[Barkeeper-Reihe 02] Barkeeper in Love von Fara_ThoRn ================================================================================ Kapitel 4: Kapitel 4 - Entscheidungen ------------------------------------- Kapitel 4 - Entscheidungen ~Justin~ Im Schneidersitz sitzen wir uns auf Vinnies Schlafcouch gegenüber. Vinnie hat schon gepennt als wir ankamen, weshalb Ramon und ich uns die ganze Zeit über leise unterhalten haben. Über alles Mögliche haben wir geredet. Über die Vergangenheit, über belangloses Zeug und auch über verflossene Partner. Ich war total überrascht, als mir Ramon gestand, dass er vorher noch nie was Ernstes oder Langfristiges mit einem Jungen hatte. Ich war doch tatsächlich der erste Junge, den er 'mit nach Hause brachte'. Auch wenn die Umschreibung nicht ganz passt. Die kleine Lampe neben der Couch brennt, ansonsten ist es um uns herum dunkel. Vor nicht allzu langer Zeit haben Ramons Finger meine gesucht, die sich schon die ganze Zeit ineinander verhaken und sich dann wieder auseinander wursteln. Gesprochen haben wir seitdem so gut wie nichts mehr, haben nur auf unsere Finger gestarrt, uns mal gegenseitig gemustert, nur um dann wieder auf unsere miteinander spielenden Finger zu achten. Wir sind während unseres Gesprächs bei einem Thema angekommen, das zu knifflig ist, um es jetzt noch zu bereden. Meine eventuelle Rückkehr nach Spanien. Ramon hat anklingen lassen, dass er noch immer an seinem Plan festhält. Doch als er gemerkt hat, dass ich noch nicht darüber sprechen werde, ist er verstummt. Anscheinend wartet er auf ein Zeichen von mir, ein Wort, was jetzt geschehen wird. In der Zwischenzeit habe ich wirklich darüber nachgedacht. Habe das Für und Wider durchdacht, meine Gefühle zu Ramon, die nach wie vor heiß in mir lodern und habe mir vorgestellt wie es wäre mit ihm auf Mallorca zu leben. Leider bremst mich die Angst wieder aus, jedes Mal, wenn ich denke: Ja. Das könnte klappen. Aber vor was habe ich eigentlich Angst? Ganz klar davor, wieder in einer rosaroten Blase dahin zu schweben, nichts mitzubekommen, bis sie von einem furchtbaren Aufprall in der Realität zum Zerplatzen gebracht wird. Nehmen wir mal an, Magnus Karten haben recht. Dann wäre ich ein Narr, wenn ich nicht auf Ramons Angebot eingehen würde und die Chance mit Ramon zusammenzusein nicht ergreifen würde. Und dann zum zweiten, nehmen wir mal an, am Ende würden Ramon und ich uns doch trennen. Und dann? 'Dann kann ich jederzeit nach Deutschland zurück.' Doch was ist mit mir? Mit meinem zerbrochenen Herzen? Auch wenn ich es nicht gern zugebe, aber ... mehr wehtun als jetzt kann es eigentlich auch nicht. Denn wie ich es auch drehe und wende, am Schluss war die Entscheidung, Ramon zu verlassen und die ganzen Wochen ohne ihn zu sein, sogar noch schmerzhafter gewesen, als der Betrug von Olaf. Olaf ... Da ist nichts mehr. Meine heißen Gefühle für ihn sind dahin. Schon lange. Schon bevor ich Ramon das erste Mal im Meer fast geküsst habe. Oh ... Ramons Küsse ... "Justin?" "Ja?!" Ich blicke in schokobraune Augen. An seine Blicke kann ich mich auch noch gut erinnern. Mehr als gut. Wie seine braunen Augen mich beobachtet haben, wenn ich im Restaurant saß und darauf gewartet habe, dass er endlich Feierabend hatte. Manchmal ist er extra einen Bogen gelaufen, damit er an meinem Tisch vorbeigehen konnte. Dann hat er mich ganz heimlich berührt, mich angelächelt und ... "Justin? Hörst du mir überhaupt zu?" "Was? Oh, tut mir leid. Ich war in Gedanken." "Ich hab's gemerkt", gluckst mein Spanier und legt den Kopf schief. So wie er es immer macht ... Jetzt nicht wieder ablenken lassen, Jus! "Ich wollte vorschlagen, dass wir vielleicht erstmal schlafen gehen. Also du hier und ich suche mir ein Zimmer in einem Hotel. Reden wir morgen weiter." "Schlafen ist gut", murmle ich. "Aber du bleibst hier. Ich gehe zu Daniel." "No! Du bleibst hier. Ich lass dich nicht mehr so spät nachts raus!" Lachend entziehe ich ihm meine Finger und quäle mich auf. "Nichts da. Ich penn noch mal bei Daniel." "Ihr Labertaschen geht alle beide nirgendwo mehr hin!" Laurin steht plötzlich im Wohnzimmer. Er muss Feierabend haben. "Schon mal auf die Uhr geschaut? Du!" Er zeigt auf mich. "Du krabbelst bei Vince unter die Decke, aber schön die Hände auf deiner Seite des Bettes lassen! Und ich schlafe bei Ramon." So könnte es auch klappen, denn jetzt neben Ramon schlafen zu müssen, das halte ich nicht für keine gute Idee. ~Ramon~ Laurins Idee ist wohl wirklich die beste Lösung. Jedenfalls hätte ich Justin ungern jetzt noch zu seinem Bekannten laufen lassen. "Dann gute Nacht Ramon." Jus lächelt mich an und schnappt sich ein paar Kleidungsstücke. "Buenas noches Justin", wünsche ich ihm ebenfalls und ernte sein liebliches Lächeln. Es ist noch nicht alles verloren. Ich muss jetzt nur beharrlich bleiben, ihn aber nicht zu sehr unter Druck setzten. Wenn mir das gelingt, denke ich, kann ich Justins Herz von seinen furchtbaren Erinnerungen befreien. Das ersehne ich mir so sehr! Als mein Liebling aus dem Wohnzimmer hinaus ist, seufze ich leise. "Konntet ihr euch aussprechen?" Laurin steht neben mir und schüttelt die Decke aus. "Ja. Schon irgendwie", antworte ich ihm. "Was heißt: irgendwie?" "Alles konnten wir noch nicht klären. Bei dem Thema Spanien und unsere eventuelle gemeinsame Zukunft dort macht er dicht." Laurin sieht mich traurig an. "Du musst dran bleiben. Justin ist ein sturer Esel, aber er ist nicht dumm. Er wird schon noch erkennen, dass er zu dir gehört." "Hoffentlich ..." "Kopf hoch", flüstert Laurin und klopft mir auf die Schulter. "Das eben sah doch ziemlich gut aus, oder nicht? So wie er dich angeschaut hat ..." Er zwinkert mir zu, was meine Laune sofort etwas anhebt. Laurin ist echt in Ordnung. Genau wie Vince. Ich wüsste nicht, was ich ohne die beiden getan hätte. Wahrscheinlich hätte ich Justin nie wieder gefunden ohne die beiden. Dafür muss ich mir für sie noch eine Überraschung einfallen lassen. Erst recht, wenn Justin und ich tatsächlich wieder zusammenkommen. "Ich mach mich mal schnell frisch und dann wird geschlafen! Und morgen nehmen wir Jus in die Mangel bis er einknickt und mit dir nach Spanien geht!" Lachend schüttle ich den Kopf. Schön wäre es. 'Und wenn nicht? Wenn er hierbleiben will?', schießt es mir in den Sinn. 'Was dann?' Fliege ich dann wieder nach Spanien zurück und tue so, als ob nichts gewesen wäre? Warte auf den Nächsten, in den ich mich vielleicht verlieben kann? Undenkbar! Für mich wird es niemals einen anderen geben als Justin! Dann bleibt mir nur eins, oder? Dann muss ich wirklich zurück nach Deutschland ziehen. Unter der Voraussetzung, dass Justin mich überhaupt noch will. Ob das die Lösung für unser Problem ist? Wenn ich das doch nur wüsste! *** ~Justin~ Ich habe mal gehört, dass es gar nichts bringen würde, Schäfchen zu zählen, da es das Gehirn bloß wach hält und man dadurch erst recht nicht einschlafen kann. Das mag ja sein, aber was tut man dann in so einer Situation? Ehrlich gesagt, weiß ich das nicht. Bis jetzt habe ich noch kein geeignetes Mittel gefunden, aus einem wachen, nachdenklichen Verstand einen schlummernden zu machen. Und wenn dann auch noch, so wie jetzt, eine gefüllte Blase mit ins Spiel kommt, ist an Schlaf überhaupt nicht mehr zu denken. Ich atme tief ein und krabble aus dem Bett. Dann gehe ich mich eben noch mal schnell erleichtern. Vielleicht kann ich ja dann einschlafen. Auf Zehenspitzen schleiche ich aus dem Schlafzimmer, um Vince nicht schon wieder zu wecken (er war richtig erschrocken, als ich neben ihm lag und nicht Laurin. Dafür aber haben wir uns wieder vertragen und ich habe ihm ebenfalls seine hinterlistige Aktion verziehen) und laufe dann über den Flur ins Badezimmer. Erleichtert und zum tausendsten Mal herzhaft gähnend schlurfe ich über den Flur. Den Weg kenne ich mittlerweile blind, muss mir somit auch kein Licht machen und tapse auf die Schlafzimmertür zu. Jedoch lässt mich ein leises metallenes Klicken innehalten. Ist da jemand? In der Dunkelheit taste ich nach dem Lichtschalter, finde ihn aber nicht. Wo ist der denn blo...? "Hoppla!" Ich erstarre. "Ramon?" "Justin?" Das war ja so klar! "Was suchst du hier?" "Ich musste mal." "Ah so ... Ich muss auch mal." Meine Augen scheinen sich langsam wieder an die Dunkelheit gewöhnt zu haben, denn ich kann Ramons Umrisse erkennen. Direkt vor mir. "Weißt du wo die Toilette ist?", frage ich unnötigerweise. Mit Sicherheit kennt er den Weg dorthin. Doch ich weiß beim besten Willen nicht, was ich sonst hätte sagen können. "Klar!", lacht er natürlich sofort und legt den Kopf schief. Mein Herz schlägt schneller. Da steht er, mein Ramon. Nur eine Handbreit von mir entfernt. Ich habe keine blasse Ahnung, ob es an meiner einsetzenden Müdigkeit liegt, oder daran, dass ich nur Ramons Umriss erkennen kann, aber ich strecke ohne groß darüber nachzudenken meine Hand nach seinem Oberkörper aus. Ein Stromschlag durchfährt mich, als ich endlich seine warme Haut fühle. Er trägt kein Shirt, was er in Spanien auch nie getan hatte, wenn wir zusammen im Bett ... Lassen wir das! Ramon keucht leise auf und erstarrt. Was genau ich mit meiner Tast-Attacke bezwecken möchte, weiß ich nicht. Ich will ihn einfach nur spüren, ihm nahe sein, mich vergewissern, dass er tatsächlich von Spanien bis hierher zu mir gekommen ist. 'Nur wegen mir ...' Dieser Gedanke setzt etwas in mir in Bewegung. Weshalb ich vorher noch nicht daran gedacht habe, spielt gerade keine Rolle. Ramon ist hier! Vor mir, bei mir und vor allem wegen mir. Mit einem Mal stehe ich so unter Spannung, dass ich schwören könnte, dass die Luft um mich herum beginnt zu knistern. Ich bewege mich ein Stück auf ihn zu und berühre ihn zusätzlich mit meiner zweiten Hand. Als würde ich ihm das erste Mal so nahe sein, erkunde ich seine weiche, warme Haut. Streife über jede Erhebung, fühle die harten Brustwarzen unter meinen Fingern. Er ist erregt. Ramon berührt mich nun ebenfalls, legt seine Hand in meinen Nacken und beugt sich zu mir. Ich kann seinen Atem auf meiner Haut fühlen. So vertraut und so schön ... Gleich küsst er mich ... KLICK. Das Licht geht an. "Oh! ... Tschuldigung!" Erschrocken weiche ich von Ramon zurück und starre Laurin an, der uns nicht weniger erschrocken anstarrt. "Das tut mir leid! Ich wollte euch nicht unterbrechen! Ich wollte nur ..." Er zeigt auf die Badezimmertür, lächelt verschämt und wetzt an uns vorbei. Mit einem leisen Schlag geht die Badezimmertür zu, nachdem er uns noch ein leises "Weitermachen!" zugeflüstert hat. Wir sind wieder allein. Peinliche Stille. Was tut man am besten in so einer Situation? Weitermachen ganz bestimmt nicht! Jedenfalls ich nicht! Obwohl ich ja eigentlich doch will. Oh Mann! Ich weiß beim besten Willen nicht, was ich jetzt tun soll. Ramon dagegen hat anscheinend die passende Antwort. "Ich wollte dich nicht überrumpeln. Tut mir leid." Hä?! Ich habe doch angefangen, soweit ich mich erinnere. "Hast du nicht! Das war ..." Ja, was war es denn nun? "Morgen?" "Hm?" Ich verstehe gar nichts mehr! "Wollen wir morgen darüber reden?" Ach so! Ich nicke und laufe total konfus an Ramon vorbei. Kurz bevor ich das Schlafzimmer erreicht habe, wispert er mir noch ein "Buenas noches" zu. Ich halte inne und drehe mich zu ihm. "Das habe ich vermisst", gestehe ich ihm. "Dein gute Nacht. Danach konnte ich immer schlafen wie ein Stein." Ramon lächelt mich glücklich an und ich verschwinde schnell ins Innere des Schlafzimmers. Die Tür hinter mir wieder geschlossen, lehne ich mich mit dem Rücken dagegen und schließe die Augen. Fast hätten wir uns geküsst! Und plötzlich ist sie da, die drängende Sehnsucht nach ihm. Ich bin verdammt kurz davor, wieder aus dem Schlafzimmer zu stürzen und zu Ramon zu eilen, da knipst Vince das Licht an. Ob es gut oder schlecht ist, dass mein Tatendrang schon wieder rüde unterbrochen wird, kann ich beim besten Willen nicht sagen. "Justin?" Verschlafen blinzelt er mich verwirrt an. "Hab ich dich geweckt?" Fort ist die Sehnsucht. Nur ein leiser Nachhall tobt noch in meinem Bauch, wenn ich daran denke, dass ich ihm eben so nahe gewesen bin. Fast ist es, als könne ich noch seine warme weiche Haut an meinen Fingerspitzen spüren. "Nein ... Ja. Aber ich bin schon wach, seit du aus dem Bett bis." "Tut mir leid", flüstere ich, stoße mich von der Tür ab und schüttle meine Empfindungen vollends ab. "Ist alles in Ordnung?", fragt er, als ich mich neben ihm unter die Decke lege. "Ja ... Nein." Vince schmunzelt. Ich weiß auch genau wieso. Er hatte eben fast dasselbe gesagt, nicht? "Erzähl schon", seufzt er und dreht sich seitlich zu mir. "Ich will dich nicht vom Schlafen abhalten." "Tust du nicht." Abwartend blickt Vince zu mir auf. Also gut. Erzähle ich ihm eben von meiner Begegnung eben im Flur. "Ramon und ich hätten uns eben fast geküsst." "Das ist doch gut!", jauchzt Vince und setzt sich auf. "Und? Wieso habt ihr dann doch nicht?" "Laurin hat uns ... gestört." Vince verzieht das Gesicht. "Der kann was erleben!" "Er kann doch nichts dafür", beruhige ich ihn. "Außerdem war das auch ganz gut so. Wer weiß, wohin das geführt hätte, wenn wir uns tatsächlich geküsst hätten." "Justin? Du spinnst!" Vincent stupst mich an der Schulter an. "Danke", grummle ich und ziehe mir die Decke über den Kopf. Leider wird sie mir gleich wieder vom Kopf gerissen. "Ihr liebt euch doch, Justin! Wo ist dein Problem? Ich dachte, ihr hättet euch heute ausgesprochen?" "Haben wir." "Und?" "Ich kann nicht mit ihm nach Spanien zurück." "Wer sagt denn auch, dass du das musst?" Sauer funkle ich Vincent an. "Ramon kann nicht hier bleiben! Er hat auf Malle ein Restaurant." Das weiß er doch. "Ergo muss ich mit ihm mit, falls wir zusammen alt werden wollen, und ..." Ich stocke. An Ramons Seite alt werden. "Was und?", hakt Vince nach. "Das ist es doch, was du schon die ganzen Jahre über willst! Mit jemandem der dich liebt alt werden. Ob das jetzt hier ist, oder in Spanien, oder sonst wo auf der Welt spielt doch gar keine Rolle. Mit Laurin an der Seite würde ich überall hinziehen wollen. Das hätte ich auch früher mit Niels getan." Ich schlucke hart. Niels, Vinnies Ex, ist vielleicht nicht der beste Vergleich. Obwohl ... "Und wenn du mit Niels bis ans Ende der Welt gegangen wärst? Und er dich dann verlassen hätte? Was hättest du dann gemacht?", frage ich leise. "Darum geht es dir immer noch? Dass er dich verlässt, und du alleine dastehst?" "Teilweise schon", gestehe ich. "Ich habe in Spanien doch nur ihn. Dann soll ich auch noch mit in seinem Restaurant arbeiten. Wenn er mich dann rausschmeißt, was mache ich denn dann?" "Du kommst zurück zu uns." "Es geht doch nicht nur darum!" "Sag bloß!" Vince tut ganz erstaunt. Dusselkopf! "Muss ich jetzt wieder mit einem Beispiel von mir und Niels ankommen, damit du es begreifst?" Ich runzle die Stirn. "Ich habe ihn sehr, sehr geliebt, wie du weißt. Als er mich verlassen hat, war es, als hätte er mein Herz gleich mitgenommen. Aber sieh mich jetzt an! Jetzt habe ich Laurin." "Toller Vergleich! Mach mir noch mehr Mut", pflaume ich ihn an. "So meinte ich es doch gar nicht. Damit wollte ich nur sagen, dass man niemals den Kopf hängen lassen sollte." Ich verdrehe die Augen. Hat Vinnie heute nur so tolle Glückskeks-Sprüche auf Lager? "Aber ich will dir noch was sagen", fährt er leiser fort. "Damals hätte ich Niels fast als Geschäftspartner eintragen lassen. Eben weil ich mir sicher war, dass wir zusammenbleiben. Am Ende, als Niels weg war, musste ich mir eingestehen, dass ich beinahe überfordert war mit meinem eigenen Laden. Niels hat so viel für mich gemacht. Buchhaltung, Auflistungen, Preiskalkulationen. Das musste ich alles auf einmal wieder alleine machen und ich hätte fast aufgegeben, weil der Berg an Arbeit immer mehr anschwoll und ich noch total in der Trauerphase steckte. Im Endeffekt hat Ramon ein genauso hohes Risiko dabei dich bei ihm arbeiten zu lassen, wie ich es damals mit Niels eingegangen bin. Er würde dich ganz sicher nicht in seinem Familienbetrieb arbeiten lassen, sozusagen seine Zukunft mit dir planen, wenn er sich nicht sicher mit dir wäre. Du hast da einen Hauptgewinn, mein Kleiner. Lass ja nicht zu, dass ihn dir ein anderer wegschnappt, nur weil du so lange zögerst zuzugreifen." Nachdenklich schaue ich Vinnie an. Hat er damit recht? Seine Erklärung hört sich jedenfalls ziemlich einleuchtend an. "Meinst du?", frage ich dennoch noch mal nach. "Es kann trotzdem in die Hose gehen. Auch wenn ich ..." "Justin!", unterbricht er mich barsch, umfasst mein Kinn, nicht fest, aber damit zwingt er mich dazu, ihn direkt anschauen zu müssen. "Wer nichts wagt, der nichts gewinnt. Das Sprichwort dürfte selbst dir geläufig sein. Und glaub mir, auch wenn das mit Niels nicht für ewig war, waren es doch die wundervollsten Jahre meines Lebens." "Und was ist mit Laurin?" Meine Stimme hört sich plötzlich so dünn an. "Was soll schon mit ihm sein?" Vince lächelt mich an und lässt mich wieder los. "Mit ihm wird auch der Rest meines Lebens unglaublich wundervoll werden." *** ~Justin~ Sonntag, neun Uhr morgens. Vince muss heute nicht arbeiten, weshalb er noch immer neben mir liegt und schläft. Normalerweise penne ich auch noch um diese Uhrzeit, wenn ich mal ausschlafen kann. Erst recht, wenn ich die halbe Nacht nicht schlafen konnte, so wie letzte Nacht. Dennoch bin ich jetzt wieder wach und denke nach. Über meinen Spanienaufenthalt, über Olaf, und natürlich auch über Ramon. Eigentlich wusste ich es ja schon all die Zeit. Ich will Ramon. Will mit ihm zusammen sein. Ich liebe ihn ... Aber mit ihm zusammen ein Restaurant schmeißen? In der Pampa Mallorcas? Wahrscheinlich hassen mich jetzt die meisten dafür, dass ich nicht einfach zugreife und mir diese Chance möglicherweise entgehen lasse, aber ich kenne meine Antwort darauf noch immer nicht. Werde ich mit ihm gehen, wenn er wieder zurückfliegt? Und das wird er sicher bald. Er kann ja nicht ewig hier bleiben. Ramon hat Verantwortung zu Hause auf Malle. Wieder und wieder denke ich an die Zeit dort zurück. Es war so schön gewesen. Das Meer, die Stille, da wir abseits der Touristenhochburg waren. Trotzdem lief das Restaurant immer gut. All die Abende, an denen Ramon und ich zusammen gewesen waren. Wie wir am Strand lagen, noch total ausgepowert und verschwitzt ... Das könnte ich dann jeden Abend haben. Jeden Tag zusammen mit Ramon im Restaurant stehen, ich könnte kellnern, oder Cocktails mixen. Das kann ich ja jetzt. Ich fange an zu lächeln. Wirklich eine schöne Vorstellung. Ein leises Klappern reißt mich aus meinen Gedanken. Hört sich so an, als käme es aus der Küche. 'Ramon!' Vielleicht ist er ja schon wach?! Mein Blut rauscht schneller, und mir ist, als habe mich ein Stromschlag getroffen. Falls er schon wach ist, muss ihn sehen! Jetzt sofort! Schnell werfe ich die Bettdecke von mir und flitze auf leisen Sohlen aus dem Schlafzimmer. Leider stellt sich alsbald heraus, dass nicht Ramon in der Küche steht, sondern Laurin. "Morgen. Schon wach?", begrüßt er mich lächelnd. "Ja", grummle ich und rücke mir einen Küchenstuhl zurecht. "Oh oh. Soll ich raten wer dir über die Leber gelaufen ist?" Ganz nach Ramon-Manier lege ich bloß den Kopf schief, sage aber nichts. "Oh je", seufzt er. "dann habe ich es euch gestern doch versaut?", fragt er leise und setzt sich zu mir an den Tisch. "Nicht so richtig. Mach dir nichts draus. So konnte ich wenigstens noch mal ein wenig über alles nachdenken. Ganz ohne die Verwirrungen eines Kusses zwischen uns." Außerdem hat es mir wieder gezeigt, dass ich ohne Ramon eigentlich gar nicht kann. Das sage ich jedoch nicht laut, sonst plappert Laurin es nur wieder herum. "Und was ist bei deinen Überlegungen herausgekommen?" Neugierig mustert mich Vincents Freund. "So genau weiß ich das noch nicht", weiche ich aus. "Ach Jus!" "Was denn? Ihr habt mich einfach so überrumpelt! Mit Ramons Erscheinen hätte ich im Leben nicht gerechnet!" Ist doch wahr! "Dann bist du noch immer sauer auf Vince und mich?" Oh Mann! "Nein", knurre ich, "obwohl das eine ganz fiese Nummer war! Auch Ramons Auftritt im Velvet gestern, wenn ich das mal sagen darf." Dafür habe ich ihn noch gar nicht gerügt. Na ja. Am Ende war es dann doch ganz gut gewesen, dass Ramon da war. "Ich würde ja jetzt gern sagen, dass es mir leid tut, aber das tut es nicht." "Spare es dir", seufze ich. "Also bist du nicht mehr sauer?" Ich schüttle den Kopf. Erleichtert trinkt Laurin einen Schluck Tee. "Schön. Aber zu unserer Verteidigung, es war wirklich nicht mehr mit anzusehen, wie du dich nach deinem Spanier verzehrt hast. Da mussten wir einfach eingreifen." "Wenn du meinst", blaffe ich ihn noch immer leicht genervt an und greife in das Brotkörbchen. "Jus? Darf ich noch was dazu sagen, ohne dass du gleich wieder sauer davonrennst?" Ich nicke schwach und schmiere mir einen Toast. "Als Ramon gestern Abend hinter der Theke gestanden hatte, wurde er übelst von den Gästen aber auch von unseren netten Kollegen angebaggert. Das kennst du ja. Und weißt du was? Es hat ihn kaum interessiert. Immer wieder hat er zu den Mitarbeiterräumen geschaut, ob du nicht endlich kommst. Er liebt dich wirklich und ich glaube auch nicht, dass er ein Blender ist." Ich erinnere mich. Das Gespräch mit meinen beiden Kollegen in der Umkleide. Sie können nur meinen süßen Spanier gemeint haben. "Und das weißt du so genau, dass Ramon sich wirklich nicht für die heißen Typen dort interessiert hat?" Ich muss es einfach nochmal hören. Will unbedingt nochmal Laurins Meinung über meinen Ramon wissen. "Oh ja!", bestätigt er mir überschwänglich. "Ich habe schließlich eine Menge Erfahrung in Sachen Blender und Aufreißer sammeln können. Ich merke es, wenn einer nur auf Sex aus ist, oder eben doch auf mehr. Oder glaubst du etwa, mit Vince hätte ich einen Fehlgriff gemacht?" "Natürlich nicht! Vinnie ist die treuste Seele überhaupt!" "Siehst du! Genau wie Ramon. Das sieht man in seinen Augen. Und wärst du nicht so blind vor lauter Liebe zu ihm, würdest du das auch sehen." Meine schlechte Laune verschwindet. Laurins Beharrlichkeit sei Dank. "Danke", flüstere ich ihm auch gleich zu. "Danke, dass du Vinnie gefunden hast. Dass du für ihn da warst, als Niels aufgetaucht ist und ihm sogar geholfen hast das durchzustehen. Und jetzt hilfst du auch noch mir." "Kein Ding!", winkt er ab. "Und hör ja auf. Ich werde ja noch ganz rot!" Ich fange an zu lachen. "Ich hätte dich doch vor einem Jahr anmachen sollen. Leider hatte ich nicht den Mumm dazu", scherze ich. "Du wolltest mich anmachen?" "Ja. Aber dein Ruf hat mich abgeschreckt." Laurin verdreht die Augen. "Ist vielleicht auch besser so. Denn wenn du mir Vince vorgestellt hättest, hätte ich dich leider abservieren müssen." "Pööh!" So was! Laurin streckt mir die Zunge raus. Hinter mir schwingt die Küchentür auf. "Ramon?" Wieder rinnen mir elektrische Schauer durch den Körper. "Nein. Ich bin's nur." Vince! "Morgen." "Morgen", wispere ich und merke, wie ich rot anlaufe. Das war jetzt offensichtlich, oder? "Morgen mein Schatz. Gut geschlafen neben unserem heißen Spanier?" "Wie ein Engel ...", säuselt Laurin Vinnie zu und küsst ihn. "Wir hatten eine Menge Spaß." "Ehrlich?", fragt Vince seinen Angebeteten, der wild nickt. "Justin und ich hatten den auch, nicht wahr?" "Zieht mich da nicht mit rein!" Abwehrend hebe ich die Hände und stehe auf. "Ich muss mal schnell wo hin." Laurin lacht leise. "Verlauf dich aber nicht! Das Wohnzimmer ist tabu für dich." "Ha ha!" Nun strecke ich ihm die Zunge raus und flüchte aus der Küche. Sollen die sich erstmal in Ruhe abknutschen nach ihrer auferzwungenen getrennten Nacht. Solange besetzte ich das Bad. Ich stelle mich schnell unter die Dusche, merke dann aber, dass ich ja gar keine frische Kleidung parat habe, da die noch im Wohnzimmer liegt. Dann muss ich mich eben erstmal in einen Bademantel wickeln, bis Ramon ausgeschlafen hat. Mein Ramon. Ich kann es kaum erwarten ihn wiederzusehen. Nicht zu fassen! Wie habe ich es vorher nur ausgehalten ohne ihn? War ich wirklich so verbittert gewesen, dass ich mein schreiendes Herz nicht gehört habe? Anscheinend. Aber das, was ich nicht mitbekommen habe, haben dafür meine Freunde bemerkt. Nur dank ihnen ist Ramon jetzt hier und ich bin quasi gezwungen, meinem Herzlein zuzuhören. Und was es mir zuflüstert, das muss ich erst gar nicht mühsam entschlüsseln. Allein mein Verstand warnt mich noch immer vor dem Drängen in mir, mich einfach gehen zu lassen, alles hinter mir zu lassen, und zusammen mit Ramon in ein neues Leben zu starten. Aber dafür finde ich auch noch eine Lösung! Mir dessen vollkommen sicher steige ich aus der Dusche, trockne mich ab und wickle mich in einen von Vinnies Bademänteln. Es geht mir schon viel besser als noch vor vierundzwanzig Stunden. Und wer weiß wie es mir morgen um diese Zeit geht? Vielleicht liege ich da noch mit Ramon im Bett und ... Die Badezimmertür geht auf. "Bese... tzt ..." Zufall! Immer wieder spielt der Zufall mir seine Streiche! Warme, braune Augen richten sich perplex auf mich. "Ich wusste nicht, dass du hier bist! Ich wollte nicht ..." "Schon gut Ramon." Wieder stehen wir uns gegenüber, sind so vorsichtig, als könnten wir etwas Falsches machen, sobald wir uns unüberlegt bewegen. Als wären wir rohe Eier, die schwankend umeinander herumtanzen. Das Gespräch mit Laurin fällt mir wieder ein, und ich komme nicht umhin, Ramons Augen genauer zu studieren. Sieht man es ihm an? Kann man in ihnen ablesen, dass er nicht so ist wie Olaf? Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht. Alles, was ich in ihnen sehe ist das warme, liebevolle Glühen, das er schon immer in seinen Augen hatte. Das und ... Furcht. Furcht davor, dass ich ihn wieder allein zurücklasse? Ist es das? 'Nicht er hat mir weh getan, sondern ich ihm', erinnere ich mich. Ich habe uns aufgegeben, aus Angst, wieder verletzt zu werden, doch er ist sofort hierher gekommen, als er erfahren hatte wo ich bin. Was meinte Vincent gestern Nacht? Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Ramon hat schon viel gewagt, nicht wahr? Und ich? Ich bin wieder geflohen. So kann das nicht weitergehen! Und auch, wenn ich noch keine Antwort auf die wichtigste Frage habe, darf ich auf keinen Fall zulassen, dass Vincents Befürchtung eintritt, und mir Ramon vor der Nase weggeschnappt wird, nur weil ich so lange gezögert habe. Der Gedanke ist einfach zu unerträglich, als dass ich dieses Risiko eingehen könnte. Ramon an einen anderen zu verlieren, wäre schlimmer, als ... Ja als was? 'Schlimmer als meine Angst vor ihm irgendwann zurückgewiesen zu werden', wird mir mit einem Schlag bewusst. Ich muss ihm zeigen, dass ich was für ihn empfinde, und es ist vorerst auch vollkommen egal, wie wir das in Zukunft regeln werden! Ich darf ihn nicht verlieren! Auf gar keinen Fall! Meine Beine bewegen sich von ganz allein, tragen mich die wenigen Schritte zur Tür, in der noch immer mein verdutzter Spanier steht. Ich dränge mich an ihn, vergewissere mich mit einem fragenden Blick, ob das auch okay ist, was es für ihn natürlich ist, und schlinge meine Arme um ihn. "Bleib ruhig", flüstere ich. Seine braunen Augen flackern auf. "Guten Morgen." "... Morgen ..." Meine Mundwinkel ziehen sich nach oben. Ramon kann mein Verhalten anscheinend gar nicht richtig einordnen und weiß auch gar nicht, was er jetzt tun soll. Spannen wir ihn noch etwas auf die Folter. "Morgen? So hast du mich noch nie morgens begrüßt", necke ich ihn und atme tief ein. Ich fasse es nicht, aber er duftet selbst jetzt noch nach Salzwasser, Chili und Sonne! "Buenos días." Ramons Erinnerungsvermögen scheint langsam in die Gänge zu kommen. Aber ... "Da fehlt doch noch immer was", helfe ich ihm auf die Sprünge. Endlich schlüpft ihm ein Lächeln auf die Lippen und er taut regelrecht auf, als er mir ein weiteres Mal antwortet, nachdem er mir nun auch seine Arme umgelegt hat. "Buenos días, mi corazón. War das jetzt richtig?" "Absolut!", gluckse ich und recke mich ihm entgegen. Ramon riecht nicht nur nach Urlaub, Meer und Sonne, nein! Als sich unsere Lippen nach so langer Zeit endlich wieder treffen, merke ich, er schmeckt sogar danach! 'Und nach Früchten. Nach süßen, leckeren Südseefrüchten ...' Unser Kuss wird schnell hemmungsloser, und ich habe Mühe, mich zurückzuhalten. Am liebsten würde ich mir diesen dämlichen Bademantel vom Leib reißen und meinem Spanier hier und jetzt beweisen, was ich noch immer für ihn fühle. Aber ich tue es nicht. Es ist der falsche Zeitpunkt dafür. Schade zwar, doch auch auf eine verquere Weise anregend. Unsere Lippen, die wie zwei Ertrinkende aneinander saugen und beißen, versprechen so viel, und wenn wir diese Versprechen jetzt alle einlösen würden, dann hätten wir ein Problem. Damit meine ich Vince und Laurin. Ich will nicht, dass sie das zwischen uns schon mitbekommen. Nicht heute, jedenfalls. Erst muss ich mir dessen sicher sein, was ich will. Oder besser gesagt: Was ich bereit bin zu tun, um das hier nicht enden zu lassen. Deshalb löse ich mich von Ramon und lehne mich stattdessen gegen seine Brust. Seine Hände haben sich in meine Haare gestohlen und kraulen mich dort sanft. Wie schnell sein Herz rast ... "Mi corazón?", flüstert er leise in mein Haar. Ich fange an zu grinsen. Wie passend. "Hm?" "So gerne ich hier mit dir im Arm auch stehe, aber ich müsste mal ganz dringend." "Oh!" Ich Dummkopf! Ich trete beiseite und mache das Bad für meinen Spanier frei. Die Badezimmertür schließt sich vor mir und Ramons lächelndes Gesicht verschwindet dahinter. Im Flur bleibe ich unschlüssig stehen, entscheide mich dann dazu ins Wohnzimmer zu gehen, um mir schnell was überzuziehen. Saubere Kleidung ist schnell rausgesucht und übergestreift. Perfektes Timing, denn gerade kommt Ramon wieder. "Soll ich draußen warten?", fragt er und bleibt abrupt stehen. "Nein, bin fertig." Er nickt und lächelt mich schmal an. Er weiß noch immer nicht, woran er bei mir ist. "Ramon? Komm bitte her." "Ist das auch in Ordnung?" Unsicherheit spiegelt sich in seinem Gesicht. Daran ist nur mein dämlicher Verstand schuld! Weil er mich weiterhin zurückhält, das zu tun, was ich doch eigentlich will. Doch damit ist jetzt erstmal Schluss! "Dann würde ich dich nicht darum bitten", sage ich und setzte mich auf die noch ausgezogene Schlafcouch. Ramon setzt sich neben mich und schaut mich erwartungsvoll an. Man kann ihm ansehen, über was er gerade nachdenkt. Welche Frage ihn bedrückt. "Lass uns nicht heute darüber reden." "Über was denn?" Ertappt knetet er seine Hände durch. "Tu nicht so! Über Spanien. Darüber hast du doch gerade nachgedacht, oder?" Er verzieht das Gesicht. "Ich will dich nicht zu was drängen! Bitte versteh das nicht falsch!" "Ist schon gut, Ramon. Ich verstehe dich ja. Und ich habe wirklich darüber nachgedacht. Die ganze Nacht lang, aber ..." Ich greife nach seinen Händen und schaue zu ihm auf. "Ich bin mir noch nicht sicher." Traurigkeit in seinen braunen Augen. Aber auch Verständnis. "Das heißt jedoch nicht, dass ich mich gegen dich entscheide! Im Gegenteil! Ich will bei dir sein. Verstehst du?" "Ich denke", wispert er und lächelt mich an. "Aber ich habe mir die letzte Nacht auch so meine Gedanken gemacht. Und ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich hier bleiben werde, falls du nicht mit nach Spanien kommen willst. Ich will auch bei dir sein. Auch wenn das bedeutet, dass ich zurück nach Deutschland ziehen muss." Ich glaube, ich habe mich gerade verhört! "Du willst alles aufgeben? Dein Restaurant? Deine Eltern? Dein bisheriges Leben?! Nur wegen ... mir?" Das kann er nicht ernst meinen! Niemals würde das jemand für mich tun! So was hat noch niemals jemand für mich getan! "Ja. Außerdem ist es ja noch gar nicht mein Restaurant. Und meine Eltern kommen schon klar. Hätte ich mich nicht dazu bereit erklärt das Restaurant in Zukunft weiter zu führen, hätten sie es sowieso irgendwann geschlossen. Da liegt nicht das Problem. Das Problem ist, dass ich nicht zurück nach Spanien kann, wenn ich weiß, dass du hier bist. Und als Koch würde mich dann auch niemand mehr nehmen", kichert er. "Wieso? Du bist doch ein hervorragender Koch!" "Schon vergessen?", fragt er. "Seit du weg bist, bringe ich kein einziges Gericht mehr zustande. Und eine Stelle als Koch findet sich hier sicher auch für mich." So ein Idiot! Wie kann er mir das antun? "Ich will nicht schuld sein, wenn du alles aufgibst. Tu mir das nicht an." "Dann komm mit mir ..." Ramon senkt den Kopf und schluckt ein paarmal. "Überlege es dir einfach. Nimm dir so viel Zeit wie du brauchst. Ich warte auf dich." Mir wird ganz schwindelig. Wie soll ich mich jetzt noch entscheiden können? Unsere Zweisamkeit wird rüde unterbrochen. Ein penetrantes Handyklingeln erfüllt den Raum. Ramons Handy. Das erkenne ich an dem Klingelton. "Ich muss da ran gehen. Mein Papa." Ich nicke und lasse seine Hände los. "Hola?" Ich kann dem Gespräch nicht richtig folgen, dazu ist mein Spanisch zu schlecht und seine Worte zu schnell. Doch an Ramons Miene kann ich erkennen, dass etwas nicht in Ordnung ist. "Ist was passiert?", frage ich ihn deshalb gleich nachdem er aufgelegt hat. "Ramon?" "Meine Mutter. Sie liegt im Krankenhaus." Mein armer Liebling wird mit einem Schlag total blass um die Nase herum. Mich haut die Nachricht aber auch um. "Was? Warum denn?" "Ich weiß nicht genau. Irgendeine Operation. Der Empfang war so schlecht." Seine Hände beginnen zu zittern. "Ich muss nach Hause!", stößt er atemlos hervor und fängt an seine Sachen hektisch zusammenzusuchen. Ich bin selbst ganz in Sorge. Larissa war wie eine Mutter für mich, als ich bei ihnen gewohnt habe. So gut es geht helfe ich Ramon alles einzusammeln und versuche ihn zu beruhigen. Doch was sagt man da am besten? Wenn die eigene Mutter zwei Flugstunden entfernt im Krankenhaus liegt und womöglich gerade operiert wird? "Ich fahr dich zum Flughafen, ja?" "Nein! Nein, ich habe doch einen Leihwagen. Der muss zurück." "Das kann ich doch machen." "Bitte Justin! Ich ... Bleib du hier, ja? Ich nehme den nächsten Flieger nach Mallorca und komme so schnell es geht wieder zu dir. Okay?" "Ist gut", ist das Einzige was ich rausbringe. Ramon fliegt nach Malle zurück … Draußen im Flur begegnen wir Vince und Laurin, denen ich alles erkläre. "So fährst du mir kein Auto!", ranzt Vince Ramon an. "Du zitterst ja! Laurin, du nimmst meinen Wagen und ich fahre mit Ramons Mietwagen vorneweg. Dann kannst du auch sofort in den Flieger springen, während ich deinen Wagen zurückbringe." Laurin tippt auf seinem Handy herum. "Der nächste Flieger ist in eineinhalb Stunden abflugbereit. Da sind auch noch Plätze frei! Wenn wir uns beeilen schaffst du den noch!", informiert er Ramon und steckt sein Handy wieder ein. "Dann mal los!" Vince öffnet die Tür und scheucht alle hinaus. "Ähm ... Leute? Und was mache ich?" "Bleib du am besten hier. Wir sind bald wieder zurück." Wumms. Weg sind sie, lassen mich allein im Flur stehen. "Danke Vince", knurre ich. "Dann bleibe ich eben hier und tue gar nichts!" Und wieder bin ich zurückgelassen worden, als wäre ich ein unfähiger, kleiner Junge, der nichts auf die Reihe bekommt. "Mit mir kann man es ja machen!" Sauer stampfe ich ins Wohnzimmer und suche ein paar meiner Sachen zusammen. Schnell noch in meine Sneakers schlüpfen und schon bin ich startklar. Auf keinen Fall werde ich hier hocken bleiben, und auf die Rückkehr der beiden warten. Und wozu auch? Ramon werden sie ganz sicher nicht mit zurück bringen. Also kann ich auch gehen. Und ich weiß auch schon wohin. ****** Buenas noches - Gute Nacht Buenos días - Guten Morgen Und?Schon gespannt, wohin es Justin verschlagen wird? Und was Ramon in Spanien erleben wird? Und ob er und Justin sich jemals wiedersehen? Fragen über Fragen. xD Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)