Diesem Einen will ich #Follow von Virdra-sama (Was macht der Zwergenkönig in meinem Onlinegame?) ================================================================================ Kapitel 74: 74. Willkommen in Terra Gaia ---------------------------------------- Die Stille, die zwischen uns herrschte war gespenstisch. Das Einzige was man hören konnte, waren die Nachbarn über oder unter uns, die sich lauthals auf Russisch, Türkisch oder Suaheli stritten. Ich schluckte schwer, während ich die Zwerge musterte, welche irgendwie versuchten zu begreifen, was hier vor sich ging. Besonders den Zwergenkönig hatte ich noch nie so Fassungslos gesehen, wie in diesem Moment. Ich konnte es ihm ja auch schwer verübeln. Schließlich war dieser eine große Raum nun alles was ich, beziehungsweise was wir hatten. Thorin wirkte leicht blass um die Nase, als er es irgendwann schaffte seinen starren Blick von mir zu lösen und sich dann ganz langsam genauer in dem Raum umzusehen. Zunächst drehte er sich nur einmal um sich selbst, während er irgendetwas in seinen Bart hinein murmelte, dass offenbar in seiner Muttersprache war und erkundete jeden Winkel des Apartments. Mit Ausnahme des Badezimmers, neben dem sich noch seine Männer drängten, die genauso irritiert waren, wie ihr König. Als er es geschafft hatte seine Drehung zu beenden, warf er mir einen derartig todernsten Blick zu, dass sich mir die Nackenhaare aufstellten. "Erklär mir das hier", meinte er schließlich mit einer fast tonlosen Stimme, bei der mir leicht Angst und Bang ums Herz wurde. Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals und ich biss mir auf die Unterlippe. "Ja. Erklären. Weißt du. Ähm. Das. Das ist so. Also", stammelte ich und schaffte es gar nicht wirklich meine Gedanken zu sortieren. Ich schaute sogar leicht Hilfesuchend über seine breiten Schultern hinweg, in der Hoffnung, dass vielleicht einer der Anderen eventuell eine Idee hatte, was ich denn sagen könnte. Aber wie sollten sie? Immerhin hatte ich sie ja alle an diesen Ort geführt. Also stand ich mal wieder alleine vor dem Problem mich für irgendetwas entschuldigen oder rechtfertigen zu müssen, wofür ich so gesehen die Verantwortung trug. Aber zumindest konnte ich ganz kurz die Blicke von Kili und Fili einfangen, die mir beide ein zuversichtliches Nicken schenkten, dass mir doch etwas Mut machte. So atmete ich einmal tief durch und sah dann wieder zu Thorin, dessen Miene sich mehr und mehr verhärtete, weil er immer noch auf eine Antwort wartete. "Also. Ich. Ich glaube, wir beide. Wir sollten das nicht vor deinen Leuten bereden", sagte ich schließlich und er zog spöttisch einen Mundwinkel hoch. "Wirklich? Und wo sollen wir reden? Hier ist nichts. Nur dieser eine Raum", meinte er und in seiner Stimme lag nun ein ziemlich gefährliches Knurren. "Hier ist noch ein Raum", kam es plötzlich von Bofur aus dem Hintergrund, der gerade die Tür zum Badezimmer aufmachte. "Was ist das denn?", fragte Dwalin, als dieser hinein spähte und skeptisch die Stirn runzelte. "Das ist das Badezimmer", erklärte ich mit sehr beflissener Stimme, woraufhin die Männer der Reihe nach nickten. "Kann man den Raum abschließen?", fragte der Zwergenkönig mit einem Blick über die Schulter. "Also, hier steckt ein Schlüssel in der Tür", meinte Balin ein wenig besorgt. "Gut. Das wird gehen. Männer. Stellt die Sachen ab und holt schon mal die Nächsten. Ich habe mit Cuna zu reden", raunte er und stellte selbst die Kiste ab, die er gerade auf den Armen trug. Die Herren nickten gleichsam, betraten den Raum und stellten die Sachen an den Wänden ab, bevor sie wieder nach unten marschierten. Als der Letzte mein Apartment verlassen hatte, fuhr der Zwergenkönig zu mir herum und ruckte kurz mit dem Kopf in Richtung des Badezimmers. Ich ließ matt die Schultern hängen und folgte dem kleinen dunkelhaarigen Mann, der mit sehr weiten Schritten bereits an der Tür zum Bad stand und mich mit strengem Blick dort hinein komplementierte. Als wir drin waren, schloss er die Tür hinter sich und drehte den Schlüssel um. Nun standen wir beide allein in dem relativ kleinen Bad, das von dem winzigen Fenster neben der Badewanne erhellt wurde. Ich stand mit dem Rücken zu Thorin und spürte seinen stechenden Blick in meinem Nacken. Mit einigen tiefen Atemzügen versuchte mich noch einmal zu sammeln. Doch dazu ließ er mir nicht wirklich Zeit. Denn schon hatte er mich am Arm gepackt und zu sich umgedreht, sodass ich ihn ansehen musste. "Was soll das hier?", knurrte er sofort und verengte seine wunderschönen, eisblauen Augen. Sein Gesicht war enorm angespannt. Ein Mischung aus Wut, Fassungslosigkeit und Enttäuschung. Aber darauf hatte ich mich ja schon eingestellt. Allerdings hatte ich mir diesen Moment bei weitem nicht so schlimm vorgestellt, wie er sich nun für mich anfühlte. "Das ist. Unser neues Zuhause", wiederholte ich und versuchte dabei ruhig zu klingen, doch meine Stimme zitterte heftig. Der Zwergenkönig schüttelte nur langsam den Kopf und gab ein verächtliches Schnauben von sich. "Nein. Nein, wohl kaum, Cuna. Das ist. Das ist lächerlich. Das ist ja wohl eine absolute Frechheit!", knurrte er und wurde dabei von Wort zu Wort lauter. Ich seufzte kurz und nickte leicht. "Ich wusste, dass du so was sagst", meinte ich und versuchte immer noch ruhig zu bleiben, auch wenn sich immer mehr Ärger in meinen Gemütszustand mit ein mischte. "Schön, dass du das wusstest. Aber jetzt erkläre mir, was du dir bei diesem Ort hier gedacht hast? Du willst mir doch nicht ernsthaft erklären, dass wir hier leben sollen. Das ist kleiner als jede Bauernstube, die ich kenne. Oder gelinde gesagt, die reinste Bruchbude!", presste er zähneknirschend hervor und deutete dabei mit einer ausladenden Handbewegung zur Badezimmertür. Ich schnaufte kurz verächtlich, als das letzte Wort in meinem Gehörgang angekommen war und sah ihm fest ins Gesicht. "Doch, Thorin. Genau das will ich dir ernsthaft erklären", erwiderte ich und spürte, wie sich der Ärger langsam in meiner Bauchgegend sammelte. "Dann ist das also wirklich dein Ernst? Du willst mir wahrhaftig weiß machen, dass wir hier unser Dasein fristen sollen? Dass hier unsere Kinder aufwachsen sollen? Und wo sollen Kili und Fili schlafen?", hakte er nach und fixierte mich scharf. "Mo-mo-moment mal. Kili und Fili wohnen mit uns hier?", erwiderte ich ungläubig. "Selbstredent. Was dachtest du denn? Es sind meine Neffen. Ich habe die Vormundschaft für sie. Die Familie bleibt immer zusammen, bis sie im heiratsfähigen Alter sind", erklärte er mir gereizt und schüttelte immer wieder verständnislos den Kopf. Ich seufzte kurz und ließ mich auf dem Rand der Badewanne nieder. "Na, tolle Wurst. Danke für diese sehr schnelle, wichtige Info, Herr Eichenschild. Woher hätte ich das bitte wissen sollen? Ich dachte, dass nur wir beide hier wohnen. Das wäre ja gerade noch gegangen. Aber noch die beiden Jungs dabei, wird echt viel zu eng", meinte ich zustimmend und strich mir mit einer Hand die Haare aus der Stirn. "Es ist doch wohl selbstverständlich. Davon abgesehen ist dieser Raum da draußen schlichtweg unter meiner Würde. Ich bin immerhin der König und hause gewiss nicht in einer Abstellkammer wie dieser da", knurrte er mich unmissverständlich beleidigt an. "Boah! Thorin! Jetzt reichts aber, du aufgeblasener Affe von einem Zwerg!", brüllte ich ihm plötzlich entgegen und klatschte mit der flachen Hand einmal sehr kräftig auf den Wannenrand. Sofort bekam ich seine ungeteilte Aufmerksamkeit und einen sehr überraschten Blick mit dazu, als ich mich erhob und wutschnaubend auf ihn zu stapfte. "Wie redest du mit mir, Weib?!", entgegnete er barsch, wobei er mir einen seiner Todesblicke sendete, den ich gekonnt auffing und nun gegen ihn selbst einsetzte. "Ich rede mit dir, wie mir der Mund gewachsen ist, Herr Eichenschild! Und DU wirst mir jetzt gefälligst zuhören, ohne mir ins Wort zu fallen! Hast du verstanden?!", fauchte ich und kam dabei mit meinem Gesicht dem seinen so nahe, dass ich tatsächlich zum ersten Mal eine kleine Spur von Unsicherheit in seinen blauen Augen aufflackern sehen konnte. Wobei diese nur ganz kurz auftauchte, bevor er den Mund mit einen sehr angespannten, ernsten Nicken zu klappte. "Gut. Wie du willst. Dann rede", sagte er mit gezwungen ruhiger Stimme. Dabei drängte er sich an mir vorbei ohne den Blickkontakt zu lösen und nahm auf dem Klodeckel platz. Ich seufzte kurz auf und lehnte mich dann mit verschränkten Armen an die weiß geflieste Wand neben dem Waschbecken, bevor ich endlich dazu kam ihm alles zu erklären, was mir aufgrund der dicken Luft, die nun im Bad herrschte sehr schwer fiel. "Also pass auf. Zunächst einmal sollst du wissen, dass ich diese Situation hier auch alles andere als prickelnd finde. Ich würde auch viel lieber mit dir in einer größeren Wohnung oder einem eigenen Haus mit Garten leben. Aber das ist derzeit leider nicht möglich. Davon abgesehen wusstest du, dass ich in eher bescheidenen Verhältnissen lebe und hast gesagt, dass du dies so akzeptieren willst. Oder hast du das schon wieder vergessen?", hakte ich kurz nach. Thorin gab ein sehr gedehntes Seufzen von sich und nickte dann mit wissendem Blick. "Ja. Das sagtest du. Aber ich hatte wahrlich nicht erwartet, dass sie so bescheiden sind. Um nicht zu sagen ärmlich", meinte er dann. "Ja. Ich weiß. Und glaub mir es kotzt mich an, dass ich in solchen Umständen leben muss. Aber zumindest kann ich froh sein ein Dach über dem Kopf zu haben. Das Glück haben nicht viele", sagte ich und stieß mich von der Wand ab um auf ihn zu zu gehen. "Wie ist es dazu gekommen? Ich meine, wieso musst du hier leben?", fragte er und sah mich eindringlich an. Ich musste eine kleine Pause einlegen und einen Moment die Augen schließen. Dabei ließ ich erschöpft die Arme sinken und die Schultern hängen. Ich suchte nach den passenden Worten, die für ihn gut verständlich waren, sodass ich nicht um hunderttausend Ecken weitere Erklärungen abgeben musste. Es war nicht besonders leicht ihm das zu unterbreiten, denn eigentlich schämte ich mich für meine Lebensweise. Schließlich fand ich dann die Passenden und öffnete meine Augen wieder um ihm zu antworten. "Ich habe mit dem Staat ein Abkommen getroffen, indem ich mich bereit erkläre eine Arbeit zu finden. Im Ausgleich für meine Bemühungen erhalte ich Geld für eine Wohnung, was zu Essen und bekomme diverse Versicherungen bezahlt. Wenn ich eine Anstellung gefunden haben sollte, dann muss ich natürlich einen Teil des Geldes wieder zurück bezahlen", sagte ich und starrte dabei leicht gefrustet an die Decke. "Verstehe. Das beantwortet aber immer noch nicht meine Frage, warum du hier leben musst", sagte er und lehnte sich an den Spülkasten zurück. "Nun ja. Das ist so. Ein Teil des Abkommens beinhaltet eben, dass ich nur zu einem bestimmten Betrag auf einer vorgegebenen Flächengröße leben darf. Sprich für mich allein ist eine Wohnung mit dieser Größe wie hier als angemessen zu betrachten. Die darf allerdings auch nicht teurer sein, als die Vorgaben, die der Staat macht. Alles was drüber liegt, muss ich nämlich dann von meinem Essensgeld kürzen oder eben meine Vergnügungen einschränken. Und glaube mir, das Geld ist unglaublich knapp berechnet. Nicht ohne Grund, wie du dir sicher denken kannst", erklärte ich ihm sachlich. Er nickte ganz langsam und strich sich wenig später mit nachdenklichem Blick über seinen dunklen Bart. Er meldete sich erst wieder nach einem langem Schweigen zu Wort, als sich draußen vor der Tür die anderen Zwerge mit dumpfen Stimmen und einigem Gepolter bemerkbar machten, während sie mit dem Rest meiner Sachen ankamen. "Ich frage mich gerade, warum du mir das nicht schon eher gesagt hast", meinte er und klang dabei ein wenig enttäuscht. Der Unterton entging mir natürlich nicht, doch fiel mir eine Antwort darauf ziemlich schwer. Trotzdem war ich ihm diese definitiv schuldig, auch wenn sich dabei mein Herz und mein Magen erheblich verkrampfte. "Der Grund, weshalb ich es dir so lange verschwiegen habe war, dass ich mich dafür schäme, Thorin", sagte ich schlicht und blickte auf meine Füße. "Du. Schämst dich? Warum?", hakte er nach und ich hörte, wie er von dem Keramikthron aufstand. Ich schnaubte einen Augenblick belustigt und schüttelte den Kopf. "Ist das nicht offensichtlich? Du hast mir doch vorhin den besten Beweis dafür geliefert, weshalb ich mich schämen sollte", entgegnete ich. "Was denn für einen Beweis? Ich verstehe nicht was du meinst, Frau", sagte er und kam langsam auf mich zu. Ich seufzte kurz und wand mich von ihm ab, Richtung Waschbecken und Spiegel, welcher darüber hing. Danach holte ich ganz tief Luft, ehe ich ihm mit verstellter Stimme Antwortete, in der Hoffnung ihn imitieren zu können, was mir allerdings nicht sehr gut gelang. " 'Das ist unter meiner Würde. Ich bin der König und hause nicht in einer Abstellkammer!' Das waren doch deine Worte, oder?", wiederholte ich so gut ich konnte seinen Wortlaut, ehe ich meinen Kopf drehte und ihn vorwurfsvoll über die Schulter hinweg ansah. Er fing meinem Blick auf und kniff etwas die Lippen zusammen, bevor er einmal schwerfällig ausatmete. "Ich weiß trotzdem nicht, was das beweisen soll. Schließlich ist das die Wahrheit", sagte er und tat es dann schulterzuckend ab. "Was das beweisen soll? Thorin. Ernsthaft. Überleg doch mal. Wenn das schon unter deiner Würde ist, dann will ich von anderen Dingen hier gar nicht erst anfangen. Sicher. Du bist König und dass das nicht deinen gewohnten Standards entspricht ist auch nachvollziehbar. Aber ehrlich gesagt, sind deine ganzen Titel und Taten und was auch immer in meiner Welt keinen Pfifferling wert. Hier zählt nur das, was du hier geleistet hast. Sprich ob du eine gute Schul- und Ausbildung genossen hast, sowie ausreichend Erfahrungen im Berufsalltag vorweisen kannst. Und das am besten alles auch noch in doppelter bis dreifacher Ausführung schriftlich nachweisen kannst. Anderenfalls kommst du hier nämlich keine drei Meter weit, Thorin. Und den Beruf König hat man hier noch nicht anerkannt und wird man auch nicht. Die Monarchie starb in diesem Land hier nämlich vor knapp hundert Jahren, als der letzte Kaiser abdankte. Es gibt zwar noch Adlige, aber die haben genauso viel zu sagen wie du. Nämlich gar nichts. Die sind einfach nur da, um vor der Kamera schön auszusehen und zu zeigen, 'Ich bin jemand den die Gesellschaft hat, aber eigentlich gar nicht braucht. Trotzdem sehe ich gut aus und will dass man ununterbrochen über mich redet.' Oder um es für dich verständlich zu sagen. Da draußen rennen dutzende Kopien eines gewissen Elbenherrschers herum, den du ja so gut leiden kannst. Und ich glaube kaum, dass du das sein möchtest", erklärte ich ihm und drehte mich langsam zu ihm um. Als ich ihn nun betrachtete, verzog er angewidert seinen Mund, da er offenbar den kleinen Seitenhieb auf Thranduil verstanden hatte und schüttelte sich leicht. "Ja. Wahrlich. Das möchte ich nun wirklich nicht sein. Aber was soll ich dann deiner Meinung nach tun?", grummelte er vor sich hin und strich sich erneut nachdenklich durch den Bart. Ich seufzte kurz und machte dann einen Schritt auf ihn zu. "Ganz einfach. Schraub dein übergroßes Zwergenego um ein paar Takte zurück. Denn wenn du hier mit mir leben willst, solltest du auch genau das tun, was ich dir sage. So schwer es dir fallen mag. Denn ohne mich überlebst du hier nicht lange. Aber das solltest du eigentlich seit der Zeltstadt wissen", entgegnete ich ihm nachdrücklich und klopfte ihm auf die Schulter, wo er angeschossen worden war. "Ich wäre vermutlich nicht da verletzt worden, wenn du nicht einfach so dazwischen gestürzt wärst", meinte er und sah mich leicht vorwurfsvoll an. "Richtig, Herr Thorin. Dann wäre die Kugel nämlich nicht Da gelandet, sondern Da", meinte ich und tippte ihm dabei erst auf die Schulter und mitten auf die Stirn. Als ich dies tat, trat plötzlich ein leicht entsetzter Ausdruck auf seine leicht verhärteten Gesichtszüge. "Du. Du meinst. Ich wäre dann", stammelte er und ich nickte mit grimmiger, aber vielsagender Miene zu. Nun musste der Zwergenkönig doch ein wenig schlucken und erwiderte dann ganz behutsam mein Nicken. "Also. Also gut. Gut, ich werde versuchen. Mich mit unserer Situation abzufinden. Dir zuliebe. Aber erwarte ja nicht von mir, dass ich deine häuslichen Pflichten übernehme. Ich bin immer noch der Herr hier im Haus und verantwortlich für unseren Unterhalt. Merk dir das, Frau", sagte er dann und hob mahnend seinen Zeigefinger vor mein Gesicht. Allerdings konnte er sich trotz der ernst gemeinten Geste ein leichtes Schmunzeln doch nicht verkneifen, dass ich nur zu gerne erwiderte. "Natürlich, mein König. Wünscht Ihr dass ich Euch Euer neues Reich zeige. Wir haben hier vom Balkon aus eine herrliche Aussicht über die beschauliche Stadtlandschaft", meinte ich und deutete mit einer leichten Verbeugung auf die Badezimmertür. Er gab ein kurzes belustigtest Grunzen von sich und ruckte dann mit dem Kopf in Richtung der Tür. "Mit dem größten Vergnügen. Geh nur voran", sagte er ruhig und neigte leicht den Kopf, um ebenso eine leichte Verbeugung vor mir anzudeuten. Ich grinste breit und schritt dann zur Tür, welche ich aufschloss und dann etwas zu schwungvoll aufstieß. Dabei warf ich unversehens Kili, Fili, Ori und Bofur um, die heimlich an der Tür gelauscht hatten und nun wie die Dominosteine aneinander gereiht kreuz und quer übereinander fielen. Ein wenig erschrocken und überrascht blickten alle vier zu uns auf und grinsten verlegen. "Was in Durins Namen treibt ihr vier hier?", fragte Thorin barsch und schielte hinter meinem Rücken hervor. "Ach, wir. Also ja", stammelte Kili und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. "Naja. Wir. Wir", kam es nicht minder ratlos von Bofur, der versuchte unter den Jungs heraus zu krabbeln. Ori war in diesem Moment zu eingeschüchtert, um überhaupt etwas von sich zu geben und lief leicht rosa hinter seinem kurzen Bart an. "Wir. Haben uns nur Sorgen gemacht. Stimmt doch, oder?", kam es schließlich von Fili, der sich bei den anderen umsah und diese stimmten mit eifrigen Nicken zu. "Ihr solltet euch lieber Sorgen darum machen, dass ich euch vier heute Abend wieder ins Reich der Götter schicke, wenn ihr nicht sofort aufsteht und tut was ich euch vorhin aufgetragen habe. Dann könnt ihr die Feierlichkeiten vergessen", meinte der Zwergenkönig in seinem gewohnten strengen Tonfall. "Ja. Ja. Schon gut. Wir. Wir machen ja schon", stammelte Kili hastig und rappelte sich zusammen mit den anderen wieder auf die kurzen Beinchen, um vom Wagen noch ein paar Kisten zu holen. Ich musste mich etwas am Türrahmen festhalten vor Lachen, als ich die vier davon stolpern sah. "Oh man. Wie hab ich das doch vermisst. Aber sag mal. Was für eine Feierlichkeit meinst du denn eigentlich?", fragte ich, nachdem ich zu Ende gelacht und mir etwas die Augen gerieben hatte. "Sage ich dir gleich, wenn wir auf dem Balkon sind", meinte er und schob mich drängend aus dem Badezimmer heraus. Während ich das Apartment mit ihm durchquerte, fiel mir auf, dass bereits einiges nach oben gelangt war. In einer Ecke lagen schon die Einzelteile meines großen Kleiderschranks, von dem ich gar nicht mitbekommen hatte, dass er abgebaut worden war und mitten im Raum zwischen ein paar Kisten standen Balin und Dori, die meinen alten Radiowecker in Händen hielten und nicht so recht wussten, was sie mit dem Ding anstellen sollten. "Cuna? Könntet Ihr uns kurz behilflich sein?", fragte der alte Balin freundlich, als wir an ihm vorbei kamen. "Was gibts denn?", hakte ich nach, wobei ich es mir eigentlich schon denken konnte. "Also. Dieses. Dieses Ding hier. Wofür gebraucht Ihr es? Ist das eine Art Spielzeug oder dergleichen?", fragte er und hielt mir den Wecker entgegen. "Nunja. Ein Spielzeug ist es nicht. Damit kann man sich die Uhrzeit anzeigen lassen und man kann sich noch dazu von dem Gerät wecken lassen. Außerdem macht es Musik", meinte ich und sah wie den beiden Zwergen vor mir die Augen weit aufgingen. "Faszinierend. Äußerst faszinierend. Hättest du wohl die Güte uns dies einmal vorzuführen? Das interessiert mich ja schon sehr", bat mich Dori freundlich und ich nickte breit grinsend. "Kann ich machen. Allerdings würde ich jetzt von der Weckfunktion mal absehen. Hab nämlich vergessen, wie man das bei dem Ding einstellt. Aber ich kann etwas Musik machen, wenn ihr wollt", sagte ich und schritt in Richtung der winzigen Küchenzeile, die sich an der Wand zum Badezimmer befand. "Nur zu", meinte Balin, als ich das Radio in eine der Dosen steckte und zunächst einmal ein schaltete. Auf dem kleinen Display erschien eine rot aufleuchtende, blinkende Zahl. Das war schon mal ein gutes Zeichen dafür, dass das Ding tatsächlich noch funktionstüchtig war. Denn eigentlich hatte ich das Radio schon lange nicht mehr benutzt und es hatte irgendwo in einer Ecke meine alten Wohnung gestanden. Offenbar hatten die Herren wirklich ganze Arbeit beim Ausräumen geleistet, wenn sie es geschafft hatten dieses Teil irgendwo hervor zu kramen. So konnte ich mich sogar zusätzlich glücklich schätzen, meine alte Jan Wayne CD wieder zu bekommen, die sich dort noch im Spieler befand. Ja, auch ich hatte als Kind der Neunziger meine kleine Techno-Phase, bevor ich dann ab meinem elften Lebensjahr meine Offenbarung durch eine Metalband namens 'Hammer Fall' erfuhr. Trotzdem ließ ich es mir von Zeit zu Zeit nicht nehmen mit Hilfe dieser Lieder etwas in der Vergangenheit zu schwelgen. Ohne zu zögern drückte ich daher den Schalter für den CD-Spieler und drehte den Lautstärkeregler noch oben. Binnen Sekunden begann sich die CD zu drehen und schon erklangen ein paar schmissige Techno-Beates, gepaart mit einer netten weiblichen Stimme, die eine Cover Version des Scorpions Lied 'Here I Am (When you send me an Angle)' zum Besten gab. Ich atmete einmal genüsslich ein und streckte mich leicht, als mich die Klänge überflutete. Hinter mir hörte ich aber kurz drauf ein ungeduldiges Räuspern, welches eindeutig von Thorin kam. Oh man, den hatte ich ja fast vergessen. Flux drehte ich mich von der Küchenzeile weg und erhaschte gerade noch ein paar Wortfetzen von den beiden anderen Zwergen, die immer wieder "Unglaublich" oder "Faszinierend" in ihre Bärte murmelten, während die Musik den ganzen Raum erfüllte und ich eilig zur Balkontür schritt. Mit ein paar flinken Handgriffen machte ich mich an den beachtlich vielen Schlössern zu schaffen, die an den Rahmen angebracht waren und öffnete sie dann. Sofort strömte ein angenehmer, warmer Sommerwind in die gute Stube und verursachte sogar ein wenig Durchzug, da die Haustüre ja ebenfalls offen stand. "So. Wenn Hoheit sich dann dazu bequemen möchte hinaus zu treten", meinte ich und machte diesmal eine wirklich sehr tiefe Verbeugung, als ich nach draußen verwies. "Nun ist aber genug. Du machst dich ja lächerlich", gab er trocken zurück und ging an mir vorbei. Ich folgte ihm kurz drauf und stellte mich dann neben ihn hin, um hinunter auf die Kleinstadt zu blicken. Thorin stützte sich mit verschränkten Armen auf die Halbhohe Mauer und verfiel dabei in nachdenkliches Schweigen, während er mit seinen wunderschönen, eisblauen Augen wachsam die Umgebung erkundete. Es vergingen einige Minuten in denen ich immer wieder zwischen ihm und dem nicht ganz so atemberaubenden Kleinstadtpanorama hin und her schaute. Allerdings schien er irgendwann mit seinen Gedanken in so weite Ferne abgeglitten zu sein, dass ich mich fragte, woran er wohl gerade dachte. Doch traute ich mich nicht wirklich ihn darauf anzusprechen, da es vermutlich etwas ziemlich persönliches sein könnte, worauf er mir sowieso keine eindeutige Antwort geben würde. Aber mit Sicherheit hatte es irgendetwas mit seiner alten Heimat zu tun, denn ich bemerkte von Zeit zu Zeit eine leichte Spur von sehnsüchtigem Wehmut in seinen Gesichtszügen aufblitzen. Einer der mir immer wieder kurz vor Augen führten, wie alt dieser Mann neben mir tatsächlich war und welche Strapazen er hinter sich gebracht hatte, bis er nun zu diesem Augenblick neben mir stand. "Warum starrst du mich die ganze Zeit so traurig an?", fragte er mich irgendwann, ohne mich direkt anzusehen, weshalb ich ertappt zusammen fuhr. Ich schluckte kurz und lehnte mich dann ebenfalls auf die Balkonmauer, ehe ich ihm antwortete: "Ich hab mich nur gefragt, woran du gerade denkst. Weiter nichts." "Erebor", sagte er knapp und ich nickte wissend. "Heimweh", erwiderte ich mehr feststellend als fragend, doch er brummte kurz zur Bestätigung. "Muss echt schön da gewesen sein", meinte ich und wollte es eher beiläufig klingen lassen. "Das war es. Weit schöner als das hier", gab er mit einem abfälligen Schnauben von sich, was ich wieder abnickte. "Kann mir auch besseres vorstellen", murmelte ich und betrachtete einen der langen Güterzüge, die auf den Schienen weit unter uns davon fuhr. "Ach? Und warum bist du dann noch hier und nicht irgendwo anders, wenn es dir hier genauso wenig gefällt?", fragte er mit leicht belustigtem Unterton. "Weil ich damals Prioritäten gesetzt habe. Ich habe meine Familie samt Heim und Herd verlassen, um mein Glück in der Ferne zu machen und bin meiner ersten, großen Liebe hinterher gereist", erklärte ich, woraufhin ich ein kurzes gleichmütiges Brummen von ihm hörte. Auch wenn ich insgeheim spürte, dass darin eine Spur Eifersucht liegen musste, da ich schließlich von meiner großen Liebe gesprochen hatte. Allerdings äußerste er sich dazu nicht, wofür ich ihm schon dankbar war. "Wie lange lebst du schon hier?", fragte er stattdessen und ich sah im Augenwinkel, wie er sich endlich zu mir wand. Ich musst kurz die Stirn runzeln und angestrengt nachdenken. "Ungefähr oder ganz genau?", hakte ich nach, doch er zuckte nur mit den Schultern und erwiderte: "Ist mir einerlei." "Gut. Dann kann ich dir sagen es sind ungefähr elf Jahre", erklärte ich schließlich. "Für einen Menschen, eine ganz schön lange Zeit. Hast du nicht irgendwann einmal mit dem Gedanken gespielt, wieder nach hause zu deiner Familie zu reisen?", fragte er ernsthaft interessiert. "Falsche Frage, Thorin", sagte ich dann plötzlich und merkte, dass es etwas verbittert klang. Leicht verblüfft hoben sich seine Augenbrauen in die Stirn bis fast unter seinen Haaransatz, als er meinen eindeutigen Tonfall bemerkte. "Dich hat es nie wieder in deine Heimat zurück gezogen?", hakte er nach und rückte etwas näher an mich heran, bis sich unsere Ellenbogen leicht berührten. "Nein. Auch wenn die Gegend in der ich aufgewachsen bin sehr schön war. Ein kleines Dörfchen in einer Talsenke, zwischen einigen, mit Wäldern bewachsenen Hügeln. So zusagen alles von außen her sehr idyllisch, wenn man es mal gesehen hat", meinte ich ohne ihn anzusehen. "Hört sich jedenfalls so an. Deshalb begreife ich nun umso weniger, warum du nicht wieder dahin zurück willst", entgegnete er und schüttelte verständnislos den Kopf. "Sagen wirs mal so. Es sind einige sehr unschöne Dinge an und in diesem Ort vorgefallen. Weshalb ich eigentlich heil froh bin von da weg zu sein", sagte ich und wurde mit jedem Wort immer leiser und nachdenklicher, auch wenn ich es so gesehen eigentlich nicht beabsichtigt hatte. "Es muss was ziemlich Schlimmes vorgefallen sein, wenn es dir dermaßen missfällt deine Heimat wieder zu sehen", stellte er in ruhigen Ton fest, ohne wirklich weiter danach zu bohren, wofür ich ihm ein dankbares zustimmendes Brummen schenkte. Es war auch wirklich der falsche Zeitpunkt, um in alten, vergangenen Wunden herum zu stochern. Ich war nicht mehr dort. Ich war nun auf diesem Balkon zusammen mit Thorin und seiner kleinen Gefolgschaft treuer Männer, die hinter uns fleißig am herum werkeln und teilweise am Fluchen waren, wenn ihnen etwas aus den Händen auf die Füße fiel. Nebenher dudelte auch noch mein Radiowecker dazwischen herum. Alles in allem kam mir die ganze Situation in diesem Moment so unwirklich vor. Und ich konnte es immer noch nicht wahr haben, dass ich gerade einen echten Zwergenkönig neben mir stehen hatte, der behutsam einen Arm von der Mauer löste und diesen um meine Hüfte schlang. Es war eine wirklich sehr beruhigende und auch tröstende Geste, die mich etwas näher an ihn heran rücken ließ. Diese machte mir auch noch einmal sehr deutlich, dass ich das Ganze nicht gerade träumte, sondern dass es wirklich passierte. Und allein das ließ ein sanftes Lächeln über meine Lippen huschen. Das und die Tatsache, dass ich plötzlich neben der Musik aus dem Apartment noch etwas anderes ganz nah an meinen Ohr hörte. Es waren nicht mehr, als ein paar leise gemurmelte Worte. Doch wo ich genauer hin hörte stellte ich fest, dass der kleine dunkelhaarige Mann neben mir begonnen hatte, leise vor sich hin zu singen. Ich verstand zwar nicht genau wovon er gerade sang und was die Worte bedeuteten, da es ein Lied in seiner Muttersprache war. Doch hörte es sich so wundervoll an, dass ich gar nicht anders konnte, als kurz aufzuseufzen und meinen Kopf an seine kräftige Schulter sacken zu lassen. Ich genoss diesen wundervollen Moment in vollen Zügen und seufzte noch einmal, als er das Lied geendet hatte und mir ganz behutsam seine Lippen auf den Kopf legte. "Das war wunderschön", murmelte ich entspannt. "Danke", erwiderte er leise ins Haar murmelnd. "Wirst du heute Abend auf der Feier auch singen, von der du mir noch erzählen wolltest?", fragte ich kurzer Hand und spürte, wie er etwas mit den Schultern zuckte. "Schon möglich", sagte er und löste sich dann wieder etwas von mir. "Was feiern wir denn jetzt? Du hast mich echt neugierig gemacht", meinte ich und er lachte leise. "Das ist doch wohl offensichtlich, Cuna. Wir feiern unser Wiedersehen. Aber zuvor werden ich und meinen Männern noch einmal für ein paar Stunden zurück ins Reich der Götter reisen müssen um eine Kleinigkeit zu besorgen, die wir dafür brauchen werden. Ich wage nämlich zu bezweifeln, dass du genug zu essen und zu trinken im Hause hast", erklärte er und ich schnaubte belustigt. "Gut beobachtet Sherlock Eichenschild. Wenn ihr heute früh nicht aufgetaucht wärt, hätte ich mir auch höchst wahrscheinlich irgendwo ne Dose Ravioli besorgt oder so. Aber jetzt bin ich ja echt gespannt, was ihr so an leckeren Sachen für eine Feier mitbringt. Wird bestimmt lustig. Eine 'Willkommen in Terra Gaia' Party. Ich freu mich schon richtig auf heute Abend", meinte ich dann und drehte meinen Kopf mit einem breiten Grinsen zu ihm hin. Thorin schmunzelte sacht und sah mich zuversichtlich an. "Darauf kannst du dich auch wirklich freuen. Dann lernst du zum ersten Mal die Gepflogenheiten meines Volkes kennen. Aber bevor es soweit ist, gibt es noch einiges zu tun. Komm", meinte er, löste seinen Arm um meine Hüfte und Klopfte mir dann mit der flachen Hand locker auf den Rücken, bevor er wieder zurück ins Apartment ging. Ich warf noch einmal einen letzten Blick über das Kleinstadtpanorama und löste mich dann auch vom Balkon um hinein zu gehen. Alles im allem war mein Gespräch mit ihm ja doch nicht so schlecht verlaufen und nun schien er sich sogar richtig darauf zu freuen mit mir in diese kleine beschauliche Wohnung einzuziehen. Was allerdings seine beiden Neffen betraf, da musste ich im Laufe des Tages noch einmal mit ihm darüber reden. Doch bis es soweit war, hatten wir noch alle Hände voll zu tun. -74. Willkommen in Terra Gaia / ENDE - Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)