Mondscheinkuss von Shunya ================================================================================ Kapitel 11: Gefangen in einem goldenen Käfig -------------------------------------------- Als ich am nächsten Morgen aufwache liegt Farik hinter mir. Wieso lasse ich zu, dass er mich so behandelt? Habe ich das verdient? Wieso hat er mich zu einem Vampir gemacht? Damit er auf immer und ewig ein williges Betthäschen hat? Ich entziehe mich seinen Armen, setze mich im Bett auf, vergrabe mein Gesicht in den Händen und atme tief durch. Ich muss ruhig bleiben. Dale wird schon merken, dass ich weg bin und dann stellt er Nachforschungen an und holt mich hier weg. Und wenn nicht? Wenn niemand kommt? Farik regt sich hinter mir. Er rutscht näher an mich heran und küsst sich meinen Rücken entlang. Seine Hände streichen über meine Haut. Er greift nach meiner Schulter und zieht mich zurück ins Bett. Ich lege mich hin und sehe zu wie er sich über meinen Oberkörper küsst. „Was bin ich für dich?ˮ, frage ich ihn matt. Farik hebt den Blick als er über meinen Nippel leckt. „Ein netter Zeitvertreib.ˮ Ich schlucke und wende den Blick ab. „Hast du mich hierher geholt damit du mich jederzeit ficken kannst wie es dir beliebt?ˮ Farik seufzt und lässt von mir ab. „Du bist mein Gefährte.ˮ Mit zusammengezogenen Augenbrauen sehe ich ihn an. „Du bist nicht wie ein Entführer. Du hast irgendetwas im Sinn, nur blicke ich nicht dahinter. Ich verstehe nicht was du dir von mir erhoffst. Dass ich die Beine breit mache? Willst du jemanden haben, den du herumkommandieren kannst? Was?! Was willst du von mir?!ˮ Farik setzt sich auf. Er wirkt ein wenig verärgert. „Du bist der Köder.ˮ Irritiert sehe ich ihn an und setze mich ebenfalls im Bett auf. „Hunter Reed und ich sind hinter den beiden Geschwistern her. Um an sie heranzukommen habe ich dich verschleppt. Du bist naiv und es war ein leichtes Spiel dich von ihnen wegzulotsen. Wenn ihnen genug an dir liegt werden sie nach dir suchen und dann klappt die Falle zu. Im Grunde genommen bist du nur ein Spielball. Es ging die ganze Zeit nicht um dich.ˮ Farik legt mir seine Hand an die Wange. „Was aus dir wird ist vollkommen egal. Du bist nichts wert. Du siehst nicht einmal schön aus mit deinen Verbrennungen im Gesicht.ˮ Schluckend sehe ich ihn an und versuche zu realisieren was er mir da erzählt. „Wir haben nachgeforscht und schnell wurde uns klar, dass unser Weg nur über dich zu Dale und Elaine führt.ˮ Farik erhebt sich vom Bett und beginnt sich anzukleiden. Ich starre wie betäubt auf die Decke in die sich meine Finger krallen. „All das war nur ein abgekartetes Spiel?ˮ, frage ich leise. „Du bist nun ein Vampir und ich dein Meister.ˮ Farik kommt zu mir und beugt sich über mich. Ich sehe auf. Dicht vor meinem Gesicht hält er inne. „Wenn ich die Geschwister an meiner Seite habe und Reed beseitige kann ich eine neue Weltmacht heraufbeschwören. Wir Vampire werden die neuen Götter sein. Die Menschen werden uns unterliegen und zu unseren Sklaven. Wir machen sie zu Vampiren, unseresgleichen und dann beginnt ein neues Zeitalter. Der Mensch ist wie ein widerwärtiges Insekt, doch mit den Fähigkeiten eines Vampires können wir so vieles erreichen. Du wirst sehen, es wird der Tag kommen an dem die Menschheit untergeht und wir aus den Schatten treten um uns das zu nehmen was uns immer vorenthalten blieb. Die Nacht wird regieren und Vampire erhobenen Hauptes in die Zukunft blicken. Vergessen wird die Zeit sein, in der wir in der Dunkelheit leben mussten. Keine Geheimniskrämerei mehr. Kein Leben im Verborgenen. Wir werden frei sein und danach streben wir schon so lange. Nach Freiheit!ˮ Farik lächelt und zieht sich zurück. Er verlässt das Zimmer und noch immer klingen seine Worte in meinem Kopf nach. Ich fühle mich wie betäubt. Der Schlüssel zur Freiheit sind diese beiden Geschwister, doch was ist so besonders an ihnen? Dale hat schon einmal angedeutet, dass er anders ist als normale Menschen. Doch was bedeutet das? „Dale, komm nicht hierher. Bitte, komm nicht...ˮ, murmele ich leise. Den Tag verbringe ich alleine in Fariks Schlafzimmer. Gelangweilt nehme ich es auseinander, doch sehr viel finde ich nicht. Die Schränke sind leer und mich überkommt das Gefühl, als wäre dies hier gar nicht sein richtiges Zimmer, nur eines von vielen in diesem großen unübersichtlichen Haus. Da meine Kleidung blutüberströmt ist hat mir mal wieder ein Diener neue gebracht. Eine schwarze Stoffhose und ein weißes Hemd zum Zuknöpfen. Gelangweilt sitze ich auf dem Bett herum. Mein Blick fällt auf die zerwühlten Laken. Abwesend streiche ich mit der Hand einige Falten glatt. Wenn ich mich nicht wehre und es zulasse ist der Sex gar nicht so schlimm. Ich empfinde zwar keine Freude daran und ekele mich regelrecht beim Akt, aber es ist auszuhalten. Farik ist zärtlicher, wenn ich mich nicht dagegen sträube und hat sich diesmal sogar genug Zeit gelassen um mich vorzubereiten. Trotzdem. Es bestärkt mein Gefühl nur. Diesen Ekel davor mit einem Mann zu schlafen. Ich fand den Gedanken daran vorher schon nicht sehr verführerisch. Und jetzt...? In Dales Anwesenheit war ich nie richtig ich selbst, seit Farik mich zu einem Vampir gemacht hat. Von mir aus... Hätte ich jemals von mir aus mit ihm schlafen wollen? Ohne dieses wolllüstige Gefühl eines Vampires, der danach lechzt diesen anderen Körper in Besitz nehmen zu wollen? Nein, ich wollte Dale schon vorher nahe sein. Meinen Kopf vergrabe ich in den Händen und seufze. Ich wünschte er wäre jetzt hier. Hier bei mir. Ein weiterer Seufzer entfährt mir als ich mich rücklings ins Bett fallen lasse und deprimiert an die Zimmerdecke starre. Wenn ich mich in mein Schicksal füge, kann ich Farik vielleicht umstimmen? Ihn davon abhalten Dale und Elaine für seine Zwecke auszunutzen. Und wenn es mir nicht gelingt? Meine Hand gleitet über meine verbrannte Wange. Farik hat mir klar gemacht, dass ich für ihn wertlos bin. Er schläft mit mir um sich zu vergnügen, aber wirklich etwas für mich empfinden tut er nicht. Er findet mich hässlich. Ich lache freudlos auf, ehe ich mich aufrichte und vom Bett erhebe. Ich schlurfe durch den Raum und gehe zur Tür. Sie lässt sich zu meiner Verwunderung öffnen. Irritiert werfe ich einen Blick aus dem Zimmer. Draußen ist ebenfalls niemand zu sehen. Hält Farik es nicht für nötig mich zu kontrollieren? Als ich einen Schritt aus dem Zimmer wage pralle ich mit dem Fuß gegen einen Gegenstand. Es klirrt leise. Ich blicke herunter. Auf einem Tablett steht ein einzelnes Glas. Wein? Ich greife danach und sofort strömt mir die blutige Note in die Nase und bringt mein eigenes Blut in Wallung. Obwohl mir ein wenig schlecht wird stürze ich das Blut die Kehle hinunter ohne das Glas auch nur einmal abzusetzen. Nach dem letzten Schluck stelle ich das Glas zurück und fühle mich schon etwas besser. Fariks Blut schmeckt wirklich ausgezeichnet. Viel besser als das des Jungen von gestern. Ich lehne mich an die Wand und greife mir an die Stirn. Noch immer fühle ich mich schlecht, wenn ich an ihn denken muss. Ich wollte ihm helfen und stattdessen habe ich ihn umgebracht. Wie soll ich meinen Blutdurst nur jemals unter Kontrolle bringen? „Vielleicht ist es wirklich besser, wenn ich hier bleibe und Dale nicht kommt. Ich bin für alle eine Gefahr...ˮ, murmele ich frustriert und versuche dieses Gefühl der Hilflosigkeit herunterzuschlucken. Ich sinke zu Boden und atme tief durch. Ich werde sie nie wieder sehen können. Meine Eltern, Melanie, Dale und Elaine... Mein menschliches Leben ist vorbei. Ich werde nur noch als Vampir leben, mich der Dunkelheit hingeben und nie wieder richtiges Tageslicht sehen können. Ich schlucke und wische mir eine vorwitzige Träne aus dem Augenwinkel. „Ich bin ein Monster...ˮ, flüstere ich verzweifelt. Als Farik abends heimkommt, sitze ich auf den Stufen der großen Treppe in der Eingangshalle. Mein Kopf lehnt an den Sprossen des Geländers und haftet auf dem Mann in Gewand und Kopftuch, der ins Haus kommt und sich dem Stoff am Kopf entledigt. So entgeht er zumindest einem Großteil der Sonneneinstrahlung. Auch die Sonnenbrille reicht er dem Butler, der ihm alles abnimmt und kommt schließlich zu mir. „Wie war dein Tag?ˮ, fragt Farik desinteressiert und bleibt einige Stufen unter mir stehen. „Ereignislos...ˮ, murmele ich und weiche seinem Blick aus. „Hast du Durst?ˮ Matt nicke ich und so setzt Farik sich neben mich und hält mir seinen Arm hin. Widerwillig richte ich mich auf und beuge mich darüber. Meine Lippen gleiten über die Haut und diesmal klappt es reibungslos meine Zähne auszufahren und sie in die Haut des Mannes zu bohren. Mit beiden Händen greife ich nach seinem Arm und trinke gierig. Ich schließe die Augen und spüre seine freie Hand, die durch meine Haare streicht. Eine Weile sitzen wir auf der Treppe bis er mich von sich fort schiebt und aufsteht. Ich lecke mir über die blutigen Lippen und sehe zu ihm auf. Ohne ein weiteres Wort kehrt Farik mir den Rücken zu und steigt die Treppen hinauf. Er biegt nach rechts ab und da ich ohnehin nichts zu tun habe folge ich ihm. Farik läuft auf eine Zimmertür zu und tritt ein. Unschlüssig bleibe ich stehen, obwohl er die Tür offen gelassen hat. Nach einigen Minuten des Zauderns trete ich doch ein und sehe mich um. Es handelt sich um ein kleines Lesezimmer. Sehr groß ist der Raum nicht. Mit der Bibliothek im Haus kann es zumindest nicht mithalten. Farik sitzt an einem Schreibtisch und rastlos lasse ich mich in einem Besucherstuhl ihm gegenüber nieder. Er beachtet mich nicht als wäre ich gar nicht anwesend. „Wofür brauchst du Dale und Elaine?ˮ, frage ich Farik nach einer Weile, während ich ihm einfach nur zugesehen habe wie er Papiere durchgeht. Er schaut kurz auf, doch nur für einen Moment. „Das hat dich nicht zu interessieren.ˮ „Das tut es aber!ˮ, erwidere ich störrisch. Farik hält inne und lässt die Dokumente in seiner Hand sinken. „Was weißt du über Vampire?ˮ „Eine ganze Menge. Einiges ist wahr, doch andere Dinge sind an den Haaren herbeigezogen und seit den Jahren hat sich vieles geändert.ˮ „Dale und Elaine sind etwas Besonderes.ˮ „Inwiefern?ˮ Stirnrunzelnd sehe ich zu meinem Gegenüber. „Dir mag es noch nicht aufgefallen sein, doch Dales Blut macht es möglich, den Geruch von Vampiren zu überdecken.ˮ „Das weiß ich bereits.ˮ „So macht er es uns schwieriger sie zu finden. Das kleine Mädchen, das Elaine gebissen hat war eines unserer ersten Vorfahren. Sie hat dir sicherlich nicht erzählt was mit dem Mädchen anschließend passiert ist oder?ˮ „Nein, ich glaube nicht.ˮ So richtig daran erinnern kann ich mich nicht mehr. „Sie ist tot. Elaines Blut ist Gift für Vampire.ˮ Erstarrt sehe ich den Mann vor mir an. „Der Bruder schenkt Leben, die Schwester nimmt es. Es ist perfekt!ˮ Farik lacht laut auf. Erschrocken zucke ich zusammen. „Und du! Du wirst dafür sorgen, dass sie hierher kommen!ˮ „Was?ˮ, frage ich skeptisch. „Du wirst Kontakt zu ihnen aufnehmen und dafür sorgen, dass beide herkommen. Sag ihnen hier seien sie sicher, dass ich Reed nur benutzt habe und sie sich in diesem Haus nie mehr fürchten müssen.ˮ Zweifelnd sehe ich den Mann an. Farik scheint sehr von seiner Idee überzeugt zu sein. „Nein, das tue ich nicht.ˮ Entschlossen sehe ich zu ihm. Fariks Lächeln verschwindet augenblicklich. „Wie bitte?ˮ, fragt er lauernd. Ich presse meine Lippen aufeinander und schüttele entschieden den Kopf. „Ich werde sie nicht hierher locken.ˮ Farik seufzt und lächelt. „Ja, das habe ich befürchtet.ˮ Er steht auf, kommt um den Tisch herum und geht vor mir auf die Knie. Er zwängt sich zwischen meine Beine und greift nach meinen Händen, küsst beide Handrücken und blickt zu mir auf. „Es hat auch Vorteile für dich. Du kannst mit ihm zusammen sein. Das willst du doch oder nicht? Du willst in Dales Armen liegen und von ihm gehalten werden, nicht von mir. Ich sehe es dir doch an. Du liebst ihn und verzehrst dich nach ihm.ˮ Ich schlucke unwillkürlich und weiche seinem Blick mit dem falschen Lächeln aus. Fariks Hände gleiten über meinen Körper und Knopf um Knopf öffnet er mein Hemd. Seine Lippen küssen sich meinen Brustkorb entlang. „Du willst seine Hände und Lippen spüren. Ist es nicht so?ˮ, flüstert er. Seine Lippen wandern hinauf zu meinem Hals. Unstet irrt mein Blick durch den Raum. „Du willst sein Blut kosten und seine zarten Lippen in Besitz nehmen...ˮ Fariks Mund drückt sich auf meinen. Ich kneife die Augen zusammen und stemme meine Hände gegen seine Schultern. „Nein! Nein! Ich will ihn nicht in Gefahr bringen!ˮ, erwidere ich und versuche Abstand zwischen mich und Farik zu bringen. „Dann lässt du mir keine andere Wahl!ˮ Seine Stimme ist auf einmal eiskalt und mit einem kraftvollen Ruck zieht er mich vom Stuhl. Ich stolpere hinter ihm her, als er mich aus dem Lesezimmer zerrt. Ängstlich sehe ich mich um, doch von den Dienern ist weit und breit niemand zu sehen. Wo bringt er mich hin? „Farik? Bitte beruhige dich! Ich habe es nicht so gemeint! Ich wollte dich nicht verärgern! Bitte, tu mir nichts! Ich... I-ich...ˮ, jammere ich und stemme meine Beine in den Boden. Wir sind wieder in der Eingangshalle. Farik lässt mich zu Boden fallen und geht zu einem Tastenfeld direkt neben der Eingangstür. Er gibt eine Nummer ein woraufhin es jedes Mal piept. Dann höre ich wie sich unter mir etwas surrend in Bewegung setzt. Der Boden unter mir zieht sich zurück. Hastig rutsche ich außer Reichweite und sehe zu wie die Bodenplatte verschwindet und stattdessen eine finstere gähnende Leere hinterlässt. Vorsichtig krieche ich näher heran und sehe, dass eine breite Treppe nach unten führt. Ich schaue über die Schulter hinweg zu Farik. Dieser hat sich aus einer Kommode nahe der Tür eine Taschenlampe geholt, schaltet sie an und bedeutet mir ihm zu folgen. Widerwillig tue ich es. „Pass auf wo du hintrittst!ˮ, ermahnt er mich. Ich folge ihm zögernd. Mit jeder Stufe geht es immer tiefer in die Dunkelheit hinein und nach einer schier endlosen Zeit kommen wir schließlich unten an. Es sind Kellergewölbe und eine Art Labyrinth von Gängen erstreckt sich unter dem großen Anwesen. Staunend und ein wenig ängstlich laufe ich Farik nach, der zielsicher durch die Gänge geht. Nach einiger Zeit wird mir klar was das hier ist. Es ist eine Gruft. Überall in den Gängen sind kleine Kuhlen ausgehoben worden in denen Skelette lagern. Zumindest das was noch von ihnen da ist. Der Gang weitet sich und mit einem Mal sind zu beiden Seiten vom Boden bis zur Decke Schädel an den Wänden zu sehen. Übereinander- und nebeneinander gestapelt nehmen sie beide Wände ein und starren uns aus ihren hohlen Augen an. Vor uns befindet sich ein kleiner Durchgang in einer Wand aus Erde an der sich keine Totenköpfe befinden. Eine flackernde Fackel hängt daneben. Wir laufen durch den offenen Eingang und als Fariks Taschenlampe ziellos über die Wände irrt und den Raum erhellt wird mir klar, dass das hier das Ende der Reise ist. „Darf ich vorstellen? Dein Vorgänger!ˮ, erklärt Farik und der Schein seiner Taschenlampe bleibt mir gegenüber an der Wand des Raumes hängen. Ich schlucke und weiche bei dem grauenhaften Anblick einen Schritt zurück. Mir steigt der Geruch von Verwesung in die Nase, der bereits die ganze Zeit durch diese Gruft wabert und hier nun seinen Höhepunkt findet. Mit der Hand halte ich mir meine Nase zu, die dank meiner Verwandlung zu einem Vampir wesentlich intensiver auf derartige Gerüche reagiert. Die Ketten klirren leise. Die Person an der Wand ist tot und doch lebt sie noch. Der Körper ist ein Schatten seiner selbst und mit der Zeit hat die Verwesung eingesetzt, die sich deutlich am Leib abzeichnet. Der ausgemergelte Körper hängt in Ketten gelegt an der Wand und starrt uns apathisch an. Der Blick wirkt wie in Trance, als wäre die Person nicht mehr hier sondern in ihrer eigenen Welt und hat längst mit dem diesseits abgeschlossen. Ein Schauder fährt mir über den Körper und ich weiche zurück. Der Mund öffnet sich, gibt einen hauchenden Ton von sich unterlegt von einem Geräusch, dass sich nur entfernt wie das eines Schweines anhört, das seinem Tod in die Augen blickt, nur sehr viel leiser. Ein leiser Schrei, der nicht von dieser Welt ist. Die Haut ist nur noch eine blasse Schicht über den Knochen und ich kann eindeutig die Knochen und Gelenke sehen. Die Haut selbst hat mit der Zeit einen gräulich blassen Ton angenommen und die Kleidung hängt schlapp am Körper herunter. „Wie lange ist er schon hier unten?ˮ, frage ich flüsternd und kann den Blick kaum abwenden. Mein Puls rast und ich habe Angst, dass Farik dasselbe mit mir vor hat. „Oh ich denke ein paar hundert Jahre sind es durchaus. Ist es nicht so, mein Lieber?ˮ, fragt Farik lächelnd und beugt sich vor. „Er sah so schön aus und nun sieh' ihn dir an. Abstoßend, nicht wahr?ˮ Farik kommt zu mir und legt einen Arm über meine Schultern. „Er war wie du, konnte sich nicht mit seinem neuen Schicksal abfinden und hat mein Geschenk für ihn mit Füßen getreten.ˮ Kopfschüttelnd wirft er theatralisch die Hände in die Luft. „Ich musste ihn wegsperren. Er wäre mir nur im Weg gewesen und hätte mich hintergangen. Wenn ich ihm überdrüssig werde, lasse ich ihn ein wenig in der Sonne brutzeln, aber noch... Noch möchte ich, dass er leidet und sich darüber im Klaren wird was er für einen dummen Fehler getan hat. Es hätte nicht so weit kommen müssen.ˮ Farik tritt an den Mann heran und streicht über seine eingefallene Wange. Die Wangenknochen treten deutlich hervor. Er streicht ihm die wenigen noch verbliebenen Haarsträhnen aus dem Gesicht und lächelt versonnen. Es ist ein grotesker Anblick als Farik ihm einen sanften Kuss auf die Stirn gibt. Erneut gibt der Mann einen tonlosen krächzenden Laut von sich, der mir das Blut in den Adern gefrieren lässt als ich sehe, dass er keine Zunge mehr hat. Unwillkürlich blicke ich zum Ausgang. Ich will wieder nach oben. Weg von hier und diesem fürchterlichen Szenario. „Ich möchte, dass du noch einmal über meine Bitte nachdenkst.ˮ Abrupt wende ich mich Farik zu, der nun dicht vor mir steht. Seinen Augen sehe ich an, dass es keine Bitte ist. Es ist ein Befehl. „Ich sollte dich eine Weile hier unten bei ihm lassen damit du diese Situation etwas ernster nimmst in der du steckst.ˮ Farik geht an mir vorbei und für einen Moment bin ich wie vor den Kopf gestossen. Mit aufgerissenen Augen sehe ich zu dem Mann in Ketten und renne hastig Farik nach. Ich greife nach seinem Arm und reiße ihn zu mir herum, so dass er unwillkürlich gegen die Wand prallt. „Lass mich nicht hier unten!ˮ, flehe ich ihn an. „Nich bei ihm!ˮ Farik hebt die Augenbrauen und sieht mich erstaunt an, dann werden seine Gesichtszüge jedoch weicher und er zieht mich an sich. „Du hast doch wohl keine Angst vor ihm?ˮ, flüstert er mir belustigt ins Ohr. Ich spanne mich an und kralle meine Finger in den Stoff seines Hemdes. „Du bleibst hier! Du denkst darüber nach und dann wirst du mir mitteilen wie du dich entschieden hast!ˮ Kraftvoll stößt er mich von sich, so dass ich zu Boden falle und rücklings auf dem harten Grund lande. Für einen Moment bleibt mir die Luft weg und mein Schädel schmerzt vom Aufprall. Ich stöhne und fasse mir an den Hinterkopf als ich mich langsam aufrichte. Um mich herum ist es stockduster, nur der kleine Schein der Fackel draußen erhellt die dunklen Gänge. Eilig rappele ich mich auf und stürme durch den Gang. „Farik? Farik!ˮ, brülle ich so laut ich kann und versuche den Weg zurück zu finden. Nach einiger Zeit wird es heller und erfreut sehe ich die große Treppe die nach oben führt. Farik läuft sie hinauf und so schnell ich kann folge ich ihm. Ganz oben dreht er sich mir zu. Als ich jedoch die letzten Stufen überwinde, höre ich das bekannte Surren und bemerke wie die Bodenplatte hervorkommt und sich über mir schließt. „Nein! Nicht! Farik, lass mich nicht hier unten! Bitte nicht! Farik!ˮ Panik kriecht in mir auf, nimmt schleichend Besitz von meinem Körper und schreiend hämmere ich mit den Händen an die Platte über mir die nur noch einen dumpfen Laut von sich gibt als sie sich schließt. „Farik!!!ˮ Dunkelheit herrscht rings um mich herum und ängstlich kauere ich mich auf den Stufen zusammen. Ich höre meinen Atem, den ich abgehackt ausstoße und das Blut rauscht mir in den Ohren. Angestrengt lausche ich und achte auf jedes noch so kleine Geräusch und obwohl ich weiß, dass hier unten in der Gruft außer dem angeketteten Mann niemand ist, so fürchte ich mich trotzdem und presse mich eng an die erdige Wand nahe des rettenden Ausgangs, der direkt vor mir liegt und doch den Weg nach draußen versperrt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)