Entscheidung fürs Leben von Yuri91 (Liebe ist keine Kopfsache...) ================================================================================ Kapitel 29: Ich bin für dich da ------------------------------- Der Tag war schön. Die Sonne schien, es war warm, in der Stadt ging es rege zu. Die Vögel zwitscherten, die Katzen sonnten sich auf den Zäunen und die Kinder tobten in den Straßen. Die Menschen kamen ihrer Arbeit nach, kauften wichtiges wie auch unnützes Zeug ein, aßen, sprachen, hatten Spaß oder meckerten über irgendetwas in ihrem Leben herum. Dennoch plagten die Wenigstens tiefgreifenden Sorgen. Ein paar Straßen waren durch das schlimme Unwetter vor drei Tagen überflutet gegangen. Ebenso einige Keller. Die Aufräumarbeiten kamen gut voran und waren bereits so gut wie erledigt. Auch gab es wieder zig Aufträge abzuarbeiten. Viele waren auf Missionen unterwegs. Nur das Team von Sensei Gai und Sensei Kakashi nicht. Allzu gut wusste Tsunade Bescheid, wie nötig Sakura ihre Freunde jetzt brauchte und hatte diese über das Geschehene informiert. Sie konnte ihre liebgewonnene Schülerin in ihrer jetzigen Situation nur zu gut verstehen. Nicht nur ihr Geliebter, den sie hatte heiraten wollen, war im Krieg gestorben, auch ihren jüngeren Bruder hatte sie verloren. Ohne Jiraiya und Shizune wäre Tsunade jetzt nicht da, wo sie war. Tz, wer hätte noch vor einigen Jahren geglaubt, dass sie, die spielsüchtige Säuferin, einmal die Hokage von Konohagakure sein würde? Nun, sie ganz gewiss nicht. Aber jetzt hatte Tsunade Verantwortung. Ziemlich viel sogar. Sie hatte auch einiges an Arbeit zu erledigen. Das ein oder andere davon war sogar recht dringend. Dennoch hatte Tsunade dafür keinen Nerv. Selbst wenn sie gewollt hätte, ihre Gedanken kreisten permanent um ihre rosahaarige Schülerin, die von einem jungen, verängstigenden Mädchen zu einer starken, selbstbewussten, jungen Frau geworden war. Und jetzt bestand die Gefahr, dass Sakura zerbrechen würde. Tsunade war sich nicht sicher, ob die junge Frau das durchstehen würde. Sie zweifelte daran, dass sie vorgestern bei Sakura durchgekommen war. Mehrfach hatte Tsunade sie besucht. Jedes Mal hatte sie versucht mit ihr zu reden. Doch es schien, als würden ihre Worte an Sakura abprallen. Es war erst einen Tag her, dass Sakura von dem Tod ihres Ungeborenen Bescheid wusste. Natürlich benötigte sie Zeit. Die wollte Tsunade ihr auch geben. So viel wie sie benötigte. Allerdings machte sie sich auch Sorgen. Sakura schien ihr, nach ihrem ersten Gespräch, wie ausgewechselt. Wie eine leblose Hülle. Ein Roboter. Wenn das für längere Zeit so ging, dann würde sich Sakura von der realen Welt abkapseln und keinerlei Gefühle zulassen. Tsunade musste dafür sorgen, dass genau dies nicht passierte. Sie musste ihrer Schülerin, die inzwischen wie eine Tochter für sie war, helfen. Nur allzu sehr drängen durften sie Sakura auch nicht. Das konnte sonst das Gegenteil bewirken und alles viel schlimmer machen. Was sollte sie nur tun? Fragend stand Tsunade am Fenster, blickte hinaus auf die Stadt, die sie zu schützen geschworen hatte. Sie beobachtete das rege Treiben auf den Straßen. Ihre Gedanken rasten. Wie nur sollte sie eine ganze Stadt beschützen, wenn es ihr nicht einmal gelang eine einzelne Person zu retten?   Nervös knetete sie die Hände. Tief atmete sie ein und aus. Mal wieder. Seit einigen Minuten bereits stand die Brünette vor der weißen, schlichten Zimmertür und starrte diese einfach nur an. Mal wieder wischte sie ihre schweißnassen Hände an ihrer grünen Hose ab. Sie hätte doch etwas anderes anziehen sollen. Mit ihrer grünen Hose und dem roten Oberteil fiel sie hier doch sehr auf. Alles um sie herum war in sterilem Weiß gehalten. Die Wände, die Türen, die Kleidung der Ärzte und des Pflegepersonals. Und sie stand hier, mit ihrer knalligen Kleidung. Vielleicht sollte Tenten einfach gehen. „Nein, du bleibst hier und du wirst durch diese Tür gehen!“ ermahnte sich Tenten selbst. Das war doch nicht so schwer. Sie musste nur diese eine Tür öffnen. Hierher zu kommen war ihr doch auch nicht so schwergefallen. Warum war sie dann so verdammt nervös und brachte es einfach nicht über sich, die Hand nach dem Türgriff auszustrecken? Weil sie sich schuldig fühlte. Ganz einfach. Tenten machte sich seit Tagen fertig. Es war ihre Schuld, dass Sakura die Treppe heruntergefallen war. Es war ihre Schuld, dass Sakura und Neji jetzt um ihr ungeborenes Kind trauerten. Es war einfach alles ihre Schuld. Hätte Tenten Sakura doch nicht einfach so überrascht! Dann wäre das alles nicht passiert! „Aber ich konnte es doch nicht wissen“, murmelte die junge Frau zu sich selbst. In der Tat stimmte das. Tenten hatte Sakura immerhin nicht selbst die Treppe hinuntergeschubst. Dennoch fühlte sie sich deswegen keineswegs besser. All dieses „Wenn, dann“ halfen ihr auch nicht weiter. Überhaupt nicht. Sie wusste auch nicht, was genau sie dagegen tun sollte. Eines allerdings wusste Tenten. Sie musste für Sakura und Neji da sein. Sie war mit beiden befreundet. Und jetzt würde sie sich erst einmal um Sakura kümmern. Anschließend würde sie zu Neji gehen. Wenn sie heute schon notgedrungen einen freien Tag hatte und Sport ihr nicht half den Kopf frei zu bekommen, dann wollte sie sich wenigstens nützlich machen. Sie hoffte, dass sie ihren Freunden helfen konnte. Nur, solange sie einfach nur vor der Tür stand und sich selbst Mut zuredete, dann würde sie niemandem eine Hilfe sein können. Erneut atmete Tenten tief ein und aus. Dann griff sie mit noch immer leicht schwitzender Hand nach dem Türgriff und drückte.   Das schöne Wetter stand im krassen Gegensatz zu Nejis Gefühlslage. Umso sonniger und wärmer es wurde, umso dunkler und kälter wurde ihm. Zumindest kam es ihm so vor. Nejis Gedanken rasten, überschlugen sich und doch kam nichts Produktives dabei heraus. Jeder Gedankengang fing vielversprechend an, doch endete in einer Sackgasse. Die Tatsache, dass er auch den ganzen Tag über nichts zu tun hatte, machte alles nur schlimmer. Neji hatte trainiert. Stundenlang. Nach seinem Gespräch mit Hiashi war es ihm ein wenig besser gegangen. Er hatte sich eingestanden, dass er ein wenig Zeit für sich selbst brauchte, war nach Hause gegangen und hatte – kaum das seine Zimmertür ins Schloss gefallen war – auch schon angefangen zu weinen. So hemmungslos und frei hatte Neji - von den wenigen Gelegenheiten, bei denen er geweint hatte – nur selten geweint. Danach hatte er zwar Kopfschmerzen gehabt, aber er hatte sich ein wenig besser gefühlt. Es war, als ob eine Last von ihm gefallen wäre. Wenngleich er nicht der leibliche Vater von Sakuras Ungeborenen gewesen war, hatte Neji dennoch jedes Recht gehabt, genauso darum zu trauern, als wäre er es gewesen. Jetzt, wo es ihm selbst ein wenig besser ging, stand er jedoch immer noch vor der Frage, wie er Sakura helfen konnte. Im Training hatte er versucht den Kopf frei zu bekommen. Wenn man zu viel über ein Problem nachdachte, dann verrannte man sich und kam erst recht zu keinem Ergebnis. Jetzt, durchgeschwitzt und erschöpft, wollte Neji eine Dusche nehmen. Danach würde er zu Sakura gehen. Zwar hatte er noch keine Idee, wie genau er Sakura mit ihrer Trauer und dem Schmerz um den Verlust ihres Kindes helfen konnte, aber er spürte einfach, dass er zu Sakura musste. Er gehörte an ihre Seite. In Gedanken ganz bei der jungen Frau, der er sein Herz geschenkt hatte, öffnete der Hyuuga seine Zimmertür. Ein Schweißtropfen rann ihm von der Stirn an der Seite hinab, über seine Wange. Unbewusst wischte er ihn mit der Hand weg. Noch bevor die Tür hinter ihm in Schloss gefallen war, erstarrte Neji. Sein Körper, gerade noch durch das stundenlange Training erschöpft, war kampfbereit. Das Adrenalin raste nur so durch seine Blutbahnen, wurde in jede Zelle seines Körpers transportiert und ließ ihn hellwach und hochkonzentriert werden. Nejis Kiefernmuskel zuckte, als er den ungebetenen Besucher auf seinem Bett sitzen sah. Ganz lässig, die Beine übereinandergeschlagen und mit geschlossenen Augen, saß er da, tat so, als wäre dies sein Zimmer. Mit einem leisen „Klick“ fiel die Tür ins Schloss und war zu. Als wäre dies das Signal gewesen, öffneten sich die Augen des Eindringlings. Rot strahlten sie Neji entgegen, während er nur kühl „Was willst du, Sasuke?“ von sich gab. „Keine nette Begrüßung? Kein Smalltalk? Dabei haben wir uns schon so lange nicht mehr gesehen“, begrüßte der Uchiha Neji. Der sarkastische Unterton, der mitschwang, war für ihn deutlich herauszuhören. Dennoch reagierte er nicht. Lediglich mit seinen Augen verfolgte er jede einzelne Bewegung des Uchihas. Ihm entging nicht, wie Sasuke sein Gewicht nach vorne verlagerte. Den Ellbogen stützte er auf dem Knie ab, sein Kopf ruhte nun auf seiner offenen Handfläche. Unverwandt sahen sich die zwei Männer an. Die Sekunden verstrichen. Die Luft war zum Schneiden dick, die Spannung regelrecht greifbar. Sasuke war der erste, der die Stille durchbrach. „Du wusstest also wirklich, dass ich wieder hier bin. Ich hatte nicht wirklich geglaubt, dass Sakura dir davon erzählt hat.“ „Sakura vertraut mir so einiges an“, konterte Neji prompt. Verdammt, was machte Sasuke hier? War er hier, um seinen Nebenbuhler auszuschalten? Neji hatte keine Ahnung. Das einzige, was er wusste, war, dass er aufmerksam bleiben musste. Sasuke war nicht einfach nur ein herausragender Ninja – das war Neji auch – aber er hatte das Sharingan. Wenngleich sie beide über ein Kekkai Genkan verfügten, war das Sharingan effektiver, wenn es darum ging, den Gegner zu erledigen, bevor der Kampf überhaupt angefangen hatte. Doch Neji hatte geübt, den Illusionen nicht zum Opfer zu fallen. Ob sein hartes Training erfolgreich gewesen war, würde er wohl bald herausfinden. Es war nur ein Wimpernschlag gewesen. Mehr Zeit hatte Sasuke nicht benötigt, um direkt vor Neji aufzutauchen. Er war schnell. Verdammt schnell! Neji hatte es nicht einmal kommen sehen. Dennoch regte sich nicht ein Muskel bei ihm. Es kostete ihn viel Konzentration, den instinkthaften Fluchttrieb des Menschen zu unterdrücken und so zu tun, als wäre er nicht im Mindesten beeindruckt. Neji konnte nur von Glück reden, dass Sasuke keine Waffe gezückt hatte. Wobei er dann wohl eher selber auch in den Angriff und die Verteidigung übergegangen wäre, anstatt einfach stehen zu bleiben. „Neji, weder du noch ich sind dumm. Uns ist beiden klar, dass nur einer Sakura haben kann. Dank meines Fehlverhaltens hast du als mein Lückenbüßer eine einmalige Chance bekommen. Das sehe ich ein und ich muss dir wohl auch dankbar sein, dass du auf Sakura aufgepasst hast.“ Mehr als überrascht nahm Neji die Worte des Uchihas wahr. Mit so etwas hatte er beim besten Willen nicht gerechnet. Viel eher mit einer Drohung oder Beleidigung. Daher fiel es ihm recht schwer, seine Gesichtszüge nicht entgleisen zu lassen. Allerdings schien es nun so, dass Sasuke erkannt hatte, was er falsch gemacht hatte. Das wiederum konnte schlecht für Neji werden. „Aber sei dir sicher, ich werde nicht wieder einen Fehler machen“, fügte Sasuke noch hinzu. Dabei beugte er sich ein wenig vor, sodass nur wenige Millimeter die Gesichter der zwei Männer voneinander trennten. Den Impuls, Sasuke anzuschreien, was er Sakura bereits alles angetan hatte, war groß. Neji benötigte seine ganze Kraft, um weiter ruhig dazustehen und so zu tun, als würden sie gerade über das Wetter reden. Sasuke, der wohl eingesehen hatte, dass er Neji keine Reaktion entlocken konnte, trat einen Schritt zurück. Lässig verschränkte er die Arme vor der Brust. Belanglos ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen. „Sasuke, noch einmal. Was willst du hier? Oder bist du nur hergekommen, um mir den Fehdehandschuh hinzuschmeißen?“ Sasuke musste weg hier. Mit jeder Minute, die verstrich, wuchs die Gefahr, dass jemand den Uchiha entdeckte. Oder aber es würde doch noch in einem Kampf zwischen ihnen enden. Nichts davon gefiel Neji sonderlich. Ein kleines Lächeln, dem jegliche Freude fehlte, huschte über Sasukes Gesicht. Er sah aus, als ob Neji einen guten Witz gemacht hätte. „Nein, glaube mir, ich bin nicht wegen dir vorbei gekommen“, erklärte Sasuke lässig. Sein Blick ruhte nun wieder unverwandt auf dem jungen Hyuuga. „Ich will wissen wo Sakura ist.“ Mit einem Mal wurde Neji siedend heiß. Gleichzeitig merkte er, wie das Blut aus seinem Gesicht wich. Sasuke musste in eben dieser Sekunde klar geworden sein, dass etwas nicht stimmte. Wie hatte Neji nur nicht daran denken können, dass Sasuke nichts von Sakuras Sturz und der Fehlgeburt wusste? Und er war es nun, der diese Hiobsbotschaft übermitteln musste. Die rotglühenden Augen des Uchiha verengten sich leicht zu Schlitzen. Sein Körper wurde starrer und der Uchiha blickte nicht länger lässig drein. Den einen Schritt Abstand zwischen ihnen überbrückte Sasuke. Dieses Mal klang seine Stimme deutlich drängender, als er von Neji verlangte zu wissen, wo sich Sakura befand. Es half alles nichts. Neji musste ihm die Wahrheit sagen. So ungern er es auch tat, Fakt war, dass Sasuke nun einmal der leibliche Vater gewesen war und es nun nicht länger werden würde. Nur was würde geschehen, wenn der ahnungslose Uchiha erst einmal die schrecklichen Neuigkeiten erfuhr? Neji hatte keinerlei Ahnung. Lediglich weil er es für richtig hielt, entschied er sich dazu, die Wahrheit zu sagen. Unter anderen Umständen hätte er es wohl nicht getan. Vor allem, wenn er einen Moment länger über die möglichen Folgen nachgedacht hatte. Da aber ertappte sich Neji auch schon, wie er sagte: „Sie ist im Krankenhaus. Sie hatte eine Fehlgeburt.“ Nun war es Sasuke, dem sämtliches Blut aus dem Gesicht entwich. Ungläubig taumelte einen Schritt zurück. „Nein“, war alles, was er von sich gab. „Das kann nicht sein.“ Und ehe sich Neji versah, war Sasuke aus dem Fenster heraus verschwunden. Mit Schrecken wurde ihm bewusst, dass der Uchiha nun geradewegs zum Krankenhaus ging. Zu Sakura, die Neji doch geschworen hatte zu beschützen und der er helfen wollte, egal was für Umstände anstanden. Zu Sakura, der es momentan alles andere als gut ging. Neji wusste nicht, wie sie ein Zusammentreffen mit Sasuke überstehen würde. Angst und Sorge ergriff von ihm Besitz. Dann auch setzte sich sein Körper in Bewegung und folgte dem abtrünnigen Ninja.   Worüber sie geredet hatten, konnte Sakura nicht sagen. Ihr war nichts Spezielles im Kopf geblieben. Lediglich das sie wohl an den richtigen Stellen genickt und „Ja“ gesagt hatte, war wohl der einzige Grund gewesen, warum Tenten nicht bereits nach fünf Minuten wieder gegangen war. Wobei selbst ihr aufgefallen sein musste, dass Sakura gedanklich nicht wirklich bei der Sache gewesen war. Sakura freute sich das ihre Freundin da gewesen war. Wirklich. Nur hatte sie es eben nicht zeigen können. Auch hatte sie nicht so ganz verstanden, warum sich Tenten bei ihr entschuldigt hatte. Es war doch Sakura gewesen, die mit ihrer Schwangerschaft Tentens Pläne vereitelt hatte, dass sie und Neji jemals ein Paar wurden. Tenten traf keinerlei Schuld. Aber Sakura wollte nicht länger über Tenten oder ihr Treffen nachdenken. Wen traf Schuld und wen nicht? Es war doch eh egal. Eigentlich wollte sie an gar nichts mehr denken. Und so richtete sie ihren Blick auf das Fenster. Die Vorhänge waren beiseitegeschoben und sie konnte die Dächer der umliegenden Häuser erkennen. Es waren nur vereinzelte Wolken an dem sonst so strahlenden blauen Himmel zu sehen. Abrupt wurde die Tür zu ihrem Zimmer aufgerissen. Sakura erschreckte sich nicht. Sie hatte es nur am Rande wahrgenommen und interessierte sich auch nicht sonderlich für ihren neuen Besucher. Vielleicht aber war es ja auch Tenten, die etwas vergessen hatte. Wahrscheinlicher war es aber, dass es sich um eine Krankenschwester handelte, die Essen vorbeibrachte. „Sakura, bist du alleine?“ Bei dieser tiefen Stimme bekam Sakuras sorgsam errichtete Schutzmauer Risse. Langsam drehte sie ihren Kopf, wandte sich ihrem Besucher zu. Dort in der Tür, die Hand noch am Türknauf, stand Neji und ließ seinen Blick suchend durch das Krankenzimmer schweifen. „Bist du alleine?“ wurde sie da wieder mit drängender Stimme gefragt. Erst jetzt drangen die Worte langsam zu ihr durch. Mechanisch nickte Sakura zur Antwort und beobachtete, wie Neji sich langsam entspannte und die Tür hinter sich schloss. „Hast du heute Besuch gehabt?“ fragte er noch. „Tenten“, antwortete sie, wenngleich sie sich fragte, warum Neji ihr solch merkwürdige Fragen stellte. Dennoch regte sich bei Nejis Anblick etwas tief in ihr. In dem Bereich ihres Körpers, wo sie ihre Gefühle gut weggesperrt hatte, begann sich etwas zu regen. Mit aller Macht drückte sie gegen die Tür des imaginären Käfigs, um ihn ja zuzuhalten. „Neji“, flüsterte Sakura und blickte weiter unverwandt den Hyuuga an, der nun deutlich entspannter aussah. Langsam kam er auf sie zu. Wirkte er ein wenig unsicher? Sie wusste es nicht. „Entschuldige, dass ich so einfach reingeplatzt bin“, begann er sich zu erklären, endete dann jedoch abrupt mit seiner angefangenen Erklärung. Unsicher stand Neji mitten im Zimmer. Sakura sollte jetzt eigentlich etwas sagen. Ihn zum Sitzen auffordern, anlächeln und sagen, dass sie sich über seinen Besuch freute. Aber das konnte sie nicht. Umso länger Neji hierblieb, umso größer wurde die Gefahr, dass ihre sorgsam errichtete Mauer in sich zusammenfiel. Ein Teil von ihr verlangte sich in Nejis Arme zu schmeißen, all ihren Schmerz bei ihm abzuladen und zu trauern. Doch Sakura wusste, ließ sie auch nur ein wenig Gefühl zu, dann würde sie daran zerbrechen. Deswegen musste Neji gehen. Er stellte eine zu große Verlockung dar. Ihr Fels in der Brandung, der Mann, auf den sie sich immer verlassen konnte. Anstatt etwas zu sagen, blieb Sakura daher einfach stumm sitzen, blickte ihren Verlobten einfach nur an und wusste selbst nicht weiter.   Es war eine Lüge. Das hatte Neji nur gesagt, damit Sasuke verschwand. Es war ein Versuch, damit er aus Sakuras Leben verschwand. Bei jedem einzelnen Wort, das er dachte, schlug Sasuke unnachgiebig mit der bloßen Faust auf den unschuldigen Baumstamm ein. Die Borke war teilweise bereits abgesplittert und hatte sich in seine Haut gebohrt. Seine Handknöchel bluteten bereits, so heftig bearbeitete er das Holz. Dennoch bemerkte Sasuke es nicht. Nejis Worte spukten in seinem Kopf herum, hallten als Echo nach, nur um dann von neuem laut aufzutauchen. Obwohl sich Sasuke versuchte einzureden, dass das alles eine Lüge Nejis war, konnte er nicht sicher sein. Es war schon merkwürdig, dass er Sakura nicht bei ihr daheim hatte antreffen können. Gewissheit würde er nur erhalten, wenn er wirklich ins Krankenhaus ging und nachsah, ob Sakura dort war. Vielleicht war sie in der Tat dort, hatte sich ein Bein gebrochen oder so. Nichts allzu Schlimmes. Aber auch dafür musste Sasuke zum Krankenhaus gehen und nachsehen. Er konnte nicht. Nicht jetzt. Was, wenn es keine Lüge Nejis war? Was, wenn er die Wahrheit gesagt hatte und Sakura wirklich eine Fehlgeburt erlitten hatte? Sasuke hatte Angst, genau das herauszufinden. Genau deswegen drosch er auf den Baum ein, der keinerlei Ahnung hatte, warum er Opfer des Gewaltausbruchs war. Wenn Sakura wirklich eine Fehlgeburt erlitten hatte, was sollte er tun? Hatte Sasuke dann überhaupt noch eine Chance, wieder nach Konoha zurück zu gehen? Würde Sakura ihn dann immer noch akzeptieren? Vielleicht war es aber auch ein Wink des Schicksals. Der Tod Itachis hatte Priorität. Damit er seinen Clan und den Tod seiner Eltern rächen konnte. Sasuke durfte nicht von seinem vorbestimmten Weg abkommen, ansonsten würde konnte er sein Schicksal nicht erfüllen. Aber was war mit Sakura? Würde er, wenn er sie erneut verließ um seinen Bruder zu töten, dann endgültig verlieren? Das wollte er nicht. Sasuke hatte immer von einer eigenen Familie geträumt. In seiner Vorstellung hatte er immer sich gesehen, wie er den Uchiha-Clan wieder aufgebaut hatte, er an der Spitze. Nur waren das alberne Gedanken. Träume einer Welt, die nichts mit der Realität zu tun hatte. Und dennoch, hatte er nicht entschieden, alles zu tun, um mit Sakura eine Zukunft zu haben? Verzweifelt, verwirrt und auch verloren, schrie Sasuke laut auf, ließ die Angst in sich aufsteigen, die seit Nejis Worten in ihm schlummerte. Vollkommen ahnungslos, voller Zweifel und Angst, ließ sich der Uchiha vor dem Baum auf die Knie sinken. Was sollte er nur tun?   Die Mauer war geflickt. Hoffte Sakura zumindest. Seit Nejis überraschendem Besuch waren bereits einige Stunden vergangen. Er war nur kurz geblieben. Peinlich berührt hatte er im Zimmer gestanden, ahnungslos, was er tun oder sagen sollte. Die ganze Zeit über hatte Sakura darum gekämpft, ihn so gut wie möglich zu ignorieren. Natürlich war ihr klar, dass sie ihn damit verletzte. Sie wollte es ganz gewiss nicht. Neji war die letzte Person, die sie verletzen wollte. Und dennoch hatte sie es getan. Mal wieder. Und wofür? Nur damit ihre dumme Mauer hielt. Eben nur dank dieser Mauer hasste sich Sakura für ihr Tun nicht. Nur dank dieser Mauer prallten die Gefühle an ihr ab und sie konnte den Anblick Nejis, wie er verloren und verletzt dagestanden hatte, aus ihren Gedanken verbannen. Irgendwann, nachdem Neji gegangen war, hatte es an der Tür geklopft. Sakura hatte nicht reagiert. Dennoch waren ihre Besucher eingetreten. Ino und Hinata waren vorbeigekommen. Das Treffen mit ihnen war ähnlich wie mit Tenten verlaufen. Ihre Freundinnen waren bemüht gewesen, hatten Sakura helfen und ablenken wollen, hatte sie aufgefordert zu weinen und alles rauszulassen. Nichts davon hatte sie getan. Stattdessen hatte sie wieder ab und an genickt, „Ja“ oder „Nein“ gesagt und gewartet, bis es den Beiden zu langweilig geworden war und sie gingen. Eigentlich konnte sich Sakura glücklich schätzen, so gute Freunde zu haben, die nach ihr sahen. Kurz war die Frage in ihr aufgekommen, warum alle Bescheid wussten, über das, was geschehen war. Doch weil Sakura dann wieder an den Grund denken musste, warum ihre Freundinnen alle einen traurigen Zug um die Augen und ihre Hilfe angeboten hatten, hatte sie die Frage wieder aus ihren Gedanken verbannt. Jetzt saß Sakura nun hier auf ihrem Bett, den Blick aus dem Fenster gerichtet und beobachte, wie die Sonne langsam unterging. Der blaue Himmel verfärbte sich erst langsam blassrot, dann wurden die Orange-und Rottöne intensiver, stärker und immer dunkler, bis sie irgendwann in das dunkle Blau der Nacht, das sehr an Schwarz erinnerte, übergingen. Die Sonne war verschwunden, der Mond aufgezogen und mit ihm aber Milliarden von Sternen, für die kein Mensch je die Zeit fand sie zu zählen. Dann tauchten plötzlich zwei blutrote Punkte in der Nacht auf und Sakura wunderte sich für einen Moment welch merkwürdige Sterne das doch waren, bis sie ihre wahre Identität preisgaben.  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)