Verhängnisvolle Nacht von fastcaranbethrem ================================================================================ Kapitel 1: Kälte und Nässe -------------------------- Der andauernde Regen der vergangen Tage hatte die Straßen in Schlammpfützen verwandelt. Angetrieben von den Wassermassen trieb der Pariser Unrat die Gassen hinunter. Die kalten und nassen Tage hatten bei den Menschen ihre Spuren hinterlassen. Mit den ewig nassen Füßen und der klammen Kleidung kamen die Krankheiten. Die Ärmsten der Armen litten am meisten und es häuften sich die Gewalttaten. Nicht zum ersten Mal wurde die Hilfe von Trevilles Musketiere für die Sicherung der Stadt benötigt. Unablässig zogen seine Männer zusammen mit Richelieus Garde durch die Straßen und versuchten Ordnung zu schaffen. Der Nachmittag ging zu Ende. Das mausgraue, schattenlose Licht ging langsam in eine form- und farblose Dämmerwelt über. Der Regen hatte aufgehört, in den Straßen lag ein feuchter Nebel, der aus der Seine heraufzog. Die Straßen waren fast menschenleer. Nur eine Ratte, die von einer streunenden Katze erwischt worden war, quietschte irgendwo. Aramis stolperte über einen Abfallhaufen. Monoton klapperten ihre Zähne. Haare und Kleidung klebten an Aramis Körper und ihre Füße badeten schon seit geraumer Zeit in ihren Stiefeln. Sie dachte plötzlich an ihr Leben bei ihrem Onkel zurück, was sie seit Jahren nicht mehr getan hatte. Dort konnte sie so lange schlafen, wie sie wollte und musste nicht in kalten Winternächten oder an heißen Sommernachmittagen arbeiten. Zu spät bemerkte sie den breiten Schatten, der unmittelbar vor ihr aus dem dichten Nebel auftauchte und auf sie zurannte. Der Sprung in die Sicherheit endete in einer Pfütze und neues Wasser schwappte in ihre Stiefel. "Porthos?" Der breite Schatten versuchte in einer grotesken Drehung zum Stoppen zu kommen. Angetrieben vom eigenen Schwung, torkelte er unkoordiniert die Straße entlang. Aramis Grinsen erstarb, als sie in das ernste Gesicht ihres Freundes blickte. Porthos gutmütiges Gesicht war von Sorgenfalten umschattet. "Athos ist beim Dienst zusammengebrochen. Ich habe eben André getroffen", erzählte er atemlos, während er Aramis vor sich her die Straße hinuntertrieb. "Was?" "Ja, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, sah er schon krank aus. Aber er wollte nicht auf mich hören. Er hat sich jedes Mal zur Arbeit gequält und nun ist es passiert. Zwei von unseren Leuten haben ihn wohl nach Hause gebracht und wollen sich um einen Arzt kümmern. Treville weiß auch Bescheid." Nach kurzer Zeit gelangten sie zu Athos Wohnung und begaben sich direkt ins Schlafzimmer ihres Freundes. Neben seinem Bett stand eine hagere Gestalt. Bei ihrem Eintreten drehte sie sich ihnen entgegen. Aramis taumelte erschrocken einen Schritt zurück, Porthos zog scharf die Luft ein. Der knochige Körper war vollständig in schwarz gekleidet. Das dunkle Haar klebte glatt und glanzlos am Schädel, während weißgelbliche Haut den Schädel mit eingesunkenen Augen umspannte. Die Todeserscheinung betrachtete ihre Reaktion mit der Gelassenheit eines Mannes, der sich seiner Wirkung auf andere durchaus bewusst war. "Ich bin NUR der Arzt!". Sein Mund verzog sich zu einem schalen Abklatsch eines Lächelns. Ihre beiden Kollegen sahen bei ihrem Eintreten erleichtert auf und verließen fluchtartig das Zimmer, froh lebendig entkommen zu sein. Athos lag zusammengekrümmt im Bett. Er zitterte und dämmerte dumpf vor sich hin. Seine Augen waren halb geschlossen und unter den Lidern war das Weiß der Augäpfel zu sehen. Es war schmerzlich für seine Freunde, ihn in einer derart verzweifelten Lage zu sehen. Das Bett war abgezogen worden, doch der Gestank von Erbrochenem lag noch in der Luft. Seelenruhig packte der Arzt seine Utensilien zusammen. "Tun Sie Ihr Bestes, um ihn wieder gesund zu machen ... bitte!" "Ich tue bei JEDEM Patienten mein Bestes", erwiderte der Arzt scharf. "Das Fieber muss gesenkt werden! Ich kann nicht hier bleiben und mich die ganze Nacht um ihn kümmern. Jeder Zweite ist bei diesem verfluchten Wetter krank und ich werde überall gebraucht. Er ist jung und kräftig und hat gute Chancen gesund zu werden. Was er jetzt braucht ist Pflege!" "Warten Sie ...!", Porthos unternahm den hilflosen Versuch, den davoneilenden Arzt aufzuhalten und stellte sich ihm in den Weg. Ungeachtet Porthos breiter Gestalt, schlängelte der Mediziner seine drahtige Gestalt um die Barriere, ohne seinen Redefluss zu unterbrechen. "Ich lasse Ihnen Medizin zur Fiebersenkung da! Reiben Sie ihn wiederholt mit kaltem Wasser ab! Halten Sie ihn kühl! Wenn er durstig ist, geben Sie ihm niemals klares Wasser! Honigwasser ist in Ordnung! Wenn er sich besser fühlt, Hühnerbrühe ...." Zurück blieben Gänsehaut und der Geruch von Kräutern. Aramis setzte sich zaghaft, während Porthos hilflos die Schultern hängen ließ. "Wir müssen einen anderen Arzt finden! Dieser hier war nicht gerade sehr vertrauenserweckend." "Wir werden niemand anderen finden. Du hast es ja gehört, überall sind die Leute krank und es ist schon Abend", antwortete Aramis müde. "Er hat ihn nicht mal zur Ader gelassen." Aramis legte den Kopf schräg. "Ärzte lassen die Leute hauptsächlich deshalb zur Ader, damit man den Eindruck bekommt, dass der Arzt aktiv ist." Sie sah Porthos an und bemerkte die müden Züge und die nasse Kleidung. "Du hattest gerade Schicht?" "Ja, du solltest mich ablösen", antwortete Porthos. "Geh nach Hause und leg dich schlafen!" Nichts sehr überzeugend schüttelte Porthos seinen Kopf. "Du wirst sonst auch noch krank," beharrte Aramis. "Ich kümmere mich die Nacht über um Athos und du kannst mich morgen ablösen." Mit einem letzten Blick auf seine Freunde verließ Porthos die beiden für den Rest der Nacht. Wiederholt wechselte Aramis die feuchten Tücher auf Athos Stirn. Unruhig warf er sich hin und her. "Marieee...!" murmelte er. Er grub seine Finger schmerzhaft in Aramis Unterarm und zog sie näher zu sich. Aramis versuchte seine Worte zu verstehen. Wer war Marie? "M ....arie!" Athos öffnete die Augen. Sie konnte selbst im Dunkeln den fieberhaften Glanz darin erkennen. Einen Moment lang sah er sie mit leeren Augen an, dann schienen seine Pupillen sie zu erfassen. Er legte seine Hand in ihr Genick und zog ihren Mund zu seinem herunter. Er war im Fieberwahn. Woher hat er nur die Kraft, dachte Aramis, dann berührten Athos Lippen ihre. Ein Fuß auf dem Boden, den anderen in der Luft schwebend, im Himmel, ihr Körper halb über seinem, schlang sie ihre Arme um seinen Kopf und zog ihn näher zu sich. 6 Jahre lang wurde sie als Mann gesehen und als solcher behandelt. Eine sehr lange Zeit, eine sehr einsame Zeit. Was sie in dieser langen Zeit so sehr vermisst hatte, holte sie nun um so leidenschaftlicher nach. Die Glocken von Notre Dame läuteten Mitternacht ein. Gemächlich rollte sich Aramis von Athos Bett und zog sich an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)