Die Fürstenbraut des Westens von Hotepneith (Hochzeitsreise mit Schwierigkeiten) ================================================================================ Kapitel 3: Der Taishou ---------------------- Bereits eine Stunde vor Sonnenaufgang ließ sich Koromi von ihrer Zofe die Kleidung heraussuchen, die Haare aufstecken. Sie wollte pünktlich sein. Heute Nacht hatte sie überlegt, dass eine kopflose Flucht nicht ihrer würdig war. Womöglich gab es eine Variante, die ihr den Angriff erlaubte, die Rückkehr hierher und den Fürstinnentitel aus eigenem Recht. Dazu musste sie mit dem Taishou reden. Hoffentlich würden diesem trotz aller sicherlich vorhandenen Loyalität einige Informationen über seinen Gebieter entkommen. Wenn der Herr der westlichen Länder ihren Anspruch unterstützte, sie nicht heiraten würde sondern ihr ein Heer gab....Ja. Aber das war nur eine vage Möglichkeit. Eine andere wäre, wenn er in ihrem Namen und aus ihrem Erbrecht den Süden fordern würde – aber da war das Halsband. Nun, erst einmal einige Tage dauerte die Reise allein bis zur Grenze des südlichen Fürstentums. Danach, wo die Gegend begann in der niemand die Oberhoheit hatte, standen auch ihre Fluchtchancen am Besten. Und bis dahin musste sie wissen, was im Westen mit einer Fürstin geplant wurde, wie man zu ihrem Erbrecht stand. „Prinzessin....“ Die alte Miako trat zurück. Koromi erhob sich: „Keine Sorge. Sumi sagte, dass sie für dich eine andere Verwendung finden wird. Und trotz allem wie wir Schwestern zueinander stehen – sie wird es nicht dich entgelten lassen und dir einen guten Platz geben.“ Miako hatte immerhin schon Vater treu gedient. „Du darfst mir die Hand zum Abschied küssen.“ Die Zofe gehorchte: „Ich wünsche Euch alles Glück...“ „Komm. Soweit ich höre wird im Hof bereits aufgeladen.“ Und die Morgendämmerung begann. Dies entsprach den Tatsachen. Zu Koromis gewisser Erbitterung beaufsichtigte Ban die Verrichtungen. Sumi war nicht erschienen. Sie bewahrte jedoch ihre ruhige Miene, zumal, als sie den Taishou erkannte, der unter dem Tor seine Männer offenkundig einwies, wer zu welchem Packtier gehen sollte. Eine Sänfte zwischen zwei Eseln wartete auf sie, hölzern, mit dichten Vorhängen. Immerhin musste keiner der Krieger das tragen, nun ja, das wäre auch demütigend für einen Dämon geworden. Sie war bereits einige Male so, wenn auch im Auftrag ihres Vaters, verreist. Das würde heiß darin werden, stickig und irgendwann würde ihr Rücken schmerzen. Aber so reiste eben eine Prinzessin. Die einzige Alternative wäre ihre wahre Form gewesen, aber das wäre stillos, würde die Kultiviertheit des Südens nicht vermitteln. Der Anführer des Geleitzuges hatte sie bemerkt und kam heran, verneigte sich höflich. Erst dann, wie sie durchaus aufmerksam beobachtete, kam auch der Berater, der Liebhaber ihrer Schwester, heran, und verbeugte sich. „Guten Morgen, Prinzessin Koromi,“ sagte der Taishou. Sie nickte nur, plötzlich ihre Kehle wie zugeschnürt. Bloß wenige Wochen und ihr Schicksal war endgültig entschieden. Sie hatte nur mehr diese Chance der Reise und sie musste sie nutzen. „Ich darf Euch im Namen der Fürstin eine gute Reise wünschen. Und viel Vergnügen im westlichen Fürstentum,“ ergänzte Ban. Der Heerführer bemerkte den Funken in den Augen der Prinzessin und zog seine Schlüsse: ja, hier war etwas vorgefallen, aber das ging ihn nichts an. Von jetzt an war er für Koromi verantwortlich. „Darf ich bitten..?“ Er deutete auf die Sänfte. Was blieb ihr anderes übrig? So ging sie hinüber, durchaus überrascht, dass ein Krieger sofort hineilte um die Vorhänge für sie beiseite zu halten. So war es einfacher die Kimonos zusammenzuraffen und sich auf dem hölzernen Sitz niederzulassen. Der Taishou schien seine Männer angewiesen zu haben ihren Rang zu beachten. Immerhin etwas, wenn sie bedachte, dass sie sich nun Wochen ohne weibliche Hilfe zurecht finden musste. Zumindest bei der Kleidung wäre das doch ein wenig schwer. Sie biss die Zähne zusammen, veränderte das aber rasch zu einem dankenden Lächeln, als der Dämon neben ihr den Vorhang mit einer Verneigung zufallen ließ. Nur kein Misstrauen erwecken. Minuten später, sie wusste, die Sonne war soeben über den Horizont gestiegen, bewegte sich ihre Sänfte. Der Beginn einer langen, womöglich fatalen, Reise. Gefangen in ihren Gedanken zuckte Koromi fast zusammen, als jemand den Vorhang der Sänfte berührte, aufzog. Das war kaum zulässig. Sie erkannte dann jedoch überrascht den Taishou, der neben ihr dahinschritt, jetzt wieder sein Schwert quer über den Rücken. Ein magisches Schwert, spürte sie, mit einer sehr mächtigen Aura. „Nun?“ fragte sie kühl. Er deutete mit der Rechten hinter sich: „Von hier aus kannst du noch einmal zurückblicken. Das Schloss deiner Kindheit. Du wirst es kaum mehr sehen.“ „Duzt mich nicht!“ fuhr sie sofort auf. Wie konnte er es wagen...? Hielt sie ihn für einen einfachen Krieger? „Ich duze meine Schutzbefohlenen. - Nun?“ „Ich brauche das Schloss nie mehr zu sehen,“ erklärte sie kühl, obwohl ihr Herz bis zum Hals schlug. Er duzte sie einfach wie eine Dienerin, sie, eine geborene Prinzessin, die zukünftige Fürstin. Ging man so im Westen mit Frauen um? Dann wäre es ein Unding bis zum Fürsten zu gehen und zu hoffen dessen Unterstützung für einen Krieg zu finden. Immerhin ließ dieser...dieser Hund jetzt den Vorhang wieder fallen. Erst, als sich ihr Zorn über die Anrede legte, wurde ihr bewusst, dass er an ihre Gefühle gedacht hatte. Der Weg wurde endlos. Sie bemerkte, dass immer wieder Pausen eingelegt wurden, die Tragtiere getränkt wurden. Ein oder zwei Mal wurde auch ihr ein Krug Wasser hereingereicht, ohne dass die Vorhänge geöffnet wurden. Schutz für sie und Fürsorge – der Taishou nahm seine Aufgabe ernst. Leider. Aber sie trank das Wasser durstig. In der verhüllten Sänfte wurde es gerade in den Mittagsstunden unangenehm warm. Abends hörte sie dass angehalten wurde, die Tiere ausgespannt wurden, auch ihre Sänfte abgesetzt wurde. „Baut die Wandschirme auf,“ befahl der Taishou. Wandschirme? Ach ja, Paravents, um vornehme Damen, aber auch Herren, vor den Blicken der einfachen Krieger zu schützen. In der Tat, er war besorgt um ihren Ruf. Darum war sie auch nicht überrascht, als er persönlich die Vorhänge beiseite schlug und ihr die Hand bot: „Wir rasten hier um der Tiere willen. - Komm schon.“ Er duzte sie immer noch, aber ihr wurde klar, dass er davon kaum abgehen würde. Nun, wohl erst, wenn der Herr der westlichen Gebiete ihm das gegenüber seiner Fürstin anbefehlen würde. Andererseits, warum ärgerte sie sich so darüber? Es war doch gleich, was er von ihr dachte. Umso besser, wenn er sie unterschätzte, dann könnte sie doch fliehen, sobald sie das herrenlose Gebiet erreicht hatten. Nur keinen Fehler begehen, nicht als aufsässig oder fluchtbereit eingestuft werden. So ließ sie sich hinter die Wandschirme führen, abseits des Lagers, wobei ihr nicht entging, dass dämonische Krieger zur Wache abkommandiert worden waren. Wahrlich, der Heerführer verstand sein Geschäft. Gut, es war auch kaum davon auszugehen gewesen, dass der Fürst einen Narren schickte seine Braut abzuholen. Sie ließ sich auf das Kissen nieder, das ihr Aufseher ihr bedeutete und sah zu Boden. Kein Essen, das bedeutete, dass er ihre Stärke richtig einschätzte. Noch ein negativer Punkt für sie. „Wenn du....abseits möchtest, dort am Fluss stehen auch Paravents. Allerdings auch Krieger, so dass du hinter den Wandschirmen bleiben solltest.“ „Danke.“ Was sollte sie schon sagen? War das eine Warnung vor den Kriegern oder ein Hinweis darauf, dass Flucht sinnlos war? „Ich werde mir wohl die nächsten Tage ohne Zofe behelfen müssen,“ lenkte sie ab. „In der Tat. Ich vermutete nicht, dass die Fürstin ihre Schwester ohne weibliche Begleitung reisen lässt und habe darum nicht vorgesorgt. - Sobald wir den Westen erreichen, werde ich eine Hundedämonin aus dem Schloss kommen lassen.“ Höflich war er ja, und um sie bedacht. Aber er duzte sie! Langsam meinte sie: „Ich vermute, Ihr habt Euren Männern gesagt, dass sie höflich bleiben sollen?“ „Ja. Falls es jemand vergisst, sage es mir. Und...“ „Und er wird wünschen, dass er nie geboren wäre?“ unterbrach sie ihn. Immer diese Sprüche, die sie schon von Vaters Kriegern vernommen hatte, wenn diese sie auf einer Reise begleiteten und nicht bemerkten, dass sie zuhörte. Sie bemerkte den eigenartig eisig funkelnden Blick und neigte instinktiv in gewissem Erschrecken den Kopf. Aber der Taishou klang ruhig: „Nun, ich hoffe doch, dass meine Krieger klug genug sind, um sich in diesem Fall zu wünschen, dass ICH nie geboren wäre.“ Ein wenig vorlaut und recht anmaßend, die liebe Koromi. Er hatte eigentlich vorgehabt ihr heute die Wahrheit zu sagen, aber das konnte auch noch dauern und für ihn amüsant werden. Mal sehen, wie sie sich weiter machte. Schon bei den Verhandlungen um ihre Schwester hatte der Botschafter angedeutet, dass beide Prinzessinnen des Südens Wissen besaßen. Neben ihrer angeborenen Stärke ein guter Grund, sie als Fürstinmutter in Erwägung zu ziehen. Ein Land wie der Westen, oft bedroht von vielen Seiten, benötigte keine stickende, ahnungslose Schönheit, das war jedem in der neuen Führungselite klar. Zu hart war der Thronfolgestreit gewesen. Sie schwieg, bemüht nicht durch weiteren Widerspruch seinen Zorn zu erwecken. Aber sie dachte bei sich, dass es den Kriegern des Westens unter dem Blick des Heerführers mehr als unangenehm sein musste getadelt zu werden. Niemand außer ihrem Vater hatte es bislang geschafft, dass ihr solch ein Frösteln über den Rücken lief. Erst nach einer Weile meinte sie: „Ich würde gern nach dem langen Sitzen ein wenig auf und ab gehen.“ „Natürlich. Geh. Aber bleibe innerhalb der Postenlinie.“ Unwillkürlich hob sie doch den Kopf: „Wir sind im südlichen Fürstentum! Hier gibt es keine Banditen. - Und ich wäre Euch wirklich dankbar, wenn Ihr mich nicht duzen würdet.“ „Du bist keine Prinzessin des Südens mehr.“ Im Übrigen duzte er jeden Rangniederen, aber sie hatte offenkundig die richtige Schlussfolgerung noch nicht gezogen. Sie stand auf, bemüht, ihre Wut unter Kontrolle zu bringen. Ein Satz und er wies sie zurecht. Ja, sie hatte auf ihr Erbteil verzichtet, ja, damit war sie im Süden Freiwild, falls es jemand wagen sollte hier herumzustreunen, ja, sie war im Moment weder Prinzessin noch Fürstin.....Er hatte Recht, aber das machte es nicht besser. Sie blieb am Fluss stehen und betrachtete den Nachthimmel. Wie gern würde sie sich jetzt einfach verwandeln und weglaufen...Aber das wäre gleich aus mehreren Gründen töricht. Hier war noch das südliche Fürstentum und Sumi würde sie jagen lassen. Überdies, als sie einen Blick zurückwarf, stellte sie fest, dass sich der Taishou unter einem Baum niedergelassen hatte, sie jedoch nicht aus den Augen ließ. Hundedämonen standen in dem Ruf gute Wächter und Beschützer zu sein. Das bewies er gerade. Nur leider legte sie so gar keinen Wert darauf. Sie sah wieder zu den Sternen auf. Nur noch zwei oder drei Tage, dann waren sie in dem Niemandsgebiet. Wenn sich dort eine Chance ergab musste sie sie nutzen. Und vielleicht wurde der Anführer ihres Geleitschutzes ein wenig nachlässiger. Jedenfalls war ihre einzige Fluchtchance in der Nacht. In den nächsten Tagen sollte sie jedoch zusehen, dass sie möglichst viele Informationen über den Herrn der westlichen Länder bekam. Vielleicht würde dieser ihr doch helfen. Sie wandte sich um und ging auf den Heerführer zu, der sich sofort höflich erhob: „Geht Ihr mit mir ein wenig, werter Taishou? Ihr könnt Euch vorstellen, dass ich Fragen habe.“ „Zum Westen?“ Aber er blieb an ihrer Seite: „Ich hätte geglaubt, dass deine Ausbildung umfangreich war.“ Koromi war etwas geschmeichelt: „Nicht zu dem Fürsten,“ erwiderte sie jedoch nur. „Ich....nun, ich würde gern sein Alter wissen.“ Ein seltsames Lächeln huschte über das Gesicht des Heerführers: „Und sein Aussehen? - Ich denke nicht, dass du entsetzt sein wirst. Er ist.....ungefähr so alt wie ich, hat weiße Haare und goldene Augen, wie auch du und ich.“ „Keine Kriegsverletzung?“ erkundigte sie sich zögernd. „Nein.“ Man sollte nicht mit Untergebenen darüber sprechen, es verletzte ihren Stolz auch, aber sie war zu nüchtern um nicht zu erkennen, dass sie hatte nur diesen einen Mann als Auskunftsquelle hatte, wollte sie nicht mit den einfachen Kriegern reden. Und immerhin war das ja wohl ein Verwandter, vielleicht der jüngere Bruder: „Und...wisst Ihr, wie er mit Frauen umgeht?“ Er schien überrascht, erklärte dann jedoch: „Soweit ich weiß hat sich noch niemand beschwert. - Ich bin ein wenig erstaunt, dass du solche Fragen stellst. Du bist weiblicher als ich zuerst dachte.“ Sie war nicht sicher, wie sie das deuten sollte, als Kompliment oder als Tadel. Solch ein Gespräch hatte sie noch nie geführt. Aber im Zweifel war es gut, würde in ihm keinen Verdacht wecken, dass sie nicht mit in den Westen wollte. „Ich wurde zur Thronfolgerin erzogen,“ gestand sie daher: „Und meine...neuen Umstände bereiten mir noch ein wenig Verwirrung.“ Thronfolgerin, also. Und die Schwester war nun die Fürstin. Die Rollen waren vertauscht worden. Warum? „Ich verstehe.“ Seltsamerweise hatte sie das Gefühl, er täte es wirklich. „Erzählt Ihr mir über das Leben im Schloss?“ „Dazu kann ich nicht allzu viel sagen. Ich war bislang selten dort.“ „Ich dachte, der Krieg ist beendet.“ „Die Thronfolgestreitigkeiten.“ „Die Thronfolgestreitigkeiten,“ wiederholte sie gehorsam. Anscheinend war das die Sprachregelung im Westen, an die man sich zu halten hatte. „Das nahm mancher zum Anlass in den Westen einzufallen. Es dauerte ein wenig ehe sie alle belehrt waren.“ Sie blieb stehen und blickte zu ihm auf: „Ich hörte, im Westen gäbe es ein stehendes Heer und viel Militär. Das habt Ihr alles unter Euch?“ „Ja.“ „So vertraut Euch der Fürst sehr.“ „Er vertraut mir eben so sehr wie ich ihm.“ Der Taishou sah zum Himmel auf: „Gehe jetzt zu dem Sitzplatz, den ich habe herrichten lassen. Ich werde die Wachen kontrollieren.“ Koromi gehorchte. Immerhin hatte sie einige wichtige Neuigkeiten erfahren. Und offenbar wollte er nicht weiter über seinen Herrn reden. Wie es von einem loyalen Heerführer zu erwarten war. Die folgenden Tage verliefen eintönig. Die Braut erhielt Wasser, abends wurde gerastet. Der Taishou mied das Gespräch mit ihr, aber sie bemerkte sehr wohl, dass er sie die gesamte Nacht lang nicht aus den Augen ließ. Eine gewisse Langweile schlich sich bei ihr ein und sie musste sich zur Ordnung rufen. Bald schon würde ihr Schicksal daran hängen, dass sie eine Chance erkannte und ergriff. Sie wurde aus ihren Gedanken am darauf folgenden Tag aufgeschreckt, als ihre Sänfte heftig zu schaukeln begann. Sie hielt sich fest und sah vorsichtig hinaus. Oh. Offenkundig endete das südliche Fürstentum hier oder bald, denn der breite Weg, dem die Karawane bislang gefolgt war, war zu Ende und es ging querfeldein. Die Lastesel waren trittsicher, auch auf der ansteigenden Wiese mit größeren Steinen darin. Im Hintergrund war noch ein Wald zu erkennen. Vermutlich ging es jetzt über das erste Gebirge. Das Niemandsland bestand hauptsächlich aus Bergen, wohl mit ein Grund, warum sich kein Fürst darum kümmern mochte. Allerdings war diese Schaukelei nicht sonderlich gut für ihren Magen. Ihr war jedoch bewusst, dass sie kaum darum bitten konnte auszusteigen und sich zu verwandeln. Das wäre unschicklich, vor allem vor den einfachen Kriegern. Dennoch war sie froh, als mit Sonnenuntergang erneut das Lager aufgeschlagen wurde. Sie erkundigte sich bei einem Krieger nach ihrem privaten Gepäck und er führte sie sofort hin. Sie suchte sich Bürste und diverse Toilettenartikel heraus. Sie befanden sich hier auf einer Hochfläche zwischen zwei Bergmassiven und sie hatte mit gewisser Freude bemerkt, dass es dort eine warme Quelle gab. Als sie sich umdrehte sah sie, dass der Anführer ihres Geleitschutzes sie beobachtet und seine Schlüsse gezogen hatte, denn Dämonenkrieger bauten Paravents am Rand dieser Quelle auf, während er daneben stand. So ging sie hinüber und verneigte sich höflich vor ihm: „Ich danke Euch.“ „Du sollst gesund im Westen ankommen.“ Damit war es mit ihrer Dankbarkeit auch bereits wieder vorbei. Was erwartete sie allerdings? Er hatte den Befehl sie heil zu dem Fürsten zu bringen – mehr nicht. „Ich vermute, Ihr werdet hier stehen bleiben?“ „Natürlich. Wir sind bereits außerhalb des Fürstentums deiner Schwester.“ Koromi nickte nur und verschwand hinter den Wandschirmen, froh, sich wenigstens in dieser Quelle entspannen zu können. Was war nur los mit ihr? Dieser Mann reizte sie, obgleich er nur das tat, was ihm aufgetragen worden war, seine Pflicht sorgfältig erfüllte. Er war nur ein Diener seines Herrn, weiter nichts. Nun gut, vermutlich der jüngere Bruder des Fürsten. Sie sollte ihn so gut es ging ignorieren. Als sie nach einem ausgiebigen Bad wieder hinter den Wandschirmen hervortrat, hatte sie ihre feuchten Haare erneut empor gesteckt. Sie war nicht überrascht, dass der Taishou dort noch immer stand, aufmerksam die Umgebung musternd. Auch die Krieger waren wach und kaum einer hatte sich niedergelegt. Nun, gar keiner, wenn sie das richtig sah. „Gefahr?“ erkundigte sie sich daher. „Du stehst unter meinem Schutz.“ Also gab es keine Gefahr für sie, aber ein Risiko hier. Sie hatte das schon wieder falsch formuliert – und ihm Gelegenheit gegeben sie zu tadeln. Sie musste wirklich aufpassen was sie sagte. Womöglich wäre der Umgang mit seinem Bruder noch etwas schwieriger. Und der Fürst konnte sie jederzeit bestrafen, was dem Taishou als Treuhänder ja momentan verwehrt war. Aber sie erwiderte, bemüht harmlos zu erscheinen: „Danke....ich meinte damit nur, soll ich in die Sänfte zurück oder kann ich noch ein wenig auf und abgehen.“ „Bleib bei mir.“ Er sah zum Himmel auf. „Sie werden mit der Morgendämmerung angreifen.“ Koromi holte tief Atem, auch, um die Witterung zu nehmen. Hier war eigentlich nichts ungewöhnliches, diverse Tiere, Steine, Pflanzen... und ein eigentümlicher Geruch nach Tod. Fleischfresser lauerten dort, unsichtbar, weit oben in den Abhängen. „Dies hier ist der kürzeste Weg in den Westen – und Ihr wusstet, dass sie hier sind.“ Wer auch immer, aber sie nahm jetzt auch Dämonenenergie wahr. Wieso nur war er das Risiko eingegangen sie hier baden zu lassen? Ihr zu Gefallen? Unwahrscheinlich. Er nickte, erklärte jedoch zu seiner Verteidigung: „Sie leben hier im gesamten Grenzgebirge. Das macht ja auch die Beziehungen mit dem Süden ein wenig kompliziert. Immerhin greifen sie Einzelreisende normalerweise nicht an. Bei Achtzig mit Gepäck sieht das anders aus. Das ist Futter für das Nest.“ Jetzt erinnerte sie sich an ihre Schulstunden: „Paradiesvögel.“ „Ja.“ Der erste Schein des Tageslichtes genügte, damit die riesigen Vögel mit menschlichen Oberkörpern das Lager angriffen. Offenbar hatte sich der Schwarm in der Nacht gesammelt und stürzte sich nun auf die Dämonen. Der Taishou rief kurz einige Befehle, die Koromi nicht verstand, ehe er selbst empor sprang, um einen der seltsamen Vogeldämonen mit einem Klauenangriff aus der Luft zu holen. Sie sah sich um. Alle Dämonenkrieger waren mit den Angreifern beschäftigt. War das ihre Chance? Es musste sie sein. Scheinbar in Panik geratend lief sie davon. Ein Paradiesvogel, der das entdeckte, stürzte sich auf sie – und bezahlte den Versuch mit seinem Leben, als sich die ehemalige Südprinzessin umwandte und ihn mit einem Klauenhieb seines rechten Flügels beraubte. Ein Hundekrieger des Westens tötete ihn sofort, sah sich dann jedoch gezwungen, sich von seiner Schutzbefohlen abzuwenden, da er erneut attackiert wurde. Außerhalb des Lagers und Kampfgetümmels verwandelte sich Koromi in ihre Hundeform und rannte los. Sie musste weit genug gelangen, ehe sie gejagt wurde. Die Wolken hingen heute morgen tief, womöglich begann es zu regnen, dann wäre ihre Spur verwischt. Auf jeden Fall würde der Taishou sie verfolgen – und sie benötigte einen gehörigen Vorsprung, das war ihr klar. Er würde sie nicht laufen lassen, nicht selbst gegenüber seinem Fürsten das Gesicht verlieren wollen. So lief sie, so schnell sie ihre Pfoten tragen wollten, weiter in das Gebirge, bog bei einem Seitental jedoch nach Osten ab. Irgendwo dort lag ein Feuerberg, das wusste sie von den Landkarten. Womöglich konnte sie dort ihre Witterung verbergen. Alles, was sie benötigte war ein genügend großer Vorsprung. Aber die Paradiesvögel würden den Taishou und seine Männer ja hoffentlich noch ein wenig beschäftigen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)