Kaltes Herz von robin-chan ================================================================================ Kapitel 10: Let me prove you’ll unlock just for me -------------------------------------------------- Der Winter klopfte an die Pforten. Vereinzelte Schneeflocken tanzten aufgewirbelt in den Lüften. Noch erschien er nicht unliebsam, wie das Jahr zuvor, und fegte über das Land. Nein, aber das sanfte Gestöber wollte nie enden. Während der Monate hatte die Königin versucht ihren Verpflichtungen, so wie sie es seit ihrem Machtantritt stets tat, nachzugehen. Ein unvollendetes Schauspiel, das dem Volk nicht unerkannt blieb; doch waren ihnen die Hände gebunden. Nichts vermochte ihr die ersehnte Linderung ihrer von Sehnsucht zerfressenen Seele zu geben. Erst die Rückkehr des Liebsten, am letzten Tage des Jahres, brachte eine erneute Veränderung. Wie versprochen hatte er den Weg gefunden, aber hatte er dafür einen Preis gezahlt. Die halbe Mannschaft, mit der er ausgelaufen war, hatte den Tod auf See ereilt. Das Wehklagen der Hinterbliebenen nahm die Insel in Beschlag. Die Familien suchten Antworten und der Forscher musste für die Verluste geradestehen. Viel konnte er ihnen nicht sagen, denn sie alle hatten gewusst, noch bevor sie das Schiff betraten, wie gefährlich das weite Meer doch war. Die Männer nahmen dieses Schicksal aus freiem Stück in Kauf. Die, die überlebten, erzählten kaum von ihren Abenteuer, überließen das Wort mehr dem Forscher, der genau wusste, wie er das Erlebte verpackte. Als ob ein Bündnis geformt worden war: Was auf See geschah, blieb dort. Die Königin verfiel in Glückseligkeit ihren Geliebten wohlauf in die Arme schließen zu dürfen. Eine Veränderung fiel den engsten Vertrauten auf, die die Frau, gepackt von Gefühlen, ausblendete. Sie flüsterten und behielten den Mann im Auge. Dieses Mal missfiel ihnen, aus einem Grund den sie nicht in Worte fassen konnten, seine Anwesenheit. Obgleich ihre Herrscherin endlich wieder aus tiefstem Herzen lachte und strahlte. × × „Was habt ihr euch dabei gedacht?!“ Wütend schnaubte der Kapitän. Die Missachtung seines Befehls hatte all seine Bemühungen zunichte gemacht. Wieder standen sie bei null. Wieder befand sich Robin im Inneren, dessen Zutritt ihnen verwehrt wurde. „Ruffy, wir haben sie außer Gefecht gesetzt. Wir haben mehr Zeit erhalten und sie kann keinen falschen Schritt unternehmen“, erklärte Sanji ruhig, versuchte seinen Kapitän nicht noch wütender zu machen als er ohnehin schon war und das misslang. „Ihr Duplikat! Und wo ist der echte Köper? Da drin!“, schrie Ruffy dieses Mal. Knurrend stampfte er auf seinen Hut zu, den er schließlich vom Boden aufhob und aufsetzte. Die Einmischung kostete wertvolle Zeit. „Will er uns damit sagen, er hat mehr mitgedacht als wir?“, flüsterte Franky Zorro zu, der verwundert das Gesicht verzog und sich am Kinn kratzte. „Möglich“, erwiderte der Schwertkämpfer gedämpft und musste zugeben, dass sie sich damit tatsächlich ein Bein gestellt hatten. Sanji, der neben ihnen stand, verzog keine Miene. Gut, ihr Notfallplan fuhr ihnen keinen direkten Sieg ein und vielleicht hatten sie bei dem Vorhaben auf die echte Robin gehofft, aber wenigstens konnte nun kein voreiliger Angriff entstehen und sie erhielten die notwendige Zeit um nach einem Weg ins Innere zu finden. „Komm runter, Ruffy.“ Die Worte des Smutjes ließ dieser links liegen; sie drangen an einem Ohr ein und am anderen wieder aus. Beschwichtigt wurde Ruffy nicht. „Wie nah dran warst du?“, mischte sich Nami ins Geschehen ein und blieb neben dem Käpt’n stehen; den Blick stets auf den erkennbaren Eingang gerichtet. „Nachdem ich ihr den Hut aufgesetzt habe, habe ich eine Veränderung wahrgenommen. Ein paar Minuten mehr… jetzt stehen wir mit leeren Händen da.“ Nami nickte, neigten anschließend den Kopf. Dort drinnen also, dort befand sich ihre Freundin. Aus einem Impuls heraus setzte sie sich in Bewegung, näherte sich dem Eingang und blieb direkt davor stehen. Im Nacken spürte sie förmlich die Blicke ihrer Freunde. „Mach keine Dummheit, Nami!“, ermahnte Franky. „Brook wurde durch die direkte Berührung zurückgeschleudert“, fügte Sanji hinzu. Nami blendete die Warnungen ihrer Kameraden aus; vielmehr vernahm sie eine unbekannte Stimme, die ihr sagte, sie sollte es riskieren. Die Hand, in der sie den Klimataktstock trug, festigte den Griff; die andere, die hob sie langsam und zitternd an. Ein Zögern war erkennbar als Nami die Hand endgültig ausstreckte. Für Sekunden hielt sie die Luft an, wartete bereits auf eine, vor allem schmerzhafte, Reaktion, doch blieb das Vorhergesagte aus. Nichts stemmte sich gegen ihr Eintreten und so machten sich ihre Beine selbstständig, bis sie gänzlich aus dem Blickfeld ihrer Freunde verschwand. × × „Na dann. Lasst uns aufbrechen“, sprach Zorro leicht grinsend. Im selben Atemzug stand er auf und schlüpfte in seine Jacke. Verdutzte Gesichter sahen ihm entgegen. Hatten sie ihn richtig verstanden? „Was habt ihr? Meinte ja, ich warte auf ein Zeichen.“ Er zwinkerte Nami zu, die selbst stutzte. Allem Anschein nach hatte sie hier etwas verpasst. „Moment!“, wandte Sanji ein und sah zwischen den beiden hin und her. „Ein Zeichen hast du auf Nami bezogen?“ Der Smutje hatte nach der Aussage viele Ideen im Kopf gehabt, aber gewiss nicht ihre Navigatorin. „Warum?“, fragte nun auch Nami ihrerseits nach, aber ein Zögern legte sie nicht an den Tag. Sofort griff sie nach ihrem Klimataktstock und folgte Zorro zur Türe. „Ist meine Vorgehensweise so verwerflich? Unser Problem ist ein Märchen. Allein du“, damit deutete auf Sanji, „hast uns das allen klar gemacht. Und wie enden sie? Liebe.“ Zorro zuckte mit den Schultern. Nicht gerade sein Lieblingsthema, denn mit solchen Geschichten konnte er noch nie viel anfangen, aber wenn es der Wahrheit entsprach, dann musste sie sich darauf einlassen. „Nami und Robin haben eine Verbindung zueinander, die sich von unserer unterscheidet. Liebe siegt im Märchen immer und da ich der Meinung bin, wir müssen uns darauf einlassen, kann dieser Punkt den Befehl aus der Verankerung reißen.“ Durch das Erzählte hatte Zorro eine eigene Vermutung entwickelt und für die Bestätigung, da musste nun mal Nami in die Presche springen. Auf diesen Augenblick hatte er die letzten Stunden gewartet. × × Nami warf keinen Blick zurück; schob ihre Freunde, die draußen warteten beiseite. Welche Macht hier auch zugegen war, sie ließ Nami gewähren. Lag es an der Beziehung, die sie zur Archäologin hegte? Fungierte Liebe als Schlüssel? Ein beklemmendes Gefühl beschlich sie je tiefer sie in das Innere vordrang und doch empfand Nami ein wenig Neugierde. Solch einen Gang hatte sie nie zuvor betreten; die Wände, die Decke und der Boden allesamt in einem weißen Ton gehalten. Vorsichtig strichen ihre Fingerkuppeln die Wand entlang. Marmor? Wie lange überdauerte dieser Ort bereits? Bisher hatte Nami lediglich die wichtigen Details in Erfahrung gebracht; hiervon und allen voran der eigentlichen Funktion wusste sie nichts. Niemand kehrte zurück. Niemand hatte je Bericht erstatten können. Mythen und Fantasien galten als einzige Quelle. „Scheiße, ist das kalt.“ Nami fröstelte, schlang die Arme um ihren Körper. Die beißende Kälte fraß sich durch ihre Kleidung, erschwerte die Atmung. Jedes Einatmen schmerzte in den Lungenflügeln. Definitiv herrschten hier weitaus tiefere Temperaturen. Wie hielt ein Mensch einen längeren Aufenthalt aus? In ihren Augen unmöglich, doch… nahm Nico Robin ihre Umgebung überhaupt noch wahr? Es musste eine Erklärung geben, denn anderenfalls hätte sie hier die Stunden nie und nimmer lebend ausgehalten. „Endlich“, wisperte sie nach weiteren Minuten. Da vorne war das Ende erkennbar und Licht. Sogleich beschleunigte Nami ihre Schritte. Da der Gang eine spärliche Beleuchtung aufwies, blendete sie das Licht im ersten Moment, sie blinzelte. „Robin!“, stieß sie schließlich aus als sie ihre bewusstlose Freundin erspähte. Das Geschoss hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Den Nachteil, den Robins Teufelskraft aufwies, hatten sie somit gekonnt ausgenutzt. Sie atmete. Erleichterung machte sich an Nami breit und doch stutzte sie. Ihre Finger, die durch die einsetzende Taubheit unangenehm kribbelten und weh taten, strichen Robins Wange entlang und die Haut fühlte sich kalt an, wie die eigene. Da musste dieses Etwas dahinter stecken. Denn Nami hielt sich erst eine Weile vor Ort auf und die Temperaturen zerrten bereits an ihren Kräften. „Was ist das?“, nuschelte sie als sie sich zum ersten Mal genauer umsah. Ein Spiegel, schwarz wie die Nacht, den Nami aus den Notizen erkannte. Als sie ihn genauer betrachtete, musste Nami feststellen, wie detailgetreu Robin ihn aufgezeichnet hatte; allein die vergoldeten Verzierungen. „Komm näher.“ Das Blut in den Adern erfror. Wer sprach da? Reflexartig drehte Nami den Kopf. Aus welcher Richtung war die Stimme gekommen? Nicht einschätzbar. Ein raues Lachen folgte. „So empfindlich? Du bist weit gekommen. Du hast dir eine Belohnung verdient. Tritt näher, ich möchte dir etwas zeigen.“ Nami zog ihre Augenbrauen zusammen, starrte auf ihre Freundin. Nein, Robin war bewusstlos, aber warum ähnelten sich die Stimmen? Der Aufforderung nachgehen oder verschwinden? Irgendwie dürfte sie Robin hinaus zerren und doch kam eine merkwürdige Neugierde hoch. Einen Blick riskieren… dürfte nicht schaden, richtig? × × „Scheiße“, hustete der Strohhutjunge und rappelte sich auf die Beine. Wiederholt scheiterte er. „Gib auf. Ist sinnlos“, bemerkte Sanji, dessen Unruhe auf seinen Zigarettenkonsum überschlug. Seit Nami aus ihrem Sichtfeld verschwunden war, rauchte er eine nach der anderen. In einem, selbst für ihn ungewöhnlichen, rasantem Tempo. Ein Glück, dass er mit einer neuen Packung aufgebrochen war, denn sonst hätte er längste keine mehr übrig, mit denen er seine ernüchternde Ablenkung erhielt. Lysop, der rasch den Aufschluss gesucht hatte, hockte neben ihm und zog Muster im Schnee. Sein Schuss hatte das Ziel, wie gewohnt, nicht verfehlt, aber fanden sie darin keine zufriedenstellende Lösung. Ihm behagte die Warterei nicht, schließlich hatten sie anderes erhofft. „Und wenn Robin wütend ist?“, fragte Ruffy in die Runde. Wachte sie auf, dann konnte er ihre Reaktion kaum einschätzen. Immerhin, war er derjenige gewesen, der ihr klar machen wollte, dass sie ihre Familie waren. Familien griffen sich normalerweise nicht auf eine Weise, wie sie es taten, an. „Dann erhalten wir eine Kostprobe“, entgegnete Franky, der im Schnee saß und seine Munition überprüfte. Jeder brauchte eben seine eigene Form der Ablenkung. „Yay!“, nuschelte Lysop und rollte mit den Augen. Die mochte er unter keinen Umständen verpassen. „Ihr macht euch wohl gar keine Sorgen!“, verübelte der Kapitän das Nichtstun seiner Mannschaft. Prompt starrte er in entgeisterte Gesichter. „Verascht du uns?!“, kläffte der Smutje. „Ruffy!“ Zorro trat vor. „Bei jedem Kampf setzen wir unser Vertrauen in dich. Sieh ’s ein, hier bist du machtlos. Vertrau auf Nami.“ „Sollte sie scheitern? Oder Robin dreht durch?“ „Ziehen wir die Konsequenzen.“ × × Nacht um Nacht durchstreifte der Forscher das Schlossgelände. Verbissen suchte er den Eingang in die von Mythen umrankte Kammer. Auf See, im Suff seiner Kameraden, hatten sie ihm davon erzählt. Erst glaubte er, sie hatten ihm ein Märchen erzählt, aber seit seiner Rückkehr – Nein, seit sie sich der Insel genähert hatten! – nahm ihn die Geschichte ein. Seine Königin hatte ihm eine Bestätigung erteilt, doch blieben ihm genauere Angaben verwehrt. Gar die Liebe ließ sie diese eine, besondere Aufgabe nicht vergessen. Denn noch galt der Forscher als Außenstehender und das alte, zum Schutz erlassene und ungeschriebene Gesetz, in das der Träger der Krone erst beim Antritt eingeweiht wurde, schlossen den Mann vor tiefergehenden Wissen aus. So sollte er erst die Antworten, von denen er schon bald besessen war, nach einer Vermählung erhalten. Wie konnte er warten? Die Kammer hielt Einzug in seine Gedanken. Tagein, tagaus wälzte er Folianten, durchstöberte Gang um Gang, selbst eingesessene Bedienstete durchlöcherte er mit dessen Neugierde. Nichts und niemand hielten ihn ab, denn das Verlangen wuchs. Warum der Forscher vor seiner Reise nie von dem Schatz erfuhr oder nie in den Träumen heimgesucht wurde, vermochte er selbst in seinen angelegten Schriften nicht zu erklären. Der Königin entgingen die Veränderungen nicht, sie holte ihren Liebsten zu sich. Unverblümt beschrieb er sein Verlangen, seine verworrenen Träume. Er bat nicht um das Betreten jener Kammer, er forderte den Zutritt. Nur so konnte der Spuk ein Ende nehmen. Die Königin zeigte sich entrüstet. Nie hatte jemand danach verlangt. Sie selbst hatten kaum einen Fuß hinein gewagt. Der Forscher gab nicht nach, rutschte auf die Knie. Die Fantasien schürten den Wahnsinn. Sah sie denn nicht den Schmerz, den er seither durchlebte? Wie konnte sie ihm, dem Mann den sie so liebte, einen Wunsch abschlagen, der ihm die Erlösung darlegte. Und dann trat ein, was kommen musste. Die Königin stimmte zu. Unter einer Bedingung: Ein Aufenthalt von kurzer Dauer. So geschah es, dem Mann wurde für einen Besuch der Zutritt gewährt. Hoffend, dass das ausreichte und ihr Geliebter wieder sein altes, unbekümmertes Ich annahm, kehrten sie zurück. Ein Irrtum. Der seelische Zustand des Mannes verschlechterte sich rapide. Nicht dem Wahnsinn verfallen, wirkte er. Nein, wie versteinert. Eine Kälte ging von ihm aus und immer wieder, ertappten sie den Forscher bei seiner neuesten Eigenart: Er liebte Spiegel. Stunden verbrachte er stehend vor ihnen, flüsternd, gebannt. Aber, sie alle brachten ihm nicht jene Befriedigung nach der er suchte. Jene, die ihm bloß ein Spiegel geben konnte. Der Forscher wusste, er musste ein weiteres Mal in die Kammer, denn dort stand er, sein Schatz. × × Forschend hatte Nami in den Spiegel gesehen und all die Szenerien, die dieser am laufenden Band abspielte, über sich ergehen lassen. Missbilligend schüttelte sie den Kopf. „Du zeigst mir die halbe Wahrheit.“ „Findest du?“ „Wo versteckst du die Ausschnitte ihrer anderen Seite?“ „Die existieren nicht.“ „Lächerlich“, brummte die Navigatorin. Auf ein Spielchen dieser Art stieg sie nicht ein. Das Gezeigte war ihr alles andere als unbekannt. Sie kannte die Vergangenheit; ob erzählt oder nun richtig gesehen, machte keinen Unterschied. „Eine bescheuerte Masche!“ „Als ob es dich nicht kümmert.“ Verachtend schnaubte Nami. Wie viele waren darauf hineingefallen? Wenn dem so war, dann wohl aus Gründen, die aufzeigten, dass sich diese Menschen nicht so nahe standen, wie angenommen. Oder keinen blassen Schimmer über die Vergangenheit hatten. Hier unterschied sich Nami allem Anschein nach. „Keine Ahnung, welche Idioten du bisher abbekommen hast, aber mit den Ausschnitten bekommst du niemanden klein, nicht aus unserer Crew! Genauso gut kannst du meine Raubzüge einbeziehen oder wie es Franky egal war, als seine Leute Lysop halbtot prügelten! Verdammt, wir sind Piraten. Okay, unser Kapitän hebt sich ab und hat eine eigene Weltanschauung, aber nichts ändert sich an unserem Lebensstil. Piraten sind keine Helden!“ Was erwartete sich dieses Etwas? Dass Nami entsetzt einen Rückzieher machte und ihre Freundin zurückließ? Wegen alten Erlebnissen über die sie vollends Bescheid wusste? „Die Vergangenheit interessiert niemanden!“, setzte sie wütend nach. „Und doch fürchtest du dich.“ „Wer hätte keine Angst?!“, fauchte sie schließlich und schnaufte. „Ein natürlich Reflex. Wir alle kennen ihre Kräfte und Robin ist garantiert keine Ausnahme. Dieselbe Furcht hätte ich bei jedem aus der Mannschaft, eben weil die Fähigkeiten bekannt sind. Würde Ruffy den Verstand verlieren und uns bekämpfen wollen…scheiße, die Situation möchte ich nie erleben.“ In erster Linie hatten diese Gefühle nun wahrhaft nichts mit Robin an sich zu tun, sondern mit dem wozu sie tatsächlich fähig war, sollte sie gänzlich durchdrehen. Diese Manipulation bot genügend Spielraum und genügend Momente, in denen ein falscher Schritt oder ein falsches Wort alles auf den Kopf stellen konnte. Wieder schüttelte Nami den Kopf. Reden brachte nichts; vielmehr verschwendete sie kostbare Zeit. Irgendwie musste sie Robin auf die Beine bekommen und endlich mit ihr verschwinden. „Du kannst sie nicht so mitnehmen, wie es dir beliebt“, säuselte die Stimme. Ertappt zogen sich Namis Augenbrauen zusammen. „Jeder, der verfällt, ist von da an, an diesen Ort gebunden.“ Natürlich kannte Nami die Klausel, aber musste es eine Möglichkeit geben, um diese zu umgehen und, als sie den Spiegel so betrachtete, kam ihr ein Gedanke. Langsam trat sie zurück und musterte ihn genauer. „Mich beschleicht das dumpfe Gefühl, dass mich das Zerstören des Spiegels ans Ziel führt.“ Ein verschmitztes Grinsen huschte über ihre Lippen. Der Spiegel stand im Vordergrund und hatte gewiss seine höhere Bedeutung. Wenn sie ihn also dem Erdboden gleich machte, dann nahm alles an Fahrt auf. „Du denkst, ich sehe deiner Umsetzung tatenlos zu?“ Ein schärferer Tonfall. Nami wusste, sie hatte einen Punkt getroffen. „Hättest du dich lieber in deinem Zimmer verkrochen.“ Ihr Herz setzte einen Takt aus. Fast in Zeitlupe drehte Nami dem Spiegel den Rücken zu. Ein Problem weniger, Robin hatte das Bewusstsein wiedererlangt, doch gleichzeitig tickte die Zeit somit gegen sie. Durchbrach Nami die Mauer nicht, und das so rasch wie möglich, würde es einen bösen Ausgang nehmen. × × Was denn genau im Inneren des Berges vorgefallen war, vermochte niemand zu begreifen. Denn kehrte die Königin ohne den Liebsten zurück und niemand durfte je wieder den Forscher erwähnen. An ihn hatte sie ihr Herz verloren und von da an sollte er als Zeugnis dienen, wie töricht sie war. Stimmen der Bediensteten erzählten im Dorf, wie der Wahnsinn ihre Herrscherin in Besitz nahm. Denn in einer Nacht-und-Nebel-Aktion musste jeder Spiegel, der im Schloss stand, rasch hinfort geschafft werden. Und eines Tages übertrumpfte sie diesen absonderlichen Befehl und verbot Feuer. Keine Wärme sollte das Schloss heimsuchen und das in einem Winter, der den vorangegangenen um Welten übertrumpfte. Stunden verbrachte die Königin an den offenen Fenstern, starrte wie gebannt auf die tosenden Schneestürme. Manchmal verschwand sie für geraume Zeit und jeder, der im Schloss lebte, kannte den Grund. Sie war dort. Wie das Land von einer weißen Decke eingehüllt wurde, nahm Kälte das Schloss ein. An manchen Tagen durften die Fenster gar nicht mehr geschlossen werden und so setzte sich Schnee und Eis im Inneren fest. Und so verweigerten Frauen und Männer die Arbeit; zogen ins Dorf und erzählten ihre Geschichten, wie sich ihre Königin einen eisigen Kerker erschuf. Von da an verblieb sie alleine und eines Tages, da sprach man von ihrem Verschwinden. Die Zeit strich unbekümmert voran und das Schloss zerfiel. Der Winter hatte seine einstigen Mitstreiter aus dem kleinen Reich verbannt und regierte auf eigene Weise. Die Zeit half und die Bewohner arrangierten sich mit den neuen Lebensumständen. Dann Generationen später, als eine zerfallene Ruine schemenhaft an das prachtvolle Schloss erinnerte, schickte das Dorf einen Trupp hoch, der die letzten Überreste beseitigte. Einen Schandfleck nannten sie das Vermächtnis, das der Insel ihr Aussehen verlieh. Damals erspähten sie jene Öffnung, die in die Tiefen des Berges führen sollte, zum ersten Mal. Unter den Arbeitern entflammte eine Neugierde, die ihnen rasch verging. Der Zutritt wurde ihnen verwehrt, Männer verletzten sich. Als ob dies nicht reichte, traten mysteriöse Ereignisse auf. Stets dann, wenn sich ein Schiff, und das geschah seither seltener denn je, verirrte und vor Anker ging. Stets verschwanden Mitglieder der Mannschaften, die anschließend das Dorf aufsuchten. Gefunden wurden sie alle am alten Plateau. Manche versuchten auf Biegen und Brechen ihre Kameraden zurückzuholen; doch ließen sie bei dem Vorhaben ihr Leben. Andere ignorierten den Umstand und zogen weiter. Die Bewohner arrangierten sich, denn sie wurden in Ruhe gelassen und so setzte nie einer von ihnen einen Fuß nach oben. Sie alle wussten, dort entfaltete sich also jene Macht, die die einstige Königin in den Wahnsinn trieb, die fortan auf ewig als die Schneekönigin in Erinnerung blieb. × × Klirrend schlug der Klimataktstock am Marmor auf. Angreifbar wie eh und je stand Nami da, lud ihre Freundin förmlich für einen Offensivschlag ein; ein waghalsiges Risiko, das Nami bereit war einzugehen. Von all den Möglichkeiten beschloss Nami diese. Zorro, ausgerechnet der verschlafene und orientierungslose Schwertkämpfer, hatte ihr den Gedanken eingepflanzt und dieser wuchs. Die Zeichen sprachen dafür, keine Waffe der Welt schenkte ihr den ersehnten Sieg; höchstens unterstützte ein Schlagabtausch Zeitschinderei und Zeit auf solch eine Weise zu vergeuden, lag nicht in ihrem Interesse. „Mutig oder dumm?“ Herablassend griente die schwarzhaarige Frau. Ein leichtes Fressen. Wie närrisch zu denken, dass das ein schlauer Schachzug war. „Du wirst mir kein Haar krümmen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)