Ein Tanz zwischen den Sternen von Calafinwe ================================================================================ Kapitel 4: Sternensammler ------------------------- „Eure Majestät, wollt Ihr die Zivilisten wirklich besuchen?“, fragte Mambosa. Der Senator klang wenig begeistert. Larsa saß auf seinem Stuhl im Audienzzimmer. Er hatte wieder mit Penelo und Basch zusammen gefrühstückt und das Buffet war, seinen Anweisungen entsprechend, weniger üppig ausgefallen. Danach hatte sein Gast schnell die Einkaufstüten vom Vortag eingesammelt und war mit dem Hauptmann zusammen zu ihren Räumen zurückgegangen, um die Sachen auszupacken. Basch seinerseits hatte irgendwas davon gemurmelt, seine Rüstung wieder anziehen zu müssen und hatte den Kaiser in der Obhut eines Trupps imperialer Soldaten zurückgelassen. Diesen Augenblick schien Mambosa abgewartet zu haben, denn er hatte sich keine zwei Minuten später beim Kaiser gemeldet, um ihn bezüglich wichtiger Angelegenheiten zu sprechen. Larsa hatte ein unwilliges Seufzen unterdrückt, war mit dem Senator zum Audienzsaal gegangen und hörte ihm seit etwa einer Stunde geduldig zu. Zu Beginn hatte Mambosa ihn über den Fortschritt des neuen Gesetzes zur Erleichterung des Handels informiert. Das Thema war ein leidiges im Senat und wurde schon seit mehreren Monaten behandelt. Der Justizsenator musste seinen ersten Entwurf des Gesetzes immer wieder anpassen. Irgendwann hatte der Kaiser dann darauf bestanden, dass Mambosa verstärkt mit Ishia zusammenarbeitete, der Senatorin für Wirtschaft und Handel, wovon beide nicht allzu begeistert schienen. Der Kaiser hatte den Vortrag irgendwann abgewürgt und gemeint, es sei doch verschwendete Energie, wenn Mambosa ihn jetzt unter vier Augen informiere und später seinen Vortrag noch einmal dem versammelten Senat vortragen müsse. Der Senator hatte perplex dreingeschaut, schien aber dann zum selben Schluss gekommen zu sein. Stattdessen durfte Larsa sich jetzt anhören, wie gefährlich es doch sei, als Kaiser und in seinem Alter eine Bande von Armen und möglicherweise Kriminellen zu besuchen. Insgeheim glaubte er, dass dies der eigentliche Grund war, warum Mambosa ihn aufgesucht hatte. „Ich weiß Eure Fürsorge zu schätzen, Mambosa, wirklich! Aber findet Ihr nicht auch, dass ich mich viel zu selten volksnah zeige?“ „Die Verbundenheit zu seinem Volk kann ein Herrscher auch anders demonstrieren...“, bekam er zu hören. Larsa warf ihm einen interessierten Blick zu, erhielt aber keine Antwort auf die unausgesprochenen Frage, was tatsächlich volksnah sei und was nicht. „Wieso begleitet Ihr mich nicht einfach und macht Euch selbst ein Bild von meinen Untertanen?“, fragte er stattdessen, „Es würde die Stimmung in der Bevölkerung bestimmt heben, wenn sich nicht nur der Kaiser sorgt, sondern auch die Senatoren.“ „Nun, ich würde seine Majestät nur zu gerne begleiten. Allerdings...“ „... steht die Bewertung der Kriminalitätsbekämpfung des letzten halben Jahres an, von der Ihr unmöglich fernbleiben könnt?“, beendete der Kaiser den Satz. Mambosa schien verwirrt. „Wie kommt Ihr darauf?“, fragte er, „Die ist doch erst in zwei Wochen oder etwa nicht?“ Larsa seufzte nun doch. Manchmal war der Senator wirklich schwer von Begriff, aber er leistete auf seine Weise gute Arbeit, weshalb er doch nur eher ungern auf ihn verzichten würde. „Ich werde den Bürgern Eure besten Wünsche ausrichten“, meinte der Junge stattdessen. Der Kaiser vermisste Basch. Der Hauptmann hätte mittlerweile schon längst dafür gesorgt, dass er wieder in Ruhe arbeiten konnte, aber dummerweise hatte er es sich in den Kopf gesetzt, seine Rüstung wieder anzuziehen. Und das, obwohl es jetzt am Vormittag bereits heiser war, als gestern am frühen Nachmittag. Oder kam es ihm nur so vor, weil er tags zuvor Balfonheim aufgesucht und deshalb die drückende Hitze in der Hauptstadt nicht am eigenen Leib erfahren hatte? Kein Wunder, dass einige seiner Untertanen mittlerweile an Dehydrierung gestorben waren. „Senator, ich möchte Euch ungern von Euren wichtigen Aufgaben abhalten“, meinte er diplomatisch, „Tatsächlich möchte ich mir selber Gedanken über die Worte machen, die ich an die Bevölkerung richten kann, um sie aufzumuntern.“ Selbst Mambosa war so schlau zu kapieren, wenn man ihn loswerden wollte. Er ließ sich nichts anmerken. „Seine Majestät haben hoffentlich bald wieder Zeit für ein Vieraugengespräch.“ Der Satz klang weniger wie eine Frage und mehr wie eine Feststellung und Larsa nickte ergeben. „Einen guten Tag“, wünschte der Senator und machte sich auf den Weg nach draußen. Der Kaiser starrte ihm auf den Rücken, bis sich die Tür wieder geschlossen hatte. Mambosa seinerseits traf auf dem Gang vor dem Audienzzimmer auf Basch, der dort mit verschränkten Armen in seiner Rüstung stand und den Senator mit ausdruckslosem Gesicht musterte. Er war in Begleitung des blonden Mädchens, von dem Mambosa wusste, dass sie ein Gast des Kaisers war. Ihre blauen Augen schauten ihm höflich entgegen. Anders als am Tag zuvor trug sie heute archadische Mode in warmen, erdigen Farben. „Wie lange steht Ihr da schon?“, fragte der Senator den Hauptmann. Basch sah fragend auf Penelo und dann wieder zurück. „Seit einer Viertelstunde etwa.“ „Tatsächlich? Und Ihr habt nicht den Drang verspürt, dem Kaiser zu Hilfe zu eilen?“ „Warum? Drohte ihm denn Gefahr?“ Mambosa blickte verwirrt zwischen dem Hauptmann und seiner Begleiterin hin und her. Letztendlich zuckte er mit den Schultern und ließ sie stehen, wo sie waren. „Was ist mit ihm?“, fragte Penelo, als er weg war. „Ach nichts. Er kann nur ziemlich lästig sein.“ Die Soldaten, die an der Tür zum Audienzzimmer Wache hielten, salutierten einmal und ließen die beiden dann hinein. Larsa saß nach wie vor an seinem Tisch und schrieb etwas. Als er sie kommen hörte, sah er auf. „Wo wart ihr so lange?“, fragte er und legte seinen Füller ab. „Wir haben vor der Tür gewartet“, meinte Penelo. „Wirklich? Warum seid ihr nicht hereingekommen?“ „Ich wollte wissen, wie der Senator reagiert, wenn ich ihn ausnahmsweise einmal nicht hinauskomplimentiere“, entgegnete Basch. „Und wie hat er reagiert?“ „Verwirrt. Er schien es irgendwie nicht so recht zu glauben.“ Larsa betrachtete seine Leibwache einmal von oben bis unten. „Ich glaube, so sauber habe ich die Rüstung schon lange nicht mehr gesehen“, meinte er. „Was soll das denn bitte heißen?“ „Dein Bruder war immer sehr penibel, wenn es um die Rüstung ging. Ich glaube, er hat sie einmal pro Woche geputzt.“ „... Den Putzfimmel hatte er Junge nicht“, entgegnete Basch leise. Penelo und ihr Gastgeber warfen ihm neugierige Blicke zu, aber der Hauptmann erzählte nichts weiter über Noah. „Was wollte Mambosa schon wieder?“, fragte er stattdessen. „Mich davon abbringen, die Bürger zu treffen. ... Und über das neue Handelsgesetz reden.“ „Über das Handelsgesetz? Sollte er das nicht besser vortragen, wenn die nächste Sitzung ansteht?“ „Das dachte ich mir auch. Zum Glück hat er es dann selber auch eingesehen“, meinte Larsa, „... Hübsch siehst du aus!“ Penelo errötete dezent. Die Kleidung, die sie am Tag zuvor gekauft hatte, gab nicht mehr preis, als sie sollte. Trotzdem waren Schnitt und Sitz von Oberteil und Rock ungewohnt. Vor allem weil die Blondine Hosen gewohnt war. „Wann wollen wir los?“, fragte sie. „Ich hab nur auf euch gewartet. Lysander und Zargabaath müssten mittlerweile die ersten ins Laboratorium gebracht haben. ... Ich würde die Bürger auch lieber dort begrüßen, als im alten Archadis im Weg zu stehen.“ „Das macht Sinn“, bemerkte Basch. „Außerdem möchte ich mir ein Bild davon machen, wie meine Untertanen dann untergebracht sind. Es soll jeder ausreichend viel Platz zur Verfügung haben, so dass eine gewisse Privatsphäre gewahrt werden kann.“ „Worüber du dir alles Gedanken machst“, kicherte Penelo, „Ich glaube, ich wäre einfach nur froh, nicht mehr der Hitze ausgesetzt zu sein. Ob dann neben mir jemand liegt und schläft, wäre mir nicht so wichtig.“ „Da sieht man den Unterschied zwischen euch beiden“, lachte der Hauptmann, „Penelo die Pragmatische und Larsa der Umständliche.“ Larsa sah ertappt drein. „Findet ihr, dass ich mir zu viele Gedanken mache?“, fragte er. „Nein nein, das natürlich nicht“, beruhigte ihn die Blondine, „Die Bürger werden sich bestimmt freuen, wenn sich ihr Kaiser so um sie sorgt. Ich wollte damit nur sagen, dass ich an so etwas wie Privatsphäre gar nicht denken würde. ... Ich hatte selber nie viel, vor allem dann nicht mehr, als meine Eltern starben und Migelo mich aufnahm.“ „Migelo?“, fragte der Junge, „Das ist der Bangaa, der in Rabanastre ein Geschäft hat und Waisenkinder unter seine Fittiche nahm, oder?“ „Ja. Da haben wir oft in seinem Geschäft geschlafen, Schulter an Schulter in den Ecken, so dass es nicht sofort auffällt, wenn des Nachts einer in den Laden stürmt.“ Larsa sagte nichts. Er schämte sich nach wie vor dafür, dass das Imperium so viel Leid in die Welt gebracht hatte. „Ich hätte ja erwartet, dass unser Vaan alle Privatsphäre zunichtemachen würde“, meinte Basch und kratzte sich nachdenklich an seinem Kinn. Penelo und Larsa prusteten los. „Was denn?“ „Das stimmt schon. Vaan konnte seine Neugierde oft nicht im Zaum halten“, bestätigte die Blondine. „Wir sollten uns dann langsam auf den Weg machen.“ Der Kaiser hatte sich nach seinem kleinen Lachfanfall wieder beruhigt und nahm jetzt den Zettel vom Tisch, den er vorhin geschrieben hatte. Zu Dritt machten sie sich auf den Weg zum Privatterminal einige Stockwerke weiter unten. Wie schon die Tage davor war fast niemand zu sehen. „Penelo, meinst du, ich kann das so zu den Leuten sagen?“, fragte Larsa und reichte seiner Besucherin den Zettel. Sie las ihn aufmerksam durch und schüttelte dann den Kopf. „Ich finde, das klingt alles viel zu förmlich“, meinte sie. „Wirklich?“ Der Kaiser klang verunsichert. „Na ja, der Satz hier...“, Penelo deutete auf eine Stelle, „... ist schon wirklich sehr lang. Ich musste ihn mehrmals lesen, um ihn zu verstehen. ... Und du solltest vielleicht auf einen einfacheren Wortschatz zurückgreifen.“ Larsa nahm den Zettel wieder entgegen und kratzte sich am Hinterkopf. Er war gut darin, seine Ansichten verständlich einer ausgewählten Gruppe vorzutragen. Aber sprach er zu einer großen Ansammlung seiner Untertanen, war er sich unsicher. Wieder eine Eigenschaft, die den jungen Kaiser von seinem Bruder Vayne unterschied. Letzterer konnte damals Reden halten, ohne sich groß vorher Gedanken darum zu machen. „Dann werde ich es wohl noch einmal umformulieren.“ Die drei traten in die pralle Sonne hinaus. Selbst hier oben war die Luft unerträglich heiß. Der Trupp Soldaten, der sie als Eskorte begleitete, beschleunigte seine Schritte und zwang die drei Passagiere so, ihr Tempo ebenfalls zu erhöhen. Eilig bestiegen sie das bereits wartende Shuttle. „Das ist ja noch viel schlimmer, als vor zwei Tagen“, meinte Larsa besorgt, als er sich gesetzt hatte, „Ihr da...“ ‚Jetzt ringt er sich doch noch dazu durch...‘, dachte Basch. Der Trupp Soldaten schien interessiert, was die nächste Anweisung des Kaisers sein würde. „... Ihr zieht jetzt diese Rüstungen aus! ... Ich werde es nicht länger dulden, dass meine Leibwächter während der Ausübung ihrer Pflichten körperlich leiden müssen aufgrund der Temperaturen.“ Die Imperialen sahen verdutzt von einem zum anderen und zwischendurch auf Basch und den Kaiser. „Seine Majestät sind sicher, dass...“ Weiter kam der Offizier nicht, als er den ernsthaften Blick des Kaisers sah. Er wandte sich noch mal an den Hauptmann, aber diese zuckte nur hilflos mit den Schultern. Er ließ den Kopf hängen, legte seine Hellebarde auf den Boden und zog den Helm vom Kopf. Seine Soldaten taten es ihm nach kurzem Zögern gleich. Als sie fertig waren, nahm jeder seine Waffe wieder auf. „Eure Majestät, ich möchte lediglich der Form halber anmerken, dass wir gegen unseren Wunsch unsere Rüstungen abgelegt haben“, meinte der Offizier dann. „Nur die Ruhe, ich bin ja auch noch da“, mischte Basch sich ein. Larsa warf ihm einen vielsagenden Blick zu, sagte aber nichts und richtete seine Konzentration dann wieder auf seinen Zettel. Kurz danach machte ihr Shuttle einen Satz und die Stewardess erklärte, dass sie ihr Ziel erreicht hatten. „Das ging aber schnell“, fand Penelo. Ihr Transportmittel ruckelte noch einmal kurz, bevor die Stewardess die Tür öffnete und dann zurückwich. Die Soldaten schoben sich hinaus auf den Vorplatz des Laboratoriums, der mit anderen Shuttles scheinbar überfüllt war. Der Kaiser folgte mit Basch und Penelo hinaus und blieb dann stehen, um die Szenerie in sich aufzunehmen. Zwischen den Shuttles tummelten sich zahlreche Menschen, zivile wie militärische und hier und da schien man sogar einige Wissenschaftler unter ihnen zu sehen, die wild gestikulierten. Ständig landeten Truppentransporter der Alexander, ließen Leute raus und flogen wieder davon. „Da drüben ist Zargabaath“, meinte Basch und deutete auf eine Menschentraube. „Dann wollen wir ihm mal hallo sagen“, meinte Larsa sarkastisch. Die Gruppe um den Kaiser setzte sich in Bewegung und kam gut durch. Die ortsfremden Personen wichen ihnen von selbst aus, hatten aber neugierige Blicke vor allem auf Larsas Eskorte gerichtet. Der Offizier seinerseits fühlte sich unwohl dabei, nur mit Lederhose, Hemd und Wams bekleidet den Kaiser verteidigen zu müssen, falls es darauf ankam. Sie gingen zu Zargabaath hinüber, um den sich viele Wissenschaftler aber auch einige andere Soldaten versammelt hatten. Die Gelehrten redeten ohne Unterlass auf ihn ein. „Wie oft soll ich es denn noch erklären?“, konnte man den Richter gerade vernehmen, „Anweisung vom Kaiser!“ Er klang hörbar gereizt. Einige der Soldaten, die er bei sich hatte, versuchten, die Wissenschaftler davon abzuhalten, dem Richter an die Gurgel zu springen. Larsa räusperte sich einmal geräuschvoll, aber niemand schien ihn zu hören. Die Imperialen seiner Eskorte sahen wenig begeistert aus. „Meine Herren!“, rief Larsa. Noch immer schien von der Menschentraube niemand die Anwesenheit des Herrschers wahrgenommen zu haben. Sie plapperten weiterhin wild durcheinander und echauffierten sich darüber, wie der Kaiser es wagen könne, ihr Labor zur Unterkunft für Landstreicher und Arme zu erklären. „MEINE HERREN!“, brüllte der Junge nun. Auf einen Schlag wurde es still und die Umstehenden reckten die Köpfe. Eine seltsame Gesellschaft stand da vor ihnen. Einige schienen Soldaten zu sein, die im Eifer des Gefechts wohl ihre Rüstungen komplett eingebüßt hatten. Der hohe Richter hatte immerhin noch eine, wenn auch der Helm fehlte. Ein blondes Mädchen, das hier genauso wenig etwas verloren hatte wie die Bewohner des alten Archadis. Und der Kaiser höchstpersönlich, der in der Mitte dieser seltsam anmutenden Gruppe stand. Zargabaath murmelte etwas Unverständliche, kam auf sie zu und stellte sich dann ebenfalls dazu, um den Herrscher notfalls beschützen zu können. Sein Helm verriet niemandem, was er dachte. „Meine Herren“, fuhr Larsa dann in gemäßigtem Tonfall fort, „Sie werden sicher selbst wissen, in welch einer prekären Lage wir uns befinden.“ „Wieso kann man die Leute nicht im Palast unterbringen?!“, rief jemand von weiter hinten dazwischen. „Nun, das wurde durchaus besprochen. Allerdings war der Senat dagegen...“ „Der Senat!“, meinte ein anderer abfällig. „Ich weiß, dass Sie sich übertölpelt fühlen. Mir würde es an Ihrer Stelle nicht anders ergehen“, erklärte der Kaiser, „Daher verspreche ich Ihnen, dass die Unterbringung nur für so lange ist, bis wir diese Hitzewelle überstanden haben.“ „Das kann ja noch Wochen dauern“, konterte ein Wissenschaftler aus der ersten Reihe. Basch sah ihn streng an. „Ist es nicht Ihrer Aufgabe, herauszufinden, wie lange wir dieses Wetter noch ertragen müssen?“ Larsa versuchte, die Frage so beiläufig wie möglich zu stellen, aber selbst Penelo entging der kleine Vorwurf nicht. „Das ist nicht mein Fachgebiet...“, entgegnete der Gescholtene. Der Kaiser ignorierte ihn. „Die Situation ist für uns alle unerträglich, glauben Sie mir. Aber gerade in diesen Zeiten müssen wir unsere Solidarität unter Beweis stellen. ... Ich hoffe, dass ich in dieser Sache mit Ihrer Unterstützung rechnen kann?“ Einige der Forscher nickten, die meisten blieben regungslos. „Gut. Ich würde es begrüßen, wenn Sie Richter Zargabaath dabei helfen könnten, die richtigen Räume für die Unterbringung zu finden.“ Einer der Wissenschaftler nickte und gab kurz einige Anweisungen. Er schien in einer leitenden Position zu sein, denn der Rest seiner Mannschaft ging wieder ins Gebäude, vermutlich, um sich abzukühlen. Zargabaath seinerseits gab einige Kommandos per Hand und seine Soldaten verstreuten sich, um die ersten paar Zivilisten einzusammeln. „Seine Majestät verzeihen hoffentlich die Unannehmlichkeiten. Wir sind es nicht gewohnt, Militärpersonal oder Richtern zu unterstehen. Zudem...“ „Herr ...?“, fragte Larsa. „Mitts, Eure Majestät. Einfach nur Mitts.“ „Hören Sie, Mitts. Ich bin mir durchaus der Tatsache bewusst, dass das Laboratorium Geheimnisse und vermutlich zum Teil gefährliche Gegenstände birgt. Allerdings bietet es durch seine Architektur auch Schutz vor der derzeitigen Hitzewelle. ... Wie ich schon sagte, der Palast war durchaus im Gespräch, wurde aber nicht nur von den Senatoren abgelehnt.“ Dabei warf Larsa einen Blick auf seinen Leibwächter, der desinteressiert dreinblickte. „Bitte seien Sie versichert, dass das Labor nicht unbeaufsichtigt sein wird. Zum Schutz der Bürger, aber selbstverständlich auch zum Schutz der Wissenschaftler und ihrer Experimente.“ Zargabaaths Soldaten hatten mittlerweile einen Großteil der Zivilisten ins Innere bugsiert. „Dann beeile ich mich lieber, dem Richter die entsprechenden Räume zu zeigen“, antwortete Mitts. „Tun Sie das.“ Der Wissenschaftler entschuldigte sich und ging mit Zargabaath davon. „Du warst ein bisschen hart zu ihnen...“, meinte Penelo, als die beiden weg waren. Larsa drehte sich zu ihr um. „Findest du?“, fragte er ratlos. „Ja. Die können vermutlich auch nichts für das Wetter.“ „Ach, papperlapapp!“, konterte Basch, „Vermutlich wissen die genau, warum wir seit Tagen brutzeln und verraten es uns nur nicht.“ „Vielleicht sollte ich nachher tatsächlich mal hingehen und fragen. Schaden kann es ja nicht. Aber lasst uns jetzt lieber mal reingehen. Ich möchte auf jeden Fall noch die ein oder andere Hand schütteln“, sagte der Kaiser. Sie machten sich mit ihrer Eskorte auf den Weg ins Gebäude. Drinnen war es momentan ziemlich überfüllt und die Soldaten waren gerade dabei, Zivilisten in kleinere Grüppchen einzuteilen und sie zusammen mit den Wissenschaftlern tiefer ins Laboratorium hineinzuführen. Larsa trat zu jenen, die noch etwas länger warten mussten und sich deshalb auf den Boden gesetzt hatten. Unter ihnen waren vor allem Frauen und Kinder, aber auch einige ältere Leute konnte er ausmachen und hier und da Seeks und Bangaas. Als er sich näherte, versuchte eine Oma wieder auf die Beine zu kommen und einen Knicks zu machen. Ein Mädchen von etwa drei Jahren, das offenbar ihre Enkelin war, blieb einfach sitzen und schaute die Besucher aus großen runden Augen an. „Bitte. Bitte stehen Sie wegen mir doch nicht auf“, fing der Kaiser an. Schmunzelnd bemerkte Basch, dass er seinen Zettel gar nicht in der Hand hatte. ‚Probiert er es jetzt doch aus dem Bauch heraus...‘ Nach vielem Hin und Her hatte Larsa die Dame dazu gebracht, sich wieder hinzusetzen und sich von den Strapazen auszuruhen. „Er macht das eigentlich richtig gut“, meinte Penelo leise, nachdem sie und Basch ihrem Freund und Schützling eine Weile lang zugesehen hatten. „Larsa wusste schon immer, wie man die Leute für sich begeistern kann.“ „Stimmt.“ „... schon etwas zu Trinken gegeben?“, fragte der Kaiser gerade das Mädchen. Das Kind starrte ihn nur weiterhin gebannt an, ohne etwas zu sagen. „Man hat uns bereits im alten Archadis zu Trinken gegeben“, erklärte die Oma. „Hier noch nicht?“, hakte Larsa nach. „Nein, leider noch nicht.“ „Sowas.“ Der Kaiser stand auf und winkte einen der Soldaten heran, der gerade die nächste Gruppe zusammenstellen wollte. „Ist die Lieferung mit Nahrungsmitteln aus dem Palast noch nicht da?“, fragte er ihn. „Soweit ich weiß, noch nicht, Majestät. Wünschen seine Majestät, dass ich der Sache auf den Grund gehe?“ „Nein. Machen Sie weiter, die Leute zu verteilen.“ „Sehr wohl.“ Der Imperiale half der Dame von gerade eben auf die Beine, hob das Kind hoch und führte sie dann mit noch drei weiteren Zivilisten den Gang entlang. Larsa stand unschlüssig da und sah ihnen hinterher. „Das Essen ist bestimmt schon unterwegs“, meinte Basch. „Ich hoffe, dass Ihr Recht behaltet. Aber immerhin hat man sie schon versorgt, bevor man sie hierher brachte.“ „Und nun?“, fragte Penelo. Von draußen kamen gerade neue Zivilisten nach, die nicht schlecht staunten, als sie die kleine Gruppe sahen. Der Kaiser stürzte sich sofort wieder auf sie, um Hände zu schütteln, einigen Kindern über den Kopf zu tätscheln und sie mit freundlichen Worten aufzumuntern. Viele schienen ziemlich verängstigt darüber zu sein, dass das Militär sie hierher verfrachtete. „Das wird seine Beliebtheit bestimmt steigern“, kicherte die Blondine. Der Hauptmann sagte nichts dazu. Er ließ seinen wachsamen Blick immer wieder durch den Gang schweifen und beobachtete die Leute, mit denen Larsa direkten Kontakt hatte, sehr genau. Irgendwann vernahm er Zargabaaths hallende Stimme, drehte sich um und sah, dass der Richter samt zweier Wissenschaftler auf sie zukam. ‚Woher kenne ich den nur?‘ Basch brummte, denn sein Gedächtnis ließ ihn mal wieder im Stich. Er war sich sicher, dass er zumindest den einen kürzlich schon mal gesehen hat. Wie schon zuvor redeten die beiden auf den Richter ein, jedoch schien es sich dieses Mal um ein völlig anderes Thema zu handeln. „Ich weiß nicht, ob ich Sie da richtig verstehe“, sagte Zargabaath gerade. Er hatte seinen Kopf leicht nach links geneigt, um seinen Gesprächspartner in dem Trubel besser hören zu können. „Es tut mir leid, Sir. Ich dachte nur, Sie als Richter hätten die entsprechende Entscheidungsbefugnis...“ „Das durchaus. Aber in einem Fall von solcher Komplexität... Schüsse eines imperialen Flagschiffs, noch dazu in der Nähe der Landesgrenze, könnte Reaktionen unserer Nachbarn hervorrufen, die es unbedingt zu vermeiden gilt.“ Zargabaath blieb stehen und schaute in die Richtung, in der Basch und Penelo mit dem Kaiser und einigen Zivilisten standen. Der Blick des Wissenschaftlers folgte dem seinen und überrascht riss er dann die Augen auf. Der Hauptmann seinerseits näherte sich dem Kaiser, der gerade mit zwei Schwestern in seinem Alter im Gespräch war. „Ich fürchte, die Besuchszeit ist vorbei, Eure Majestät“, flüsterte er ihm ins Ohr. Larsa nickte unmerklich, sagte noch zwei Sätze zu den Mädchen und verabschiedete sich dann. „Wieso habe ich das Gespräch gerade abgebrochen?“, fragte er neugierig. „Zargabaath hat wieder zwei Wissenschaftler am Hals...“ „Also wirklich“, kommentierte der Kaiser, „Ich dachte eigentlich, das hätten wir geklärt.“ Der Richter kam mit seinen Gesprächspartnern näher und stellte sie dem Kaiser als Aldert und Willim vor. „Eure Majestät, es tut mir leid, dass ich Euch erneut belästigen muss. Diese zwei jedoch versuchen mich dazu zu bringen, mit der Alexander loszufliegen und im Himmel herum zu schießen. Aufgrund irgendeiner Messreihe, die sie durchgeführt haben...“, erklärte Zargabaath entnervt. „Willim!“, begrüßte der Kaiser den einen, „Wie schön, dass wir sobald wieder zusammentreffen!“ ‚Stimmt‘, dachte Basch, ‚Er hat neulich von den Meteoriten erzählt.‘ „Eure Majestät! Das ist wirklich ein Wink des Schicksals, Euch hier direkt anzutreffen. Ich hatte ja keine Ahnung.“ Der Wissenschaftler schien atemlos zu sein. Trotzdem war die Besorgnis, die in seiner Begrüßung mitschwang, nicht zu überhören. Basch verschränkte die Arme. „Willim. Was ist los?“, fragte der Kaiser. Der Angesprochene sah sich um. „Das würde ich seiner Majestät gerne an einem ruhigeren Ort erzählen...“ * * * „Nur, damit ich es richtig erfasse“, resümierte Larsa, „Dieser Partikelregen, von dem Ihr mir erzählt habt, nimmt Einfluss auf das Wetter? Und so langsam, wie er sich dem Boden nähert, können die Kapriolen noch Monate dauern?“ Willim nickte nur. Er und sein Kollege Aldert hatten sie einige Stockwerke nach oben in einen Konferenzraum geführt. Die Soldaten, die als des Kaisers Eskorte dienten, standen derzeit vor der Tür und warteten darauf, dass es weiterging. Im Raum befanden sich neben den zwei Wissenschaftlern und dem Kaiser noch Basch, Zargabaath und Penelo. Vor allem letztere versuchte, die akademischen Ausführungen zu verstehen. „Wir beobachten das Phänomen schon von Beginn an. Solche Meteoritenschauer sind kein seltenes Ereignis, wenn man es genau betrachtet. Kleine Körper treten in die Atmosphäre ein und verglühen in ihr“, führte Willim aus, „Jedoch...“ „Üblicherweise bestehen solche Objekte aus Gestein, Eis, selten auch aus verschiedenen Metallen. Materialien, die bei der üblichen Größe eines Meteoriten keinen Einfluss haben, sobald sie eintreten. Sie zerbrechen“, nahm Aldert den Faden auf, „Jetzt jedoch scheint von ihnen irgendeine Art der Strahlung auszugehen, die sie zusammenhält und verhindert, dass sie wie gewöhnliche Äpfel vom Baum fallen. Stattdessen bewegen sie sich nur sehr langsam fort.“ „Flugsteine?“, riet Zargabaath. Der Richter hatte seinen Helm abgesetzt, sobald sie unter sich waren. Sein Gesicht war gerötet, ob von Anstrengung oder einem Sonnenbrand wusste Basch nicht. „Das war auch unsere erste Vermutung“, bestätigte Willim, „Allerdings ist uns keine Art von Flugsteinen bekannt, die einen derartig negativen Effekt erzielen... Mit Ausnahme...“ „Mit Ausnahme von Nethiziten“, beendete Larsa den Satz. Jeder schwieg. Nur zu gut wussten sie alle, was diese Steine vor zwei Jahren angerichtet hatten und niemand hatte Lust darauf, sich jetzt wieder mit ihnen herumschlagen zu müssen. „Wie kann das sein?“, fragte Penelo nach einer Weile, „Ich meine, die künstliche Herstellung der Steine wurde doch eingestellt, oder?“ „Junges Fräulein“, fing Willim großväterlich an, „Ihr habt noch viel zu lernen. Zwischen den Sternen gibt es zahlreiche Planeten, bei deren Entstehung viele Abfallprodukte produziert wurden, wenn man es so nennen kann. Derzeit geht die Wissenschaft davon aus, dass es so etwas wie Mysth oder Nethizite nicht nur auf Ivalice gibt, sondern auch auf vielen anderen Planeten.“ „Die Partikel, die wir jetzt beobachten, sind vermutlich vor vielen Millionen Jahren entstanden, bevor sie hier angekommen sind.“ Aldert klang begeistert. „Allerdings können wir sie nicht da oben lassen“, meinte Zargabaath, „wenn sie das Wetter beeinflussen. Sonst hört das mit der Hitze nie auf.“ ‚Und der Sandsturm in Dalmasca dürfte dann auch nicht der letzte gewesen sein‘, dachte Basch. „Schießen sollte die allerletzte Möglichkeit sein“, meinte Larsa überzeugt, „Wie Ihnen Richter Zargabaath vorhin schon mitgeteilt hat, können wir es uns nicht leisten, Buhjerba oder Dalmasca durch ein unangekündigtes Flottenmanöver zu beunruhigen.“ Willim räusperte sich. „Seine Majestät werden nicht darum herumkommen, eine der imperialen Flotten zu entsenden, um das Problem zu beheben. Ich bin mir sicher, die Nachbarreiche werden das Unterfangen wohlwollend unterstützen. Schließlich sind sie genauso betroffen.“ „Der Sandsturm...“, murmelte der Kaiser. „Bitte?“ Die Wissenschaftler schienen ihn nicht genau verstanden zu haben. „Ach nichts, ich habe nur laut gedacht.“ „Kann man die Steine nicht einfach aus der Luft pflücken?“, fragte Penelo in die allgemeine Ratlosigkeit hinein. Die Männer warfen sich einige Blicke zu, bevor Aldert und Willim die Köpfe zusammensteckten und das tuscheln anfingen. „Ich meine, wenn sie da oben einfach nur so herumhängen“, rechtfertigte sich die Blondine. „Diese Mädchen heutzutage kommen auf die unglaublichsten Ideen“, meinte Zargabaath belustigt. Penelo lief puterrot an. „So wie Ihr gestern mit dem Draklor-Laboratorium?“, konterte Basch. Die beiden Richter fixierten sich mit ablehnenden Blicken. „Geht das schon wieder los...“, fand Larsa genervt. „Eigentlich ist es keine schlechte Idee. Man müsste nur ein Luftschiff haben, das hoch genug fliegen kann“, befand Willim. Nach und nach richteten sich die Blicke auf Zargabaath. „Ich hab nie ausprobiert, wie hoch sie fliegt“, meinte er, „Als ich das Kommando übernommen habe, hatte sie bereits alle nötigen Testreihen bereits durchlaufen.“ „Aber Ihr müsst doch die Ergebnisse kennen?“, wunderte sich der Hauptmann. „Sicher. Nach denen ist sie das Luftschiff, das zum Zeitpunkt der Tests am höchsten fliegen konnte. Wie es jetzt damit steht ...?“ „Probieren sollte man es trotzdem. Willim, Sie wissen doch bestimmt, wo sich die Nethizite befinden, oder?“ „Selbstverständlich. Allerdings... Die Bedenken seiner Majestät sowie des hohen Richters bezüglich der Nachbarn waren nicht grundlos. Wir müssen recht nah an Buhjerba vorbei.“ „Dann ist es wohl besser, wenn ich auch mitkomme“, erklärte der Kaiser, „Meine Herren, bereiten Sie bitte alles Nötige vor. Wir sehen uns dann auf der Alexander wieder.“ Sie standen auf und verließen das Besprechungszimmer. Die beiden Wissenschaftler schlugen einen anderen Weg ein. Die Soldaten, die nach wie vor gewartet hatten, nahmen wieder Haltung an. Zargabaath setzte seinen Helm auf. „Eure Majestät?“ „Sagen Sie, glauben Sie, Sicherheitschef Lysander kommt auch alleine damit klar, die restlichen Zivilisten ins Labor zu holen?“, fragte Larsa. „Er ist ein fähiger Mann. Jedoch sollten wir ihn über unsere kurzfristige Abreise informieren. Es sollte reichen, wenn sich die Alexander alleine auf den Weg macht. Der Rest des Flottenverbandes kann im Luftraum über Archadis bleiben.“ Die Gruppe setzte sich in Bewegung. Hier oben waren vereinzelt Wissenschaftler zu sehen, die sie neugierig musterten, aber niemand sprach sie an. Weiter unten kamen sie wieder in geschäftiges Treiben hinein, wenn auch nicht mehr so viel los war, als bei der Ankunft des Kaisers. „Die meisten scheinen mittlerweile hier zu sein“, stellte Basch erleichtert fest. „Und man hat sie mittlerweile auch besser versorgt.“ Penelo deutete auf eine Familie, die gerade von einem der Soldaten weggeführt wurde. Die Kinder hatten Bananen in der Hand, an denen sie neugierig herum kauten. ‚Vermutlich sind das die ersten Bananen ihres Lebens‘, dachte der Hauptmann freudlos. Neben ihm lachte die Blondine und er sah sie neugierig an./ „Es ist schon witzig“, meinte sie, als sie seinen Blick bemerkte, „Bald habe ich alle imperialen Schlachtschiffe auch von innen gesehen.“ Daraufhin drehte Zargabaath den dreien seinen Helm zu. Basch kratzte sich an seinem Spitzbart. „Auf der Leviathan waren wir Gefangene, auf der Shiva auch. Die Bahamut haben wir geentert und mit der Odin sind wir gestern geflogen. ... Dann steht heute also die Alexander an“, erzählte er. „Fehlt noch die Ifrit“, murmelte der Richter auf der anderen Seite des Kaisers sarkastisch. „Aber auch nur, weil sie zusammen mit der achten Flotte zerstört wurde. Sonst ließe sich das bestimmt einrichten“, meinte Larsa gutgelaunt. Zargabaath schüttelte entnervt den Kopf, trotz des lustigen ‚bling, bling, bling‘-Geräusches. Basch seinerseits brach in schallendes Gelächter aus. * * * Sie standen zu sechst auf der Kommandobrücke, Zargabaath auf seinem kleinen Befehlshaberpodest mit Kommandostuhl, Larsa, sein Leibwächter und dieses Mädchen vorne bei den Fenstern, wo man hinausblicken konnte. Die beiden Wissenschaftler hatten sich in eine andere Ecke der Brücke verzogen und waren dort über einen Bildschirm gebeugt, den man ihnen zur Verfügung gestellt hatte. So sehr der Richter sich gefreut hatte, eine neue Aufgabe zu übernehmen, so sehr bedauerte er, jetzt diese eher unüblichen Gäste mit an Bord zu haben. Er seufzte. Gegen den Kaiser und dessen Leibwächter konnte er letztendlich nichts sagen, auch wenn er letzteren nicht unbedingt mochte. Basch zeichnete sich nach Zargabaaths Meinung lediglich dadurch aus, dass er gute Arbeit leistete. Ansonsten versuchte er, ihn zu meiden. Auch die Anwesenheit der Wissenschaftler hatte einen triftigen Grund. Aber wieso musste man ausgerechnet einen persönlichen Gast des jungen Kaisers mitnehmen? Noch dazu einen, der vor zwei Jahren gegen das Imperium gekämpft hat? Und der gefragt hat, ob er eine Führung durch das Luftschiff haben kann, wenn die ganze Sache vorbei war. Basch und Larsa hatten nur gegrinst, als Zargabaath höflich ablehnte und das damit begründet hatte, dass ein imperiales Luftschiff keine Touristenattraktion sei. Penelo, wie der Kaiser sie vorgestellt hatte, hatte nur eine beleidigte Schnute gezogen. Was hatte sie damit bezweckt? Jetzt stand die Blondine vorne und steckte mit dem Hauptmann immer wieder die Köpfe zusammen und Zargabaath wurde das unbestimmte Gefühl nicht los, dass sie auch hin und wieder über ihn redeten. „Wir bekommen einen Funkspruch rein“, meldete ein Offizier an niemand bestimmten, „Von Buhjerba.“ „Dann lass hören.“ Der Offizier drückte einen Knopf und über den Köpfen der Anwesenden ertönte ein kleines Summen. „Hier spricht Orville, Kommandant des Leichtkreuzers Cloud der dritten Luftschiffflotte von Buhjerba. ... Alexander, Ihre Flugroute ruft hier auf dem Himmelskontinent einiges an Stirnrunzeln hervor...“, sprach eine monotone Stimme. Larsa drehte sich um und sah zu Zargabaath hinüber. „Leitung ist offen, Eure Majestät“, murmelte er. „Kommandant Orville, hier spricht Larsa Ferrinas Solidor, Imperator des archadischen Imperiums. Ich darf Ihnen versichern, dass wir keine feindlichen Absichten hegen. ... Vielmehr dient unsere Mission dem Wohl von ganz Ivalice.“ ‚Eigentlich wissen wir gar nicht, wie es in Buhjerba aussieht. Gut möglich, dass die da oben das schönste Wetter seit langem genießen‘, ging dem Hauptmann durch den Kopf. Vom Leichtkreuzer Cloud kam keine Antwort. Stattdessen hörte man nur seltsame Geräusche, so als ob auf der Brücke des Luftschiffes die Besatzung in hektisches Treiben ausgebrochen wäre und wild durcheinander brabbelte. „Wir wussten nicht“, meinte Orville aufgedreht, „dass sich seine Majestät an Bord befinden. Welcher Art ist die Mission, wenn ich fragen darf?“ Der Kaiser überlegte. Er wollte eigentlich nicht preisgeben, weshalb sie tatsächlich unterwegs waren. Hernach wollte der Marquis noch seinen Anteil an ihrem Fund haben. „Nun, es handelt sich um eine Wette zwischen mir und Richter Zargabaath, dem Kommandanten der Alexander. Wir wollen ausprobieren, wie hoch die Alexander fliegen kann.“ Vom anderen Luftschiff war nur ein ‚oh‘ zu hören, während Penelo und Basch ein Lachen unterdrücken mussten und der Richter unwillig den Kopf schüttelte. „Ich weiß zwar nicht, welchen Nutzen diese Information für ganz Ivalice haben soll, aber in dem Falle lassen wir Sie gewähren. Sie werden sicher nachvollziehen können, dass wir Ihre Flugroute weiterhin beobachten werden“, meinte Orville höflich. „Selbstverständlich“, erklärte der Kaiser. „Over and out.“ „Over and out“, wiederholte Zargabaath. Die Verbindung brach ab. Der Richter auf seinem Podest verschränkte klappernd die Arme und starrte auf seinen jungen Herrn. Larsa schien das jedoch gar nicht zu bemerken. „Wie lange dauert es denn noch?“, fragte er neugierig. „Es sollte maximal eine halbe Stunde dauern, wenn wir mit Maximalgeschwindigkeit steigen“, antwortete Willim. Die Wissenschaftler hatten ziemlich still gehalten und Basch hatte sie schon fast vergessen. Jetzt kam der ältere der beiden aus ihrer Ecke auf sie zu. „Die Position der Objekte hat sich nur geringfügig verändert. ... Tatsächlich haben sie sich wieder etwas von Buhjerba entfernt.“ „Wie viele sind es eigentlich?“, fragte der Hauptmann. Willim tippte mit einem Stift auf dem Klemmbrett herum, das er in den Händen hielt. „Es sollten insgesamt acht große Steine sein. Wenn wir diese einsammeln, sollten die restlichen kleinen Partikel, die sich in ihrer Nähe aufhalten und von der Mysth beeinflusst werden, zu Boden fallen oder verglühen.“ „Kann man nicht einfach... nun ja, nah heran fliegen und ein Fenster aufmachen?“, schlug die Blondine vor. „Hah!“, meinte Basch, „Die Alexander mag zwar jetzt wendiger sein, aber ich glaube nicht, dass unser Kommandant hier sie so millimetergenau gesteuert bekommt, dass man nur den Arm ausstrecken braucht, um die Steine einzusammeln.“ Der Genannte hatte angefangen, mit dem Zeigefinger der rechten auf den Oberarm der linken zu tippen. Er war dankbar dafür, dass der Hauptmann eine Erklärung geliefert hatte. „Sinnvoller ist es, einige Kampfjäger loszuschicken“, fügte Zargabaath Baschs Ausführungen hinzu, „Sie sind bei weitem wendiger und können es auch zu beachtlichen Geschwindigkeiten bringen.“ „Allerdings sollten sie sich beeilen“, meinte Aldert, der nun ebenfalls hinzugetreten war. „Warum?“, fragte der Kaiser. „Wir wissen leider nicht, welche Auswirkungen die dünne Luft hier oben auf den Antrieb und die Manövrierfähigkeit von Luftschiffen hat. Die Alexander kann dies offenbar kompensieren, aber man sollte kein unnötiges Risiko eingehen, wenn wir die Lamoras benutzen wollen.“ „Dann setzen wir sie besser so nah wie möglich aus“, meinte Zargabaath und gab einige Anweisungen. Der Offizier, der vorhin schon den Funkspruch aus Buhjerba angenommen hatte, gab die Anweisungen wohl an irgendjemanden auf dem Luftschiff weiter. „Ich kann sie sehen!“, rief Penelo. Die Blondine stand nach wie vor am Fenster und schaute hinaus. Jetzt hatte sie sich vorgebeugt, um nähere Einzelheiten zu erkennen und auch der Offizier, der direkt neben ihr seinen Dienst tat, schien von dem Schauspiel draußen abgelenkt zu sein. „Wahnsinn!“, kommentierte Basch, als er ebenfalls hinaus blickte. Nicht einmal der Kommandant ließ es sich nehmen, von seinem Podest herunterzukommen und sich das Spektakel anzuschauen, was sich ihnen bot. Etwas weiter entfernt sah man Schwaden von Mysth, die sich auf verschiedene Punkte zu konzentrieren schienen. Der üblicherweise knisternde, orangefarbene Schleier waberte in einem Gebiet von riesigem Ausmaß. Die Nethizite selbst sah man noch nicht, jedoch konnte sich der Hauptmann denken, wo sie sich befanden, denn die Mysth strömte auf die Steine zu. Sie ließen den Moment sacken. „Unglaublich!“, kommentierte einer der Gelehrten, „Stell dir nur vor, zu was sie in der Lage sein könnten...“ Das war der Augenblick für Larsa, aus seinem Tagtraum zu erwachen und Zargabaath zur Seite zu nehmen. Nur Basch registrierte, was der Kaiser dem Richter sagte. „Hören Sie“, flüsterte er, „es ist von entscheidender Wichtigkeit, dass diese Steine keinem Wissenschaftler in die Hände fallen. Sobald Ihre Leute sie eingesammelt haben, möchte ich, dass Sie sie irgendwo sicher verwahren, bis wir in der Hauptstadt zurück sind.“ Der Richter nickte wortlos, ging zum Kommunikationsoffizier hinüber und gab ihm einige Anweisungen, die nur der Soldat verstehen konnte. „Höher kommen wir nicht mehr, Sir“, meinte ein anderer Offizier. „Dann können wir es wohl nicht ändern. Aber wir sollten versuchen, den Steinen so nah wie möglich zu kommen“, meinte Zargabaath, „Manövrieren Sie die Alexander direkt unter sie.“ Die Imperialen nickten und das Flaggschiff änderte seinen Kurz geringfügig nach links. Sie näherten sich den Nethiziten, die mittlerweile als kleine leuchtende Punkte zu erkennen waren. „Wie weit sind die Piloten mit den Kampfjägern?“, brüllte der Kommandant. „Startklar, Sir!“ „Wir müssten jetzt direkt unter ihnen sein“, meinte Basch nach einigen Momenten. Er hatte sich über das Steuerpult des Kommunikationsoffiziers gelehnt und versuchte, einen Blick direkt nach oben zu erhaschen. „Ich kann sie nicht mehr sehen.“ „Gut. Marks, erteilen Sie den Jägern den Befehl zum Ausschwärmen“, befahl Zargabaath, „Wer die meisten Steine einsammelt, kriegt die nächste Woche von mir frei!“ Der Kommunikationsoffizier gab den Befehl weiter. Larsa zog eine Augenbraue nach oben und versuchte dann ebenfalls, zwischen Basch und Penelo hindurch einen Blick nach draußen zu erhaschen. Drei Lemoras verließen die gewölbten Träger der Alexander und machten sich auf den Weg, die Nethizite einzusammeln. „Ich hoffe, es geht alles gut.“ Penelo klang etwas besorgt. „Wieso sollte es nicht?“, fragte Basch. „Diese Mysth verunsichert mich nur etwas“, antwortete sie. Die Blondine wich zwei Schritte zurück, denn die Kampfjäger waren nach oben geflogen, sobald sie sich etwas vom Rumpf ihres Mutterschiffs entfernt hatten. Jetzt war von ihnen nichts mehr zu sehen. „Wie lange wird es dauern?“, fragte Larsa seinerseits. „Es sollte recht schnell gehen. Vor allem mit diesem kleinen Wettstreit, den Zargabaath ihnen auferlegt hat“, sinnierte der Hauptmann. Der Junge nickte. Sie warten einige Zeit, dann wurde der Himmel von einem grellen Lichtblitz erhellt. Basch, Larsa und Penelo stürzten zum Fenster, nachdem sich ihr Augenlicht wieder halbwegs akklimatisiert hatte. „Bericht!“, rief der Kommandant. „Es scheint, einer der Kampfjäger hat einen der Steine eingesammelt. Es gab einen erhöhten Ausstoß von Mysth.“ „Wie ist der Status des Lemora?“ „Moment...“ Einer der Offiziere tippte eifrig auf seinem Bedienpult. „Habe sie wieder alle drei auf dem Schirm, Sir. Die Mysth scheint die Signale kurzzeitig gestört zu haben. ... Die Kampfjäger fahren damit fort, die restlichen Steine einzusammeln.“ „Sie haben gleich den nächsten!“, rief Aldert, „Besser, wir bereiten uns auf einen weiteren Lichtblitz vor!“ Zargabaath murmelte etwas in seinen Helm hinein, als der Himmel erneut in gleißende Helligkeit getaucht wurde. „..., geben Sie uns eine Warnung, sobald die restlichen Nethizite eingesammelt wurden“, befahl er, „Meine Herren, bitte wenden Sie sich so gut wie möglich von den Lichtblitzen ab, um mögliche gesundheitliche Schäden zu verhindern.“ Penelo drehte sich zu dem Richter um und stemmte die Hände in die Hüften. „Hey!“, meinte sie beleidigt. „Gilt natürlich auch für die anwesenden Damen“, fügte Zargabaath rasch hinzu. „Achtung! Der nächste kommt gleich!“ Basch schloss die Augen. „Sir, der neuerliche Ausstoß von Mysth hat bewirkt, dass die Alexander sinkt. ... Korrigiere den Kurs, Sir!“ „Wie viele noch?“, brüllte der Kommandant. „Zwei weitere folgen jetzt...!“ Erneut hielten sie sich die Hände vors Gesicht oder schlossen die Augen. Das Luftschiff wurde einmal kurz durchgeschüttelt. „Haben die Signale erneut verloren, Sir! Versuche, sie wieder herzustellen!“ ‚Langsam wird es ungemütlich.‘ Basch rückte näher an Larsa heran, der sich bei den Turbulenzen seinen Arm am Sitz des Kommunikationsoffiziers gestoßen hatte. „SIR! Habe nur noch zwei der Kampfjäger auf dem Schirm!“ Zargabaath fluchte und kam wieder vom Podest herunter. Er schob Penelo unsanft beiseite, um auf den Bildschirm blicken zu können. „Die beiden anderen?!“, verlangte er. „Hier, Sir“, der Offizier deutete auf den Bildschirm. „Holen Sie sie in die Leitung!“ „Moment...“ Der Kommunikationsoffizier, der nebenan saß, nickte, als er einen Kanal geöffnet hatte. „Kaktor, hier ist die Alexander. Was ist der Status von Sylph?“ „Sylph hat Energie verloren und ist umgedreht, Sir“, antwortete ihm eine kratzige Stimme. „Ihre Funkverbindung?“ „Vermutlich kaputt, Sir. Die letzte Mysth-Explosion scheint ein Leck verursacht zu haben. Sie ist mit einer Rauchfahne umgedreht...“ „Geben Sie mir den rechten Träger!“, herrschte der Richter. Der Offizier änderte die Kommunikationsleitung. „Träger 2! Ist die Sylph zurück?“ Zargabaath hielt sich gar nicht mehr mit Höflichkeiten auf. Nach kurzem Zögern meldete sich die Besatzung. „Sir, die Sylph ist auf dem Vordeck gelandet, aber nicht mehr zu gebrauchen...“ Der Himmel wurde wieder von einem Lichtblitz erhellt. „Die sollen bloß aufpassen da draußen...“, meinte Basch. „Es müssten eh nur noch zwei sein.“ Larsa hatte mitgezählt. Gebannt starrten sie auf die Bildschirme, die die Flugrouten der letzten zwei verbliebenen Lemoras anzeigte. „Ich hole sie...“, murmelte der Hauptmann. Penelo lief ihm hinterher, während der Kaiser auf der Brücke zurückblieb und die Augen vor dem vorletzten Lichtblitz schloss. Gleich würde es vorbei sein. Sie würden die Nethizite eingesammelt haben und die Atmosphäre von Ivalice würde in ihren ursprünglichen Zustand zurückkehren. Basch würde dafür sorgen, dass niemand Unbefugtes die Steine an sich nahm und sie würden nach Archadis zurückkehren können. * * * Einige Tage später stand der Kaiser mit seinem Gast und dem Hauptmann zusammen in seinen Privaträumen. Sie hatten sich am Fenster versammelt und starrten gebannt nach draußen, wo dicke Regentropfen dafür sorgten, dass der ausgetrocknete Teich wieder gefüllt wurde. „Ich hatte ja irgendwann einmal überlegt, Fische einzusetzen... Ich bin froh, dass ich es nicht getan habe“, erzählte Larsa. „Die wären alle verendet“, folgerte die Blondine. Basch seinerseits öffnete die Tür in den Garten und trat hinaus. Wie lange er schon nicht mehr im Regen gestanden hatte. Das kühle Nass prasselte ihm ins Gesicht, wo nur noch einige abgestorbene Hautfetzen verrieten, dass er einen starken Sonnenbrand gehabt haben musste. Innerhalb kürzester Zeit war er vollkommen durchnässt, aber er genoss es. „Wenn du wieder hereinkommst, darf als erstes die Putzkolonne anrücken...“, meinte Penelo vorwurfsvoll. Sie stand mit Larsa zusammen in der Tür und musterte Basch von oben bis unten. „Na und? Solange meine Rüstung nicht zu rosten anfängt...“ „Noah würde sich im Grabe umdrehen“, kommentierte der Kaiser. Die drei lachten. Seit sie die Nethizite vom Himmel gepflückt hatten, hatte sich das Wetter gebessert. Noch in derselben Nacht waren schwere Gewitterwolken am Horizont aufgezogen und als Basch am nächsten Tag aus dem Fenster gesehen hatte, goss es wie aus Eimern. „Eigentlich könnte man die Sonne schon fast wieder vermissen“, meinte er und schob sich wieder ins Zimmer. Die beiden jungen Leute wichen vor ihm zurück und schauten dann dabei zu, wie dicke Wassertropfen an seiner Rüstung herabrannen und auf dem Boden einen kleinen See bildeten. „Stimmt, von deinem Sonnenbrand erkennt man schon nichts mehr“, feixte Penelo. Sie duckte sich weg, als Basch scheinbar beiläufig eine Hand in ihre Richtung wedelte und dadurch Wasser davon spritzte. „Also wirklich!“, befand Larsa. Sie setzten sich auf die Sofas und Sessel, wobei der Hauptmann darauf achtete, sich auf eine dick zusammengelegte Decke draufzusetzen, um das Möbelstück nicht einzusauen. „Was wirst du mit den Nethiziten jetzt machen?“, fragte Penelo. Unbewusst warfen sie Blicke auf die Tür, die zu Larsas Schlafzimmer führte. Dort hatte der Junge die Steine vorerst versteckt, aber es war klar, dass sie dort nicht bleiben konnten. Außer den dreien wusste nur noch Zargabaath, in wessen Obhut sie sich befanden und der konnte schweigen wie ein Grab. Oder wenn der Kaiser ihm eindeutige Blicke zuwarf. Nachdem die letzten beiden Kampfjäger mit ihrer Beute zurückgekehrt waren, hatten Basch und Penelo die Nethizite eingesackt und waren erst wieder aufgetaucht, als Larsa und der Richter die zwei äußerst euphorischen Wissenschaftler abgewimmelt hatten. „Ich hatte mir überlegt, sie zu gleichmäßig an die anderen Reiche zu verteilen. So dass niemand benachteiligt ist... Jedoch...“ „Das ist doch viel zu riskant“, warf Basch ein, „Selbst wenn wir uns auf Ashe, Al Cid und den Marquis verlassen können, irgendwann werden es doch andere herausfinden und die Steine für sich nutzen wollen.“ „Ich finde, da hat er Recht“, bestätigte Penelo. „Ich weiß. Ich habe den Plan auch wieder verworfen. Lieber wäre es mir, man könnte die Nethizite irgendwo versenken.“ Sie schwiegen eine Weile. Der Regen hatte etwas nachgelassen, jetzt wo bereits alles ausreichend ertränkt worden war. Die Blondine war inzwischen seit etwa einer Woche in Archadis zu Besuch. Heute war ihr letzter Tag, denn Vaan hatte sich am Vortag gemeldet. Allen dreien ist ein Stein vom Herzen gefallen, trotzdem hatte Penelo es sich nicht nehmen lassen, ihren langjährigen Weggefährten, der seit seinem Abflug aus Archadis nichts mehr von sich hatte hören lassen, direkt über das Kommunikationspult des Palastes zusammenzustauchen. Die drei hatten eigentlich vorgehabt, ein Museum mit Ausgrabungen aus dem Imperium zu besuchen, als der Funkspruch der Reks reinkam. Nachdem die Blondine sich wieder halbwegs beruhigt hatte, erzählte Vaan, dass es eigentlich ganz rosig aussah in Rabanastre. Der Sand war zum größten Teil wieder in die Wüsten geschafft worden und auch die Nomaden aus der Giza-Ebene konnten ihre Siedlung wieder aufsuchen. Irgendwann hatten Filo und Kytes Vaan vom Mikrofon abgedrängt und gefleht, Penelo möge doch bitte schnellstmöglich wieder nach Hause kommen, weil es mit dem Piloten sonst noch im Chaos Enden würde. Der junge Zauberer hatte noch angefügt, dass Filos Kochkünste eine Katastrophe seien und sich einen Schlag in die Seite eingefangen, was er mit einem wimmernden ‚aua‘ quittiert hatte. Das hatte die drei wieder um Lachen gebracht und Vaan hatte zugesichert, die Blondine am nächsten Tag aufzusammeln. Jetzt warteten sie alle darauf, dass er kam. „Wie sicher ist das denn nun eigentlich mit der Expedition vor Balfonheim?“, fragte Basch ins Schweigen hinein. „Ruby schien die Sache etwas skeptisch zu sehen. Wahrscheinlich glaubt sie nicht an den Erfolg. ... Ich ehrlich gesagt auch nicht“, erklärte Larsa. „Und wann soll es losgehen?“ „Sobald ein Team mit Wissenschaftlern steht. Warum?“ „Nun, man könnte die Nethizite im Meer versenken. ... Dort unten bei Lemurés wird sie sicher niemand vermuten“, führte der Hauptmann aus. Er hatte sich nun doch zurückgelehnt und die Sofagarnitur, auf der er saß, hatte hässliche feuchte Flecken bekommen. „Das ist gar keine schlechte Idee“, befand Larsa, „Dann muss ich nicht länger mit ihnen in einem Zimmer schlafen.“ „Das solltest du sowieso nicht!“, meinte Penelo streng. Der Kaiser grinste verlegen. „Ich werde die kommenden Nächte einfach hier auf einer der Couchen schlafen“, meinte er tapfer. „Das werden wir noch sehen“, murmelte Basch geheimnisvoll. Larsa wurde wieder ernst. „Trotzdem sollte ich zumindest Ashe und den Marquis darüber aufklären, was vorgefallen ist. Vor allem in Buhjerba dürfte die erhöhte Konzentration von Mysth nicht unbemerkt geblieben sein.“ „Dann schau, dass du das mit einem Besuch in Rabanastre verbinden kannst. ... Damit Basch auch mal wieder was anderes zu sehen bekommt“, ermunterte ihn die Blondine. Der Hauptmann sah zwischen den beiden hin und her. „Mal schauen. Nachdem ich Ruby ja versprechen musste, Basch bei meinem nächsten Besuch wieder mitzubringen, kann sich das noch hinziehen.“ „Immer geht es um diese Ruby!“, grummelte der Hauptmann frustriert, „Ich versteh gar nicht, warum ihr mich immer mit ihr aufziehen müsst!“ Penelo und Larsa lachten. „Überhaupt, müsste sie nicht viel mehr daran interessiert sein, ihren unseligen Cousin mal wieder zu Gesicht zu bekommen?“, sinnierte Basch weiter, „Vermutlich weiß sie schon gar nicht mehr, wie er aussieht.“ „Fällst du jetzt wieder in dein altes Rollenmuster?“, kicherte der Junge. Basch zog eine Augenbraue nach oben. „Wieso Rollenmuster? Ich finde es nur schade, wenn es innerhalb einer Familie Zwistigkeiten gibt.“ „Auf der Alexander warst du auffällig zurückhaltend, was deinen gewohnten Umgang mit Zargabaath betrifft.“ „... Da hatten wir andere Sorgen. Außerdem hatte Penelo ihn ja schon geärgert gehabt.“ Die Blondine schaute ganz unschuldig drein. „Es war aber auch nicht leicht, ihn aus der Reserve zu locken.“, meinte sie dann. „Das liegt an seiner Verklemmtheit“, erzählte Basch. „Na na na! Ich muss doch sehr bitten!“ Ertappt sahen die beiden zu Boden. „Eigentlich macht er ja einen netten Eindruck, wenn auch etwas unterkühlt“, meinte Penelo dann. „Hah!“ „Das würde ihn bestimmt freuen, zu hören.“ Der Hauptmann wechselte das Thema: „Wie geht es jetzt eigentlich mit den Zivilisten im Laboratorium weiter?“, fragte er, „Es war ja angedacht, sie nur für die Zeit der Hitze dort unterzubringen, aber ich denke, das Wetter hat sich mittlerweile wieder auf das Normalmaß beruhigt.“ „Ja. Der Leiter des Labors sucht mich auch täglich heim“, erwiderte Larsa entnervt, „So als ob ich sonst keine Sorgen hätte.“ „Ich kann ihn auch gerne in die Schranken weißen, das nächste Mal“, bot Basch an. „... Nun ja, ich habe ihm gesagt, dass die Leute noch ein oder zwei Wochen dort bleiben werden, auch damit sie sich von den Folgen der Hitze auskurieren können. ... In der Zwischenzeit sollen einige Architekten prüfen, wie man die Situation im alten Archadis verbessern kann. Lysander meinte gestern, einige Teile seien sogar überschwemmt vom dauerhaften Regen.“ Larsa ließ die Offerte des Hauptmanns bewusst unbeantwortet, um im Notfall auf sie zurückgreifen zu können. „Jedenfalls freue ich mich, dass es keine größeren Schwierigkeiten gab. Die Bürger scheinen sich schon sehr gefreut zu haben, als wir sie neulich noch mal besucht haben“, befand der Kaiser. „Ja. Nur vor Basch in seiner Rüstung hatten sie Angst“, stellte Penelo fest. „Das Thema hatten wir bereits. Und auch das Thema, ob ich in der Rüstung Eindruck schinde“, gab der Hauptmann. Ungewollt lief er wieder rot an. Er verschränkte seine Arme. „Bei Ruby hat es jedenfalls gewirkt“, meinte die Blondine schnippisch. „Hah!“ „Wie dem auch sei. Wie spät haben wir es jetzt?“, fragte Larsa ablenkend. „Es sollte kurz nach drei sein“, schätzte Basch. „Schon so spät? Penelo, du musst bestimmt noch deine Sachen packen, oder?“ „Ja, stimmt. Besser, ich mache es gleich.“ Die drei standen auf und gingen zur Tür. „Ich komme wieder, wenn ich fertig bin.“ „Ja. ... Meinst du, du findest alleine zurück? Ich bräuchte meinen Leibwächter noch einen Moment...“ Der Kaiser grinste. „Erschreckend, aber wahr. Basch hat mich heute vorausgehen lassen und ich habe, ohne mich zu verlaufen, hergefunden“, erzählte Penelo, „Also ja, ich sollte den Weg alleine finden. Wenn nicht frag ich einfach jemanden. Mittlerweile kennt man mich ja.“ Die Blondine lächelte und schlüpfte aus dem Zimmer hinaus. Der Junge sah noch einen Moment auf die Tür. Basch beobachtete ihn. „Euch ist hoffentlich klar, dass sie nicht zur Wahl steht.“ Larsa seufzte, drehte sich um und sah seinen Leibwächter an. „Und Euch ist hoffentlich klar, dass Ruby tatsächlich eine Wahl wäre? ... Für Euch?“ „... Seid Ihr jetzt etwa auch noch Heiratsvermittler?“ „Nein“, bekannte Larsa, „Das steht mir auch gar nicht zu. Allerdings... Ihr solltet sie wirklich näher kennenlernen. Ruby ist reizend, wenn man sich etwas mit ihr unterhalten hat.“ Der Hauptmann sah höchst unwillig auf seinen Schützling herab, antwortete aber nicht. „Schon um Euer selbst Willen!“ „Um meiner selbst Willen?“ „Ja, denkt darüber nach!“ Der letzte Satz klang wie ein Befehl. Larsa beachtete ihn nicht weiter, ging hinüber zur Sitzecke und nahm wieder Platz. In Baschs Kopf schwirrten die Gedanken. ~ FIN ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)