V-M4: A Long Way Home von Morbilli (Virus M4 - Ryan & Vik) ================================================================================ Kapitel 15: Einsame Nächte -------------------------- „Vik! Vik … halt nur durch, du musst es irgendwie wegschaffen, du bist flink genug!“, rief er noch knapp, ehe er fortgeschleppt wurde. Ein nur allzu bekannter Abschiedsschmerz kam in ihm auf, als er Viktoria aus seinem Blickfeld verlor, seine letzten Abschiede waren ebenso kurz und abrupt von statten gegangen, nicht weniger belastend. „Ryan … mein Knie …“, schluchzte sie, während sie sich dagegen wehrte fortgeschleppt zu werden. Das ist übel, dachte er bei sich. Ein ungutes Gefühl und die Befürchtung, dass dies sein eventuell letzter Blickkontakt mit seiner Begleiterin war. Seine letzten Kraftreserven verließen ihn bei seinen pessimistischen Vorstellungen. „Zurück zum … zum Blumengeschäft. Über den Sonnenblumen sind Notreserven für ein paar Tage“, schrie sie hastig. „Ryan! Vergiss mich nicht! Bitte … Finney Street 415 -- Fort-Viertel, da hab ich gewohnt … Bitte! Ich … Ich liebe dich!“, hallte es aus der größer werdenden Entfernung zu ihm. Der schwarzhaarige Bogenschütze, den die Frau Cerberus genannt hatte, hatte seine Schritte verlangsamt, um auf Ryans Höhe zu kommen. Er holte eine Zigarettenschachtel aus der Jacketttasche und zündete sich eine an. „Mir kommen gleich die Tränen. Herzzerreißend, mein Gott. Muss sich scheiße anfühlen, auf so was keine Antwort geben zu können“, sagte er kalt lächelnd an Ryan gewandt und blies ihm den Rauch direkt ins Gesicht. Nun wurde ihm, während er fortgeschleift wurde, doch intermittierend schwarz vor den Augen. Wie weit er geschleppt wurde konnte er nicht sagen, noch wie viel Zeit vergangen war seit er Viki aus den Augen verlor. Schlussendlich landete er wie ein Tier in einen Käfig, seine Ausrüstung war ihm abgenommen worden und er wurde mit seinen Wunden vorerst alleine zurückgelassen, irgendwo in der Nähe des Parks wie er vermutete. Seine Gedanken hingen bei Viktoria, wurde sie ähnlich behandelt? Würde er sie wiedersehen? Gelang ihr wahnwitziger Weise vielleicht sogar die Flucht? Er hoffte es inständig, wer weiß was sie sonst noch bei diesem Kranken erleiden mussten … Während er seinen Gedanken nachhing wickelte er beiläufig eine Schicht seines Verbandes von seinem rechten Arm ab, um mit dem so gewonnenen Mull die blutende Schulterwunde abzudrücken. Der Rest des Verbandes hatte sich bereits wieder an sporadischen Stellen mit Blut vollgesogen. Erst als er die Schritte der hochgewachsenen Schwertträgerin hörte, sah er von seiner Wunde auf. Vor seinem Käfig teilte seine Wache der rothaarigen Frau mit: „Die Frau ist weiter hinten, im Nordbereich“, und machte nach ihrem knappen Nicken reumütig davon. „Sprich, wer hat die Wölfe ermordet? Die volle und wahre Geschichte!“, verlangte die Frau zu wissen. „Lüg nicht, glaube mir, ihr werdet sonst beide teuer bezahlen“, ergänzte sie ernst und sah Ryan forschend an. Glaubte sie ernsthaft, dass er sich selbst zu liebe Vik über die Klinge springen lassen würde? „Ryan Bradon Delta Force Operator, Dienstnummer 52239495.“ Mit einem verächtlichen Schnauben spuckte er einen Klumpen geronnenem Blutes aus. „Wie geht es meiner Partnerin? Wo ist sie und was haben Sie ihr angetan?“ Der Sanitäter war angestrengt bemüht seine Emotionen zu kontrollieren. Wut, Angst, Verachtung und Hass trieben in seinem Inneren ihr Unwesen. „Ihr geht es soweit gut, mehr brauchst du nicht zu wissen“, gab sie ihre knappe Antwort, ehe sie weiter sprach, „Nun sprich oder wir machen weiter mit der Folter!“ „Das nennt ihr Folter? Wenn ihr wollt, dass ich von der wahren Geschichte abweiche, müsst ihr euch schon etwas mehr anstrengen. Was glaub ihr den neues zu erfahren?“ Prüfend nahm er kurz den Mull von seiner Schulter, ehe er doch weiter Druck auf die Wunde ausübte. Fast schon resigniert wiederholte er den Anfang ihrer Geschichte wahrheitsgemäß: „Wir wollten uns Wasser holen und haben versucht uns zurückzuziehen als bereits diese Biester auftauchten, die ihr uns nachgeschickt hattet, was hätten wir tun sollen? Uns kampflos zerfleischen lassen, nur weil wir zwei Flaschen Regenwasser abgeschöpft haben?“ Wie schnell würde das Ende wohl kommen? Die Frau schien humaner als der Schwarzhaarige, wenn auch nicht minder wütend auf die Eindringlinge. Vielleicht würde sie wenigstens von weiterer Folter absehen? Ohne ein weiteres Wort der anscheinenden Anführerin von diesem Pack wurde er wieder alleine zurück gelassen. Immerhin hatte sie ihm verraten, dass es Viktoria derzeit noch gut ging und er musste an der einzigen Hoffnung festhalten, dass er ihren wenigen Worten Glauben schenken durfte. Reglos sah er dem sich entfernenden Rücken hinterher. Nun blieb er wieder einmal alleine mit seinen Gedanken, hatte er dieses Gefühl doch in den letzten 24 Stunden noch nicht missen gelernt. Gerade die letzten, von Viktoria vernommenen Worte zwangen ihn dazu seine Hoffnung nicht fahren zu lassen. Musste er sie doch einfach wiedersehen, allein um seiner schuldigen Antwort quitt zu werden. Es bestand einfach keine andere Möglichkeit! Schritte, die näher kamen, ermahnten ihn dazu wachsam zu bleiben. Wenn sich ihm auch nur eine einzige Möglichkeit bot, musste er bereit sein sie zu ergreifen … Doch sein neuer Gast schien nicht darauf erpicht zu sein, ihm das Käfigtor zu öffnen, schob er nur einen Teller, etwas zu Trinken und ein Fell durch die blanken Gitterstäbe. Auch Ryans Fragen und Rufe wurden von dem Gangmitglied ignoriert. Wozu diente der Zweck von diesen Rationen? Wollten sie Vertrauen erschleichen? Als gute Wohltäter dastehen? Zuvorkommende Gastgeber spielen? Sollte es eine Art Henkersmahlzeit darstellen? War der Besuch der Anführerin nur eine Farce und ihr eigentliches Urteil war längst gefallen? Oder war diese Gang doch tatsächlich so feige und setzte ihnen infizierte Nahrung vor? Ohne etwas anzurühren zog Ryan sich in die vom Tor entfernteste Ecke zurück und ließ sich dort nieder, überprüfte ein weiteres Mal seine frische Wunde, deren Blutfluss noch nicht komplett abreißen wollte. Aus gegebenen Anlässen musste er an den dunklen kahlen Keller denken, dort wo er an dem einzigen Möbelstück gefesselt gewesen war, einem einfachen Metallstuhl ohne Armlehnen. Tief im Erdreich, abgeschnitten von allen Verbündeten, von allen Freunden. So tief, dass von der schwellenden Wüstensonne keine Wärme den Raum erreichen wollte. Fünf Tage lang hatten sie ihn kaum Schlafen lassen, in undefinierbaren Abständen hatte er Besuch bekommen, hatten ihm immer wieder, einem magischen Mantra gleich, nichts weiteres als seine Militärdaten entlocken können, so wie er es ihm im SERE Training gelehrt wurde. Er erlag nicht dem Glauben, dass er nicht brechen würde. Er wusste genau, das es nur eine Frage der Zeit war, eine Frage wie häufig sie noch den Stuhl umstießen, um ihn mit Wasser zu überschütten, wie häufig sie ihm auf die grob versorgte und frische Wunde schlagen würden, ihn verbrennen würden. Doch soweit kam es nicht … Bruchstückhaft erlebte er die Unruhen vor seiner Zelle, erwachte gerade rechtzeitig aus einer sporadischen Bewusstlosigkeit, als das laute Wiederhallen des Knalles einiger Blendgranaten von den Wänden des engen Raumes ihm sofort wieder seiner Orientierung beraubten … Das Quietschen der verrosteten Scharniere, ließen den weißen Nebel vergessen, holten den Sanitäter ins hier und jetzt zurück. Ein groß gewachsener, kräftiger Mann hatte seinen Käfig betreten. Ryan wollte sich bereits aufrichten, sich zur Gegenwehr vorbereiten, die eventuelle aufkommende Chance ergreifen, als er angesprochen wurde: „Lass das lieber bleiben, Arschloch. Ich bin hier um deine Wunde zu versorgen. Auch wenn ich dich liebend gerne hier und jetzt verbluten lassen würde …“ Mit einem Kopfnicken wies der Fremde ihn zusätzlich noch auf den zweiten Mann, der außerhalb des Käfigs geblieben war, hin, er hatte ein altes Repetiergewehr im Anschlag und schien sich zum Feuern bereit zu halten. „Das wird dein neuer Begleiter bleiben, auf Anordnung des Second.“ Somit schwanden wohl seine Chancen, widerwillig ließ er sich erneut auf dem Boden nieder. Seine Augen waren auf den Neuankömmling geheftet, als dieser neben ihm einige Utensilien aus einer Tasche holte und anfing die Wunde grob zu desinfizieren. Das diese Behandlung nur widerwillig und zum Missfallen des Fremden durchgeführt wurde, war zu offensichtlich. Die Konversation beschränkte sich ebenfalls auf kurze Anweisungen. Zügig war die frische Wunde versorgt. Die Naht war unsauber gesetzt worden und mit mehr Stichen als Ryan für nötig hielt durchgeführt. Entweder aus Rachsucht des Arztes oder auch mangelnder Erfahrung, es spielte keine Rolle und war auch schnell vergessen, als der Arzt ohne ein weiteres Wort aus dem Käfig verschwand. Seine neue Wache sprach ebenso wenig, schien aber deutlich entspannter, als das Schloss wieder einrastete, nahm erst dann die Waffe aus dem Anschlag und schulterte das Gewehr, ehe er sich auf den Weg machte in endlosen Kreisen um den Käfig herum zu patrouillieren. Wie es wohl Viktoria erging? Wurde sie gerade auch versorgt? Hätte er doch nur nicht darauf bestanden seine Mission fortzusetzen … Sie würden noch im Teppichgeschäft sein, in Sicherheit. Eng umschlungen könnte er sie nun im Arm halten … sie würden sich darauf begnügen nur für kleinere Plündertouren das Versteck zu verlassen. Ryans Augen schlossen sich, als er an seine Partnerin dachte, an Schlaf war nicht zu denken. Doch gaben ihm die geschlossenen Augen die Gelegenheit sich an diesen Ort am frühen Abend zurück zu versetzen, die gemeinsamen Stunden Revue passieren zu lassen. Was ihm nicht auffiel war, dass er das erste Mal seit Tagen alleine seine Augen schließen konnte, ohne von seinen eigenen Dämonen heimgesucht zu werden, ohne von den Schatten der Vergangenheit verschlungen zu werden. Die Geister blieben stumm. Auch Vik gab auf sich zu wehren, als man sie zu ihrem Käfig führte, wo ihr doch bewusst wurde, dass Ryan weg war und das vermutlich für immer. Sie ließ sich mehr mit ziehen, als dass sie selbst ging. Jeder Schritt quälte sie mehr, weckte den Wunsch, dass die Frau sie einfach sofort erstochen hätte. Irgendwann kamen sie wieder im Park an. Vik achtete schon lange nicht mehr auf ihre Umgebung und ließ sich einfach zu den „Käfigen“ bringen, wo sie unsanft hinein gestoßen wurde. Der Käfig war 3x3 Meter groß und aus dem Zaun, das vielleicht einmal ein Basketballfeld umgeben hatte, gebaut worden. Drähte und ein leises Summen verrieten Vik schon, dass der Zaun zusätzlich unter Strom gesetzt wurde. Kurz blieb sie einfach nur heulend am Boden liegen, zog ihren Schal über Mund und Nase, als könnte sie sich darin verkriechen, beschloss aber doch, sich zumindest um die neue Wunde am Bein zu kümmern, auch wenn ihr das in dieser Situation recht überflüssig erschien. Vorsichtig krempelte sie das Hosenbein hoch und begann den Verband abzuwickeln. Die neue Wunde sah übel aus. Der Pfeil hatte wohl direkt in ihr Gelenk getroffen. Dann wickelte Vik den Verband neu darum, dieses mal um einiges strammer, um die Blutung richtig abzudrücken und eventuell das Bein gleich etwas mit abzubinden. Auch hoffte sie damit, das Gelenk so ruhig stellen zu können, falls man sie wieder zum Laufen zwang. Danach zog sie ihr gesundes Bein näher heran und lehnte ihren Kopf dagegen, während sie es mit den Armen umschlang. So einsam hatte sie sich lange nicht mehr gefühlt. Wie es Ryan ging? Ob er noch lebte? So etwas durfte sie nicht denken. Dennoch, sie wünschte, sie hätte mehr Zeit mit ihm gehabt. Aber vielleicht war es besser so. Ob es einfacher wäre, wenn er sie nur so kurz kannte? Vielleicht war es doch besser er würde sie und den ganzen Tag vergessen. Zumindest sie würde das nicht können. Dafür war zu viel passiert. Sie hatte noch so viele Versprechen einzulösen, sollte ihm doch noch so viel zeigen, ihm Lieder vorspielen, von sich erzählen, sie wollte ihn noch verwöhnen. Irgendwie hatte sie es geahnt, als sie hinterher noch nackt bei ihm gelegen und sich vorschnell mit ganzen Namen vorgestellt hatte, weil sie Angst gehabt hatte, keine Gelegenheit mehr dazu zu bekommen. Noch immer weinte sie still und sehnte sich nach ihm, ihren zu Hause, nach etwas vertrauten. Etwas was sie von allem ablenkte. Viki neigte ihren Kopf, erhob die Arme, als ob sie ihre Violine wieder in den Händen hielt und fing an zu spielen, so wie sie es immer tat, wenn sie nicht mehr weiter wusste. Immer wenn sie traurig, einsam oder wütend war spielte sie ihre Violine. Diese Angewohnheit hatte sich auch nach dem Virus nicht geändert, auch wenn sie schon lange kein echtes Instrument mehr in den Händen hielt. Dennoch hallten die Klänge so lebhaft in ihren Kopf wieder. Dieses mal die Musik zu „Nothing Else Matters“. Das Spielen half ihr nicht. Die Hände zitterten und noch immer konnte sie an nichts anderes denken als an Ryan oder was man noch mit ihr tun würde. Wieder kauerte sie auf den kalten Boden zusammen. Hier alleine in der Dunkelheit zu sitzen machte alles nur noch schlimmer und langsam fror sie darüber hinaus noch. Hätte sie zumindest ihren Rucksack, da hatte sie noch eine dünne Decke drin, aber vermutlich würde sie den nie wieder sehen, selbst wenn sie hier raus käme. Damit wären dann auch ihre Fotos, Briefe und Andenken für immer verloren. Allein das ließ sie erneut leise Schluchzen. Ihren Personalausweis und Führerschein waren da drin und diese Sachen hätte sie noch gebraucht, wenn sie doch zur Militärstation wollte, auch wenn die bisherigen Gerüchte sie davor abgeschreckt hatten. Jetzt hatte sie wohl keine Möglichkeit da irgendwie reingelassen zu werden, nicht ohne Personalien. Zudem waren all die kleinen Andenken weg. Die Feenkette von Leon, die er ihr geschenkt hatte. Er hatte sie ihr umgelegt und dann hatten sie sich das erste Mal geküsst. Es war Vikis erster Kuss gewesen und nur selten, hatte sie die Kette seitdem abgenommen. Aber heute leider schon, als sie sich im Teppichgeschäft gewaschen hatte. Sie wusste selbst nicht, warum sie das getan hatte, aber nachdem sie die Kette betrachtet hatte, war sie in diese Tüte gewandert. Von ihrem Bruder Jay war ein kleiner, selbst gehäkelter Drache dabei gewesen, den er in der Schule für sie gemacht hatte. Er hatte sie immer getröstet, wenn sie sich mies gefühlt hatte. Von Elli hatte sie ihr kleines Bettelarmband, mit kleinen Musikinstrumenten und Tieren dran. Viki wollte nicht, dass es kaputt ging, daher trug sie es seit dem Virus nicht mehr. Zudem war auch Ellis Lieblings-Plektrum in knallrot mit schwarzen Sternen dabei. Elli hatte doch erst vor ein paar Jahren mit der E-Gitarre angefangen, aber damals war sie schon richtig gut gewesen. Von ihrer Mutter hatte sie eine kleine, leere Flasche Parfüm dabei, dass sie damals jeden Tag benutzt hatte. Von ihrem Vater hatte sie kein kleines Andenken. Er war ja noch am Leben gewesen, als sie die Tüte mit den Rest ihrer Sachen gepackt hatte. Zusammen hatten sie vor zur Militärbasis zu gehen, auch wenn Viki lieber bei Leon bleiben wollte, der da schon allein gewesen war. Leon ließ sich aber nicht überreden mit ihnen zu kommen. Die zwei Tage, nachdem ihre Mutter ebenfalls gestorben war und ihr Vater beschlossen hatte, dass sie bald gehen würden, kam Leon vorbei, brachte sogar noch Essen mit – woher er das auch immer hatte – und versuchte noch erfolglos auf ihren Vater einzureden. Aber Viki wollte auch unter allen Umständen bei ihrem Dad bleiben, daher hatte sie sich schon von Leon verabschiedet. Da konnte sie aber noch nicht wissen, dass in der gleichen Nacht, bevor sie mit ihren Dad aufbrechen wollte, Plünderer kamen. Ihr Vater versuchte sie noch zu vertreiben, wurde dabei aber selbst erschlagen und fiel leblos auf den Flurboden, wo er vermutlich immer noch liegt, dachte Viki bitter. Sie war panisch durch die Terrassentür geflüchtet und hatte sich, wie immer auf dem Dach der Stadtbibliothek mit Leon getroffen. Seitdem hatte sie nie wieder ihr eigenes Haus betreten und hatte es auch nicht mehr vor. Plötzlich fiel ihr ein, dass sie Ryan ja mehr oder minder dort hin geschickt hatte. Hoffentlich erschrak er nicht, wenn er ihre Eltern fand. Ihre Mutter war wohl auch noch im Elternschlafzimmer im ersten Stock, direkt neben Vikis Zimmer, da ihr Vater sie erst kurz vor dem Aufbruch zum Militär beerdigen wollte. Er hatte es einfach nicht übers Herz gebracht und schon bei Elli und Jay war es für sie alle traumatisch gewesen. Nun ruhten die beiden unter dem Baum im Garten, der durch die großen Glasfenster im Wohnzimmer zu sehen waren. Viki wollte gar nicht wissen wie es für Außenstehende sein musste in das Haus zu gehen. Vermutlich würden sie ebenso schamlos alles durchwühlen, wie sie es selbst es in anderen Häusern tat, und ihr Haus in Chaos und Zerstörung stützen. Immerhin wären für die Plünderer nicht alles im Haus interessant. Sie fragte sich eh, was von ihren Sachen noch vorhanden war. Im Wohnzimmer würde Ryan aber wohl trotzdem im Regal neben dem großen, schwarzen Klavier und im Vikis Zimmer Fotoalben finden können, falls er wirklich welche holen wollen würde, denn niemand wollte wirklich wissen, wen man die Sachen gerade stahl. Dennoch waren einige Fotos wohl verloren und zwar diese, die sie dabei gehabt hatte. Zum einen eines mit ihrer Familie im Radisson Freizeitpark, eines nach der Siegerehrung beim Turnwettbewerb, wo sie nur Zweite geworden war. Auf dem Foto hielten Jay und Elli zusammen den Pokal hoch, während ihre Eltern Vik schon fast tröstend im Arm hatten, dennoch sichtlich stolz auf ihre älteste Tochter waren. Ein Foto zeigte Viki mit ihren drei Freundinnen, wie sie im Streichquartett auf einer Hochzeit spielten. Ein weiteres Bild zeigte Viki und Leon auf dem Schulabschluss in Abendgarderobe, wobei Viki ein langes, rotes, Schulter-freies Kleid trug und ihre damals langen Haare hoch gesteckt hatte. Ein weiteres Bild war zu sehen, wo sie mit ihren Freundinnen shoppen war und eines wo sie mit Freunden abends Videospiele spielten und Pizza aßen. Dann waren noch einige Bilder, die Elli und Jay aus Spaß gemacht hatten. Diese waren merklich aus einem niedrigeren Blickwinkel aufgenommen und zeigten ihren Vater beim Krimi lesen im Kaminzimmer, ihre Mutter beim Kochen, wobei Elli noch einige Möhren stahl, Viki wie sie ziemlich genervt mit Jogginghose und schlabber T-Shirt am Klavier übte und dann noch eines, wie Jay wieder den Wecker aus Vikis Zimmer stahl. Der Wecker war ein Kuscheldino mit einer Uhr im Bauch und eines der letzten Überbleibsel ihres Dinosaurierwahns, denn sie mit dem Alter von 5 Jahren verfallen war. Jay und Elli hatten sich immer wieder einen Spaß daraus gemacht den zu klauen. Dabei hatten sie Vikis Zimmer mit der üblichen Unordnung erwischt: Saubere und dreckige Wäsche lagen zusammen mit Schulheften und Notenblättern am Boden. Neben dem Bett lehnte ihr Geigenkasten an ihrem ziemlich großen CD-Schrank mit Glastüren. Über den Bett waren noch Regalbretter angebracht, auf denen ein paar Pokale vom Sport sowie auch Fotos von Vorspielen mit der Violine standen. Ihr Schreibtisch war fast unbenutzbar, so wie sich dort noch Geschirr, Bücher und sonstiger Krempel stapelte. Immerhin war ihr kleiner, kaum benutzter Schminktisch nicht zu sehen, auf dem es ähnlich chaotisch ausgesehen hatte. Aber auch ihre prächtige Musikanlage war nicht zu sehen, die sie zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte. So chaotisch das Zimmer auch immer gewesen war, wenn sich Besuch androhte, war es das sauberste Zimmer im ganzen Haus gewesen. Auch als sie beschlossen hatten ihr Zuhause zu verlassen, hatte Viki es noch einmal aufgeräumt. Das letzte Bild, war ihr auch sehr wichtig gewesen, da es Viki und Leon im Zoo zeigte, wie er sie innig im Arm hielt. All die Bilder aus einem normalen, einen glücklichen Leben, lagen nun wahrscheinlich irgendwo im Dreck zwischen Müll zusammen mit dem Abschiedsbrief von Leon. Sie hatte ihn erst gefunden, als sein Körper schon kalt war, nachdem ein Mann sein Messer in Leons Lunge gestochen hatte. Leon hatte den Brief scheinbar für so einen Fall schon im voraus geschrieben und Viki war froh, dass er das getan hatte. Lang war der Brief nicht gewesen. Es waren einige Zeilen, wie sehr er die Zeit mit ihr genossen hatte, dass sie stark sein sollte und es auch alleine schaffen wird. Viki sollte aufpassen, wem sie vertraute, aber jemanden suchen, dem sie sich anschließen konnte. Leon war nie ein Fan des Militärs gewesen, daher folgten einige Warnungen, dass sie nicht zur Militärstation gehen sollte und auch keinen Soldaten trauen durfte. Bei dem Gedanken schlich sich ihr ein bitteres Lächeln auf die Lippen, da sie sich doch ausgerechnet einen Sanitäter ausgesucht hatte, dem sie bedingungslos vertrauen wollte. Aber Leon würde das verstehen, da war sie sich sicher. Bestimmt hätte er Ryan dennoch nicht gemocht, aber er hätte eingesehen, dass er ein guter Mensch war. Auch der Abschiedsbrief ihrer Mutter war weg. Sie hatte ihn geschrieben, als sie schon infiziert gewesen war. Viki durfte nicht mehr zu ihr, da ihre Eltern fürchteten, dass auch sie sich anstecken könnte, als ihre Mutter, wie ihre bereits toten Geschwister, schon die roten Punkte auf den Armen bekommen hatte. Ihre Mutter hatte sich im Schlafzimmer eingeschlossen, das auch ein eigenes Bad besaß. Daher hatte Viki keine Möglichkeit mehr sie zu sehen. Ihr Vater hatte ihre Mum lange versorgt und vermutlich irgendwann ans Bett fesseln müssen, als auch sie anfing zu schreien und zu toben. Die Zeit war einfach schrecklich gewesen und mit ihrem Dad hatte sie nicht mehr viel geredet, dafür fast pausenlos auf ihrer Violine, manchmal sogar am Klavier gespielt, wenn sie nicht gerade aus dem Haus schlich, um sich mit Leon auf dem Dach der Bibliothek zu treffen. Alles war so belastend und Viki war sauer, weil sie nicht mehr zu Mum durfte. Immerhin gab ihr ihr Dad einen Brief, als es plötzlich im Haus still wurde, doch Viki fragte nicht was passiert war, immerhin hatte sie Angst davor, dass er ihr gestand, ihre Mutter erlöst zu haben. Ihr Dad hatte ihrer Mutter versprochen den Brief Viki erst zu geben, wenn sie tot war. Darin standen vier Seiten lang, wie sehr sie Mum geliebt hatte, dass sie für ihren Dad nun da sein musste und ihn keinen Vorwurf machen sollte. Sie hatte versucht sie zu beruhigen, dass alles wieder gut werden würde, sie ein neues Leben mit ihren Dad anfangen sollte, sobald die Seuche vorüber war und dass sie stolz auf ihr Mädchen gewesen ist. Viki würde irgendwann eine gute Mutter abgeben, sie sollte nie ihre Träume aufgeben und auch immer vorsichtig sein. Ihre Mum gab ihr noch viele Tipps fürs Leben, schrieb sich alles von der Seele und beichtete noch einige lustige und peinliche Sachen aus ihrer Jugend. Viki hatte dieser Brief alles bedeutet, ihn verloren zu haben schmerzte besonders. Noch immer kämpfte Vik mit den Tränen und ihrer Angst. Ihr Schal war dabei halb übers Gesicht gezogen, spendete ihr zumindest ein wenig Geborgenheit, während sie nun sogar anfing vor und zurück zu wippen. Das stoppte jedoch sofort, als Schritte die Stille durchbrachen. Ängstlich robbte Vik weiter von der Tür weg, auch wenn das nicht viel bringen würde. Anscheinend war die Ruhe vorbei, was auch immer sie nun von ihr wollten, sie würde es wohl bald erfahren. Verzweifelt starrte sie auf die schwarze Gestalt am Tor, die gerade aufschloss. „Bitte, was habt … wie geht es Ryan? W-was habt ihr mit dem Mann gemacht?“, fragte sie als erstes, während sie ihren Schal etwas herunter zog. Das schien ihr gerade die wichtigste Frage zu sein, doch es kam keine Antwort, als sich die Gitter öffneten. „Bitte … was ist mit ihm? Was habt ihr mit uns vor?“, versuchte sie abermals rauszukriegen, aber schweigend kam der Mann auf sie zu. „Bleib stehen! Bitte! Komm nicht näher!“, flehte sie nun doch leicht panisch und hob abwehrend die Hände vor sich. „Du bist echt erbärmlich. Ich hätte nie gedacht, dass du mal unsere Leute killst“, sagte ihr eine tiefe Stimme und warf ihr eine kleine Flasche Wasser sowie eine kleine Schale Cornflakes vor die Füße, dessen Inhalt sich darauf hin auf den Boden verteilte. Vik zuckte dabei vom Krach nur zusammen, starrte dann auf die Nahrung und das Wolfsfell, was der Mann dazu legte. „Ihr habt uns zuerst gejagt“, verteidigte sie sich wieder und sah nun doch etwas genauer zu ihm auf. In dem schlechten Licht meinte sie doch sein Gesicht zu erkennen und war sich dann sicher ihn schon mal getroffen zu haben, auch wenn sie den Namen nicht mehr wusste. „Ihr seid in unser Gebiet eingedrungen und das obwohl wir dich schon mal gewarnt haben, Viktor“, schnaubte er verächtlich. „Immerhin lässt du die dumme Maskerade endlich weg“, fügte er noch hinzu. Vik biss sich leicht auf die Unterlippe. Marko hatte also vermutlich auch gewusst, dass sie eine Frau war. Gut, so schwer war das auch nicht gewesen, Ryan hatte es auch sofort gewusst. „Ich … ich kenn‘ dich. Wir haben schon gehandelt, oder? Du bist ein Freund von dem Bastard, nicht? Von Marko mein ich. Warum … Warum bringst du mir das Zeug? Was habt ihr mit mir vor?“, fragte Viki unsicher, aber auch wenn sie ihn noch kannte war sie angespannt und noch immer verwundert über die Verpflegung. „Ich war ein Freund. Wegen dir haben sie ihn infiziert“, sagte er nur giftig und ging bereits wieder hinaus, um die Tür zu schließen. „Warte! Warum? Wie? Was passiert mit mir?“, fragte sie, doch der Mann schloss bereits die Türen wieder ab. „Bitte, wir sind doch gut miteinander ausgekommen! Ich hab dir diese Jacke gebracht! Bitte! Sag doch was! Warte! Was ist mit den Essen? Was passiert mit mir? Wie geht es Ryan?! Warte gefälligst! Bitte!“, flehte sie nun, als einfach ohne ein weitere Wort zu sagen ging. Wieder blieb sie allein im Käfig zurück und starte auf ihr Essen und die Wasserflasche. Gegessen hatte sie genug, daher wollte sie das Risiko nicht eingehen, das Zeug der Wölfe zu essen, aber sie musste sich eingestehen, dass sie langsam Durst bekam. Doch gerade Wasser war gefährlich, da es leichter zu verseuchen war. Hatten sie auch so Marko infiziert? Warum hatte sie das getan? Hatten Ryan und sie doch noch eine Chance hier heil raus zu kommen oder hatte es einen ganz anderen Grund, warum sie ihn so töteten? Also hatte Marko doch gewusst das sie kein Mann war. Das würde auch erklären, warum er ihr so oft einen besseren Preis machte und immer wieder fragte, ob sie ihn vielleicht begleiten wolle. Vik hatte einfach gedacht, dass er alleine nicht zurecht kam und sie ihn deswegen praktischer Weise mit versorgen sollte. Er war ihr unheimlich und unsympathisch, doch als sie aus dem Industriegebiet kam und noch immer schwer verletzt war, hatte er mit ihr gehandelt, woraus sich erst regelmäßige Tauschtage entwickelt hatten. Zigaretten, Deo, Sprühfarbe und Klebstoff konnte sie gut los werden, schien er doch gerade an Zigaretten und alles was den Verstand vernebelte interessiert zu sein. Vermutlich war er deswegen so seltsam oder aber er tauschte das Zeug selbst weiter. Zudem hatte Viki durch ihn den Tipp bekommen, mit wem sie ihr ganzes, damaliges, kleines Not-Lager gegen die Dolche eintauschen konnte. Einerseits war sie Marko dafür dankbar gewesen und hatte sich hin und wieder ein paar Minuten mit ihm über die neusten Gerüchte unterhalten, aber dennoch hatte sie ihm nie voll vertrauen können. Besonders als er erzählte, dass er plötzlich zu den Wölfen gehörte, war Vik weiter auf Abstand gegangen. Mit Gangs wollte sie erst recht nichts zu tun haben, nachdem was die Laughing Demons ihr angetan hatten. Dennoch war sie einige Male zu den Wölfen gegangen, um Zigaretten und Alkohol einzutauschen. Manchmal nahm sie sogar kleine Suchaufträge auf, wenn sie dafür gute Sachen wiederbekam. Die Wölfe waren ihr bisher noch human und harmlos vorgekommen, auch wenn sie Vik einmal aus dem Gebiet gescheucht hatten. Eine kleine Narbe am tiefen Rücken hatte sie davon noch zurück behalten, als einer der Kerle sie mit dem Kantholz und den Nägeln getroffen hatte. Aber von deren Viechern hatte sie dennoch nichts gewusst. Dabei ging ihr Blick zu den Wolfsfell, dass der Mann ihr gebracht hatte. Zugegeben, langsam wurde es doch ziemlich kalt, immerhin war es schon Mitte September. Der Wind pfiff durch ihren Käfig und die Temperaturen waren auch deutlich gefallen. Wenn sie sich nun auch noch eine Erkältung einfing, dann würden die Wölfe sie sofort hinrichten. Selbst wenn noch eine kleine Chance bestand hier raus zu kommen, dann wäre sie damit verspielt. Aber irgendeinen Grund musste es ja haben, dass sie selbst Marko schon mehr oder minder getötet hatten. Glaubte man ihnen vielleicht doch? Die Frau schien zumindest etwas beherrschter als der Wolfs-Fetischist. Vermutlich würde man sie aber bis zum Morgen im unklaren lassen, ansonsten hätte man ihr die Sachen nicht gebracht. Zögerlich griff ihre zitternde Hand nach dem Fell und legte ihn sich um die Schultern. Es war wirklich besser, aber trotzdem würde sie nichts von dem Essen oder Wasser anrühren. Lieber würde sie verdursten, bevor sie das Risiko einging sich doch zu infizieren. Kauernd hockte Viki weiter am Boden und versuchte erfolglos nicht daran zu denken, was morgen mit ihr passieren könnte. Ob sie Ryan die Sachen auch gebracht hatten? Wie es ihm wohl nun ging? Hoffentlich würden sie ihn wenigstens gehen lassen. Wenn sie die Chance bekam, dann würde sie alles auf sich nehmen, damit wenigstens Ryan raus kam und draußen noch nach seinen Kameraden suchen konnte. Auf sie wartete ansonsten niemand mehr und solange er weg kam, war ihr alles egal, auch wenn sie wahnsinnige Angst davor hatte, mehr erleiden zu müssen. Mit dem Fell um den Körper konnte man es besser aushalten. Dennoch sehnte sie sich zum Teppichgeschäft mit Ryan zurück. Allein um nun bei ihm zu sein, hätte sie fast alles getan. Mit einer Hand rieb sie sich über die erschöpften Augen, aber an Schlaf war in dieser Situation gar nicht zu denken. Als Vik wieder hoch sah, erblickte sie plötzlich die Frau, mit der sie gekämpft hatte. Stark zuckte sie bei dem unerwarteten Schock zusammen. Viki hatte nicht damit gerechnet, dass überhaupt noch jemand kam, geschweige denn, dass sie schon vor ihr war und sah nun leicht ängstlich zu ihr auf. Dass es dieses mal die Frau war beruhigte sie etwas, nicht dass Vik sie weniger gefährlich einschätzte, aber bei Männern war es halt doch etwas anders. „Bitte, was ist mit …?“, fragte sie sofort wieder, wurde aber abrupt unterbrochen. „Wieso habt ihr die Flaschen gestohlen, anstelle danach zu fragen? Außerdem, wer von euch hat unsere Mitglieder umgebracht?“, fragte die Frau und klang forsch, aber sanfter, als bei Ryan, während sie Vik ebenfalls genau musterte. Vik zögerte zu antworten, wusste sie doch nicht was sie sagen sollte, da sie fürchtete etwas Falsches sagen zu können. Nervös spielte sie am Ende ihres Schals ‘rum, sah immer wieder kurz zu der Anführerin hoch, hielt aber den Blick nicht lange stand. „Zuerst wusste ich nicht, dass ihr nun auch im Westen seid“, gab sie leise zu. „und … und wegen dem letzten Mal hatte ich Angst, dass ihr es verweigert. Eine dreier Gruppe hatte mich ‘rausgejagt, sagten ich hätte sie betrogen, aber ich hab nicht gesehen, dass die Zigarettenpackungen zu schimmeln anfing! Ich schwör‘ es!“, sagte sie hastig mit Nachdruck, sprach aber auch sofort weiter: „Aber sie haben mich am Rücken erwischt mit einer Nagelkeule. Ich wusste, dass es bei manchen Ärger geben könnte, wenn mich die Falschen sehen, aber ich hatte Hoffnung, dass sie sich auch beruhigt haben könnten. Wollte ihnen nächstes Mal einen besseren Preis machen. Aber nun brauchten wir doch nur Wasser. Ich wollte doch nur kurz zum Brunnen und zurück. Ich brauchte nur zwei Minuten, vielleicht weniger und … und dann wäre ich wieder weg gewesen, aber Marko tauchte auf und er hatte den Blonden dabei, der deutete auf mein Knie, sah nur den Verband und dann … dann sah Marko mich so komisch an … aa-anders als sonst … u-und ich hab Panik bekommen! Ich sagte noch, dass ich … ich bei dem Gewitter hingefallen bin … Ich hatte Schutt im Knie, hatte Splitter eingefangen, die Ryan ‘rausgeholt hat und … ich versuchte noch ihnen Zigaretten für das Wasser anzudrehen … aber er kam auf mich zu, mit diesen komischen Blick … sie sind dann einfach auf mich los … und ich bin nur noch gerannt, weg von Marko, einfach nur über die Mauer und weg!“, immer schneller plapperte sie durch die Nervosität, kämpfte dabei schon mit den Tränen. „Aber … aber die Tiere … sie holten uns in der Gasse ein! Der Wolf … er sprang Ryan an und … ich …ich wusste nicht … er hat immer wieder zugeschnappt … so knapp vor seinen Gesicht …wollte ihn … er wollte ihn … ich sah nur die Waffe und hab abgedrückt … ich konnte doch nicht zulassen …“, stotterte sie nun schon unter einzelnen Tränen, während ihre Stimme wieder panisch höher rutschte und kämpfte sichtlich um ihre Beherrschung. Nach einen weiteren Schluchzen wischte sie die Tränen weg und versuchte mit zitternder Stimme weiter zu erzählen. „Der Wolf brach sofort tot über ihn zusammen. Wir rannten weiter so gut es noch ging. Ryan hatte schon geprellte Rippen, mein Knie hat sich noch eine Entzündung eingefangen und schon am Morgen mussten wir kämpfen und fliehen. Ich kam nicht mehr gut voran und dann tauchte der Kerl mit dem zweiten Tier auf … und … und uns blieb keine Wahl! Wir wollten doch nur weg … ich dachte die Hotels wären sicher. Es gab dort so viele Möglichkeiten und so viele andere Personen dort, die euch abschrecken. Ich wusste nicht, dass ihr uns bis dahin folgen würdet! Wir saßen noch keine zehn Minuten, da hörten wir sie schon im Flur und wie sie die Zimmer durchsuchten. Ich bin zum Fenster, sah den schmalen Sims und hab Ryan angefleht dass er über die Feuerleiter flieht … aber …aber er wollte nicht … er wollte mich nicht zurück lassen … einer war schon an der Tür, versuchte sie einzutreten, nahm das Handbeil und …Sie wollten uns umbringen! Ich hab alles versucht, wollte unbedingt das er geht, aber nur wegen mir ist er nicht weg ,… er wusste, dass ich sonst sterben würde … ich konnte keinen Schritt weiter gehen, für Schmerzmittel war es zu spät, zur Feuerleiter hätte ich es nicht geschafft … wir hatte keine Wahl … wegen mir … allein wegen mir … es … es ist alles meine Schuld. Ich hätte ihn niemals zum Park bringen dürfen! Ich hätte ihn nicht zu den Hotels führen dürfen … alles war meine Schuld … ich hätte es wissen müssen … ich hätte ihn warnen sollen …“, wieder brachen die Tränen aus ihr heraus und kurz versteckte sie ihr Gesicht in den Händen. „Bitte lasst ihn gehen … ohne mich wäre es nie so weit gekommen … er hat noch Freunde nach denen er sucht … ich hab niemanden mehr … bitte … ich … ich bin an allem Schuld … nur weil ich mit der Verletzung … ich hätte es besser wissen müssen … er kann doch nichts dafür … er kennt sich hier nicht aus …es war allein meine Idee …“, bettelte sie nun wieder verzweifelt unter Tränen, während sie der Frau flehend in die Augen sah. Doch die Frau reagierte nicht. Sie stand nur da und sah auf sie herab. Was sollte Vik denn noch sagen, damit wenigstens Ryan gehen konnte? „Rogen!“, bellte sie plötzlich. Vik zuckte stark zusammen, als die Anführerin plötzlich die Stimme erhob. Zuerst überlegte, sie ob sie jetzt gemeint war, da stolperte schon ein Mann auf sie zu, der in der Nähe gewartet hatte. Wieder kauerte sich Vik schweigend mehr zusammen. Sie wagte es nicht irgendwas zu sagen, da sie damit rechnete schon ein Urteil zu hören. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, während ihr ganzer Körper leicht zitterte und ihre Hände weiter am Schal spielten. „Hohl den Arzt, er soll sich um ihre Wundern kümmern und sie versorgen. Beweg‘ dich oder soll ich dir Beine machen du Nichtsnutz!“, befahl sie ihm. Knurrend stand sie auf. Vik war sichtlich irritiert. Sie zog die Augenbrauen zusammen und sah sie fragend an, doch kein Ton kam über ihre Lippen. Natürlich würde sie sich darüber nicht beschweren. „Viktoria, wenn ich mich recht erinnere. Vorerst werden sowohl du, wie auch dein lieber Freund, in den Käfigen bleiben, das passiert mit euch. Zwar seid ihr nicht vollkommen schuldig, doch ohne weiteres kann ich euch nach all den Morden auch nicht ziehen lassen.“, knurrte sie leise zu ihr und ging dann ohne eine Reaktion abzuwarten davon. Viki nickte nur bestätigend, als die Anführerin sie mit Namen ansprach, bevor sie sie hörte, dass man sie nicht gehen lassen wollte. Schlagartig war sie bleich, starrte sie nur einen Moment an, bevor sie erneut anfing zu flehen: „Bitte nicht! Wir wollten nur Wasser! Wir wollten doch nur leben! Bitte lasst ihn gehen, er hat nichts damit zu tun! Ich war es! Ich hab sie ermordet! Bitte, lasst ihn einfach gehen! Bestraft mich, aber nicht ihn! Bitte … ich flehe sie an … bitte …“, doch die Frau blieb nicht mehr stehen und vermutlich hörte sie nicht mal ihren Worten zu. Wieder gab sie sich ihren Weinkrampf hin, auch wenn ihr mittlerweile die Augen brannten. Immer wieder kreisten die selben Gedanken in ihrem Kopf: Ryan würde sterben, nur weil sie ihm am Morgen versichert hatte, dass die Gegend um dem Park sicher war und ohne sie wäre er direkt zur Uni durch gelaufen. Diese Gedanken konnte sie einfach nicht ertragen. Es dauerte wieder eine Weile, bis sie sich halbwegs beruhigt hatte. Viki wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, bevor erneut Schritte sich näherten. Die Person trug einen Koffer mit sich und Vik vermutete, dass es sich dabei um den Arzt handeln müsse. Sie sprach nicht mit ihm, da er wie alle anderen ihr eh nicht zuhören und er ihr nichts verraten würde. Dennoch verkrampfte sie sich stark als er ihr näher kam und versuchte nicht panisch los zu schreien oder ihn weg zu treten. Immerhin sollte sie hier versorgt werden und wenn sie ihn verärgerte, dann würde sie vielleicht doch verbluten. Seine Behandlung tat weh, aber auch darüber beschwerte sie sich nicht, half ihr der Schmerz doch dabei nicht durchzudrehen. Dennoch meinte sie zu sehen, dass er sich nicht die größte Mühe gab, sondern selbst wieder schnell weg wollte. Als er ihr den alten Verband wieder umlegte, vermutlich um selbst Material zu sparen, murmelte Viki noch ein leises „Danke“, worauf er ebenfalls nicht reagierte. Schweigend ging ihr Arzt und sah auch nicht mehr zu ihr zurück. Wieder saß Vik mit sich und ihren Gedanken allein in ihrem Käfig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)