Diesem Einen will ich #Follow von Virdra-sama (Was macht der Zwergenkönig in meinem Onlinegame?) ================================================================================ Kapitel 41: 41. Das Leiden des Zwergenkönigs -------------------------------------------- Dass es ein Donnerwetter geben würde, war mir bereits bewusst, als mich Thorin über Chus Handy im Supermarkt erreicht hatte. Doch da wusste ich noch nicht, wie sehr dieser kleine Mann über sich hinaus wachsen konnte, wenn er über alle maßen zornig gemacht wurde. Wobei das auch teilweise an seinem Schlafmangel zu liegen schien, der ihn nicht gerade gesund aussehen ließ. Er war ziemlich blass und unter den sonst so ausgeprägten, hellblauen Augen, waren dunkle Schatten zu erkennen. Auch dass er offensichtlich immer noch nicht gegessen hatte wurde deutlich, denn die anderen Zwerge saßen an den Tischen und genossen ihr Mittagsmal. Nur er hatte gewartet bis wir endlich aufgetaucht waren. Zunächst machte es noch den Eindruck, dass er sich nach dem Telefonat wieder etwas beruhigt hatte. Doch dieser Eindruck täusche sehr über seine tatsächliche Gefühlslage hinweg. Als er Bofur, seine Neffen und mich mit einem sehr kargen Wortschatz in sein Zelt komplementierte, wirkte er gerade noch ziemlich gefasst. Auch als er Micha dafür dankte, dass er und seine Club-Mitglieder uns heil zurück gebracht hatten. Wir durften sogar noch die Einkäufe ausladen und mitnehmen. Doch ich konnte es Kili und Fili ansehen, als wir geschlossen zum Zelt gingen, dass etwas Großes über uns herein brechen würde. Mit jedem Schritt wurde ich nervöser und sah mich nach allen Seiten nach einer Fluchtmöglichkeit um. Doch dies wusste Thorin früh genug zu unterbinden, da er direkt hinter mir her lief und mir fast dabei in die Hacken trat. "Denk nicht mal daran", gab er in einem gepressten Tonfall von sich. Ich schluckte und ballte die Hände in meinen Rocktaschen zu Fäusten. Ich merkte wie sehr ich begann zu zittern. Sicher würde ich das Meiste von dem abbekommen, was er noch in seinen Gedanken verborgen hatte. Und irgendwo war das vermutlich auch gerechtfertigt. Ich hatte immerhin seine Neffen und einen seiner Männer entführt und mich mit diesen heimlich aus dem Staub gemacht. Auch wenn dahinter gute Absichten standen, würde er es mit Sicherheit nicht mehr verzeihen können. Erst recht nicht in der Verfassung in der er zur Zeit war. "Setzen", raunte er barsch, als wir endlich angekommen waren. Wortlos nahmen wir vier auf dem grasbewachsenen Boden platz. Fili saß rechts neben mir, daneben sein Bruder und ganz am Ende der Reihe Bofur. Wir schauten zum Zwergenkönig auf und harrten der Dinge die da kommen würden. Aber zunächst kam erst einmal gar nichts. Er stand nur vor uns und sah uns Minuten lang von Oben herab an. Die Arme vor der Brust verschränkt und einem Gesicht, das unerbittlicher nicht sein konnte. Ich wusste nicht, ob er versuchte die Worte nun genau zu wählen, die er uns an den Kopf werfen wollte oder ob er schlichtweg darauf wartete, dass einer von uns anfing sich zu rechtfertigen oder zu entschuldigen. Vorsichtig riskierte ich einen kurzen Seitenblick zu meinen Mitverschwörern. Auch diese ließen immer wieder ihre Augen flüchtig unter den Anderen hin und her wandern. Aber niemand traute sich auch nur im entferntesten die Stimme zu erheben und mutig das Gespräch anzufangen. Ich überlegte, ob es denn wirklich weise sein würde, sich hervor zu tun, um die Männer in Schutz zu nehmen, die mir ja eigentlich nur hatten helfen wollen. Ein paar Mal musste ich die Worte, die mir auf der Zunge lagen runter schlucken, da ich auf keinen wirklichen Nenner kam. Ich wollte ihn auf gar keinen Fall provozieren oder noch weiter reizen. Aber die Anderen ins Messer laufen zu lassen kam für mich auch nicht in frage. Indessen hatte ich das Gefühl, dass nicht nur durch die Sommersonne, die Luft immer unerträglicher wurde, sondern auch durch die Stimmung, die man buchstäblich mit einem Messer schneiden konnte. Flüchtig rutschte mein Blick auch auf meine Armbanduhr. Wir hatten uns nun schon fünf Minuten lang an geschwiegen und ein Ende war nicht in Sicht. Schließlich sprangen mir, doch zwei Worte aus dem Mund, die ich einfach wegen der Anspannung nicht mehr zurück halten konnte. "Ich wars", platze es aus mir raus. Ich fühlte Fili neben mir heftig zusammen fahren, als wäre gerade eine Bombe geplatzt. Niemand antwortete. Die drei kleinen Männer neben mir wirkten haltlos entsetzt darüber, dass ich es gewagt hatte die Stille zu durchbrechen. Thorin wand langsam den Kopf in meine Richtung und legte diesen leicht schief. "Habe ich es mir doch gedacht", sagte er knapp und sehr leise. Seine Augen bohrten sich erneut wie Speere in die Meinen. Lange konnte ich seinem Starren nichts entgegen setzen. So senkte ich bald den Kopf. Wieder trat schweigen ein, doch eine Sache änderte sich. Thorin begann sich von der Stelle zu bewegen, an der dieser zuvor noch wie festgewachsen gestanden hatte. Er ging nun vor uns auf und ab. Wenn ich nach oben schielte, sah ich wie er sich mit einer Hand über den schwarzen Bart strich und anscheinend über etwas nach dachte. Doch ich ahnte, dass er es gar nicht tat, sondern es gerade einfach nur genoss welche Wirkung er auf uns vier ausübte. Fili rutsche neben mir immer wieder unruhig hin und her, wenn er dachte sein Onkel sähe dies nicht. Er musste es aber auch nicht. Nachdem der Zwergenkönig ein paar Mal an uns vorbei gegangen war, begann er sehr langsam zu sprechen. Seine Stimme wirkte für seine Verhältnisse sehr ausgeglichen und versonnen. Doch schwang gerade darin der gewisse Hauch von Gefahr mit, dem man verfallen konnte, wenn man zu einer bestimmten Zeit etwas unvorsichtiges tat. "Also. Cuna hat sich bereits dazu bekannt, dass sie für eure heimliche Flucht aus dem Lager verantwortlich ist. Nun stelle ich mir die Frage, wie könnte ich sie dafür bestrafen, dass sie einen meiner Männer und meine beiden Neffen so unbedacht in Gefahr gebracht hat", sagte er und blieb dann seitlich vor mir stehen. Er hatte den Kopf zur Zeltdecke erhoben und sah mich im Augenwinkel mit einem eiskalten Blick an. Inzwischen fand allerdings Kili seine Stimme wieder, der plötzlich tollkühn zu werden schien, um mich in Schutz zu nehmen. "Nein Onkel. Du darfst sie nicht bestrafen. Das war meine Idee", stolperten die Worte hastig aus seinem Mund. "Kili!", sagte sein Bruder erschrocken. "Ach, sieh an. War es doch nicht Cuna, die das Ganze ausgeheckt hat?", fragte der Zwergenkönig mit spitzem Ton. Nun ging er zu seinem jüngsten Neffen und baute sich dort zu voller Größe auf. Wobei dies aufgrund der Tatsache, dass er ein Zwerg war schon eine ziemliche Leistung darstellte. Kili sah beklommen nach oben und schluckte gut hörbar. "Aufstehen", sagte Thorin und sein Tonfall verhärtete sich schlagartig. Zögerlich stand der junge Zwerg auf. Ich konnte ihm ansehen, dass er lieber sitzen geblieben wäre. Aber das hätte den Moment vermutlich nur noch mehr unter Spannung gesetzt. Außerdem wippte Thorins Stiefel bereits gefährlich ungeduldig. Als er endlich gerade vor ihm stand, vermied Kili tunlichst seinem Onkel direkt in die Augen zu schauen. Er wusste sicherlich warum. "Also", meinte Thorin langsam, "Dann erzähl mir doch mal, wie der Plan ausgesehen hat, den du für euer kleines Abenteuer geschmiedet hast." Dem Jungen klappte immer wieder der Mund auf und zu. Er suchte verzweifelt nach einem guten Anfang. Immer wieder rieb er sich fahrig die Hände an seiner Leinenhose ab. Auch wenn ich es nicht genau erkennen konnte, war mir klar, dass der arme Kerl nun gewaltig am Schwitzen war. Hin und wieder huschte sein Blick hilfesuchend zu einem von uns. Sein Bruder war genauso erstarrt wie Bofur, den ich zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, nicht mit einem Lächeln im Gesicht sah. Ich selbst versuchte ebenfalls noch meine Gedanken zu sortieren. Wenn Kili seinem Onkel keine zufriedenstellende Antwort geben konnte, würde das sicher sehr böse werden. Daran erinnerte er uns auch prompt, indem er mit einem leicht gereizten Singsang in der Stimme verkündete: "Ich habe den ganzen Tag Zeit, Kili." Einerseits klang es äußerst verführerisch, wenn er so sprach. Aber andererseits musste ich ausnahmsweise einmal meine Gedanken bei der Sache halten und nicht einfach in eine fantasievolle Traumwelt abgleiten. Dafür war die Lage einfach zu ernst und bedrohlich. Unterdessen rang Kili mit sich selbst und nach Worten. Krampfhaft versuchte er halbwegs sinnvolle Sätze von sich zu geben. "Also, es war so. Ich hatte, gedacht. Nun ja. Es wäre doch schön, wenn Cuna schon bei uns übernachtet. Dann könnte sie doch. Also nur so überlegt. Auch mal für uns etwas Gutes tun. Und da hab ich sie gefragt, ob sie uns nicht mal ein Essen zu bereiten könnte", stotterte er verzweifelt herum. Der Zwergenkönig hob eine Augenbraue und sah mit spöttischem Blick zu mir herüber. "Ist das so, Cuna?", fragte er. Ich fühlte wie mir immer wieder der Mund auf und zu klappte. Gut es war zu beginn seine Idee gewesen, aber diese hatte ich ja weiter ausgebaut und in die Tat umgesetzt. Was sollte ich ihm also sagen? Kilis Version einfach bestätigen und hoffen, dass er diese so einfach hin nahm? Oder alles widerlegen und erzählen, dass es so nicht war und er mich damit nur schützen wollte? Vielleicht war es aber auch ganz gleich, was ich sagen würde. Und so wie ich ihn mir betrachtete, hatte ich mit dieser Vermutung wahrscheinlich recht. "Nein. Das war so nicht. Lass die Jungs da raus. Es ist alles meine Schuld", gab ich von mir und erhob mich ohne vorangegangene Aufforderung. "Ich hab dir nicht gesagt, dass du aufstehen darfst", fauchte Thorin und konnte nun wegen meinem Vorstoß keine Spur seines Zorns mehr verdecken. "Es ist mir egal, ob du mir die Erlaubnis dazu gibst. Ich will nicht, dass andere für meine Dummheit den Kopf hin halten", erwiderte ich mit unerwartetem Übermut. Er trat langsam auf mich zu. Sein Gesicht war nun nicht mehr ausgeglichen wie noch zuvor. Es war vor Wut ganz entstellt. Das Einzige, was an ihm noch ruhig blieb, war die Stimme. Wobei diese mehr und mehr in Rage geriet, je näher er mir kam. "Dann sag mir, was dich dazu bewogen hat nicht nur dich selbst, sondern auch meine Neffen und Bofur derart in Gefahr zu bringen?", knurrte er mit zusammen gebissenen Zähnen. "Ich wollte euch allen eine Freude machen. Nur ein kleines Essen. Nichts weiter. Euch etwas auf den Weg mit geben, dass ihr mich nicht vergesst, wenn wir uns nie mehr wieder sehen werden", murmelte ich leise. Meine Stimme bestand aus einem einzigen, zitternden Auf und Ab von Tonlagen. Dass sie sich dabei nicht überschlug, wunderte mich selbst ein bisschen. "Eine Freude machen", kam es bestürzt von Thorin, dem kurz der Mund offen stehen blieb. Ich konnte nur nicken und sah ihn mit gesenktem Kopf von unten herauf an. Es brauchte eine Weile, bis der kleine Mann wieder die Fassung gewann. Offenbar hatte ihn das leicht aus dem Konzept gebracht. Aber dort fand er binnen Sekunden wieder hinein. "Du wolltest uns eine Freude machen? Und was bitte für eine? Ein Essen sagst du? Oder viel mehr, dass du alle in Lebensgefahr bringst?! Kili, Fili und Bofur?! Und vor allem dich! Bist du noch ganz bei Sinnen?!", reif er aus und packte mich fest an den Schultern. Seine Finger drückten sich tief in die Muskeln hinein. Ich spürte schnell, wie meine Arme taub wurden. Er schüttelte mich ein paar Mal kräftig. Entsetzt von Thorins Ausbruch, waren nun auch Fili und Bofur aufgesprungen. Vermutlich, weil auch sie vor Anspannung nicht mehr wussten wohin mit sich selbst. Kili streckte verschreckt einen Arm vor und legte diesen seinem Onkel auf die Schulter, was eher wenig brachte. "Onkel, nicht! Tu ihr nicht weh! Sie hat damit nichts zu tun!", rief Fili aus und wollte dazwischen gehen. Er versuchte einen Arm von ihm zu lösen. Bofur ging auf die andere Seite um das Selbe zu versuchen. Zunächst sah es so aus, als würden sie Erfolg haben, denn er ließ mich kurz los. Doch blitzschnell hatte er seine Arme befreit und die drei Zwerge zu beiden Seiten davon gestoßen. Sie fielen auf eine der Lagerstätten, die sich am Boden befanden. Das war der Moment, andem ich richtig Todesangst vor ihm bekam. Er machte keinen wirklichen unterschied mehr zu Verwandtschaft oder Freunden. Er sah nur noch mich allein. Er wirkte wie ein Raubtier. Ich war seine Beute und die wollte er unter allen Umständen reißen. Ich hob schützend die Arme vor meine Brust, welche er aber sofort ergriff, als er nach Vorne schnellte. Diese zog er mit Leichtigkeit herunter, damit er so dicht an mich ran treten konnte, wie nur irgendwie möglich. Er atmete schwer von der kurzen Anstrengung und gegen den Drang ankämpfend, noch fester zu zu packen, als er es ohnehin schon tat. Seine Händen bebten davon. Seine Miene war regelrecht vor Wut verzerrt. Ich wusste nichts zu Antworten. Doch das ließ er auch nicht zu. Er fing an sich mehr und mehr in die Sache hinein zu steigern. "Was hast du dir dabei gedacht?! Hast du geglaubt es würde mich freuen, dass du einfach meine Neffen und einen meiner Männer entführst und ihr noch dazu unbewaffnet irgendwo draußen in deiner Welt herum spaziert?! Ihr habt kein Lebenszeichen von euch hinterlassen! Nicht einmal eine kleine Botschaft! Ich war krank vor Sorge! Und dann habt ihr auch noch Ori dazu ausgenutzt, um eure Flucht zu vertuschen! Du hast meine eigene Familie, mein eigenes Volk gegen mich verschworen! Und wozu?! Wozu, Cuna?! Um allen eine Freude zu bereiten! Das ist alles was du wolltest ja?! Ich fühle schon seit meiner Ankunft hier keine wirkliche Freude mehr! Stetig geschehen hier Dinge, die jeden Einzelnen von uns in Gefahr bringen! Sogar tödliche Gefahr! Aber du denkst nur daran jemandem Freude zu bereiten! Ohne Rücksicht auf Verluste! All Jene denen du etwas bedeutest, nutzt du schamlos aus und nimmst sie mit in den Tod! Aber die, die dir ein Leid angetan haben, die lässt du unbescholten laufen! Und bei Durins Bart, ich hätte sie tausendfach dafür bezahlen lassen, wenn du mich nicht davon abgehalten hättest! Ich hätte ihnen ihre lächerlichen Schädel von den Schultern getrennt, als Warnung für alle, die es noch einmal gewagt hätten dir etwas anzutun! Ich hätte es niemals mehr zugelassen, dass auch nur irgendein Mann wieder Hand an dich legt! Du hast meine ganze Authorität und meine Ehre untergraben! Wie konntest du das tun?!", platzte es fast ohrenbetäubend laut aus ihm heraus, dass mir davon sogar die Ohren klingelten. Inzwischen hatten sich Bofur, Kili und Fili wieder erhoben und standen starr hinter dem Zwergenkönig. Alle Drei waren so erschrocken und verwirrt, dass sie sich gar nicht mehr rührten, um mir zu Hilfe zu kommen. Ich schluckte immer wieder, auch als Thorin eine diese kurze Atempause in seinem Wutausbruch einlegte. Seine Augen waren fest auf mein Gesicht geheftet. Ich wusste, dass es noch nicht vorbei war. Schon löste sich nämlich eine Hand von meinen Armen und bewegte sich ruckartig hinter seinen Kopf. "NEIN!", brüllten die drei Männer im Hintergrund, als sie die Hand schwungvoll in Richtung meines Gesichtes schoss. Ich kniff verschreckt die Augen zu und zuckte in mich zusammen. Die Zeit schien viel langsamer zu verlaufen. Ich erwartete schon bald ein böses Klatschen und einen heftigen Schmerz im Gesicht. Noch nie hatte ich den Bogen bei einem Mann derartig überspannt, dass er bereit war mich aus dem Stegreif zu schlagen. Und erst recht hatte ich nicht erwartet, dass derjenige Thorin sein würde. Innerlich bereitete ich mich auf den stärksten Aufprall meines Lebens vor. Doch nichts dergleichen geschah. Es gab keinen Knall und auch keinen klatschenden Aufschlag in meinem Gesicht. Stattdessen spürte ich nur einen leisen Lufthauch und danach breitete sich an meiner rechten Wange eine wohltuende Wärme aus. Ich konnte spüren, wie sich Thorins grobe Handfläche ganz sanft an meine Wange schmiegte. Seine Finger fuhren streichelnd über meine leicht verschwitze Haut. Erst durch diese Berührung merkte ich ,dass ich überhaupt in Angstschweiß ausgebrochen war. Vorsichtig öffnete ich die Augen zu Schlitzen. Was ich nun vor mir sah, konnte ich niemals wirklich beschreiben. Ich war schlichtweg so überrumpelt von seiner Erscheinung, dass ich meine Augen ganz auf riss. Da stand dieser Mann. Dieser stolze Mann. Nein, dieser stolze Zwerg und er sah völlig entgeistert und verschreckt aus. Zum ersten Mal konnte ich in all seinem Wesen erkennen, wie gebrochen und einsam er eigentlich war. Und noch etwas war da zu sehen. Es war Angst. Die nackte Furcht strahlte mir aus den sonst so kühlen blauen Augen entgegen. Doch war mir nicht klar vor was er sich nun genau fürchtete. War es etwa vor dem, was er beinahe getan hatte? Oder dass ich selbst verängstigt und hilflos vor ihm stand? Die drei Männer hinter ihm hatten einen Schritt auf ihn zu getan, waren aber dann in ihren Bewegungen buchstäblich eingefroren. Alle hatten eine andere Reaktion erwartet. Aber gewiss nicht, dass der König in seinem Tun inne halten würde. Außerdem sahen sie nicht, was ich sah. Und das machte mir nur umso größere Sorgen. Es schienen Ewigkeiten vorbei zu ziehen, während er wie in Trance meine Wange streichelte. Ich sah, dass er seine Lippen bewegte, doch er sprach noch keinen Gedanken aus, der ihm in diesem Moment durch den Kopf strich. Schließlich drangen doch ein paar Worte aus seinem Mund. Aber sie klangen seltsam fremd und fern."Ich... ich kann nicht. Ich kann dir kein Leid antun. Wieso nur? Wieso nur du? Nach all den Jahren in der Dunkelheit. Nach all der ganzen Zeit. Warum musstest ausgerechnet du es sein? Warum bist du die Frau? Die Eine, die mir das Herz erwärmt, das ich lange Zeit habe erfrieren lassen. Ich habe das nie gewollt. Warum geschieht es ausgerechnet jetzt?", flüsterte er. Sein Blick änderte sich erneut. Er schien in noch weitere Ferne zu schauen. Mitten durch mich hindurch, als wäre ich gar nicht da. Auch seine andere Hand, die immer noch einen Arm festhielt lockerte sich stückchenweise. Aber das nahm ich nur am Rande wahr. Ich keuchte aber ein wenig, als ich plötzlich registrierte, was genau er da von sich gegeben hatte. War das sein Ernst? War... ich wirklich Die Frau? Die Eine? Hatte er plötzlich verstanden, was da am vorherigen Tag auf dem Wachturm in ihm vor gegangen war? Als in mir diese Erkenntnis reifte, breitete sich irgendwo in meiner Magengegend ein kribbelndes, warmes Gefühl aus. Ich konnte es ganz deutlich spüren. Er stand mir so nahe, dass ich meinte zu sehen, wie sein Herz in der Brust begann immer heftiger zu pochen. Als er es selbst bemerkte, zuckte er kurz keuchend zusammen und flüsterte mit seinem abwesenden Blick weiter: "Wann ist es nur so weit gekommen? Wie konnte sie das tun? Wie nur?" Er ließ den Blick auf mich sinken. Seine Augen waren unergründlich Leer. Etwas stimmte nicht mit ihm. Ich konnte es ganz deutlich erkennen. "Thorin?", fragte ich ganz zaghaft. Doch ich bekam keine Antwort. Er starrte nur weiterhin ins Leere und streichelte meine Wange. Sein Kopf sank immer weiter. "Thorin? Ist alles in Ordnung?", fragte ich plötzlich nervös und alarmiert, dass er gar nicht auf mich reagierte. Sein Atem ging immer hastiger und sein Herz schlug spürbar immer schneller. Dann brach er vor meinen Augen einfach zusammen. Seine Hand rutschte von meinem Gesicht, die Andere löste sich vollends von meinem Arm. Er stürzte mit seinem ganzen Gewicht unaufhaltsam auf mich. Ich versuchte ihn zu halten, doch er war zu schwer für mich. "THORIN!", schrie ich noch entsetzt und schon lagen wir beide auf der Erde. "ONKEL!", kam es panisch von Kili und Fili, die aus ihrer gefrorenen Haltung erwacht waren und schnell zu uns eilten. Auch der völlig verdatterte Bofur konnte sich nun endlich wieder bewegen und half den beiden Jungs den Zwergenkönig von mir runter zu heben. Sie rollten ihn auf den Rücken. Die Augen hatte er geschlossen. Aber er atmete immer noch schnell und abgehetzt. Allerdings war er komplett ohne Bewusstsein. Ich kam langsam hoch und hockte mich neben ihn. Verzweifelt rüttelte ich an ihm herum. "Thorin? Wach auf, Thorin! Was ist mit dir?! Sag doch was! Bitte!", keuchte ich aufgeregt. Vorsichtig tätschelte ich ihm das Gesicht und hoffte ihn damit wieder wach zu bekommen. Doch nichts dergleichen hatte Erfolg. Im Gegenteil. Es ging ihm sogar unsagbar schlecht und erst auf diese Weise konnte ich es feststellen. Der Ärmste hatte sich offenbar so überanstrengt und verausgabt, dass er richtig glühte. "Himmel Gesäß und Nähgarn!", fluchte ich. "Was ist Cuna? Was hat er denn?", fragte Fili, der sich ebenfalls runter beugte und ihn abtastete. "Er scheint hohes Fieber zu haben. Verdammt, das hab ich kommen sehn!", knurrte ich verzweifelt. "Und was sollen wir jetzt tun?", fragte Bofur nervös und sah sich nach allen Seiten hilfesuchend um. "Schaff Oin heran. Der weiß sicher was zu tun ist", kam es ernst und deutlich von Fili, der als einziger von uns einen kühlen Kopf bewahren konnte. "Onkel, sag doch bitte was? Red mit uns. Nur ein Wort. Bitte", flehte Kili und rüttelte ihm ebenfalls an der Schulter. "Ja. Oin. Ja. Gute Idee", sagte Bofur und wollte gerade los stiefeln. Doch da drehte er sich noch mal kurz um, deutete mit einem Finger auf den Zwergenkönig und rief: "Rühr dich nicht vom Fleck!" "Jetzt geh schon verdammt!", schnauzte ich ihn an und schon war er davon gestolpert. "Was tun wir jetzt?", fragte Kili ratlos. "Wir legen ihn auf seinen Schlafplatz. Fasst mal mit an", kam es von seinem Bruder. Wir erhoben uns und versuchten irgendwie den bewusstlosen Thorin auf seine Decke zu legen. Es war kein wirklich leichtes Unterfangen und auch aus Sicht eines Ersthelfers wohl äußerst unverantwortlich, wie wir ihn dort ablegten. Aber zumindest würde er da weicher liegen, als auf dem Gras. Ich schob ihm seine andere zusammengerollte Decke unter den Kopf, den seine Neffen dafür kurz anhoben. Danach griff ich mir seinen Mantel, der irgendwo an seinem Kopfende lag und breitete diesen einfach über seinen Beinen aus. Die Jungs entfernten die Stiefel. Ich blieb an seinem Kopfende und strich ihm vorsichtig und ratlos einzelne Haarsträhnen aus dem Gesicht. Bald kam der Rest der Mannschaft ins Zelt gestolpert und fand uns mitten in diesem Malör vor. Reihum breiteten sich allgemeine zwergische Fluch und Schimpfworte aus. "Lasst mich durch. In Durins Namen, steht mir doch nicht im Weg", zeterte der alte Oin und zwängte sich zwischen den Anderen hindurch. Er nahm mir gegenüber platz, schob meine Hand weg und untersuchte nun seinerseits den Zwergenkönig. Ich schluckte immer wieder, während ich ihn dabei beobachtete. Er fühlte ihm den Puls, tastete die Stirn ab und lauschte, so gut er mit seinem kaputten Gehör konnte, an seiner Brust. Für mich vergingen in der Zeit Stunden des Wartens, auch wenn es nur ein paar Minuten waren. Endlich richtete der alte Zwerg sich auf und schüttelte sacht den Kopf. "Was ist Oin? Was hat er?", kam es von Dwalin, den ich auch noch nie so besorgt gesehen hatte. "Ich habs ihm gesagt. Nicht einmal sondern mindestens zehnmal", meinte Oin grimmig und schnaubte. "Was denn? Ist es was Ernstes?", fragte Kili und rückte wieder etwas näher. Der alte Zwerg musterte den Burschen und grinste Kopfschüttelnd. "Nichts Ernstes. Keine Sorge. Er ist lediglich übermüdet und braucht etwas Schlaf. Ein paar Stunden ruhe und was ordentliches zu essen. Dann geht es ihm bald wieder besser", meinte er sachlich und stand langsam auf. Allgemein erleichtertes Seufzen machte die Runde. Selbst mir fiel ein kleiner Stein vom Herzen. Dennoch war mir Hunde elend zumute. Das Ganze hatte ich mit zu verantworten. Ich hätte nicht so stur sein und meinen Plan eiskalt durchziehen sollen. Dann wäre er sicherlich nicht so aus der Haut gefahren und in dieser Verfassung. Um mich herum brachen erleichterte Gesprächsflüsse aus. Ich hörte stückchenweise, was Kili, Fili und Bofur dem Rest von unserem Ausflug zu berichten hatten und dass es für alle eine Überraschung hatte geben sollen. Doch so genau lauschte ich dem nicht. Meine Aufmerksamkeit galt dem kleinen, dunkelhaarigen Mann, der inzwischen wesentlich ruhiger atmete. Ich musterte ihn betrübt und nachdenklich. Ob er denn nun wirklich genau über seine Gefühle Bescheid wusste? Oder würde er es für einen Traum halten, wenn er wieder erwachte und mich mit seinem üblichen ernsten Gesichtsausdruck mustern? Und wenn er es nicht für einen Traum hielt und stattdessen sogar viel früher abreisen wollen würde? Ich biss mir auf die Lippen. Er würde sicherlich an seinem alten Plan festhalten. Einfach fort gehen und nie wieder zu kommen. Nachdem was ich ihm hiermit angetan hatte, war dies wohl nicht mehr zu verhindern. Egal ob er es nun für einen Traum hielt oder nicht. Er würde gehen und mich allein hier zurück lassen. Auch wenn ich nun zumindest etwas mehr darüber wusste, wie er zu mir stand. Oder ich glaube es zunächst. Ich war kurz davor wieder in Tränen auszubrechen, als mir jemand etwas auf den Kopf fallen ließ. Erschrocken fuhr ich herum und stellte fest, dass es Bofurs Fellmütze war. Ich schob diese aus meinem Gesicht und sah auf. Die kleinen bärtigen Männer starrten mich alle samt erwartungsvoll an. "Was.... was ist denn?", fragte ich leise. "Sag mal, willst du da noch lange sitzen und Thorin die Hand brechen, oder stehst du langsam mal auf und bereitest das Essen vor, was du machen wolltest, Weibstück?", fragte Dwalin mit belustigter Stimme. Etwas erschrocken sah ich auf meine Hand. Tatsächlich hatte ich während meiner Grübelei nicht bemerkt, dass ich diese in die von Thorin gelegt und fest zu gedrückt hatte. Ich verzog peinlich berührt den Mund und schob die Mütze tiefer ins Gesicht. Langsam und ein wenig widerwillig zog ich meine Hand wieder an mich heran. Vorsichtig erhob ich mich. "Na also. Dann sieh mal zu, dass du bis heute Abend fertig wirst, bevor das Zeug verdirbt", kam es von Nori, der mich tatsächlich angrinste. Ich sah noch einmal kurz schweigend nach unten zu Thorin. Es widerstrebte mir ein bisschen von seiner Seite zu weichen, wegen etwas, das eigentlich erst der Auslöser für seinen Zustand gewesen war. Ich überlegte ob ich mich nicht doch wieder zu ihm setzen sollte. Aber just in dem Moment legte sich eine Hand vorsichtig auf meine Schulter. Balin war an mich heran getreten und lächelte mich trösten an. "Lasst ihn ruhen. Ihr könnt hier vorerst nichts ausrichten. Wenn er aufwacht, wird er sicher hungrig sein. Und ich bin überzeugt, wenn er erst einmal den Duft Eures Essens in die Nase bekommt, dann wird er gar nicht genug davon haben wollen", sagte er und zwinkerte mir freundlich zu. Ich musterte den weißhaarigen Zwerg eine Weile und ließ mir seine Worte durch den Kopf gehen. Ja, er hatte recht. Auch wenn ich dort sitzen bleiben würde, so konnte ich eh nichts wichtiges tun. Und ich hatte mir so viel Arbeit damit gemacht, alle Sachen heil ins Zeltlager zu bringen. Es wäre eine Schande um das Geld, was ich damit wegwerfen würde. So ließ ich meine Augen von einem Zwerg zum anderen wandern und diese schauten entschlossen zu mir zurück. Also nahm ich Bofurs Mütze vom Kopf und nickte dann. "Gut. Dann bereite ich mal alles vor. Möchte mir jemand helfen?", fragte ich und versuchte ein wenig entschlossener zu klingen. Unter den Herren brach Gekicher aus. "Ich helfe!", rief Ori als erstes und wedelte grinsend mit dem Arm in der Luft herum. "Wir machen auch mit", kam es von Kili und Fili. Aber von denen hatte ich auch nichts anderes erwartet. Der Rest murmelte zustimmend und hier und da nickte einer kurz. "Gut. Kili, Fili, ihr holt mir eben kurz Wasser. Und der Rest kann dann schon mal anfangen die Zwiebeln und Kartoffeln zu schälen, und den Speck klein zu schneiden. Ich muss eben kurz zum Küchenzelt um Salz und Pfeffer zu holen", sagte ich und schritt schon an den Männern vorbei. Eins musste man ihnen lassen. Man brauchte ihnen manches nicht zwei mal sagen. Ehe ich mich versah, hatten sich Dori, Nori, Ori und Bombur über den Sack mit Zwiebeln her gemacht und suchten sich ein paar Schemel, wo sie diese in ruhe abschälen konnten. Kili und Fili waren sofort zum Wasserholen verschwunden. Bofur machte sich mit Bifur daran den Schinken zu bearbeiten. Der Rest organisierte Schneidbretter, Messer oder Dolche und eine größere Pfanne, die man über ein Lagerfeuer hängen konnte. Nun ja, mit Ausnahme von Gloin, der wie immer auf Abstand zu dem Ganzen blieb. Mir sollte es recht sein. Dann bekam er auch nichts von dem Essen ab. Auf dem Weg zum Küchenzeit, rannte mich Chu beinahe um. "Huch? Chu? Was hast du es denn so eilig?", fragte ich ein wenig überrascht. "Oh, gut das ich dich treffe. Ich hab mitbekommen, dass bei euch da drüben was passiert ist und dachte schon du hättest wieder was", meinte sie und atmete erleichtert auf. "Nein. Ich bin es nicht. Thorin ist vorhin zusammen gebrochen. Der ist total übermüdet und schläft jetzt erst mal", erklärte ich ihr kurz angebunden. "Oh man. Ist hoffentlich nichts ernstes. Hab mich schon gefragt, wo der sich die ganze Zeit rum treibt. Der hat dich ja ordentlich am Handy zusammen gefaltet. Aber wo du schon mal da bist. Ich wollte dich kurz daran erinnern, dass heute Abend Karaoke ist. Willst du dich nachher anmelden? Dann bring ich dir die Lieder-Liste vorbei", meinte sie und lächelte etwas. Mir klappte augenblicklich die Kinnlage runter. "Verdammt! Ist heute Abend wirklich schon Karaoke?", hakte ich noch mal nach. Chu nickte. "Ja. Hast du wohl ganz vergessen was? Also was ist? Machst du mit?", fragte sie noch mal. "Ja. Natürlich mach ich mit. Ich hoffe nur, ich komme etwas später dran. Ich muss vorher noch ein bisschen was erledigen", sagte ich. "Kein Problem. Ich bring dir dann die Liste, wenn sie rum geht. Und mach dir keinen Kopf. Das fängt ja eh erst um acht Uhr an. Hast alle Zeit der Welt bis dahin, das zu erledigen, was du willst. Ich muss weiter. Richi wollte kurz bei Frodo vorbei und ist da auch schon eine ganze Weile. Mal sehn, wo der sich wieder fest gequatscht hat", sagte sie und klopfte mir zum Abschied auf die Schulter. Ich nickte nur und schaute ihr kurz nach. Herrjemine, das Karaoke singen! Das war mir ja völlig entfallen. Und ausgerechnet zu einem so ungünstigen Zeitpunkt. Aber ich wollte dieses Jahr unbedingt wieder mit dabei sein. Auch wenn das hieß, dass Thorin es wohl nicht mitbekommen würde. Doch mir fiel etwas ein, was mich über seine Abwesenheit dort hinweg trösten konnte. Ich würde ein Lied aussuchen, welches ich ganz allein für Ihn singen wollte. Nur welches ich nehmen sollte. Das bliebe dann wohl oder übel, die Qual der Wahl. - 41. Das Leiden des Zwergenkönigs / ENDE - Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)