, das auch nur irgendwie auf diesen ominösen Fluch hinwies.

„Ich muss dich wohl enttäuschen“, sprach Nami ihre Gedanken aus und gluckste. Während sie sich zurücklehnte, gab der Smutje nicht auf, durchforstete jedes Papier, das ihm unter die Augen kam. Kopfschüttelnd beobachtete sie ihn, stützte den Kopf an ihrer Hand ab. Erst als er nach weiteren Minuten in seinen Bewegungen innehielt, spürte sie ein ungutes Magenziehen.

„Was ist?“ Er verzog keine Miene, griff vorsichtig nach ein paar losen Blättern, die sich ganz unten, am Boden befanden.
 


 

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In rasantem Tempo sprinteten zwei Gestalten durch die Nacht, den Hang hinunter, auf der Suche nach dem Pfad, der sie auf ihr Schiff brachte. Hörbar erschwerte sich ihre Atmung, die kalte Luft ließ die Lungen unangenehm aufbäumen. Rundherum herrschte eine erschreckende Stille. Immer wieder streckten sie die Köpfe nach hinten, zu den Seiten, wartend auf einen Angriff, der sie aufhielt.

„Du hast sie verletzt“, hechelte der Cyborg, während er die Richtung änderte.

„Sieht so aus.“

„Bestimmt ist sie wütend.“

„So hoch wie meine Schulden beim Geizhals.“

„Ausgerechnet jene Frau, die locker die Sunny ausmachen kann.“

„Ein, zwei Minuten Arbeit.“ Synchron sprangen sie von einem kleinen Vorsprung.

„Jene Frau, die uns ohne Hinweis aushört.“

„Vermutlich.“

„Habe ich bereits erwähnt, dass diese eine Frau, die Fähigkeit besitzt, die halbe Crew binnen Sekunden zu töten?!“

„Gerade eben.“ Nochmals beschleunigte Franky.

„Aber mich auslachen, weil ich Respekt vor ihr habe, sollte sie auf Touren kommen.“

„Da wusste ich noch nicht, dass ihr Gehirn Matsch ist!“, verteidigte sich Zorro. Ein kleiner, aber feiner Unterschied. Bei klarem Verstand konnte er Robin dementsprechend einschätzen, aber nachdem, was ihm dort vorgetragen worden war, wurde ihre Kameradin unberechenbar. Eilig zog Franky am Arm des Schwertkämpfers, der neuerlich die falsche Richtung einschlug.

„Ruffy?“

„Ruffy.“ Unter diesem Umständen musste ihr Käpt’n eingreifen. Immerhin, von ihren Mitstreitern, war er der einzige, der sich Robin ohne Bedenken nähern konnte. Gegen ihn verloren ihre Kräfte sämtliche Wirkung.

„So viel zum Thema, du gibt’s ihr Saures.“

„Wie gesagt, ihr Verstand hat sich verabschiedet und dasselbe gilt vermutlich für ihr Gewissen.“
 


 

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Notizen, detailreich ausgeschmückt, diverse Zeichnungen. Minuten über herrschte ein beklemmendes Schweigen. Ungläubig strich Nami über die Skizze eines Spiegels. Das ergab keinen Sinn.

„Warum …“, nuschelte Nami, legte die Zettel zurück. Fahrig fuhr sie sich durchs Haar. Vorsichtig lugte der Smutje zur Seite.

„Ich schätze, du siehst es ein?“

„Darum geht’s nicht, Sanji“, entgegnete sie sofort, sprang auf die Beine. Sie brauchte Bewegung. „Ich verstehe nicht warum sie das verheimlicht hat“, sagte sie zähneknirschend. Die Thematik an sich blendete Nami gekonnt aus, aber sie erhielt eine gewisse Bestätigung. Ihre Gefühle hatten sie nicht enttäuscht, Robin hatte etwas verheimlicht. Deshalb war sie meist abwesend, zurückgezogen.

„Nami … wundert dich ihre Entscheidung?“, sprach er so ruhig ihm möglich war. Dachte er an die Reaktion der Navigatorin nach, hätte er ihr wohl selbst kaum von solchen Dingen erzählt. Nach den Notizen zufolge, hatte Robin seltsame Träume gehabt und alles sie passten wie die Faust aufs Auge. Erst als Nami innehielt und andeutete ihm Gehör zu schenken, sprach er weiter. „Du glaubst nicht daran. Hättest du anders reagiert, wenn sie dir davon erzählt hätte? Sie schreibt von einer Stimme.“ Gerade noch so hielt Nami einen Kommentar zurück, zwang sich tatsächlich einen Augenblick darüber nachzudenken. Hätte sie eine andere Reaktion gezeigt? Vermutlich nicht. Der Beweis lag vor ihr, Robin hatte eindeutig davon geträumt, das stand außer Frage, aber irgendwie wehrte sich ein Teil weiterhin gegen diese Erklärung.

„Sie hätte es probieren können“, gab sie schließlich kleinlaut zu verstehen.

„Du scheinst wenigstens überzeugt.“

„Habe ich nie gesagt…“

„Nami!“

„Schon gut, schon gut.“ Mit gemischten Gefühlen schritt sie durchs Zimmer. Eigentlich wollte sie erst mehr herausfinden. Hoffte auf die Rückkehr ihrer Freundin um mit ihr darüber zu reden, aber anscheinend war der Moment gekommen und Nami kam nicht drum herum ihr kleines Geheimnis auszusprechen. Ja, Sanjis hatte vorhin bereits einen entscheidenden Punkt getroffen. Sie hatte Angst, aus einem ganz bestimmten Grund.

„Nachmittag an Deck da …“

„Du hattest kein Herzstechen.“ Sacht zuckten ihre Mundwinkel. Er dachte mit. Zögernd schüttelte sie den Kopf.

„Nein.“
 


 

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Blut zeichnete sich im Schnee ab. Sie hatte den Samurai eine Sekunde aus den Augen gelassen, zu sehr die Aufmerksamkeit auf den Cyborg gelenkt. Ein kleine Fehleinschätzung ihrerseits, die ihnen die Flucht ermöglichte. Das geschah selten, aber die merkwürdigen Erinnerungen hatten sie abgelenkt. War Cutty Framm aus dem Grund hier gewesen? Doch woher kannte er ihren Aufenthaltsort? Ein Zufall?

„Das Skelett.“ Nein, ungläubig schüttelte sie den Kopf. Bei den Verletzungen dürfte er noch bewusstlos sein, wenn nicht gar tot. Immerhin hatte sie ihn beobachtet, bis er in den Schnee fiel und regungslos da lag.

„Sie kommen wieder.“ Angewidert betrachtete sie die Wunde, nicht allzu tief, für den weiteren Verlauf gewiss kein Hindernis. Für das nächste Mal war sie gewarnt.

„Beide laufen Richtung Piratenschiff.“ Einen Überblick verschaffen war für sie wahrlich ein einfaches Unterfangen. Eine Truppe wie diese, hatte es auf diese Insel geschafft? Wie gedacht, das Skelett schlief, lebte aber. Welch ein Glückspilz. Ein Rentier das mit zwei jungen Burschen ein Buch las. Zwei weitere Gestalten in einem anderen Raum. Ein Mann und eine Frau. „Sechs sind an Bord. Acht insgesamt. Ulkige Besatzung, der Großteil ist recht jung.“

Überraschenderweise waren Nico Robin zwei Mitglieder besonders ins Auge gestochen, der Junge mit dem Strohhut und die Frau. Warum weckten sie ihr Interesse? Auf eine vollkommen andere Weise wie der Cyborg es tat, bei ihm hatte sie eine Hintergrundgeschichte im Kopf, aber die beiden? Keine Erinnerung, nichts. Unbekannte Gesichter.

„Sie sind gefährlich, alle beide, töte sie“, zischte die Stimme neuerlich, hatte ihren Gedanken blitzschnell erfasst.

„Warum?“ Drei Crewmitglieder waren ihr in die Quere gekommen, aber der Rest wirkte kaum angriffslustig. Gewiss, das konnte sich rascher ändern als gewollt, das kannte sie aus ihrer Vergangenheit, aber bislang gab es kein Anzeichen und solange sie sich nicht hierher begaben und sie in Ruhe ließen, fiel ihr vorerst kein Grund ein, ihnen zu nahe zu kommen. Das tat sie nie. Im Gegenteil, sie liebte die Einsamkeit, fern der Menschen, dem Abschaum, der ihr nach dem Leben trachtete. Allein drohte ihr keine Gefahr.

„Vertrau mir. Sie kommen bald, töte sie lieber rasch. Die Kleine zuerst.“

It's in your eyes...

Morgengrauen läutete den neuen Tag ein und vereinzelt drangen bereits Lichter durch die Fensterscheiben. Schon bald begann die tägliche Routine und das Dorf erwachte. Das Wetter blieb beständig. Vom kalten, durch alle Ritzen pfeifenden Wind, wirbelten Schneeflocken und fest eingepackt, in dicke Mäntel und Schals, waren die ersten Silhouetten auf den Straßen erkennbar. Ein gewöhnlicher Morgen auf einer ungewöhnlichen Insel war im Anmarsch.

Wer nicht musste, der verweilte im Warmen, etwas das einen Mann vollkommen ungerührt ließ. Der Wirt, der Sanji alle Einzelheiten erklärt hatte, trat auf den Balkon. Keine Temperatur der Welt, kein Sturm, nichts hielt ihn ab. Frau und Kind lagen noch schlafend in den Betten und leise schloss er die Türe hinter sich. Täglich tat er dasselbe und täglich war er darauf bedacht, seine Familie nicht aufzuwecken. Die Arbeit, die er bereits Jahrzehnte ausführte, verlangte ihm einen eigenwilligen Rhythmus ab. Den konnte er nicht ändern, ganz gleich wie oft er es bereits versucht hatte, er scheiterte. Unmöglich war es für ihn länger im Bett zu liegen, viel zu schnell wurde er unruhig. Und so schlich der Mann Tag für Tag zur selben Zeit nach draußen. Keine vier Stunden hatte er diese Nacht geschlafen, aber fühlte er sich putzmunter.

Ans Geländer lehnend, rauchte er unbekümmert und betrachtete die Hauptstraße, die die einzige Straße war, die nachts von Laternen erhellt wurde. Sein Blick schweifte. Auf dieser Insel kannte jeder jeden und sie lebte allesamt in einer eigenen Welt. Nie war er fortgegangen. Zwar konnte man von hier verschwinden, aber eine Rückkehr war schwierig, kaum möglich. Niemand, der den Schritt gewagt hatte, kam je zurück. Es war, wie er all den Reisenden erklärte, die Insel konnte auf normalem Wege nicht gefunden werden. Ein Vorteil, das Weltgeschehen blieb ihnen fern und kamen Piraten, die ihnen Böses wollten, so waren etwaige Probleme bloß von kurzer Dauer.

Bei ihnen? Da blieb der Fluch auf Abstand. Eine unsichtbare Grenze zog sich inmitten des Waldes und hielt die Auswirkungen ab. Bis in die Stadt drang er nicht vor. Daher blieb die Bevölkerung, arrangierte sich seither mit den Wetterbedingungen, aber niemand wusste mehr, wann alles seinen Anfang nahm. Der Fluch überdauerte bereits Generationen. Er dachte an diese Bande, den blonden Mann, der ihm Gehör schenkte und alle Informationen einsog. Obwohl er auf dem ersten Blick hin, einen netten Eindruck machte, sah er in ihm dieselbe Schwäche. Zu viele schon hatte er daran zerbrechen gesehen. Freundschaft war, so sehr man auch dagegen sprach, ein schwaches Band, bloß bis zu einem Punkt unantastbar. Der Wirt nahm einen tiefen Zug, direkt unter der Laterne stehend, erfasste er eine Frau. Der Rauch blieb ihm in der Lunge. Sie sah hoch zu ihm, er hustete.

Belächelnd schüttelte die Frau den Kopf, setzte ihren Spaziergang fort, raus aus dem Ort. Unmöglich. Dem Mann entwich jegliche Farbe. Ungeachtet ließ er die Zigarette fallen und verschwand in der Wohnung, trat in den Flur, suchte seinen Mantel, den er auf dem Weg zur Arbeit trug. Durchsuchte dessen Taschen und fand ein Stück Papier, einen Steckbrief. Ein und dieselbe Frau.
 


 

× ×
 

Abseits, einen längeren Fußmarsch entfernt, lag weiterhin das Schiff der Strohhutpiraten vor Anker. Sachte Wellen schlugen gegen den Bug. Die Flagge wehte aufgeregt und das Schiff, das war in Schweigen gehüllt.

Aus den Bullaugen der Kombüse drang das Licht nach draußen. Pfannen und Töpfe wurden aus den Schränken geholt, klangvoll abgestellt. Sanji war müde, hatte nachts keinen Schlaf gefunden, und obwohl im klar war, wie unwichtig das nahrhafte Frühstück in manchen Augen war, bestand der Smutje auf den morgendlichen Ablauf. Niemand sollte ohne Stärkung den Tag beginnen. Er befand sich nicht alleine im Raum und die Gesellschaft, nun, sie passte nicht ins alltägliche Bild. Franky und Zorro saßen schweigend bei Tisch. Um diese Zeit sah er sie höchstens nach einer Nachtwache und selbst dann, nur für einen kurzen Zeitraum; eine minimale Stärkung ehe sie zu Bett gingen. Heute waren sie die gesamte Nacht über hier gewesen.

Zorro lehnte zurück, hatte den Kopf im Nacken, die Arme verschränkt. Ein Nickerchen, so der erste Eindruck, weit gefehlt. Nach all der Zeit kannte Sanji den anderen, wusste wann dieser döste. Zorro dachte definitiv nach. Ein Messer wurde gezückt.

Franky zeigte seine Müdigkeit, hatte den Kopf auf einen Arm gelegt, die Augen offen und umspielte gähnend den Flaschenhals. Schon lange hatte Sanji kein Wort mehr vom Cyborg vernommen. Die Laune der Mannschaft hatte einen Tiefpunkt erreicht. Sanji erstarrte in seinen routinierten Bewegungen, suchte die Uhr. Normalerweise hatte er locker eine Stunde bis alle beisammen saßen aber dieser Morgen entsprach nicht der Norm.

Mitten in der Nacht waren beide zurückgekehrt, berichteten über ihren Zusammenprall mit Robin. Noch wusste Nami nichts von den neuen Erkenntnissen. Sanji behielt sich das Recht sie schlafen zu lassen. Lange hatten sie miteinander gesprochen und irgendwann verebbte der Redefluss und ihr Kopf lehnte an seiner Schulter. Das Gespräch musste Sanji erst sacken lassen und so dachte er, er könnte bis zum Morgen hin warten.

Die restlichen Crewmitglieder hatten sich schnell aufgeteilt. Chopper blieb anschließend noch eine Weile im Behandlungszimmer, aber da sich Brook nicht regte, war er für eine Pause in die Kajüte aufgebrochen, wo sich Lysop bereits aufhielt. Chopper hatte ihnen lediglich den Auftrag gegeben sich zu melden, sobald Brook aufwachte, aber bisher war alles ruhig. Und dann war da Ruffy … aus dem Nichts heraus hatte er ihnen einen Befehl erteilt. Ohne Erlaubnis durfte niemand das Schiff verlassen und noch bevor jemand eine Antwort geben konnte, war er schon aus der Kombüse verschwunden. Wo er sich aufhielt, war schwer einzuschätzen. Vermutlich hing er, irgendwo für sich allein, seinen Gedanken nach. Wie alle, auch Nami, wusste Ruffy alles. Sanji hatte darauf geachtet, hatte jede Information weitergegeben; über diesen Fluch mit den sonderbaren Konditionen. Bei all den Erzählungen blieb dennoch eine Frage offen und die Antwort mussten sie finden, erst dann konnte sie Robin helfen.
 


 

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Zielstrebig stapfte der junge Kapitän durch die hohe Schneedecke. Dank den Erzählungen hatte er ein ungefähres Bild erhalten und wusste wohin er gehen musste. Den Alleingang hatte Ruffy für sich behalten und bald dürften sie sein Verschwinden registrieren, aber hatten sie einen Befehl erhalten. Einen Befehl an dem es kein Rütteln gab. Entsprach Robins Veränderung der Wahrheit, dann hatte er die richtige Entscheidung getroffen. Ihm blieb nichts übrig. Eine Gegenüberstellung, nur sie beide, die einzige Lösung, die er fand, die die restliche Mannschaft beschützte. Schon immer hatte er um die Mächtigkeit ihrer Teufelskraft gewusst, so wie um seine Immunität. Diesen Vorteil galt es auszunutzen. Robin konnte ihm auf direktem Wege nichts anhaben und er hatte die Zeit auf seiner Seite.
 

Tief schob er den Strohhut ins Gesicht. Wieder war der Wind stärker geworden, kam aus jener Richtung, in die er unterwegs war. Die Kälte störte kaum, vielmehr ignorierte Ruffy sie. Kaum hatte sich das Hirngespinst in ein durchführbares Vorhaben umgewandelt, hatte sich Ruffy eine Jacke übergestreift und tatsächlich seine Sandalen gegen ein festeres Schuhwerk ausgetauscht. Lediglich die kurze Hose blieb und das war gut, sie gab ihm die nötige Bewegungsfreiheit.

Immer wieder lugte er zu den Seiten, blieb er wohl auf dem besagten Weg? Normalerweise nahm Ruffy gerne Umwege in Kauf, kam daher verzögert an sein Ziel, aber dieses Mal, da schwor er sich, es richtig zu machen. Von Anfang an. Den Fehler alles zu belächeln, den durfte er sich nicht leisten. Nicht umsonst war er der Kapitän.
 


 

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Eingerollt in die warme Decke lag Nami da, stierte auf einen zufällig ausgewählten Punkt. Wann sie eingeschlafen war, konnte sie nicht sagen, aber die letzte Erinnerung sagte ihr, sie befand sich im anderen Teil des Zimmers. Sanji musste sie in Bett getragen, ihr die Schuhe ausgezogen haben.

Dabei hatte sie vehement versucht nicht einzuschlafen, aber irgendwann hatte der Körper gewonnen und nun konnte sie wenigstens sagen, sie war ausgeruht. Halbwegs, denn aus irgendeinem Grund schmerzte ihr Kopf. Womöglich eine Folge der momentanen Umstände.

Seufzend rollte sie auf den Rücken. Viel durfte sie nicht verpasst haben. Wäre etwas geschehen, dann hätten sie Nami aufgeweckt, bestimmt. Ernüchternd schloss sie die Augen. Also hatte es keine Veränderung gegeben. Robin blieb weiterhin verschwunden. Vielleicht waren ja Zorro und Franky zurückgekehrt, aber brachten sie neue Erkenntnisse? Wohl kaum, auch sonst wäre sie geweckt worden.
 

Erinnerungen kamen hoch. Während der Unterhaltung hatte Nami die Karten offen auf den Tisch gelegt. So gut ihr möglich war, hatte sie das Gefühl vom Nachmittag beschrieben und, schwer war es ihr gefallen, von der anderen Sache. Stunden hatte sie es als Nichts abgetan. Nami schluckte, legte die Hand aufs Herz, lauschte den Schlägen. Ein flaues Gefühl rumorte in ihrem Magen.

Auf Erinnerungen folgten Zweifel, krochen förmlich an die Oberfläche, nagten an ihr. Die Anzeichen waren da gewesen. Tagelang glaubte Nami an eine Veränderung, daran das Robin ihr auswich. Und doch hatte sie nicht weiter darauf beharrt, hatte Robin nicht provokant zu einem Gespräch gezwungen. Dann kam sie mit Sanji darauf zu sprechen und hatte sich von ihm beruhigen lassen. Nach dem Robin untergetaucht war, hatte sie sie gegen jegliche Anschuldigungen verteidigt, hatte nach allerlei Gründen gesucht. Naiv. Vielleicht hatte sich Nami deshalb so lange gegen den Fluch gewehrt. Eben weil sie Robin machen ließ. Er existierte und das Finden der Unterlagen hatte ihr daher einen Stich versetzt. Ein Wort und sie hätten die Insel ignoriert, umfahren. Stattdessen gab es keine Vorkehrungen und sie steuerten blindlings die Insel, vielleicht ihr Verderben, an. Erneut hatte Nico Robin geschwiegen, bewusst Informationen zurückgehalten und die Crew somit ins kalte Wasser geworfen.

„Du wirst mir wohl nie dein Vertrauen schenken.“ Nami hatte mehr erwartet. Nach allem was sie tat, gab … war ein bisschen mehr zu viel erwartet? Der einzige Mensch, dem sie jedes Detail ihres Lebens anvertraute, der Geschichten kannte, die sie selbst vor Nojiko verheimlichte, aus Angst sie würde die Beweggründe nie verstehen, hatte ein weiteres Mal Schweigen vorgezogen und sie außen vor gelassen.
 

„Niederträchtige Biester diese Zweifel, was?“
 


 

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„Ruffy ist fort“, sprach Chopper, ein Zittern lag in seiner Stimme, und nahm auf seinem gewohnten Stuhl Platz. Die Nachricht blieb im Raum hängen und obwohl die drei Aufgebliebenen bereits damit gerechnet hatten, war das Wissen darüber etwas vollkommen anderes. Lysop stocherte in seinem Essen, kaute langsam auf einem Bissen.

„Einen Versuch ist es wert“, brummte Zorro, der seinen Teller kaum anrührte.

„Deshalb der Befehl“, kommentierte Sanji, nippte am Kaffee. Ebenfalls schweigend verblieb Franky. Ein absehbarer Schachzug, irgendwie plausibel, aber durchaus waghalsig.

„Alleingänge sind nie gut“, nuschelte Chopper. Im behagte das Vorhaben seines Kapitäns nicht. Was, wenn dort mehr war als bisher angenommen?

„In diesem Fall schlau. Bei dem Grad ihrer Verwirrung ist sie unberechenbar geworden. Ruffy kann sich unbekümmert nähern.“ Vollkommen überzeugend waren Zorros Worte nicht, denn das beantwortete kaum die entscheidende Frage: Wie gelang ihnen Robins Rettung?

„Nach all dem, das uns mitgeteilt worden ist oder wir gesehen haben, bezweifle ich ein einfaches Gespräch“, gestand Chopper ohne seine Freunde anzusehen.

„Und bestimmt keine Trachtprügel“, murmelte Lysop in seinen Kaffee.

„An Bord holen fällt ebenfalls flach“, steuerte Franky noch bei. Sie wurden hier buchstäblich an die Wand gefahren.

Sanjis Mundwinkel zuckten auf die Bemerkung hin. In der Tat, daher lebten die Bewohner in Frieden. Der Fluch drang direkt nicht in den Ort vor, auch nicht zur Anlegestelle. Der Körper blieb an einen Radius rund um das Plateau gekettet. Hatte Ruffy daran gedacht? Nutzte er dieses Wissen aus? Am Schiff waren sie sicher. Zwar stellte sich Ruffy gerne dumm an, aber Sanji wusste mittlerweile, dass er das eigentlich gar nicht war. Im Gefecht hatte er einen Instinkt, wie kein anderer und daher wusste der Käpt’n um die Probleme. Geschah im Ernstfall ein Fehler, eine Unachtsamkeit… Robin nutzte jede Möglichkeit. Umso schlimmer, sollte sie bereits auf einen Kampf eingestellt sein, ihn erwarten. Wer sagte ihnen, dass sie überhaupt so weit vordrangen? Ab der Grenze gab es keine Sicherheit mehr. Moment! Nachdenklich zog er die Brauen zusammen.

„Wie wir damit leben? Unsere Leben werden nicht direkt beeinträchtigt. Wir existieren nebeneinander. Niemand betritt das obere Plateau und der Fluch bewegt sich eingeschränkt. Der Befallene ist an diesen Ort gebunden, er kann ihn, solange der Fluch Wirkung zeigt, nie wieder verlassen“, hatte ihm der Wirt erklärt. So weit so gut. Der Fluch suchte sich einen Wirt, der in nächster Nähe war. Irgendetwas zog den Auserwählten an, brachte ihn dort hoch, wurde befallen und musste bleiben. Der Körper war gefangen. Der natürliche Körper, das Original … Jeder normale Mensch besaß bloß diesen einen. Ausnahmslos bis auf...

Teufelskräfte hebelten natürliche Gesetze aus. Wie verhielt sich der Fluch dahingehend? Sanji kannte die Erweiterung, kannte die Fortschritte, die Doppelgänger. Sie agierten auf Robins Wunsch hin … sie waren nie sicher, würde nie sicher sein!

Robin konnte diese eine Ausnahme bilden, die das Leben aller Bewohner auf den Kopf stellte. Wie umfangreich war die Reichweite? Innerlich stieß Sanji einen Fluch aus. Diese klitzekleine Idee nahm ihn ein, mochte erhört werden. Sie klang logisch und Sanji wusste, dass er womöglich einen Fehler gemacht hatte. Er war immerhin der gewesen, der ihnen sagte, sie würden hier sicher sein. Er hatte Zorro und Franky beruhigt, die glaubten sie waren in Schwierigkeiten, da sie Robin provoziert hatten. Warum war ihm der Gedanke nicht sofort gekommen? Weil nichts vorgefallen war!

Das hieß nichts, das passte sogar. Hier standen sie niemand gegenüber, der aus dem Impuls heraus entschied. Robin war eine Taktikerin, durch und durch.
 

„Ist jemand gestorben? Yohoohoho …“, riss es Sanji aus den Gedanken und er hörte das schallende Lachen, das rasch in einem Hustenanfall erstickte.
 


 

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Nami war hochgeschreckt. Unverkennbar diese Stimme, sie würde sie überall, in jeder erdenklichen Lage heraushören. Wann hatte sie das Zimmer betreten? Die Türe, Schritte, irgendetwas hätte sie hören müssen. Vorsichtig nahm sie Robin, die sich im Sessel zurückgelehnte, in Augenschein. Sie sah aus wie immer.

Sie dürfte nicht hier sein! Sanji hatte ihr unmittelbar klar gemacht, wie der Fluch funktionierte. War Robin gar nicht besessen? Wenn dem so war, warum blieb Robin so lange fern? Das passte nicht. Unbeholfen starrte Nami, wie sollte sie sich geben? Was sagen? Normalerweise musste sich Erleichterung ausbreiten, sie musste froh über die Rückkehr sein, aber warum verdammt fühlte sie nichts dergleichen? Vermutlich wusste sie insgeheim, dass das nicht ihre Freundin war.

„Sehr schweigsam“, Robin blickte auf das Handgelenk der anderen und griente, „die liebe Navigatorin.“ Nami biss sich regelrecht auf die Zunge. Wie sehr die Bezeichnung verabscheute. Aus dem Mund ihrer Freundin stand dieses eine Wort für den mit Steinen gepflasterten Anfang. Eine Entfernung lag damals zwischen ihnen und seither diente Navigatorin als neckende Bezeichnung, aber das hier, das war kein Necken. Ein weiteres Zeichen. Die Frau, die mit ihr im Raum saß, das war nicht ihre Freundin, nicht die Frau, die sie liebte.

Nami fasste sich, musterte die andere genauer. Weder Ausstrahlung noch Gesichtsausdruck, nichts stimmte mit ihrer Robin überein und sie spürte einen kalten Schauer, ihr Körper erzitterte. Als ob sie darauf gewartet hatte, wandte Robin den Blick von ihr ab und so sehr sich Nami dagegen wehrte, fühlte sie dieses Mal Erleichterung. Wann war das jemals vorgekommen? Höchstens am Anfang ihrer gemeinsamen Reise, wenn überhaupt!

Sie erkannte, dass Robin die Unterlagen betrachtete. Sie hatte sie liegen gelassen. Das Gespräch mit Sanji hatte ihre volle Aufmerksamkeit erhalten und die losen Blätter waren in Vergessenheit geraten.

„Du hegst Zweifel“, fing Robin wieder an, nahm das oberste Blatt in die Hand. Ertappt ließ Nami den Kopf sinken. Es entsprach der Wahrheit und die tat weh. Lange Zeit schon hegte sie bloß einen Wunsch: Vertrauen. Egal wie viel Nami preisgab, egal wie viel sie Robin entlockte, stets hatte sie das Gefühl, das es genügend gab, das unausgesprochen blieb. Viel zu viel hielt ihre Freundin zurück. Im Grunde erhoffte Nami sich eine einfache Bestätigung. Die Vorgänge der Insel boten ein ideales Beispiel. Statt mit ihr darüber zu reden, hatte Robin auf eigene Faust agiert und erhielt prompt die Quittung. Warum fiel es ihr so schwer?

„Zweifel kommen und gehen“, erwiderte Nami schließlich und stand auf. Länger hielt sie es im Bett nicht mehr aus.

„Aber ist er gesät, dann wächst er. Unaufhörlich. Stück für Stück“, sprach Robin nebenbei, fast teilnahmslos. Vielmehr gehörte ihre Aufmerksamkeit den Zeilen. Nicht die Thematik stach ihr ins Auge, es war die Schrift. Ihre Handschrift. Sie fand keine passende Erinnerung.

„Und wie jede Pflanze stirbt er eines Tages.“ Vorsichtig setzte sich Nami Robin gegenüber. Näher sollte sie nicht. Sie war angespannt und die Alarmglocken waren in Bereitschaft.

„Ab da entfernt sich der Zweifel, er bleibt und ist unsterblich. Vielleicht verblasst er, wird in eine Ecke getrieben, aber er lebt und wartet auf den nächstbesten Moment.“ Das nächste Blatt wurde aufgehoben, genauestens studiert. Nami ignorierte den Einwand. Für solch eine Unterhaltung fehlten ihr die Nerven.

„Warum bist du hier?“ Die Frage, die ihr minutenlang auf der Zunge lag.

„Ich möchte mich überzeugen.“

„Wovon?“ Erkannte Nami ein Lächeln? Ihr wurde bang. Die Alarmglocken schrillten. Robin hob den Kopf an und lächelte tatsächlich.

„Ob du es wert bist, mir die Hände schmutzig zu machen.“

... we fail to even try

Wiederhol das!“, forderte Nami gepresst, denn sie wollte ihren Ohren nicht trauen, obwohl ihr Instinkt minutenlang denselben Schluss hegte. Nico Robin kam nicht für eine Lappalie, einem seichten Gespräch, sie suchte nach mehr, nach Antworten und die Alarmglocken schrillten lauter werdend in den Ohren der Navigatorin.

„Du hast mich bestimmt verstanden. Ein Teil in mir, der warnt mich und sagt, du seist eine potenzielle Gefahr, die ich schleunigst neutralisieren muss. Lebend würdest du mir in die Quere kommen und das kann ich unmöglich zulassen.“ Ein Glück, dass Nami bereits saß, denn sie wusste, diese Worte hätten ihr den Boden unter den Füßen genommen. So etwas aus dem Mund ihrer Freundin… nie hatte es das gegeben. Unruhig kribbelte ihr Körper, das Herz schlug schneller und plötzlich hörte sie bloß ein unangenehmes Summen. Da war es wieder, dieses panische Gefühl, das die Gegenwart der anderen in ihr auslöste. Selbst Miss Bloody Sunday vermochte es nie, Nami eine solche Panik zu bereiten, nicht mit solch einer Intensität.

„Warum wartest du dann?“, fragte sie nervös, schluckte schwer, denn ihr Mund war trocken und in ihrem Hals spürte sie ein Kratzen. Keinerlei Emotionen, die ihr einen möglichen Aufschluss gaben, zeichneten sich in Robins Gesicht ab und allein das, das machte die Angelegenheit wesentlich gefährlicher.

„Wie gesagt, ich suche nach einem Grund. Bislang bleibt er aus. Ich nehme dich nicht als Bedrohung wahr“, antwortete Nico Robin wahrheitsgemäß. An Bord lebten Kämpfer, die kaum einen Fehler zuließen, die sie zwar trickreich ausschalten konnte, aber die Stärke und Willen ausstrahlten. Besonders der Kapitän, der weiterhin durch die Landschaft streifte und den Weg aufs Plateau suchte. Die Ausstrahlung reichte und zeigte ihr, wie gefährlich allein er werden konnte, aber die Kleine vor ihr? Bei ihr musste es sich um eine Fehleinschätzung handeln.

„Wow“, formten Namis Lippen und sacht schüttelte sie den Kopf. Dieser ominöse Fluch leistete seine Arbeit und leider konnte sie das Ausgesprochene nicht von Robin behaupten. Denn diese stellte momentan eine Gefahr dar. Ein Gedanke, gegen den sich Nami nicht wehren konnte. Neben der Robin, die sie über die Jahre kennenlernte, existierte weiterhin eine andere, eine Persönlichkeit, die sich stark unterschied und die normalerweise nur innerhalb eines lebensbedrohlichen Kampfes in vollem Maße an die Oberfläche trat. Davor musste sie Angst haben, dass eben jener Teil die Oberhand gewonnen hatte. Ein Frösteln überkam Nami, entfachte eine Gänsehaut, die wie ein Beben durch ihren Körper fuhr. Da saß sie nun, unbewaffnet und angreifbar in direkter Nähe zu jener Frau, die sie aus tiefstem Herzen liebte und hatte keinen Schimmer, wie sie sich verhalten sollte, durfte. Ein beklemmender Druck lag auf ihrer Brust und vorsichtig suchten ihre Augen Robins und erst in diesem Moment erkannte sie den markanten Nuancenunterschied, den sie nie zuvor in ihnen gesehen hatte. Diese Augen… Nami kannte sie mittlerweile in und auswendig. Sie gaben Nami mehr Aufschluss über das Befinden ihrer Freundin als sonst etwas; sie wusste wie sie sich je nach Situation veränderten, aber so, so hatte sie sie niemals gesehen. So anders, so fremd.

„Wie ist es soweit gekommen?“, flüsterte Nami und doch schien es, als ob die Frage nicht an Robin gewandt war, sondern vielmehr stellte sich Nami diese selbst. Erzählungen hin oder her, inwieweit sie darauf vertrauen konnten war fraglich. Oftmals wurden sie mit andauernder Zeit verändert, ausgeschmückt. Durfte sie Sanjis Worten Glauben schenken, so wussten die Bewohner selbst nur Anhand der Überlieferung was genau dort oben geschah, aber da so gut wie niemand, den der Fluch je befallen hatte, überlebte, gab es lediglich lose Vermutungen. Wie viel tatsächlich dahinter lag, konnte ihr niemand beantworten, bloß eine Person und wie kooperativ diese war, ja, das war eine andere Frage.

„Jahrzehnte schon suchst du die eine Wahrheit…“, setzte Nami fort, denn sie erhielt keine Antwort, lediglich ein Starren und Schweigen, das sie kaum aushielt, „denkst du all deine Recherchen liegen grundlos hier oder wir hätten sie gestohlen? Du hast sie gelesen, macht dich das nicht stutzig? An deiner Stelle würde ich mir sofort Gedanken machen.“ Robin unterbrach den Blickkontakt, lenkte ihre Aufmerksamkeit tatsächlich auf die vollgeschriebenen Blätter. „Wer bin ich?“ Da Nami nicht weitersprach, entstand ein bedrückendes Schweigen und ließ das Ausgesprochene unbeantwortet in der Luft hängen.

Nico Robin dachte in der Tat nach, denn die Indizien waren recht merkwürdig. Ihre Handschrift, ihre Nachforschungen und diesen Teil, den konnte sie wahrlich nicht ignorieren. Irgendetwas hinterließ einen faden Beigeschmack, aber sie fand keine Erklärung. Zwei Begegnungen, drei Männer, die auf sie einredeten und von Freundschaft sprachen und jetzt noch die Navigatorin. Das konnte doch kein großer Schwindel sein, oder? Ein ausgeklügeltes Spielchen!. Wenn es einer war, warum zweifelte sie daran? Wie kam die Mannschaft an ihre Unterlagen? Ihr Instinkt, wie sie diese Stimme einordnete, hatte sie nie belogen, ihr in der Vergangenheit oft das Leben gerettet. Stets durfte sich Robin darauf verlassen. Warum sollte es ausgerechnet dieses Mal in die falsche Richtung deuten?

„Niederträchtige Biester diese Zweifel, was?“, hörte sie die Navigatorin, den eigenen, identen Wortlaut und sah auf.

„Dein Freund ist wieder auf den Beinen“, wechselte Robin das Thema und erhob sich. Anstatt erhofften Antworten wurden mehr Fragen aufgeworfen. Zweifel waren unangebracht, brachten sie bloß ins Wanken. Angesichts der drohenden Gefahr konnte es sie in große Schwierigkeiten bringen. Robin musste einen klaren Kopf wahren. Daher nahm sie lieber das Zimmer weiter unter die Lupe, erhoffte sich so eine Sortierung und so schritt sie umher, ließ die Eindrücke auf sich wirken. Bevor Nami sie mit ihrem Blick verfolgte, genehmigte sich diese einen kurzen Augenblick der Erleichterung. Brook war aufgewacht. Wenigstens eine gute Nachricht. Lange hielt der Moment eben nicht an und so legte sie die Stirn in Falten.

„Mich möchtest du töten, aber Brook durfte, zwar verletzt, aber lebend gehen?“ Welche Logik lag hinter all dem.

„Bisher ist jeder mit dem Leben davon gekommen. Frag den Schwertkämpfer oder euren Cyborg.“ Robin blieb an einem der Bücherregale stehen. Bald schon erreichte der Kapitän des Schiffes das Plateau und dann würde sie ihm ihre Aufmerksamkeit schenken, selbst wenn sie hier keinen Schritt weiterkam. „Kleines, denk nicht zu sehr darüber nach. Ich gebe dir gerade dieselbe Chance.“ Das tat Robin, obwohl ihr anderes empfohlen wurde und diese Gelegenheit sollte dementsprechend genutzt werden.

„Erwartest du Dankbarkeit?“, fragte Nami angesäuert nach und erhob sich nun ebenfalls. Sitzen und warten behagte ihr nicht und vielleicht, solange Robin anderweitig beschäftigt war, konnte sie die Gelegenheit nützen und sich ihrer Waffe nähern. Für alle Fälle. Ein Kampf lag bestimmt nicht in Namis Interesse, aber fühlte sie sich wesentlich sicherer und doch, kaum hatte sie den Gedanken fertig gedacht, kam der nächste. Vielleicht… vielleicht brauchte sie das nicht. Was, wenn sie anderweitig zu ihrer Freundin vordrang? Sollte sie einfach so nach ihrem Klimataktstock greifen, dann spielte Nami der anderen jegliche Trümpfe in die Hand und dann, dann stand eine Eskalation wirklich bevor.

„Ich habe dich auf deine Möglichkeiten hingewiesen.“ Gemächlich schritt Nami durch den Raum, blieb nahe dem Bücherregal und somit Robin stehen. „Du bist merkwürdig. Einerseits stört dich die Tatsache, dass ich hier bin um mir ein Bild von dir zu machen. Andererseits stört es dich, dass ich dir die Chance biete, mich von meinem Vorhaben abzuhalten.“ Robin sah sie nicht an, blätterte einfach durch das Buch. An dessen Inhalt konnte sie sich sogar wage erinnern. Nami seufzte, neigten den Kopf zur Seite und lächelte verzweifelt.

„Tut mir leid, aber es ist nicht gerade ein schönes Gefühl bedroht zu werden. Erst recht, wenn diese Person jene ist, mit der ich seit über einem Jahr das Bett teile“, sprach Nami schließlich ihr Problem aus. In Anbetracht der Lage war durchaus verständlich und so betrachtete sie Robin, die anscheinend nicht mit dieser Begründung gerechnet hatte. Das Buch wurde geschlossen.
 


 

× ×
 

Eingekreist von seinen Freunden, saß Brook bei Tisch und schlürfte Suppe. Seine müden Knochen nahmen die Wärme willkommen entgegen und obwohl er die fragenden Gesichter erkannte, genehmigte er sich die wenigen Minuten, schwieg und aß genüsslich.

Nico Robin hatte gute Arbeit geleistet. Sein Körper schmerzte und die Temperaturen gepaart mit dem Liegen im Schnee hatten ihm endgültig den Rest gegeben. Zwar war er die gesamte Nacht über in dicke Decken eingepackt, aber erst die Suppe schien ihm die letzten Rückstände zu nehmen und er spürte diese aufkommende, wohlige Wärme. Robin, dachte Brook, während er den nächsten Löffel zu sich nahm, und erkannte, wie die Blicke eindringlicher wurden. Wie die Geier kreisten sie um ihn. Schließlich, nachdem er zwei Teller geleert hatte, seufzte Brook auf und lehnte sich zurück. Seine Verletzungen sprachen Bände und ein Angriff war unübersehbar, aber er lebte. Wie vorausgesagt, hatte Robin gegen irgendeine Macht den Kürzeren gezogen und doch, obwohl die Möglichkeit gegeben war, hatte sie ihn nicht getötet. Vielleicht, so hoffte der Musiker, schlummerte tief drinnen das alte Ich und versuchte eine Grenze zu wahren.
 

„Was ist dort oben vorgefallen?“, brach Sanji das Schweigen, der nervös an seiner Zigarette zog. Brook neigte den Kopf, da er bereits eine Weile wach war, hatte er eben den einen oder anderen Gesprächsfetzen mitbekommen, aber inwieweit seine Erlebnisse helfen konnten, konnte er kaum einschätzen.

„Schon an Bord hat sie ein merkwürdiges Verhalten gezeigt und der Zustand hat sich verschlimmert je näher wir dem Plateau kamen. Akribisch schlug sie den Weg ein und ich habe versucht sie zur Rede zu stellen, aber da hat sie mich das erste Mal bewegungsunfähig gemacht.“ Brook hielt inne, dachte darüber nach. Vermutlich hätte er früher handeln sollen, aber ob das etwas verändert hätte? Wohl kaum, dafür war Robin viel zu zielstrebig gewesen. „Sie wusste, dass sie dort irgendetwas erwartete. Sie sagte, ich dürfe ihr nicht folgen. Eine Zeit lang lag ich also da, ehe aus dem Nichts heraus ihre Hände verschwanden. Da bin ich hinterher… habt ihr die Felswand erlebt?“ Frustriert verzog Franky das Gesicht. Das hatten sie durchaus und vollkommen hinter das Geheimnis waren sie noch nicht gekommen.

„Eine Barriere, deutlich spürbar und absonderlich“, entgegnete er und seufzte.

„Ich schätze, wir haben es hier mit einem Schutzmechanismus zu tun, der Unbefugten den Zutritt verwehrt“, fügte Zorro hinzu und kratzte sich am Hinterkopf. „Lästiges Teil und so lange Robin dort drinnen ist, haben wir ein Problem. Hinzu kommen ihre Doppelgänger und die sind nervenaufreibend.“

„Ihr habt sie also gesehen“, stellte Brook fest, „wie ich, aber ich glaube, ich habe keinen Doppelgänger getroffen.“

„Du hast ihre Warnung ignoriert?“, fragte Franky weiter. Etwas in dieser Form hatte sie ja angedeutet und das würde erst recht die Verletzungen erklären. Brook nickte sacht.

„Korrekt. Ich habe versucht mit ihr zu reden und ließ nicht locker. Irgendwann riss ihr der Geduldsfaden, aber sie hat erst dann ernsthaft angefangen, als ich stur blieb.“

„Das Problem bleibt bestehen. Wir haben keine Ahnung, wie wir sie zurückholen“, klinkte sich Lysop ins Gespräch ein, hatte seinen Kopf abgestützt und wirkte ziemlich geknickt. Die Ausgangslage war mehr als verzwickt und bis dato fanden sie keine Lösung, die ihnen tatsächlich aus der Misere verhalf. „Ich bezweifle, dass die Lösung jener aus dem Märchen entspricht.“ Ab diesem Punkt war es eine einfache Erzählung, so dachte er.

„Sie muss uns doch irgendwie erkennen“, nuschelte Chopper und hielt seine Tasse Kakao fest umklammert.

„Unser Käpt’n dringt vielleicht durch. Er hat eine besondere Gabe und gibt bestimmt nicht auf, yohoho“, versuchte Brook den Arzt aufzumuntern, der den Worten allerdings kein Gehör schenkte. Auf Ruffy vertrauen war eine Sache, die sie alle taten, aber ob das hierbei eine Rolle spielte, blieb offen. Drei Freunde erkannte Robin nicht, warum sollte sie dann ausgerechnet Ruffy erkennen und deswegen normal werden?

„Dieses Weib kann einfach nicht die Klappe aufmachen!“, brachte Zorro zähneknirschend hervor und erhielt prompt die Quittung. Sanji holte zum Tritt aus, den Zorro gekonnt mit dem Schwert parierte. Entnervt funkelten sie sich an.

„Rede nicht so über Robin!“, fauchte der Smutje. Ganzgleich wie sehr die Aussage der Wahrheit entsprach, solch eine Wortwahl mochte er nicht hören.

„Lasst den Blödsinn!“, keifte Franky und seine Faust schlug auf den Tisch.
 


 

× ×
 

„Tagelang zerbreche ich mir den Kopf und mache mir Sorgen. Wie so oft habe ich dir deine Ausreden durchgehen lassen, denn trotz allem, irgendwann hast du den Weg gefunden und das Gespräch gesucht. Erzwingen kann ich nichts, konnte ich nie. Umso mehr mache ich mir Vorwürfe. Dieses Mal, da hätte ich es tun müssen, stattdessen brach ich auf. Ich habe das ungute Gefühl ignoriert und bei meiner Rückkehr… da warst du bereits fort.“ Von Anfang an beschlich Nami eine gefährliche Vorahnung und sie hatte nichts unternommen. Lieber folgte sie dem Plan und erkundete das Städtchen. Gleichzeitig stellte sie sich die Frage, ob sie überhaupt mehr hätte unternehmen können. Immerhin, Robin hätte genauso gut ausweichen und aufbrechen können, wenngleich das Unterfangen eventuell schwieriger gewesen wäre. Die Antwort würde sie jedoch nie erhalten, aber darum ging es gerade nicht. Vielmehr erhoffte Nami, wenn sie darüber sprach, einen Fortschritt zu machen. Irgendwie musste ihr ein Vorstoß gelingen, denn sie wusste, sehr viele Chancen boten sich nicht. Da Robin sich nicht regte, nahm Nami ihr das Buch aus den Händen und gab es zurück ins Regal, stellte sich anschließend direkt vor die Archäologin. Fliehen oder gar kämpfen, das waren keine effektiven Optionen. Genügend Zeit war ungenützt verstrichen, in der sie dagegen sprach und versucht hatte die Umstände zu ignorieren. Schuldbewusst sah sie hoch und wartete, wartete bis Robin den Blickkontakt erwiderte und als das eintrat, lächelte Nami sacht. Jetzt oder nie und Nami spürte, wenn sie durchbrechen wollte, so musste sie große Geschütze auffahren.

„Glaub mir, ich kann die Gegebenheit dieser Insel weiterhin nicht einschätzen. Entspricht es dem Fluch eines Märchens oder liegt dahinter ein anderer Grund? Keine Ahnung. Eine Mischung aus beidem? Vielleicht. Was ich weiß ist, dass ich dich ab einem Punkt im Stich gelassen habe. Ich bin an Bord geblieben und habe auf deine Rückkehr gewartet, obwohl ich wusste, dass das nicht eintrifft. Seit jeher bist du dieser Fels, unerschütterlich, stark und ausgerechnet dir widerfährt…“ Das passte nicht ins sonstige Konzept. Erst recht nicht anhand eines Fluches, der aus einem Kindermärchen entsprang. Den Gedanken, den konnte sie weiterhin nur sehr schwer akzeptieren. Das war aber eine andere Sache, vielmehr war da der Umstand, dass zum ersten Mal ausgerechnet Robin ernsthafte Hilfe brauchte. Enies Lobby differenzierte Nami. Dort gab es einen anderen Auslöser, eine vollkommen andere Ausgangslage und ohne diese, ohne den Seestein, wäre das Geschehen ganz anders verlaufen.

Ein verdächtiges Glitzern lag in den Augen der Navigatorin, tief musste sie durchatmen und schluckte ihre Gefühle. Gänzlich durften sie sie nicht einnehmen und erst zum zweiten Mal sprach sie offen die Wahrheit über den Vorfall am Nachmittag aus.

„Ich habe es gefühlt. Es hat dich eingenommen… Ich habe alles mitbekommen und statt dir zu helfen, dir hinterher zu eilen, bin ich geblieben und habe mich dagegen gewehrt. Stunden habe ich damit verschwendet, mir einzureden, dass das blanke Einbildung sei, obwohl ich deinen Schmerz gefühlt habe. Wie das möglich ist, wüsste ich gern.“ Die Wut, die sich aufbaute, projizierte sie auf ihre Freunde, stattdessen war sie auf ihr Nichtstun wütend. Zögernd streckte Nami ihre Hand aus, legte sie bedacht an die Wange ihrer Freundin. Ein waghalsiger Zug, denn derzeit gab es mehrere Reaktionen, die darauf folgen konnten, aber trat vorerst nichts ein. Robin ließ es geschehen und Nami spürte keine Wärme. Ein weiteres Zeichen oder lag das am Doppelgänger?

„Kampfkünste sind unbedeutend. Was ist, wenn wir keine Lösung finden und dich verlieren? Ich habe Angst vor unserem, meinem Versagen.“ Zum ersten Mal standen sie einem Feind gegenüber, den sie nicht innerhalb eines herkömmlichen Kampfes besiegen konnten. Zwar konnten sie Robin im Ernstfall aufhalten, aber sie nicht zurückholen. Das hatte sie bereits am Nachmittag gespürt. Hier ging nichts von einer Teufelsfrucht aus. Auf dieser Insel trafen sie auf eine vollkommen neue Form, mit der sie es bisher nie zu tun hatten.

„Ich liebe dich, Robin.“ Ein Lächeln schlich sich auf Robins Lippen während sich in Namis Augenwinkeln die ersten Tränen lösten. „Dennoch bin ich eine Fremde für dich.“ Wie sollte sie diesen Wall durchbrechen? Die Hand sank und Nami fühlte sich machtlos.

„Danke, ich habe meine Antwort. Du bist es nicht wert.“ Robin hörte, wie nach ihr gerufen wurde und wandte den Kopf zur Seite. „Dein Käpt’n wartet auf mich. Ob er, im Gegensatz zu dir, auf die offensichtliche Lösung gestoßen ist?“ Diese Robin löste sich schließlich auf und Nami verblieb alleine mit weit geöffneten Augen.
 


 

× ×
 

„Das Warten ist zermürbend“, warf Franky in die Runde, lehnte seine Stirn an die Tischplatte. Niemand mochte diesen Umstand, er konnte es deutlich in ihren Gesichtern sehen, aber wagte keiner den entscheidenden Schritt und forderte auf den Befehl für ungültig zu erklären. Lag wohl daran, dass Ruffy selten einen erteilte und sie die bisherigen daher nie in Frage stellten. Der Käpt’n meinte es gut, wusste, sie waren hier sicher, aber wie lange sollten sie noch warten und auf einen guten Ausgang hoffen?

„Da wir nicht wissen, wann er aufgebrochen ist, ist es kaum einschätzbar, wo genau er sich gerade befindet, aber was bleibt uns übrig? Ihm folgen und dann?“, erwiderte Lysop resignierend. Durchaus konnte er Franky verstehen, ihm selbst behagte die Unwissenheit nicht. Jede Minute, die sie hier verbrachten und kein Sterbenswörtchen hörten, machte es schwieriger. Zwar kannte er Robins Kräfte und hatte diese schon das eine oder andere Mal spüren müssen, aber sie war eben ihre Freundin!

„Wir können ihm entgegen gehen…“, sprach Chopper recht vorsichtig aus, warf einen kurzen Blick auf seine Freunde ehe er den Kopf neuerlich sinken ließ und sich auf die Zeilen konzentrierte. Da sie offiziell zum Warten verdammt waren, nutzte er die Zeit und suchte im Märchenbuch Ablenkung.

„Recht spät“, mischte sich Brook ein und überprüfte die Uhrzeit, „müsste Nami nicht bald hinzustoßen?“ Sanji stieß den Rauch aus und folgte dem Blick. Normalerweise war sie längst hier, aber wie sollte er ihr Fernbleiben einordnen? Das Gespräch hatte ihm einen Einblick gewährt und es bestand durchaus die Möglichkeit, das Nami das Alleinsein vorzog. Bisher gab es keine große Neuigkeit, die sie einen Schritt weiterbrachte und Nami war sich im Klaren darüber, dass sie sie, sollte der Fall eintreten, sofort informieren würden. Verstrich mehr Zeit, so konnte er noch immer ihr Zimmer aufsuchen und nach ihr sehen, aber derzeit, wo das Schiff in eine beklemmende Ruhe gehüllt war, schenkte er ihr lieber den Freiraum.

„Vielleicht ist sie ja abgehauen und sucht selbst nach Robin“, sprach Lysop grübelnd aus und grinste schief. Nami traute er den Schritt durchaus zu.

„Ernsthaft?“ Sanji kannte, wie sie alle, die impulsive Ader der Navigatorin, aber nach der gestrigen Verfassung bezweifelte er das stark.

„Dann halt nicht“, nuschelte der Schütze und lehnte zurück. Die Abwesenheit fand er dennoch recht merkwürdig oder er schenkte dem zu viele Gedanken. Robin war zwar eine Mitstreiterin, eine gute Freundin, aber die beiden verband dann doch mehr und das alleine gestaltete die Angelegenheit wesentlich schwieriger.

„Hey Marimo, was ist deine Einschätzung?“, rief Sanji Richtung Schwertkämpfer, der seit geraumer Zeit, besser gesagt seit dem kleinen Schlagabtausch, auf der Bank saß und schwieg. Wer ihn nicht kannte, der würde meinen er schlief, aber sie alle wusste, dass das definitiv nicht der Fall war und so zuckte er die Schultern.

„Wir warten.“

„Auf seine Rückkehr?“ Zorro brummte.

„Nein, auf den richtigen Zeitpunkt.“

„Soll heißen?“

„Du wirst ihn erkennen.“
 


 

× ×
 

„ROBIN!“, schrie Ruffy lautstark. Schnaufend nahm er einen tiefen Atemzug. Vor Minuten war er am besagten Ort angekommen und von seiner Freundin fehlte jegliche Spur. Seither schrie er sich förmlich die Seele aus dem Leib.

„KOMM RAUS!“ Eine Jet-Pistole krachte gegen die Felswand, brachte die Umgebung zum Beben. Er hatte Sanjis Erklärung gelauscht und somit wusste er, Robin musste hier sein. Irgendwann kam sie der Aufforderung schon nach, denn er blieb. So lange, wie es eben dauerte und den Radau, den er bis dahin veranstalten würde, der würde dazu beitragen.

„Ein Klopfen hätte gereicht, Käpt‘n.“

Once there was a queen

Einst, so überlieferten die Generationen, regierte der Sommer das Land. Frühling und Herbst arrangierten sich, erhielten wenige Wochen der Aufmerksamkeit und klopften milde an die Pforten. Die vierte Jahreszeit, der Winter, war an diesem Ort ein seltener Besucher. Kam er, so blieb nichts von ihm haften; flog Jahrzehnte unbemerkt vorüber.
 

Hoch oben, am Plateau, dicht an der Bergwand, stand ein Schloss, das Heim der Regentschaft. Von dort überblickten sie seit Jahrhunderten das Dorf. Zu jener Zeit beherbergte das Schloss eine Königin. Das Volk liebte sie, denn sie war gütig und liebevoll. Ohne Mann und Familie an ihrer Seite, lebte sie für das Wohl des kleinen Reiches.

Mythen rankten sich um das Adelsgeschlecht. Sie sprachen, dass die Herrscher als Beschützer fungierten. Die Insel beherbergte eine alte Macht, die sich in den Tiefen des Gesteines offenbarte. Bedienstete erzählten von einem geheimen Gang, der in den Berg, in eine verschlossene Kammer führte. Was dort lag und sich versteckte, konnte niemand erklären. Denn nur Auserwählte erhielten Zugang. So brachte der Lauf der Zeit die wildesten Fantasien hervor, aber kein Bewohner wagte es, den Ort jemals aufzusuchen oder das Schweigen des Königshauses in Frage zu stellen, bis es eine Geschichte wurde, die sie sich flüsternd erzählten.
 

Eines Tages, am Ende des prächtigsten Sommers des zehnten Jahres der Regentschaft ihrer Königin, fanden Fischer drei Schiffbrüchige. Ohne Bedenken brachten sie diese ins Dorf, gaben ihnen reichlich an Wasser und Nahrung und ließen ihnen ärztliche Versorgung zu kommen. Das plötzliche Auftauchen der Männer brachte Aufregung mit sich. Selten kamen Schiffe vorbei und Fremde in das Land, als ob ein Schutzwall die Insel von der übrigen Welt abschottete.

Die Königin empfing die Männer und bot ihnen den Verbleib an. Die umliegende See war rau, unliebsam und wenig befahren. Ein Schiff, gesteuert von drei Männern, geben, das konnte ihr Gewissen nicht vereinbaren. Den Besuchern blieb keine Wahl und so stellten sie sich auf das Warten ein. Die Insel war ein überschaubarer Ort und hier fehlten ihnen nichts.
 

Einer, der drei Männer, galt als Forscher aus einem weit entfernten Land, der rasch seine Begeisterung kundtat. Täglich durchstreifte, untersuchte er die Landschaft und machte Aufzeichnungen. Er liebte das Unbekannte.

Der Königin gefiel seine Faszination und schon bald verbrachte er viele Stunden bei ihr im Schloss. Erzählte der Königin allerlei Abenteuer. Von den bereisten Inseln, den verschiedenen Kulturen, dem Meer. Die Königin lauschte den Geschichten und fühlte schon bald eine Sehnsucht, die ihr vorher nie in den Sinn gekommen war. Das Reisefieber hatte sie gepackt, aber mit der Verpflichtung im Hinterkopf, hatte sie einen Weg eingeschlagen, von dem sie sich nicht abwenden durfte.
 

Die übrigen Männer unterhielten die Taverne mit ihren illustren Erzählungen. Darunter erfuhren die Bewohner, warum sie Schiffbruch erlitten; wie ihnen das Leben hold war und gelöste Planken sie über Wasser hielten. Drei Tage trieben sie auf dem Meer umher, glaubten dem Tod näher zu sein als dem Leben; sie warteten auf das Wiedersehen mit ihren verlorenen Kameraden.

Geschichten von unbekannten Inseln liebten ihre Hörer besonders gerne. Orte, an denen laut Erzählung, vor ihnen niemand einen Fuß gefasst hatte. Fremde Kulturen. Das Leben auf hoher See und das Gefühl nach Wochen wieder auf festem Boden zu stehen. Die Männer sehnten sich nach dem Meer, weiteren Expeditionen. Ein Schachzug, der vor allem die Jungen im Dorf anzog. Von Kindesbein an kannten sie bloß ihre Heimat und so wurden Stimmen hörbar. Sie sprachen von einem eigenen Expeditionsschiff unter der Krone.
 

Der Forscher erfuhr von der Begeisterung im Dorf und dem Vorschlag einen neuen Trupp zu bilden. Auch seine Sehnsucht schrie nach der See, aber hatte sich etwas geändert. Er liebte die Königin. Sein Herz war ihr verfallen.

Wie konnte er gehen, wenn die Reisen lange andauerten; unwissend ob sie je lebendig zurückkehrten?

Die Königin hegte dieselben Gefühle, denn die Gerüchte kamen rasch an ihre Ohren, die wenig Begeisterung entfachten. Aber sah sie seinen Zwiespalt, erkannte die Sehnsucht in seinen Augen. Wie konnte sie jenem Mann einen Wunsch abschlagen?

So sollte es geschehen und noch am letzten Herbsttag des Jahres, trotz der rauen und ungebändigten See, zog er von dannen; mit dem Versprechen seiner Liebsten treu zu bleiben und an den Hofe zurückzukehren.
 

Der Winter trat in den Vordergrund und galt als der schlimmste und unbarmherzigste, den das Inselreich bis dahin je erlebt hatte. Sonnentage gab es spärlich und so lechzten die Menschen nach den Strahlen, sollte sie durch die dicke Wolkenschicht dringen. Zum ersten Mal blieb eine dicke Schneedecke liegen und behinderte das Leben der Bewohner.
 

Die Königin selbst, fühlte sich einsamer denn je. Ihr Herz verlor sich in Sehnsucht nach Geborgenheit, den wärmenden Armen ihres Liebsten. Von einem Tag auf den anderen war aus dem Palast ein mächtiger, goldener Käfig geworden.

Nachts, so erzählte man, streifte die Herrscherin rastlos durch die Gänge. Bedienstete fingen Gespräche auf, in denen die Königin sich fragte, warum sie ihn nicht begleitete. Zehn Jahre hatte sie das Land regiert, ohne Zweifel und Bedenken. Sie lebte für ihr Dasein als Königin, aber der Forscher hatte all das verändert, hatte den Ruf nach mehr geweckt und so kam ihr der kalte Winter zur rechten Zeit.
 

Sie wartete und wartete. Aus Wochen wurden Monate, dann ein Jahr. Erst im nächsten Winter sollte sie ihren Liebsten wiedersehen und dieses Wiedersehen sollte die Königin und das Leben der Bewohner auf immer verändern.


 

Chopper schlug das Buch zu. Einzelne Passagen kannte er mittlerweile auswendig. Wie oft hatte er die Erzählung schon gelesen? Genügend Male, die halbe Nacht durch. Müde schloss er die Augenlider. Bis hierhin bereitete ihm die Erzählung keine Sorgen, aber er kannte den Rest und ab da bot sie reichlich Spekulationen, aber ob und wie diese weiterhalfen, konnte er kaum in Worte fassen.

Eine Frage blieb weiterhin offen, wie holten sie ihre Archäologin zurück? Sanji hatte seine Vermutungen geäußert und wusste selbst nicht, ob er seinen eigenen Gedanken Glauben schenken durfte. Wenn es die Lösung war, dann lag die Rettung an einem Menschen an Bord. Er seufzte, lugte an die Wand.

Die Ziffernblätter bewegten sich lähmend. Eine Entscheidung war getroffen worden und Chopper, er haderte, denn er gehörte jener Gruppe an, die an Bord blieb, auf das Schiff aufpasste und somit weiterhin zum Warten verdammt wurde. Er wollte doch helfen und seine Freunde mit allen Mitteln unterstützen, aber musste jemand vor Ort bleiben; für den Fall der Fälle. Aber ausgerechnet er? Als Arzt?

Brook blieb eingeschränkt und so beschlossen sie, den Musiker aus dem Spiel zu nehmen. Ihnen war bewusst, dass sie keine Zeit mehr verlieren durften und Brook war für einen Angriff, in diesem Zustand, verwundbarer denn je. Wenn die anderen jedoch ärztliche Hilfe benötigten, so war er weit entfernt und das behagte dem Rentier nicht.

„Du kannst ihnen folgen, Chopper“, hörte er die klare Stimme des Musikers, der seinen Kameraden genauer unter die Lupe nahm und seine Unruhe erkannte.

„Dich alleine zurücklassen? Nein, ich denke, das dürfte ihnen nicht gefallen.“ Irgendetwas hatten sich seine Freunde schon dabei gedacht, aber sein Verstand, verschuldet durch die Müdigkeit der schlaflosen Nacht, erkannte wohl den entscheidenden Faktor nicht.
 


 

× ×
 

Duschen half gewöhnlich und sortierte ihre Gedanken, aber dieses Mal drehten sich diese weiterhin im Kreis. Rätsel hatte sie noch nie sonderlich gemocht. Was übersah sie?

Frisch umgezogen saß sie da, blätterte durch die am Tisch verstreuten Aufzeichnungen. Der Klimataktstock lehnte einsatzbereit neben ihr. Robin hatte sich damit beschäftigt und sich die eigenen Schriften genauestens durchgelesen. Stand darin etwa die ersehnte Antwort?

„Ach, verdammt!“, knurrte die Navigatorin. Sie hatte alles zuvor schon gelesen und hie und da fand sie erneut Zeichen, dessen Bedeutung sie nicht kannte. Hatte Robin jene gemeint, dann war Nami auf einem verlorenen Posten. Wieder echoten die letzten Worte der Archäologin. Nicht wert sein. Immer wieder versetzte ihr das Ausgesprochene einen Stich, hatte Robin die Wahrheit ausgesprochen? Vielleicht, denn viel hatte sie während der Anwesenheit der anderen nicht unternommen. Die Stunden zuvor überhaupt nichts, vielmehr hatte sie gewartet und dagegen gesprochen. War das das Problem? Ihr Nichtstun? Denn irgendwie glaubte Nami nicht daran, dass Robin die kämpferischen Fähigkeiten gemeint hatte. Natürlich, ihre erste Vermutung hatte in die Richtung gedeutet, aber im Nachhinein, da hörte es sich nicht plausibel genug an. Dahinter lag sehr viel mehr und das sagte ihr ihre eigene Intuition. Immerhin, just in dem Moment, in denen Nami ihr Zweifel und Ängste offen dar legte, traf Robin die angekündigte Entscheidung. Musste sie in Aktion treten? Wie?

„Ich gebe dir deine offensichtliche Lösung!“, murmelte die Navigatorin, packte ihren Klimataktstock und schritt eilig aus dem Zimmer. Wenn dem so war, dann hatte Nami den Weg vor sich und sie würde ihre Freundin aufsuchen. Dieses Mal, da ließ sie die andere nicht entwischen, denn die Worte, ob Absicht oder nicht, hatten in Nami ein Feuer geweckt, das gestillt werden wollte. Solche Worte durfte Nami nicht auf sich sitzen lassen!
 


 

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„Oh, Käpt’n, du bist wahrhaft die Herausforderung, die ich mir ersehnt habe.“ Der Strohhutjunge sprühte vor Energie und Eifer. Das mochte Nico Robin.

Die Warnung hatte einen Grund gehabt, ihre Intuition log nicht. Monkey D. Ruffy war eine potenzielle Bedrohung. Seine Kräfte stemmten sich gegen ihre. Hier musste sie listig agieren und nach Lösungen anderer Art fündig werden, aber schreckte sie die Herausforderung nicht ab. Das Gegenteil trat ein. Irgendwie stachelte es die Frau an. Lange schon, hatte sie sich nicht anstrengen müssen, nicht wie im Falle eines Menschen aus Gummi. Unmöglich konnte sie ihm die nötigen Knochen brechen, ihm in der passenden Sekunde der Unachtsamkeit den Gar ausmachen. Vielmehr konnte er ihr Schmerzen bereiten, sollte sie ihn einen Wimpernschlag lang, aus den Augen lassen.

„Hör auf, Robin! Ich bin zum Reden gekommen.“ Tief atmete er durch. Bislang unternahm er keinen Schritt. Vielmehr ließ er sie machen. Ein ernster Schlagabtausch kam für ihn einfach nicht in Frage, aber machte sie weiter, dann musste er irgendwann in die Offensive übergehen und genau das, das wollte er vehement vermeiden. Verletzungen mochte er ihr keine zufügen, die brauchte er nicht. Es reichte der passende Moment und er konnte sie schnappen, doch hierfür musste er den Abstand zwischen ihnen überbrücken.

„Ich habe in den letzten Stunden genug Gespräche geführt. Worüber könnten wir uns schon unterhalten?“ Ruffy blieb stehen, ließ die Arme hängen.

„Über dich. Was dich bedrückt“, gab er zu verstehen. Besorgnis spiegelte sich in Ruffys Gesicht wider. Er wollte verstehen, warum Robin dem Fluch verfiel und obwohl er bei seinen Freunden kaum einsichtig agiert hatte, hatte er zugehört; über das Problem, das ihnen derzeit das Leben schwer machte, nachgedacht. Muskeln brachten ihn hier nicht ans Ziel. Eine Feststellung, die er wahrnahm und die ihn durchaus eine gewisse Unsicherheit gab. Bisher hatte er jeden Feind mit seiner Kraft geschlagen. Egal, was sie durchstanden, am Ende brauchte es bloß einen Kampf und danach kehrten sie stets in den Alltag zurück, aber nicht hier. Entweder übersahen sie jemanden, der aus dem Hintergrund heraus die Stricke zog oder es gab tatsächlich keinen physischen Feind und das war eine vollkommen neue Ausgangslage, an die sich Ruffy erst noch gewöhnen musste; jedoch schreckte sie ihn nicht ab, er musste lediglich umdenken.
 


 

× ×
 

„Ihr seid euch sicher, dass das funktioniert?“, hinterfragte der Schütze und schluckte schwer. Der Plan konnte sehr schnell nach hinten losgehen.

„Mach dir keinen Kopf. Dein Einsatz ist in erster Linie für den Notfall gedacht, sollte sich Robin zurückziehen“, erklärte Sanji ruhig, während sie den Pfad entlang wanderten.

„Schon, aber… was ist, wenn sie mich sieht? Da oben bin ich ein gefundenes Fressen!“

„Bist du so auch“, gab Nami provokant zu verstehen und grinste ihn unbehelligt an. Lysop knurrte und sah geradeaus.

„Leider wahr“, hüstelte der Schwertkämpfer und erntete, wie die Navigatorin, prompt ermahnende Blicke seitens Sanji und Franky.

„Stimmt doch. Bei unüberlegten Aktionen sind wir alle dran.“ Nami zuckte mit den Schultern. Das Jammern brachte ihnen keinen Fortschritt und Lysop sollte sich lediglich im Hintergrund aufhalten, sie selbst, wie die drei übrigen, marschierten direkt in die Nähe ihrer verrücktgewordenen Kameradin.

„Wir sind bald da“, bemerkte Franky, der lieber darauf hinwies; hoffend sie würden diese Thematik belassen und sich lieber auf das Bevorstehende konzentrieren. Da niemand eine Antwort gab, setzten sie den Weg fort und sie alle hingen dem Vorhaben nach.

Plötzlich spürte Nami eine Hand an ihrem Oberarm, ein Blick zur Seite ließ sie Zorro erkennen, der sie zurückhielt und deutlich das Tempo verlangsamte. Er suchte das Gespräch, ohne die Ohren der anderen in unmittelbarer Nähe. Verwundert über das Handeln, zeichnete sich Skepsis in ihrem Gesicht ab.

„Du hast eine Lösung parat?“, fragte er durchaus leiser als üblich.

„Nein, nicht wirklich. Oben werde ich improvisieren müssen, wie wir alle. Warum?“ Zorro verzog enttäuscht das Gesicht, hatte er eine bessere Antwort erwartet.

„Bist du dir sicher?“ Sie nickte.

„Klasse. Da habe ich auf dich gewartet und wir laufen erneut ohne Lösungsvorschläge in ihre Arme.“

„Hast du eine? Ich weiß nur, dass ich dort hoch muss, aber wie es weitergeht? Keine Ahnung.“ Er schnaufte.

„Wie du habe ich die Leute ausgelacht. Nach unserem Aufeinandertreffen habe ich nachgedacht, habe mit Sanji gesprochen und mir die Geschichte erzählen lassen. Nami“, unterbrach der Schwertkämpfer, musterte sie einen Augenblick ehe der die Augen wieder nach vorne richtete, „ihr beide habt eine emotionalere Bindung zueinander und die ist für mich ein grundlegender Faktor. Nutze sie! Grundlos hat dich Robin nicht aufgesucht.“

„Die Überlegung kam mir auch in den Sinn und hierbei stecke ich fest“, gestand sie und zog mit dem Klimataktstock leichte Spuren, „Wie mache ich das, Zorro? Während unseres Gespräches, da hat sie getan als sei ich ein Unbekannte. Regungslos und desinteressiert stand sie vor mir. Weder meine Worte noch Berührungen haben eine Veränderung ausgemacht. Dementsprechend bin ich ratlos.“ Nami schüttelte den Kopf. Das Gespräch war eine Katastrophe gewesen.

„Ich liebe sie und hatte Angst. Angst vor ihrer Anwesenheit und vor unserem Scheitern.“ Zorro neigte den Kopf zur Seite, dachte kurz nach.

„Vielleicht scheiterte es daran. Vielleicht ist das die Lösung!“

„Wie meinst du das?“ Zorro grinste verdächtigt.
 


 

× ×
 

Nami hatte sich in die Kombüse begeben und sie erhielt den Eindruck als hätten die Jungs bereits gewartet. Ohne große Worte zu verlieren, schritt sie schnurstracks hinter die Theke und schenkte sich Kaffee ein. Ein Knistern lag in der Luft und die Angespanntheit, nach der konnte sie beinah greifen. Kein Wunder, sie wusste durch Robin, wo sich ihr Kapitän aufhielt und was das bedeutete.

„Erwartest du einen Angriff?“ Lysop hob die Augenbrauen an und deutete auf den Klimataktstock, der gegen die Ablage lehnte.

„Ich habe viel mehr die Vermutung, es möchte jemand aufbrechen“, mischte sich Brook ein; ihre Kleidung sprach Bände.

„Da müssen wir dich enttäuschen. Wir haben den Befehl an Bord zu bleiben“, erklärte Franky und musterte die Navigatorin, wie manch andere, auffällig.

„Was ist der schnellste Weg?“ Unruhig tauschten sie untereinander Blicke aus und obwohl sie selbst darüber gesprochen hatten, waren sie geblieben, hörten weiterhin auf den Befehl des Kapitäns.

„Nami…“, war es Chopper, der vorsichtig zu ihr sah, „wir müssen auf Ruffy hören…“ Nami hatte gerade einen Schluck zu sich genommen und betrachtete den Arzt über den Tassenrand hinweg. Normalerweise unterwarf sie sich einem strickten Befehl, denn sprach er einen aus, dann hatte er einen triftigen Grund, aber nicht dieses Mal. Dieses Mal sträubte sie sich dagegen.

„Ein Jammer, dass ich das verpasst habe“, gab sie schließlich zurück. Wenn sie ihn nicht gehört hatte, dann konnte sie nichts davon wissen. Vielleicht war sie ja ohne Bescheid zu geben aufgebrochen. Alles war möglich.

„Er möchte uns aus der Gefahrenzone heraus halten. Bis auf ihn… wir sind anfällig. Ein falscher Schritt und sie nützt ihn gegen uns“, versuchte Franky die Sachlage zu erklären.

„Wir verstehen dich, Nami, wirklich, aber anscheinend müssen wir ein weiteres Mal auf Ruffy vertrauen“, fügte Sanji hinzu und die Reaktion fiel anders aus als erwartet, denn Nami lachte rau auf.

„Das Schiff ist nicht sicher, glaubt mir.“ Ein letzter Schluck folgte und die Tasse landete in der Spüle. Robin konnte sich, dank ihrer Kräfte, problemlos auf der Insel bewegen. An Bord zu bleiben, brachte ihnen im Ernstfall gar nichts. Ein Grund mehr den Befehl seitens Ruffy zu ignorieren. Nochmal wollte sie nicht aus dem Nichts heraus überrascht werden.

„W-Wovon sprichst du?“, fragte Lysop. Die Aussage behagte ihm nicht. Alle Augenpaare waren auf die Navigatorin gerichtet, selbst Zorro, der sich abermals im Hintergrund aufhielt, schien Interesse zu zeigen. Nami lächelte schwach.

„Robin hat mich besucht. Die Reichweite ihrer Kraft ist erschreckend.“
 


 

× ×
 

Vorsichtig hatte sich Ruffy genähert, aber verblieb in einem angemessenen Abstand und, zur Verwunderung der Archäologin, setzte er sich in den Schnee, neigten seitlich den Kopf.

„Ich verstehe das nicht, weißt du?“ Angestrengt atmete er aus.

„Wir haben die verrücktesten Abenteuer erlebt und du hast sie vergessen. Und was ich schlimmer finde… deine Familie.“

„Spricht nicht gerade für ein reißfestes Familienband, Käpt’n.“ Bisher blieb sie und spielte mit, aber sollte auch er lose Worte bereithalten, die sie langweilten, dann würde sie auf schnellstem Wege den Rückzug in Angriff nehmen.

„Deshalb möchte ich wissen, was die Insel in dir ausgelöst hat.“ Ruffy hielt seinen Strohhut in den Händen und drehte ihn. Seit Minuten zeigte er keinen Kampfeswillen, keinen im eigentlichen Sinne und sein Hinsetzen, verdeutlichte es umso mehr. Diese Geste irritierte Nico Robin und so sanken ihre Arme. Nichts deutete auf eine Auseinandersetzung hin. Hatte sie sich neuerlich geirrt? Anfangs erschien er mit einer anderen Einstellung, einer offensiveren, bis er aus dem Nichts heraus aufhörte und nicht mal mehr eine Abwehrhaltung einnahm.

„Nichts bedrückt mich, mein Lieber“, gab Nico Robin kühl zu verstehen. Dennoch musste sie zugeben, dass der Kapitän deutlich einen Ansatz verfolgte, den sie in den bisherigen Konfrontationen nicht erlebte. Generell waren sie allesamt grundverschieden gewesen und Robin hatte ihre Angst gefühlt; er hingegen, er strahlte keine aus. Lag womöglich am Kräfteverhältnis, das ihm mehr in die Hände spielte als ihr. Oder er überspielte sie oder sie existierte eben überhaupt nicht. Er war anders.

„Du lügst“, kam die prompte Antwort, „sonst wärst du nicht in der jetzigen Lage sondern bei uns an Bord.“ Ruffy musste nur einen Weg finden, den Grund in Erfahrung zu bringen und wie er somit das Problem bekämpfen konnte. Bis dahin hieß es warten und sie hier zu behalten.

„Ich bezweifle, dass du hier bleiben möchtest“, setzte er fort und sah sie dieses Mal an, „sei es dieser Ort oder die Insel an sich. Hier bleibt dein Traum unerfüllt.“

„Mein Traum?“ Er nickte.

„Diese Steine… merk mir den Namen nicht. Zwei Mal hast du ihn aufgegeben, zurückgesteckt, aber dafür hattest du berechtigte Gründe. Was ist dein jetziger? Und… seien wir ehrlich, du liebst den Herbst, nicht den Winter.“ Nico Robin hockte sich nieder, starrte auf den Strohhut, wich dem durchdringenden Blick, den der Kapitän aufsetze rigoros aus. Der Hut sein Markenzeichen. Stirnrunzelnd versuchte sie diese aufkeimende Regung einzuordnen.

„Einer meiner Schätze. Bei unserem ersten Treffen hast du ihn mir weggenommen und ich bin durchgedreht. Niemand, dem ich nicht vertraue, darf ihn anfassen“, hörte sie und musste lächeln.

„Eine gute Einstellung.“

„Dann“, sprach er weiter als ob er ihre Worte überhört hätte, „wir waren eigentlich Feinde, hast du mich aus dem Treibsand gefischt und ihn mir gegeben, damit ich nicht suchen musste. Später hast du mir ein Gegenmittel zukommen lassen, das hat mich auf die Beine gebracht und im Gegenzug habe ich dich gerettet. Der Beginn unserer Freundschaft.“ Ruffy grinste breit. Mit jedem Crewmitglied hatte er eine eigene Geschichte, an die er manchmal zurückdachte. Er schätzte sich glücklich, jeden unter besonderen Umständen kennengelernt zu haben. Denn neben seinem Strohhut waren seine Freunde die Schätze, die er beschützte und nie als selbstverständlich ansah. Ruffy atmete schließlich durch.

„Tust du mir einen Gefallen, Robin?“ Diese hob skeptisch eine Augenbraue.

„Der wäre?“

„Vielleicht möchtest du noch nicht darüber reden, aber wenn du soweit bist, dann bin ich da. Bis dahin…“ Ruffy hielt seinen Hut ein letztes Mal in der Hand, lächelte sanft ehe er die Hand ausstreckte und ihn Robin, die ihn entgeistert ansah, aufsetzte. „Pass auf ihn auf.“

Let me prove you’ll unlock just for me

D

er Winter klopfte an die Pforten. Vereinzelte Schneeflocken tanzten aufgewirbelt in den Lüften. Noch erschien er nicht unliebsam, wie das Jahr zuvor, und fegte über das Land. Nein, aber das sanfte Gestöber wollte nie enden.

Während der Monate hatte die Königin versucht ihren Verpflichtungen, so wie sie es seit ihrem Machtantritt stets tat, nachzugehen. Ein unvollendetes Schauspiel, das dem Volk nicht unerkannt blieb; doch waren ihnen die Hände gebunden. Nichts vermochte ihr die ersehnte Linderung ihrer von Sehnsucht zerfressenen Seele zu geben.
 

Erst die Rückkehr des Liebsten, am letzten Tage des Jahres, brachte eine erneute Veränderung. Wie versprochen hatte er den Weg gefunden, aber hatte er dafür einen Preis gezahlt. Die halbe Mannschaft, mit der er ausgelaufen war, hatte den Tod auf See ereilt. Das Wehklagen der Hinterbliebenen nahm die Insel in Beschlag.

Die Familien suchten Antworten und der Forscher musste für die Verluste geradestehen. Viel konnte er ihnen nicht sagen, denn sie alle hatten gewusst, noch bevor sie das Schiff betraten, wie gefährlich das weite Meer doch war. Die Männer nahmen dieses Schicksal aus freiem Stück in Kauf. Die, die überlebten, erzählten kaum von ihren Abenteuer, überließen das Wort mehr dem Forscher, der genau wusste, wie er das Erlebte verpackte. Als ob ein Bündnis geformt worden war: Was auf See geschah, blieb dort.
 

Die Königin verfiel in Glückseligkeit ihren Geliebten wohlauf in die Arme schließen zu dürfen. Eine Veränderung fiel den engsten Vertrauten auf, die die Frau, gepackt von Gefühlen, ausblendete. Sie flüsterten und behielten den Mann im Auge. Dieses Mal missfiel ihnen, aus einem Grund den sie nicht in Worte fassen konnten, seine Anwesenheit. Obgleich ihre Herrscherin endlich wieder aus tiefstem Herzen lachte und strahlte.


 

× ×
 

„Was habt ihr euch dabei gedacht?!“ Wütend schnaubte der Kapitän. Die Missachtung seines Befehls hatte all seine Bemühungen zunichte gemacht. Wieder standen sie bei null. Wieder befand sich Robin im Inneren, dessen Zutritt ihnen verwehrt wurde.

„Ruffy, wir haben sie außer Gefecht gesetzt. Wir haben mehr Zeit erhalten und sie kann keinen falschen Schritt unternehmen“, erklärte Sanji ruhig, versuchte seinen Kapitän nicht noch wütender zu machen als er ohnehin schon war und das misslang.

„Ihr Duplikat! Und wo ist der echte Köper? Da drin!“, schrie Ruffy dieses Mal. Knurrend stampfte er auf seinen Hut zu, den er schließlich vom Boden aufhob und aufsetzte. Die Einmischung kostete wertvolle Zeit.

„Will er uns damit sagen, er hat mehr mitgedacht als wir?“, flüsterte Franky Zorro zu, der verwundert das Gesicht verzog und sich am Kinn kratzte.

„Möglich“, erwiderte der Schwertkämpfer gedämpft und musste zugeben, dass sie sich damit tatsächlich ein Bein gestellt hatten. Sanji, der neben ihnen stand, verzog keine Miene. Gut, ihr Notfallplan fuhr ihnen keinen direkten Sieg ein und vielleicht hatten sie bei dem Vorhaben auf die echte Robin gehofft, aber wenigstens konnte nun kein voreiliger Angriff entstehen und sie erhielten die notwendige Zeit um nach einem Weg ins Innere zu finden.

„Komm runter, Ruffy.“ Die Worte des Smutjes ließ dieser links liegen; sie drangen an einem Ohr ein und am anderen wieder aus. Beschwichtigt wurde Ruffy nicht.

„Wie nah dran warst du?“, mischte sich Nami ins Geschehen ein und blieb neben dem Käpt’n stehen; den Blick stets auf den erkennbaren Eingang gerichtet.

„Nachdem ich ihr den Hut aufgesetzt habe, habe ich eine Veränderung wahrgenommen. Ein paar Minuten mehr… jetzt stehen wir mit leeren Händen da.“ Nami nickte, neigten anschließend den Kopf. Dort drinnen also, dort befand sich ihre Freundin. Aus einem Impuls heraus setzte sie sich in Bewegung, näherte sich dem Eingang und blieb direkt davor stehen. Im Nacken spürte sie förmlich die Blicke ihrer Freunde.

„Mach keine Dummheit, Nami!“, ermahnte Franky.

„Brook wurde durch die direkte Berührung zurückgeschleudert“, fügte Sanji hinzu. Nami blendete die Warnungen ihrer Kameraden aus; vielmehr vernahm sie eine unbekannte Stimme, die ihr sagte, sie sollte es riskieren. Die Hand, in der sie den Klimataktstock trug, festigte den Griff; die andere, die hob sie langsam und zitternd an. Ein Zögern war erkennbar als Nami die Hand endgültig ausstreckte. Für Sekunden hielt sie die Luft an, wartete bereits auf eine, vor allem schmerzhafte, Reaktion, doch blieb das Vorhergesagte aus. Nichts stemmte sich gegen ihr Eintreten und so machten sich ihre Beine selbstständig, bis sie gänzlich aus dem Blickfeld ihrer Freunde verschwand.
 


 

× ×
 

„Na dann. Lasst uns aufbrechen“, sprach Zorro leicht grinsend. Im selben Atemzug stand er auf und schlüpfte in seine Jacke. Verdutzte Gesichter sahen ihm entgegen. Hatten sie ihn richtig verstanden?

„Was habt ihr? Meinte ja, ich warte auf ein Zeichen.“ Er zwinkerte Nami zu, die selbst stutzte. Allem Anschein nach hatte sie hier etwas verpasst.

„Moment!“, wandte Sanji ein und sah zwischen den beiden hin und her.

„Ein Zeichen hast du auf Nami bezogen?“ Der Smutje hatte nach der Aussage viele Ideen im Kopf gehabt, aber gewiss nicht ihre Navigatorin.

„Warum?“, fragte nun auch Nami ihrerseits nach, aber ein Zögern legte sie nicht an den Tag. Sofort griff sie nach ihrem Klimataktstock und folgte Zorro zur Türe.

„Ist meine Vorgehensweise so verwerflich? Unser Problem ist ein Märchen. Allein du“, damit deutete auf Sanji, „hast uns das allen klar gemacht. Und wie enden sie? Liebe.“ Zorro zuckte mit den Schultern. Nicht gerade sein Lieblingsthema, denn mit solchen Geschichten konnte er noch nie viel anfangen, aber wenn es der Wahrheit entsprach, dann musste sie sich darauf einlassen. „Nami und Robin haben eine Verbindung zueinander, die sich von unserer unterscheidet. Liebe siegt im Märchen immer und da ich der Meinung bin, wir müssen uns darauf einlassen, kann dieser Punkt den Befehl aus der Verankerung reißen.“ Durch das Erzählte hatte Zorro eine eigene Vermutung entwickelt und für die Bestätigung, da musste nun mal Nami in die Presche springen. Auf diesen Augenblick hatte er die letzten Stunden gewartet.
 


 

× ×
 

Nami warf keinen Blick zurück; schob ihre Freunde, die draußen warteten beiseite. Welche Macht hier auch zugegen war, sie ließ Nami gewähren. Lag es an der Beziehung, die sie zur Archäologin hegte? Fungierte Liebe als Schlüssel?

Ein beklemmendes Gefühl beschlich sie je tiefer sie in das Innere vordrang und doch empfand Nami ein wenig Neugierde. Solch einen Gang hatte sie nie zuvor betreten; die Wände, die Decke und der Boden allesamt in einem weißen Ton gehalten. Vorsichtig strichen ihre Fingerkuppeln die Wand entlang. Marmor? Wie lange überdauerte dieser Ort bereits? Bisher hatte Nami lediglich die wichtigen Details in Erfahrung gebracht; hiervon und allen voran der eigentlichen Funktion wusste sie nichts. Niemand kehrte zurück. Niemand hatte je Bericht erstatten können. Mythen und Fantasien galten als einzige Quelle.

„Scheiße, ist das kalt.“ Nami fröstelte, schlang die Arme um ihren Körper. Die beißende Kälte fraß sich durch ihre Kleidung, erschwerte die Atmung. Jedes Einatmen schmerzte in den Lungenflügeln. Definitiv herrschten hier weitaus tiefere Temperaturen. Wie hielt ein Mensch einen längeren Aufenthalt aus? In ihren Augen unmöglich, doch… nahm Nico Robin ihre Umgebung überhaupt noch wahr? Es musste eine Erklärung geben, denn anderenfalls hätte sie hier die Stunden nie und nimmer lebend ausgehalten.
 

„Endlich“, wisperte sie nach weiteren Minuten. Da vorne war das Ende erkennbar und Licht. Sogleich beschleunigte Nami ihre Schritte. Da der Gang eine spärliche Beleuchtung aufwies, blendete sie das Licht im ersten Moment, sie blinzelte.

„Robin!“, stieß sie schließlich aus als sie ihre bewusstlose Freundin erspähte. Das Geschoss hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Den Nachteil, den Robins Teufelskraft aufwies, hatten sie somit gekonnt ausgenutzt. Sie atmete. Erleichterung machte sich an Nami breit und doch stutzte sie. Ihre Finger, die durch die einsetzende Taubheit unangenehm kribbelten und weh taten, strichen Robins Wange entlang und die Haut fühlte sich kalt an, wie die eigene. Da musste dieses Etwas dahinter stecken. Denn Nami hielt sich erst eine Weile vor Ort auf und die Temperaturen zerrten bereits an ihren Kräften.

„Was ist das?“, nuschelte sie als sie sich zum ersten Mal genauer umsah. Ein Spiegel, schwarz wie die Nacht, den Nami aus den Notizen erkannte. Als sie ihn genauer betrachtete, musste Nami feststellen, wie detailgetreu Robin ihn aufgezeichnet hatte; allein die vergoldeten Verzierungen.

„Komm näher.“ Das Blut in den Adern erfror. Wer sprach da? Reflexartig drehte Nami den Kopf. Aus welcher Richtung war die Stimme gekommen? Nicht einschätzbar. Ein raues Lachen folgte.

„So empfindlich? Du bist weit gekommen. Du hast dir eine Belohnung verdient. Tritt näher, ich möchte dir etwas zeigen.“ Nami zog ihre Augenbrauen zusammen, starrte auf ihre Freundin. Nein, Robin war bewusstlos, aber warum ähnelten sich die Stimmen? Der Aufforderung nachgehen oder verschwinden? Irgendwie dürfte sie Robin hinaus zerren und doch kam eine merkwürdige Neugierde hoch. Einen Blick riskieren… dürfte nicht schaden, richtig?
 


 

× ×
 

„Scheiße“, hustete der Strohhutjunge und rappelte sich auf die Beine. Wiederholt scheiterte er.

„Gib auf. Ist sinnlos“, bemerkte Sanji, dessen Unruhe auf seinen Zigarettenkonsum überschlug. Seit Nami aus ihrem Sichtfeld verschwunden war, rauchte er eine nach der anderen. In einem, selbst für ihn ungewöhnlichen, rasantem Tempo. Ein Glück, dass er mit einer neuen Packung aufgebrochen war, denn sonst hätte er längste keine mehr übrig, mit denen er seine ernüchternde Ablenkung erhielt. Lysop, der rasch den Aufschluss gesucht hatte, hockte neben ihm und zog Muster im Schnee. Sein Schuss hatte das Ziel, wie gewohnt, nicht verfehlt, aber fanden sie darin keine zufriedenstellende Lösung. Ihm behagte die Warterei nicht, schließlich hatten sie anderes erhofft.

„Und wenn Robin wütend ist?“, fragte Ruffy in die Runde. Wachte sie auf, dann konnte er ihre Reaktion kaum einschätzen. Immerhin, war er derjenige gewesen, der ihr klar machen wollte, dass sie ihre Familie waren. Familien griffen sich normalerweise nicht auf eine Weise, wie sie es taten, an.

„Dann erhalten wir eine Kostprobe“, entgegnete Franky, der im Schnee saß und seine Munition überprüfte. Jeder brauchte eben seine eigene Form der Ablenkung.

„Yay!“, nuschelte Lysop und rollte mit den Augen. Die mochte er unter keinen Umständen verpassen.

„Ihr macht euch wohl gar keine Sorgen!“, verübelte der Kapitän das Nichtstun seiner Mannschaft. Prompt starrte er in entgeisterte Gesichter.

„Verascht du uns?!“, kläffte der Smutje.

„Ruffy!“ Zorro trat vor. „Bei jedem Kampf setzen wir unser Vertrauen in dich. Sieh ’s ein, hier bist du machtlos. Vertrau auf Nami.“

„Sollte sie scheitern? Oder Robin dreht durch?“

„Ziehen wir die Konsequenzen.“
 


 

× ×
 

Nacht um Nacht durchstreifte der Forscher das Schlossgelände. Verbissen suchte er den Eingang in die von Mythen umrankte Kammer. Auf See, im Suff seiner Kameraden, hatten sie ihm davon erzählt. Erst glaubte er, sie hatten ihm ein Märchen erzählt, aber seit seiner Rückkehr – Nein, seit sie sich der Insel genähert hatten! – nahm ihn die Geschichte ein. Seine Königin hatte ihm eine Bestätigung erteilt, doch blieben ihm genauere Angaben verwehrt. Gar die Liebe ließ sie diese eine, besondere Aufgabe nicht vergessen. Denn noch galt der Forscher als Außenstehender und das alte, zum Schutz erlassene und ungeschriebene Gesetz, in das der Träger der Krone erst beim Antritt eingeweiht wurde, schlossen den Mann vor tiefergehenden Wissen aus. So sollte er erst die Antworten, von denen er schon bald besessen war, nach einer Vermählung erhalten.

Wie konnte er warten? Die Kammer hielt Einzug in seine Gedanken. Tagein, tagaus wälzte er Folianten, durchstöberte Gang um Gang, selbst eingesessene Bedienstete durchlöcherte er mit dessen Neugierde. Nichts und niemand hielten ihn ab, denn das Verlangen wuchs. Warum der Forscher vor seiner Reise nie von dem Schatz erfuhr oder nie in den Träumen heimgesucht wurde, vermochte er selbst in seinen angelegten Schriften nicht zu erklären.
 

Der Königin entgingen die Veränderungen nicht, sie holte ihren Liebsten zu sich. Unverblümt beschrieb er sein Verlangen, seine verworrenen Träume. Er bat nicht um das Betreten jener Kammer, er forderte den Zutritt. Nur so konnte der Spuk ein Ende nehmen. Die Königin zeigte sich entrüstet. Nie hatte jemand danach verlangt. Sie selbst hatten kaum einen Fuß hinein gewagt. Der Forscher gab nicht nach, rutschte auf die Knie. Die Fantasien schürten den Wahnsinn. Sah sie denn nicht den Schmerz, den er seither durchlebte? Wie konnte sie ihm, dem Mann den sie so liebte, einen Wunsch abschlagen, der ihm die Erlösung darlegte.
 

Und dann trat ein, was kommen musste. Die Königin stimmte zu. Unter einer Bedingung: Ein Aufenthalt von kurzer Dauer. So geschah es, dem Mann wurde für einen Besuch der Zutritt gewährt. Hoffend, dass das ausreichte und ihr Geliebter wieder sein altes, unbekümmertes Ich annahm, kehrten sie zurück. Ein Irrtum. Der seelische Zustand des Mannes verschlechterte sich rapide. Nicht dem Wahnsinn verfallen, wirkte er. Nein, wie versteinert. Eine Kälte ging von ihm aus und immer wieder, ertappten sie den Forscher bei seiner neuesten Eigenart: Er liebte Spiegel. Stunden verbrachte er stehend vor ihnen, flüsternd, gebannt.

Aber, sie alle brachten ihm nicht jene Befriedigung nach der er suchte. Jene, die ihm bloß ein Spiegel geben konnte. Der Forscher wusste, er musste ein weiteres Mal in die Kammer, denn dort stand er, sein Schatz.


 

× ×
 

Forschend hatte Nami in den Spiegel gesehen und all die Szenerien, die dieser am laufenden Band abspielte, über sich ergehen lassen. Missbilligend schüttelte sie den Kopf.

„Du zeigst mir die halbe Wahrheit.“

Findest du?

„Wo versteckst du die Ausschnitte ihrer anderen Seite?“

Die existieren nicht.

„Lächerlich“, brummte die Navigatorin. Auf ein Spielchen dieser Art stieg sie nicht ein. Das Gezeigte war ihr alles andere als unbekannt. Sie kannte die Vergangenheit; ob erzählt oder nun richtig gesehen, machte keinen Unterschied. „Eine bescheuerte Masche!“

Als ob es dich nicht kümmert.“ Verachtend schnaubte Nami. Wie viele waren darauf hineingefallen? Wenn dem so war, dann wohl aus Gründen, die aufzeigten, dass sich diese Menschen nicht so nahe standen, wie angenommen. Oder keinen blassen Schimmer über die Vergangenheit hatten. Hier unterschied sich Nami allem Anschein nach.

„Keine Ahnung, welche Idioten du bisher abbekommen hast, aber mit den Ausschnitten bekommst du niemanden klein, nicht aus unserer Crew! Genauso gut kannst du meine Raubzüge einbeziehen oder wie es Franky egal war, als seine Leute Lysop halbtot prügelten! Verdammt, wir sind Piraten. Okay, unser Kapitän hebt sich ab und hat eine eigene Weltanschauung, aber nichts ändert sich an unserem Lebensstil. Piraten sind keine Helden!“ Was erwartete sich dieses Etwas? Dass Nami entsetzt einen Rückzieher machte und ihre Freundin zurückließ? Wegen alten Erlebnissen über die sie vollends Bescheid wusste?

„Die Vergangenheit interessiert niemanden!“, setzte sie wütend nach.

Und doch fürchtest du dich.

„Wer hätte keine Angst?!“, fauchte sie schließlich und schnaufte.

„Ein natürlich Reflex. Wir alle kennen ihre Kräfte und Robin ist garantiert keine Ausnahme. Dieselbe Furcht hätte ich bei jedem aus der Mannschaft, eben weil die Fähigkeiten bekannt sind. Würde Ruffy den Verstand verlieren und uns bekämpfen wollen…scheiße, die Situation möchte ich nie erleben.“ In erster Linie hatten diese Gefühle nun wahrhaft nichts mit Robin an sich zu tun, sondern mit dem wozu sie tatsächlich fähig war, sollte sie gänzlich durchdrehen. Diese Manipulation bot genügend Spielraum und genügend Momente, in denen ein falscher Schritt oder ein falsches Wort alles auf den Kopf stellen konnte. Wieder schüttelte Nami den Kopf. Reden brachte nichts; vielmehr verschwendete sie kostbare Zeit. Irgendwie musste sie Robin auf die Beine bekommen und endlich mit ihr verschwinden.

Du kannst sie nicht so mitnehmen, wie es dir beliebt“, säuselte die Stimme. Ertappt zogen sich Namis Augenbrauen zusammen. „Jeder, der verfällt, ist von da an, an diesen Ort gebunden.“ Natürlich kannte Nami die Klausel, aber musste es eine Möglichkeit geben, um diese zu umgehen und, als sie den Spiegel so betrachtete, kam ihr ein Gedanke. Langsam trat sie zurück und musterte ihn genauer.

„Mich beschleicht das dumpfe Gefühl, dass mich das Zerstören des Spiegels ans Ziel führt.“ Ein verschmitztes Grinsen huschte über ihre Lippen. Der Spiegel stand im Vordergrund und hatte gewiss seine höhere Bedeutung. Wenn sie ihn also dem Erdboden gleich machte, dann nahm alles an Fahrt auf.

Du denkst, ich sehe deiner Umsetzung tatenlos zu?“ Ein schärferer Tonfall. Nami wusste, sie hatte einen Punkt getroffen.

„Hättest du dich lieber in deinem Zimmer verkrochen.“ Ihr Herz setzte einen Takt aus. Fast in Zeitlupe drehte Nami dem Spiegel den Rücken zu. Ein Problem weniger, Robin hatte das Bewusstsein wiedererlangt, doch gleichzeitig tickte die Zeit somit gegen sie. Durchbrach Nami die Mauer nicht, und das so rasch wie möglich, würde es einen bösen Ausgang nehmen.
 


 

× ×
 

Was denn genau im Inneren des Berges vorgefallen war, vermochte niemand zu begreifen. Denn kehrte die Königin ohne den Liebsten zurück und niemand durfte je wieder den Forscher erwähnen. An ihn hatte sie ihr Herz verloren und von da an sollte er als Zeugnis dienen, wie töricht sie war.

Stimmen der Bediensteten erzählten im Dorf, wie der Wahnsinn ihre Herrscherin in Besitz nahm. Denn in einer Nacht-und-Nebel-Aktion musste jeder Spiegel, der im Schloss stand, rasch hinfort geschafft werden. Und eines Tages übertrumpfte sie diesen absonderlichen Befehl und verbot Feuer. Keine Wärme sollte das Schloss heimsuchen und das in einem Winter, der den vorangegangenen um Welten übertrumpfte. Stunden verbrachte die Königin an den offenen Fenstern, starrte wie gebannt auf die tosenden Schneestürme. Manchmal verschwand sie für geraume Zeit und jeder, der im Schloss lebte, kannte den Grund. Sie war dort.

Wie das Land von einer weißen Decke eingehüllt wurde, nahm Kälte das Schloss ein. An manchen Tagen durften die Fenster gar nicht mehr geschlossen werden und so setzte sich Schnee und Eis im Inneren fest. Und so verweigerten Frauen und Männer die Arbeit; zogen ins Dorf und erzählten ihre Geschichten, wie sich ihre Königin einen eisigen Kerker erschuf. Von da an verblieb sie alleine und eines Tages, da sprach man von ihrem Verschwinden.
 

Die Zeit strich unbekümmert voran und das Schloss zerfiel. Der Winter hatte seine einstigen Mitstreiter aus dem kleinen Reich verbannt und regierte auf eigene Weise. Die Zeit half und die Bewohner arrangierten sich mit den neuen Lebensumständen. Dann Generationen später, als eine zerfallene Ruine schemenhaft an das prachtvolle Schloss erinnerte, schickte das Dorf einen Trupp hoch, der die letzten Überreste beseitigte. Einen Schandfleck nannten sie das Vermächtnis, das der Insel ihr Aussehen verlieh. Damals erspähten sie jene Öffnung, die in die Tiefen des Berges führen sollte, zum ersten Mal. Unter den Arbeitern entflammte eine Neugierde, die ihnen rasch verging. Der Zutritt wurde ihnen verwehrt, Männer verletzten sich.

Als ob dies nicht reichte, traten mysteriöse Ereignisse auf. Stets dann, wenn sich ein Schiff, und das geschah seither seltener denn je, verirrte und vor Anker ging. Stets verschwanden Mitglieder der Mannschaften, die anschließend das Dorf aufsuchten. Gefunden wurden sie alle am alten Plateau. Manche versuchten auf Biegen und Brechen ihre Kameraden zurückzuholen; doch ließen sie bei dem Vorhaben ihr Leben. Andere ignorierten den Umstand und zogen weiter.

Die Bewohner arrangierten sich, denn sie wurden in Ruhe gelassen und so setzte nie einer von ihnen einen Fuß nach oben. Sie alle wussten, dort entfaltete sich also jene Macht, die die einstige Königin in den Wahnsinn trieb, die fortan auf ewig als die Schneekönigin in Erinnerung blieb.


 


 

× ×
 

Klirrend schlug der Klimataktstock am Marmor auf. Angreifbar wie eh und je stand Nami da, lud ihre Freundin förmlich für einen Offensivschlag ein; ein waghalsiges Risiko, das Nami bereit war einzugehen. Von all den Möglichkeiten beschloss Nami diese. Zorro, ausgerechnet der verschlafene und orientierungslose Schwertkämpfer, hatte ihr den Gedanken eingepflanzt und dieser wuchs. Die Zeichen sprachen dafür, keine Waffe der Welt schenkte ihr den ersehnten Sieg; höchstens unterstützte ein Schlagabtausch Zeitschinderei und Zeit auf solch eine Weise zu vergeuden, lag nicht in ihrem Interesse.

„Mutig oder dumm?“ Herablassend griente die schwarzhaarige Frau. Ein leichtes Fressen. Wie närrisch zu denken, dass das ein schlauer Schachzug war.

„Du wirst mir kein Haar krümmen.“

... warm this frozen heart

Närrin“, griente die schwarzhaarige Frau, „du hättest hören sollen.“ Rigoros schüttelte die andere den Kopf. Nein. Nichts konnte ihre Entscheidung ins Wanken bringen. Hier gehörte sie her und ohne ihre Freundin blieb sie. Egal, wie lange sie ausweilen musste, Nami würde den Umständen trotzen. Ein weiteres Mal sah sie nicht zu, sonst fand der Spuk nie sein Ende.

„Denk nach, Robin. Du hast an Bord selbst gesehen, welche Farce das ist. Komm nach Hause.“

Hast du daran gedacht, dass sie das nicht möchte?“, mischte die Stimme mit, die leise kicherte.

„Dann bleibe ich erst recht, wir alle. Unvollständig setzen wir unsere Reise nicht fort. Franky baut draußen ein Häuschen. Ist bestimmt angenehmer als hier drin. Auf jeden Fall wärmer, aber geht dich das nichts an“, wurde sie gegen Ende hin harscher. Die Einmischung ging Nami gegen den Strich. Am Schiff hatte sie es einfacher empfunden, dort konnte sie alleine mit ihrer Freundin sprechen; keine andere Stimme, die ihre Meinung kundtat und unsinnig dazwischen sprach.

Wir mögen keine Wärme, Kleines! In der Kälte fühlen wir uns wohl, sie ist unser Verbündeter.

„Halt die Klappe!“, zischte Nami sogleich. „Halt dich raus!“ Hätte sie ihren ersten Gedanken sofort ausgeführt, dachte sie. Tun konnte sie es immer noch, aber lag darin der Sinn? Funktionierte der Plan und Robin war frei oder verschlimmerte das Zerstören das eigentliche Problem? Nami wusste nicht, inwieweit die Kraft fungierte und ob diese dann direkt von Robin abließ. Lieber riskierte sie ein waghalsigeres Vorhaben. Robin sollte aus eigener Kraft heraus aufwachen. Denn dann konnte Nami sicher gehen, dass sie es überstanden hatten.

„Möchtest du ernsthaft auf die hören? Seit wann lässt du dir von anderen sagen, was du denkst? Du bist stärker!“, sprach sie wieder an ihre Freundin gewandt. Nie hatte sich diese eine Meinung aufdrücken lassen. Wie konnte sie das zulassen?

„Sieh dich um. Hier findest du all das, was du nie mochtest. Es ist kalt und abgeschottet. Lieblos. Ein gewaltiger Rückschritt, den du nie wieder erleben wolltest.“

„Denk nicht, du kennst mich!“, kam die drohende Antwort seitens der Archäologin, die Nami einen Stich versetzte, obwohl sie wusste, dass hier nicht ihre Freundin sprach.

„Tue ich aber.“ Und davon war die Navigatorin mehr als überzeugt. Gut, bis sie an den Punkt gelangten, war genügend Zeit verstrichen und auf dem Weg dorthin hatte Nami Unmengen an Nerven liegen gelassen, doch tat sie es. Besser als sonst jemand kannte sie ihre Freundin. Von diesem Punkt konnte ihr niemand das Gegenteil beweisen. Nicht nach der Zeit, die sie miteinander hatten.

„Habe ich mich abgewandt oder habe ich geschockt reagiert als ich die Episoden aus deiner Vergangenheit sah? Nein, weil du mir von allem erzählt hast. Von jedem einzelnen Moment und meine Sicht hat sie nie geändert. Warum willst du das nicht sehen?“

„Noch ein Schritt weiter und-“

„Was dann?“ Nami hatte sich genähert während sie gesprochen hatte; deutlich langsamer als gewöhnlich, aber mochte sie den Abstand nicht. Erst recht nicht dann, wenn ihr der Spiegel direkt im Rücken stand und ihr Unruhe bescherte. Dieser hatte eine drückende Wirkung. Als wollte er ihr dieselbe Saat einsäen. Nun, nur noch zwei Schritte von Robin entfernt, hatte diese das Wort erhoben und Nami ging dem nach, blieb kurzerhand stehen.

„Tötest du mich?“, sprach sie durchaus gehässig.

„Lass es drauf ankommen.“ Das tat Nami durchaus. Ein Schritt folgte.

„Ich habe keine Angst vor dir!“ Nicht mehr. Vorhin an Bord, ja, da hatte sie Angst empfunden, große sogar. Allerdings wusste sie nicht, wie sie damit umzugehen hatte. Jetzt, da sie der echten Robin so nahe war, war die Angst verflogen. Ihre Freundin war zum Greifen nahe und die Chance sie wieder zurückzuholen, die durfte sie nicht auslassen. Denn am Ende war sie diejenige, die sich in gewissem Maße fürchtete. Das spürte Nami.

„Ich lag falsch, Robin. Meine Panik dir gegenüber, sie war so unbegründet. Egal, wie sehr du von diesem Etwas eingenommen wirst, du bist noch immer da. Du hast mich beschützt, hast du von Anfang an. Du wirst nie zulassen, dass mir etwas zustößt und erst recht nicht… aufgrund deiner eigenen Hände.“ Der letzte Schritt. Noch folgte keine Tat und so stand Nami dicht vor ihr, reckte den Kopf in die Höhe.
 

„Wenn du dich irrst?“, hörte sie leise. Ja, was dann? Eine Option, die in ihrem Unterfangen keinen Platz fand. Das Szenario durfte keinen Platz einnehmen. Für Nami existierte nur noch der Weg nach vorne und doch formten ihre Lippen ein trauriges Lächeln.

„Dann haben wir beide versagt.“ Die einzige Antwort, die sie parat hatte und einen Sinn ergab. Sie hätten wahrlich versagt, nicht die Stärke gefunden um in den Alltag zurückzukehren, um zueinander zu finden.

Beende das Trauerspiel!“, forderte die Stimme und Robins Augen warfen einen Blick Richtung Spiegel. Sie sollte dem nachgehen. Damit erhielt sie Ruhe von dem Gerede. Ein Kinderspiel. Sie ließe der Navigatorin keine Chance, so unbewaffnet und nahe, wie sie vor ihr stand. Ein Klacks. Rasch erledigt.

Hände umfassten ihr Gesicht und wieder betrachtete sie die junge Frau. Längst hätte sie es tun können und doch unternahm sie nichts. Etwas blockierte sie in der Tat. Die Kieferknochen traten hervor. Wer oder was hielt sie ab?

„Ignoriere sie und schau mich an. Ich bin da und das werde ich, solange ich kann. Wir können nach Hause gehen und weitermachen wie zuvor. Wie wir es stets getan haben. Und vergiss nicht, wir haben einen Deal, der einzuhalten ist.“ Nico Robin zog die Augenbrauen zusammen. Eine Abmachung, aber welche? Wovon sprach sie? Sie erkannte das sanfte Lächeln der anderen, das kurze Aufleuchten in ihren Augen.

„Eine Weltkarte ohne Blues ist wertlos. Wir haben einen Plan. Irgendwann zeige ich dir den East Blue, meine Heimat, den ich bis ins kleinste Detail auswendig kenne. Wichtig jedoch ist unser Vorhaben danach. Gemeinsam wollen wir den West Blue bereisen, von dem ich wenig Ahnung habe und…“ Hoffnungsvoll sah Nami die andere an. Tief drinnen, da wusste Robin, wie das Vorhaben weiterging. Oft genug hatten sie darüber gesprochen.

„Du hast mich ausgelacht, für albern gehalten, aber ich habe dir ein Versprechen gegeben. Ich möchte es und du weißt, mein Werk ist erst vollendet, wenn die weißen Flecken verschwunden sind, besonders dieser eine.“ Ein Versprechen an das sie sich halten würde. Zumal es ihre eigene Idee war. Und ja, als sie damit ankam, da hatte Robin gelacht und ihr Skepsis entgegengebracht, aber nichts hielt sie davon ab. Einmal in den Kopf gesetzt, brachte man sie generell kaum auf einen abweichenden Kurs.

Mach endlich!“ Erneut wurde der Aufforderung nicht nachgegangen. Nami spürte es, sie war auf dem richtigen Weg; wenngleich ihre Freundin hin und her gerissen aussah. Und dann, aus dem Nichts heraus, änderten sich die Gesichtszüge; wurden entspannter, klarer.

„Ohara…“, wisperte die Archäologin, „du möchtest wissen, wo genau die Insel einst lag. Die Welt soll daran erinnert werden.“

„Ja“, hauchte Nami atemlos, „so soll es sein.“

Nein! Gelogen! Sei nicht töricht!“, spie die Stimme wutentbrannt.

„Du hast verloren.“ Nami stand dicht vor dem Ziel und das, das wusste auch die Macht, die sich im Spiegel verbarg. Ob sich nun die Königin von damals darin entpuppte oder etwas vollkommen anderes, war dahingestellt. Das war ihr egal, die Niederlage war unausweichlich und Nami hatte es fast geschafft.

Und am Ende, da baute all das auf ein verbreitetes Märchen auf. Eines, auf das sich Nami dann doch eingelassen hatte und so tat sie das, das sie viel früher hätte versuchen müssen. Das stets zum Brechen eines Fluches getan wurde. Keine weiteren Worte, Taten sollten sprechen. Sogleich überbrückte sie den letzten Abstand, der zwischen ihnen lag, und küsste ihre Freundin. Märchen waren nun mal Märchen.
 


 

× ×
 

„Dachte du schläfst schon.“ Kaum merklich schüttelte Robin den Kopf. Obwohl ihr Körper dringend Rast benötigte, konnte sie nicht wirklich einschlafen. Zu sehr nagte die Kälte und zu sehr ratterten die Gedanken. Das Alleinsein im Zimmer lud eben ein.

Irgendwie hatte sie sich aufraffen können und gestützt von Nami, hatten sie es aus dem Inneren des Berges geschafft.

Draußen angekommen, fiel ihr Ruffy regelrecht um den Hals. Wie zuvor hatte er ihr den Strohhut aufgesetzt und gesagt, er würde ihr helfen und sie schnell wieder auf die Beine bringen.

Sanji tänzelte um sie herum, machte seiner Erleichterung Ausdruck und packte sie in seinen Mantel ein.

Franky vergoss seine übertriebenen Tränen und wollte eines seiner Ständchen, die sie stets belächelte, los trällern.

Lysop klopfte sich lobend auf die Brust. Er wusste natürlich von Anfang an, wie die Geschichte endete und hatte Nami die entscheidenden Hinweise zugespielt.

Einzig Zorro verblieb, wie sie ihn kannte. Ein siegreiches Nicken, gefolgt von seinem üblichen Brummen, aufgrund der Gefühlsduselei. Dennoch hatte sie ein Zwinkern aufgefangen und einen Blick, den sie durchaus kannte; zu benennen wusste.

Auf dem Weg zurück zum Schiff hatte Franky sie getragen und hie und da doch das Bewusstsein verloren. Erst an Bord als ihr Chopper entgegen lief und Befehle gab, wurde sie munterer. Da fing Robin Brooks Blick auf, der ihr – trotz den hinzugefügten Verletzungen – herzhaft entgegen lachte, erst da spürte sie eine tiefere Erleichterung. Er war ihr nicht böse. Wortlos ließ Robin die anschließenden Untersuchungen über sich ergehen. Strickte Bettruhe hatte Chopper verordnet; eingewickelt in einem Berg aus Decken. Die Kälte hatte sich irgendwie in ihren Knochen festgesetzt, sie fror und Sanji hatte sie, trotz Ablehnung, zu Suppe und – leider – Tee genötigt. Gewiss hatte es ihr ein wenig Wärme gespendet, aber vermutlich dürften die Symptome erst in den nächsten Stunden verblassen.
 

Draußen herrschte Dunkelheit, doch wusste Robin, dass es noch nicht sehr spät sein konnte. Ein Zeitraum in dem sie selten zu Bett ging. Ob es daran lag? Vermutlich nicht. Eher die Nachwirkungen. Allein in Gedanken würde sie das Erlebte noch länger mit sich umher tragen. Das wusste sie. Das Ranking um ihre bizarrsten Abenteuer war erweitert worden.

„Wie lange bleiben wir?“ Für diese Nacht hatten sie beschlossen, noch vor Anker zu bleiben. Die Weiterreise hetzte nicht und so konnten sie sich alle, und nach diesen Vorkommnis hatten sie es dringend notwendig, ordentlich ausruhen und ausschlafen.

„Der Schneefall hat gänzlich aufgehört und der Bürgermeister ist vorbei gekommen. Anscheinend hat das Zerstören des Spiegels doch etwas ausgelöst. Und wir haben wohl ein weiteres kleines Fest vor uns. Von daher, ein bis zwei Tage“, erklärte Nami und hatte sich nebenbei ihres Mantels und den Schuhen entledigt.

„Also… alles beim Alten“, entgegnete Robin und griente leicht. Diese Crew hatte wahrhaft die Fähigkeit überall eine kleine Abschlussfeier zu erhalten.

„Mir ist kalt“, gab sie zu verstehen und kurzweilig schlossen sich ihre Augenlider; tief atmete sie durch. Erst als sie eine Bewegung vernahm, schielte sie hoch. Nami legte sich zu ihr, hielt einladend die Arme auf.

„Nach deinem kalten Herz, ist dein Körper ein Kinderspiel“, lachte sie.

„Werde ich mir länger anhören dürfen, oder?“, entgegnete Robin, gefolgt vom einem tiefen Seufzer. Der Einladung jedoch, der ging sie nach. Eng schmiegte sie sich an den Körper ihrer Freundin. Als ob sie lediglich darauf gewartet hatte, schloss sie die Augenlider und ein angenehm erwärmendes Gefühl durchströmte sie.

„Oh, glaube mir, in den passenden Momenten, da werde ich dich stets daran erinnern“, neckte die Navigatorin und Robin konnte nicht anders, lächelte in sich hinein.

„Ich liebe dich.“ Nicht mehr als ein Murmeln.

„Ich weiß“, grinste Nami erneut, „und jetzt schlaf endlich.“
 


 

× ×
 

„Robin?“, hörte sie und blinzelte; sah gebannt in die Augen ihrer Freundin. Klar, mit all den Erinnerungen, die ihr in den Stunden verwehrt wurden. Sie gab keine Antwort. Vielmehr jedoch, erhielt eine andere Sache ihre Aufmerksamkeit: Stille. Eine angenehme Stille herrschte in ihrem Kopf. Die Stimme, die sie all die Zeit gehört hatte und ihren Geist manipulierte, sie war fort.

Und zum ersten Mal, seit sie den Boden der Insel betrat, spürte sie die Temperaturen, den eigenen Körper. Er fror, war ermüdet und dann, dann gaben ihre Beine nach und sie sackte zu Boden.

„Mach mir hier nicht schlapp“, flüsterte ihr Nami zu, die sie in den Armen hielt. Robin nickte sacht, aber gänzlich wollte ihr Körper nicht hören. Jede Faser schrie nach Wärme. Ein Gefühl, das ihr so bekannt war und ihren Atem stocken ließ. Und als reichte das nicht aus, kamen ihr die Geschehnisse der vergangenen Stunden in den Sinn und sie erschauderte, nicht der Kälte willen.

„Ich habe Brook verletzt.“

„Ist auf den Beinen und wirft dir nichts vor. Mach dir darüber keine Sorgen.“

„Und was ich zu dir gesagt habe…“

„Vergeben und vergessen. Hat mich sogar angespornt.“

„Dann können wir… nach Hause?“

„Nach Hause, ja“, wiederholte Nami wispernd. Erleichtert gluckste sie, hauchte einen Kuss auf die Stirn ihrer Freundin ehe sie in streichender Bewegung von dieser abließ und sich auf die Beine rappelte. Die Stimme blieb auch ihr verborgen; hatte sie nun ihren Einfluss verloren. Von Robin beobachtet, nahm Nami ihre Waffe. Sie grinste.

„Was hast du vor?“, krächzte die andere.

„Den Spuk endgültig beenden. Er soll niemanden mehr Schaden zufügen!“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich möchte mich herzlich für all eure Kommentare bedanken :)
Im nächsten Kapitel geht es wieder mit Robin weiter~ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Endlich geschafft. Hat sich im Laufe der Zeit doch wieder viel geändert zur ursprünglichen Idee. Und ja, hie und da kamen Hinweise ein Kuss alleine reicht nicht, aber am Ende... was ist ein "Märchen" ohne Kuss?
Am Schluss vielen Dank für die Favo-Einträge und die Kommentare~

PS: Hinsichtlich dieses Paares geht es dann endlich mit den übrigen Stories weiter und es wird wohl wieder vermehrt One Shots geben.

Und Dark777 es ist soweit. Die Tomb Raider FF geht bald an den Start ;) Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (42)
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Von:  Silver_Wolf
2016-02-23T08:32:17+00:00 23.02.2016 09:32
Super story ♥ auch wenn sich hier und da ein paar kleinere Grammatikfehler eingeschleust haben laesst sich dein schreibstiel super lesen :-)

*fan sei*
Lg :-)
Antwort von: robin-chan
03.03.2016 22:12
So, spät aber doch, vielen Dank für deinen Kommentar :)
Ja, die passieren leider hie und da, wenn ich nicht immer die Zeit habe noch mal richtig ordentlich drüber zu lesen :'D
Aber freut mich, dass sie dir gefallen hat :)

Liebe Grüße~
Von:  Dark777
2015-12-25T18:32:25+00:00 25.12.2015 19:32
Etwas über 1 Jahr nach dem ersten Kapitel ist nun auch diese Geschichte beendet. Das stimmt mich irgendwie traurig..... Das Happy End überrascht mich nicht wirklich, bereitet mir aber auch beim erneuten Durchlesen unglaubliches Vergnügen :)! Also war es doch nur ein einfacher Kuss, den es bedurfte. Robins zwei Sorgenfragen zum Schluss und dann die Frage ob sie nach Hause könnten.......einfach niedlich.

Wie gesagt stimmt mich das Ende (eigentlich jedes Ende) etwas traurig. Die Aussicht auf eine neue FF-Reihe und diesmal im Tomb Raider Bereich, mildert den kleinen Verlust etwas ab.

Wie immer war es eine sehr mitreißende Geschichte, von der man nicht genug kriegen konnte :).

V(~_^)
Von:  fahnm
2015-12-16T21:19:36+00:00 16.12.2015 22:19
Tolles Kapitel
Von:  Dark777
2015-12-06T15:16:42+00:00 06.12.2015 16:16
Also die Geschichte nimmt jetzt definitiv immer weiter an Fahrt auf! Ein bisschen erinnert mich die Spiegel-Schatz-Geschichte an Gollum........aber nur ein klein wenig ;).

Nami hätte sich nicht ablenken lassen dürfen und gleich den Spiegel zerschlagen sollen, das wäre um einiges einfacher gewesen. Ich gebe zu, dass es der Geschichte aber auch die Würze genommen hätte. Ich schätze mal nach einem Kapitel ist alles vorbei. Einerseits kann ich es kaum erwarten, andererseits ist es schade, dass wieder eine Story zum Ende kommt. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt auf das Ende und die Umsetzung!

V(~_^)
Von:  Dark777
2015-12-06T14:59:18+00:00 06.12.2015 15:59
Ich bin mir nicht so ganz sicher ob die Eiskönigin oder nicht doch ein Teil von Robin damals gesprochen hat, als die Aussage fiel Nami sei es nicht wert. Evtl. hat sich ein Teil von Robin an die Oberfläche gekämpft und genau gewusst, dass diese Aussage Namis Feuer anfachen wird. Zuzutrauen wäre es ihr zumindest.

Es steuert jetzt alles auf den letzten Kampf zu. Ruffy scheint einen Weg gefunden zu haben den Schild von Robin etwas anzukratzen. Eine verwirrte Robin ist leichter zu überrumpeln als eine die sich auf alles gefasst macht.

Wie immer sehr spannend, ich werde gleich mal das nächste Kapitel in Angriff nehmen.

V(~_^)
Von:  fahnm
2015-12-04T19:51:33+00:00 04.12.2015 20:51
Tolles Kapitel
Von:  fahnm
2015-11-24T20:40:50+00:00 24.11.2015 21:40
Eine Klasse Geschichte.
Ich bin sehr gespannt wie es weiter gehen wird.
Von:  Dark777
2015-11-01T17:56:39+00:00 01.11.2015 18:56
Ein interessantes Gespräch, was sich da zwischen Nami und Eis-Robin abspielt. Ich bin mir nicht sicher ob ich die Aussage, dass Robin in Nami keine Gefahr sieht und deshalb am Leben lässt, als gut befinden soll. Im Grunde heißt das doch nur, dass momentan tatsächlich keine Gefühle bei Robin vorhanden sind und das ist lt. Märchen nicht die beste Ausgangslage. Außerdem irritiert mich die letzte Aussage, dass Nami es nicht wert sei und nicht begriffen hätte. Zudem spielst du öfters darauf an, dass die Lösung wohl eine gänzlich andere ist als in dem wohlbekannten Märchen. Ich bin wirklich tierisch gespannt, wie du das alles auflösen willst.

V(~_^)

Von:  fahnm
2015-10-23T20:13:41+00:00 23.10.2015 22:13
Spitzen Kapitel
Mach weiter so
Von:  Dark777
2015-09-22T16:14:13+00:00 22.09.2015 18:14
Au backe, das ist ja ein toller Cliffhanger >_<! Die unerträglichsten Zeiten sind die, in denen niemand etwas tun kann. Das ganze Kapitel über staut sich die Spannung auf, mit einer direkten Konfrontation zwischen Nami und Robin zum Schluss hätte ich aber noch nicht gerechnet. Sehr clever von Robin Ruffy so loszuwerden, der Einzige der im Kampf wirklich gegen sie bestehen kann. Andererseits........etwas anderes als so taktisches Denken darf man von ihr nicht erwarten, man unterschätzt sie leider immer wieder. Wenn es Robin schaffen sollte Nami auszuknipsen, ist sie endgültig verloren. Die Jungs sollten lieber mal ihren Hintern hoch bekommen und zusehen, rechtzeitig bei den beiden einzutreffen.

Wie gesagt sehr spannend, ich möchte jetzt natürlich wissen wie es weiter geht!

V(~_^)


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