Kaizoku no Kokoro von Rajani (Das Herz des Piraten) ================================================================================ Kapitel 10: Hanami ------------------ Nachdem ein letzter heftiger Schneesturm mit viel Matsch über das Land gezogen war, war es nun wärmer geworden. An den Bäumen zeigten sich die ersten frischen Triebe und im Dorf ging es mittlerweile immer geschäftiger zu. Das Kirschblütenfest stand bald bevor und es wurde bereits das Holz für die Stände geschlagen. Nobuchika stand im Garten und lauschte den Geräuschen, als Motochika zu ihm kam. „Wir werden uns an den Vorbereitungen beteiligen, das haben wir schon immer gemacht.“, sagte Motochika. „Oh gerne. Ich würde auch gerne etwas sehen, aber die Mauer ist zu hoch.“ Motochika lächelte. „Viel wirst du nicht sehen, aber wenn du willst, kann ich dich hochheben.“ „Was? Nein... Motochika!“, japste Nobuchika, doch sein Lebensretter war schneller und hatte ihn in Windeseile auf die Schultern gehoben. So konnte er über die Mauer hinweg schauen und sah die Dorfleute wie kleine Ameisen umher laufen. Es wurden Baumstämme aus den umliegenden Wäldern geholt. Irgendwo weiter hinten sah er Tierhäute in den Gerbereien trocknen und in Richtung des Meeres stieg Rauch von den Fischerhütten auf. Dort wo die Kirschbäume standen waren schon ein paar wenige kleine Hütten errichtet worden. „Und? Siehst du das Dorf?“, fragte Motochika. „Ja... Lässt du mich wieder runter?“ Motochika setzte ihn wieder sanft auf dem Boden ab und sah ihm in die Augen. „Und wie helfen wir bei den Vorbereitungen?“, fragte Nobuchika. „Wir helfen beim Aufbauen, liefern den Reis... Sorgen für Sicherheit...“, sagte Motochika und statt zu reden, hätte er lieber etwas anderes getan. Seine Hand strich durch Nobuchikas dunkles Haar und seine Augen blieben an den seinen hängen. So dunkel und geheimnisvoll. Genauso wie seine Identität. Er gab ihm einen Kuss, doch eine Bewegung bei den Shojis ließ ihn Abstand nehmen. Es war Katsuragi der leise das Zimmer betrat und auf dem Terrassenboden stehenblieb. „Ich wollte nur Bescheid sagen, dass wir ab morgen beim Aufbauen helfen. Ich nehme an, du kommst mit, Aniki?“ „Natürlich. Nobuchika kommt auch mit.“ Katsuragi nickte. „In Ordnung. Zieht euch bequem an. Du weißt, warum, Aniki.“ „Oh ja... Danke, dass du mich jedes Jahr aufs Neue daran erinnerst...“, grinste Motochika. „Das werde ich auch weiter tun.“, sagte Katsuragi lachend. Mit einem Winken verschwand er wieder. Nobuchika wandte sich an den Älteren. „Was meinte er damit gerade?“ Motochika seufzte gespielt. „Oooh, das willst du nicht wissen.“ „Doch, das will ich.“ „Na schön, das erste Mal als wir entschlossen hatten, zu helfen, da war ich noch jünger. Ich hatte das noch nie gemacht. Als wir einen der Stände aufgebaut haben, habe ich es irgendwie geschafft meinen Kimono festzunageln. Was dann passiert ist, kannst du dir denken...“, erzählte Motochika. Nobuchika prustete los und hielt sich die Hand vor den Mund, damit es nicht zu sehr nach Lachen klang. Doch es brachte nichts, Motochika warf ihm ein böses Grinsen zu. „Du wagst es!“, knurrte er lachend. Dann warf er sich auf Nobuchika und beide lachten, bis sie sich in einem liebevollen Kuss verloren. Ein Frühlingssturm fegte über die Seto-Naikai. Das würde ihre Ankuft verzögern, aber das war Okimoto egal. Hauptsache sie erreichten die feindliche Insel überhaupt. An Land würden sie auf jeden Fall schnell genug vorankommen. Sein Blick fiel auf die schwankende Teetasse vor sich. Sie war für den Fürsten, er selbst trank nur selten Tee. Er rührte ihn ein wenig um und beobachtete wie der dunkle Absatz sich mit den kleingestoßenen Teeblattpulver vermischte und eine Weile in einem Wirbel in der Tasse tanzte. Dann rief er seinen Diener und befahl ihm den Tee dem Fürsten zu bringen. „Jetzt? Aber Meister Okimoto, der Fürst ist gerade sehr aufgebracht.“, stammelte der Jüngere. „Gerade deshalb sollst du ihm den Tee bringen!“, knurrte Okimoto und sah dem Diener nach, wie er mit dem Tee hinausschlurfte. Was habe ich eigentlich für Diener? Ich bezahle sie nicht dafür, dass sie mich in Frage stellen sondern, dass sie tun, was man ihnen sagt! Draußen an Deck stolperte der Diener mit der Tasse so gut es ging zur Kajüte des Fürsten. Es gelang ihm sogar, keinen Tropfen Tee zu verschütten. Er betrat die Kajüte und stellte den Tee in eine dafür vorsorglich eingekerbte Vorrichtung. „Mein Fürst. Euer Tee.“ „Verfluchter Tee! Verschwinde!“, fluchte Fürst Mori. Wortlos und beinahe lautlos verzog sich der Diener. Sano stand an der Wand und schwieg. Stattdessen beobachtete er nur. Ich glaube, ich ahne, was hier gespielt wird. Der Fürst griff nach der Tasse und beim herüberschwenken tropfte einiges auf den Boden. Sano beobachtete es genau. Fürst Mori stürzte den inzwischen lauwarmen Tee hinab. „Mein Fürst, Ihr solltet wirklich ein wenig aufpassen. Ihr habt Euren Tee verschüttet.“, sagte Sano und ging zu der Stelle, wo Tee auf die Planken getropft war. Bevor er es aufwischte, wischte er erst mit dem Finger darüber und leckte ihn ab. Er schmeckte wie ein Sencha und roch auch danach, doch irgendetwas stimmte hier gar nicht. Da war sich Sano sicher. Plötzlich hörte den Fürsten hinter sich schwer seufzen. „Mein Fürst, was habt Ihr?“, fragte Sano besorgt. Fürst Mori hatte den Kopf auf eine Hand gestützt und seufzte. „Ich weiß es nicht... Vielleicht das Schiff... Mein Kopf fühlt sich an, als würde er bald platzen. Alles dreht sich und mir ist übel...“, murmelte er langsam. Sano war sofort bei ihm. „Kommt mit mir an Deck.“, sagte er und half ihm auf die Beine. Jeder Schritt kam ihm so langsam vor, als wäre der Fürst zehnmal älter, obwohl dem nicht so war. Es dauerte erheblich lang, bis sie endlich vor der Kajütentür standen. Draußen hatte sich der Sturm zwischenzeitlich beruhigt, doch die Wolken versprachen eine schlaflose Nacht mit starkem Seegang. Auf jeden Fall war es an Deck heller, sodass Sano den Fürsten genauer betrachten konnte. Und was er sah, gefiel ihm gar nicht. Die Haut des Fürsten hatte eine unnatürliche Färbung, die im Halbdunkel der Kajüte bisher überhaupt nicht aufgefallen war. Er war sehr blass, um nicht zu sagen grau wie die Wolken. „Ihr seht überhaupt nicht gut aus.“, stellte Sano fest. „Ich fühle mich auch nicht gut...“, sagte der Fürst und schob eine graufaltige Hand auf seinen Bauch. Sano verstand sofort und führte ihn in den Schiffsbauch, wo sich die Toiletten befanden. Okimoto hingegen beobachtete sie vom Oberdeck aus, bis sie durch eine der Decktüren verschwunden waren. Ein Lächeln umspielte sein Gesicht, doch dann wandte er sich wieder dem Bootsführer zu, der das Kriegsschiff durch den Wellengang Richtung Shikoku manövrierte. Bald würden sie die Küste erreichen, weit war es nicht mehr. Bei Sonnenaufgang herrschte bereits reges Treiben im Dorf, als Chosokabe, Nobuchika und Katsuragi mit einigen weiteren Helfern auf dem Weg ankamen, der von Sakura-Bäumen gesäumt war. Die Knospen glänzten bereits rosa und einige Holzstände waren schon aufgebaut. Die Männer trugen einfache aber bequeme Kleidung, mit der sie die Stände aufbauen konnten, ohne sich zu verheddern oder am Ende des Tages schweißgebadet dazustehen. Chosokabe, Nobuchika und Katsuragi verteilten ihre Leute und machten sich dann gemeinsam mit den Dorfleuten daran, auch die restlichen Verkaufsstände und ein Becken für kleine Goldfische aufzubauen. Dort wo der große Platz war sollte am letzten Tag des Festes ein Feuerwerk entzündet werden. Das dafür vorbereitete Schießpulver wurde sorgfältig in einer der Holzhütten gelagert. Während der Arbeit im hellen Sonnenlicht wurde den meisten so warm, dass sie das Oberteil ihrer Jimbeis auszogen und mit freiem Oberkörper weiter arbeiteten. Auch Chosokabe gehörte zu ihnen. Katsuragi sah, wie Nobuchika ihn beobachtete. Er selbst konnte den Blick auch nicht abwenden. Der Fürst war in jeder Hinsicht einen Blick wert. Dann schweifte sein Blick jedoch zurück zu dem dunkelhaarigen Nobuchika und dann wieder zu Chosokabe. Dessen Haare stachen in ihrem hellen weiß vor allen anderen hervor. Allerdings galt dasselbe für Nobuchikas weiche Züge. Katsuragi konnte noch immer nicht so recht glauben, dass dieser junge Mann ein Soldat sein sollte. Alle seine Leute hatten eher herbe Gesichtszüge. Selbst die, die gutaussehend waren, hatten immerhin eine feste und dunkle Haut. Nobuchikas Haut schien ihm eher weich zu sein und sie war hell. Wenn er also kein Soldat war, wer war er dann? Er seufzte und seine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf beide Männer, statt nur einen. Ob Soldat oder nicht, ob Fürst oder nicht – beide sahen gut aus. Und er, Katsuragi, konnte von sich selbst behaupten, dass auch er durchaus gutaussehend war. Nicht umsonst wurde ihm oft genug das Schwärmen junger Mädchen aus dem Dorf zugetragen. Er hatte rabenschwarzes Haar, dass ihm bis zu den Schulterblättern reichte. Meistens bändigte er es, doch wenn er sie offen trug, rahmten sie sein Gesicht ein. Eigentlich war seine Haut hell, aber wenn er vom Meer kam, war sie meist eine Zeit lang etwas dunkler. Diesmal war das nicht der Fall, da sie im Winter über die Seto-Naikai gereist waren. Während er den Fürsten und seinen Gast beobachtete und so über sie und sich nachdachte, schlug er Nägel in ein Brett für den letzten Stand. Ausgerechnet beim letzten Nagel, als er noch einmal einen Blick auf die beiden lachenden Männer warf, schlug er mit dem Hammer daneben und auf seinen Daumen. Sein Schmerzensschrei war zumindest in der näheren Umgebung mehr als deutlich zu hören. Chosokabe und Nobuchika sahen auf und liefen dann zu ihm. „Was machst du denn da?“, fragte Chosokabe besorgt und nahm Katsuragis Hand. Ein Seufzen ertönte. „Schon gut, ich habe nicht aufgepasst.“, knirschte Katsuragi. „Das ist sonst nicht deine Art.“, entgegnete Chosokabe grinsend. „Wohl wahr, aber ich muss wohl auch einen komischen Moment in der Historie der Hanami-Vorbereitungen für mich beanspruchen. Du hattest deinen immerhin schon, Aniki.“ Chosokabe lachte laut, Nobuchika zeigte ein verhaltenes Lächeln und Katsuragi konnte nicht anders, als mitzulachen. Immerhin dämpfte die Ablenkung den pochenden Schmerz in seinem Daumen. Chosokabe sorgte dafür, dass sein General und Vertrauter den Daumen kühlen konnte und so war Katsuragi für den Rest des Tages mit kühlen beschäftigt. Trotzdem sollte er am Abend noch zu Kisho gehen müssen, um sich einen festen Verband mit kühlenden Kräutersalben binden zu lassen. Während Katsuragi also vorgab die Vorbereitungen zu beobachten, füllte sich der Platz und die Kirschbaumallee mit den Ständen, die nun eingerichtet wurden. Die Holzhütten wurden bunt angemalt. Bunte Decken wurden über die Auslagenbereiche geworfen. Kleine Lampignons wurden aufgehangen und Origamiblumen zu Girlanden gebunden, die dann an den Ecken der Stände befestigt wurden. Das Holzbecken für die Goldfische wurde mit Wasser gefüllt. Das würde der größte Spaß für die Kinder werden. Das Befüllen übernahmen Chosokabe und Nobuchika und Katsuragi musste lachen, als die beiden sich mit dem Wasser gegenseitig nass machten. Je länger er sie beobachtete, desto weniger dachte er darüber nach, was er für sie empfand. Denn er wusste, dass es so war, obwohl er sich nicht sicher war, was und für wen genau. Als die Sonne unterging wurden Getränke und Essen für die Helfer verteilt, während einige Köstlichkeiten bereits für den ersten Festtag vorbereitet wurden. Während die Dorfleute noch beisammen saßen und weitere Leckereien vorbereiteten, verließen Chosokabe, Nobuchika und Katsuragi die Leute und gingen zur Burg zurück. Im beleuchteten Hof nahm Chosokabe Katsuragis Hand und berührte vorsichtig den geschwollenen Daumen. Ein Zischen und ein verzogenes Gesicht des Generals bestätigte seine Vermutung. „Du solltest zu Kisho gehen.“, meinte er. „Vielleicht.“ „Nicht vielleicht! Du wirst gehen!“ Katsuragi sah ihn schweigend an. „Katsu!“, knurrte Chosokabe. „In Ordnung, ich gehe zu Kisho. Morgen früh.“, meinte Katsuragi. Chosokabe hielt ihn fest, als er sich umdrehte um zu gehen. „Jetzt.“ Im Halbdunkel schaute Katsuragi zu ihm und er sah in seinem Blick, dass er es ernst meinte. Doch dann stahl sich ein Grinsen in Chosokabes Gesicht. Katsuragi wusste nur zu gut, dass das vor einigen Monat nicht geschehen wäre. Nobuchika, der junge Mann ohne Gedächtnis, tat ihm offensichtlich gut. „Du gehst jetzt sofort. Wenn du es nicht tust, dann trage ich dich persönlich zu Kisho!“ Nobuchika unterdrückte ein Lachen. Allein die Vorstellung musste schon komisch sein. „Das will ich sehen.“, entgegnete Katsuragi. „Kannst du haben. Nobuchika, du wartest hier. Ich bring nur mal eben meinen ungehorsamen Freund zu Kisho.“ Jetzt musste er doch lachen und nickte dann zur Bestätigung. „Das machst du doch nicht wirklich? Ich gehe doch zu Kisho!“ „Ja morgen, hast du gesagt. Und ich sage, du gehst jetzt.“, sagte Chosokabe und schnappte sich Katsuragi. „Was-?! Aniki! Lass mich runter! Was machst du??“ Chosokabe lachte und ging langsam los. Nobuchika sah in Katsuragis Gesicht und auch wenn das Licht gedämpft war, so konnte er doch sehen, wie er rot anlief. Ein Grinsen stahl sich auf Nobuchikas Gesicht und Katsuragi fluchte laut weiter. Nobuchika hörte sie noch, als sie längst aus seinem Blickfeld verschwunden waren. Motochika kehrte kurze Zeit später zurück und gab Nobuchika einen Kuss. „Weißt du, ich mag Katsuragi sehr, aber manchmal muss ich ihn dazu zwingen, das zu tun, was ich sage. Wie heute.“ „Das machst du aber nicht bei allen hier oder?“, fragte Nobuchika lächelnd. „Natürlich nicht. Ich glaube Katsuragi ist der einzige, der gelegentlich in diesen Genuss kommt. Und du neuerdings...“ Nobuchika lächelte und ein leichter Hauch von Rot zierte seine Wangen. Motochika lächelte und gemeinsam gingen sie hinauf zur oberen Etage der Burg, die Motochika so gut wie allein bewohnte. Die meisten, die auf der Burg lebten, schliefen heute lange. Der Tag zuvor war zwar schön gewesen, da alle gemeinsam die letzten Hütten aufgebaut und gestrichen und dekoriert hatten, doch für viele war die Nacht länger gewesen, als gut war. Auch Motochika und Nobuchika hatten lange geschlafen, sodass sie erst nach dem Mittagessen zusammen mit Katsuragi ins Dorf gingen, wo bereits reges Treiben herrschte. Alles war bunt und die Kirschbäume blühten in einem zarten rosa. Sogar die Leute waren bunt gekleidet. Ihre Kimonos strahlten in verschiedenen Farben. Motochika trug einen violetten Kimono mit einigen goldgelben und dunkelblauen Stickereien. Für Nobuchika hatte er einen dunkelgrünen Kimono mit goldgelben Drachenstickereien auftreiben können. Katsuragi hingegen trug einen blauen Kimono mit einem grau gesticktem Wellenmuster. Seine Haare hatte er nur halbherzig gebändigt, sodass einige dicke Strähnen sein Gesicht rahmten. Die Blicke der Mädchen und Frauen flogen ihnen allen dreien gleichermaßen zu. Chosokabe fiel allein schon wegen seiner weißen Mähne auf, Nobuchika durch seine Zurückhaltung und weil man wusste, dass er der Unbekannte ohne Gedächtnis war und Katsuragi, weil er neben ihnen das Wilde zu verkörpern schien. Dabei war es eigentlich Chosokabe dem diese Rolle am besten stand, wie jeder zu gut wusste. Gemeinsam kauften sie sich frisch zubereitete Dangos, die in grün, rosa und weiß auf ein Holzstäbchen gespießt waren. Chosokabe liebte diese Dangos, die fast nur zum Hanami so zubereitet wurden. Das grüne Dango war mit grünem Tee gemacht, das rosane mit roten Bohnen und Kirschblättern und das weiße war das reine Reismehl und alles mit Zuckerguss überzogen. „Iss nicht so viel davon, Aniki.“, sagte Katsuragi, als Chosokabe sich gleich noch zwei kaufen wollte. „Warum nicht?“, entgegnete Chosokabe. „Weil du sonst nachher kein Hunger auf das Fleisch haben wirst, dass sie nachher grillen. Und du kriegst Bauchschmerzen von soviel Zucker. Erinnere dich an die letzten Jahre und hör wenigstens einmal auf mich.“ Nobuchika lachte. „Ich würde auf ihn hören.“ „Du auch noch!“ Sie lachten und Chosokabe beließ es bei einem Stäbchen mit drei Dangos, welches er dafür aber umso genüsslicher verspeiste. Später, bevor die Sonne unterging traten ein paar junge Frauen in schönen weißen Kimonos mit zartrosa aufgestickten Kirschblumen auf und sangen das Sakuralied, welches seit einiger Zeit jedes Jahr auf allen Hanami überall in Nihon vorgetragen wurde. Die drei Frauen schritten bedächtig auf ein hölzernes Podest und begannen zu singen: Sakura, sakura sakura sakura noyama mo sato mo miwatasu kagiri kasumi ka kumo ka asahi ni niou sakura sakura hana zakari sakura sakura yayoi no sora wa miwatasu kagiri kasumi ka kumo ka nioi zo izuru izaya izaya mi ni yukan ~*~|~*~ Sakura, sakura Sakura, Sakura, in den Feldern und Hügeln und den Dörfern So weit das Auge reicht. Wie Nebel, wie Wolken. leuchtend in der aufgehenden Sonne, Sakura, Sakura Die Blütezeit Sakura, sakura, der Frühlingshimmel So weit das Auge reicht. Wie Nebel, wie Wolken. Der Duft und die Farben, gehen wir, gehen wir Uns am Anblick erfreuen Noch während die drei sangen, kam einer der Booten auf Chosokabe, Nobuchika und Katsuragi zu. Doch ehe er den Fürsten erreichen konnte, hatte Katsuragi ihn bereits bemerkt und fing ihn ab. „Was machst du hier? Ist etwas passiert?“, fragte er sofort. „An der Küste wurde Moris Schiff gesehen.“ „Wieder nur mit einem?“, fragte Katsuragi und zog eine Augenbraue hoch. Was soll das Spiel? „Nein, er hat mehrere Schiffe dabei. Ich habe auch gehört, dass ein kleines Boot weiter im Norden angelegt habe. Aber es konnte mir niemand sagen, ob es zu Moris Schiffen gehört oder nicht.“ Katsuragi sah nachdenklich an dem Boten vorbei. „Eigenartig... Es scheint eher unwahrscheinlich, dass das Boot nichts mit Mori zu tun haben sollte... Sag, wann ist es gelandet?“ „Ich glaube gestern. Zumindest habe ich es eben so erfahren, vielleicht ist es auch schon früher gelandet.“ „Der Weg von der Nordküste hierher ist nicht allzu weit. Und das Wetter war gut... Danke, ich werde die Augen aufhalten, falls hier ein unbekanntes Gesicht umherstreunt. Und gib mir sofort Bescheid, wenn Mori seinen Fuß an unsere Küste setzt!“ „Jawohl!“, salutierte der Bote und flitzte wieder davon. Katsuragi kehrte nachdenklich zu der Bühne zurück, deren Anblick mit den Kirschblüten durch die jetzt untergehende Sonne in ein warmes rosarotes Licht getaucht wurde. Doch Chosokabe und Nobuchika waren nicht mehr zu sehen. Er sah sich um, doch er fand den weißen Haarschopf nicht einmal an einem Dangostand. Er und sein Schützling waren wie vom Erdboden verschluckt. Aber er wollte auch nicht nach ihnen suchen, er wusste, dass Aniki sich sehr gut allein verteidigen konnte. Doch die Sache mit Moris Flotte, so klang die Beschreibung jedenfalls, beunruhigte ihn. Mori war eher selten der Mann, der angriff. Meistens war es Chosokabe, der Anspruch auf das Festland erhob. Mori war darüber hinaus auch schon recht alt, als dass er noch unbedingt um jeden Preis Shikoku haben wollte. Es wäre deutlich wahrscheinlicher, wenn einer seiner Söhne dieses Unterfangen in Angriff nähme. Über den Jüngeren, der erst kürzlich den Namen Motonari erhalten hatte, wussten sie noch so gut wie gar nichts. Okimoto hingegen war kein unbeschriebenes Blatt mehr. Ihn hatten sie vor einiger Zeit bereits gesehen. Diesem Mann war, für Katsuragis Dafürhalten, alles zuzutrauen. Wenn ich nur wüsste, was hier vor sich geht... Was will Fürst Mori denn hier? Was gibt es hier, was er haben wollen würde? Oder führt Okimoto die Flotte an? Weil er jetzt Shikoku an sich reißen will? Aber warum jetzt? Sollte Fürst Mori... aber das hätten wir doch mitbekommen... Mist aber auch, wenn man dich mal braucht, Aniki... Wo steckst du? Im goldfarbenen Sonnenuntergang glühte das rosa der Kirschblüten geradezu und der Blütenteppich auf dem Rasen hatte die gleiche Farbe. An der Hand führte Motochika den Jüngeren einen Hügel hinauf. Hier standen die Kirschbäume so dicht, dass man vom Dorf aus wenig sehen konnte, doch von hier oben hatte man einen wunderschönen Blick auf den Festplatz der von den Kirschbäumen wie ein Kunstwerk eingerahmt wurden. Die Lampignons überall strömten warmes Licht aus und ließen die zarten Blüten der Bäume leuchten. Die bunten Hütten strahlten ebenfalls und die Kimonos der Leute bewegten sich bunte Punkte. „Das ist schön.“, sagte Nobuchika. „Ich weiß. Den Platz hier oben kennt kaum jemand. Wenn das Hanami vorbei ist und die Bäume grün werden, dann ist es hier oben ziemlich langweilig. Kaum einer kommt auf die Idee, dass man von hier aus so einen schönen Blick hat.“ Nobuchika lächelte. „Und es gibt noch etwas schönes...“, flüsterte Motochika. „Von dort unten kann man uns hier oben nicht sehen.“ Nobuchika schloss die Augen und genoss die sanfte Berührung die er gerade an seinen Schultern spürte. „Und das bedeutet?“, fragte er leise, die Antwort bereits ahnend. Der hauchzarte Kuss in seinem Nacken jagte ihm wohlige Schauer über den Rücken und Motochikas warmer Atem sorgte dafür, dass dieses Gefühl über seine gesamte Haut jagte. „Das wir hier völlig ungestört sind...“ Nobuchika genoss das wohlige Gefühl, als Motochikas Hand unter seinen Kimono wanderte und seine Finger sanft kreisten. Er nahm es fast gar nicht wahr, wie Motochikas andere Hand den Kimono langsam vom Obi befreite. Selbiger landete lautlos auf dem Boden. Dann drehte er Nobuchika zu sich um und ließ ihn seinen Obi abnehmen, während er ihn küsste. Langsam zog Motochika den Kimono des Jüngeren Schicht für Schicht beiseite. Nobuchika tat es ihm etwas zögerlich gleich. Dann landete der seiden glänzende violette Kimono auf dem Boden. Noch bevor Nobuchika Zeit hatte, Motochika eingehend zu betrachten, hatte dieser ihn schon auf den ausgebreiteten Kimono gebettet. Die weißen Haare und seine Lippen flogen so hauchzart wie Federn über Nobuchikas Haut und dessen Seufzen bestätigte ihn in seinem Tun. Nobuchika wusste genau, dass er so etwas garantiert noch nie gefühlt hatte. In seinem Bauch kribbelte es und er hatte das Gefühl, doppelt soviel Luft zu holen als sonst. Motochika hingegen schien die Ruhe in Person zu sein, obwohl es Nobuchika vorkam, als wären dessen Hände gleichzeitig überall. Motochika genoss es, wie der Jüngere auf jede Berührung reagierte. Nobuchika spürte den Mann über sich sehr deutlich. Wie sehr er das wollte, war unmöglich nicht zu bemerken. Und Nobuchika ging es keineswegs anders. In der Zeit, die er hier mit Motochika verbracht hatte, hatte er sich in ihn verliebt. Seine Fürsorge, sein Humor und dieses Unwiderstehliche an ihm – als dass hatte sehr schnell dazu geführt. Offenbar war es Motochika nicht anders gegangen. Als Motochika sich langsam und vorsichtig gegen ihn drängte, tat es für einen Moment weh. Der Ältere machte ein beruhigendes Geräusch und sein Atem strich über Nobuchikas Hals. „Nicht anspannen, lass dich fallen...“, flüsterte Motochika. Nobuchika schloss die Augen und bemühte sich, seine Muskeln zu entspannen. Was tatsächlich nicht so einfach war. Er versuchte es immer wieder und Motochika spürte bald, wann er sich vorwagen konnte. Ganz langsam gelang es ihnen, sich so nah wie nur irgend möglich zu sein. Lächelnd strich Motochika über Nobuchikas Wange und küsste ihn. Dann begann er sich zu bewegen und Nobuchika genoss das Gefühl. Motochika atmete tief ein und wieder aus, rhythmisch zu seinen Bewegungen. Der Duft der Kirschblüten, der sie umfing, war geradezu benebelnd. Aber er genoss es, denn zusammen mit Nobuchikas ganz eigenem Duft war es unbeschreiblich. Es fiel ihm jedoch gerade deshalb umso schwerer, all seine Gefühle zurückzuhalten. Er wollte es genießen, doch Nobuchika war es, der ihm nur noch wenig Zeit zu lassen schien. Dessen Atem ging schneller als zuvor und sein Blick war genießerisch auf ihn, Motochika, gerichtet. Sein Kuss war überraschend fordernd und kostete Motochika alle Mühe, es noch ein bisschen länger hinzuziehen. Es war zu schön, als dass es gleich vorbei sein sollte. Er hielt an und wartete einen Moment. Nobuchika schaute ihn fragend an. „Ich will nicht, dass es schon vorbei ist...“, erklärte Motochika beinahe atemlos und küsste ihn. Nobuchika lächelte in den Kuss hinein, während das Kribbeln im Bauch ein wenig abebbte. Doch es flammte wieder auf, als Motochika sich langsam wieder bewegte. Diesmal hielt Motochika nicht inne. Ihr Atem ging schneller und Motochika war überrascht, Nobuchikas Stimme einmal anders zu hören. Im selben Moment, als der Wind einen Augenblick lang auffrischte, erstickte Motochika den süßen Aufschrei des Jüngeren mit einem Kuss. Zarte Kirschblütenblätter rieselten auf ihre Köpfe herab und sie mussten lachen. Für einen Moment blieben sie liegen, bis sie sich in ihre Kimonos hüllten. Noch immer auf dem Gras liegend betrachteten sie noch einige Minuten lang die Kirschblütenblätter, die wie Regen herab rieselten und die wie die Sterne am Himmel einer nach dem anderen auftauchten. „Wir sollten langsam zurück gehen. Nicht, dass wir noch vermisst werden.“, sagte Motochika nach einer Weile. „Ja, mir wird auch langsam kalt.“, meinte Nobuchika. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)