Diesem Einen will ich #Follow von Virdra-sama (Was macht der Zwergenkönig in meinem Onlinegame?) ================================================================================ Kapitel 96: 96. Die Herzdame und ihre drei Spitzbuben ----------------------------------------------------- Völlig perplex und verwirrt starrte ich den Zwerg über mir an, wobei mein Mund sperrangelweit offen stehen blieb. Immer noch zitterten die beiden Jungzwerge in meinen Armen und bekamen noch gar nicht mit, dass zum Einen das Licht angegangen war und ich zum Anderen erkannt hatte, wer uns da so überraschend heimgesucht hatte. Aber auch der Besucher war ein klein wenig verstört. Was ich ihm eigentlich nicht verübeln konnte. Immerhin hatte ich lauthals geschrien und lag unter den schweren Körpern der beiden Brüder begraben. Bofur kratzte sich angesichts dessen, was er zu seinen Füßen vorfand fragend am Kopf, welchen er leicht zur Seite neigte. "Kili? Fili? Cuna? Warum in Durins Namen liegt ihr alle am Boden?", hakte er bedröppelt nach und musterte uns eingehend. Gut, diese Frage war durchaus berechtigt. Und am liebsten hätte ich ihn gern darauf hingewiesen, dass er für unsere mehr als peinliche Ausgangsposition verantwortlich war. Doch kam ich zu meinem und auch seinem Bedauern nicht dazu. Denn endlich hatten sich die beiden Jungs von ihrem Schrecken erholt und ebenso zu dem Mützenzwerg aufgeblickt. "Bofur?!", entfuhr es beiden überrascht und aufgebracht, was ich durchaus verstehen konnte. Schließlich hatte er uns ja einen riesigen Schrecken eingejagt. Gut, bei mir wandelte sich dieser in eine gewisse Erleichterung, was bei Kili und Fili jedoch nicht der Fall war. Diese waren ungemein aufgebracht und sogar regelrecht wütend über den armen Mützenzwerg, welcher nun all ihren Ärger abbekam. Denn die beiden Jungzwerge sprangen umgehend auf ihre kurzen Beine und begannen den Ärmsten heftig gegen die Schultern zu boxen, ehe sie in eine fast einstimmig schimpften. Zumindest brachte das die Jungs dazu sich endlich von mir runter zu gehen. Auch wenn mir Bofur im nächsten Moment unglaublich leid tat, da er für sein Auftreten eigentlich gar nichts konnte. "Du hast uns halb zu Tode erschreckt! Wir dachten schon du wärest ein Balrog! Was fällt dir ein, so unangekündigt in Cunas Gemächer einzudringen?", fauchte der jüngere und versah ihn mit einem sehr giftigen Blick, während er ihm einen weiteren Hieb gegen seine Schulter versetzte. "Ich... Ich? Ein... Aua.... Ein Balrog? Das... Das tut mir leid. Au... Hört auf mich zu schlagen! Das war nicht meine Absicht. Ich dachte... ihr... aua. Ihr schlaft schon und... und da wollte euch nicht wecken", brachte dieser mit entschuldigender Miene und einem recht abgehackten Wortschatz hervor. "Haben wir aber nicht. Du solltest eigentlich wissen, dass wir Wache halten, solange Cuna nicht bei voller Gesundheit ist. Wir müssen sie schließlich vor allen Gefahren beschützen", erwiderte Fili und versetzte Bofur noch mal einen Schlag. Ich gab indessen nur ein spöttisches Schnauben von mir und schüttelte den Kopf, während ich mich langsam selbst auf meine leicht zittrigen Beine stemmte. "Oh ja. Ihr seid ja auch so furchtbar mutige Wachen. Verkriecht euch ängstlich bei der Frau, die ihr zu schützen gedenkt und begrab sie zu allem Überfluss noch unter eurem Gewicht, sodass sie nicht mal vor der Gefahr flüchten könnte, wenn sie es wollte. Außerdem, wie kommt ihr Jungs eigentlich auf Balrog? Sowas gibt es in meiner Welt nicht. Und selbst wenn. Seit wann sind die ein Meter fünfzig groß und verwenden Schlüssel, um in Wohnungen zu kommen? Gut, dass euer Onkel nicht hier ist. Der würde euch Möchtegern Helden die Ohren lang ziehen, wenn er das gesehen hätte", fauchte ich ihnen entgegen und verschränkte die Arme vor der Brust. Ein wenig überrascht hielten Kili und Fili plötzlich inne und drehten mir leicht verdattert ihre Köpfe zu. Kurz drauf stürzten sie auch schon sich in kleine stammelnde Erklärungen. "Aber... Aber, Cuna... Wir... Wir dachten wirklich er wäre ein Balrog... oder Schlimmeres. Außerdem waren wir unbewaffnet und...", begann Fili händefuchtelnd zu murmeln. "Jetzt mal ernsthaft, Jungs. Seid ihr jemals einem echten Balrog begegnet?", fragte ich mit spitzem Ton nach, was die zwei noch mehr verunsicherte. "Ich... Wir... Nein... Sind wir nicht... Gandalf hat uns mal von seinem Kampf gegen eine dieser Kreaturen erzählt. Und seine Beschreibung passte Haargenau auf das, was wir gesehen haben", ergänzte der jüngere Bruder, was mir nur ein leidendes Stöhnen abgewann, bei dem ich mir mit einer Hand über das Gesicht fuhr. Meine Güte. Ein Balrog. Das konnte doch wohl nicht wahr sein. Wobei konnte es so gesehen schon. Schließlich waren sie noch nie einem Echten begegnet. Und dem alten Zauberer hatten sie offensichtlich bei seiner Erzählung genauso wenig zugehört. Sonst hätten sie wahrscheinlich gewusst, dass Balrogs knapp fünfzehn Meter groß waren, in Flammen standen und nicht einfach so in Wohnviertel herum geisterten. Gut, ich musste innerlich schon zugeben, dass Bofur für mich ausgesehen hatte wie der Leibhaftige. Welcher tatsächlich ein bisschen Ähnlichkeit mit der Flamme von Udun hatte. Und im Nachhinein war mir die ganze Sache unendlich peinlich, dass ich überhaupt an eine solche Begegnung aus der Hölle gedacht hatte. Aber das wollte ich den beiden Jungs nicht auf die Nase binden. Stattdessen straffte ich meine Schultern ein wenig und begann ihnen zu erläutern, was an der ganzen Sache von Anfang an nicht stimmen konnte. Nämlich dass man diese Wesen nicht in aller Öffentlichkeit antraf und Waffen sowieso blanker Unsinn waren. Egal ob nun Axt, Schwert oder Streitkolben. Dabei wurden die Augen der Jungs von Mal zu Mal immer größer und ihre Gesichter deutlich Länger. Wohl auch, weil sie erstaunt waren, dass ich so viel über diese Wesen wusste. "... Ihr seht also. Man kann sie nicht so einfach bezwingen. Wir können weder zaubern, noch ist es möglich sie mit 'Du kannst nicht vorbei', an zu brüllen, während man ihnen die Tür vor der Nase zu schlägt. Selbst Gandalf hatte große Mühe einen zu bekämpfen und ist dabei sogar kurzzeitig gestorben. Sein Glück war nur, dass die Götter ihn zurück geschickt haben. Denn sonst... Naja, ich will nicht noch mehr ins Detail gehen. Aber ich denke ihr begreift jetzt, dass wir so oder so keine Chance gehabt hätten. Wir sollten lieber froh sein, dass es nur Bofur war", sagte ich abschließend. Das bewog die beiden Brüder mit verwirrten und beschämten Gesichtern endlich dazu vom Mützenzwerg abzulassen. Dieser richtete danach prompt seine Kleidung und seine pelzige Kopfbedeckung, welche sich in dem kleinen Handgemenge auf seinen dunklen Haarschopf verschoben hatte. Dann hob er seinen Blick wieder und musterte mich ruhig, wenn auch verwirrt, bevor er fragte: "Oh. Bei Durins Bart. Danke, Cuna. Ich hätte ja nie gedacht, dass du so viel über diesen Morgulabschaum weißt und ich derart furchterregend auf euch wirke. Aber nun noch einmal zu etwas anderem. Habe ich das vorhin richtig verstanden? Thorin ist nicht hier? Ist er noch nicht wieder zurück aus dem Reich der Götter?" "Nein... Ist er nicht, wie du siehst... Wird er auch vorläufig nicht...", entgegnete ich und schüttelte betreten den Kopf. "Das verstehe ich nicht. Er ist doch um die Mittagszeit mit den Anderen aufgebrochen. Da müsste er schon längst wieder da sein", meinte Bofur und kratzte sich seitlich an der Schläfe, was mir nur ein kurzes Seufzen abgewann. Er hatte wirklich keine Ahnung von dem, was vorgefallen war und wusste offensichtlich genauso wenig, wie der nicht mehr vorhandene Rest der Zwerge, vom Plan seines Königs, dass er sich zunächst nicht mehr bei mir blicken lassen wollte. Sonst hätte Nori ihm bestimmt etwas in dieser Richtung gesagt. Also musste ich wohl oder übel in diesem Punkt Aufklärungsarbeit leisten. So schwer es mir in dem Moment auch fiel. Es war mir ja schon peinlich genug, dass ich nach dem kleinen dunkelhaarigen Mann, mit den wunderschönen eisblauen Augen, um Hilfe geschrien hatte. Obwohl mir hätte klar sein müssen, dass er dies in der anderen Welt nicht hören konnte. Bestimmt wäre er sonst sofort erschienen und hätte sich schützend vor mir und seinen Neffen positioniert. Oder er hätte neben uns gestanden und ebenso wie ich, einige Minuten zuvor, ein leidiges Stöhnen von sich gegeben, während er sich mit einer Hand über das Gesicht fuhr. Im Anschluss daran hätte er wahrscheinlich noch gesagt, dass wir uns alle wie überängstliche Kinder verhalten hätten. Und ich war mir schon fast sicher, dass es wohl Letzteres sein konnte. Schließlich kannte er seine Männer in und auswendig. Somit wäre ihm natürlich klar gewesen, dass es nur Bofur hätte sein können. Doch darüber wollte ich mir in diesem Augenblick nicht den Kopf zerbrechen. Stattdessen bereitete mir etwas anderes mehr Sorgen. Denn wenn der Mützenzwerg hier war und nicht noch nachträglich von Thorin abgeholt wurde, bedeutete das schlichtweg, dass er nun in meiner Welt fest saß. Meine Güte. Da dachte man es könnte nicht noch verzwickter werden, indem ich mit zwei Jungzwergen vorlieb nehmen musste. Nein, nun hatte ich auch noch einen Dritten an den Fersen kleben. Oder um Otto Walkes zu zitieren: "Da waren sie wieder, meine drei Probleme." Aber gut. Das Kind war nun endgültig in den Brunnen gefallen. Also musste ich mit dem zurechtkommen, was sich immer noch in meiner Diele aufhielt und nicht in der Lage war schon mal meine Wohnungstür zu schließen, damit es nicht noch kälter in meiner Bude wurde. Denn wegschicken konnte ich Bofur nicht. Wo hätte er auch hin gehen sollen? Ich glaubte nicht, dass Marina ihn so ohne weiteres bei sich aufnehmen würde. Egal wie hilfsbereit und freundlich er sich ihr gegenüber auch verhielt. Er war immer noch ein wildfremder Mann und hatte so gesehen bei einer alleinerziehenden Mutter nichts verloren. Selbst wenn sie ungemein Nett war. Aber auch ich hätte dies an ihrer Stelle nicht haben wollen. Da konnte ja jeder kommen. So blieb mir schlichtweg nur eines zu tun. Ich musste den Zwerg mit der Mütze ebenfalls bei mir aufnehmen. Zumindest so lange, bis Thorin wieder zurück war. Oder sich vielleicht andere Möglichkeiten ergaben. Aber bis dahin würde noch viel Wasser den Fluss runter fließen. Ich seufzte einmal schwer und winkte ihn wortlos zu mir in den großen Raum, während ich die beiden Jungs freundlich, aber bestimmt darum bat die Tür dieses Mal anständig zu verriegeln. Der Schlüssel, den Bofur für sein unerlaubtes Eindringen verwendet hatte, steckte ja noch in der Tür. Wobei mir erst bei dem Gedanken eine Sache auffiel, die ich die ganze Zeit über in den Hintergrund gedrängt hatte. Wo zum Teufel hatte der Mützenzwerg diesen nur her? Hatte ich ihn vielleicht bei Marina in der Wohnung verloren? Nein. Mit Sicherheit nicht. Das wäre mir aufgefallen. Immerhin war ihre Wohnung bis auf ein paar Babysachen gut aufgeräumt gewesen. Vielleicht hatte er diesen auch von Nori bekommen, nachdem ich ihn runter zu Marinas Wohnung geschickt hatte? Ja, das war um einiges logischer. Gut, damit war zumindest für mich das Rätsel des verschwundenen Haustürschlüssels geklärt und ich konnte mich in aller Ruhe um meinen Überraschungsgast kümmern. Dieser stand nun leicht unentschlossen zwischen meiner Küchenzeile, dem Tisch und dem Bett herum und blickte mich immer noch fragend an, als ich mich zu ihm umdrehte. "Zieh erst mal deine nassen Sachen aus und häng sie über einen der Küchenstühle. Magst du was essen? Ich glaube, wir haben noch etwas Pizza da. Obwohl die wahrscheinlich inzwischen kalt ist. Aber ich könnte dir auch einen Tee machen. So zum aufwärmen. Was sagst du?", fragte ich freundlich. Der Zwerg ließ sich das Erste nicht zweimal sagen und entledigte sich prompt seines nassen Mantels, den er einfach über die Rückenlehne des nächstbesten Stuhls warf. Jedoch schüttelte er den Kopf, als ich ihm etwas von den Resten des Abendessens und den Tee anbot. "Nein, Danke. Das ist sehr freundlich von dir. Aber ich möchte nichts. Ich habe schon etwas gegessen. Frau Marina hat mich zum Dank für meine Mühen bekocht. Ich muss sagen, diese Frau ist wirklich einmalig. Und ihr Eintopf ist eine wahre Gaumenfreude", erwiderte der Zwerg und schenkte mir ein versonnenes herzliches Lächeln. Ich nickte nur knapp, setzte mich langsam auf die Kante meines Bettes und musterte ihn eingehend. Er sah wirklich zufrieden, ja fast schon unsagbar glücklich darüber aus, dass ich ihm diese Gelegenheit mit der jungen Mutter verschafft hatte. Doch wunderte mich sein Dasein ein bisschen. Ich konnte mir partout nicht vorstellen, dass er so viele Stunden gebraucht hatte, um ein simples Kinderbettchen aufzubauen. Bei meinem Kleiderschrank war er ja auch recht flink vorgegangen. Also musste unten noch irgendetwas anderes passiert sein, was seinen Aufenthalt dort hinausgezögert hatte. Doch bevor ich ihn fragen konnte, kamen die beiden Brüder zu uns und setzten sich auf zwei der übrigen Stühle, ehe sie ihn selbst mit den Fragen bombardierten, die mir im Kopf herum schwirrten. "Warst du die ganze Zeit bei dieser Menschenfrau da unten?", hakte Kili nach und hob skeptisch eine Augenbraue in die Stirn. Bofur nickte nur, wobei er sich jedoch leicht verlegen auf die Unterlippe biss und ihm ein zarter rosaner Schimmer über die Wangen lief. "Nun. Nun, ja. Ja. Ich war die ganze Zeit über unten. Hab mich ein bisschen um ihren Sohn gekümmert, während sie... ähm... also...“, stammelte er und nahm die leicht feuchte Mütze vom Kopf, ehe er sich zu den Jungs setzte. "Was ist denn unten passiert?", fragte Fili neugierig, woraufhin der Mützenzwerg noch ein wenig nervöser und verlegener wurde. "Sie... ähm. Nun... Das war so... Ich. Ich hatte gerade das Bettchen hergerichtet und wollte es ihr zeigen. Da. Da fand ich sie ähm... Schlafend auf dem... wie nannten die Menschen das hier gleich noch... äh... Sofa.. genau. Auf dem Sofa", erklärte er und knautschte seine Mütze, die daraufhin ihren feuchten Inhalt auf meinem PVC-Boden verteilte und eine nette Wasserlache hinterließ. Ich musste mir bei dem Anblick ein genervtes Seufzen und Augenrollen verkneifen. Na großartig. Nun durfte ich auch noch putzen, dachte ich beleidigt. Aber darum musste ich mich später kümmern. Zum Glück war es ja kein Laminat oder Parkett. Das hätte mich vermutlich weit mehr aufgeregt. Von daher war ein bisschen Wasser auf dem Plastikbelag nicht ganz so schlimm. Was mich mehr interessierte war, wie die Geschichte von Bofur weiter ging, ehe ich mich derart belanglosen Dingen zuwandte. "Was hast du dann gemacht?", fragte ich stattdessen und konnte mir ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen, da ich innerlich schon ahnte, worauf die Sache wohl hinaus gelaufen war. Denn Bofur war während seiner Erzählung ein wenig in sich zusammen gesunken und wirkte dadurch noch viel kleiner, als er ohnehin war. Irgendwie war es ja schon niedlich mit anzusehen, wie Zwerge manchmal zusammen schrumpfen konnten, wenn ihnen gewisse Situationen peinlich waren. Das mochte man den Meisten von ihnen gar nicht zutrauen. Wobei ich mir bei ihm doch recht sicher war, dass er nichts Unanständiges getan hatte. Dafür war er einfach zu lieb. Auch wenn er es wohl ein bisschen anders sah als ich. Aber diese zusammengesunkene Haltung behielt er nicht lange bei. Nachdem er bemerkte, wie ich ihn eingehend und neugierig beobachtete, räusperte er sich hastig und straffte seine Schultern. Ganz nach dem Gesetz des mir inzwischen gut vertrauten Zwergenegos. Zeige niemals irgendeine Art von Schwäche, wenn eine Frau im Raum ist und zuhört. Auch seine Stimme festigte sich dadurch etwas mehr, als er antwortete: "Also, Cuna. Es war so. Sie. Sie hat geschlafen. Und. Und sie hielt ihren Sohn noch fest in den Armen. Da hab ich ihr Benni behutsam abgenommen. Ich meine. Nur um sicher zu gehen, dass er ihr nicht aus den Armen rutscht und zu Boden fällt. Danach hab ich den Kleinen in sein neues Bettchen gelegt und sie zugedeckt. Wenig später klopfte Nori schon an die Tür und. Nun ja. Sagte, dass wir aufbrechen wollten. Aber... Aber... weißt du ich... Ich wollte sie nicht einfach so verlassen, ohne mich gebührlich zu verabschieden. Da hab ich Nori gesagt, dass ich nachkommen werde, sobald Thorin zurück ist." "Nun, da hast du bedauerlicherweise Pech. Wie Cuna vorhin schon erwähnte, ist unser Onkel noch nicht zurück. Und wir wissen auch nicht, wann er wieder hier auftaucht", meinte Fili und schlug ein Bein über das andere, während er den Mützenzwerg inzwischen wieder etwas ruhiger ansah. Bofur hob leicht empört beide Augenbrauen in die Stirn und schaute zunächst fragend die beiden Jungs an, bis er zu guter Letzt bei mir angelangt war. "Was... Was ist denn geschehen? Warum kommt er denn nicht zurück?", hakte er nach und versah mich mit einem leichten Dackelblick, bei dem sich ein dicker Kloß in meinem Hals bildete. Nun kamen wir also zu dem unangenehmsten Teil des Tages. Das Gespräch zwischen dem Zwergenkönig und mir. Eigentlich musste ich Bofur erzählen, was während seiner Abwesenheit auf meinem Balkon geschehen war und welche Worte ich mit Thorin gewechselt hatte. Doch ich bekam verständlicherweise nur sehr schwer meine Zähne auseinander. Es fiel mir immer noch nicht leicht darüber zu reden. Geschweige denn daran zu denken. Ein sehr unangenehmes Kribbeln kroch über meine Haut, während ich noch meine nächsten Worte abwog. Ich begann sogar mich abwesend an den Unterarmen zu kratzten, in der Hoffnung, dass es davon aufhörte. Aber je länger ich ihn anschwieg, umso erdrückender wurde sein wartendes, fast flehendes Starren. Doch ich konnte einfach nicht. Ich fürchtete mich sogar regelrecht davor es ihm zu erzählen. Ich wusste ja nicht, wie er auf die Botschaft, dass er bei mir fest saß, reagiere. Außerdem wollte ich mich immer noch nicht der harten Realität stellen, welche mich früher oder später sowieso einholen würde. Das Ganze auszusprechen, hätte in diesem Moment für mich etwas Endgültiges, sobald es mir über die Lippen kam. Eine Sache, die ich nicht mehr rückgängig machen konnte. Was es zweifellos von Anfang an war. Doch bevor ich meine Arme noch blutig kratzte, entschloss ich mich schwermütig dazu, Bofur die langerwartete Antwort zu geben. Ich musste jedoch zuvor ein paarmal tief durchatmen und die Augenschließen, um all meinen Mut zusammen zu nehmen. Dann öffneten sich meine Lippen fast wie von selbst, wobei meine Stimme, die beinah tonlos aus meiner Kehle entkam, selbst für mich so klang, als hätte gerade ein Fremder gesprochen. "Er... Er ist fort, weil... Weil er mich vor sich selbst schützen wollte. Er hat es nicht ertragen können, was er mir angetan hat. Deshalb hat er für uns beide entschieden, dass... Dass es das Beste ist, wenn... Wenn sich unsere Wege vorläufig trennen", entgegnete ich knapp und neigte betreten mein Haupt. Ich konnte zwar nicht sehen, wie sich die Miene des freundlichen Zwerges veränderte, doch sein erschrockenes, entsetztes Keuchen sprach ganze Brockhausbände. Am liebsten hätte ich mich irgendwohin verkrochen. In eine dunkle Ecke, wo ich allein sein konnte. Vielleicht das Badezimmer, das ich wenigstens abschließen konnte. Aber dazu kam es nicht. Da ich kurze Zeit später schon das klebende Schaben eines Stuhles auf meinem PVC-Boden vernahm, ehe sich mir langsame tapsige Stiefelschritte näherten. Für eine schnelle Flucht bestand also keine Chance mehr. So wartete ich einfach ab, wie Bofur auf diese schockierende Nachricht reagieren würde. "Oh... Cuna... Das...Das ist schrecklich... Es tut mir so unsagbar leid für dich... Ich... Ich weiß nicht, was ich sagen soll...", hauchte Bofur schwer betroffen, als er vor mir zum Stehen kam. Ich schluckte einen Moment und versuchte damit das beengende Gefühl in meiner Kehle und der Brust los zu werden, welches durch seine sanfte, tröstliche Stimme nur noch schlimmer wurde. Erst recht, als sich zu meiner Linken, die Bettkante ein wenig senkte und mir der Mützenzwerg vorsichtig eine Hand auf die Schulter legte. Es war zwar nur eine ganz einfache freundschaftliche Geste. Doch spürte ich nach seiner Berührung plötzlich wieder dieses Gefühl von Ruhe, welches er mir bereits am Vormittag vermittelt hatte, wo ich mich auf den kleinen Benni fixieren musste. Er gab mir halt. Sicherheit. War einfach nur da, ohne noch mehr zu sagen. Wie es eben ein guter Freund machte. Und es tat in diesem Moment einfach nur gut dies zu fühlen. Irgendwie schien er ein gewisses Talent dafür zu haben, selbst in den traurigsten und schwersten Zeiten jemandem aufmuntern zu können und neuen Mut zu geben. Vielleicht nicht immer für sich selbst, aber für andere. Deshalb hob ich auch ganz langsam meine rechte Hand, um die seine auf meiner Schulter zu berühren. Bofurs knubbelige, raue Zwergenfinger waren noch leicht feucht vom Regen und ganz klamm von der Kälte draußen. Doch ich wagte es einfach sie für einen Augenblick zu drücken, ehe ich den Kopf langsam hob, die Augen öffnete und mich langsam zu ihm umdrehte. Doch anders als erwartet, war seine Miene nicht etwa deprimiert oder unglücklich. Nein. Als sich unsere Blicke trafen, begann er ruhig und aufmunternd zu lächeln. Auch wenn ich in seinen Augen deutlich erkennen konnte, dass ihn meine Trennung vom Zwergenkönig fast genauso sehr traf wie mich. Dabei hatte er damit eigentlich nichts zu tun gehabt. Bofur sollte sich deswegen nicht schuldig fühlen. Es war eine Sache zwischen Thorin und mir, für die wir einen hohen Preis bezahlen mussten. Nur bezog dieser Preis nun auch den Zwerg mit dem ungewöhnlich sonnigen Gemüt mit ein. Es war viel passiert. Ob nun aus Unachtsamkeit oder Dummheit. Aber schuld war Bofur nicht daran. Und das wollte ich ihm auch umgehend klar machen. Ich straffte mich ein klein wenig und setzte mich aufrechter hin, ehe ich ruhig und eingehend zu ihm sprach: "Bofur. Dir braucht gar nichts leid zu tun. Es war der Wunsch von Thorin und mir, dass wir erst einmal nicht beisammen sind. Mir müsste es leidtun. Immerhin kannst du jetzt erst mal wegen uns nicht mehr zu den Anderen ins Reich der Götter zurück." Doch der Zwerg schüttelte nur den Kopf und sein Lächeln wurde durch meine Worte noch breiter, bis es sogar endlich seine Augen erreichte. "Ach. Das ist nicht so schlimm. Schließlich hat Thorin ja gesagt, dass er nur vorläufig weg ist. Kein Grund um traurig zu sein. Er wird früher oder später wieder kommen", erwiderte er versöhnlich und gut gelaunt. Von seiner Aussage ein wenig irritiert, hob ich kurz eine Augenbraue in die Stirn. "Dein Optimismus in allen Ehren, Bofur. Aber, vermisst du deinen Bruder denn nicht? Er macht sich doch bestimmt schon Sorgen, weil du nicht bei ihm bist. Macht dir das denn gar nichts aus?", fragte ich, woraufhin Bofur tatsächlich auflachte und erneut den Kopf schüttelte. "Glaub mir, leicht fällt es mir nicht gerade, das zu hören. Aber mach dir mal wegen Bombur keine Gedanken. Er ist erwachsen und kein Zwergling mehr, auf den ich achtgeben müsste. Außerdem ist Bifur noch bei ihm. Er wird schon ein Auge auf ihn haben. Keine Angst. Er wird zurecht kommen und ich auch. Um ehrlich zu sein, bin ich froh noch hier zu sein. Und ich denke du weißt auch warum", sagte er und zwinkerte mich kurz vielsagend an. Ich schnaubte daraufhin belustigt und auch erleichtert, über seine aufheiternde Stimmung. Es machte mich sogar richtig froh, dass er die Sache nicht ganz so eng sah. Natürlich, wusste ich bereits, was ihm seinen Aufenthalt in meiner Welt erträglich machte. Oder vielmehr wer. Marina und Benni hatten ihn voll und ganz vereinnahmt. Oder um es anders zu sagen. Er hatte sich einfach einer neuen Aufgabe verschrieben. Und ich wusste insgeheim, dass er dieser vielleicht sogar gewachsen war. Zumindest eine positive Errungenschaft an diesem verkorksten Tag. Der Mützenzwerg war bis über beide Ohren verschossen in die Menschenfrau und hatte einen Narren an ihrem Sohn gefressen. Ich glaubte in diesem Augenblick kaum noch daran, dass er tatsächlich wieder ins Reich der Götter zurückkehren wollte. Vielleicht. Ja, höchst wahrscheinlich würde er in meiner Welt bleiben wollen. Und wenn ihm das Glück hold blieb, bekam er früher oder später das, was er sich schon immer gewünscht hatte. Eine eigene glückliche Familie. Das hoffte ich von ganzem Herzen. Er hatte es sich wirklich verdient. Allein schon damit, dass er mich so schlagartig aus meinem kleinen depressiven Loch herausgezogen hatte, in welches ich um ein Haar hinein geschlittert wäre. Auch Kili und Fili wurden davon angesteckt. Als ich kurz zu ihnen herüber schielte, tauschten sie schweigend und breitgrinsend ihre Gedanken aus, bevor sie einander ruhig zu nickten. Bei mir stellte sich unterdessen endlich wieder ein Gefühl der Erleichterung ein. Eine kleine Last war mir von der Seele genommen worden und das machte diesen turbolenten Abend um einiges erträglicher. Erst recht nachdem Bofur seine Hand von meiner Schulter nahm und sich feierlich mit beiden auf seine Oberschenkel klatschte. "So. Nachdem wir das hinter uns haben, was tun wir jetzt? Wollen wir uns schon schlafen legen oder hat einer von euch Lust mit mir eine Runde Karten zu spielen?", fragte er anschließend, damit das Thema endgültig vom Tisch war. Der unerwartete Vorschlag fand bei allen zustimmende Worte und war eine willkommene Ablenkung für uns. Da immer noch das Gewitter über uns tobte, war fernsehen ja immer noch nicht möglich. Und müde war auch noch keiner. So stand Kili bereits munter auf und grinste breit mit den Worten: "Das ist eine vortreffliche Idee. Ich hole sie." "Gut. Tu das, Bruder. Aber wo spielen wir?", fragte Fili, der sich suchend im Raum umsah. Die Frage nach einem geeigneten Ort zum Spielen war wirklich berechtigt. Auf dem Küchentisch lagen immer noch die Pizzakartons und am Boden befanden sich nach Bofurs eintreten einfach zu viele Pfützen, die die Sache ungemütlich gemacht hätten. Aber in dem Punkt konnte ich Abhilfe schaffen. "Wie wäre es, wenn wir uns alle auf mein Bett setzen und da spielen?", fragte ich und musterte einen nach dem anderen mit einem ruhigen Lächeln. "Wunderbar. Dann machen wir das", sagte der Mützenzwerg, welcher sich schon direkt ganz darauf setzen wollte. Natürlich ohne sich vorher die Schuhe auszuziehen, was ich aber gerade noch zu verhindert wusste. "Bofur! Schuhe aus! Du machst meine Laken mit den Stiefeln dreckig!", fauchte ich und packte den Zwerg dabei am Unterarm. Dieser sah mich zunächst ein wenig verwirrt an, denn erhellte sich seine Miene und er lachte kurz verlegen. "Oh. Entschuldige. Das ist mir vollkommen entfallen", erwiderte er und griff umgehend nach unten, damit er sich seiner Treter entledigen konnte. Wenig später saßen wir vier dann alle zusammen in einem kleinen Kreis auf meinen Matratzen und Kili mischte den Kartenstapel. "Was wollen wir denn jetzt spielen? Noch mal Schwarzes Schaf, wie auf der Zeltstadt? Oder kennt ihr noch andere?", fragte ich neugierig. "Wie wäre es, wenn du uns ein Spiel deiner Welt beibringst. Das würde mich sehr interessieren", meinte Fili und streckte sich ein wenig. "Hrm... Also ich kenne ein paar. Aber ich weiß nicht ob man die mit euren Karten spielen kann. Ich kann eure Runen ja nicht lesen. Und das leichteste, was mir einfallen würde, wäre Mau Mau", erklärte ich ruhig. "Mau Mau? Das hört sich interessant an. Benötigt man dafür eine Katze?", fragte Kili, der den Kartenstapel tatsächlich nach einem dieser Stubentiger durchsuchte. Ich musste kurz kichern und schüttelte den Kopf. "Nein. Dafür braucht man keine Katze. Die Regeln sind recht einfach. Zuerst wird gemischt und jeder bekommt fünf Karten. Der Stapel kommt in die Mitte. Danach wird die Oberste herunter genommen und es geht im Uhrzeigersinn weiter. Also wäre der erste der Anfängt derjeniger, der links neben dem Mischer gesessen hat. In diesem Fall wäre ich dran, weil ich links neben Kili sitze. Pro Runde darf danach jeder eine Karte von seiner Hand ausspiel, sofern sie das selbe Muster, die gleiche Farbe oder eben die entsprechende Ziffer besitzt. Dann gibt es drei spezielle Karten. Die sieben bedeutet, dass der Nächste, der an der Reihe ist sich zwei Karten vom Stapel nehmen muss. Er darf danach aber nicht mehr legen, sondern muss warten, bis er in der nächsten Runde wieder dran ist. Bei einer Acht muss der Nächste eine Runde aussetzen und darf weder ziehen noch ablegen. Dann gibt es bei den Karten in meiner Welt die sogenannten Buben. Die könnt ihr jederzeit spielen. Sie sind dafür da, wenn ihr mehrere Karten von einer Art und Farbe habt, aber die nicht ausspielen könnt, weil eine andere Farbe im Spiel ist, oder so. Dann könnt ihr euch die wünschen, die ihr gerade auf der Hand habt. Wer irgendwann nur noch eine Karte auf der Hand hat, muss kurz sagen, 'Letzte Karte'. Tut er das nicht, muss er noch mal eine zweite Karte vom Stapel ziehen. Kann derjenige in der nächsten Runde seine letzte Karte ablegen, sagt er 'Mau Mau'. Habt ihr das soweit verstanden oder soll ich es nochmal erklären?", hakte ich abschließend nach, als ich sah wie die Gesichter der kleinen Männer immer länger und verwirrter wurden. "Also. Das. Äh. Wie war das? Die Buben sind zum Wünschen da und bei Acht und Sieben muss man irgendetwas tun?", stammelte Fili und kratzte sich seitlich am Kopf. "Das ist irgendwie sehr kompliziert. Ich glaube nicht, dass ich dieses Spiel verstanden habe", meinte Kili und mischte erneut. Ich schnaubte kurz und zuckte mit den Schultern. "Also. Ich finde es ist sehr einfach. Aber wenn ihr nicht wollt, dann müssen wir das auch nicht machen. Dann spielen wir etwas, was ihr könnt", entgegnete ich gelassen und lehnte mich an das gepolsterte Bettgestell zurück. "Vielleicht lernen wir es, wenn wir es mal angefangen haben. Du bist ja da, um es uns zu erklären. Das wird schon", kam es gut gelaunt von Bofur. "Gut. Wenn ihr mir sagt, was die Runen bedeuten, kann Kili die Karten verteilen", meinte ich und erntete reihum zustimmendes Nicken. Dann konnte es auch schon los gehen. Kili mischte noch ein bisschen und teilte danach jedem fünf Karten aus. Der Anfang war unglaublich holprig, da ich zunächst noch große Mühe hatte die Zahlen voneinander zu unterscheiden. Und die drei Zwerge taten sich mit den eigentlich recht einfachen Regeln sehr schwer. So dauerte es wohl mindestens eine Stunde, bis wir wirklich flüssig spielen konnten. Aber auf diese Weise lernte jeder ein bisschen was. Ich bekam eine erste Einführung in zwergischer Runenkunde, oder wie auch immer sie es nennen mochten, und die Herren bekamen einen netten Einblick in die Beschäftigungen meiner Welt. Nachdem wir einige Runden gespielt hatten, bekam ich jedoch irgendwie das Gefühl, dass der gute Nori Kili die ein oder anderen Tricks in Sachen Falschspielen beigebracht hatte. Nur war der dunkelhaarige Bursche bei weitem nicht so geschickt darin, wie sein Lehrmeister. "Kili! Du schummelst schon wieder. Spiel gefälligst anständig. Sonst darfst du Morgen meine Wohnung putzen", meinte ich und boxte ihm kurz gegen die Schulter. "Das stimmt doch gar nicht. Wie kommst du denn darauf?", fragte er und versuchte die ganze Sache abzustreiten. Allerdings ziemlich erfolglos. Denn ich ergriff umgehend seinen Hemdsärmel und zog blitzschnell eine Karte heraus. Völlig ertappt ließ er die Mundwinkel sinken, was Bofur und seinen Bruder dazu veranlasste schallen drauf los zu lachen. "Also, Kili. Was das Verstecken von Gegenständen angeht, musst du wirklich noch viel lernen. Wenn selbst Cuna es schafft eine Karte in deinem Ärmel zu finden", meinte Fili und wischte sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel. "Ja. Sieht ganz so aus. Aber ich bin ja auch nicht so talentiert wie du, wenn es darum geht Sachen zu verstecken", grummelte dieser mit einer beleidigten Schnute. "Ach, jetzt sei doch nicht gleich eingeschnappt. Dein Bruder hat Jahre dafür gebraucht um seine Dolche so verstecken zu können, dass sie niemand findet", sagte Bofur und klatschte dem dunkelhaarigen Jungen aufmunternd auf den Rücken, wobei ihm noch drei weitere Karten aus seinem Kragen fielen. "Mit Ausnahme einiger Elben aus dem Düsterwald und Onkel Thorin. So Bofur muss aussetzen", ergänzte der blonde Bursche und legte eine Acht. "Ja. Onkel kann man eben nicht so leicht hinters Licht führen. Und mit Elben spielt man am besten auch nicht. Selbst Nori hat einige Spiele gegen sie verloren, weil sie ihn durchschaut haben. Du musst zwei Karten ziehen, Cuna", meinte Kili und legte eine Sieben. Diese nahm ich auch prompt vom Stapel und seufzte kurz. Tja. Mit Elben und einem Zwergenkönig legte man sich besser nicht an. Auch wenn ich glaubte, dass ein kleiner Betrug im Kartenspielen bei den wandelnden Wald- und Wiesenglühwürmchen nicht ganz so schwer wog, wie bei Thorin selbst. Ich wusste ja wie eingeschnappt und ungehalten sie werden konnten, wenn man sie betrog. Das war mir bereits am Piratentag aufgefallen, nachdem die kleinen bärtigen Männer den vermeintlichen Schatz begutachtet hatten. Doch wo ich gerade an Schatz dachte, fiel mir etwas ganz entscheidendes wieder ein, was ich über die Stunden hinweg vollkommen vergessen hatte. Und zwar das Telefonat von Fili und Jana. So sah ich den jungen Zwerg zu meiner linken einen Augenblick später an und erkundigte mich noch einmal, worum es dabei gegangen war. "Sag mal, Fili. Du hast mir immer noch nicht erzählt, was du mit Jana vorhin besprochen hast. Du wolltest mich ja auch noch was fragen, wenn ich mich nicht irre", sagte ich ruhig und zog in der nächsten Runde eine weitere Karte, da ich nicht legen konnte. Als ich diesen darauf ansprach, weiteten sich plötzlich seine Augen und er seufzte leidig, bevor er verstehend nickte. "Ja. Ja, das ist richtig. Oh Mahal, das habe ich ja ganz vergessen. Weißt du, Jana hat mich gefragt, ob wir uns am kommenden Wochenende treffen möchten. Allerdings kenne ich mich hier ja nicht so gut aus wie du. Kannst du mir vielleicht sagen, wo ich diesen Ort namens, 'Herbstfestival' finden kann?", fragte er ruhig. Ich blinzelte kurz und musste mir Kichern verkneifen, ehe ich ihm antwortete: "Fili.'Herbstfestival' ist kein Ort. Das ist ein Jahrmarkt um genau zu sein. Der wird jedes Jahr hier am Stadtrand aufgebaut." Nachdem sie das hörten, warfen sich die Zwerge allesamt wieder verwirrte und ratlose Blicke zu. Gut, mir hätte klar sein müssen, dass es in Mittelerde so etwas in der Form, wie in meiner Welt, nicht gab. Daher konnte ich gut verstehen, dass sie mich kurze Zeit später erneut mit einigen Fragen bombardierten. "Was ist denn ein Jahrmarkt?", hakte Bofur als erster nach und musterte ich neugierig interessiert. Ich schnaufte einmal belustigt und legte zunächst grinsend eine Karte ab, bevor ich es ihnen ganz ausführlich erklärte. "Also. Ein Jahrmarkt. Das ist, wie der Name schon sagt, ein Markt, der nur einmal im Jahr stattfindet. Ein großes Fest sozusagen. Da gibt es viele kleine Buden, wo man sich Essen kaufen und Spiele spielen kann. Außerdem gibt es noch andere Attraktionen. Die nennen wir Fahrgeschäfte oder Karussells, falls euch das mehr sagt. Da sind so große Gestelle, wo man sich drauf setzen kann und die sich dann um sich selbst drehen. Und da will Jana sich mit dir treffen, Fili?", fragte ich anschließend, woraufhin dieser bestätigend nickte. "Ja, das hat sie gesagt und ich soll fragen, ob du nicht Lust hättest mit zu kommen", sagte er. "Hrm. Na ich weiß nicht. Immerhin ist es eure Verabredung. Da sind andere doch eher störend", murmelte ich nachdenklich und schulterzuckend. Eigentlich war es ja keine schlechte Idee, um mal wieder raus zu kommen und nach den ganzen stressvollen Wochen etwas auszuspannen. Außerdem war es bestimmt nicht besonders klug Fili schon so früh allein auf die hiesige Menschheit los zu lassen. Wenn ihm irgendetwas zustieß, würde Thorin mir bestimmt den Hals umdrehen. Auf der anderen Seite empfand ich es wiederum falsch, die beiden Turteltäubchen bei ihrem ersten Date mit meiner Anwesenheit zu belästigen. Das hatte wohl auch etwas mit meinem anerzogenen Anstand zu tun. Doch diese Entscheidung fällte mal wieder nicht ich, sondern der Rest meiner kleinen Wohngemeinschaft. "Warum denn nicht? Es hört sich doch sehr lustig an. Und ich würde das nur zu gern mal sehen. Außerdem hat Jana uns eingeladen. Und gemeinsam werden wir bestimmt viel Freude daran haben. Ach ja, letzte Karte", meinte Kili hastig und legte eine ab. "Dann lasst uns das tun. Gehen wir am kommenden Wochenende auf den Jahrmarkt. Wenn Cuna uns zeigt, wie wir dorthin gelangen und sie mit dabei ist, kann schon nichts schief gehen", kam es überschwänglich von Bofur, der sich daraufhin entschlossen mit einer Faust in die Handfläche schlug. Ich schüttelte indessen nur den Kopf und hob beschwichtigend die Hände, als die drei schon anfingen Pläne für diesen Tag zu schmieden. "Jungs! Jungs! Jetzt wartet doch mal! Stopp!", rief ich dazwischen, damit ich ihre Aufmerksamkeit zurück bekam. "Was ist denn noch, Cuna? Stimmt etwas nicht?", fragte Fili mit hochgezogenen Augenbrauen. "Also. Ich. Ich weiß ja, es hört sich ungemein verlockend an. Aber überlegt doch mal kurz. Ich bin hier für alles verantwortlich, was mit euch passiert. Und das ist ein wirklich großes Fest auf einem riesigen Platz. Da kommen hunderte von Menschen hin. Wenn wir uns da irgendwie in der Menge verlieren und jemandem von euch etwas zustößt, könnte ich mir das nicht verzeihen. Davon abgesehen, muss ich euch allen vorher noch zeigen, wie man sich in meiner Welt vernünftig in der Öffentlichkeit verhält. Damit ihr hier als Menschen und nicht als Zwerge durchgeht. Ich weiß, euch gefällt das nicht, aber auf der Zeltstadt war das was anderes. Da durftet ihr euch so verhalten wie immer. Aber bei einer solchen Massenveranstaltung sehe ich keine andere Möglichkeit, um eure Existenz in meiner Welt geheim zu halten", erklärte ich ein wenig aufgekratzt. Die Zwerge sahen es unterdessen weit lockerer als ich. Sie begannen sogar während meiner Erklärung noch breiter zu grinsen und lachten schlussendlich sogar kurz auf. "Was ist denn daran so lustig? Ich meine es wirklich ernst", fauchte ich beleidigt und zog eine Schnute, da ich mich irgendwie verarscht und nicht ernstgenommen fühlte. "Das wissen wir, Cuna. Aber du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen. Bis dahin sind doch bestimmt noch ein paar Tage Zeit. Da kannst du uns das Wichtigste beibringen", meinte Bofur gelassen. "Ja, und wir werden dir auch bestimmt keinen großen Ärger machen. Wir bleiben alle schön zusammen. Dann kann nichts schief gehen. Oh und... äh... Mau Mau", sagte Kili, der damit seine letzte Karte ablegte. Damit war dann wohl auch das letzte Wort gesprochen. Ich war eindeutig überstimmt. Doch war mir ganz und gar nicht wohl bei der Sache. Denn ich ahnte bereits, dass das ganze wieder in eine Katastrophe endete. Aber welches Ausmaß es dieses Mal haben würde, das konnte wohl niemand vorher sagen. - 96. Die Herzdame und ihre drei Spitzbuben / ENDE - Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)