Wir werden Helden von Platan (Bande der Freundschaft) ================================================================================ Prolog: Das Versprechen ----------------------- „Werden wir sterben, Lan?“ Schlagartig war Landis der höllische Schmerz, den er zuvor ohne Erfolg zu ignorieren versucht hatte, nach diesem Kommentar vollkommen egal und er starrte Nolan schweigend an. War das gerade eine ernst gemeinte Frage von ihm oder versuchte er nur erneut, sich im falschen Moment der Situation anzupassen? Bei ihm konnte man sich da nie so ganz sicher sein, jedenfalls nicht heute, wie er als Leidtragender bereits mehrmals hatte feststellen müssen. Wenn er sich die letzte Aktion von Nolan in Erinnerung rief, wegen der sich seine Unterlippe jetzt so anfühlte, als könnte sie jeden Augenblick einfach abfallen, dachte er lieber doch mehr als nur einmal darüber nach, was er auf diese Aussage antworten sollte. Für gewöhnlich meinte sein Freund solche Dinge nie sonderlich ernst, wenn er sie sagte, und man hatte es stets sofort in dessen Gesicht ablesen können. Diesmal war seine Mimik jedoch erschreckend neutral, was Landis ein wenig verunsicherte, zumal dieser Gesichtsausdruck überhaupt nicht zu ihm passte. Entweder war es ihm innerhalb der vergangenen Stunden gelungen, ein perfektes Schauspiel abzuliefern oder Landis war schlicht zu angespannt, um diese Fassade, wie sonst auch, auf der Stelle durchschauen zu können, was er sich selbst angesichts ihrer Lage nicht verübeln konnte. Schließlich holte er einmal tief Luft, ehe er die erdrückende Stille zwischen ihnen brach. „Weißt du, No ...“, erwiderte er so leise, dass man es beinahe überhört hätte. „Hm?“ „Keine Ahnung.“ Wie auf Stichwort entspannten sich Nolans Gesichtszüge und er sah wieder genauso unbeschwert aus, wie er es von ihm gewohnt war. „Ah, dann ist ja gut.“ Landis neigte nachdenklich den Kopf zur Seite. „Was sollte diese komische Frage?“ „Ach, eigentlich nichts.“ Grinsend legte sein Freund beide Hände hinter den Kopf, während er sich wieder an den Baum hinter ihm anlehnte. „Ich dachte nur, es wäre der geeignete Zeitpunkt für diese Frage. Wegen der Stimmung und so, verstehst du? Zwei tapfere, junge Helden irren alleine durch die Finsternis, auf der Suche nach ihrer Bestimmung und verlieren dabei den Weg zu ihrem Ziel aus den Augen ...“ Darauf musste sein Zuhörer schmunzeln, weil Nolan dies mit einer absichtlich dramatischen Stimme erklärte, beinahe als hätte er so was schon oft erlebt. Immerhin war die Befürchtung überflüssig gewesen, dass selbst er in dieser Lage anfing, gewichtige Fragen zu stellen. „Hatten wir nicht schon genug Spannung für einen Tag?“ „Machst du Witze? Spannung gehört zu einem echten Abenteuer dazu! Genau wie ein Wald ohne Bäume kein richtiger Wald wäre“, erläuterte er, möglichst weise klingend. Im Gegensatz zu ihm ertappte Landis sich dabei, wie langsam aber sicher Sorge bezüglich der aktuellen Situation in ihm aufkeimte. Ob es nicht doch zu gefährlich war, mitten in der Nacht allein zu zweit hier draußen zu sein? Sie steckten in einer heiklen Lage, so viel stand fest. Nicht, dass er Angst hätte oder gar daran dachte, die ganze Angelegenheit zu vergessen, im Gegenteil, aber er malte sich innerlich sämtliche Möglichkeiten aus, wie diese Rettungsaktion für alle Beteiligten enden könnte und was dabei zustande kam, war nicht gerade erfreulich. Auch wenn man bekanntlich nicht den Teufel an die Wand malen sollte, die Frage, ob sie hier sterben würden, war vielleicht sogar berechtigt. „Hey, Lan! Hör auf damit!“, zog Nolan ihn in die Wirklichkeit zurück. „Huh?“ „Du machst dir schon wieder viel zu viele Gedanken darüber, wie diese Geschichte für uns ausgehen könnte. Egal, wie schlecht die Chancen für uns standen, das hat uns noch nie davon abgehalten, dem Ruf als Helden gerecht zu werden, oder?“ Lächelnd stimmte er dem zu. Nolan hatte Recht. Schließlich hatten sie gemeinsam beschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und die in Not geratene Prinzessin vor dem bösen Drachen zu retten, welche sie anschließend sicher in ihr Schloss zurück geleiten würden, ohne dass dabei jemand zu Schaden kam. Nicht mal der böse Drache, der bestimmt nur nach etwas Gesellschaft suchte. Außerdem hatten sie bis zu diesem Zeitpunkt schon so viel durchgemacht, da würden sie dies hier auch locker überstehen. „Lan?“ „Was denn, No?“, erwartete er bereits die nächste, verrückte Frage und stocherte dabei mit einem Stock im Feuer herum. „Ich frage mich das schon die ganze Zeit ...“ „Du fragst dich ständig etwas“, fiel er ihm mit einer ironischen Tonlage ins Wort. „Es wundert mich, dass du ein Held werden willst. Du solltest lieber ein Gelehrter werden.“ Abgeneigt verzog Nolan das Gesicht bei dieser Vorstellung und fuhr, ohne weiter darauf eingehen zu wollen, dort fort, wo er von seinem Freund unterbrochen worden war. „Warum möchtest du sie retten?“ Damit hatte er Landis nun anscheinend ziemlich überrumpelt, denn dieser wandte verlegen den Blick ab. „Was soll denn das? Ist doch wohl klar, warum. Sie ist eine gute Freundin von uns und außerdem gehört so was zum täglichen Heldendasein dazu.“ „Ja, schon klar. Das meine ich aber nicht.“ Grübelnd verschränkte er die Arme. „Du hast dieses Feuer in den Augen. Schon seit wir losgegangen sind. Es ist anders, als bei einem unserer üblichen Heldentaten, viel leidenschaftlicher. Als wärst du mit Leib und Seele dabei, deine Liebste aus den Klauen des Bösen zu befreien! Verstehst du, was ich meine?“ Seufzend kratzte Landis sich am Kopf. Warum musste Nolan die Dinge auch immer so unnötig ausschmücken? Als wäre es ihm nicht schon peinlich genug, dass sie überhaupt darauf zu sprechen kamen. „Nun, ich“, nuschelte er auffallend nervös vor sich her, „habe es ihr halt versprochen.“ „Versprochen?“ „Ja, versprochen.“ Tiefer ins Detail gehen wollte er an der Stelle höchst ungern, weshalb er hoffte, dass damit alles soweit geklärt war. Als nach einigen Minuten des Schweigens von Nolan aber keinerlei weitere Reaktionen dazu kamen, wandte er den Blick etwas misstrauisch wieder zu ihm und war überrascht zu sehen, wie konzentriert dieser aussah. Gerade als Landis etwas sagen wollte, platzte ein begeisterter Laut aus ihm heraus. „Ah!“ Plötzlich sprang Nolan auf, als hätte er soeben eine Erleuchtung. Aufgeregt deutete er in eine Richtung. „Lan! Sieh nur, was da ist! Heute ist unser Glückstag!“ Dem Fingerzeig folgend, erblickte er in der Nähe ein kaum sichtbares Leuchten in der Dunkelheit des Waldes, das sich offenbar von ihnen zu entfernten schien. Ehe er dazu kam zu analysieren, wobei es sich dabei handeln könnte, rannte Nolan auch schon an ihm vorbei, dem geheimnisvollen Leuchten entgegen. „No?!“ „Weißt du denn nicht, was das bedeutet? Wenn es einem gelingt, ein Glühwürmchen zu fangen, kann man sich etwas wünschen!“ „Warte!“, schrie er ihm vergeblich hinterher. „Ich glaube nicht, dass das ein Glühwürmchen ist, hörst du?! No!“ Zu spät. Sein einziger Begleiter war soeben in den Schatten zwischen den Baumstämmen verschwunden. Kaum war er aufgestanden, um Nolan zu folgen, schrie dieser auch schon laut auf und versetzte ihn akut in Panik. „No?!“ So schnell wie möglich eilte er in die Richtung, aus der der Schrei gekommen sowie das schwächer werdende Leuchten zu sehen war. Den Mund öffnend, um ein weiteres Mal nach ihm zu rufen, stockte ihm jäh der Atem, als er den Boden unter den Füßen verlor ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)