Wir werden Helden von Platan (Bande der Freundschaft) ================================================================================ Epilog: Das Herz erinnert sich ------------------------------ Ein wolkenloser Himmel begrüßte Landis, als dieser träge die Augen öffnete. Hatte er geschlafen? Dem musste wohl so sein, denn ihm entglitt kurz darauf ein lautes Gähnen, genau wie Nolan, der direkt neben ihm im Gras lag. Langsam richteten sie sich zeitgleich auf, rieben sich den letzten Schlaf aus den Augen und warfen einen Blick auf die Umgebung. Sie befanden sich außerhalb von Cherrygrove, auf dem Hügel, wo sie sich für gewöhnlich immer trafen. Zuletzt hatten sie sich noch darüber aufgeregt, dass sie wie so oft als Rowdys bezeichnet wurden, statt als Helden. Danach mussten sie wohl eingeschlafen sein, als sie sich erschöpft von der Flucht vor der alten Dame mit ihrer Handtasche ins Gras fallen gelassen hatten. „No?“, murmelte Landis noch schläfrig. „Den Katzen der alten Dame das Fliegen beizubringen, damit sie das nächste Mal einfach vom Baum flattern können, wenn sie mal wieder in einem festsitzen, war, glaube ich, doch keine so gute Idee.“ „Dabei sind meine Ideen normalerweise die Besten, komisch.“ Darauf blickten sie wieder stumm in den Himmel. Eine angenehm frische Brise wehte ihnen durch die Haare. Heute war einer von vielen heißen Sommertagen. Der Stand der Sonne verriet ihnen, dass der Mittag noch nicht angebrochen war und sie somit etwas Zeit bis zum Mittagessen übrig hatten, um der Welt Frieden zu bringen. Seltsamerweise waren sie jedoch schon jetzt ziemlich hungrig, was ihnen durch ihre knurrenden Mägen bestätigt wurde. Wahrscheinlich hatte die Flucht hierher sie so hungrig gemacht, anders konnten sie es sich nicht erklären, weil sie sonst immer erst zu den gewöhnlichen Zeiten Hunger verspürten. Vielleicht sollten sie vorher ihre Reserven auftanken, bevor sie sich in ihr nächstes Abenteuer stürzten. Der Welt ihren Frieden bringen konnten sie auch später noch. Einfach ausgedrückt konnte man auch sagen: Um Cherrygrove zu zeigen, aus welchem Holz sie geschnitzt waren, gab es noch reichlich Zeit, deshalb ... Es war Nolan, der als Erster voller Tatendrang aufsprang. „Alles klar! Lass uns gehen, Lan.“ „Huh?“, entgegnete dieser verwirrt. „Wohin denn?“ „Wie kannst du das fragen? Dem Ruf als Helden gerecht werden natürlich! Aber zuerst gönnen wir uns eine kleine Mahlzeit zur Stärkung.“ Nun huschte ein munteres Lächeln über Landis' Lippen. „In Ordnung.“ Sogleich rannten sie gemeinsam den Hügel hinunter Richtung Ortschaft zurück. Während sie insgeheim versuchten jeweils schneller als der andere zu sein, stieß Landis einen nachdenklichen Laut aus. „Komisch. Irgendwie habe ich das Gefühl, als hätten wir etwas wirklich Tolles getan, aber ich kann mich nicht erinnern.“ „Du auch?“, bemerkte Nolan gleichermaßen nachdenklich. „Geht mir auch so. Ich glaube, wir haben sogar was echt Heldenhaftes getan. Vielleicht fällt es uns wieder ein, wenn wir was gegessen haben.“ Ja, wenn es wirklich so etwas Heldenhaftes gewesen war, dann würde es ihnen mit Sicherheit einfallen, irgendwann. Und wenn nicht, dann reichte das Gefühl in ihren Herzen, dass sich an ihrer Stelle für sie daran erinnerte, völlig aus. Landis war jedenfalls sehr zuversichtlich, nicht nur geträumt zu haben. „Ja, ganz bestimmt.“ *** Damit fand diese Geschichte aus der Vergangenheit zweier Männer auch schon ihr Ende, was jedoch nicht bedeuten sollte, dass es keine anderen dieser Art zu erzählen gäbe. Nein, denn unsere kleinen Helden standen gerade erst am Anfang zur Erfüllung ihrer Träume und würden uns, die sie auf diesem Wege stets begleiten, in Zukunft noch eine Menge Freude bereiten. Abschließend zu diesem Teil ihrer Vergangenheit, gäbe es da allerdings doch noch eine Kleinigkeit, die eine Erzählung Wert wäre. Einer von ihnen kam nämlich fast fünfzehn Jahre später in den einst verbotenen Wald zurück ... *** „Hm? Was ist das?“ Nolan stand vor einem seltsam geformten, großen Stein mit vielen breiten Rissen, aus denen eine Vielzahl von Blumen hervor spross. Blumen, von denen gab es in diesem Wald reichlich, egal wohin man auch schaute. Das saftige grün der Blätter und die Sonnenstrahlen, die sich zwischen das Blätterdach der Bäume hervorkämpften, gaben diesem Ort zusätzlich eine gewisse Schönheit, sofern man einen Wald als schön bezeichnen konnte. Tiere lebten auch hier und davon nicht wenig, waren aber, wie die meisten, sehr scheu. Beim Anblick von diesem lebendigen Stück Natur konnte er sich keinen Reim darauf machen, warum es lange Zeit verboten gewesen war diesen Ort zu betreten. Angeblich sollte es hier mal vor langer Zeit gespukt haben oder so, jedoch bezweifelte er stark, dass es in diesem Wald bei Nacht auch nur annährend gruselig war. Eigentlich wusste er gar nicht was er hier zu finden hoffte. Wahrscheinlich wollte er es einfach nur so lange wie möglich hinauszögern, in seine alte Heimat zurückzukehren, wo so viele Erinnerungen auf ihn warten würden. Warum musste Kenton ihm auch unbedingt diesen Urlaub aufdrücken? Ein wenig Abstand von der Truppe war durchaus keine schlechte Idee, aber warum musste es ausgerechnet dieser Ort sein? Wie auch immer, er war schließlich doch aus freien Stücken bis hierher gekommen. Irgendwie hatte er auf seinem Weg zur Ortschaft dann einfach das Verlangen verspürt, diesen Wald mit seiner Anwesenheit zu beehren. Inzwischen hatte er den Eindruck, hier schon als Kind einmal gewesen zu sein, aber daran konnte er sich nicht erinnern. Landis und er hatten ja damals alle möglichen, nicht gerade ungefährlichen Gegenden aufgesucht, dieser hier war jedoch nicht dabei gewesen. Oder etwa doch? Falls doch, musste sich dieser Wald sehr verändert haben. So sehr, dass er ihn nicht wiedererkannte. Seufzend kniete er sich vor dem Stein nieder. „Na bitte, schon denke ich an die Vergangenheit. Deswegen wollte ich nicht hierher zurück.“ Nach wie vor war der Gedanke an Landis nicht leicht zu ertragen, denn er war immerhin nicht mehr hier. Aber er würde ihn wiedersehen, schließlich waren sie Freunde. Bei näherer Betrachtung entdeckte er einen eingeritzten Text, den man wegen der vielen Risse leider nicht mehr richtig lesen konnte. Vielleicht eine Liebeserklärung oder etwas dergleichen? „Entschuldigung?“, sprach ihn plötzlich jemand von hinten an und er erschrak innerlich, da er nicht damit gerechnet hatte hier auf jemand anderen zu treffen. Er erhob sich wieder und nahm die unerwartete Gesellschaft in Augenschein. Es handelte sich um eine Frau. Sie war fast genauso groß wie er selbst, dafür aber zierlich gebaut. Feuerrotes, langes Haar hing zu einem Zopf zusammengeflochten über ihre rechte Schulter und ein rehbraunes Augenpaar blickte ihn hilfesuchend an. Ihr schneeweißes, mit Rüschen bestücktes Kleid war an einigen Stellen verdreckt, so als hätte sie sich damit irgendwo auf die Erde gesetzt. Seiner Schätzung nach war sie etwas jünger als er. „Was kann ich für Sie tun, Fräulein?“, antwortete er, routiniert freundlich. Erst zog sie beide Augenbrauen zusammen, als würde ihr etwas an seiner Ausdrucksweise nicht passen. „Kommen Sie zufällig von hier?“ „Ich habe hier meine Kindheit verbracht, also ja.“ „Oh.“ Die junge Frau fing an amüsiert zu kichern. „Sie sind wohl Kavallerist oder so, was?“ „Kommandant“, fügte Nolan hinzu und musste bei dem Gedanken an die undisziplinierten Kavalleristen erneut seufzen. „Woran haben Sie das gemerkt?“ Schließlich hatte er Urlaub und war demnach in Zivil unterwegs. Andererseits war er Kommandant, also war es wiederum nichts allzu ungewöhnliches, wenn er irgendwo erkannt wurde. Doch da sie ihn nicht als diesen, sondern als Kavallerist eingestuft hatte konnte er nur erahnen, dass ihre Vermutung auf etwas anderes zurückzuführen war. „Sie klangen so danach, so einstudiert freundlich.“ Einstudiert freundlich? So hatte man es auch noch nicht ausgedrückt. Ehe er etwas dazu sagen konnte, fuhr sie fort. „Ich habe einen ziemlich schlechten Orientierungssinn und habe mich verlaufen. Ich wollte nach Cherrygrove, um mir dort die Kirschblüten anzuschauen, von denen man sich so viel erzählt.“ „Kein Problem, ich wollte auch dorthin und kann Sie also begleiten“, nickte er der Frau zu und schenkte seine Aufmerksamkeit noch einmal dem Stein. Neben ihn tretend, betrachtete sie diesen ebenfalls, da er anscheinend sehr abwesend dabei aussah und somit ihr Interesse geweckt hatte. Neugierig fragte sie nach, ob dieser Stein eine besondere Bedeutung für ihn habe, doch er zuckte nur unsicher mit den Schultern. „Keine Ahnung. Wenn ich hier stehe habe ich nur so das Gefühl, einem alten Freund zu begegnen, dabei war ich hier noch nie.“ Aufgeregt klopfte sie ihm auf die Schulter. „Ich auch! Mich hat auch so ein Gefühl hierher gezogen und ich glaube, diesen Wald zu kennen, obwohl ich zum ersten Mal hier bin.“ Darauf zog Nolan eine Augenbraue hoch und grinste leicht. „Ich dachte, Sie hätten sich verlaufen?“ „Nicht ganz“, winkte sie mit einem Lächeln ab. Eine Weile blieben sie einfach stehen, sagten kein Wort und betrachteten jeder in Gedanken verloren den Stein vor sich, bis Nolan in eine Richtung deutete und sie sich in Bewegung setzten. Auf dem Weg nach Cherrygrove unterhielten sie sich ausgiebig miteinander und kamen auf allerlei Themen zu sprechen, wobei sie beide das Gefühl hatten sich mit einem Freund zu unterhalten, den sie ewig nicht gesehen hatten. „Sie sind also wegen den Kirschblütenbäumen hier“, wiederholte er. „Also eine Reisende?“ „Kann man so sagen. Ich bin derzeitig auf Erkundungstour ... Sie brauchen übrigens nicht so förmlich zu sein, das mag ich nicht so.“ Schmunzelnd kratzte er sich am Kopf. „Aber Sie sind doch selber auch so förmlich.“ „Nur weil Sie angefangen haben.“ Unschuldig pfeifend, faltete sie die Hände ineinander. Es tat doch ziemlich gut sich mit jemandem zu unterhalten, den er noch nicht kannte, auch wenn er erst keine große Lust dazu gehabt hatte. Schwierigkeiten damit neue Leute kennenzulernen hatte er sowieso nie und es störte ihn auch nicht, wenn sie Förmlichkeiten nicht so leiden konnte, sondern lieber gleich per Du sein wollte. „Wie du willst“, betonte er. „Mein Name ist Nolan, und deiner?“ Ihn sichtlich zufrieden anlächelnd, legte sie den Kopf leicht zur Seite. „Ich heiße ...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)