[Barkeeper-Reihe 02] Barkeeper in Love von Fara_ThoRn ================================================================================ Kapitel 3: Kapitel 3 - Abgekartetes Spiel ----------------------------------------- Guten Morgäääähn! Es freut mich, dass Jus und Ramon so gut ankommen. Sie sind ja auch knuffig ^^" Ob Jus das endlich auch mal kappiert, erfahrt ihr bald. Aber jetzt noch nicht. :-P Kapitel 3 - Abgekartetes Spiel ~Ramon~ "Und du bist dir sicher, dass das eine so gute Idee ist?" "Die beste überhaupt!" Laurin strahlt mich optimistisch an und reicht mir eine Schürze. "Anton hat uns zugesagt, solange ich ein Auge auf dich werfe. Und wir beide machen deswegen jetzt schnell einen Crashkurs in Sachen Getränke mixen. Bereit?!" Ich murmle ihm ein leises Ja zu und werde daraufhin an Laurins hauseigene Bar gedrängelt. "Super! Jetzt zeige ich dir die Standarddrinks. Wenn du mal eine Zutat im Club nicht mehr weißt, mach dir keinen Stress. Frag einen von uns, aber zur Not haben wir auch noch unten in den Türen Spickzettel versteckt. Da steht alles." "Spickzettel?", frage ich grinsend. Ein Barkeeper mit Spickzetteln! "Ja. Für die Neuzugänge. Also auch für dich!" Laurin schiebt mir einen Mixer in die Hand. "So. Zuerst einen Daiquiri. Der geht super einfach!" Krachend landet das kleine Schäufelchen im Eisbehälter. Auf was habe ich mich da denn wieder eingelassen? Mir dröhnt jetzt schon der Schädel. Ich soll über dreißig Drinks auswendig lernen, und das bis heute Abend! Ich atme tief ein. 'Das tue ich für Justin. Nur für ihn', sage ich mir immer wieder vor, während ich versuche Laurins Erklärungen zu folgen. Ihr fragt euch doch sicher, wie es dazu gekommen ist, dass ich jetzt in Laurins Wohnung stehe und ihm zuhöre, wie er mir Zutaten ins Hirn einhämmert, damit ich die so schnell wie möglich draufhabe. Nun, alles begann heute Morgen nach dem Aufstehen. Nach einer viel zu kurzen Nacht und einem enttäuschten Aufwachen (Justin war nicht zurückgekommen), bin ich in die Küche geschlurft, wo Laurin ganz aufgeregt auf mich gewartet hatte. "Ramon! Du wirst es nicht glauben!", begann er sofort. "Ich habe eben Anton, meinen Boss, angerufen und ihm von dir und Jus erzählt. Und auch von unserem Plan." "Unserem Plan?", fragte ich müde und goss mir dampfenden Kaffee ein. Ich war noch nicht richtig wach und mein Hirn läuft noch nicht gut, wenn ich gerade erst aus dem Bett gestiegen bin. "Ja! Der Barkeeper Job! Du und Justin, Seite an Seite. Weißt du nicht mehr?" Oh ja. Da klingelte was bei mir. "Anton hat zugesagt und gemeint, wenn ich ein Auge auf euch habe, können wir einen Versuch starten." "Und wann?" "Heute Abend!" Ich hatte mich fast an meinem Kaffee verschluckt. Ehrlich gesagt, hielt ich den Plan für noch zu unausgereift, als dass wir ihn schon so schnell in die Tat umsetzten konnten. Dachte ich zumindest. "Heute? Aber Laurin! Ich bin Koch, kein Barkeeper! Ich kann keine Drinks mixen!" "Das bringe ich dir schon bei. Keine Angst." Und nun stehe ich hier, lasse mich in die große Kunst des Drinks mixen einweihen und bekomme jetzt schon Herzflattern, wenn ich nur daran denke, das hier nachher in einem vollen Club zu machen. Dazu kommt noch, dass Justin ebenfalls da sein wird. Wie soll ich mich da konzentrieren?! Das frage ich Laurin auch. "Mach dir keinen Kopf darüber", meint er ruhig. "Ich bin an deiner Seite und nehme dir die gröbste Arbeit ab. Du konzentrierst dich ganz auf unseren kleinen Jus. Klar?" Ich seufze laut. Wenn das mal nicht in die Hose geht! *** ~Ramon~ "Ramon! Was für ein Name! Rrraaamon!" "... Danke ..." Uhwa! Was sind denn das alles für Kerle?! Laurins Arbeitskollegen sind ja ... Wow! Sicher steht mir meine Unsicherheit direkt ins Gesicht geschrieben. Normal bin ich gar nicht so, aber diese Fülle an gutaussehenden und dazu noch eindeutig schwulen Jungs, die haut mich dann doch aus den Latschen. "Bist du Schnuckel schon vergeben?!" Ein junger Mann mit dunklem, kirschrot gefärbtem Haar zwinkert mir zu. Wie heißt er noch mal? Jascha? "Jungs! Lasst Ramon mal in Ruhe. Und ja, er ist vergeben." Laurin rettet mich. "Und jetzt husch, husch!" Er wedelt mit seinen Händen, was die anderen aus der Umkleide vertreibt, während sie noch fröhlich weiter plappern. "So! Jetzt bekommst du noch ein Shirt und eine Schürze", wendet sich Laurin an mich und reicht mir beides. Das Shirt ziehe ich mir einfach über mein anderes. "Wann kommt Justin?" "In zwei Stunden." Ich werde immer nervöser. In zwei Stunden sehe ich mi amor wieder und was dann passiert, das möchte ich mir gar nicht allzu bunt ausmalen. "Hoffentlich rennt er nicht wieder davon." "Dann ist er seinen Job los. Dafür sorge ich!", meint plötzlich jemand hinter uns. Ich drehe mich erschrocken um. "Hallo. Ich bin Marcell." Noch so ein hübscher Kerl! "Ramon", stelle ich mich ihm knapp vor und lächle Marcell an. "Hab's schon mitbekommen. Die anderen reden nur von dir." Oh no! Auch das noch! "Was machst du eigentlich hier? Hast du nicht frei?", fragt Laurin seinen Arbeitskollegen. "Eigentlich schon, aber als Anton mir erzählt hat, was du heute vorhast, musste ich einfach mit hierher kommen! Gerade wenn es um Jus geht. Wir wissen ja, was der alles für einen Unsinn verzapft, wenn er erstmal in Wallung gerät." Die scheinen meinen querido ja wirklich gut zu kennen. "Lieb von dir! Und Anton? Ist der auch schon hier?" "Ja. Der ist oben und ... duscht." Marcell wird rot. Ich kann ein Grinsen nicht unterdrücken. Da lässt sich wohl jemand von seinem Vorgesetzten vernaschen. "Ach, dein Schatz duscht? Zis zis zis." Laurin grinst ebenfalls und meint zu mir: "Mit dem hier musst du dich gut halten. Der schläft mit dem Boss. Und noch viel, viel mehr ..." Daher also der Spruch vorhin, von wegen, er will meinen Justin feuern lassen, wenn er wieder vor mir flüchtet. Soweit werde ich es natürlich nicht kommen lassen. "Danke Laurin für deine Diskretion!", feixt Marcell. "Gern geschehen." So lustig es gerade ist, aber mir kribbelt's im Nacken. Das tut es immer, wenn ich arg nervös bin. Nervös kratze ich mich an der kribbelnden Stelle. "Mensch! Wenn das hier klappt, lade ich euch alle nach Mallorca ein", seufze ich mit dünner Stimme. Marcell klatscht in die Hände und zeigt dann mit dem Zeigefinger auf mich. "Abgemacht! Rausreden gilt nicht! Und wehe Justin stellt sich quer! Dann kann er was erleben!" Aus der Nummer komme ich jetzt nicht mehr raus, oder? Mir soll es recht sein. Hauptsache Justin gibt mir nochmal eine Chance. Dafür würde ich glatt alles tun. Zu dritt marschieren wir den Flur entlang auf den eigentlichen Club zu. Laute Musik, wummernde Bässe und überall wo man hinsieht tanzende Menschen. "Komm mit! Wir müssen bis ganz hinten durch!" Ich folge Laurin, der mich hinter der riesig langen Theke zu meinem heutigen Arbeitsplatz führt. "Immer lächeln und freundlich bleiben, klar?" "Klar." So doof bin ich nun auch nicht. Jedoch wird mir schon nach kurzer Zeit so richtig bewusst, was Laurin damit eigentlich gemeint hat. Die Gäste sind echt aufdringlich! "Hey! Bist du neu? ... Bock nachher mit mir zu verschwinden? ... Wann hast du denn Pause, mein Süßer?", sind noch die nettesten Anmachsprüche. "Die sind ja forsch!", flüstere ich Laurin ins Ohr. "Was glaubst du denn? Du bist Frischfleisch für die. Sag mir aber jetzt bloß nicht, dass in Spanien nicht so rangegangen wird!" "Doch! Aber ich wusste nicht, was man als Barkeeper sich alles anhören muss!" Noch schlimmer ist aber, dass ich am liebsten dem einen oder anderen gern mal einen doofen Spruch reingedrückt hätte, für seine Dreistigkeit. Aber das geht natürlich nicht. "Lächle einfach und sag, dass du vergeben bist. Oder flirte ein wenig und kassiere ordentlich Trinkgeld!" Laurin lacht mich an und schüttelt den Mixer. Mir dagegen beginnt schon wieder der Kopf zu schwirren. Wann kommt Justin nur endlich?! ~Justin~ Noch etwas zu früh dran, checke ich noch mal meine Frisur in der Umkleide. Man kann nie gut genug aussehen, habe ich festgestellt. Dann sind die Trinkgelder besser und man bekommt ordentlich das Ego geputzt. Eigentlich ist mir heute ja gar nicht danach, aber ich will wenigstens meine Arbeit gut machen, wenn meine Laune schon auf dem Tiefpunkt ist. "Der ist ja sooo geil!" "Oh ja! Den würde ich gern mal so richtig ... Oh! Hey Jus!" Mit einem schiefen Grinsen begrüße ich zwei meiner Kollegen. "Wer ist geil? Und wen würdest du gern mal so richtig?", frage ich, obwohl es mich gar nicht wirklich interessiert. Doch ich sehne mich nach Ablenkung. Dazu ist mir sogar der neuste Tratsch im Velvet recht. "Der neue Barkeeper! Ein echtes Schnuckelchen!" "Ach so." Na dann. Wieder ein Neuzugang. Im Moment geht es hinter der Bar ja zu wie im Taubenschlag. "Angeblich isser vergeben, aber ich bekomme ihn bestimmt noch rum. Wer will mit mir wetten?" Nach dem Spruch starre ich Achim sauer an. "Wenn der Neue wirklich vergeben ist, dann lass deine Finger von ihm!" So was kann ich ja gar nicht ab! "Ach Jus! Jetzt schieb mal nicht so 'ne Welle", stöhnt Achim und verdreht die Augen. "Fändest du es etwa lustig, wenn ich mich an deinen Freund ranmachen würde?" "Ich habe keinen Freund." "Dann hoffe mal lieber, dass der Freund des Neuen nicht hinter deinen Plan kommt. Ich an seiner Stelle würde dir nämlich gehörig den Arsch aufreißen!" Habe ich schon erwähnt, dass ich schlechte Laune habe? "Ist das ein Versprechen, mein Süßer?", gluckst Achim bloß und zwinkert mir zu. Idiot! "Lass mal lieber. Ich bin heute nicht in Flirtstimmung." "Man merkt's", sagt nun Micha, der andere der beiden zu mir. "Was'n los?" "Nichts, was euch was anginge." Neugieriges Pack! "Ah! Liebeskummer!" "Ach halt die Klappe Achim!" Ich lasse die beiden einfach stehen und laufe durch den Flur Richtung Bar. Die können mich heute alle mal kreuzweise! Es ist mal wieder brechend voll im Velvet. Hitzige Leiber drängen sich aneinander, einige der Gäste knutschen wild auf der Tanzfläche und eine ganze Schar Trinkwütiger drängt sich an die Theke. Wunderbar! Das wird mich richtig gut ablenken. Ablenken, von meinen ständig im Kreis rasenden Gedanken, die sich natürlich nur um eins drehen: Ramon. "Justin! Da bist du ja!" "Hallo Marcell." Verdutzt starre ich ihn an. "Du hast heute Dienst?" Der stand doch gar nicht auf dem Plan, oder? "Nee. Ich bin nur als Verstärkung hier ... apropos ... geh du mal lieber hinten hin. Da brennt's." "Na schön." Was auch immer da brennen mag, ich widerspreche Marcell mal lieber nicht. Nicht, weil er mit dem Boss zusammen ist, aber als erfahrener Barkeeper weiß er eben wo die Arbeit klemmt. Ich schlängle mich also an meinen Kollegen vorbei, grüße hier und da einen von ihnen und stelle mich hinter einen gerade frei gewordenen Zapfhahn. "Hey Süßer. Was darf's sein?" Auf mein 'Hey Süßer' springen gleich drei Kerle an, die gleichzeitig ihre Bestellung bei mir aufgeben. Hach, ich liebe es ... Ich arbeite sie alle gewohnheitsmäßig ab, schiebe ihnen ihre Drinks zu, ziehe sie ab, lächle und bedanke mich für's Trinkgeld. Alles eben wie immer. Bis es plötzlich "Hola mi corazón" hinter mir flüstert. Ich schließe kurz die Augen. Jetzt bilde ich mir sogar Ramons Stimme ein! Gott! Ich vermisse ihn so! Mein Herz zieht sich zusammen, was sich aber wieder schlagartig ändert, als mir ein Gast seine Bestellung entgegenblökt. "Mach ich dir sofort." Ich drehe mich, will gerade zu den Gläsern greifen, die hinter mir an der Wand in dem großen beleuchteten Glasregal stehen, renne aber gegen einen meiner Kollegen. "Oh! Tut mir leid. Hab dich gar nicht ... Ramon?!" Ungläubig starre ich in das Gesicht vor mir. Bilde ich mir das jetzt nur ein, oder ...? "Justin! Endlich bist du hier!" Ramon macht Anstalten mich umarmen zu wollen, lässt es dann aber. Zum Glück, denn ehrlich gesagt, wüsste ich nicht, was ich dann tun würde. Total überrumpelt stelle ich fest, dass er Schürze und Shirt des Velvet trägt. Woher ...? "Sei jetzt bitte nicht sauer Justin, aber ich ... Lass uns bitte miteinander reden, ja?" Flehend sieht mich Ramon an. Reden ... Hatte ich das nicht sowieso vorgehabt? Ja, aber dann, wenn ich es für richtig halte. Wenn ich Zeit und Ort für eine Unterhaltung bestimmen kann. Mich vorher darauf vorbereiten kann. Jetzt werde ich aber schon wieder von ihm überrumpelt, werde quasi überfallen, obwohl ich noch gar nicht weiß, was genau ich zu ihm sagen will. Und überhaupt: Hier, in diesem laut-bunten Durcheinander des Clubs, rede ich ganz sicher nicht mit ihm! Ich senke den Blick, denke nach und schaue dann in der Gegend herum. Laurin fällt mir auf, der mich im selben Moment anschaut und mich um Verzeihung bittend anlächelt. Das macht mich wieder sauer! Er hat ihn mit hierher geschleift, nicht wahr? Ihn in unsere 'Barkeeper-Kluft' gesteckt und mir vor die Nase gestellt. Und als Marcell dann noch auftaucht und meint: "Ich übernehme deine Gäste." Da fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Das alles ist ein abgekartetes Spiel! Nun werde ich richtig sauer! Ich drehe mich einfach um und stürme nach vorn, nur weg von der Bar, von meinen hinterhältigen Freunden und weg von Ramon, der meinen Namen ruft und mir sicher hinterherrennt. Er will also mit mir reden? Na schön! Aber das wird er nach meinen Spielregeln machen müssen! ~Ramon~ "Justin! Renn doch nicht wieder weg!" So schnell ich kann haste ich meinem Schatz nach, wobei ich aufpassen muss, nicht einen der anderen Barkeeper umzurennen, die erst Justin, dann mir verblüfft nachschauen. Das ist mir allerdings vollkommen egal. Ich habe nur noch Justin vor Augen, der gerade in den Flur zu den Räumen der Angestellten verschwindet und erkenne noch gerade so, dass er in eine Tür nach links abbiegt. Die Toiletten. Ich bin nur wenige Sekunden nach ihm im Raum, und höre, wie eine der Kabinen von innen abgeschlossen wird. "Justin?!" Mein kleiner Querkopf hat sich tatsächlich in der Toilette eingeschlossen! Kurzerhand betrete ich die Kabine neben ihm und schließe ebenfalls ab. "Jus?" "Was willst du?!", faucht er mich an. "Das weißt du ganz genau", antworte ich und klettere auf den Toilettendeckel. "Wieso ...?" "Wenn du jetzt über die Kabinentür guckst, bin ich schneller weg, als du mi corazón sagen kannst." Leise lachend halte ich inne und springe wieder vom Toilettensitz herunter. Seine spanische Aussprache ist wie gewohnt total grottig! "Gut. Aber reden wir trotzdem miteinander?" "Kommt drauf an, was du bereden willst", zischt er. Dabei weiß er doch mit Sicherheit, was für Fragen in mir brennen. "Warum bist du abgehauen?", fange ich auch gleich an, in der Hoffnung, dass er endlich mit mir darüber redet, was in Spanien, und auch davor in Deutschland, vorgefallen ist. Ich höre Justin tief einatmen. "Du hast mich überfordert mit deinen dummen Einzugsplänen!" "Das hättest du mir auch sagen können, anstatt mit dem nächstbesten Flieger nach Deutschland zu flüchten." Er sagt nichts dazu und ich warte ab. Was soll ich auch groß sagen? 'Außer das, was mir schon seit Wochen auf der Seele brennt.' Ich überlege. Und dann fange ich schließlich doch an mir alles einfach von der Seele zu reden. Zögernd und mit leiser Stimme teile ihm mit, wie es mir ohne ihn ergangen ist. "Ich bin fast gestorben, als du plötzlich nicht mehr da warst." Ja, so war es. Mir ist das Herz stehen geblieben, als ich das leere Zimmer vorgefunden habe. "Ich habe dich überall gesucht. Habe alle Räume im Haus abgesucht, bin rausgerannt, habe den Strand nach dir abgesucht, danach bin ich die Straße entlanggelaufen, habe dich aber auch dort nicht gefunden. Dann bin ich zum Flughafen gefahren, weil es mir am plausibelsten vorkam. Doch dort warst du auch nicht. Ich hab mir dann noch ein Ticket gekauft, damit ich durch die Sicherheitskontrollen konnte, aber dein Flieger war schon weg." Mein Bauch fühlt sich noch immer ganz taub an, wenn ich daran denke. Die Hilflosigkeit, die Angst, Justin nie wieder zu sehen. Ich wusste ja auch nicht mal, wo genau er in Deutschland wohnt. Nie hat er was über sein Leben dort verraten, und ich habe es einfach so hingenommen. Habe geglaubt, irgendwann würde er es mir erzählen. Nach seiner Flucht, hätte ich mich dafür ohrfeigen können. Ich habe mich immer wieder selbst verflucht, wieso ich ihn nicht einmal danach gefragt habe. "Ich bin nach Hause, hab dein Zimmer nach irgendwelchen Dingen abgesucht, die mir vielleicht hätten weiterhelfen könnten, fand aber nur den Zettel." "Den Zettel habe ich dir geschrieben, weil du mir nicht nachlaufen solltest", flüstert Justin leise. Seine Stimme halt dennoch von den Fliesen wieder. Mechanisch. Als würde er einen auswendig gelernten Text aufsagen. "Ich sollte dir nicht nachlaufen?!" Sauer starre ich die schwarze Toilettenwand an, die uns voneinander trennt. "Meinst du, ich hätte dich wirklich einfach so gehen lassen, nur weil du mir auf so einem dämlichen Zettel mitgeteilt hast, dass es dir leid täte, du aber nichts Festes willst?!" "Ja genau! Ich will nichts Festes! Würdest du das endlich mal versteh..." "Scheiße Jus!" Ich patsche mit meiner Hand gegen diese dämliche Trennwand. Gedanklich kann ich meinen Süßen zusammenzucken sehen. "Red nicht so einen Stuss! Ich weiß Bescheid! Über dich und diesen Kerl, wegen dem du ins Ausland geflohen bist! Du hast bloß Angst davor, dass ich dich auch fallen lasse, nicht wahr? Und ganz ehrlich? Ich kann es sogar verstehen, dass du so denkst, wenn du so sehr verletzt worden bist, wie ich vermute. Aber bei aller Liebe! Du kannst mich nicht einfach so mit dem Rest der Welt über einen Kamm scheren! Und erst recht kannst du mich nicht mit deinem Ex vergleichen! Das ist mir gegenüber nicht fair. Das ist uns gegenüber nicht fair." Ich habe mich richtig in Rage geredet, habe die Hand noch immer auf der Trennwand liegen, die ich jetzt langsam sinken lasse. "Justin, ich liebe dich. So sehr, dass ich seit deiner Flucht nicht mehr schlafen kann. Ich bekomme keinen Bissen mehr hinunter und ans Kochen ist kaum noch zu denken. Ich lasse alles anbrennen und den Rest versalze ich. Und das nur, weil ich ständig an dich denken muss, mich ständig frage, warum du mich nicht lieben kannst ..." Ich lasse den Kopf hängen. Warum versteht er das nicht endlich? "Er hieß Olaf", wispert Justin leise. So leise, dass ich ganz genau zuhören muss, um ihn zu verstehen. "Ich lernte ihn auf meiner neuen Arbeitsstelle kennen. Er war einer meiner Kollegen, mir denen ich zusammenarbeitete. Wir verstanden uns gut und kamen relativ schnell zusammen. Jetzt weiß ich, dass er mich ganz bewusst um seinen Finger gewickelt hatte, doch zu der Zeit raffte ich das noch nicht. Ich war bis über beide Ohren verliebt in ihn und trieb blind auf meiner rosaroten Wolke dahin. Er war so erfahren. So reif. Er war all das, was ich mal werden wollte. Keine zwei Monate waren wir zusammen gewesen, als er mir vorschlug, mit ihm zusammenzuziehen. Ich war im siebten Himmel. Ich kündigte also das Zimmer in meiner WG, packte mein Zeug und schaffte alles in sein Haus. Olafs Zuhause war riesig! Ich war vorher noch nie dort gewesen. Immer waren wir bei mir gewesen, oder sind zusammen ausgegangen. Im Nachhinein war es richtig blauäugig von mir, so mir nichts dir nichts zu ihm zu ziehen. Die tolle Wohnung allerdings brachte die kleine leise Stimme in mir, die mich darauf aufmerksam machen wollte, wie verrückt diese Aktion doch eigentlich war, zum verstummen. Unzählige Zimmer mit angrenzendem Bad, unten eine große Terrasse und oben hatte fast jedes der Zimmer einen Balkon, eine große Küche und ein helles, großes Wohnzimmer mit Essbereich. Es war Wahnsinn! Viele Gedanken darum, warum er so viele Zimmer hatte, machte ich mir gar nicht. Es war halt so. Ich ließ mir von ihm ein geräumiges Zimmer zeigen, das von nun an meins sein sollte. Nur rein formell, meinte er, wegen der Miete." Justin lacht humorlos auf. "Ich war wirklich total blind gewesen. Ich packte brav meine Koffer aus, richtete mich gemütlich in meinem tollen Zimmer ein, bis es an meine Tür klopfte. Ein junger Mann stand plötzlich vor mir. Er lächelte mich offen an und war nicht unattraktiv. Im Gegenteil. Erst dachte ich, er sei ein Bekannter von Olaf. Doch es stellte sich heraus, dass er ebenfalls in diesem Haus wohnte. Ray hieß er und machte auf mich einen ganz netten Eindruck. Noch immer dachte ich mir nichts dabei. Gut, dann ist das hier eben wie in meiner alten WG. Wen stört's? Ich war mit Olaf zusammen, das war alles was für mich zählte. Abends dann, ich saß im Wohnzimmer und zappte durchs TV Programm, hörte ich, wie die Haustür aufgeschlossen wurde. Drei Männer kamen herein. Sie sahen mich, grinsten und setzten sich zu mir. Ich war total überrumpelt. 'Du bist der Neue?', fragte mich einer von ihnen und ich nickte ganz perplex. Sicher auch Freunde von Olaf, dachte ich. Warum sie ebenfalls einen Haustürschlüssel hatten, fragte ich mich zwar, doch ich verdrängte diese Frage. Wir unterhielten uns, und alles war ganz normal, bis mich plötzlich einer von ihnen anfasste. Seine Hand ruhte schwer auf meinem Oberschenkel, die ich aber sofort wegstieß. Doch er ließ nicht locker, faselte was von 'alles miteinander teilen' und dass Olaf nichts dagegen hätte. Bestürzt sprang ich vom Sofa auf und rannte hoch. Ich wollte Olaf von seinen ungehobelten Freunden berichten, dass sie mich angemacht hatten und Unsinn über ihn erzählt hatten. Ich vermutete Olaf in seinem Büro, wo er eigentlich arbeiten wollte, aber dort war er nicht. Ich rief ihn, schaute hinter jeder Tür nach, bis ich ziemlich eindeutige Geräusche aus Rays Zimmer hörte. Mich beschlich ein mehr als mieses Gefühl, also schaute ich nach. Und dann sah ich sie. Ray auf allen Vieren und Olaf in eindeutiger Pose hinter ihm. Sauer wollte ich meinen Partner zu Rede stellen, doch was tat er? Er grinste, klopfte dreist auf Rays Hinterteil und fragte mich, ob ich nicht mitmachen wolle. Das sei hier so üblich. In diesem Haus würde alles miteinander geteilt werden, auch das Bett. Nun verstand ich auch, was dieser Typ unten gemeint hatte. Ich war in irgend so einer komischen Fick-Kommunen-Scheiße gelandet! Die fünf trieben es gemeinsam wild durcheinander, wollten mich auch noch dazu überreden, bei ihrem Spiel mitzumachen, aber nicht mit mir! Ich packte die nötigsten Sachen und verschwand. Bei Daniel, einem Freund von mir, kam ich kurzfristig unter, bis ich es nicht mehr aushielt. Ich wollte Olaf nicht mehr sehen, konnte es nicht, weshalb ich auch noch meine neue Arbeitsstelle schmiss. Ich wollte nur noch weg. Ganz weit weg. So kam es dazu, dass ich mein ganzes Geld zusammenkratzte und in Europa umherreiste, und schlussendlich zu dir kam." Fassungslos starre ich auf den Boden vor mir. Wenn mir dieser Olaf jemals in die Finger kommt! Nebenan in der Kabine höre ich Justin leise schluchzen. Ich denke nicht groß darüber nach, rapple mich auf, steige auf den Toilettensitz und ziehe mich an der Trennwand hoch. "Was ...? Ramon!" "Platz da mi corazón!" Mit einem Fuß auf dem Spülkasten schwinge ich ein Bein über die Trennwand. Dabei passe ich tunlichst auf, dass ich mich nicht selbst kastriere. Was für ein Glück, dass ich lange Beine habe! Zwischen Decke und Trennwand quetsche ich mich hindurch und stoße mich mit dem Fuß, den ich auf dem Spülkasten habe, ab. "Ramon! Du spinnst! Du brichst dir noch alle Knochen!" Justin greift nach mir, stützt mich, als ich auf der anderen Seite wieder hinabrutsche und mit beiden Füßen auf dem Boden lande. Huh! Alles nochmal gut gegangen! "Ramon! Was ... Ach Mann!" Als ich mich umdrehe, macht Justin ein ganz gequältes Gesicht. Er hat geweint, wie ich vermutet hatte. "Oh mi amor! Nicht weinen!" Meine Worte nützen nichts. Die Augen meines Süßen quellen wieder über, sodass ich ihn fest an mich ziehe. Er wehrt sich nicht, schmiegt sich sogar an mich. "Mein lieber, süßer Justin. Ich werde dir niemals wehtun. Das verspreche ich dir. Und ich werde dich auch niemals mit irgendjemandem teilen. Dazu liebe ich dich viel zu sehr." Sein schmaler Körper zittert richtig. Mit geschlossenen Augen schmuse ich mit meiner Nase durch sein Haar. "Ich liebe dich", wiederhole ich. "... Te amo mi corazón." ~Justin~ Wie ein Ertrinkender klammere ich mich an Ramon. Es tut so gut, ihm wieder nahe zu sein, bei ihm zu sein. Mein Widerstand bröckelt dahin und ich umarme ihn immer fester. "Te amo Justin. Glaube mir doch. Ich werde dich nicht enttäuschen. Niemals", flüstert er mir immer wieder zu. Ich würde es so gern glauben! "Mi corazón ..." "Schwöre es mir", schluchze ich und rücke ein Stück von ihm ab, um ihm in die Augen sehen zu können. "Schwöre mir, dass du für immer bei mir bleiben wirst!" Wie soll er mir das schon schwören können? "Solange du mich willst, werde ich dich nicht mehr gehen lassen. Das schwöre ich dir." Ramon strahlt mich regelrecht an. "Das wusste ich schon, als ich bei unserer zweiten Begegnung deine Socken vom Boden gefischt habe." Noch immer laufen mir Tränen über die Wangen, doch jetzt fange ich an zu lachen. "Idiota!" "An deinem Spanisch musst du wirklich noch arbeiten." Ich frage nicht nach, wieso ich das tun soll. Ich mag jetzt nicht daran denken, dass er mich immer noch mit zurück nach Spanien nehmen will. Fürs Erste reicht es mir, dass wir uns ausgesprochen haben. "Justin? Meinst du, wir können von hier verschwinden?" "Ich weiß nicht ..." Das weiß ich wirklich nicht. "Ich muss erst nachfragen. Wieso fragst du?" "Wir haben noch einiges zu bereden, oder findest du nicht? Und das geht viel besser, wenn wir nicht in einer Toilettenkabine stehen, oder?" Wo er Recht hat, hat er Recht. ****** Mi amor - mein Herzblatt, meine Liebe Mi querido - mein Schatz Te amo mi corazón - Ich liebe dich mein Herz Idiota - Idiot Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)