Wir werden Helden von Platan (Bande der Freundschaft) ================================================================================ Kapitel 6: Traum oder Wirklichkeit? ----------------------------------- „Bist du etwa immer noch eingeschnappt, Lan?“, fragte Nolan, zum wahrscheinlich hundertsten Male innerhalb der vergangenen zehn Minuten und Landis gab ihm darauf stets die gleiche Antwort. „Nein, bin ich nicht.“ Sicher wäre es um einiges angenehmer gewesen, wenn Nolan Landis sein Wissen auf eine andere Art und Weise und zu einem früheren Zeitpunkt mitgeteilt hätte, doch er nahm es ihm trotzdem nicht übel. Wieso sollte er auch? Im Nachhinein hatte er über die Geschichte mit Oriana und diesem sogenannten Fredi nämlich noch mal genauer nachgedacht. Jemand namens Fredi lebte in Cherrygrove gar nicht, zumindest konnte er sich an niemanden mit so einem Namen erinnern und selbst wenn es eine Person außerhalb ihrer Heimat war, hätte Landis längst von ihm gewusst, gäbe es diesen Typen wirklich. Oriana hätte ihm mit Sicherheit längst von diesem Freund erzählt, daher hatte Nolan sich diese Geschichte bestimmt nur ausgedacht. So hatte Xeldrite Dank ihm immerhin seine Seele nicht verschlingen können. Außerdem war die Bezeichnung eingeschnappt wohl kaum das richtige Wort dafür, was er wegen der Aussage von vorhin empfand, mit der Nolan ihn aus dem Bann befreit hatte. Er war sich selbst nicht sicher, wie er dieses Gefühl einordnen sollte. Womöglich lag es schlicht an dem Schmerz in seiner Unterlippe, wegen dem er es sich nicht wagte, viel zu sprechen. „Hey, Lan“, versuchte Nolan bereits erneut die Aufmerksamkeit seines Freundes für sich zu gewinnen. „Was soll ich denn noch tun, damit du wieder mit mir redest?“ Seufzend warf Landis dem verzweifelten Nolan ein leichtes Lächeln zu, mit dem er ihm zeigen wollte, dass seine Sorgen bezüglich dieser Sache unnötig waren. „Ist ja gut, No. Ich rede doch mit dir und ich bin wirklich nicht eingeschnappt.“ Zutiefst erleichtert presste Nolan eine Hand gegen die Brust und wirkte so, als wäre ihm soeben eine große Last genommen worden. „Puh, da bin ich aber froh. Ich dachte schon, du hättest diese kleine Notlüge zu ernst genommen.“ Plötzlich stolperte Landis nach diesen Worten ungeschickt über eine Wurzel und flog geradewegs zu Boden. Beim Aufprall stieß er einen leidvollen Laut aus, da er vor Schreck auch noch unglücklicherweise zum zweiten Mal auf seine Unterlippe gebissen hatte, noch dazu exakt auf die Stelle, welche bereits zuvor diesen Schmerz erfahren musste. Besorgt kniete Nolan sich sofort zu ihm runter. „Lan?! Alles in Ordnung?“ Fast hätte er mit einem nein geantwortet, schluckte jedoch seinen Ärger runter und ließ sich von seinem Freund auf die Beine helfen. Außer einer Schramme am Knie sowie dem erneuten Biss auf die Unterlippe, schien Landis soweit unversehrt zu sein. „Mir geht's gut. Aber sag mal, wie bist du eigentlich auf Fredi gekommen?“, wollte er darauf wissen. Nachdenklich kratzte Nolan sich am Kopf und wirkte darüber ebenso verwundert wie Landis. „Keine Ahnung. Irgendwie kam mir dieser Name einfach in den Sinn, als hätte ihn mir jemand zugeflüstert oder so. Aber woher sollte ich auch wissen, wer in Ria verknallt ist und wer nicht? Als würde man mir solche Sachen erzählen. Mir fiel einfach nichts Besseres ein, denke ich.“ „Warum hast du mich nicht einfach geschlagen?“, murmelte Landis für sich, denn er wollte Nolan gar nicht erst auf dumme Gedanken bringen. Die Zeiten in denen sich die beiden miteinander prügelten um herauszufinden, wer der Stärkere von ihnen war, lagen ihm ohnehin noch in den Knochen, auch wenn es durchaus äußerst spaßig gewesen war. Jedenfalls beschloss er, das Thema um diesen geheimnisvollen Fredi einfach abzuschließen und es als ein Hirngespinst von Nolan einzuordnen. Noch bevor Nolan abermals mit der Frage kommen konnte, bestätigte Landis ihm noch einmal, dass er es ihm nach wie vor nicht übel nahm. Wenigstens war er jetzt dieses unangenehme Gefühl losgeworden, das ihm vorher schwer zu schaffen gemacht hatte. Somit setzten sie ihren Weg fort. Immerhin mussten sie nun auch das Kätzchen Alona wiederfinden, bevor ihr was zustoßen konnte. Der Schmerz in seiner Unterlippe machte Landis nahezu wahnsinnig. Am liebsten hätte er auf der Stelle losgeheult, auch wenn es nichts besser gemacht hätte, aber schließlich war Nolan dabei und er wollte ungern als Schwächling dastehen, selbst wenn es ihm wahrscheinlich egal gewesen wäre und es sogar eher als Herausforderung betrachtet hätte, Landis abzuhärten. Als Nolan neben ihm aus heiterem Himmel einen lauten Schrei von sich gab, zuckte Landis nicht nur erschrocken zusammen, sondern hätte zu allem Überfluss fast ein weiteres Mal auf seine Unterlippe gebissen und das wäre nicht glücklich ausgegangen. „Was ist denn los?!“, wollte Landis wissen, der sich bereits nervös umblickte. Ob dieser unheimliche Geist, Xeldrite, sie wieder heimsuchen würde? „Diese ganzen Pfeile überfordern meinen Intellekt! Ich bekomme Kopfschmerzen!“ Sprachlos beobachtete er Nolan dabei, wie dieser sich den Kopf hielt, so als könnte er jeden Augenblick explodieren. Abgesehen davon, dass Landis sich fragte ob Nolan überhaupt wusste, was man unter Intellekt zu verstehen hatte, konnte er sich dem Auslöser für dessen Verzweiflung nur anschließen. Sie waren verloren. Wie sollten sie unter dieser Vielzahl an, in den Baumstämmen eingeschnitzten, Markierungen nur jemals den richtigen Weg zurück nach Cherrygrove finden? Nun, sie könnten einfach ständig in eine Richtung laufen, dann müssten sie eigentlich irgendwann irgendwo rauskommen, aber ein inneres Gefühl sagte ihm, dass es nicht so leicht sein würde aus diesem Wald ohne weiteres wieder herauszukommen. Aber bevor sie weder Oriana noch Alona gefunden hatten, war sowieso nicht an eine Heimkehr zu denken. „Warn mich doch das nächste Mal vor. Ich dachte schon, Xeldrite wäre aufgetaucht.“ „Ach, die soll nur kommen!“, erwiderte sein Freund siegessicher. „Wir werden ihr diesen Spuk schon austreiben!“ „W-Was?“ Für einen kurzen Moment hätte Landis schwören können, dass sich diese Szene genauso oder zumindest in ähnlicher Weise schon einmal abgespielt hatte, aber das konnte unmöglich sein. Sie befanden sich zum ersten Mal in diesem Wald, oder? Erst als Nolan nach ihm rief verdrängte er diesen Gedanken. Vermutlich lag es nur an den Umständen, die in solcher Form für Verwirrung sorgten. *** Es kam ihnen wie eine halbe Ewigkeit vor, in der sie kreuz und quer durch den Wald liefen ohne auch nur annährend eine Spur zu finden, wo sich Oriana oder Alona aufhalten könnten. Da ihre Beine sie kaum noch tragen wollten beschlossen sie, eine Pause einzulegen, auch wenn beide unbedingt so schnell wie möglich die Prinzessin und ihr königliches Schoßtierchen retten wollten. Wenn sie jedoch mitten im Wald vor Erschöpfung zusammenbrechen würden, halfen sie damit niemandem weiter. „Dabei sagt Ken doch immer, wir wären voller überschüssiger Energie!“, seufzte Nolan enttäuscht, während er gemeinsam mit Landis ein wenig Holz für ein Feuer sammelte. „Ich denke, er meinte das nicht unbedingt körperlich“, mutmaßte Landis dazu, mit den Schultern zuckend. „Wie auch immer, wenn wir wenigstens ein paar Äpfel eingepackt hätten.“ Fragend warf Landis ihm einen Blick zu. „Äpfel?“ „Klar! Teepo sagte bei den Schwertübungen doch, Äpfel würden einen gesund und stark machen! Also wäre es doch gut, wenn wir jetzt ein paar dabei hätten.“ Bei dieser Begeisterung, die von Nolan zu diesem Thema ausging, würde es Landis nicht überraschen, wenn dieser sich eines Tages auf die Reise begeben würde um den besten Apfel der Welt zu finden. Allein die Vorstellung erheiterte ihn, weshalb er die Idee festhielt, um sie nach diesem Abenteuer mit Nolan zu teilen. Sie legten das gesammelte Holz zusammen und Landis holte zwei sogenannte Feuersteine aus seiner Hosentasche hervor, die er einst von seiner Mutter bekommen hatte. Laut ihrer Erzählung sollte man mit diesen Steinen ein Feuer entfachen können, aber bisher hatten sie keine günstige Gelegenheit finden können, um es auszuprobieren. Schließlich wollten sie die Kraft dieser Feuersteine nicht unnötig verbrauchen, falls es überhaupt funktionierte. Gespannt hielt Landis die Steine nah genug an das Holz und schlug sie so aneinander, wie es Asterea ihnen vorgemacht hatte, doch es tat sich nichts. Zwar hatte sie ihnen gesagt es sei nicht so leicht, aber allzu schwierig konnte es doch auch nicht sein. Wie würden sie denn als Helden dastehen, wenn sie nicht dazu in der Lage waren ein Feuer zu entzünden? Er versuchte es noch einige Male, ehe er die Steine an Nolan weitergab und der sein Glück versuchte. Während dieser sich seiner Aufgabe mit Elan widmete, nahm Landis sich die Zeit, um sich mit den Augen umzusehen und merkte nicht, wie er dabei trotz der Schmerzen an seiner Unterlippe kaute. Seit sie den Wald betreten hatten fühlte er sich beobachtet und er konnte Nolan ansehen, dass es ihm nicht anders ging, nur schien ihn dieses Gefühl nicht so nervös zu machen wie ihn. Doch da war noch etwas, was ihm nicht aus dem Kopf ging. Nämlich die Vermutung sich im Kreis zu bewegen. Irgendwie kam es ihm so vor, als säßen sie in so was wie einem Traum fest, der sich ständig wiederholte, anders konnte er sich nicht erklären warum ihm einige bestimmte Dinge, die sie taten oder sagten, so unheimlich bekannt vorkamen, auch wenn es albern klingen mochte. „AH!!!“, schrie Nolan erneut, ohne jegliche Vorwarnung und es geschah, was geschehen musste ... „AUA! Verdammter Mist, nicht schon wieder! Scheiße, tut das weh!“, jammerte Landis und tupfte sich mit seinem Ärmel die nun blutende Unterlippe ab. „Mensch, No! Ich sagte doch, du sollst mich vorwarnen, wenn du das nächste Mal schreist!“ Nur beiläufig bemerkte er, dass es seinem Freund offenbar gelungen war mit den Steinen ein Feuer zu entfachen, denn die Gegend um sie herum wurde nicht nur von Licht erfüllt, sondern es wurde auch gleich ein bisschen wärmer. Also handelte es sich bei dem Schrei eben nur um Freude. Entsetzt blinzelte Nolan erst schweigend und schüttelte dann den Kopf. „Schäm dich, Lan, hier so rumzufluchen. Das werde ich Tante Asti sagen!“ *** Nolan hatte es sich an einem nächstgelegenem Baum bequem gemacht, indem er sich an dessen Stamm anlehnte. Dagegen blieb Landis direkt vor dem Feuer sitzen und fuchtelte ziellos mit einem Stock in der Hand herum, womit er versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass er in Gedanken versunken war. Alona hatte sie sicher nicht grundlos hergeführt, daran zweifelte er nicht. Aber was, wenn Oriana sich möglicherweise doch nicht hier aufhielt und schon längst zu Hause aufgetaucht war? Was, wenn ihre Rettungsaktion sie am Ende ins Verderben stürzen würde? Nein, so durfte er nicht denken. Er würde sie finden und heil zurück nach Cherrygrove bringen, gemeinsam mit Alona. Ja, sie würden es schon schaffen. Ein Held gab schließlich niemals auf. „Autsch!“ Zwischendurch holte ihn der Schmerz in seiner Unterlippe immer wieder in die Wirklichkeit zurück. Eigentlich konnte er ziemlich viel aushalten, wie viele der Abenteuer mit Nolan schon bewiesen hatten, aber der dritte Biss war eindeutig einmal zu viel gewesen. Hoffentlich würde keine Narbe davon zurückbleiben, obwohl ... ... Wenn er den Grund für diese Narbe nett ausschmücken würde, könnte es sich durchaus positiv auf sein Persönlichkeitsbild als Held auswirken. „Werden wir sterben, Lan?“ Schlagartig war ihm der höllische Schmerz, der ihn die ganze Zeit über plagte, nach diesem Kommentar vollkommen egal und er starrte Nolan schweigend an, der sich vorgebeugt hatte. War das gerade eine ernst gemeinte Frage von ihm oder versuchte er nur erneut, sich im falschen Moment der Situation anzupassen? Bei ihm konnte man sich da nie so ganz sicher sein, jedenfalls nicht heute, wie er als Leidtragender bereits mehrmals hatte feststellen müssen. Wenn er sich die letzte Aktion von Nolan in Erinnerung rief, wegen der sich seine Unterlippe jetzt so anfühlte, als könnte sie jeden Augenblick einfach abfallen, dachte er lieber doch mehr als nur einmal darüber nach, was er auf diese Aussage antworten sollte. Für gewöhnlich meinte sein Freund solche Dinge nie sonderlich ernst, wenn er sie sagte, und man hatte es stets sofort in dessen Gesicht ablesen können. Diesmal war seine Mimik jedoch erschreckend neutral, was Landis ein wenig verunsicherte, zumal dieser Gesichtsausdruck überhaupt nicht zu ihm passte. Entweder war es ihm innerhalb der vergangenen Stunden gelungen, ein perfektes Schauspiel abzuliefern oder Landis war schlicht zu angespannt, um diese Fassade, wie sonst auch, auf der Stelle durchschauen zu können, was er sich selbst angesichts ihrer Lage nicht verübeln konnte. Schließlich holte er einmal tief Luft, ehe er die erdrückende Stille zwischen ihnen brach. „Weißt du, No ...“, erwiderte er so leise, dass man es beinahe überhört hätte. „Hm?“ „Keine Ahnung.“ Diese Antwort gab er letztendlich aus einem Gefühl heraus, das sich Gewohnheit nannte. Hatte er ihm so eine Antwort schon einmal gegeben? Bestimmt, aber doch niemals auf diese Frage? Jedenfalls entspannten sich wie auf Stichwort Nolans Gesichtszüge und er sah wieder genauso unbeschwert aus, wie er es von ihm kannte war, was Landis mittlerweile Angst machte. War er denn wirklich der einzige von ihnen der sich zunehmend so fühlte, als wären sie längst verloren? „Ah, dann ist ja gut.“ Landis neigte nachdenklich den Kopf zur Seite. „Was sollte diese komische Frage? Du stellst doch sonst nicht so negative Fragen.“ „Ach, eigentlich weiß ich es nicht genau.“ Grinsend legte sein Begleiter beide Hände hinter den Kopf, während er sich wieder an den Baum hinter sich anlehnte. „Ich glaubte irgendwie diese Frage stellen zu müssen, weil es jetzt dafür Zeit war. Komisch, nicht? Aber wäre das hier ein Märchen, würde diese Frage mich doch total dramatisch aussehen lassen, wie es sich gehört! Zwei tapfere, junge Helden irren alleine durch die Finsternis, auf der Suche nach ihrer Bestimmung und verlieren dabei den Weg zu ihrem Ziel aus den Augen ...“ Darauf musste sein Zuhörer schmunzeln, weil Nolan dies absichtlich mit seiner üblich theatralischen Stimme erklärte, sobald er solche Vergleiche machte. Immerhin war die Befürchtung überflüssig gewesen, dass selbst er in dieser Lage anfing gewichtige Fragen zu stellen. Vielleicht machte Landis sich diesmal schlicht zu viele Sorgen. „Hatten wir nicht schon Spannung genug für einen Tag?“ „Machst du Witze? Spannung gehört zu einem echten Abenteuer dazu! Genau wie ein Wald ohne Bäume kein richtiger Wald wäre“, erläuterte er, möglichst weise klingend. Er konnte es nicht länger ignorieren. Sein Herz fing an zu rasen vor Aufregung, als er mit absoluter Sicherheit sagen konnte, genau diese Situation schon einmal erlebt zu haben und zwar nicht nur einmal. Wie sollte er es Nolan nur erklären? War dies ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? „Hey, Lan! Hör auf damit!“, zog Nolan seinen Freund aus dessen Gedankenwelt. „Huh?“ „Du machst dir schon wieder viel zu viele Gedanken darüber, wie diese Geschichte für uns ausgehen könnte. Egal, wie schlecht die Chancen für uns standen, dass hat uns noch nie davon abgehalten, dem Ruf als Helden gerecht zu werden, oder?“ Normalerweise würde er dem lächelnd zustimmen, jedoch musste er irgendetwas gegen dieses Trugbild unternehmen, in dem sie sich, von seiner Sicht aus, befanden. Ob Xeldrite oder etwas anderes dahinter steckte, konnte er sich später noch ausmalen, zunächst war es wichtig, Nolan über seine Entdeckung in Kenntnis zu setzen, doch er kam ihm zuvor. „Lan? Ich frage mich das schon die ganze Zeit ... Warum möchtest du sie retten?“ „Aber No, den Grund dafür kennst du doch!“, sprach Landis hastig drauflos, ohne Punkt und Komma. „Ich habe es dir schon mehrmals erzählt! Erinnerst du dich nicht?!“ Ohne sich dessen bewusst zu sein, war Landis aufgesprungen, zu Nolan rüber geeilt und hatte ihn an den Schultern gepackt, worauf er sichtlich verwirrt reagierte. „Lan? Was ist denn mit dir los? Wenn ich den Grund kennen würde, hätte ich doch nicht gefragt.“ „Doch, du weißt es! Streng dich an, erinnere dich!“ Klar wäre die Sache einfacher gewesen, wenn er ihm gleich erzählt hätte, warum er plötzlich so unruhig war, aber laut seinen Erinnerungen hatten sie nicht mehr viel Zeit bis zum Erscheinen dieses Glühwürmchens übrig, dem Nolan folgen und sie diesen Teufelskreis abermals erleben lassen würde. Deshalb musste er auf der Stelle etwas unternehmen, aber was? Wie kämpfte man gegen etwas von dem man nicht einmal genau sagen konnte, was es war? Als nach einigen Minuten des Schweigens von Nolan keinerlei Reaktionen zu seiner letzten Aussage kamen, wandte er den Blick etwas misstrauisch über die Schulter und schluckte hart, als er in der Ferne ein kaum sichtbares Leuchten entdeckte. „Oh nein, es ist schon da.“ „Was ist da? Huh?“ Neugierig spähte Nolan an ihm vorbei und erblickte ebenfalls das schwache Leuchten in der Dunkelheit des Waldes. „Ah, heute ist unser Glückstag! Ein Glühwürmchen! Weißt du, was das bedeutet?“ „Wenn man es fängt, kann man sich etwas wünschen. Ja, ich weiß. Aber hör zu, No ...“ Landis wandte sich mit seinem Blick wieder an Nolan und versuchte in so wenigen Worten wie möglich zu erklären, was hier vor sich ging. „Aber dieses Ding da ist kein gewöhnliches Glühwürmchen. Was es auch sein mag, wir dürfen es nicht verfolgen, hörst du? Sonst erleben wir immer wieder aufs Neue, wie wir durch den Wald irren, hier Pause machen und dieses Glühwürmchen uns in die Irre führt. Wir müssen ...“ „Lan?! Pass auf! Es kommt näher!“, fiel er ihm ins Wort. Zu spät. Alles, was Landis noch wahrnahm, war dieses gleißende Licht, welches auf ihn zugerast kam und wie ihm der Atem stockte, als er den Boden unter den Füßen verlor ... *** „Lan?! Pass auf! Es kommt näher!“ Nolan wollte aufspringen und ihn zur Seite stoßen, war jedoch nicht schnell genug, denn das Glühwürmchen war auf einmal mit einer unglaublich hohen Geschwindigkeit in ihre Richtung gekommen und hatte seinen Freund von hinten erwischt, der sich daraufhin im, wahrsten Sinne des Wortes, in Luft auflöste. „Lan?! Wo bist du hin?! Laaan!“, rief er so laut er konnte. Natürlich erhielt er keine Antwort. Er war allein. Ihm war es nicht entfallen, wie komisch er sich zum Schluss benommen hatte. Einen Reim darauf machen konnte er sich leider nicht – dabei reimte er meistens ganz gerne, weil es dramatischer klang. „Ich kapier gar nichts mehr. Ist Lan jetzt etwa auch verloren gegangen?“ Das Leuchten tauchte in der Nähe zwischen den Baumstämmen aus dem Nichts wieder auf und zog Nolans vollste Aufmerksamkeit auf sich. Auch wenn Landis meinte, sie sollten diesem Licht nicht folgen, war es immer noch besser als nur rumzustehen und nichts zu tun. „Hey du, Glühwürmchen! Was hast du mit Lan gemacht?! Gib ihn wieder her!“ Hastig stürmte Nolan auf das Leuchten zu und ahnte nicht, was er damit auslösen würde ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)