Diesem Einen will ich #Follow von Virdra-sama (Was macht der Zwergenkönig in meinem Onlinegame?) ================================================================================ Kapitel 99: 99. Hallo Onkel Dok ------------------------------- Was für ein Morgen. Und dabei hatte ich noch gedacht es könnte nach dem vergangenen Tag nicht schlimmer werden. Gut, eigentlich war es bei weitem nicht so schlimm, aber in dem Moment als mich Fili endlich vor der Praxis meines Hausarztes absetzte, war ich bereits fix und fertig mit den Nerven. Bestimmt ging es auch den meisten Passanten auf der Hauptstraße so, nachdem mein kleines Zwergenrudel, wie eine Horde wildgewordener Nashörner durch die Reihen geprescht war und den halben Straßenzug dabei zerlegt hatte. Bei all dem Chaos, was sie auf dem Weg hinterlassen hatten, bekam ich doch leichte Bauchschmerzen, als ich meine Hand auf den Griff der mit Milchglas versehenen Tür legte. Ich hoffte nur inständig, dass an diesem Tag nicht allzu viel los war und wir uns rasch aus dem Staub machen konnten, bevor es den kleinen, bärtigen Männern langweilig wurde. Zwerge waren nun mal nicht die Geduldigsten und bei dem was sie schon in den wenigen Minuten angestellt hatten, die wir unterwegs gewesen waren, wollte ich nicht, dass sie womöglich auch noch die Praxis in Schutt und Asche legten. Und da behaupteten die meisten Leute, dass nur Drachen zu so etwas in der Lage waren. Aber die mussten sich ja nie mit waschechten Zwergen herumschlagen. Zumindest nicht die aus meiner Welt. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was die Herren in Mittelerde so alles anstellen mochten, wenn man ihnen dort freie Hand ließ. Wobei ich die kleinen Kerle auf der anderen Seite absolut nicht mehr missen wollte. Sie waren schließlich inzwischen ein großer Bestandteil meines Lebens. Egal wie sehr sie es auch durcheinander wirbelten. Auf eine gewisse Art und Weise schafften sie es immer wieder mich zum Lachen zu bringen. Ob es nun wegen ihrer Unwissenheit oder dem Talent selbst in den schlechtesten Dingen das Positive zu sehen war. Allerdings überwog ihre Unwissenheit bezüglich der Gegebenheiten meiner Welt schon sehr, was ich mal wieder sehr deutlich zu spüren bekam. Denn die erste Hürde auf meinem Weg zu einer zügigen Behandlung stellte sich bereits für mich und die kleinen, bärtigen Männer als ungemein große Herausforderung dar. So kam ich nicht einmal dazu die Tür zu öffnen, da Bofur plötzlich meinen Arm packte mit den Worten: "Cuna. Warte. Geh nicht da rein." Verwirrt hob ich beide Augenbrauen in die Stirn und musterte den Zwerg mit der Mütze fragend, nachdem ich mich zu ihm umgedreht hatte. "Was ist denn nun schon wieder los? Sag jetzt nicht, dass ihr mich auch noch reintragen wollt", entgegnete ich leicht gereizt mit dem erschreckend realen Gedanken im Hinterkopf, dass die Herren es vielleicht tatsächlich vor hatten. Vermutlich würde es einen sehr makaberen Anblick abliefern, wenn die Herren mich auf den Armen zur Rezeption trugen und vielleicht sogar lauthals Hilfe für mich forderten. Doch wie schon so oft täusche mich meine Wahrnehmung im Hinblick auf die kleinen Männer. Diese hatten ein ganz anderes Problem. Allerdings rückten sie wie gewohnt nicht direkt mit der Sprache raus. So musterte ich den Mützenzwerg einen Augenblick, bis dieser nur heftig den Bart schüttelte und mit besorgter Miene auf die Milchglasscheibe starrte, ohne sein Handeln weiter zu kommentieren. Ich folgte seinem Blick ein wenig skeptisch und nahm ebenfalls die Tür in Augenschein. Wie üblich war darauf nur der Name der Praxis, der meines Hausarztes und die gebräuchlichen Öffnungszeiten in schlichten, schwarzen Lettern zu lesen. Eigentlich nichts Ungewöhnliches. Zumindest für mich. Doch die Zwerge sahen das natürlich weitaus anders. Als ich mich von der Tür wieder abwandte und gerade den Mund öffnen wollte, um sie zu fragen, was denn los sei, kam mir Fili mit düsterer, ernster Miene zuvor. "Ich glaube kaum, dass du hier einen Heiler finden wirst", meinte er und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ähm... Doch, Fili. Hier arbeitet mein Arzt", erwiderte ich schulterzuckend mit gerunzelter Stirn, woraufhin sie alle drei sehr ungläubig die Köpfe schüttelten, was mich noch mehr verwirrte. Zumindest solange, bis Kili mir endlich eine der wohl interessantes Erklärungen für ihr wachsames Verhalten lieferte, die ich bis dahin je von ihnen gehört hatte. "Ich glaube, du hast doch mehr abbekommen, als wir dachten. Du bist wohl nicht ganz bei Verstand, wenn du einen Fleischer mit einem Heiler verwechselst", meinte er schlicht und die anderen Beiden pflichteten ihm mit einem kurzen Nicken bei. Als seine Worte in meinem Gehörgang ankamen, sich kurz in meinem Geist drehten und wieder zusammensetzten, ging mir schließlich nach einigen Sekunden ein Licht auf. Um nicht zu sagen ein ganzer Kronleuchter. Natürlich. Wie hatte mir das entgehen können? Nun wusste ich, was die Zwerge so beunruhigte. Und diese Tatsache brachte mich fast dazu laut loszubrüllen vor Lachen. Es war der Name meines Hausarztes, der sie offenbar abschreckte und an meinem Verstand zweifeln ließ. Gut, zugegebener weise war auch ich damals ein wenig skeptisch gewesen, als ich das erste Mal dessen Namen gelesen hatte. Auf der anderen Seite war es wiederum recht amüsant einen Hausarzt zu besitzen, der Doktor Fleischer hieß. Allerdings besaß er noch den harmlosesten Namen unter den Ärzten, die ich regelmäßig besuchte. So trug mein Zahnarzt den recht kuriosen, aber beruflich passenden Namen Doktor Bohrer. Wer aber auf der Liste, der verrücktesten Nachnamen wirklich den Vogel abschoss, war meine werte Frauenärztin, Frau Doktor Gail. Im Allgemeinen sorgte es bei den meisten Menschen meiner Welt jedes Mal für sehr großes Gelächter, sobald ich auf meine behandelnden Ärzte zu sprechen kam. Für mich waren diese Namen inzwischen selbstverständlich und alltäglich geworden. Allerdings nicht für die drei Zwerge, welche versuchten mich von der Tür wegzuziehen, um wohl einen anderen Arzt aufzusuchen. Da hatte ich jedoch noch ein Wörtchen mitzureden, als sie mich wortlos der Reihe nach packten und am Weitergehen hinderten. Nachdem sie mich schon unaufgefordert bis dorthin getragen hatten, wollte ich mich nicht erneut ihrem Willen beugen. Einmal reichte mir vollkommen. Außerdem hatte ich nicht den ganzen Tag über Zeit mir einen anderen Arzt zu suchen, der den Ansprüchen dieser ach so feinen Herren gerecht wurde. Das konnte nämlich noch länger dauern und darauf hatte ich nach ihrer letzten Aktion überhaupt keine Lust mehr. Zumal es auch noch mit großen Schritten auf Mittag zuging und viele Praxen erst wieder gegen zwei Uhr ihre Pforten öffneten. Nein, es musste einfach sein. Ob sie nun wollten oder nicht. Ich musste sie davon überzeugen, dass sie sich keine Sorgen darum machen mussten, was mir womöglich an diesem Ort passieren würde. "Hey! Hört auf an mir rum zu zerren. Was soll denn der Blödsinn schon wieder?", maulte ich sie dementsprechend ungeduldig an und wehrte mich nach Leibeskräften gegen ihre eisernen Klammergriffe, sodass mir schon die Arme weh taten. "Cuna. Du bist nicht ganz bei Sinnen. Das ist kein Heiler. Da steht ganz deutlich Fleischer an der Tür. Du kannst doch nicht ernstlich glauben, dass wir dich zu einem Mann gehen lassen, der von Heilkunst keinen Deut versteht. Wer weiß, was er mit dir anstellen würde, wenn wir das zuließen", meinte Fili beunruhigt, während er mich an der Schulter festhielt. Diese entzog ich ihm allerdings schnell wieder und riss mich auch mit einem genervten Stöhnen von Bofur und Kili los. Anscheinend war es wieder einmal Zeit bei den Zwergen Aufklärungsarbeit zu leisten. Und das am besten so kurz und bündig wie nur möglich. Als ich von ihren kräftigen Händen befreit war, straffte ich langsam meine Schultern und erklärte es ihnen auf die eine für sie hoffentlich nachvollziehbare Art und Weise. "Jungs. Ich kann verstehen wenn euch der Name ein bisschen verwirrt. Aber glaubt mir, der Mann zu dem ich gehen möchte ist kein echter Fleischer. Er heißt nur so, weil seine Familie in der Vergangenheit wohl einmal dieser Tätigkeit nachgegangen ist. In meiner Welt ist es Tradition, dass die nachfolgende Generation den Titel des Vaters annimmt und weitergibt. Ist in etwa so, wie bei eurem Onkel, Fili. Wenn ich Thorin irgendwann heiraten sollte, dann kann ich den Namen Eichenschild annehmen. Und ebenso seine Nachfahren. Auch wenn sie und ich mit seiner großen Tat nie etwas zu tun hatten. Seht mal, ihr braucht wirklich keine Angst zu haben, dass mir da drin irgendetwas Schlimmes zustößt. Ich gehe seit Jahren zu diesem Arzt und er ist der Beste den ich mir vorstellen kann. Vertraut mir doch einfach, dass alles gut wird", entgegnete ich und hob beschwichtigend die Hände, ehe sie erneut versuchen konnten mich zu ergreifen. Von meinen Worten überrascht warfen sich die bärtigen Herren besorgte, flüchtige Blicke zu. Ich konnte ganz deutlich sehen, wie sehr ihnen das Unverständnis aus den Gesichtern sprang. Trotz meiner eigentlich noch einfachen, verständlichen Erklärung, war ihnen die Praxis nicht ganz geheuer. Dies äußerte sich unter anderem darin, dass sie wenig später einen kleinen Kreis bildeten, in dem sie sich beratschlagten, ob sie meiner Eingebung nun vertrauen konnten oder nicht. Ich verschränkte indessen augenrollend die Arme vor meiner Brust und wartete, bis die Herren nach einigen Minuten endlich zu einem für mich vernünftigen Ergebnis kamen. "Nun... nun gut. Es fällt uns zwar schwer das zu glauben. Aber wenn du sagst, dass dieser Mann ein guter Heiler ist, dann wollen wir dir vertrauen. Nur eine Kleinigkeit wäre da noch", meinte Kili und musterte mich ernst, ehe sie den Kreis auflösten. "Was denn noch?", brummte ich gereizt und trippelte schon ungeduldig mit der Fußspitze auf den Pflastersteines des Bürgersteigs herum. "Wir möchten gern dabei sein, wenn er deine Wunde versorgt. Nur damit wir auch ganz sicher gehen können, dass der Mann nichts Unsittliches mit dir anstellt", kam es mit entschlossener Miene von Fili, woraufhin ich nur entrüstet den Mund verzog und ihm entgegen schnaubte. "Sagt mal, was denkt ihr denn, was der mit mir da drin anstellt? Glaubt ihr, dass er mir die Klamotten vom Leib reißt, sobald die Tür vom Behandlungszimmer geschlossen ist und dass ich mich mit ihm amüsiere? Haltet ihr mich wirklich für sein so leichtes Mädchen?", fragte ich mit empörtem Unterton, was ihnen nur ein synchrones Schulterzucken abgewann. "Wir... Also... Nein. Natürlich nicht, Cuna. Das wollten wir so nicht sagen. Wir sind nur eben besorgt, weil wir diesen Heiler nicht kennen. Und Thorin würde uns die Köpfe von den Hälsen trennen, wenn er wüsste, dass wir dich blindlinks einer derartigen Gefahr aussetzen würden", stammelte Bofur, welcher betreten den Mund verzog. Nun musste ich mir endgültig mit einer Hand vors Gesicht klatschen. Herr im Himmel, womit hatte ich das nur wieder verdient? Dass die Drei keine anderen Sorgen hatten, außer meinem Zukünftigen, der ihnen wegen einem Arztbesuch ans Leben wollte. Aber zumindest waren sie endlich bereit mich zu begleiten, auch wenn sie das Ganze wieder an sehr lästige Bedingungen knüpften. Doch da ich nicht weiter mit ihnen streiten wollte und wir schon genug Zeit verplempert hatten, willigte ich mit einem kurzen Nicken ein. So konnte ich mich nach einem bestätigenden Nicken ihrerseits endlich wieder zur Tür umdrehen und die Praxis betreten. Nachdem diese ins Schloss gefallen war, stöhnen die drei bärtigen Männer aber auch schon ziemlich leidig hinter mir. Der Grund dafür war kaum von der Hand zu weisen. Der komplette Eingangsbereich war wie üblich hellerleuchtet und die strahlend weißen Wände blendeten so sehr, dass einem die Augen schmerzten. Noch dazu wehte uns der typische Geruch von Desinfektionsmittel, Salben und anderen undeffinierbaren Sachen in die Nasen. Von einem penetranten Parfum-Duft einer älteren Dame, die am Tresen genau vor uns stand abgesehen. Wobei mir das Ganze weniger ausmachte, als meinen drei Begleitern. Wo ich sie kurz über meine Schulter hinweg musterte, hielten sie sich ihre Arme vor die Augen und wedelten sich mit einer Hand vor den Gesichtern herum. Ein bisschen taten sie mir ja schon leid, wie sie hustend und auf Khuzdul fluchend in der Diele herum standen. Aber auf der anderen Seite empfand ich nach dem ganzen Stress, den sie mir auf dem Hinweg gemacht hatten, unterbewusst doch ein klein wenig Genugtuung und vielleicht sogar etwas Schadenfreude bezüglich ihre Situation. Manche Dinge rächten sich eben immer. Zu ihrem eigenen Glück handelte es sich hierbei aber lediglich um eine recht unangenehme Umgebung und nicht etwa um einen LKW, der sie auf der Hauptstraße plattgefahren hätte. Das wäre weitaus gravierender gewesen. Nicht nur für sie, sondern auch für meine Wenigkeit. Von daher ließ ich die drei Zwerge zunächst einmal in ihrem geringeren Leid stehen und wandte mich stattdessen dem Tresen zu, hinter dem bereits die rundliche, blonde Sprechstundenhilfe, die älteren Dame freundlich ins Wartezimmer auf der linken Seite wies und mich danach erwartungsvoll ansah. "Ah. Da sind Sie ja. Was kann ich denn für Sie tun?", fragte sie höflich, nachdem ich zu ihr getreten war. "Ich müsste mal kurz zum Dok. Ich denke, ich brauche nicht zu erwähnen, worum es geht", meinte ich mit einem verlegenen, unsicheren Schmunzeln auf den Lippen. Die Frau betrachtete mich kurz mit großen Augen und nickte dann mit einem tiefen Seufzen. "Ja. Ich sehe schon. Was genau ist denn passiert?", hakte sie nach und tippte bereits einige Notizen auf ihrem PC. "Unfall beim Umzug. Hab mir bei einem Sturz die rechte Gesichtshälfte an einem Nagel aufgeschlitzt", log ich knapp mit sehr resignierter Stimme. Die Frau nickte, wandte ihren Blick kurz auf ihren Bildschirm und tippte fleißig weiter, bevor sie erneut zu mir aufsah. "Jeden zweiten Tag was Neues, nicht wahr?", sagte sie und lächelte dabei ungemein süßlich, was mir ein kurzes unsicheres Kichern entlockte, ehe ich ihr zustimmend zunickte. Ja, ich war einschlägig in dieser Praxis bekannt und derartige "Unfälle" waren schon lange keine Seltenheit mehr bei mir. Wobei es mich bisher nie so oft so schlimm hintereinander getroffen hatte. Sonst waren es eher kleinere Blessuren, wie ein verstauchter Knöchel. Aber man konnte es sich ja nicht aussuchen, wie einen das Schicksal traf. Und meines hatte eben beschlossen mich richtig fertig zu machen. Zumindest etwas Positives hatte das ganze Chaos doch hervorgebracht. Auch wenn selbst das immer noch einige Probleme machte. Dabei dachte ich natürlich an die Zwerge oder vielmehr einen bestimmten Zwerg, der durch seine Abwesenheit glänzte. Nicht auszudenken, wie Thorin sich in dieser Umgebung gefühlt hätte. Bestimmt hätte er genauso reagiert wie seine beiden Neffen und Bofur, welche sich weiterhin in der Diele herumdrückten und partout keinen Schritt weiter gehen wollten. Auch nicht, als mich die Sprechstundenhilfe bat ins Wartezimmer zu gehen, bis ich aufgerufen wurde. "Nun kommt schon, Jungs. So schlimm ist es doch auch wieder nicht", meinte ich irgendwann ruhig und ging auf sie zu. "Oh Mahal, du weißt ja nicht, wovon du da sprichst, Schwesterchen", stöhnte Kili und blinzelte mich unter seinem Arm hindurch leidend an. Ich schnaubte nur belustigt und grinste die drei daraufhin frech an. "Oh doch. Ich weiß genau, dass euch nicht wohl ist. Aber ihr gewöhnt euch schon dran. Nun stellt euch nicht an wie kleine Mädchen und folgt mir ins Wartezimmer. Da ist es nicht ganz so hell wie hier. Versprochen", sagte ich und deutete dann auf den Raum links von ihnen. Mit einigem Widerstreben und vielem Bitten meinerseits setzten sich die Herren dann doch irgendwann in Bewegung und schritten mit mir zusammen durch die gläserne Tür. Der Raum war nicht besonders groß, aber immerhin nicht ganz so voll mit Patienten, wie ich erwartet hatte. An der linken Wand befand sich eine lange Sitzbank, die mit blauem Stoff überzogen war. Daneben waren direkt einige großes Fenster, die ebenso wie die Eingangstür mit Milchglas versehen waren, damit man nicht von den vorbeilaufenden Passanten draußen beobachtet werden konnte. Eines davon war grundlegend gekippt, da es sonst keinerlei Luftzirkulation gab, sobald die Tür ins Schloss fiel. Davor zog sich eine ganze Reihe von schwarzen Stühlen entlang, welche sich über die rechte Wand fortsetzte und schließlich an der Garderobe neben der Glastür endete. In der Mitte des Raumes stand ein recht alter, hölzerner und flacher Tisch, auf dem sich wie gewöhnlich die teilweise schon abgegriffenen Zeitschriften befanden. Und irgendwo im Hintergrund dudelte leise Musik aus einem Deckenlautsprecher. Eben ein ganz normales Wartezimmer, wie man es überall antraf. Ich begrüßte die wenigen Leute mit einem knappen "Guten Morgen" und wandte mich dann den Zwergen zu, die hinter meinem Rücken nach und nach zügig hereingeschlichen kamen. Im Warteraum angekommen atmeten sie erleichtert auf, als sie bemerkten, dass es dort nicht mehr ganz so hell war wie im Eingangsbereich und nahmen ihre Arme wieder runter. "Puh... Bei Durins Bart. Dieser Ort ist fürchterlich. Warum muss das hier so hell sein, Cuna?", fragte Bofur schnaubend, nachdem er die Tür hinter sich schloss. "Damit es freundlicher und sauberer aussieht. Deshalb. So und jetzt setzt euch und seid leise. Wir müssen warten bis ich dran bin", erklärte ich ihnen mit ruhiger, gedämpfter Stimme und nahm auf der dunkelblauen Sitzbank Platz. Die Zwerge taten es mir wenig später gleich und flankierten sich so gut sie konnten um mich herum. Links saßen Kili und Bofur. Fili nahm zu meiner Rechten Platz. Dabei bemerkte ich gelegentlich, wie der ein oder andere Mitpatient hinter seiner Zeitschrift oder dem Handy hervor lugte, um mich und meine ungewöhnliche Begleitung flüchtig zu mustern. Gut, wir gaben bestimmt ein sehr makaberes Bild ab. Ich mit meinem dicken Kopfverband und die Zwerge mit ihrem befremdlichen Erscheinungsbild. Ganz konnte selbst meine Kleidung ihre zwergische Herkunft nicht verbergen. Aber immerhin war es besser als nichts. Trotzdem konnten sich einige ein Kopfschütteln und unbehagliches Räuspern nicht verkneifen, wenn sich plötzlich ihre Blicke mit denen der kleinen, bärtigen Männer kreuzten. Für mich war die ganze Sache auch nicht gerade angenehm. Das Warten konnte einem weitaus länger vorkommen, wenn man sehr angespannt und ohne richtige Beschäftigung war. Auch die Zwerge wurden nach einigen Minuten in diesem doch recht stillen Ambiente immer nervöser und unruhiger, was ich daran merkte, dass sie permanent wachsam und neugierig umher blickten. Als zum ersten Mal eine Ansage durch den Deckenlautsprecher kam und der nächste Patient durchgerufen wurde, fuhren sie fast gleichzeitig erschrocken von ihren Plätzen hoch und sahen sich irritiert nach allen Seiten um. "Was in Durins Namen war das? Wer spricht da? Zeigt euch!", rief Fili beinah panisch aus, was bei den Anwesenden für leises, verhaltenes Gekicher sorgte. "Pscht. Ganz ruhig, Jungs. Das war nur die Sprechstundenhilfe. Sie sagt uns, wann wir zum Arzt können. Setzt euch wieder", murmelte ich ihnen beschwichtigend mit hoch rotem Kopf zu und deutete hastig auf die Bank. "Die Frau mit der du vorhin gesprochen hast, kann ihre Stimme aus dem Nichts erscheinen lassen, um Leute zu rufen?", fragte Bofur verwundert und kratzte sich kurz an der Schläfe. Ich seufzte nur, nickte ihm dann aber zu. Ich hatte beileibe keine Lust ihm diese Technik genauer zu erläutern. Dafür fehlten mir inzwischen einfach die Nerven. Stattdessen bat ich die Herren erneut und sehr energisch darum, sich wieder zu mir zu gesellen, damit Ruhe im Raum einkehrte. Etwas zögerlich und auch argwöhnisch kamen sie meiner Aufforderung schließlich nach. Doch die ganze Sache widerholte sich noch mindestens dreimal, bis sie sich irgendwann daran gewöhnt hatten. Es war schon ziemlich nervenaufreibend, die Zwerge bei einem so simplen Arztbesuch ruhig zu halten. Denn ich wusste, dass ihre Geduld recht schnell am Ende sein würde. Viele Minuten krochen dahin, in denen sich der Raum immer wieder leerte und füllte. Bis ich an der Reihe war, konnte es zwar nicht mehr allzu lange dauern, aber für die kleinen Männer war es eine einzige Tortur. Bald war schon über eine halbe Stunden vergangen in der sich mehr und mehr der Unmut unter der Herren breit machte. Ich saß indessen einfach nur da und starrte mehr oder weniger ins Leere ohne einen bestimmten Gedanken zu erfassen. Tunnelblick war das Beste was ich machen konnte, um die nerv tötenden und inzwischen recht gereizten Blicke der anderen Menschen zu ignorieren. Dadurch entging mir allerdings, dass meine Begleiter irgendwann endgültig die gähnende Langeweile erfasst hatte. "Hier herrscht eine Stimmung, wie nach einer verlorenen Schlacht", murmelte Bofur plötzlich vor sich hin, was mich einen Augenblick zusammen zucken und aufsehen ließ. "Ja, ich weiß. Das ist aber normal. Arztbesuche sind nicht so schön, wie ein Ausflug ins Grüne", entgegnete ich leise und gähnte kurz. "Mich verwundert es nicht, dass die Menschen in deiner Welt so krank sind, wenn sie die ganze Zeit derart griesgrämig und freudlos beieinander sitzen, ohne sich zumindest einmal zu unterhalten", stellte Kili recht ernüchternd fest. "Wohl wahr Bruder. Vielleicht sollten wir sie ein wenig aufmuntern?", schlug Fili gut gelaunt vor, was die anderen Beiden dazu bewog zustimmend zu brummen. Doch bevor sie wieder aufspringen und ihren Plan in die Tat umsetzen konnten, ergriff ich die beiden Brüder hastig und fest an den Unterarmen. Bofur, der bereits auf den Beinen war, konnte ich nur einen mahnenden Blick zuwerfen. Aber das allein genügte schon, damit er inne hielt. Ich musste sie anscheinend noch einmal daran erinnern, wo sie sich im Augenblick befanden und dass sie sich gefälligst anständig benehmen sollten. "Den Teufel werdet ihr tun. Das hier ist keine Taverne, sondern ist eine Praxis. Ihr könnt nicht so einfach alles machen wozu ihr gerade Lust und Laune habt. Das macht man nicht. Ihr bleibt schön hier sitzen und verhaltet euch gefälligst ruhig. Wenn euch langweilig ist, dürft ihr von mir aus eine von den Zeitschriften vom Tisch holen. Aber hier gibts keine Zwergenparty. Ich hab keine Lust rausgeschmissen zu werden, weil ihr eure Dollen fünf Minuten habt, verstanden?", zischte ich ihnen entgegen, woraufhin sie fast gleichzeitig die Augenbrauen hoben. "Wir sollen uns diese eigentümlichen Bücher holen? Stehen darin denn auch spannende Geschichten?", hakte Fili leicht argwöhnisch nach und warf einen flüchtigen Blick zum Zeitschriftenstapel. "Naja, es kommt darauf an für was man sich so interessiert. Ihr könnt euch auch nur die Bilder darin ansehen. Mach ich jedenfalls manchmal", erklärte ich ihm schulterzuckend. "Also, ich weiß nicht was ich davon halten soll", warf Bofur nachdenklich ein. "Was meinst du?", hakte ich ruhig nach, als er sich zu dem kleinen Tisch in der Mitte bewegte und ein reichlich zerfleddertes Modemagazin hochnahm, wo er anschließend drin blätterte. "Die Menschen hier drin sehen reichlich eigenartig aus. So erschreckend dünn. Und die Kleidung, die sie tragen, ist wahrlich geschmacklos", brummte er leise vor sich hin. "Wirklich? Zeig mal her", kam es neugierig von Kili, der Bofur zu uns herüber winkte. Dieser reichte das Heft an den dunkelhaarigen Burschen weiter, welcher sich eingehend mit der Seite beschäftigte, die der Mützenzwerg zuletzt aufgeschlagen und überflogen hatte. Nach einigen Sekunden verengte er angewidert die Augen und schüttelte heftig den Kopf. "Schon wieder solche Bilwissinzuchten", stöhnte er leidig, während er das Heft zu mir herüber schob. Als ich es unter der Nase hatte, konnte ich mir ein kurzes Schmunzeln nicht verkneifen. Es handelte sich dabei nämlich um die Sparte Brautmode der diesjährigen und letzten Saison. Ja, da hatten Bofur und Kili wirklich recht. Die Kleider und Frauen waren extrem geschmacklos. Entweder waren die Klamotten sehr freizügig und viel zu eng geschnitten oder über und über mit Rüschen und Schleifchen besetzt, sodass die Trägerinnen selbst aussahen wie lebendig gewordene Hochzeitstorten. Das war mit einer der Gründe, weshalb ich seinerzeit nicht im üblichen obligatorischen Weiß geheiratet, sondern mir eines der günstigeren Mittelalter-Gewandungen zugelegt hatte. Wobei mir plötzlich kurz die Frage in den Sinn kam, wie Zwerge wohl heiraten mochten. Schließlich würde ich den schönsten Tag meines Lebens ein weiteres Mal begehen, sobald Thorin zurück war und ein paar Wörtchen mit meinen Eltern gesprochen hatte. Doch bevor es überhaupt soweit war, würde noch sehr viel Zeit vergehen. Und bis dahin wollte ich mir noch keine Gedanken darum machen. Das konnte noch warten. Eine andere Sache konnte jedoch nicht warten. Und das war die Sprechstundenhilfe, welche nun endlich auch meinen Namen in den Lautsprecher hinein posaunte. "Ah, wunderbar. Wir können zum Arzt", meinte ich erleichtert, nahm Kili das Magazin ab, klappte es zu und erhob mich langsam. "Das wurde auch Zeit. Dein Heiler scheint ein vielbeschäftigter Mann zu sein, wenn er dich mit dieser Wunde so lang warten lässt", brummte Fili und erhob sich zusammen mit seinem Bruder, während ich die Zeitung zurücklegte. "Kann man so sagen. Außerdem hatte ich für heute keinen direkten Termin. Wir können froh sein, dass er mich noch dazwischen schieben konnte", erwiderte ich gut gelaunt. Nachdem wir das Wartezimmer in geschlossener Formation verlassen und die Zwerge sich einmal mehr über die unliebsame Helligkeit beschwerten, führte uns die Sprechstundenhilfe den langen Flur auf der rechten Seite des Eingangsbereichs entlang, wo sich zu beiden Seiten Türen zu vorhandenen Behandlungsräume befanden. Unser Weg führte allerdings bis ganz zum Ende des Flurs. Dort angekommen öffnete die blonde, pummelige Frau den Raum und bat uns mit einem freundlichen Lächeln einzutreten. Ich folgte ihrer Bitte mit einem knappen Nicken und betrat als erste das Zimmer. Es war der Hauptbehandlungsraum, in dem häufig die Fälle mit schweren Verletzungen versorgt wurden. An den Wänden standen überall Schränke mit Verbandszeug, Medikamenten, Büchern und was man sonst noch alles brauchte, damit es dem Patienten gut ging. Natürlich gab es auch eine recht große Liege, ein paar Stühle für Begleitpersonen und einen Schreibtisch, wo der Arzt sich Notizen zu den Behandlungen machen konnte. Also für menschliche Verhältnisse nichts Außergewöhnliches. Was jedoch mal wieder nicht für die Herren Zwerge galt, welche sich nur sehr vorsichtig herein trauten. Zu Recht, wie ich zu meinem Bedauern erst viel zu spät erkannte. Denn alle drei stießen fast gleichzeitig einen spitzen Schrei aus, bei dem ich heftig zusammen zuckte und herum fuhr. Das Zwerge überhaupt zu soetwas in der Lage waren, war ja schon allein erschreckend genug. Aber dass sie es so unverhofft hinter meinem Rückten taten, brachte mich fast an den Rand eines Herzinfarktes. "Seid ihr bekloppt geworden oder was? Warum schreit ihr denn plötzlich die halbe Nachbarschaft zusammen?", fuhr ich sie dementsprechend gereizt an. "Da-d-d-d-da...Da... Cuna... Da... Da ist... Ist...", stammelte Kili mit aschfahlem Gesicht und vor Panik geweiteten Augen, während er mit ausgestrecktem, zitterndem Arm in die linke Ecke neben dem Schreibtisch deutete. "Was ist denn da? Hör auf zu stottern und sag mir was auf einmal mit euch los ist", forderte ich energisch, da alle drei sich aneinander klammerten und wie Espenlaub zitterten. "Sieh... Sieh doch selbst hin. Oh Mahal, steh uns bei. Wir hätten nie herkommen dürfen. Das... Das ist... ", quiekte Bofur mit ungewöhnlich hoher Stimme und zog die Mütze tief über die Augen. Ich schnaubte kurz und wandte mich um, damit auch ich das erblickte, was die Zwerge so in Aufruhr versetzte. Da fiel es mir buchstäblich wie Schuppen aus den Haaren. Oh du meine Güte. Natürlich. Das hätte ich mir auch selbst denken können. In der Ecke, auf die Kili immer noch mit zitterndem Arm deutete, stand das Modell eines menschlichen Skeletts, welches uns mit seinen leeren Augenhöhlen und leicht geöffnetem Kiefer entgegen starrte. Kein Wunder, dass die kleinen, bärtigen Männer fast aus den Latschen kippten vor Angst. Sie mussten wohl glauben, dass dieses Ding echt war. Von der Tatsache völlig überrascht drehte ich mich ungläubig blinzelnd wieder zu ihnen um und konnte mir bei ihrem Anblick ein lautes Lachen nicht mehr verkneifen. Das stieß jedoch bei ihnen erneut auf großes Unverständnis, weshalb sie mich ziemlich beleidigt anstarrten. "Was... Was in Durins Namen ist denn daran so lustig, Cuna? Hast du nun vollkommen den Verstand verloren?! Dein Heiler hat einen Toten im Raum! Wir sollten machen, dass wir hier weg kommen, bevor wir auch so enden!", fuhr mich Fili empört und wütend an, während er versuchte nach meinen Arm zu greifen. Diesen entzog ich ihm aber umgehend, indem ich ein paar Schritte Rückwärts machte und mir die Lachtränen aus den Augenwinkeln wischte. "Oh... Oh mein Gott. Ihr seid so Ahnungslos. Das ist einfach zu köstlich", kicherte ich vor mich hin und grinste die Drei breit an. "Was? Was ist zu köstlich? Sag jetzt nicht, dass du uns hier her gebracht hast, damit uns dieser Heiler fressen kann?", rief Bofur entsetzt aus und sah sich bereits panisch nach allen Seiten um. Ich atmete indessen ein paarmal ruhig durch und schüttelte kurz den Kopf. "Aber nein. Jetzt kommt mal wieder runter. Niemand will euch fressen, glaubt mir. Das Ding da hinten ist nicht echt. Das ist eine Puppe", erklärte ich ihnen kurz und bündig. "Ei... Eine Puppe? Aber... Aber... Es sieht so echt aus", murmelte Kili und blinzelte erst mich und dann das Skelett argwöhnisch an. "Natürlich sieht es echt aus. Das muss es auch. Die Heiler meiner Welt verwenden es, um den Leuten zu zeigen, welche Knochen in ihrem Körper kaputt sind, damit sie sich auch ein Bild von ihrem Innenleben machen können. Seht mal, das ist ganz harmlos", ergänzte ich gut gelaunt und wandte mich demonstrativ zu dem Gerippe um. Anschließend schnappte ich mir einen der herunterhängenden Arme, hob diesen kurz an und winkte ihnen gelassen zu. Sie keuchten einen Moment lang erschrocken, als ich dies tat, doch nach einigen Sekunden, erhellten sich ihre Mienen und sie lösten sich wieder voneinander. Genau im rechten Augenblick, da die Tür hinter ihnen aufging und mein Hausarzt mit einem freundlichen Grinsen eintrat. Er war großgewachsen, schlank, hatte graues Haar und ein paar Fältchen unter den Augen. Ansonsten wirkte er noch relativ jung, obwohl ich wusste, dass er bereits weit über fünfzig war. Vermutlich lag es daran, dass er immer noch viel Sport trieb und er deswegen noch fit und meist sehr gut gelaunt war. "Guten Morgen allerseits. Was war denn das für ein Geschrei hier drin?", fragte er prompt, ehe er meine Begleiter und mich eingehend musterte. "Mahlzeit Dok. Meine Freunde haben sich vor deinem Skelett ein bisschen erschrocken. Nichts weiter", sagte ich und winkte auch ihm mit dem knochigen Arm zu. Einen Moment lang runzelte der Arzt kurz die Stirn und musste dann genauso wie ich kurz auflachen. "Meine Güte. So furchterregend ist 'Hildegard' doch gar nicht", meinte er und schob sich an den Zwergen vorbei, welche ihn kurz nach seinem Erscheinen abschätzig und wachsam beobachteten. "Hi-Hildegard?", fragte Fili und legte etwas irritiert den Kopf schief, während seine blauen Augen zwischen mir, dem Dok und dem Skelett hin und her wanderte. Der Dok nickte ihm mit einem freundlichen Lächeln bestätigend zu und ergänzte: "Nun ja. Das ist ihr Name. Den habe ich ihr gegeben, damit ich Kindern zeigen kann, dass sie keine Angst davor haben müssen." Mit leicht verständnislosen Mienen sahen sich meine drei Begleiter kurz an und schüttelten anschließend ihre Bärte. So etwas war ihnen auch noch nicht untergekommen. Es war ihnen unbegreiflich, wie man ein derart abscheuliches Objekt mit einem Namen versehen und dann auch noch unschuldigen Kindern vorführen konnte. Am Ende nahmen sie es aber denn doch einfach so hin und setzten sich nach einer kurzen Aufforderung meines Arztes auf die vorhandenen Stühle, bevor er mich zur Behandlungsliege komplementierte. "Na, was hast du denn jetzt schon wieder angestellt?", fragte er umgehend, als er damit begann meinen Verband abzutasten. "Hatte einen kleinen Unfall bei meinem Umzug", erklärte ich ihm kurz angebunden, woraufhin er ein tiefes Seufzen von sich gab. "Du bist unverbesserlich. Wenn du Privatpatientin wärst, würde ich an dir noch reich werden. Dann lass mal sehen, was passiert ist", meinte er schlicht und begann vorsichtig den Verband abzunehmen. Ich hielt indessen vollkommen still und wartete geduldig, während meine drei Begleiter immer noch recht angespannt und wachsam meinen Arzt im Auge behielten. Auch dieser bemerkte ihre Blicke im Nacken und fragte mich schmunzelnd: "Wer sind eigentlich die drei Herren, die du mitgebracht hast?" Ich schnaubte kurz belustigt und lächelte breit. "Der mit der Mütze ist ein guter Freund und die beiden Jungs sind die Neffen meines neuen Lebensgefährten", antwortete ich ruhig, was die drei im Hintergrund mit einem kurzen Nicken bestätigten, als der Dok ihnen einen flüchtigen Blick zuwarf. Seine Miene erhellte sich kurz, ehe er sich daran machte die zweite Schicht Stoff zu entfernen. "Ah. Na sieh mal einer an. Du hast eine neue Liebe gefunden. Freut mich sehr für dich. Warst du deswegen nicht bei den Nachuntersuchungen für deine gebrochene Nase?", hakte er mit einem flüchtigen Zwinkern nach, woraufhin mir wenig später die Wangen heiß wurden und sich mein Herzschlag etwas beschleunigte. "Ähm... Äh... Ja... Ja, das auch. Aber ich hatte noch so viel anderes zu tun und... Und da hab ich es einfach...", nuschelte ich verlegen und spielte etwas mit meinen Fingern herum. "Vergessen. Wie immer. Ja, das kenne ich schon von dir. Den Kopf immer in den Wolken. Wenn du mehr auf das achten würdest, was auf der Erde passiert, dann müsste du nicht so oft hier sitzen", meinte er mit einem leisen glucksen in der Stimme. Ich schnaufte kurz und blickte beschämt auf meine Knie. Der Dok hatte wirklich Recht mit seiner Aussage. Früher war ich immer vollkommen unbehelligt und gedankenlos umhergestreift. Nur konnte ich ihm diesmal nicht sagen, dass mein 'Unfall' eigentlich gar nicht aufgrund von Unachtsamkeit entstanden war, sondern von einem Mann verursacht wurde, der seine Beherrschung verloren hatte. Wenn es nicht zu diesem bedauerlichen Streit gekommen, ja wenn nicht diese verdammten Gottesanbeter bei mir aufgeschlagen wären, dann wäre mir dieser Weg wirklich erspart geblieben. Aber so musste ich mich nun damit herumschlagen, dass ich vor meinem Arzt saß, welcher mir eine kleine, indirekte Standpauke über Achtsamkeit hielt. Gut, es war besser als die Wahrheit zu sagen, womit ich mir und vor allem den Zwergen noch mehr Probleme eingehandelt hätte. Diese wurden nämlich mit jeder Schicht, die von meinem Kopf verschwand nervöser. Als dann endlich das letzte bisschen verschwunden war, klebte nur noch die Kompresse an meiner Schläfe fest. Aber die musste ja auch noch runter. Und ich wusste, dass das sehr unangenehmer werden würde. Denn so wie es sich anfühlte, würde der Dok wohl einmal ruckartig daran ziehen müssen, um sie los zu bekommen. "Na, da hast du dir aber ganz schön was zugezogen. Das wird wohl nicht ganz ohne Gewalt abgehen. Am besten du beißt schon mal kurz die Zähne zusammen", meinte er wenig später und ergriff eine Ecke des Stoffs. Ich tat unterdessen was er sagte und kniff zusätzlich die Augen zu. Je schneller es vorbei war, umso besser für mich, dachte ich noch so beimir, ehe der Dok mir ein indirektes Zeichen gab. "Gut. Wenn du bereit bist... Wie heißt das größte Land am Zipfel von Südamerika?", fragte er ruhig und noch während ich meine Antwort gab, zog er mit einem Ruck den blutverklebten Stoff ab. "AAAAAAAaargentinien!", brüllte ich kurz auf und krallte dabei meine Finger in das künstliche Leder der Liege. Im ersten Augenblick wurde mir ein klein wenig übel und schwindlig, weshalb ich beinahe vorn über gekippt wäre, wenn ich mich nicht festgehalten hätte. Die Stelle pulsierte und zwickte etwas, als nach diesen ganzen Stunden Luft an die frische Wunde kam. Heiliger Strohsack. Das hatte ja mal ordentlich gezwiebelt. Zum Glück verflüchtigte sich mein körperliches Unbehagen recht schnell wieder. Das Ganze war wirklich reibungslos von Statten gegangen. Meine drei Begleiter sahen das jedoch mal wieder aus ihrer ganz eigenen Perspektive. Ihnen passte es ganz und gar nicht, wie schnell und leider auch schmerzhaft der Verbandswechsel abgelaufen war. Sie sprangen nach meinem Aufschrei fast gleichzeitig von den Stühlen auf und eilten hastig zu mir. "Cuna! In Durins Namen! Geht es dir gut? Hast du Schmerzen?", fragte Bofur besorgt, ehe ich kurz drauf eine Hand auf meiner rechten Schulter spürte. Doch bevor ich ihm antworten und sagen konnte, dass alles gut war, hörte ich auch schon die beiden Brüder vor mir den Arzt anbrüllen. "Was fällt Euch ein?! Wollt Ihr sie umbringen?!", raunte Kili ungehalten. "Es geht ihr bereits unsagbar schlecht. Warum fügt Ihr Cuna auch noch Schmerzen zu?!", ergänzte Fili mit wütendem Unterton. Als ich meine Augen einen Spalt öffnete, um die Situation zu erfassen, hatten sich die Beiden wir ein Wall vor mich geschoben und meinen Arzt mit ihren breiten Zwergenkörpern von mir abgeschnitten. Bofur musterte mich indessen nur besorgt und murmelte mir beruhigende Worte zu. Der Dok selbst, hob etwas erschrocken, aber beschwichtigend die Hände und wich ein paar Schritte zurück, bis er mit dem Rücken an seinen Schreibtisch stieß. "Aber, aber. Meine Herren. Kein Grund so aus der Haut zu fahren", murmelte er hastig und weitete erschrocken die Augen, da die Jungs mit jedem Schritt den er vor ihnen zurückwichen, ihrerseits einen weiteren vortraten. "Kein Grund?! Ihr habt Cuna weh getan! Das werden wir Euch niemals verzeihen, Ihr verdammter Quacksalber!", knurrte der blonde Zwerg und machte schon Anstalten meinen Arzt am Kittel zu packen. Na großartig. Nun war mal wieder die Luft am brennen. Und ich war die Einzige, die die Zwerge wieder zur Vernunft bringen konnte, bevor sie in ihrem Beschützerwahn noch die halbe Praxis und vor allem meinen Arzt in seine Einzelteile zerlegten. Super-Cuna musste mal wieder ihre Verkleidung ablegen und die ahnungslosen Menschen vor den wildgewordenen Zwergen retten, dachte ich genervt. So riss ich mich schlagartig von Bofur los, sprang mit einem Satz von der Liege und packte die beiden Brüder mit einem schnellen Griff hinten am Kragen. "Das reicht jetzt! Sofort aufhören! Mir geht es gut, verdammt!", brüllte ich ihnen in die Ohren und zerrte sie mit aller Kraft die ich noch hatte vom Dok weg. Dieser atmete erleichtert auf, als die beiden jungen Zwerge nach Hinten stolperten und mich dabei mit verwirrten und entsetzten Augen musterten. "Aber.. Aber, Cuna. Er hat doch... Ich meine...", stammelte Kili völlig perplex, doch er verstummte recht schnell, als er mein wütendes Gesicht sah. "Ja, verdammt. Das hat wehgetan. Aber das gibt euch nicht das Recht hier herum zu randalieren! Vorhin hab ich noch gesagt, dass ihr euch anständig benehmen und ruhig sitzen bleiben sollt, solange wir hier sind. Oder rede ich seit neustem Orkisch?", fauchte ich sie sehr giftig an, woraufhin beide laut schluckten. "Das... Wir... Nein... Nein, tust du nicht... Wir wollten doch... nur... also", warf Fili mit betretener Miene ein, bevor auch ihm bei meinem Anblick der Mund zu schnappte und er auf seine Füße starrte. "Ihr wolltet mich nur beschützen. Ja, nee. Ist klar. Darüber reden wir nachher noch. Ihr drei wartet ab jetzt VOR dem Raum, bis ich hier drin fertig bin und wehe ihr stellt weiterhin Unsinn an. Aber zuerst entschuldigt ihr euch bei Doktor Fleischer für euer unhöfliches Benehmen, ist das angekommen?!", knurrte ich sie bestimmend an und drehte sie an ihren Krägen gepackt zum Dok hin. Dieser hob ein wenig überrascht die Augenbrauen, als sich die beiden Jungs und auch Bofur im Hintergrund mit sehr verhaltenen Gesichtern vor ihm verneigten und leise Entschuldigungen murmelten, ehe sie mit hängenden Schultern geschlossen den Behandlungsraum verließen. Meine Güte. Das war gerade noch mal gut gegangen, dachte ich schwer atmend und wischte mir den Schweiß von der Stirn, nachdem ich das Türschloss knacken hörte. Dem Dok ging es ähnlich wie mir. Auch wenn er es nicht direkt zugab, so konnte ich ihm an seiner leicht blassen Nasenspitze ansehen, dass er ziemlich erleichtert war die Zwerge nicht mehr in seiner näheren Umgebung zu haben. "Tut mir echt leid, Dok. Die Jungs sind im Augenblick ein klein wenig... ähm... ungehalten", nuschelte ich verlegen, doch er schüttelte nur den Kopf. "Schon in Ordnung. Es ist ja nichts weiter passiert. Am besten wir vergessen das Ganze und kümmern uns jetzt endlich mal ums Wesentliche", meinte er schlicht und komplementierte mich zurück auf die Liege. Ich nickte ihm zustimmend entgegen und nahm mit einem tiefen Seufzer wieder Platz. Nun, wo endlich Ruhe eingekehrt war, konnte der Dok sind meiner Wunde widmen. Wobei er mich hin und wieder darüber ausfragte, wie es denn dazu gekommen war und wer eine so formidable Naht gesetzt hatte. Ich versuchte mich indessen mal wieder herauszureden und ihm nur knappe, aber schlüssige Antworten zu liefern, die nichts mit den kleinen, bärtigen Männern zu tun hatten. Etwas anderes blieb mir ja auch nicht übrig. Zumindest nahm er diese einfach so hin. Das war auch das Beste an meinem Arzt. Ihn interessierten keine allgemeinen Details zu medizinischen Fällen. Er kümmerte sich wirklich nur um das Wesentliche und das war auch gut so. Nachdem er schließlich fertig und mein Kopf wieder fachmännisch in einen dicken Verband gehüllt war, schrieb er mir kurz noch ein paar weitere Termine auf, zu denen ich bei ihm erscheinen sollte. Medikamente brauchte ich ja nicht unbedingt. Die hatte ich noch irgendwo zuhause in einigen meiner Umzugskartons. Danach entließ er mich mit einem freundlichen Lächeln und wünschte mir wie es sich gehörte, gute Besserung. Doch ob es an diesem Tag noch irgendetwas gab, was besser werden konnte, würde sich erst herausstellen, wenn ich mir meine drei Pappenheimer zur Brust genommen hatte. Und diese erwarteten mich auch schon mit betrübten Mienen, an die weißen Wände gelehnt, im Praxisflur. - 99. Hallo Onkel Dok / ENDE - Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)