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Kaltes Herz

von

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... on the snow

Widerwillig trat Nami aus der Kombüse. Erneut hatte sie ihren Mantel angelegt, doch drang die Kälte ungebändigt hindurch, kroch unaufhaltsam in ihre Glieder. Der Stoff stellte sich als überflüssig dar, trotzdem hinterließ sie einen positiven Aspekt, sie linderte die Kopfschmerzen, die ihr vorhin beinah den Verstand raubten. Lange schon hatte sie sich nicht mehr so elend gefühlt. Tief sog sie die beißende Luft ein, massierte ihre geschlossenen, trägen Augenlider. Sie brauchte eine Portion Schlaf, dem Drang allerdings, diesem musste sie widersprechen. Ganz gleich wie groß die Müdigkeit war, ihr Verstand hielt sie wach, würde das Einschlafen verhindern, selbst wenn sie es versuchte. Solange Robin verschwunden blieb, änderte sich bestimmt nichts an ihrer Einstellung.

Die Türe wurde geschlossen, Zigarettenrauch stieg Nami in die Nase. Die Arme an der Reling abstützend, warf sie einen Blick zur Seite, betrachtete den Smutje. Obwohl die Crew erneut im Ausnahmezustand war, erkannte sie kaum eine Falte in seinem Gesicht, keine Angst vor dem Ungewissen, als ob eine gewöhnliche Nacht sie auf Trab hielt. Diese unverständliche Gelassenheit, woher nahm Sanji diese? Kopfschüttelnd reckte sie den Kopf auf die andere Seite, starrte Richtung Pfad, der trotz der großzügigen Lichtquellen des Schiffes keine Einsicht bot; auch sonst verblieb die Dunkelheit, nirgends die Spur einer Laterne, nichts.

„Also“, fing Nami schließlich an, brachte die Unterhaltung lieber schnell hinter sich, „du wolltest reden.“

„Lysop hat euch gesagt, warum ich im Dorf geblieben bin?“ Innerlich hatte sich Sanji bereits auf eine zähe Unterhaltung eingestellt. Mit bloßen Worten sahen seine Karten schlecht aus, er benötigte Beweise. Kaum merklich nickte Nami.

„Du hast mit den Bewohnern geplaudert.“

„Robin und Brook haben den Ort nie erreicht.“

„Lysop hat bereits eine Andeutung gemacht.“ War ein kleiner Dämpfer gewesen. Irgendwie hatte Nami gehofft, sie waren dort aufgetaucht und man hätte ihnen Informationen geben können, Fehlanzeige. Übrig blieb das gesamte Areal und am Tage hatte Nami den Wald gesehen. Er nahm die Insel in Beschlag und vermutlich brachten ihnen all die Diskussionen, die Suchaktion nichts, nicht solange Brook schlief, sich von den Strapazen erholt hatte und ihnen näheres sagen konnte.

„Auf der Insel spielt sich etwas Übles ab. Niemand lügt uns an.“

„Das ist ein gottverdammtes Märchen!“, brachte Nami gepresst, schärfer hervor. Hierfür musste es eine plausiblere Erklärung geben, die vielleicht direkt vor ihren Augen lag. Ungesehen, aufgrund dieser bescheuerten Einschüchterungstaktik.

„Dann lass mich deinem Gedächtnis helfen“, sprach der Smutje mit ruhiger Stimme, ignorierte gekonnt ihren Tonfall, „Wir haben am eigenen Leib erfahren wie schnell aus einem Märchen Realität geworden ist. Im North Blue kennt jeder das Märchen um Noland. Jedes Kind hat davon gehört. Lügnern ergeht es schlecht und du hast selbst darin gelesen. Heute kennen wir die Wahrheit, er hat nie ein Hirngespinst erzählt, wir waren auf jener Insel, von der er berichtet hat.“ Warum er bei Nami auf Granit biss, verstand er nicht. Nach all den Erlebnissen. Als ob ihnen jeder Glauben schenken würde, denen sie davon erzählten.

„Ein Märchen und darauf stützt du dich?“ Nami stöhnte auf, dann hatte sich das Märchen rund um den Lügenbaron eben als Wahrheit herausgestellt. Niemand, der nicht in nächster Nähe war, konnte wissen, dass ein einziger Knock Up-Stream eine halbe Insel in den Himmel beförderte. Sacht grinste sie. „Du musst gestehen, war ein nachvollziehbarer Grund.“ Fassungslos warf Sanji den Zigarettenstummel von Bord.

„Kehren wir eines Tages in die Blues zurück und erzählen von unseren Abenteuern“, wagte er einen neuen Versuch und warf ihr einen süffisanten Blick zu, „denkst du uns wird Glauben geschenkt? Wer von diesen Hohlköpfen glaubt an einem Menschen, der im Bauch eines Wales haust? Oder an einen Inselfressenden Fisch? Ein Leben im Himmel? Erzähl denen mal von einem Dinosaurier, selbst Riesen werden dort als Fantasie abgestempelt. Soll ich ernsthaft von der Neuen Welt anfangen? Inseln fern jeglicher Logik. Der Blitzregen von letzter Woche und darf ich dich an die Crew erinnern? Ein Cyborg, ein sprechendes Rentier das als Arzt unterwegs ist und ein singendes Skelett, das auf dem Archipel vor ausverkauftem Haus ein Konzert hielt!“

„Teufelskräfte zählen nicht“, murrte Nami. Gut, auf den ersten Blick hin waren ihre Abenteuer wirklich wie aus einem Geschichtsbuch. In den Blues lief vieles anders ab, aber das hieß noch lange nicht, dass das unwahrscheinlicher war als ein Fluch, der auf eine verrückte Schneekönigin basierte. Allmählich gefiel ihr Zorros Kommentar. Vielleicht lebte Monet tatsächlich zurückgezogen auf der Insel und ließ ihren Kräften freien Lauf.

„Weil Teufelskräfte in den Teilen der Welt weit verbreitet sind, klar“, entgegnete der Smutje, triefte vor Sarkasmus. „Daher ist deine Freundin ja als Monster angesehen worden. Wovor hast du Angst?“, war er gegen Ende hin lauter geworden und Stille trat ein.
 


 

× ×
 

„Die spielt mit uns!“, knurrte Zorro giftig. Pausenlos drehte er den Kopf, suchte die Umgebung nach der wahren Gestalt der Archäologin ab.

„Sei froh.“ Noch blieben ernstgemeinte Angriffe aus, von beiden Seiten und dafür war Franky mehr als dankbar. „Verschwinden wir lieber“, setzte er nach. Einen Reim auf diesen Umstand konnte er sich weiterhin nicht machen, aber momentan brachte ihnen eine Auseinandersetzung nichts. Lieber Rücksprache mit der restlichen Crew halten und einen Plan schmieden anstatt Robin direkt ins Messer zu laufen.

„Hast du etwa Angst vor ihr?“, hinterfragte Zorro mit amüsanter Miene, grinste breit. Angenehm war hier nichts, aber abhauen gehörte selten zu seinem Repertoire.

„Was ist dein Vorschlag? Ein Kampf?“

„Sie mitnehmen.“

„Wie soll das gehen? Wir wissen nicht, wo die echte Robin steckt.“

„Dann finden wir das heraus. Ein kräftiger Schlag auf den Hinterkopf hat noch niemandem geschadet. In ihrem Fall wäre er sogar hilfreich und sie weiß wieder wer wir sind.“ Fassungslos betrachtete Franky den Schwertkämpfer, der seine Worte tatsächlich ernst meinte und umsetzen wollte.

„Du tickst nicht richtig!“

„Im Gegensatz zu dir habe ich wenigstens einen Vorschlag, bei dem wir nicht ohne leere Hände auf …“, brach Zorro ab, setzte zum Sprint an. „Lauf!“ Eine Aussage, die er kaum tätigen musste, denn Franky reagierte von alleine. Gigantische Beine waren erschienen, denen sie gerade noch ausweichen konnten.

„Du musstest ja eine Diskussion anfangen“, schrie der Schwertkämpfer und lief neben dem Cyborg einher.

„Du hast auch nicht aufgepasst!“ Weit kamen sie nicht, wurden gleichzeitig an den Beinen gepackt und zu Boden gerissen. Entnervt stöhnte Zorro auf, hob den Kopf an, spuckte den Schnee aus.

„Hast du toll gemacht.“

„Schieb mir die Schuld nicht in die Schuhe“, knurrte der Cyborg, ließ das Kinn in den Schnee sinken.

„Wer von uns hat sie ignoriert? Oder gar versucht sie anzufassen!“, schnauzte Zorro zurück und nahm bereits die Arme wahr, die ihn nach unten drückten.
 


 

× ×
 

„Mach dich nicht lächerlich!“ Spott lag in ihrer Stimme. Angst. Ein Schauer lief ihren Rücken hinab. Zugegeben, manche Argumente sprachen für den Smutje, aber vollkommen ließ sie sich nicht auf den Gedanken ein. Würden sie an jede Geschichte glauben, dann würden sie in diesem Gewässer in Vorneherein den Verstand verlieren und anhand der Erzählungen lag dann sehr viel vor ihnen, was eintreten konnte. Lediglich eine Kleinigkeit sprach sie der Insel zu, sie beherbergte etwas Sonderbares, das sie nicht in Worte fassen konnte. „Du versteifst dich auf eine einzige Erklärung, Sanji!“

„Gewöhn dich lieber schnell daran.“ Langsam wandte sie sich dem Smutje gänzlich zu.

„Wir vergeuden für so eine Unterhaltung kostbare Zeit, überlegen wir uns lieber wie wir Robin finden!“ Dieser Punkt hatte oberste Priorität. Allein um die Anschuldigungen vom Tisch zu fegen. „Und keine Sorge“, gluckste sie, klopfte Sanji auf die Schulter, „kommt die böse Schneekönigin, werden meine Tränen Robins Herz erweichen und, um der Märchenwelt alle Ehre zu machen, erhält sie einen Kuss der wahren Liebe und wir leben glücklich bis ans Ende aller Tage.“ Damit war für Nami das Thema eigentlich abgeschlossen und sie wollte zurück in die Kombüse, Kontakt mit dem Suchtrupp aufnehmen, doch da packte Sanji sie bereits am Arm. Bevor er erneut ein Wort sprach, hörten sie Chopper.

„Wer küsst wen?“ Eilig kam er um die Ecke gelaufen, bremste abrupt.

„Vergiss das Gehörte“, winkte Nami sogleich ab und entfloh aus dem Griff des Smutjes, dem ein Kommentar im Hals stecken blieb. Wenn er Nami überzeugen wollte, brauchte er dringend einen Beweis und den hatte das Rentier hoffentlich gefunden.

„Und?“ Enttäuscht schüttelte Chopper den Kopf.

„Nein. In der Bibliothek liegt nichts.“ Hellhörig spitzte Nami die Ohren und verstand.

„Lass mich raten, du hast auf Hinweise gehofft? Denkst du, sie hat darüber Bescheid gewusst und die kleine Information geheim gehalten?“

„Kann sein“, antwortete Sanji schulterzuckend. Bei dem Gehörten klammerte er sich eben an jeden Strohhalm und war er noch so klein. Eine Weile sah sie ihm in die Augen, verschränkte die Arme vor der Brust. Damit konnte sie ihm hoffentlich einen Dämpfer verpassen.

„Chopper, in der Kombüse ist es unheimlich still. Sieh bitte nach“, sprach sie an den Arzt gewandt, ohne den Blick vom Smutje abzuwenden. Misstrauisch beäugte Chopper seine Freunde, hielt seine Fragen jedoch zurück und ging der Aufforderung schließlich nach. Eine Auseinandersetzung mit der Navigatorin reichte für diesen Tag.

„Komm mit.“ Wenn er diesen Verdacht hegte, so gab es bloß einen Ort an Bord, wo Robin diese Aufzeichnungen versteckt haben konnte und fanden sie dort nichts, so musste er sich wenigstens diesen Gedanken aus dem Kopf schlagen.
 


 

× ×
 

„Ihr seid ein lustiger Haufen. Erst ein Skelett, dann ihr.“ Ein Klon der Archäologin ließ sich auf Frankys Rücken nieder, betrachte sie abwechselnd. „Wisst ihr, das Klappergestellt machte einen verstörten Eindruck. Keine ernste Bedrohung, hat sich kaum gewehrt. Du“, dabei tätschelte sie den Rücken des Cyborgs, „wirkst in erster Linie nicht anders, aber vom werten Samurai, bin ich ehrlich gesagt enttäuscht.“ Lächelnd musterte sie Zorro, der ihr anfangs skeptisch entgegen sah. „Von dir habe ich mir mehr Unterhaltung erwartet.“ Beide lagen weiterhin am Boden, festgehalten von den Armen, zeigten keine Gegenwehr.

„Robin …“, brachte Franky nervös hervor. Er verstand die Welt nicht mehr. Hatte sie tatsächlich ihr Gedächtnis verloren? Wie war das möglich? Bewusst ignorierte sie den jämmerlichen Versuch des Cyborgs, behielt weiterhin den Schwertkämpfer im Auge, auf dessen Gesicht ein breites Grinsen erschien.

„Können wir gerne nachholen“, lachte er. Bisher verblieben beide Parteien ohne gröbere Versuche und obwohl er ihr gerne einen deftigen Schlag verpasst hätte, der ihr Gehirn auf Vordermann brachte, war er auf das Spielchen eingestiegen. Solange Robin nicht ernsthaft angriff und deutlich machte, sie zu töten, nutzte er die Zeit. Irgendwo in nächster Nähe befand sich ihr richtiger Körper. Ihre Mundwinkel zuckten. Der Samurai konnte warten, vorerst lenkte sie ihre Aufmerksamkeit auf den Cyborg. Ausgiebig hatte sie ihn beobachtet und wage Bilder schossen ihr durch den Kopf.

„Ich kenne dich, nicht persönlich“, sprach sie gedämpft, verklärt, mehr zu sich selbst.

„Wir gehören derselben Crew an!“, versuchte Franky durchzudringen. Ein gutes Zeichen, oder? Robin erkannte ihn, irgendwie. „Seit Water Seven segeln wir gemeinsam. Du hast mir mein peinlichstes Erlebnis beschert. Vor versammelte Stadt hast du meine geliebten Kronjuwelen geschändet. Nicht super! Wie kannst du das vergessen?!“, setzte er gereizter nach. Niemand hatte dieses Ereignis aus dem Gedächtnis gestrichen.

„Nein“, kam die trockene Antwort. Selbst Zorro erinnerte sich daran zurück, lachte schelmisch. Das vergessen, war wahrlich eine Meisterleistung. Den witzigen Augenblick schob er jedoch recht schnell zur Seite, denn etwas an dem Ton, in dem Robin vom Cyborg gesprochen hatte, machte ihn stutzig. Wieder blickte Zorro hoch und erkannte eine Veränderung in ihrem Gesicht, Kälte kehrte zurück.

„Du hast ihn Franky genannt.“ Ihre Zunge schnalzte.

„Ne, hast dich verhört.“ Hastig schüttelte er den Kopf, ihm ahnte Übles. Leichtfüßig stieß sie sich ab, landete im weichen Schnee. „Framm! So heißt er. Franky, Framm, ist doch dasselbe.“ Franky stand der Mund offen. Hatte nun Zorro den Verstand verloren? Er versuchte ihrem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen und sein Freund fing damit an? Ausgerechnet mit diesem Namen? Den mochte er nie, eine Bestrafung für jedes Kind! Seine Arme waren blockiert, aber liebend gerne hätte er Zorro den Vogel gezeigt. Ein Widerwort kam ihm nicht über die Lippen, vielmehr versuchte er Zorros Gestik zu verstehen. Diesem standen die Haare zu Berge, ein Schauer durchfuhr seinen Körper und das Gefühl stammte nicht vom Schnee oder der kalten Brise. Lag es an den Sichtverhältnissen oder hatten ihre Augen stets diese Helligkeit gehabt? Franky zuckte leicht, sein Kopf wurde in die Höhe gedrückt und er spürte kalte Finger, die sein Kinn anhoben. Da er auf Zorro geachtet hatte, war ihm gar nicht aufgefallen, wie sich Robin vor ihn hingestellt hatte und in die Knie gegangen war. Unschlüssig sah er ihr in die Augen, suchte nach einem Anhaltspunkt, der diese merkwürdige Situation auflöste.

„Du bist aus Water Seven, dieser Cutty Framm, der sich Franky als Namen ausgesucht hat und der wie Eisberg meinen Tod fordert.“ Ein Kloß bildete sich in seinem Hals, der seine Stimme versagen ließ. Schlucken half nichts. Unangenehm, so fühlten sich die kalten Finger auf seiner erhitzten Haut an, hinterließen ein Brennen. Wie kam Robin ausgerechnet darauf?
 


 

× ×
 

„Oberste Regel: Bewahre wichtige Unterlagen an einem sicheren Ort auf“, erklärte Nami beiläufig, öffnete ihren Mantel. Wo Robin ihre Schätze verwahrte, wusste Nami sehr wohl. Neugierig war ihr Sanji ins Zimmer gefolgt, hob skeptisch seine Braue.

„Wir können nichts damit anfangen …“ Schwach lächelnd warf sie ihm einen Blick über die Schulter zu.

„Stimmt, ist halt eine Angewohnheit. Außerdem … du kennst Ruffy, er...“ Nami zögerte. „Sagt alles, oder? Das Zimmer sieht er tatsächlich als Tabuzone.“ Die Frauenkajüte war mittlerweile der sicherste Ort an Bord. Zwar hatte der Strohhutjunge anfangs oftmals über die Stränge geschlagen, aber nach ein paar schlagkräftigen Argumenten hatte er endlich verstanden und so brachte Nami selbst gerne die eine oder andere, vor allem aufwändige Karte hierher.

„Sollte Robin eine Vorahnung gehabt und recherchiert haben, dann finden wir ihre Aufzeichnungen in diesem Raum.“ Nami blieb vor dem Kleiderschrank der anderen stehen, öffnete ihn und hob eine Kiste hoch, trug diese zur Sitzecke. Vollkommen überrascht war der Smutje nicht, immerhin hatte er sich selbst bereits gefragt, wo die Archäologin manche ihrer Forschungen aufbewahrte. Insbesondere jene, für die sie gesucht wurde. Gespannt nahm er neben Nami Platz, die die Kiste mittlerweile geöffnet hatte. Ganz wohl beim Gedanken war Nami nicht, denn nie zuvor hatte sie in den Aufzeichnungen der anderen gestöbert, die sowieso kaum ein Wort darüber verlor. Eine Ausnahmen, die einzige Chance um Sanji von diesem Gedanken abzubringen. Ohne näher auf den Inhalt einzugehen, blätterte Nami durch den ersten Ordner, hatte Sanji unterdessen einen weiteren gereicht. Recht schnell erkannten sie ein System. Vorsichtig entnahmen sie die Unterlagen nach der Reihe, wollten nichts durcheinander bringen, aber Nami wusste irgendwie, dass diese kleine Schnüffelei nicht unentdeckt bleiben würde. Minuten verstrichen und allmählich fühlte sie sich als Sieger, bislang fanden sie nichts, das auch nur irgendwie auf diesen ominösen Fluch hinwies.

„Ich muss dich wohl enttäuschen“, sprach Nami ihre Gedanken aus und gluckste. Während sie sich zurücklehnte, gab der Smutje nicht auf, durchforstete jedes Papier, das ihm unter die Augen kam. Kopfschüttelnd beobachtete sie ihn, stützte den Kopf an ihrer Hand ab. Erst als er nach weiteren Minuten in seinen Bewegungen innehielt, spürte sie ein ungutes Magenziehen.

„Was ist?“ Er verzog keine Miene, griff vorsichtig nach ein paar losen Blättern, die sich ganz unten, am Boden befanden.
 


 

× ×
 

In rasantem Tempo sprinteten zwei Gestalten durch die Nacht, den Hang hinunter, auf der Suche nach dem Pfad, der sie auf ihr Schiff brachte. Hörbar erschwerte sich ihre Atmung, die kalte Luft ließ die Lungen unangenehm aufbäumen. Rundherum herrschte eine erschreckende Stille. Immer wieder streckten sie die Köpfe nach hinten, zu den Seiten, wartend auf einen Angriff, der sie aufhielt.

„Du hast sie verletzt“, hechelte der Cyborg, während er die Richtung änderte.

„Sieht so aus.“

„Bestimmt ist sie wütend.“

„So hoch wie meine Schulden beim Geizhals.“

„Ausgerechnet jene Frau, die locker die Sunny ausmachen kann.“

„Ein, zwei Minuten Arbeit.“ Synchron sprangen sie von einem kleinen Vorsprung.

„Jene Frau, die uns ohne Hinweis aushört.“

„Vermutlich.“

„Habe ich bereits erwähnt, dass diese eine Frau, die Fähigkeit besitzt, die halbe Crew binnen Sekunden zu töten?!“

„Gerade eben.“ Nochmals beschleunigte Franky.

„Aber mich auslachen, weil ich Respekt vor ihr habe, sollte sie auf Touren kommen.“

„Da wusste ich noch nicht, dass ihr Gehirn Matsch ist!“, verteidigte sich Zorro. Ein kleiner, aber feiner Unterschied. Bei klarem Verstand konnte er Robin dementsprechend einschätzen, aber nachdem, was ihm dort vorgetragen worden war, wurde ihre Kameradin unberechenbar. Eilig zog Franky am Arm des Schwertkämpfers, der neuerlich die falsche Richtung einschlug.

„Ruffy?“

„Ruffy.“ Unter diesem Umständen musste ihr Käpt’n eingreifen. Immerhin, von ihren Mitstreitern, war er der einzige, der sich Robin ohne Bedenken nähern konnte. Gegen ihn verloren ihre Kräfte sämtliche Wirkung.

„So viel zum Thema, du gibt’s ihr Saures.“

„Wie gesagt, ihr Verstand hat sich verabschiedet und dasselbe gilt vermutlich für ihr Gewissen.“
 


 

× ×
 

Notizen, detailreich ausgeschmückt, diverse Zeichnungen. Minuten über herrschte ein beklemmendes Schweigen. Ungläubig strich Nami über die Skizze eines Spiegels. Das ergab keinen Sinn.

„Warum …“, nuschelte Nami, legte die Zettel zurück. Fahrig fuhr sie sich durchs Haar. Vorsichtig lugte der Smutje zur Seite.

„Ich schätze, du siehst es ein?“

„Darum geht’s nicht, Sanji“, entgegnete sie sofort, sprang auf die Beine. Sie brauchte Bewegung. „Ich verstehe nicht warum sie das verheimlicht hat“, sagte sie zähneknirschend. Die Thematik an sich blendete Nami gekonnt aus, aber sie erhielt eine gewisse Bestätigung. Ihre Gefühle hatten sie nicht enttäuscht, Robin hatte etwas verheimlicht. Deshalb war sie meist abwesend, zurückgezogen.

„Nami … wundert dich ihre Entscheidung?“, sprach er so ruhig ihm möglich war. Dachte er an die Reaktion der Navigatorin nach, hätte er ihr wohl selbst kaum von solchen Dingen erzählt. Nach den Notizen zufolge, hatte Robin seltsame Träume gehabt und alles sie passten wie die Faust aufs Auge. Erst als Nami innehielt und andeutete ihm Gehör zu schenken, sprach er weiter. „Du glaubst nicht daran. Hättest du anders reagiert, wenn sie dir davon erzählt hätte? Sie schreibt von einer Stimme.“ Gerade noch so hielt Nami einen Kommentar zurück, zwang sich tatsächlich einen Augenblick darüber nachzudenken. Hätte sie eine andere Reaktion gezeigt? Vermutlich nicht. Der Beweis lag vor ihr, Robin hatte eindeutig davon geträumt, das stand außer Frage, aber irgendwie wehrte sich ein Teil weiterhin gegen diese Erklärung.

„Sie hätte es probieren können“, gab sie schließlich kleinlaut zu verstehen.

„Du scheinst wenigstens überzeugt.“

„Habe ich nie gesagt…“

„Nami!“

„Schon gut, schon gut.“ Mit gemischten Gefühlen schritt sie durchs Zimmer. Eigentlich wollte sie erst mehr herausfinden. Hoffte auf die Rückkehr ihrer Freundin um mit ihr darüber zu reden, aber anscheinend war der Moment gekommen und Nami kam nicht drum herum ihr kleines Geheimnis auszusprechen. Ja, Sanjis hatte vorhin bereits einen entscheidenden Punkt getroffen. Sie hatte Angst, aus einem ganz bestimmten Grund.

„Nachmittag an Deck da …“

„Du hattest kein Herzstechen.“ Sacht zuckten ihre Mundwinkel. Er dachte mit. Zögernd schüttelte sie den Kopf.

„Nein.“
 


 

× ×
 

Blut zeichnete sich im Schnee ab. Sie hatte den Samurai eine Sekunde aus den Augen gelassen, zu sehr die Aufmerksamkeit auf den Cyborg gelenkt. Ein kleine Fehleinschätzung ihrerseits, die ihnen die Flucht ermöglichte. Das geschah selten, aber die merkwürdigen Erinnerungen hatten sie abgelenkt. War Cutty Framm aus dem Grund hier gewesen? Doch woher kannte er ihren Aufenthaltsort? Ein Zufall?

„Das Skelett.“ Nein, ungläubig schüttelte sie den Kopf. Bei den Verletzungen dürfte er noch bewusstlos sein, wenn nicht gar tot. Immerhin hatte sie ihn beobachtet, bis er in den Schnee fiel und regungslos da lag.

„Sie kommen wieder.“ Angewidert betrachtete sie die Wunde, nicht allzu tief, für den weiteren Verlauf gewiss kein Hindernis. Für das nächste Mal war sie gewarnt.

„Beide laufen Richtung Piratenschiff.“ Einen Überblick verschaffen war für sie wahrlich ein einfaches Unterfangen. Eine Truppe wie diese, hatte es auf diese Insel geschafft? Wie gedacht, das Skelett schlief, lebte aber. Welch ein Glückspilz. Ein Rentier das mit zwei jungen Burschen ein Buch las. Zwei weitere Gestalten in einem anderen Raum. Ein Mann und eine Frau. „Sechs sind an Bord. Acht insgesamt. Ulkige Besatzung, der Großteil ist recht jung.“

Überraschenderweise waren Nico Robin zwei Mitglieder besonders ins Auge gestochen, der Junge mit dem Strohhut und die Frau. Warum weckten sie ihr Interesse? Auf eine vollkommen andere Weise wie der Cyborg es tat, bei ihm hatte sie eine Hintergrundgeschichte im Kopf, aber die beiden? Keine Erinnerung, nichts. Unbekannte Gesichter.

„Sie sind gefährlich, alle beide, töte sie“, zischte die Stimme neuerlich, hatte ihren Gedanken blitzschnell erfasst.

„Warum?“ Drei Crewmitglieder waren ihr in die Quere gekommen, aber der Rest wirkte kaum angriffslustig. Gewiss, das konnte sich rascher ändern als gewollt, das kannte sie aus ihrer Vergangenheit, aber bislang gab es kein Anzeichen und solange sie sich nicht hierher begaben und sie in Ruhe ließen, fiel ihr vorerst kein Grund ein, ihnen zu nahe zu kommen. Das tat sie nie. Im Gegenteil, sie liebte die Einsamkeit, fern der Menschen, dem Abschaum, der ihr nach dem Leben trachtete. Allein drohte ihr keine Gefahr.

„Vertrau mir. Sie kommen bald, töte sie lieber rasch. Die Kleine zuerst.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Dark777
2015-08-09T12:48:25+00:00 09.08.2015 14:48
Was für eine nette kleine Stimme, die Robin da im Kopf hat. Das Böse erkennt eben instinktiv in Nami die größte Bedrohung.

Die Sache spitzt sich langsam zu. Die Crew muss schnell über den Schock hinwegkommen, so wie Zorro. Nur so haben sie gegen Robin Bestand. Mich hätte ungemein interessiert, wie genau Zorro die Gunst der Stunde genutzt und sich und Franky befreit hat.

Wie immer sehr spannend.

V(~_^)
Von:  fahnm
2015-08-04T21:32:01+00:00 04.08.2015 23:32
Spitzen Kapitel


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