Mondscheinkuss von Shunya ================================================================================ Kapitel 5: Hetzjagd ------------------- Schweigend sitzen Melanie und ich auf dem Bett. „Ist das wahr?“ „Ja, Dale war heute nicht in der Schule.“ „Müssen wir uns Sorgen machen?“, überlege ich und sehe sie sorgenvoll an. Melanie zuckt mit den Schultern. „Glaubst du, dieser Typ hat seine Familie...? Also, du weißt schon...als Geisel? Ich meine, die Vampirjäger wollen Vampire ausrotten. Sie können doch nicht ewig fliehen ohne bemerkt zu werden oder?“, vermutet Melanie. „Ich habe keine Ahnung!“, seufzend lehne ich mich an die Wand. Sie kühlt angenehm im Rücken bei dem heißen Wetter. Die letzten schönen Sommertage bevor der bittere regnerische Herbst beginnt. Melanie beugt sich zu mir vor. „Soll ich mal bei ihm vorbeigehen?“ Entsetzen spiegelt sich auf meinem Gesicht wieder. „Bist du wahnsinnig? Was willst du denn machen, wenn wirklich etwas passiert ist? Außerdem lebt da seine komische Schwester. Die ist mir nicht ganz geheuer. Mit der stimmt etwas nicht!“ Melanie gibt sich geschlagen. „Also warten wir einfach ab?“ „Er ist bestimmt nur krank oder so. Ist sicher nichts Schlimmes. Was soll auch schon passieren?“ „Argh! Das ist zum kotzen! Ich kann hier nichts machen!“ „Du kannst aus dem Fenster klettern. Ist Dale so nicht auch reingekommen?“, fragt Melanie und wirft einen Blick aus meinem Fenster. „Wir zwei sind auch immer so in dein Zimmer gekommen als wir jünger waren.“ „Und dann kommen meine Eltern rein und sehen das offene Fenster. Du kennst meinen Vater! Mit dem ist nicht zu spaßen.“ „Ja, stimmt auch wieder.“ Melanie lässt sich zurück aufs Bett sinken. „Ich könnte auch die Krankenschwester fragen.“ „Wieso? Willst du auch als blutiger Snack für zwischendurch enden?“, frage ich sie sarkastisch. „Okay, das heißt also wir können nichts tun?“ Sie wirkt sichtlich unzufrieden mit der Situation. „Im Moment nicht.“ Ich runzele die Stirn. „Mir fällt gerade etwas ein...“ „Was?“, neugierig beugt Melanie sich vor. Ihre Augen sehen mich erwartungsvoll an. Ich grinse, beuge mich vor und küsse sie kurz. Melanie runzelt die Stirn. „Was war das denn jetzt?“ „Ich wollte dich küssen.“ Schulterzuckend sehe ich sie an und lache. Melanie kräuselt die Lippen und boxt mir gegen die Schulter. „Jetzt sag schon! Du verbirgst etwas!“ „Okay, okay!“ Abwehrend halte ich meine Hände in die Luft. „Ich bin gestern meinem Traummann begegnet.“ Melanie entgleisen schlagartig die Gesichtszüge. Lachend kugele ich mich auf dem Bett. „Das ist echt herrlich! Wie du immer wieder guckst!“, foppe ich sie. Melanie grummelt. „Was ist das für ein Typ gewesen?“ „Er sah aus wie ein Model. Eher der südländische Typ. Ich habe kaum ein Wort rausgebracht als er mit mir geredet hat und er sah so toll aus!“, schwärme ich und klimpere mit den Wimpern. „Moment! Ihr habt miteinander geredet?“ Nun habe ich Melanies volle Aufmerksamkeit. „Na ja, er wollte nur wissen wo unsere Schule liegt.“ „Wieso?“ Sie runzelt die Stirn und blickt mich skeptisch an. „Keine Ahnung. Vielleicht ist er ein neuer Lehrer oder so?“ Melanie beugt sich vor und guckt mich prüfend an. „Fährst du auf ihn ab?“ „Wo denkst du hin?!“, erwidere ich empört. „Er ist ein Mann und viel älter als ich!“ „Ja, na und? Das hat dich nicht davon abgehalten Dale zu küssen.“ „Der fremde Typ ist älter als ich!“ „Hat bisher auch niemanden aufgehalten. Ich meine, nächstes Jahr wirst du 18, dann bist du volljährig und er kriegt auch keinen Ärger, wenn er mit dir in die Kiste springt. Zumindest, wenn es rauskommen sollte.“ „Sag mal, nimmst du das zwischen uns eigentlich ernst?“, frage ich sie unerwartet. „Ich meine, irgendwie sind wir doch zusammen oder? Und du denkst, ich schmeiße mich an einen Fremden ran.“ Melanie seufzt. „Doch, tue ich, nur...“ Sie zögert. „Es ist immer noch so komisch. Wie soll ich ernsthaft etwas mit dir anfangen, wenn du dank Dale völlig durch den Wind bist und der andere Typ hat es dir auch angetan. Das merke ich doch.“ Bedrückt senke ich den Kopf. „Es ist ja nicht so, dass ich auf ihn stehe. Dale hat mich doch nur geküsst und den anderen Kerl sehe ich wahrscheinlich ohnehin nicht mehr wieder. Glaubst du einer wie der würde sich ernsthaft mit jemandem wie mir abgeben? Außerdem bin ich nicht schwul!“ „Mag sein, dass du es bestreitest, aber du kannst nicht leugnen, dass es dir gefallen hat Dale zu küssen oder?“ Ich sehe sie schweigend an und schlucke. Stimmt, da hat sie recht. Mit den Händen fahre ich mir übers Gesicht. „Es war der Hammer! Der Kuss...“, gestehe ich und spüre unweigerlich die Röte in meinen Wangen. „Ich bin vorher noch nie geküsst worden, aber das war... Dale hat... Es war so geil.“ Geknickt sehe ich Melanie an, die nun doch ziemlich beleidigt wirkt. „Ich fand es geil von ihm geküsst zu werden. Weißt du wie sich das anhört? Das ist doch Mist! Das ist falsch!“ „Wieso ist es falsch?“ „Ich und ein Junge? Ich habe mich nie für Jungs interessiert und dann kommt einer daher spaziert und überfällt mich und ich kriege weiche Knie! Das ist doch bescheuert!“ „Vielleicht hast du gerade danach gesucht und es bisher nur nicht gewusst?“, vermutet Melanie vage. „Du spinnst doch, Mel!“ Lachend schüttele ich den Kopf. „Es war nur ein blöder Kuss, weiter nichts!“ Melanie beugt sich zu mir, schaut mir fest in die Augen und küsst mich spontan. Ich ziehe die Augenbrauen hoch und schließe die Augen. Damit ist das Gespräch wohl beendet. Soll mir ganz recht sein. Der Zungenkuss raubt mir die Sinne, aber so abrupt wie es begann, beendet Mel es auch schon wieder. Überrumpelt sehe ich sie an. „So, jetzt hast du zwei Vergleiche. Welcher Kuss haut dich mehr um?“, fragt Melanie mich ernst. Ich beiße mir auf die Unterlipppe. „Dales...“, erwidere ich wiederspenstig. „Da hast du deine Antwort. Ob du es wahrhaben willst oder nicht, aber in der Hinsicht wirst du lieber von einem Jungen geküsst, glaub mir!“ Melanie setzt sich zurück. „Das war nur ein Versehen!“ „Ja klar und ganz zufällig ist seine Zunge in deinen Hals gerutscht. Glaub ich sofort!“ Melanie schüttelt den Kopf. „Du musst es endlich einsehen. Das war keine Suche nach einem Vampir. Du wolltest die ganze Zeit in seiner Nähe sein, deswegen hast du Dale beschattet.“ „Gar nicht wahr! Ich wollte wissen ob er ein Vampir ist!“ „Nein wolltest du nicht!“ „Ich bin nicht schwul!“ „Was dich trotzdem nicht davon abhält bei einem Kuss mit einem Jungen weiche Knie zu bekommen!“ Angriffslustig sieht Melanie mich an. „Wieso regt dich das eigentlich so gar nicht auf? Ich meine, wir sind doch zusammen!“ „Sind wir das wirklich, Andreas?“ „Ja!“ „Gut, okay.“ Melanie wirkt nachdenklich. „Willst du die Gefühle einfach abschalten? Das geht nicht einfach so, schon gar nicht, wenn du Dale ständig in der Schule begegnen wirst und er auf dich abfährt. Das war immerhin nicht zu übersehen.“ „Solange wir uns nicht küssen kann doch nichts passieren und wer weiß, vielleicht zieht er ja ohnehin demnächst mit seiner Familie wieder weg?“ „Du willst ihm ausweichen?“ „Ich will ihn nur nicht küssen.“ Melanie mustert mich. „Wieso nur glaube ich dir das nicht?“ Seufzend krieche ich auf sie zu und verharre dicht vor ihrem Gesicht. „Solltest du aber. Du bist schließlich meine Freundin...meine feste Freundin!“ Melanie schmunzelt. „Da ist was dran.“ Lächelnd beugt sie sich vor und küsst mich. Ich drücke sie auf die Matratze und lege mich auf sie. Ihre Arme schlingen sich fest um mich. Was soll ich schon mit einem Jungen anfangen mit dem ich sowieso keinen Sex haben will? Mit einem Mädchen ist doch ohnehin alles viel einfacher. Kein blödes Outing, keine dummen Blicke der anderen und der Sex ist auch nicht schmerzhaft, zumindest für mich. Wozu kompliziert, wenn es auch einfach geht? Abends sitze ich am Fenster und schaue in die Dunkelheit. Die Lichter der Straßenlaternen spenden etwas Helligkeit und tauchen die Häuser in ein schummriges gruseliges Licht. Es erinnert mich an den Abend als Dale hier aufgekreuzt ist. Der Abend an dem wir uns geküsst haben. Der Kuss in der Sporthalle war aber auch nicht zu verachten. Melanie hat recht. Mit mir stimmt etwas nicht. Absolut nicht. Ich habe noch nie einem Jungen hinterhergesehen. Jedenfalls nicht mit bestimmten Absichten. Als Dale sich in der Schule so daneben benommen hat war ich nicht nur beschämt sondern auch enttäuscht. Enttäuscht darüber, dass er es nicht so ernst genommen hat wie ich. Und er ist hier der Schwule von uns beiden. Der, der auf Männer steht. Der, der meine Gefühle in Wallung bringt und mir den Kopf verdreht sobald er mich küsst. Sind Homos so? Nehmen sie das alles nicht so ernst oder ist das nur einfach Dales Art? Klar, er hat es als Ausrede abgetan, weil er mich auf Abstand halten wollte, aber ob nicht noch mehr dahinter steckt? Ich kanns nicht verleugnen, dass ich ihn gerne noch mal küssen würde. Das steht schon mal fest. Daran gibt’s nichts zu rütteln. Es passt mir nur einfach nicht in den Kram. Ein Junge. Dale sieht schon nicht schlecht aus. Okay, er ist ziemlich blass, hat ständig blutunterlaufene Augen und sieht auf den ersten Blick echt fertig aus, aber wenn ich in seine dunklen Augen sehe, vergesse ich alles um mich herum. Dann will ich ihn nur noch küssen. Ich lasse mich rücklings auf die Matratze sinken, wende jedoch nicht den Blick vom Fenster. Es macht mir wirklich Sorgen, dass er nicht in der Schule ist. Ich wollte es vor Melanie nur nicht so offensichtlich darlegen. Mit einem Ruck setze ich mich auf und öffne das Fenster. Schuhe habe ich hier oben im Zimmer nicht, also ziehe ich mir die Socken aus und klettere aus dem Fenster. Es ist nacht und meine Eltern schlafen tief und fest, solange ich keinen Lärm veranstalte. Vorsichtig hangele ich mich zu dem breiten Ast, der doch ein wenig unter meinem Gewicht zu knacken beginnt, also lasse ich mich nicht zweimal bitten und klettere zum breiten Stamm. Von Ast zu Ast klettere ich wie ein Affe herunter und lande schließlich auf dem Rasen. Ich spüre das Gras und die Erde unter meinen Füßen. Es ist kühl und eine Gänsehaut überzieht meine Arme. Dale wohnt nicht weit von der Schule weg und die liegt nur einen Katzensprung von meinem Haus entfernt. Ich laufe über den Aspahlt was sich allerdings nicht ganz so gut an den Sohlen anfühlt, wenn man rennt. Wie ein Schatten husche ich über die Gehwege, weiche auf weichen Rasen aus, wenn sich mir die Gelegenheit bietet und renne zur Schule. Dort angekommen verschnaufe ich kurz. Das große Gebäude wirkt in der Nacht noch weniger einladend als tagsüber. Gerade als ich imstande bin weiter zu laufen, bemerke ich eine Bewegung aus dem Augenwinkel. Irritiert bleibe ich stehen. Wer treibt sich denn nachts auf dem Schulgelände herum? Das große schmiedeeiserne Tor ist verschlossen. Neugierig lasse ich meinen Blick über den dunklen, leeren Schulhof gleiten. Nichts zu sehen. Habe ich mich geirrt? Ist das die Müdigkeit, die mir einen Streich spielt? Nein, da war es schon wieder. Dann höre ich etwas klappern. War das eine Katze? Ich greife nach den Sprossen im Tor und setze meinen Fuß dagegen. Mit all meiner Kraft stoße ich mich vom Boden ab und klettere das Tor hinauf. Oben angekommen klettere ich rüber und lasse mich auf der anderen Seite herab rutschen. Ich sehe mich mit zusammengekniffenen Augen um. Langsam, Schritt für Schritt, überquere ich den Schulhof und gehe schnurstracks auf das Gebäude zu. Keiner ist zu sehen. Als ich an der Glastür ankomme, greife ich danach. Zu meiner Verwunderung lässt sie sich öffnen. Ist doch noch jemand hier? Zögernd ziehe ich die Tür auf und schaue in das stille, dunkle Gebäude hinein. „Gruselig. Kommt gleich ein Axtmöder?“, witzele ich leise um mich selbst ein wenig zu beruhigen. Ich bin angespannt und alles schreit in mir so schnell wie möglich wieder abzuhauen. Selbst in schlechten Horrorfilmen geht so etwas immer schief! Ich lausche angestrengt, doch nichts ist zu hören. Gut, dass ich keine Schuhe trage. Auf Fußspitzen schleiche ich in das Gebäude, laufe an der Wand entlang und halte schließlich an um einen Blick um die Ecke zu werfen. Die Aula liegt leer und verlassen vor mir. Dann höre ich ein Geräusch über mir. Ich fahre zusammen und halte inne, lausche mit gespitzten Ohren und eine Gänsehaut überkommt mich unweigerlich. Am liebsten würde ich wegrennen. Vorsichtig drehe ich mich um. Der Gang hinter mir ist leer. Ausatmend drehe ich mich um und erstarre. Ein riesiger Schatten ragt vor mir auf. Ich öffne den Mund, reiße die Augen weit auf und trete einen Schritt zurück. Kein Laut verlässt meine Lippen. „Shhh...“ Ich werde an die Wand gepresst. Mein Mund wird zugedrückt. Mein Herz hämmert in der Brust und erstarrt starre ich die Silhouette vor mir an. „Sei leise!“, raunt mir eine leise tiefe Stimme zu. Erneut das Geräusch. Schnelle Schritte, die über uns den Gang entlang huschen. Die Person vor mir presst sich eng an mich um nicht gesehen zu werden. Ich will nur hier weg. Einfach weglaufen. „Da ist sie!“, flüstert er. Ich kann ihn nicht erkennen. Wer ist das? Dale nicht. Der Mann wirkt älter auf mich. Ich höre ein unangenehmes Geräusch und linse herunter. Licht spiegelt sich kurz darauf. Ein Dolch? „Bewege dich nicht vom Fleck!“, flüstert mir der Mann ins Ohr, dann lässt er von mir ab und schleicht sich leichtfüßig auf die andere Seite der Wand. Er läuft hinter den Schaukästen mit den Pokalen und Auszeichnungen vorbei, hält sich im Schatten der kleinen Flur, die zu Klassenzimmern führen und kommt schließlich zur Tür an, um die Treppen ins obere Stockwerk hochzulaufen. An die Wand gepresst sehe ich zu wie der Fremde flüchtig aus meinem Blickfeld verschwindet. Ich kann kaum atmen. Was geschieht hier? Wer ist die andere Person? Was hat er vor? Will er sie töten? „Scheiße, was mache ich hier noch?“, flüstere ich. Ich sollte die Beine in die Hand nehmen und das Weite suchen stattdessen stehe ich hier wie eine erstarrte Salzsäule und kann mich nicht bewegen. Nur vorsichtig wage ich es einen Blick über die Aula schweifen zu lassen, ziehe meinen Kopf aber ruckartig zurück als ich schnelle Schritte vernehme, die auf mich zuhalten. Es klackert. Gerade als ich mich umdrehen will, spüre ich wie etwas nach meiner Schulter greift. Ich fahre zusammen und drehe mich mit schreckgeweiteten Augen um. „Du!“ Ich kann nur die Schemen ausmachen, doch die Stimme ruft in mir eine unangenehme Begegnung ins Gedächtnis. „Was machen Sie hier?“, frage ich mit furchtsamer Stimme und befreie mich von ihrem schmerzhaften Griff. Daniela schüttelt den Kopf. „Dasselbe könnte ich dich fragen, aber wir haben keine Zeit! Wir müssen hier weg!“ Sie packt mich am Handgelenk und zerrt mich quer durchs Gebäude. Verwirrt laufe ich hinterher. Ihre Fingernägel vergraben sich tief in mein Handgelenk. Wir durchqueren schnellen Schrittes die Aula. Unsere Schritte hallen im Gebäude laut wider. „Du kannst nicht fliehen!“, brüllt jemand hinter uns. Daniela wirft den Kopf herum und schaut in eine bestimmte Richtung. Sie hält so plötzlich an, dass ich beinahe in die hineinpralle. Sie reißt mich erneut mit und taumelnd folge ich ihr. Wir flüchten durch das große Gebäude, laufen durch Türen und Treppen hinauf, anschließend wieder herunter. Das ist eine Hetzjagd!, kommt mir der schreckliche Gedanke. „Wir müssen uns verstecken!“, rufe ich. Denselben Gedanken hatte Daniela wohl auch. Sie öffnet schwungvoll eine Tür und schubst mich in den Raum. Ich verliere mein Gleichgewicht und pralle schmerzhaft auf den Boden. Mit den Händen kann ich mich gerade noch so abstützen. Etwas knackt im Gelenk. Ein Schmerz durchfährt meinen ganzen Arm bis hinauf in die Schulter. Gerade als ich mich aufrichten will, werde ich unsanft zu Boden gedrückt. Ich spüre den Körper auf mir. „Was soll das?!“, rufe ich und spüre wie mir der Verband vom Hals gerissen wird. „Aua! Aaaaaaaargh!“ Laut schreie ich auf als sich etwas tief in meinen Hals bohrt. Mir wird kurz schwarz vor Augen. „Hören Sie auf! Miststück! Runter von mir!“, brülle ich und versuche sie von mir zu stoßen. Sie krallt sich an mir fest und saugt sich an meinem Hals fest. Ich spüre wie mir das Blut über den Hals fließt. Ich drehe mich mit einem Ruck auf den Rücken, höre ein lautes Geräusch, als die Frau gegen den Medizinschrank prallt. Ihre Zähne reißen mir die Haut auf. Ich brülle vor Schmerz. Fluchend rappele ich mich auf als sie mich erneut zu Boden ringt und dabei eine Kraft aufbringt, die meine bei weitem übertrifft. Mit den Armen stütze ich mich an ihren Schultern ab, versuche die Frau, dieses Monster, von mir fernzuhalten. Blut läuft ihr aus dem Mund, tropft mir ins Gesicht. Sie beißt mir in den Unterarm. Ihre Fangzähne vergraben sich tief in meiner dünnen Hautschicht. Das ist kein einfaches blutsaugen mehr, sie hat die Kontrolle über sich verloren. Sie bringt mich um! Ich trete nach ihr, treffe sie in den Magen, doch das hält sie nicht davon ab. Wie ein Hund beißt Daniela sich an mir fest. Ich schlage ihr ins Gesicht, doch es bringt nichts. Egal wie sehr ich mich auch wehre, ich kann mich nicht befreien. Etwas bohrt sich durch ihren Hals, blitzt kurz auf und bringt sie zum Röcheln. Ich sehe mit großen Augen auf und dann sackt Daniela auf mir zusammen. Sie greift sich an den Hals. Ihre Hand gleitet zum Nacken und mit einem Ruck reißt sie sich den Dolch aus dem blutenden Hals. Das Silber ist blutdurchtränkt. Es sickert an der spitzen Klinge herab. Der fremde große Mann steht wie ein Schatten hinter ihr. Ich sehe es erneut aufblitzen. Das fahle Mondlicht spiegelt sich auf der langen Klinge des Schwertes, lässt es bedrohlich aufblitzen und mit einem kräftigen Hieb schlägt er ihr vor meinen Augen den Kopf ab. Der Leib sackt auf mir in sich zusammen. Angeekelt stoße ich ihn von mir. Der Kopf rollt unter einen Stuhl. Mit schreckgeweiteten Augen sehe ich zu dem fremden Mann hinauf. Er steckt die Klinge in die Scheide an seinem Gürtel und hockt sich vor mich. Als er sich mir nähert, zucke ich zusammen und weiche zurück. Er packt mich am Arm, dort wo Daniela mich gebissen hat. Es schmerzt höllisch. Ich schreie auf und zerre an meinem Arm, doch er lässt nicht davon ab, vergräbt seine Finger in meiner offenen Wunde. „Lassen Sie mich los!!!“ Ich winde mich, stampele mit allen Gliedmaßen und trete nach ihm. Der Femde ist wenig beeindruckt. Er packt mich, zieht mich hoch und schleudert meinen Körper ohne große Mühe auf das Lehrerpult. Er greift grob nach meinem Kinn und zieht meinen Kopf zur Seite. Mit ängstlichen Augen, wie ein Tier in der Falle, sehe ich zu ihm auf. „Bitte, tun Sie mir nichts...“, flehe ich mit erstickter Stimme. Er sieht mir in die Augen. Im Licht des Mondes kann ich ihn das erste Mal richtig erkennen. Ich erinnere mich an unsere Begegnung auf dem Heimweg von der Schule. Seine dunklen Augen nehmen mich gefangen. Er beugt sich herunter zu meinem Hals und erschrocken zucke ich zusammen. Es schmerzt als seine Zunge über die zerrissene Haut leckt. Ich starre an die Decke als sich Zähne darin vergraben. Geräuschvoll schmatzend saugt er an der Haut, raubt mir mein Blut und in meinem Kopf dreht sich alles. Mir ist schwindlig und flau. All die schrecklichen Eindrücke schwirren durch meinen Kopf. Tränen rinnen mir aus den Augenwinkeln über die Wangen. Ich spüre wie meine Kraft schwindet. „Lass ihn am Leben, Farik!“ Der Mann wird zurückgerissen. Blut tropft ihm von Kinn. Er leckt sich über die Lippen und geht zur Seite. Mit dem Handrücken wischt er sich fahrig über den Mund. Der andere Mann kommt nun näher. Mit Argusaugen betrachtet er mich. „Wer sind Sie?“, frage ich benommen. „Hunter Reed. Das ist Farik Bin Al-Saud.“ „Er ist ein Vampir...“, flüstere ich und sehe zu dem Mann. „Wie man es nimmt. Er hat die Seiten gewechselt und tötet lieber seinesgleichen.“ Hunter Reed ist ein alter Mann. Er wirkt erfahren auf seinem Gebiet und doch lässt er einem Vampir den Vortritt. „Werden Sie mich töten?“, frage ich mit brüchiger Stimme. Für mich sieht der alte Mann mit Vollbart eher aus wie ein normaler Jäger der Wild erlegt, keine Vampire. „Nein, das würde zu viel Aufmerksamkeit erregen.“ Hunter Reed betrachtet meine Wunden und zerrt aus seiner Tasche einen Verbandskasten. Notdürftig kümmert er sich um meine Verletzungen. „Trag ihn, Farik. Wir müssen hier weg. Was für eine Sauerei.“ Der Mann, der mir noch eben das Blut ausgesaugt hat, hebt mich mit leichtigkeit hoch. Ich werfe einen kurzen Blick zurück in das Zimmer. Riesige Blutlachen breiten sich auf dem Boden aus. Der Körper liegt bewegungslos auf dem Grund, zuckt ein letztes Mal und als ich den Kopf sehe, die leeren Augen, die mich anstarren, wende ich den Blick ab. So schnell es geht verschwinden wir aus dem Gebäude. Es gibt einen kleinen Weg, der mir bisher nie aufgefallen ist. Wir drängen uns zwischen Büschen und Sträuchern hindurch und gelangen hinter der Schule auf eine ganz normal verlassene Seitenstraße. „Schnell jetzt!“, fordert Hunter und öffnet die Tür eines weißen Transporters. Farik steigt mit mir hinten ein. Die Tür wird zugezogen und dann umgibt uns finstere Dunkelheit. Nur ich und dieser Vampir. Der Wagen setzt sich in Bewegung und fährt schnell durch die Straßen. Ich liege auf irgenetwas unangenehmen, das mir in den Rücken sticht. Es rumpelt und dann erlöst mich endlich die Ohnmacht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)