Diesem Einen will ich #Follow von Virdra-sama (Was macht der Zwergenkönig in meinem Onlinegame?) ================================================================================ Kapitel 93: 93. Steinige Wege ----------------------------- "Du. Du willst, dass wir uns vorläufig trennen?", fragte ich vollkommen verwirrt und riss meine Augen weit auf. Erneut atmete Thorin tief durch und brummte dann nur bestätigend. "Es muss sein, Cuna. Ich will es nicht, aber ich weiß einfach nicht, wie ich dich vor mir beschützen soll", ergänzte er mit schwermütiger, ernster Stimme, bevor er den Blick leicht senkte. Was er sagte, sickerte mir nur langsam in meine Gedanken. Vierundzwanzig Stunden. Länger hatte mein Wiedersehen mit dem Zwergenkönig nicht angedauert. Gut, vielleicht waren es auch inzwischen etwas mehr. Doch im Großen und Ganzen betrachtet, waren es wohl tatsächlich nur so wenige Stunden, die ich im wachen Bewusstsein mit ihm und seinen Männer verbracht hatte. Und nun stand er da. Seine schweren, kräftigen Hände auf meine Schultern, die Stirn behutsam auf meinen Verband gelegt und ein trauriges Glitzern in den eisblauen Augen. Es war Schmerz. Er litt ganz deutlich unter dem, was er von sich gegeben hatte und es erschreckte ihn zugleich. Seine Worte waren ihm nur sehr schwer über die Lippen gekommen. Vermutlich hatte er sie gar nicht sagen wollen. Denn sie lösten auch bei mir einen mittelschweren Schock aus, als sie noch ein ganze Weile in meinen Ohren wiederhallten, wie ein grausames Echo. Eine Trennung auf Zeit? Das konnte nicht sein Ernst sein. Aber es war immerhin Thorin und von solchen dummen Witzen hielt er für gewöhnlich gar nichts. Zumindest von dem, was ich bisher von ihm kannte. Wobei ich mir nicht mehr ganz so sicher war, ob ich ihn überhaupt noch richtig kannte. Jedoch sprachen nicht nur seine Worte, sondern auch sein Blick Bände. Ich verstand was er damit meinte. Er wollte nicht, dass es noch einmal zu so einer Kurzschlussreaktion seinerseits kam. Wäre dieser Vorschlag von einem Menschen gekommen, hätte ich mit Sicherheit gewusst, dass dies das endgültige Aus für unsere Beziehung war. Bei Menschen gab es in so einem Fall meist keine Rettung mehr für die Liebe. Doch Thorin war ein Zwerg. Für diese existierte kein Aus und Vorbei. Nicht auf diese Art jedenfalls. Das hatte ich schon in Kilis Geschichte heraus gehört. Denn obwohl der junge Bursche schon so lange von seiner rothaarigen Elbin getrennt war, konnte und wollte sein Herz sich einfach nicht von ihr lösen. Doch hier ging es nicht um ihn. Hier ging es um Thorin, mich und einen Konflikt, den es niemals hätte geben dürfen. Nur kam mir eine Trennung, selbst wenn sie vorerst Zeitweilig war, ein wenig übereilt vor. Einerseits war es wohl in Anbetracht der Umstände richtig und ein Großteil von mir stimmte diesem Schritt auch schon Bedingungslos zu. Andererseits machte sich Unbehagen in mir breit. Ich biss mir auf die Unterlippe und seufzte kurz. Viele Fragen brannten mir auf der Seele und ich wusste, dass nur er sie mir beantworten konnte. Jedoch stand es auf einem ganz anderen Blatt, ob mir diese gefallen würden. Immerhin sagte mir sein Vorschlag ja auch nicht zu hundert Prozent zu. Deshalb musste ich mir einfach Luft machen, bevor mich das alles innerlich zu sehr erdrückte oder gar auffraß. "Thorin. Was... Was soll in der Zeit passieren? Ich meine, was wird aus dir? Wo gehst du hin? Und... Und was mach ich hier alleine?", fragte ich, wobei meine Stimme leicht bebte. Er schnaubte kurz und hob dann für einen Moment die Augen, um mich eindringlich anzusehen. "Was aus mir wird, lass meine eigene Sorge sein. Und wohin ich gehe, weiß ich zu dieser Stunde noch nicht. Aber ich habe dafür gesorgt, dass du in deinem Zustand nicht allein sein wirst", meinte er ruhig, wobei ich etwas die Augenbrauen zusammen zog. "Wie? Du wolltest doch gerade noch mit all deinen Männer abreisen. Oder irre ich mich jetzt schon wieder?", hakte ich vorsichtig nach, woraufhin er seine Stirn von mir löste und mit seinen rauen Händen meine Oberarme sehr nachdenklich entlang streichelte. "Nicht mit allen. Kili und Fili werden sich um dich kümmern", entgegnete er schlicht, was über meinem Kopf ein imaginäres Fragenzeichen aufleuchten ließ. Ein wenig stutzig runzelte ich die noch halbwegs freie Stirn und versuchte irgendwie zu erfassen, was er gesagt hatte. Ich konnte mir zu diesem Zeitpunkt beileibe nicht vorstellen, dass er seine beiden Neffen einfach so in meiner Obhut zurück ließ. Dafür war zu viel vorgefallen. Nicht nur in meiner Wohnung, sondern auch auf der Zeltstadt. An der Sache musste es mal wieder einen Haken geben. Sicher, mir hätte klar sein müssen, dass er nicht aus seiner Haut konnte. Und so gesehen empfand ich es auch als Erleichterung, dass die Beiden bleiben sollten. Dann war ich zumindest nicht ganz allein und hatte etwas Hilfe, wo es mir so bescheiden ging. Trotzdem schien die Sache wieder einen gewissen bitteren Beigeschmack zu haben. Gut, es war ja eigentlich schon zuvor sein Plan gewesen, dass die Zwei sich in Zeiten seiner Abwesenheit bei mir befanden, um nicht nur als meine Beschützer, sondern auch als Aufpasser zu fungieren. Im Gegenzug, sollte ich ihr Mutterersatz sein. Nur schien Thorin nicht zu wissen, dass sie mir am Vorabend bereits davon berichtet hatten. Dementsprechend misstrauisch beäugte ich den kleinen, dunkelhaarigen Mann vor mir und verzog skeptisch den Mund. "Also lässt du die Jungs hier. Und sie wollen auch wirklich beide freiwillig hier bleiben? Sie handeln nicht wieder auf irgendeinen Befehl von dir? Du hast sie eben in dem Gespräch zu nichts genötigt, was sie nicht wollen?", fragte ich ruhig, aber ernsthaft nach. Der Zwergenkönig hob für einen Moment beide Augenbrauen, ehe er sie wieder senkte und dann den Kopf schüttelte. "Offenbar haben sie dir gesagt, was ich ursprünglich für dich erdacht hatte. Aber ich kann dich beruhigen. Nein. Dieses Mal nicht. Sie machen es freiwillig und ohne, dass ich darauf Einfluss genommen habe. Als ich sie zu mir bat, ließ ich ihnen die Wahl, ob sie mit ihrem Volk zurück kämen oder ob sie hier in Terra Gaia bleiben wollten. Fili hat keinen Augenblick gezögert und mir sofort gesagt, dass er nicht gehen kann, weil auch er hier eine Liebste hat. Und Kili wollte nicht ohne seinen Bruder zurück. Vor allem aber wollten sie dich in deiner Not nicht im Stich lassen", erklärte er beschwichtigend, doch ich gab mich damit noch nicht ganz zufrieden. "Ganz sicher? Das ist die Wahrheit? Und die verheimlichst mir nicht noch irgendetwas von deinen geheimen Plänen?", bohrte ich weiter nach, doch wieder schüttelte er den Kopf. "Cuna, es ist die Wahrheit. Es ist ihr freier Wille. Ich habe nichts damit zu tun. Du kannst sie nachher selbst fragen, wenn du mir nicht glauben willst", raunte er nun reichlich ungeduldig. Dabei packte er meine Oberarmen wieder fester und sah mich sehr eindringlich an. Dass ich ihm nicht mehr wirklich vertrauen konnte, regte ihn sichtich sehr auf. Auch wenn er so gesehen vergleichsweise ruhig blieb. Trotzdem bereitete mir sein erneut aufflammendes, energisches Verhalten ein wenig Angst, weshalb ich kurz zusammen zuckte. Ich wollte nicht, dass er plötzlich wieder durchdrehte und irgendetwas noch verheerenderes passierte. Besonders nicht, wo wir allein auf meinem Balkon standen und die anderen Zwerge nicht rechtzeitig zu Hilfe eilen konnten. Zumindest bemerkte er diesmal selbst, dass er wieder kurz davor war, wegen Nichts seine Beherrschung zu verlieren. Er löste ruckartig seine Hände von meinen Armen und drehte mir einen Augenblick nur seine linke Seite zu. Er musste einige Mal tief durchatmen und schloss dabeidie Augenlider. Dann schüttelte er den Kopf und seufzte schwermütig. "Mahal. Um ein Haar wäre es wieder mit mir durchgegangen. Wieso bin ich nicht mehr ich selbst?", murmelte er mehr zu sich, als zu mir. Danach strich er sich mit einer Hand über das Gesicht und versuchte seine Fassung weiter zu erlangen. Ich spürte deutlich, wie sehr er litt. Dass er große Probleme hatte mit sich selbst und seinen Gefühlen klar zu kommen. Thorin wirkte müde. Fast sogar ein wenig kränklich, wo ich ihn mir nun bei Tageslicht betrachten konnte. Bofur, Kili, Fili und Ori hatten mir ja schon erzählt, dass er vor seiner Reise zu mir, Tag und Nacht an seinen Plänen für uns gearbeitet hatte. Das zehrte natürlich sehr an den Nerven, wie ich aus persönlicher Erfahrung wusste. Und der Druck war für ihn noch größer geworden, als Thranduil ihn beleidigt und seine Verlustängste mir gegenüber noch mehr geschührt hatte. Ein Tropfen Öl in ein bereits loderndes Feuer. Er war ein unverbesserlicher Perfektionist, dem selbst das Beste vom Besten nicht gut genug war. So hatte ich früher auch gedacht, bis ich notgedrungen ein paar Gänge runter schalten musste. Aber Thorin konnte es nicht so einfach. Dafür war er viel zu stolz. Er hatte durch mich wieder eine Aufgabe bekommen. Ein ganz neues Leben, das er ordnen und nach seinen Vorstellungen strukturieren wollte. Wobei er jedoch vollkommen vergessen hatte, dass es mehr als nur ihn betraf. Er hatte die Gefühle außer Acht gelassen und war blind in diese Miesere hinein geraten. Kurz um. Der Zwergenkönig stand unmittelbar vor dem endgültigen Burn out. Dass so etwas bei Zwergen auch auftreten konnte, verwunderte mich schon. Denn eigentlich waren sie ja sehr zäh und widerstandsfähig. Gut, so gesehen hatte ich auch meinen Teil dazu beigetragen. Denn unterbewusst hatte ich genauso versucht aus ihm Jemandem zu machen, der er nicht war. Nur weil ich immer noch nicht richtig verstand, wie Zwerge, beziehungsweise er richtig tickte. Nun hatten wir beide unsere Quittung bekommen. Vermutlich war ein Neuanfang nach einer Pause doch nicht ganz unausweichlich. Auch wenn es mir einen kleinen Stich versetzte, dass ich allmählich selbst so dachte. Aber ich wusste insgeheim, dass wir beide Ruhe brauchten. Vor allem ich zu diesem Zeitpunkt. Denn Marinas Tabletten, die ich mir eingeworfen hatte, wirkten doch recht einschläfernd. Daher sah ich es nach einem kurzen unterdrückten Gähnen auch angebracht, das Gespräch zu beenden, sodass ich mich endlich hinlegen konnte. "Thorin. Ich. Ich denke, wir sind beide im Augenblick völlig überfordert mit den ganzen Gefühlen und Umständen. Und nicht wirklich in der Lage zusammen zu leben. Wir haben uns in den letzten Stunden fast ununterbrochen wegen allem möglichen und unmöglichen Mist gestritten. So kann es nicht weiter gehen. Es tut mir zwar in der Seele weh das zu sagen, aber... aber wir brauchen diese Auszeit, die du mir vorgeschlagen hast. Und ich meine eine Richtige. Ohne tagelanges Pläneschmieden und Diskutieren. Damit wir etwas zur Ruhe kommen und darüber nachdenken können, was wir beide wollen", meinte ich mit ruhiger, leicht belegter Stimme, was ihn dazu bewog sich wieder zu mir um zu drehen und zu nicken. "Ja. Das würde vielleicht helfen", sagte er recht leise und straffte die Schultern. Ich erwiderte das Nicken und seufzte schweren Herzens. Wir waren noch nicht so lange zusammen und es belastete mich dementsprechend sehr so früh eine Auszeit einzulegen. Aber anders kam ich mit der Situation nicht mehr zurecht. Vielleicht. Ja, vielleicht konnte ich doch darauf hoffen, dass es besser werden würde, wenn wir uns beim nächsten Mal wieder trafen. Ich musste einfach hoffen. Egal wie es dann aussehen würde. Aber ein seltsames Zwicken in meinem Gewissen sprach mir in dem Punkt wieder etwas Mut zu. Mut den ich brauchen würde, wenn ich mit Fili und Kili allein war und sie auf das Leben in meiner Welt vorbereitete. Zuvor musste ich mich jedoch noch um Thorin kümmern, der nach einigen Minuten immer wieder von mir zur Balkontür schielte. Ein klares wortloses Zeichen dafür, dass er eigentlich gehen wollte, es aber doch nicht wirklich konnte. Und mir erging es da nicht anders. Die Unterhaltung war definitiv beendet und trotzdem standen wir uns weiterhin unschlüssig gegenüber. Keiner von uns wollte bei dieser Verabschiedung den Anfang machen. Es war noch schlimmer, als das Gespräch an sich. Schließlich fasste ich mir ein Herz, atmete einmal tief durch, bevor ich den dicken Kloß in meiner Kehle runter schluckte und wandte mich dann zur Tür mit den Worten: "Ich denke es wird Zeit. Deine Männer warten bestimmt schon." Zunächst erwiderte er nichts darauf, außer einem bestätigenden Brummen. Doch als ich zwei Schritte gemacht hatte, spürte ich plötzlich, wie sich seine Hand ruckartig um meinen linken Arm schloss und Thorin ein keuchendes "Warte" von sich gab. Ich hielt in meiner Bewegung inne und warf behutsam einen Blick über meine Schulter. "Was gibt es noch?", fragte ich und legte leicht den Kopf schief. Der Zwergenkönig verzog ein wenig das Gesicht und biss sich verdrießlich auf die Unterlippe, während er mich festhielt. Er kämpfte wieder mit sich selbst. Um das, was gerade in seinem Kopf vor ging. Schien irgendetwas abzuwägen und versuchte eine Entscheidung zu treffen, was er als nächstes sagen wollte. Schließlich seufzte er schwermütig, nachdem er sich zu etwas durchgerungen hatte und trat näher an mich heran. "Cuna. Ich. Ich weiß es ist unangebracht, aber... Ich würde gern ein aller letztes Mal deine Lippen berühren wollen. Nur für. Für den Abschied", murmelte er und sah mich dabei fast schon verlegen mit leicht gesenktem Kopf von unten her an. Ein wenig überrascht von seiner dreisten, aber doch bescheidenen Bitte drehte ich mich wieder gänzlich zu ihm um. "Ein Kuss? Nichts weiter?", fragte ich vorsichtig und er nickte. Nun war ich diejenige, die sich auf die Lippen beißen musste, um diese Sache abzuwägen. Es war schon recht viel, was er nach dem ganzen Schlamassel von mir verlangte. Noch dazu wusste ich unterbewusst, dass wir seit Beginn unseres Gesprächs aus dem Apartment beobachtet wurden. Wie würden die anderen Zwerge darauf reagieren, wenn ich seinem Wunsch einfach so statt gab? Sicherlich würde es ein völlig falsches Bild auf die tatsächliche Lage der Dinge geben. Doch abgesehen davon, würde ich ihn wahrscheinlich auch für sehr lange Zeit nicht wiedersehen. Und ich liebte ihn so gesehen noch immer. Allerdings hatte ich Angst, dass es dadurch für uns nur schwerer werden würde einander gehen zu lassen. Es war wirklich keine leichte Entscheidung, die ich treffen musste. Ich zögerte und haderte mit mir selbst. Dieses Für und Wider war einfach zum Kotzen. Sollte ich? Sollte ich nicht? Nur ein Kuss für den Abschied. Mehr wollte er ja nicht. Ob das gut ging? Konnte ich denn zu diesem Zeitpunkt schon seinem verführerischen Charisma widerstehen, um die Sache nicht ausarten zu lassen? Und konnte er sich genauso zurück halten, ohne sich darin zu verlieren. Was zumindest schon mal für ihn sprach war, dass er sich diesen nicht einfach so genommen hatte, wie sonst. Aber das hatte eigentlich noch nichts zu bedeuten. Es konnte sich bei ihm auch ganz schnell wieder ändern. Zurzeit stufte ich ihn immer noch als unberechenbar ein. Vermutlich war es das Beste ihm das Ganze zu verweigern, damit ich es nicht bereute. Aber meine Gefühle für den Zwergenkönig konnte ich auch nicht so einfach beiseiteschieben. Die Fragen und Zweifel in meinem Kopf häuften sich mit jeder Sekunde. Was wäre, wenn er aus unerfindlichen Gründen nicht wieder zu mir zurück kommen konnte? Wenn ihm etwas in der ganzen Zeit der Trennung passieren würde? Ich würde es genauso bereuen, wenn ich mich nicht zumindest ansatzweise versöhnlich von ihm verabschiedete. Wie oft hörte man die Geschichten von Leuten, deren Partner einfach aus dem Haus ging und einen schweren Unfall hatten. Sofort schoss mir wieder die Erinnerung an meinen Verblichenen durch den Kopf. An seinen Tod und dass ich ihm zuvor weder gesagt, noch gezeigt hatte, wie sehr ich ihn liebte. Nein. Nein, das wollte ich nicht noch einmal erleben. Nicht mit dieser Ungewissheit im Nacken. Das würde ich kein zweites Mal überstehen. Nicht mal wenn Kili und Fili bei mir blieben. Ich würde durchdrehen. Denn wie ich mein leidiges Glück kannte, konnte genau dieses Fiasko eintreten. So atmete ich schlussendlich einmal tief durch und entschied mich dann doch dazu, seinem Wunsch nach zu kommen. Nicht nur für ihn, sondern auch für meinen Seelenfrieden. "Also. Also gut. Für. Für den Abschied, Thorin. Aber nicht mehr als das", erklärte ich feierlich, wobei für einen kurzen Wimpernschlag ein sanftes Schmunzeln über seine Züge huschte. "Nicht mehr", entgegnete er schlich. Dann löste er seine Hand von meinem Arm und legte diese ganz bedächtig an meine Wange. Ich atmete ganz tief durch. Mein Herz begann heftig in meiner Brust zu schlagen, als er sich mir langsam näherte. Ich schloss die Augen und schmiegte mein Gesicht ruhig in seine raue, warme Handfläche. Dann spürte ich kurz drauf auch schon, wie sich ganz zögerlich seine weichen, warmen Lippen auf die meinen drückten und seinen Bart, der mich zaghaft unter der Nase kitzelte. Sein warmer Atem streichelte ganz sanft meine Haut. Genauso wie eine sonderbar kühle Brise, die unverhofft um den Plattenbau wehte. Das erste Anzeichen dafür, dass der Sommer sich dem Ende neigte und einem unerbittlichen Herbst Platz machte. Ich atmete währenddessen einmal ganz tief ein. Verinnerlichte seinen wundervollen, berauschenden Duft. Wie üblich begann es in meinem Bauch heftig zu kribbeln. Ja, ich hatte noch sehr starke Gefühle für ihn übrig. So makaber es nach alledem auch war. Es ließ mich wissen, dass ich ihn nach wie vor liebte. Dennoch widerstand ich dem stärker werdenden Drang mich diesem Kuss hinzugeben, wie ich es sonst getan hätte. Seine berauschende, hypnotisierende Ausstrahlung, hatte dieses Mal überraschenderweise keine größere Wirkung auf mich. Obwohl einiges in mir danach schrie nachzugeben und meine Entscheidung noch mal zu überdenken. Aber das wollte ich nicht. Die Worte waren ausgesprochen worden und ich wollte sie nicht mehr zurück nehmen. Ihre Folgen würde ich erst wesentlich später zu spüren bekommen. Soviel war mir klar. Zunächst musste ich allerdings meinen Körper zur Ordnung rufen, damit ich nicht meine Selbstbeherrschung verlor. Ich verschränkte meine Hände wieder fester vor meinem Körper, damit diese sich nicht lösten, um ihn zu umarmen. Ich erwiderte lediglich die Bewegungen seines Mundes auf meinem. Zu mehr wollte ich mich in diesem Moment nicht hinreißen lassen. Aber das schien ihm schon zu genügen. Er genoss noch ein letztes Mal das, was er für längere Zeit nicht mehr haben würde und ich ließ es stumm über mich ergehen. Ich wusste, dass es so nicht sein sollte. Dass man sich so nicht von dem Mann verabschiedete, den man über alles liebte. Aber es war besser als nichts. Und insgeheim auch eine kleine Wohltat für unsere beiden Gemüter, dass wir uns gegenseitig nicht einfach eiskalt stehen ließen. Sowohl für mich als auch für ihn. Wenigstens konnten wir nun in friedlicher Absicht voneinander gehen. Das war das Wichtigste in deisem Moment. Was jedoch genauso wichtig war, war die Tatsache, dass nun dumpfe Jubelschreie aus meinem Apartment hervor drangen. Ich wusste ja, dass die anderen Männer die ganze Zeit über zugesehen hatten und nun vermutlich ihre falschen Schlüsse daraus zogen. Aber damit musste dann wohl der Zwergenkönig aufräumen, welcher kurz drauf seinen Mund und die Hand von mir löste. "Danke", murmelte er mit einem erleichterten Schnaufen und ich öffnete die Augen. "Nicht dafür. Übrigens wäre da noch eine Sache meinerseits. Wenn du die Jungs besuchen willst, kannst du gern vorbei kommen. Du hast ja noch das Foto mit den Tagen und Uhrzeiten nehme ich an", gab ich flüsternd von mir und beobachtete seine Reaktion auf mein Angebot. Er nickte ruhig, wobei sich ein zaghaftes, vermitztes Lächeln über seine Lippen zog. Seine wunderschönen, eisblauen Augen leuchteten dabei auch ein wenig. Es machte ihn wie immer ungemein jung und unwiderstehlich. Da wusste ich, dass es doch das Richtige gewesen war, seinem Wunsch nach zu kommen. Allein um ihn mir mit diesem Lächeln in Erinnerung zu behalten, sofern ihm etwas zustoßen sollte. Nur hielt zu meinem Bedauern er es nicht sehr lange aufrecht. Denn kurz drauf wandelte sich seine Miene und er wurde wieder ernster. "Pass gut auf meine Neffen auf. Und auch auf dich", sagte er und tätschelte mir noch mal kurz die Schulter. "Das werde ich. So gut ich kann", entgegnete ich mit einem betretenen Seufzen. "Das weiß ich. Nun. Auf bald, Cuna", meinte er endgültig abschließend. Dann senkte er sein Haupt ein wenig und schob mich leicht zur Seite, damit er zur Tür gehen konnte. Ich blieb stehen und sah ihm noch einen Augenblick lang hinterher, während er schon die Hand auf den Türgriff legte. Doch bevor er ihn runter drückte, atmete er noch einmal ganz tief durch. Er straffte die Schultern, hob seinen Kopf wieder an und drehte diesen noch einmal kurz zu mir. Dann sagte er plötzlich ganz klar und deutlich in seiner Muttersprache: "Men lananubukhs menu." Ich musste ein wenig verwirrt blinzeln und legte fragend den Kopf zur Seite. "Was. Was bedeutet das?", hakte ich nach. Doch nun wandte er seinen Blick wieder von mir ab und drückte den Griff nach unten, um die Tür auf zu stoßen. Erst als diese offen war, schaute er stur geradeaus in mein Apartment und murmelte so leise, dass nur ich ihn hören konnte: "Ich liebe dich." Nun war ich platt. Er hatte mir zum erste Mal aufrichtig gesagt, dass er mich liebte. Die Worte trafen mich wie ein Faustschlag in die Magengrube. Mir blieb bis auf ein erschrockenes Keuchen die Luft weg. Mein wummerndes Herz schien plötzlich auszusetzen, bevor es sich schmerzhaft zusammen zog. Ich wusste nicht mehr was ich sagen sollte. Das konnte er doch nicht einfach so tun. Nicht zu diesem Zeitpunkt. Warum nicht früher? Warum unter diesen Umständen? Wieso musste er mir ausgerechnet in einem so unpassenden Moment derartig weh tun? Dieser verdammte, kleine Mistkerl. Immer wieder musste er dafür sorgen, dass ich wegen allen möglichen und unmöglichen Sachen anfing zu weinen. So wie dieses Mal auch. Dabei hatte ich mir eigentlich vorgenommen an diesem Tag nicht mehr in Tränen auszubrechen. Doch noch während er die ersten Schritte in den Raum hinein tat, konnte ich die Flut an Gefühlen nicht mehr zurückhalten. Ich legte mein Gesicht und in Hände, sank langsam auf meine Knie und schluchzte nur noch. Eigentlich wollte ich ihm hinterher rufen. Ihm zu brüllen, was für ein Arsch er war, mir solche letzten Worte zu hinterlassen. Doch obwohl ich spürte, dass sich meine Lippen bewegten, drang lediglich nur das Schluchzen aus meiner Kehle. Ich war endgültig fertig mit allem. Ich war müde. Ich wollte Ruhe. Ich wollte nur noch schlafen und nicht mehr an die letzten Stunden denken. Doch das gestaltete sich bereits im Ansatz als schwierig. Ich kam nicht mehr von selbst auf die Beine. Dafür zitterten sie von der sich lösenden Anspannung zu sehr. So musste ich zunächst weiterhin allein da hocken. Während ich mich noch in meinem Heulkrampf hingab, nahm ich gerade so schemenhaft war, wie Thorin im Apartment verkündete, dass alle, die nicht bleiben sollten, noch ein paar Minuten Zeit hätten, um sich von mir zu verabschieden. Dann hörte ich noch wie er Fili und Kili zu mir nach draußen schickte, damit sie mich vom Boden auflesen konnten. Wenig später schlurften auch schon zwei Paar Stiefel heran, welche vor mir inne hielten. Einen Wimpernschlag später legte sich von jeder Seite eine Hand auf meinen Rücken, welche mich beruhigend streichelten. "Scht. Ist ja gut, Schwesterchen. Nicht weinen. Du hast es hinter dir", murmelte Kili, der links von mir hockte. Ich schluckte und schniefte heftig, als ich das hörte. Ja, ich hatte es hinter mir. Zumindest das Gespräch. Aber nun überkam mich das, was ich die ganze Zeit über tapfer nieder gekämpft hatte. Die Sehnsucht. Obwohl Thorin noch nicht ganz weg war, sehnte ich mich trotz der wideren Umstände danach, dass er wieder kam. Ein Punkt den ich am Frausein immer verabscheut hatte. Ich konnte meine Emotionen einfach nicht gut genug beherrschen. Besonders in Liebesangelegenheiten nicht. Und das behinderte mich nun. Es machte mich unfähig wirklich klare Gedanken zu fassen. Denn immer noch hallten Thorins Worte in meinem Ohren wieder. Ich sah sein liebevolles, verschmitztes Lächeln vor meinem inneren Auge. Spürte das Echo seines Kusses auf meinen Lippen. In mir brach buchstäblich die Hölle los. Hoffnungslosigkeit, Frustration, Wut, Angst und Schmerz. Alles durchströmte gleichzeitig meine Adern, wie ein tödliches Gift. Es machte mich fast vollkommen Bewegungs- und Handlungsunfähig. Ich suchte verzweifelt nach Worten, die ich hätte sagen können. Doch jedes Mal, wenn ich den Mund öffnete kam nur wieder dieses leidige Schluchzen hervor. Wie sehr ich es doch hasste so Hilflos zu sein. Für gewöhnlich hätte ich in solchen Augenblicken den Halt bei meinen Freunden gesucht. Aber die waren nicht da. Und um ehrlich zu sein, wollte ich sie auch gerade nicht da haben. Das hätte nur zu noch mehr Ärger geführt. Den wollte ich nicht mehr. Nicht noch mehr Streit, Zank und Anschuldigungen, die in eine Sackgasse führten. Ich brauchte Ruhe von dem ganzen Scheiß der letzten Stunden. Ich war müde. So unglaublich müde. Das bemerkten wohl auch die beiden jungen Zwerge, welche mir immer wieder leise, aufmunternde Worte zukommen ließen. "Komm schon, Cuna. Ich weiß, es ist schwer, aber versuch wenigstens aufzustehen. Die Anderen wollen sich von dir verabschieden. Tu ihnen den Gefallen. Bitte", meinte Fili ganz sacht zu meiner Rechten. "Ich. Ich. Kann. Kann das nicht, Fili. Ich. Ich bin müde. Ich will schlafen", brachte ich mühevoll unter einem heiseren Jammern hervor und hob dabei leicht den Kopf, damit ich ihn ansehen konnte. Er nickte mit verstehender Miene, als er meinen Blick auffing und lächelte dann tröstend. "Ja. Ich weiß. Das kannst du auch gleich. Aber zunächst musst du mal vom Boden aufstehen. Du willst doch bestimmt nicht hier draußen liegen bleiben, oder?", meinte er ruhig. Ich schniefte noch einmal kurz und nickte dann matt mit dem Kopf. "Na siehst du. Also komm. Wir helfen dir hoch", kam es mit versucht optimistischer Stimme von Kili, der schon dabei war mir unter die Arme zu greifen, um mich auf die Fuße zu wuchten. Ich ließ seine Geste widerstandslos über mich ergehen und stand bereits innerhalb weniger Augenblicke auf meinen wackligen Beinen. Fili erhob sich zusammen mit mir und legte mir dabei einem Arm um die Hüfte. Sein Bruder legte mir seinen von der anderen Seite um die Schultern. Auf diese Weise schafften es die Beiden, mich schützend und geborgen in die Wohnung zu bringen, wo sich die restlichen Männer befanden. Diese beluden sich bereits gegenseitig mit den ganzen Partyutensilien, welche sie mitgebracht hatten oder redeten leise miteinander. Als wir rein kamen hielten sie jedoch in ihrem Tun wieder inne und warfen mir leicht betrübte Blicke zu. Niemand sagte ein Wort, bis mich die beiden Jungs zu meinem Bett führten und mich am Fußende absetzten, bevor sie neben mir Platz nahmen. "Ist alles in Ordnung mit Euch, Cuna?", fragte Balin mit schwermütiger Stimme, während ich mir mit einer Hand die Tränen aus den Gesicht wischte. "Nein. Nichts ist in Ordnung", entgegnete ich heiser und schüttelte den Kopf. "So etwas ist niemals leicht. Solche Wunden brauchen Zeit um zu verheilen", meinte Oin mit einem tiefen Seufzer und trat näher an mich heran. Ich sah betrübt zu dem alten Zwerg auf und wusste zunächst gar nicht welche er meinte, denn sein Blick fuhr prüfend über den dicken Verband um meinen Kopf. "Ich weiß nicht, ob diese wirklich jemals verheilen wird, Oin. Sie sitzt verdammt tief", erwiderte ich nachdenklich. Nun schnaubte der alte Zwerg und schnalzte missbilligend mit der Zunge. "Mein liebes Kind. Ihr könnt mir vertrauen, wenn ich euch sage, dass sie verheilen werden. Sowohl die Äußeren als auch die Inneren. Das Wichtigste ist nur, dass Ihr sie nun als einen Teil Eurer selbst annehmt. Sicherlich war es eine unangenehme Erfahrung für Euch. Doch bedenkt, dass alles immer zwei Seiten hat. Auch schlechte Erfahrungen können gute Dinge hervor bringen. Euer beherzter Einsatz hat bewirkt, dass zwei unschuldige Leben gerettet wurden. Im Übrigen bedaure ich unser aller Handeln zutiefst. Wir hätten diese Götterboten niemals gegen Euren Wunsch hier einlassen dürfen. Bitte vergebt uns dafür, dass wir Euch beinah in große Schwierigkeiten gebracht haben", meinte er und verneigte sich demütig vor mir. Ich schluckte kurz und sah mich danach im ganzen Raum um. Jeder einzelne von ihnen neigte betreten sein Haupt in meine Richtung und murmelte mir eine Entschuldigung zu. Nun ja, alle bis auf Gloin. Dieser stand nur mit verschränkten Armen in der Diele herum und starrte mit beleidigter Miene an die Decke. Thorin war gar nicht mehr anwesend. Er wartete wohl draußen darauf, dass die anderen kamen. Es schmerzte mich erneut ihn nicht noch einmal zu sehen, ehe sie verschwanden. Aber vermutlich war es besser so. Noch mehr hätte er sicherlich nicht ertragen. Es war schlimm genug für uns beide, dass wir einen solchen Einschnitt machen mussten. Und er war eben einfach nicht der Typ dafür, solche Gefühle in die Öffentlichkeit zu tragen. Zumindest die, die er mir zukommen ließ. Mit Ausnahme von Küssen und Umarmungen. Ein weiterer Punkt, der mir verdeutlichte, wie ähnlich er meinem Verblichenen war. Dieser hatte seine Gefühlswelt genauso verborgen und für sich behalten, wenn es unangenehm wurde und kriselte. Doch wollte ich in diesem Moment keine direkten Vergleiche mit den Beiden ziehen. Das tat nur in doppelter Hinsicht weh. Stattdessen wand ich mich wieder den Zwergen zu, die immer noch die Häupter gesenkt hatten. "Hört mal. Ich. Ihr müsst euch nicht dafür entschuldigen. Es war nicht schön, was die Menschen zu euch gesagt haben. Auch wenn es wider besseren Wissen war. So etwas hätte mich an eurer Stelle auch aufgeregt", meinte ich immer noch recht heiser und hob beschwichtigend die Hände. Nun sahen sie wieder auf und nickten mir dann zu. "Trotzdem war es unklug von uns, in deiner Gegenwart so zu reagieren. Wir wollten dir unter keinen Umständen derartige Scherereien bereiten", meinte Dori ein wenig betrübt und zupfte sich dabei an einem seiner Zöpfe herum. "Ich weiß, dass ihr das nicht mit der Absicht getan habt, mir Probleme zu bereiten. Das nächste Mal solltet ihr aber wirklich vorher darüber nachdenken, ehe ihr so überstürzt handelt", sagte ich und musterte alle ruhig. "Das können wir Euch leider nicht versprechen. Denn seht. Es liegt in gewisser Weise in unser Natur. Außerdem zweifle ich ein wenig daran, dass es ein Nächstes Mal geben wird", kam es mit leicht betretener Stimme von Balin. Ein wenig verwirrt hob ich eine Augenbraue in die Stirn und musterte den alten Zwerg. "Soll. Soll das heißen, dass ihr nicht mehr wieder kommen werdet?", hakte ich nach, wobei mir dann vor Bestürzung der Mund aufklappte, als ich sie Reihum nicken sah. "Uns hält hier eben nichts, Weibstück. Diese Menschenwelt ist nichts für Zwerge. Aber das solltest du eigentlich besser wissen als wir", raunte Dwalin, der wohl nach mir herein gekommen war und sich nun an der Küchenzeile herum drückte, wo zuvor noch Kili und Fili gestanden hatten. Ich schnaufte kurz und nickte ihm dann verstehend zu. "Ja. Du hast recht. Ich denke, für die Meisten von euch ist es hier nicht besonders toll. Aber es tut mir schon ein bisschen in der Seele weh, dass eure Gemeinschaft durch mich nun so auseinander gerissen wird. Ich meine, ihr habt ja da drüben in der Götterwelt niemanden mehr außer euch", meinte ich und seufzte kurz. "Es ist sehr freundlich von dir, dass du das sagst. Aber du solltest dir um uns wirklich keine Gedanken machen. Wir kommen damit schon zurecht. Bedenke mal wie alt wir sind. Wir haben viele hundert Jahre auf dem Rücken. Das ist viel Zeit um jede Art von Erfahrungen zu sammeln. Außerdem denke ich nicht, dass du uns so einfach auseinander reißt. Im Gegenteil. Ich für meinen Teil bin sehr froh darüber dich kennen gelernt zu haben. Nicht nur, weil du meinem jüngeren Bruder das Leben gerettet hast. Nein. Auch weil mich deine Ansprache vorhin sehr beeindruckt hat. Ich muss zugeben, es verlangt mir einiges an Respekt ab, dass du dich so mutig gegen uns gestellt hast, als es nötig war. Und nachdem du deine Überzeugung gegenüber Thorin vertreten hast, ist mir klar geworden, dass du ein wirklich ganz besonderer Mensch bist. Du hast viel innere Stärke und einen Dickschädel, der einer waschechten Zwergin würdig wäre. Und das sage ich nicht zu jeder dahergelaufenen Frau", erwiderte Nori und trat näher an mich heran. Bei seinen ernstgemeinten Worten klappte mir kurz der Mund auf und ich spürte wie mir die Schamröte in den Kopf schoss. Als ich dann noch das zustimmende Murmeln der Anderen aus dem Hintergrund hörte, wäre ich am liebsten vor Verlegenheit im Boden versunken. Dass der Großteil der Zwerge so von mir dachte, war mir bisher gar nicht bewusst gewesen. Dabei hatte ich solche Dinge wie Freiheit und Respekt vor unschuldigem Leben immer als Selbstverständlich betrachtet. Vermutlich lag es aber auch daran, dass ich in einer Welt groß wurde, die solche Ideale inzwischen versuchte an ihre Kinder weiter zu geben. Ganz im Gegensatz zu Mittelerde, wo es wohl immer noch ums nackte Überleben und die Sicherstellung der Erbfolge ging. Bei uns musste man dies nur noch bedingt. Sicher, es gab auch solche Missstände in meiner Welt. Manche davon auch direkt vor meiner eigenen Haustür, wenn ich dabei an die Obdachlosen dachte, die tagein tagaus in den Fußgängerzonen saßen und die Leute entweder um Kleingeld, ein belegtes Brötchen oder im Winter um ein warmes Getränk baten. Ein ums andere Mal hatte ich diesen mittellosen Menschen auch mal eine Kleinigkeit zukommen lassen, wenn ich was erübrigen konnte. Auch wenn mich danach die restlichen Passanten mit abwertenden Blicken bedacht hatten und mich hinter vorgehaltener Hand als 'Gutmensch' bezeichneten. Ich empfand dieses Wort nicht als Beleidigung, sondern als Kompliment. Denn ich führte mir selbst immer wieder vor Augen, dass ich auch irgendwann so enden konnte, wenn ich nicht um mein Leben und ein Dach über dem Kopf kämpfte. Von daher empfand ich es für mich selbst bereits als kleine Wohltat, wenn ich jenen, die sich selbst aufgegeben hatten, ein bisschen den Alltag verschönern konnte. Sei es nun auf diese Art oder eben so, wie Nori es wohl gemeint hatte. Auch wenn mich das eher bizarre Kompliment von dem ehemaligen Dieb und Barden ziemlich ehrte, wollte ich lieber bescheiden bleiben. Deshalb winkte ich auch wenig später ab und druckste ein bisschen herum. "Na nun hör aber mal auf. So toll bin ich wirklich nicht", murmelte ich und schaute dabei auf meine Füße. "Stimmt. Du bist nicht toll. Du bist besser", warf Ori ein, wobei ich kurz seufzte. "Jetzt hört doch mal auf mich zu beweihräuchern. Ich mag es nicht, wenn man mir solche Komplimente macht. Das macht es nur schwerer für mich, euch allen 'auf Wiedersehen' zu sagen", grummelte ich vor mich hin. "Sie hat recht. Ich denke es wird langsam Zeit, dass wir uns auf den Weg machen", erklärte Balin daraufhin feierlich. Danach traten sie nacheinander an mich heran, damit sich jeder auf seine Weise bei mir verabschieden konnte. Gloin wollte sich gar nicht die Mühe machen, sich den anderen anzuschließen. Sollte mir aber auch recht sein. Es war besser für seine Gesundheit, wenn er außerhalb meiner Reichweite blieb. Natürlich fingen Oin und Nori an, da diese ja bereits bei mir standen. Zum Glück durfte ich dabei sitzen. Denn ich wollte mich ungern auf meine wackligen Beine stellen. Der alte Zwerg tätschelte mir kurz die Schulter und murmelte mir zusätzlich noch einige 'Gute Besserungs' Wünsche zu. Nori gab nicht nur mir, sondern auch Kili und Fili einige Anweisungen, wie sie meine Kopfwunde fortan behandeln und pflegen sollten, damit diese besser verheilte. "Ich denke nach einer Woche könnt ihr auch die Fäden entfernen. Aber seid vorsichtig dabei. Nicht dass ihr sie wieder auf reißt", ergänzte er und wir drei nickten einstimmig. "Vergiss du nicht Bofur unten abzuholen", meinte ich, als er Bombur Platz machte. "Ich gehe sofort runter und sage ihm schnell Bescheid", erwiderte Nori und schon eilte er zur Tür hinaus. Nun stand der rundliche Zwerg vor mir und spielte sich verlegen an den Fingern herum. "Also. Cuna. Ähm. Du. Du hattest mir ja noch was versprochen", sagte er und schielte mich verlegen, aber vielsagend an. Zunächst wusste ich gar nicht was er meinte, bis mir plötzlich die Sache mit dem Kochtopf wieder einfiel. "Ach so. Ja klar. Geh mal drüben zur Küche und hol dir einen von den kleinen Töpfen aus dem Schrank. Ich weiß grade nicht, wo ihr die nach dem Abwasch hin geräumt habt", sagte ich, woraufhin Bombur ein freudiges Johlen von sich gab und sich kurz drauf an einem meiner Küchenschränke bediente. Nach ihm verabschiedete sich Bifur mal wieder recht Wortkarg von mir, bevor Dori und Ori zu mir kamen. "Alles Gute, Cuna. Erhole dich ein wenig", meinte der jüngere mit einem leidigen Seufzen. "Ich leg mich gleich etwas schlafen, keine Sorge", erwiderte ich ruhig, woraufhin er mit einem leicht gequälten Gesichtsausdruck nickte. Mir war klar, dass er wohl auch liebend gern bei mir geblieben wäre. Doch das hätte nur wieder zu Komplikationen geführt und das wusste er insgeheim auch. Sein älterer Bruder klopfte mir hingegen einmal freundlich lächelnd auf die Schulter und sprach mir ein klein wenig Mut für die kommende Zeit zu. Als letzte kamen noch Balin und Dwalin zu mir. Beide ließen mir wie beim letzten Mal einige wohlwollende Worte zu kommen. Wobei ich Dwalin hoch und heilig versprechen musste, dass ich ja gut auf die beiden Jungs ein Auge haben sollte. "Wir sind keine Zwerglinge mehr. Wir können gut auf uns selbst achten", protestierte Kili daraufhin lauthals. "Eben. Zwerglinge kann man in eine Kiste stecken, wenn sie sich nicht benehmen. Für euch beide benötigt man schon einen Käfig aus Mithril", raunte der Zwerg mit der Glatze, was mich zu guter Letzt doch noch einmal zum Lachen brachte, als die beiden Brüder neben mir irritierte Blicke austauschten. Wobei es doch ein eher hohles, leidvolles Lachen war, da sich Fili kurz danach neben mir erhob, um seine Freunde nach draußen zu begleiten. Als sie dann alle aus meinem Blickwinkel verschwunden waren und ich die Tür ins Schloss fallen hörte, wurde mir eines ganz klar bewusst. Nun begann ein neues Leben mit neuen Zielen. Nicht nur für die anderen Zwerge, sondern in erster Linie für Kili, Fili und mich. Und ich wusste für meinen Teil, dass es ein verdammt steiniger Weg für uns drei werden würde. Was wir aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnten war, dass sich noch jemand auf diesen holprigen Pfad verirrt hatte. - 93. Steinige Wege / ENDE - Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)