Final Masquerade von Lexie_Grey (Finde deinen Platz in der Welt!) ================================================================================ Prolog: Once upon an October ---------------------------- Knall. Schon wieder explodierte eine Bombe, nur wenige Kilometer entfernt. Das Bombardement zog sich jetzt schon über zwölf Stunden hin. Ein Ende war noch lange nicht in Sicht, da sie erst aufhören würden, wenn sie sie gefunden hatten. Wieder erzitterte die Welt und sie hörte, wie in den Wohnungen über ihr die Schränke umkippten. Glas zersplitterte. Vermutlich hatte die Familie nur das Nötigste mitgenommen und nun fielen die alten Erbstücke den Todessern in die Hände. Menschen, die ihre Leidenschaft für die falschen Dinge einsetzten und für die das Leid anderer die größte Belohnung war. Der Wind stand ungünstig, denn nun füllte eine feine Staubwolke den kleinen Innenhof, in dem sie sich befand. Sie musste hier weg, die Gefahr war zu groß. Hektisch blickte sie nach rechts. Neben ihr lag, in mehrere Kissenbezüge und Stofffetzen eingewickelt, ihre Tochter. Noch keine anderthalb Jahre alt, kannte sie schon jegliches Leid der Welt. Wenn es so weiterginge, würde sie keine zwei Jahre alt werden. Ein Kind in diesen Zeiten war ein Risiko, eine Gefahr. Keine Gruppe würde sie so aufnehmen und selbst wenn, wäre dies bestimmt nicht das richtige Umfeld für ein Kind. Sie musste sich etwas einfallen lassen. Ihr Baby brauchte Sicherheit, Liebe und vor allem Ruhe. Doch wo fand man das? Sie waren allein, vor Wochen hatte sie den Kontakt zu ihren Freunden abgebrochen. Verstoßen von ihrer Familie lebte sie von einem Tag zum nächsten. Wie sollte sie so je die Mutter sein, die ihre Tochter verdiente? Es musste doch jemanden geben, dessen Herz groß genug war, die Kleine wie ihre eigene Tochter aufzuziehen… Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Hektisch griff sie nach dem Bündel, nahm es auf den Arm und apparierte. Der Unterschied hätte nicht gravierender sein können. Die ganze Stadt war still und dunkel. Hier hörte man keine Explosionen. Hätte sie es nicht besser gewusst, hätte sie gedacht, sie sei ans andere Ende der Welt appariert, doch sie befand sich immer noch in England. Sie kannte die genaue Adresse nicht und wahrscheinlich hatte sich die kleine Familie auch magisch versteckt, doch sie musste es versuchen. Das ausgerechnet seine Aussagen ihrer Tochter eventuell ein halbwegs normales Leben ermöglichten, war Ironie des Schicksals. Mit schnellen Schritten lief sie die kleine Gasse entlang, allerdings nicht ohne sich alle paar Meter umzusehen. Der Schlafmangel und die immer spürbare Gefahr hatten sie paranoid werden lassen. Rechts von ihr wurden die kleinen Häuser nun von einer großen weißen Mauer abgelöst, über die man hinweg einige Grabsteine sehen konnte. Der Friedhof von Godric‘s Hollow. Ohne darüber nachzudenken, suchte sie den Eingang und betrat ihn. Friedhöfe hatten auf sie immer etwas Beruhigendes ausgestrahlt. Fest drückte sie das Baby an sich und ließ den Blick über die Gräber wandern. Keiner der Namen sagte ihr etwas, ihre Familie hatte es nie nach Godric’s Hollow verschlagen. Kein Wunder, wenn man sich die Familiengeschichte ansah. Mitten in der Bewegung erstarrte sie. Schräg hinter ihr bewegte sich etwas. Was auch immer es war, es war menschengroß und bewegte sich langsam auf sie zu. Ruckartig drehte sie sich um und zog in derselben Bewegung ihren Zauberstab aus ihrer Rocktasche. Wer auch immer ihr Kind bedrohte, er würde diesen Friedhof nicht lebend verlassen. Doch ihr gegenüber stand weder Greyback noch Dolohow, sondern die Person, nach der sie sich gesehnt hatte. Ihr langes, dunkelrotes Haar trug sie wie zu Schulzeiten offen und es fiel ihr über die Schultern. Diese waren nun nicht mehr in einer Schuluniform mit roten Akzenten gekleidet, sondern wurden von einem schwarzen Mantel bedeckt. Ihr Gesicht hatte sich kaum verändert, war es ja auch erst ein paar Jahre her, seitdem sie die Schule verlassen hatten. Doch der Ausdruck ihrer Augen war nicht mehr derselbe. Früher hatte sie nichts betrüben können, jetzt wirkten sie müde und erschöpft, auch wenn ihr Grün immer noch zu strahlen schien. Lily Potter stand völlig unbewaffnet vor ihr. War ihr Verrat bis nach Godric’s Hollow vorgedrungen oder warum lief sie nicht weg? Sie musste doch immer noch annehmen, sie sei auf der anderen Seite. Der Seite, die sie und ihre Familie suchte. Und nun hatte sie sie zufällig auf einem Friedhof entdeckt. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. „Du solltest von hier verschwinden, wenn du nicht möchtest, dass dein Sohn als Halbwaise aufwächst, Evans.“ Ihre Stimme war immer noch die einer echten Black, edel und arrogant. „Was suchst du hier, Kassandra?“, erwiderte die Rothaarige und sah sie misstrauisch an. Zwar war ihre Angst nicht groß genug, um direkt das Weite zu suchen, doch Vorsicht war trotzdem geboten. „Wie du sicherlich mitbekommen hast, sind wir beide letztes Jahr Eltern geworden“, sie deutete mit dem Kinn auf ihre Tochter, die immer noch seelenruhig in ihren Armen schlief, „aber anders als du habe ich nicht das Glück, einen treusorgenden Partner an meiner Seite zu wissen.“ Schon wieder konnte sie sich das zynische Lächeln nicht verkneifen. Sie ignorierte den mitleidigen Blick der Potter und sprach unbeirrt weiter. „Ich wollte nicht, dass mein Kind die gleiche Erziehung ertragen muss wie ich. Deshalb habe ich das Familienanwesen kurz vor ihrer Geburt letzten August verlassen.“ „Du hast dich von deiner Familie abgewandt?“, fragte Lily ungläubig. Nun schienen ihre Augen noch mehr zu strahlen und sie blickte mit weichem Ausdruck zu dem Kind in Kassandras Armen. „Ja, um meine Tochter zu schützen. Allerdings hatte ich die Folgen nicht ganz bedacht…“ „Sie sind hinter dir her.“ „…und sie werden erst dann zufrieden sein, wenn sie meine Tochter in den Armen halten und ich sie nicht mehr beeinflussen kann.“ Lily Potter wusste, was das bedeutete. Der gesamte Clan der Familie Black hasste schwarze Schafe, die ihre hochgehaltene Familienehre beschmutzen. Sei es durch eine „unreine“ Ehe oder falsche Ansichten, jeder „Verräter“ musste um sein Leben fürchten. Doch Kassandras Tochter hatte nicht den Tod zu befürchten, sondern eine rassistische Erziehung, die auch vor den Unverzeihlichen nicht zurückschreckte. Aufgrund ihres „reinen“ Blutes war sie aber für den Tod zu wertvoll. Anders als Kassandra, die sich durch ihre Flucht zur Blutverräterin gemacht hatte. Doch eines verstand Lily nicht. „Was hat das mit James und mir zu tun?“ Kassandra blickte zu Boden. Überall lag nasses Laub, nur wenige Gräber waren noch mit Blumen geschmückt. Ihr wurde bewusst, dass sie nie einen Grabstein bekommen würde. Ihre Tochter würde nie einen Ort zum Trauern haben, denn wenn ihre Schwester sie erwischte, würde von ihr nichts mehr für eine Beerdigung übrig bleiben. Noch spürte sie die Wärme ihres Kindes, fühlte ihren Herzschlag und tat alles, um sie zu schützen. Doch schon bald würde dies nicht mehr möglich sein. Das Einzige was ihre Tochter dann erfahren würde, wäre Hass, Schmerz und Tod. Langsam hob sie ihren Blick wieder und schaute Lily Potter nun direkt in die Augen. Eisblau traf auf Giftgrün. „Ich möchte, dass du meine Tochter aufziehst.“ Kapitel 1: Roads untraveled --------------------------- Fünfzehn Jahre später Überall waren Jugendliche in Schuluniformen, Umhängen oder Muggelkleidung. Sie alle verabschiedeten sich von ihren Familien und versuchten, ihre Koffer mit mehr oder weniger Erfolg in den Zug zu heben. Ein paar besonders Emotionale lagen ihren Müttern in den Armen und versprachen, dieses Jahr auch wirklich jede Woche einen Brief zu schreiben oder besser in Zaubereigeschichte aufzupassen. Es war alles so anders. Trotz der Hektik und der großen Anzahl an Schülern schien nichts verloren zu gehen. Jeder fand seine Freunde und suchte sich mit ihnen ein Abteil. Nur wenige Erstklässler kannten noch niemanden und beobachteten wie sie das Geschehen. Ein bisschen fühlte es sich an, wie auf einem Jahrmarkt, an jeder Ecke gab es etwas Neues zu entdecken. „Du solltest so langsam einsteigen, sonst wird es nachher schwer, ein Abteil zu finden“, sagte Remus Lupin, ihr Pate und Begleiter für den heutigen Tag. Ihre Tante hatte heute leider keine Zeit, da sie im Geschäft aushelfen musste, weshalb sie Remus gebeten hatte, Helena zum Gleis zu bringen und sie ein bisschen auf Hogwarts und seine Besonderheiten vorzubereiten. „Komm, ich helfe dir dieses Monstrum von Koffer in ein Abteil zu tragen“, er legte sanft eine Hand auf ihren Rücken und versuchte mit der anderen ihr Gepäck anzuheben „oder du lässt ihn einfach neben dir her schweben. Himmel, was hast du denn alles eingepackt?!“, er lachte und ließ ihren Koffer wieder los. Mit einem Wink seines Zauberstabes hob er vom Boden ab und begann, ihnen zu folgen. „Ich war etwas unsicher wegen dem Wetter und den Leuten hier. Nichts ist peinlich als schon am ersten Schultag unangemessen gekleidet zu sein!“, versuchte sie sich zu verteidigen, doch Remus hob nur eine Augenbraue und rollte mit den Augen. „Die meiste Zeit wirst du eh in der Uniform durch die Schule laufen. Hogwarts ist eine Schule und kein Laufsteg!“ „Beauxbatons ist auch eine Schule!“ „Aber eine französische!“ „Wo liegt der Unterschied?!“ Wenn es um ihre ehemalige Schule ging, verstand Helena keinen Spaß. Ihr komplettes soziales Umfeld befand sich dort und sie hatte fest vor, es auch dort zu lassen. Natürlich wollte sie sich in Hogwarts einleben und auch Freunde finden, aber ihr engeres Umfeld sollte in Frankreich bleiben. Niemand konnte ihre Freunde ersetzen, das hatte sie ihnen vor den Ferien versprochen. Sie waren am Zug angekommen und Helena ließ ihren Koffer durch die Tür gleiten. Dann drehte sie sich um und sah ihren Paten an. „Also dann“, mit wehleidigen Augen breitete sie die Arme aus, „Ich werde mir dann jetzt wohl oder übel dein heißgeliebtes Hogwarts ansehen müssen.“ „Es wird dir bestimmt gefallen. Du musst dich eben erst an die neue Situation gewöhnen, aber ich verspreche dir, du wirst ganz schnell neue Freunde finden!“ „Spätestens dann, wenn du Harry Potter aufgetragen hast, sich um mich zu kümmern“, sprach sie trocken und umarmte Remus. Sie wusste, dass er in engem Kontakt mit dem Auserwählten stand. Schon öfters hatte er versucht, ihn und Helena einander vorzustellen, doch bis jetzt war es nie dazu gekommen. Helena war sich auch gar nicht sicher, ob sie sich mit ihm verstehen würde. Sie war einfach in einer komplett anderen Welt aufgewachsen und hatte nie viel von dem Trubel um Harry Potter mitbekommen. Er war nur in der dritten Klasse kurz in Zaubereigeschichte erwähnt worden und nach dem Trimagischen Turnier hatten ein paar ihrer Freundinnen kurz für ihn geschwärmt, da er der arrogante Fleur ihre Grenzen aufgezeigt hatte. „Ich wünsche dir ganz viel Spaß! Und melde dich, wenn du weißt, in welchem Haus du bist!“ Mit diesen Worten verabschiedete sich Remus und sie ging allein in den Gang, in dem sich die einzelnen Abteile befanden. Mit den unterschiedlichen Häusern dieser Schule hatte sich Helena noch nicht beschäftigt, wollte dies aber während der Fahrt nachholen. Sie wusste, dass sie direkt vom Bahngleis zum Schuldirektor gebracht werden sollte und wollte wenigstens die grundlegenden Dinge schon vorher in Erfahrung bringen. Langsam ging sie den Gang entlang und blickte durch die kleinen Fenster in die Abteile. Die meisten waren gefüllt mit Schülern eines Hauses, was sie an den Schuluniformen erkannte, oder mit Schülern, die sich noch nicht umgezogen hatten. Doch kein einziges war leer. Ihr persönlicher Alptraum sollte also wahr werden: Sie musste mit Fremden in einem Abteil sitzen und sich die ganze Fahrt lang ihren Fragen stellen. Oder, noch schlimmer, sie würden gar nicht mit ihr reden und sie nur als „die Neue“ betrachten. Super. Da es nun also egal war, wo sie sich hinsetzte, öffnete sie einfach wahllos die nächste Abteiltür und warf einen Blick hinein. Das Abteil war, wie die meisten anderen, schon von vier Personen besetzt. Zwei Mädchen in gelben Uniformen und zwei Jungen in blauen. Alle vier schauten erstaunt auf, als Helena eintrat. Vermutlich hatten sie gerade über den neuen Klatsch und Tratsch gesprochen und befürchteten, eines ihrer Lästeropfer hätte sie gerade erwischt. „Hey, ist hier noch ein Platz frei?“, fragte Helena und zwang sich zu einem Lächeln. Die beiden Mädchen sahen sich kurz an und nickten dann, ohne auf ein Einverständnis der Jungs zu warten. Diese starten Helena immer noch an, als hätten sie noch nie zuvor ein derartiges Geschöpf gesehen. Helena ließ sich an einem Platz direkt neben der Abteiltür nieder und befahl ihrem Koffer, sich ins Gepäckfach zu bewegen. Immer noch herrschte Schweigen. Zwar wurde Helena nicht mehr angestarrt, allerdings traute sich auch niemand, wieder ein Gespräch anzufangen. Schließlich seufzte Helena und wendete sich der kleinen Gruppe zu. Mit einem Lächeln fragte sie: „Und, wer seid ihr so?“, und blickte gespielt interessiert in die Runde. Natürlich wollte sie Kontakte knüpfen, aber nun konnte sie ihren ursprünglichen Plan, mehr über ihre zukünftige Schule zu erfahren, erstmal vergessen. Ihre einzige Chance war nun, durch ihre Mitschüler zumindest grobe Informationen zu erhalten. Aber vielleicht war dies ja auch der bessere Weg. Niemand wusste mehr über Hogwarts als die Leute, die dort lebten. Einen Versuch war es immerhin wert. „Mein Name ist Megan Jones und das hier ist Susan Bones“, sagte das Mädchen am Fenster und zeigte auf ihre Freundin. Beide waren nicht besonders hübsch und eher vom Typ Mauerblümchen. Megan hatte etwas schulterlange, blonde Haare, die sie mit einem Haarreifen zurückhielt. Ihre großen braunen Augen verliehen ihr etwas von einem scheuen Reh und auch ihre Figur war eher mager als weiblich. Ihre Freundin hingegen glich den Verlust an Weiblichkeit wieder aus. Susan hatte mausgraue Haare, die sie sich zu einem Pferdeschwanz geflochten hatte. Ihre Augen besaßen etwas gräuliches und blickten Helena neugierig entgegen. Nun regte sich auch das männliche Geschlecht im Raum. Der Junge, der direkt neben Helena saß, reicht ihr die Hand und stellte sich als Anthony Goldstein vor. Sein Freund tat es ihm gleich. Sein Name war Michael Corner. „Und dürften wir jetzt wissen mit wem wir es zu tun haben“, fragte Michael und grinste ihr entgegen. „Ich heiße Helena. Helena Tonks.“ „Tonks? So wie Nymphadora Tonks? Die Aurorin die im Juni mit in der Mysteriumsabteilung gekämpft hat?“ Susan starrte sie entgeistert an. Helena war zwar bewusst gewesen, dass der Name ihrer Cousine einigen entfernt etwas sagen könnte, mit so viel Begeisterung hatte sie allerdings nicht gerechnet. „Sie ist meine Cousine, ja.“ „Deine Cousine? Ist ja krass“, stieß Anthony aus und ließ sich ruckartig in seinen Sitz zurückfallen. „Und was machst du hier?“, Michael schien nicht ganz so angetan von ihrer Verwandtschaft wie die anderen oder er konnte es zumindest sehr gut verstecken, „Ich meine, es ist nicht gerade üblich, dass Neue in den höheren Jahrgängen dazukommen.“ „Ich habe bis Sommer die Beauxbaton in Frankreich besucht, aber meiner Tante wurde die Entfernung zur Familie jetzt doch zu groß. Ihr wisst schon, wegen den Vorfällen in letzter Zeit.“ „Hm, also lebst du bei deiner Tante?“, fragte Megan vorsichtig. Helena war bewusst, dass sie gerade indirekt preisgegeben hatte, dass ihre Familie nicht ganz der gesellschaftlichen Norm entsprach und nickte nur. Sie sprach selten und ungerne über ihre Mutter. Die meisten Personen verstanden das und ließen sie damit in Ruhe. Doch Nachfragen gab es immer wieder und sie hatte gelernt damit umzugehen. Trotzdem hoffte sie inständig, dass ein kurzes Nicken schon genüge. „Weißt du denn schon, in welches Haus du kommst?“ Anthony löste die Spannung, die sich gerade begonnen hatte aufzubauen mit dieser unbekümmerten Frage und verhinderte so eine tiefergehende Unterhaltung über die Art und Weise, wie Helena zur Waise geworden war. „Nein. Und ehrlich gesagt, weiß ich auch nicht, wofür die einzelnen Häuser stehen.“ Helena lachte und strich ihre rabenschwarzen Haare wieder zurück hinter die Ohren. „Du weißt nichts über die Häuser?“, Susan sah sie entsetzt an und beugte sich nach vorne, „Na das müssen wir sofort ändern. Wie kannst du nur nach Hogwarts fahren und nicht wissen, auf was du dich hier eigentlich einlässt.“ Gespielt beleidigt lehnte sie sich wieder zurück und schlug die Beine übereinander. Alle anderen im Abteil taten es ihr gleich und fingen an, Helena von oben bis unten zu mustern. „Es gibt vier Häuser“, fing Susan an zu erläutern, „Gryffindor, Ravenclaw, Slytherin und Hufflepuff. Jedes dieser Häuser bevorzugt einen bestimmten Typ von Schüler, außer Hufflepuff, wir nehmen sie nämlich alle.“ Sie setzte sich noch ein bisschen grader hin und zeigte mit ihrer rechten Hand auf das Wappen an ihrer Brust. Bevor sie weitermachte, legte sie eine andächtige Pause ein und schaute zu Megan, die auch mit der Hand auf dem Wappen auf ihrem Platz saß. „Gryffindor bevorzugt besonders mutige Leute.“ „Oder auch lebensmüde, je nach dem wie du es definierst“, war Anthony ein und zwinkerte ihr zu. „Auf dem Wappen von Gryffindor ist ein Löwe zu sehen und die Hausfarben sind Rot und Gold. Berühmte Gryffindors sind unteranderem Harry Potter und jegliche Weasleys. Ravenclaw wird durch die Farbe Blau repräsentiert. Es wird eigentlich gesagt, dass Ravenclaw Schüler besonders intelligent seien, aber wie du an den beiden Herren sehen kannst, bestätigen Ausnahmen die Regel“, mit einer ausladenden Handbewegung umrahmte sie Michael und Anthony, die ihr einen bitterbösen Blick zu warfen. „Auf dem Wappen ist, wie könnte es anders sein, ein Adler zu sehen.“ „Kommen wir jetzt zu dem dunkelsten Haus Hogwarts“, übernahm Michael das Wort und lehnte sich nach vorne. Seine Augen schienen Helenas zu fokussieren. Um eine mystische und bedrohliche Stimmung hervorzurufen, senkte er die Stimme und sprach besonders langsam. „Slytherin. Das Haus der Schlange. Angeblich sollen nur listige und clevere Zauberer und Hexen diesem Haus zugeteilt werden. Aber wenn du so die Geschichte betrachtest, kamen die meisten dunklen Zauberer aus diesem Haus. Der berühmteste von ihnen ist natürlich Du-weißt-schon-wer. Wenn du in dieses Haus möchtest, solltest du aber lieber gar kein oder nur sehr wenig Muggelblut in dir haben. Ihre Farben sind Grün und Silber.“ „Außerdem besteht eine strenge Konkurrenz zwischen Gryffindor und Slytherin. Mir fällt jetzt gerade keine einzige Freundschaft zwischen den beiden Häusern ein“, Susan schaute in die Runde und erhoffte sich Hilfe von den anderen, doch auch die schüttelten nur den Kopf. „Wenn du keinen Ärger dieses Jahr haben willst, solltest du darauf erpicht sein, nicht nach Slytherin zu kommen.“ Kapitel 2: Anywhere else but here --------------------------------- Helena ließ den Blick durch das Zimmer schweifen. Überall hingen Gemälde von wichtig aussehenden Zauberern und Hexen, die sie alle verstohlen ansahen. Am anderen Ende des Raumes befand sich ein Phönix, der zu schlafen schien und in regelmäßigen Abständen ein leises Krächzen von sich gab. Neben ihm befand sich ein gemütlich aussehender Ohrensessel in Lila. Sie selbst saß auf einem ähnlichen Modell, allerdings in giftgrün. Wer auch immer das Büro des Schulleiters eingerichtet hatte, besaß keinen Geschmack. Bei Madame Maxime wäre so etwas nie vorgekommen. Sie seufzte und legte ihren Kopf zurück. Nun wartete sie schon mindestens eine Stunde auf Dumbledore, während in der großen Halle ein großes Festessen stattfand. Ihr war zwar bewusst, dass sie noch einige Informationen brauchte, um sich hier einleben zu können, aber gleich am ersten Abend fast den Hungertod zu sterben schien ihr dann doch etwas brutal. Sollte sie nicht einen guten ersten Eindruck von ihrer neuen Schule bekommen? Gerade als sie aufstehen und sich die Bücherregale links von ihr ansehen wollte, öffnete sich die Tür hinter ihr und ein großer, alter Mann mit langem weißen Bart betrat das Büro. Seine Augen blickten treu durch eine schmale Brille direkt in ihre. „Ah, gut, dass Sie hier sind, Miss Tonks. Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen“, freundlich streckte er ihr seine Hand entgegen, während er die andere in den Taschen seiner Umhangs vergrub. Langsam erhob sich Helena und schüttelte ihrem neuen Schulleiter die Hand, nicht ohne ihn mit Madame Maxime zu vergleichen. Sie musste zugeben, dass Albus Dumbledore einen fähigeren Eindruck auf sie machte. Vielleicht lag es am Alter, aber sie konnte nachvollziehen, warum so viele Zauberer Dumbledore vertrauten und ihm in den Kampf gegen den Dunklen Lord folgten. „Wie Sie sicher schon erahnen, müssen wir Sie erstmal einem Haus zuteilen, bevor wir ihnen ihren Stundenplan geben. Ihrem letzten Zeugnis zu entnehmen haben Sie in all Ihren Kursen UTZ Niveau erreicht, bemerkenswert.“ Der Zauberer schritt an seinem Schreibtisch vorbei zu einem der hinteren Regalen und nahm einen alten, schäbigen Hut von einem der Bretter. „Ist Ihnen die Tradition des Auswahlverfahrens bekannt?“, fragt er. „Ja, ich habe schon mit ein paar Schülern gesprochen, die mir alles über die Häuser und den Sprechenden Hut erklärt haben.“ Mit kritischem Blick musterte sie den sogenannten Hut. Nie im Leben hätte sie so ein Ding je freiwillig aufgesetzt, aber die Engländer schienen an dieser veralteten Tradition festzuhalten wie die Franzosen an ihrem Baguette. „Gut“, Dumbledore lächelte und kam auf sie zu, „ich hoffe, Sie werden mit seiner Wahl zufrieden sein.“ Und mit diesen Worten setzte er ihr den Sprechenden Hut auf den Kopf. Die Schwarzhaarige hatte mit vielem gerechnet, nicht aber mit dem, was nun wirklich geschah. Der ranzige Hut konnte wirklich sprechen! Mit einer dunklen, rauen Stimme sprach er direkt in ihr Ohr. „Sieh an, sieh an, wen haben wir denn da? Ist schon ziemlich lange her, seit ich das letzte Mal eine Black zugeteilt habe. Wenn ich mich recht erinnere, muss das sogar deine Mutter gewesen sein. Oder dein außergewöhnlicher Onkel.“ Erschrocken fuhr Helena zusammen. Die Stimme war so deutlich und nah, dass sie sich hektisch auf dem Sessel umsah. Natürlich kannte sie mehrere sprechende Objekte, aber keines hatte eine so genaue Kenntnis über ihre Familie gehabt. „Du scheinst auch besonders zu sein. Die Erziehung einer Black hast du nicht genossen, trotzdem weißt du dich aber zu benehmen. Klug bist du auch und Loyalität wird bei dir auch großgeschrieben. Deinen Mut konntest du allerdings noch nie wirklich zeigen…Schwierig, schwierig. Für Hufflepuff bist du zu speziell…“ Gott sei Dank, Hufflepuff schien schon mal auszuscheiden. Ein Haus, das keine besonderen Charaktere besaß wäre für Helena unvorstellbar gewesen. „So, so, die Kleine hält sich für etwas Gehobenes. Dann würde ich wohl sagen: SLYTHERIN!“ Vor Schreck erstarrte Helena und riss die Augen auf. Slytherin? Ausgerechnet das Haus, das den schlimmsten Ruf hatte? Wie sollte sie das ihrer Cousine erklären? Oder ihrer Tante? Oder Remus? Sie mussten doch dann alle annehmen, sie käme nach ihrer gestörten Tante! „Alles in Ordnung bei Ihnen?“ Die sanfte Stimme des Schulleiters holte sie aus ihren Gedanken. Dumbledore hatte anscheinend den Hut wieder auf seinen Platz zurückschweben lassen, denn auf ihrem Kopf befand er sich nicht mehr. Sorgenvoll schaute der Schulleiter Helena an und versuchte, Blickkontakt aufzubauen, doch sie wich immer wieder aus. Seit sie sich erinnern konnte, schaute sie den Leuten nur ungern direkt in die Augen, besonders nicht, wenn sie älter oder ihr sonst irgendwie überlegen waren. „Sind Sie nicht zufrieden?“, der Blick des Mannes wurde immer glasiger, „Möchten Sie lieber in ein anderes Haus? Bei Ihrer besonderen Familiengeschichte ist das auch möglich.“ „Nein“, ihre Stimme war brüchig und einige Oktaven höher als normal, „ich möchte keine Extrabehandlung, nur weil meine Mutter ermordet wurde.“ Insgeheim hoffte Helena darauf, der Schulleiter würde auf seinen Vorschlag bestehen und sie Ravenclaw zuteilen, doch Dumbledore schaute sie einfach an. Seine grauen Augen musterten sie und er schien sie einschätzen zu wollen. Wäre sie stark genug, in einem Schlafsaal mit den Kindern ihrer Peiniger zu schlafen? Würde sie die Konfrontation mit den radikalen Ansichten mancher Slytherins überstehen? Doch zu ihrem Erstaunen sagte der Schulleiter etwas völlig anderes. „Wissen Sie, warum Ihre Mutter eine wahre Slytherin war?“ Helena blickte auf. In Dumbledores Augen sah sie Trauer, Mitleid, aber auch ein bisschen Stolz. „Ihre Mutter war eine der intelligentesten Hexen, die je diese Schule besucht haben. Sie konnte Ihre Fähigkeiten immer richtig einsetzen und war sich Ihrer Fehler bewusst. Die Eigenschaft, die einen Slytherin ausmacht ist nicht, wie viel Schwarzmagische Veranlagung in ihm steckt, sondern, dass er immer nach etwas Höherem strebt. Slytherins sind die ehrgeizigsten Schüler. Sie kommen so schlecht mit den anderen klar, da Fleiß und Wissen manchmal mit Arroganz verwechselt wird. Doch wissen Sie, Neid muss man sich erst einmal verdienen.“ Perplex sah die Schwarzhaarige den alten Mann an. Wenn man seine Definition des Hauses hörte, wirkte es so, als sei es von den Restlichen missverstanden worden. Fleiß und Ehrgeiz waren keine schlechten Eigenschaften, sondern vielmehr Tugenden. Ihr Misstrauen war aber noch nicht ganz verschwunden, da es anscheinend genug Negativbeispiele gab. Nun lag es also an ihr herauszufinden, ob Slytherins mehr von Ehrgeiz oder von Arroganz angetrieben wurden. In diesem Moment öffnete sich die Bürotür von neuem und eine große, elegante Hexe betrat in Begleitung von einem blonden Jungen den Raum. Sie beide waren komplett in schwarz gekleidet, was mit dem blonden Haaren einen merkwürdigen Kontrast bildete. Als die Hexe, offensichtlich eine Lehrerin der Schule, bemerkte, dass Dumbledore nicht wie angenommen, alleine war, blieb sie ruckartig stehen. „Oh, verzeihen Sie, Professor. Ich hatte angenommen, Sie hätten Ihr Gespräch bereits beendet.“ Der Junge war ungefähr in Helenas Alter und blickte nun abschätzend an der Hexe vorbei in Helenas Richtung. „Nicht doch, Professor McGonagall. Wir sind schon so gut wie fertig“, er zwinkerte Helena zu, „Miss Tonks kriegt nur noch diese Liste und ihren Stundenplan, dann kann Sie sich in Ihren Schlafsaal begeben. Die Liste enthält alle wichtigen Informationen für den Anfang. Darunter die Zeiten für die Mahlzeiten, Ihren Hauslehrer und die Namen Ihrer Vertrauensschüler. Falls Sie trotzdem noch Fragen haben sollten, wenden Sie sich einfach an Ihre Mitschüler. Wie ich sehe,“ jetzt blickte er zu dem Jungen, der Helena immer noch musterte, „kann Mr Malfoy Sie direkt mit in die Kerker nehmen und Ihnen alles wichtige erklären.“ DUmbledore lächelte, scheinbar war er zufrieden mit sich. „Aber Mr Malfoy wurde so eben dabei erwischt, wie er sich heimlich vom Essen wegschleichen wollte. Und das noch während der Zeremonie!“ McGonagall wollte den Blonden wohl ungern unbestraft entkommen lassen und blickte verwirrt von Schüler zu Schulleiter. „Ach, wissen Sie, wir kennen doch alle diese Zeremonie schon in- und auswendig. Ich kann jeden Schüler verstehen, der lieber ein bisschen Spaß in seinem Gemeinschaftsraum hat, als zusehen zu müssen, wie irgendwelche Kinder einen Hut aufgesetzt bekommen. Besonders in diesem Alter.“ Dumbledore schien vergnügt und schaute wieder zu Helena. „Nun denn, ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend und einen geruhsamen Schlaf. Auf das Sie sich hier schnell einleben!“ Mit diesen Worten entließ Albus Dumbledore sie alle aus seinem Büro. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)