Nightcrawl von abgemeldet (Das ganz und gar nicht mystische Internat) ================================================================================ Kapitel 12: YOLO ---------------- „Zur Hölle! Das ist alles bloß deine Schuld!“, murrt Marcel während er auf allen Vieren irgendwo im Gebüsch herum kriecht. „Wieso meine? Du hättest dich einfach nicht ducken dürfen!“, murre ich zurück und hebe die nächste Dose auf die aus dem Gebüsch geflogen kommt. „Du glaubst nicht ernsthaft das ich stehen bleibe während du mit Stühlen wirfst, oder?“ „Ehrlich gesagt: Doch! Du bist doch sonst auch dumm wie Brot.“, werfe ich dem Busch entgegen, der raschelt, ehe Marcel's Kopf erscheint. „Sag das nochmal und...“ „Und was?“ gebe ich gelangweilt von mir und hebe die nächste Dose auf. Als Marcel nichts sagt sehe ich zu ihm und sehe etwas auf mich zu fliegen das mich an der Wange trifft. Kurz bleibe ich stehen, bevor ich fühle wie mir die Farbe aus dem Gesicht weicht und ich einfach nur los schreie. „Mach's weg! Oh mein Gott! Mach es weg!“ Ich weiß nicht ob ich wirklich so schwul rüber komme wie ich eigentlich bin, mal abgesehen von dem Klamottenwahn und dem Makeup. Wenn nicht, kommen wir also zu meinem schwulsten Charakterzug: Ich hasse Krabbeltiere! Total lächerlich, aber ich hatte einige traumatische Erlebnisse mit den Viechern und ich hasse sie. Um genau zu sein habe ich panische Angst davor. Wenn ich eine Mücke in 100 Metern Entfernung sehe fange ich an zu laufen und halte so schnell nicht mehr an. Ich fasse es übrigens nicht das Marcel mich gerade mit einem Kriechtier beworfen hat! Irgendwann nachdem ich mit dem Hintern auf dem Boden gelandet bin und um mich schlage, erbarmt sich Marcel meiner doch und kommt aus dem Gebüsch gekrochen, ehe er vor mir hocken bleibt und mir das Vieh aus dem Gesicht nimmt. Aus Reflex schlage ich ihm gegen den Oberarm, was er mir wahrscheinlich nur deswegen durchgehen lässt weil ich mich gerade benehme wie ein Weib und er keine Frauen schlägt. „Man.“, jammere ich und schüttle mich, was mir ein schadenfrohes Auflachen von ihm einbringt. „War doch nur ein Vieh.“ Ja, und jetzt definiere 'nur', du Volltrottel! Während ich versuche mich von dem Schock zu erholen den ein Vieh in meinem Gesicht ausgelöst hat, bleibt Marcel schweigend vor mir sitzen. Ich bin mir nicht sicher ob die Aktion dazu dient meinem Leid ein Ende zu setzen, aber ich bilde es mir gerne ein, als er einen Zipfel von seinem Shirt anhebt und mir damit die Wange 'abputzt'. „Siehst du, alles wieder sauber. Also nicht weinen Butzi, Butzi.“ Ich sehe ihn mit einer Mischung aus Resignation und dem Gedanken das er jetzt endgültig übergeschnappt ist an, kann aber an seinem Gesicht sehen das er es nicht im geringsten ernst meint. „Ich geb dir gleich 'Butzi, Butzi', du Spast!“, murre ich und schnippe ihm gegen die Stirn. Als darauf auch keine Reaktion folgt, außer das er sich über die Stirn reibt, runzle ich die Stirn, weil ich mir absolut sicher bin das irgendetwas nicht stimmt. Spätestens jetzt hätte Marcel irgendwas gemacht. Scheißegal was, aber irgendwas. „Du siehst zwar relativ gut gelaunt aus aber...was ist los?“ Marcel sieht mich an und hebt dann spöttisch eine Augenbraue, ehe seine Mundwinkel zucken. „Was soll sein? Ich sammle Müll auf, weil wir Mrs. Jackson aus geknockt haben. Eine wahre traumhafte Beschäftigung und das auch noch mit dir.“ Der Sarkasmus in seiner Stimme ist kaum zu überhören was mich murren lässt, ehe ich aufstehe und mir die blaue Mülltüte wieder schnappe. Vielleicht habe ich es mir auch nur eingebildet das mit ihm irgendwas nicht in Ordnung ist und er reagiert anders weil...er eben Müll aufsammeln muss. „Lass uns weiter machen, ich hab keinen Bock bis Mitternacht hier rum zu hängen.“, kommentiere ich während ich in die Hocke gehe und weiteren Müll in die Tüte stopfe. Ich bekomme zwar keine Antwort, aber ich höre wie er sich bewegt und anfängt wieder Müll aus dem Gebüsch zu ziehen, den er mir zu wirft damit ich ihn in die Tüte stopfen kann. „Irgendwie sieht er nicht gut aus.“, höre ich es leise von Marvin während ich durch den Strohhalm in meine Cola blubbere. „'Nicht gut', ist irgendwie der falsche Ausdruck.“, kommentiert Mac und ich blubbere weiter. „Ich finde er sieht normal aus.“ „Taylor, das sagst du nur weil du ihn nicht lang genug kennst. Ich meine: Er blubbert seit geschlagenen 20 Minuten in seine Cola!“, kommt es von Kai. „Ob wir ihn darauf ansprechen sollen?“ „Vielleicht hat er Probleme von denen wir nichts wissen.“ „Er hat bestimmt viele Probleme von denen du nichts weißt.“ „Hast du was gesagt?“ „Ich? Nö.“ „Glaubt ihr er ist ansprechbar?“ „Keine Ahnung.“ „Du wohnst mit ihm in einem Zimmer.“ „Deswegen muss ich noch lange nicht wissen ob er ansprechbar ist. Das hier ist eine vollkommen neue Erfahrung für mich!“ Ich frage mich ob es tatsächlich höflich ist über jemanden zu reden der am selben Tisch sitzt und in seine Cola blubbert während er dabei die gegenüberliegende Wand anstarrt. Vermutlich nicht, aber wahrscheinlich wirke ich auch gerade wie ein apathischer Irrer, den man nicht so ruckartig aus seiner Trance holen sollte wenn man ein Unglück vermeiden will. Trotzdem finde ich es irgendwie unhöflich und blubbere deshalb weiter. „Vielleicht sollten wir ihn auf die Krankenstation bringen.“, kommt der Vorschlag von Kai. „Hey Touji! Alles klar?“, werde ich gefragt bevor eine Hand auf meinen Rücken knallt und ich aufhöre zu blubbern, ehe ich Taylor ansehe, der mich schief angrinst. Am Tisch herrscht Stille und ich nehme meinen Strohhalm aus dem Mund, ehe ich ein „Ja, klar.“, von mir gebe. Vermutlich glaubt mir das hier keine Sau, aber die Hoffnung das sie mich trotzdem in Ruhe lassen hege ich immer noch. „Wie war Müll einsammeln mit Marcel?“, kommt es neckisch von Mac und ich rolle mit den Augen während Kai einen unerfreuten Laut von sich gibt, den ich gekonnt ignoriere. Die Meinung von ihm interessiert mich nicht. Ich nehm es ihm immer noch übel das er sich in meine Angelegenheiten einmischt, sich offenbar für meine Mutter hält und Marcel eins auf die Schnauze gehauen hat. Also das zweite Mal, nicht das erste Mal. Wobei ich ihm bei genauerer Betrachtung das erste Mal auch übel nehme. Schon allein deswegen weil er sich eingemischt hat. „Was hat er dir angetan?“ Meine Augenbraue zuckt und ich schenke Kai gnädigerweise einen Seitenblick bevor ich schnaube und ein gepresstes „Nichts!“, von mir gebe. Ich weiß das er mir nicht glauben wird, noch bevor er „Ich glaub dir kein Wort!“ sagt. Lieber Gott, als du die Gehirne verteilt hast, hast du Kai offensichtlich Dünnschiss anstatt eines Gehirns mitgegeben. Bitte trink nicht so viel Alkohol, das schadet offensichtlich sogar dir und deiner Schöpfung! „Kai...“, fängt Mac an und mein Blick wandert zu ihm wo ich mit gehobener Braue beobachte wie er sich mit den Unterarmen auf dem Tisch abstützt, die Hände faltet und sich leicht nach vorne legt. „...ich wollte dir schon lange mal etwas erklären.“ Kai's Aufmerksamkeit hängt nun auf Mac was ich im Inneren mit drei Kreuzzeichen abtue, auch wenn ich nicht im geringsten gläubig bin. „Nicht immer wenn mit Touji irgendwas nicht passt ist Marcel schuld.“ Schön das ihm das mal jemand sagt, denn alleine scheint Mr. Charming das anscheinend nicht zu verstehen, was ich aus dem „Aber...“ schließe das er von sich gibt, jedoch von Mac unterbrochen wird. „Manchmal liegt es daran das ich ihn zu viele Seiten rastern lasse. Manchmal findet er auch den Spitzer für seinen Kajal nicht. Eventuell hatte man in der Cafeteria seinen Kaffee nicht. Und manchmal, ja manchmal ist er einfach nur so schlecht drauf.“ Im Prinzip hört sich das an als wäre ich dauernd schlecht gelaunt, was im übrigen nicht der Fall ist. Meistens bin ich einfach nur genervt. Das ganze hat biblische Ausmaße angenommen als Kai beschlossen hat in meiner Gesellschaft zu verweilen. Also im Prinzip kann ich gar nichts dafür sollte ich dauernd schlecht gelaunt sein. Es ist alles Kai's Schuld! „Aber Marcel...“ „Sorgt für inneres Gleichgewicht und Harmonie.“, gibt Mac in einem Ton von sich der mich an den Anhänger einer Sekte denken lässt. Er hört sich einfach nicht wie Mac an sondern wie...irgendein fanatischer Trottel. „Denn stellen wir uns vor du wärst Gegenstand seiner Aggressionen. Ich denke nicht das du das lustig finden würdest.“, kommt es schärfer zurück und ich muss prusten bevor ich es als ein Husten tarne. Es tut mir wirklich leid, aber Mac redet selten in diesem scharfen Ton. Eigentlich nur mit seinem älteren Bruder am Telefon. Und Kai's dummes Gesicht macht es auch nicht wirklich unlustiger. Kai macht den Mund auf um irgendetwas zu sagen, vorzugsweise etwas das mir nicht gefällt, klappt ihn jedoch mit einem Blick auf Mac wieder zu. „Sollte Touji schwerwiegende Probleme haben werden wir das schon mitbekommen. Spätestens dann wenn er ungeschminkt in die Öffentlichkeit geht oder sich aus dem Fenster wirft. Was ich natürlich nicht hoffe.“ Bei letzterem nickt er bestätigend und meine Mundwinkel zucken, bevor ich die Tischplatte angrinse. Genau das ist einer der Gründe warum ich Mac als besten Freund habe. Also nicht weil ich die Tischplatte wie ein Geisteskranker angrinse, sondern weil Mac sich im Allgemeinen nicht in Dinge einmischt und mich einfach machen lässt. Außer das er ab und zu der Meinung ist ich bräuchte noch andere Freunde, was schon aus Prinzip in die Hose geht. „Okay, hab's verstanden.“ Ich hätte nie geglaubt das Kai mal etwas sagen könnte was ich als gut befinde, aber anscheinend ist er ja doch für Überraschungen gut, was ich als Anlass nehme nicht mehr in meine Cola zu blubbern. Wird auf Dauer auch langweilig und bringt im Endeffekt absolut nichts. Ich habe mich auch nach 3 Wochen noch nicht aus dem Fenster geworfen und laufe auch nicht ungeschminkt durch die Schule, was offensichtlich den meisten bestätigt das es mir gut geht. Zumindest hat Kai seit Mac's Predigt darüber die Klappe gehalten und tut ebenfalls so als wäre alles in Butter und das Leben ein Eierkuchen. Ist es natürlich nicht, das wissen wir Beide. Aber ich weiß es zu schätzen das er sich bei der letzten Schlägerei mit Marcel einfach zurück gehalten und damit begnügt hat, meinen Kaffeebecher zu nehmen und ihn aus der Schusslinie zu tragen als wir angefangen haben uns mit Dingen zu bewerfen. So gesehen stellt das einen Pluspunkt für ihn dar, der vor ungefähr einer halben Stunde zunichte gemacht wurde als ich die morgendliche Schülerzeitung aufgeschlagen habe. Eigentlich lese ich den Scheiß nicht, da ich meinen Klatsch und Tratsch aus erster Hand von den Schülern bekomme wenn ich mich denn mal bequeme ihnen zu zuhören. Der einzige Grund warum ich die Zeitung überhaupt in die Hand genommen habe war die Überschrift auf der Titelseite, die mir mit den Worten 'Basketballcaptain fordert Turnhalle zum Trainieren'. Im Prinzip eigentlich nichts weltbewegendes und eher nur für Leute interessant die Basketball mögen und/oder in diesem Team spielen. Für mich war es allein schon deshalb interessant, weil ich Marcel's Abneigung gegen Training in Hallen kannte, in denen man laut seiner Aussage absolut nichts für das körperliche Gleichgewicht tun konnte. Wie auch wenn der Boden absolut eben war? Einer der Gründe warum Marcel seine Jungs über das halbe Gelände jagte, und Training im Unterholz noch das normalste war. Ich hatte einen Schluck von meinem Kaffee genommen und als ich die Seite mit dem Artikel gefunden und überflogen hatte, hatte ich den Kaffee in hohem Bogen wieder ausgespuckt und direkt Mac ins Gesicht, der gerade da aus dem Bad kam. Während sich mein Mitbewohner darüber beschwerte sich jetzt noch einmal umziehen zu müssen bevor er nach Hause flog, las ich den Artikel ganze zwei Mal und das sogar mit Brille, nur um sicher zu gehen das ich nichts an den Augen hatte und ich tatsächlich las was ich da las. Das Ende vom Lied war, das ich Mac die Zeitung entgegen geworfen hatte nur um dann fluchtartig das Zimmer zu verlassen und wie ein gestörter über das Nightcrawl-Gelände zu rennen. Was ich mir davon erhofft habe, weiß ich selber nicht, weshalb ich jetzt seit geschlagenen 10 Minuten auf einem der Wege und weiß nicht wohin mit mir. Ursprünglich bin ich los gelaufen um Marcel zu suchen und bin zuerst zu seinem Zimmer, wo mir logischerweise keiner aufgemacht hat. Ehrlich gesagt hat mich das auch nicht gewundert, da heute der Abreisetag war. Zumindest für die Schüler die über die Ferien nach Hause fuhren, und das waren schätzungsweise 90%. Eigentlich ist es auch total bescheuert das ich versuche ihn zu finden und mir tatsächlich so etwas wie Sorgen um seinen psychischen und geistigen Zustand mache. Aber ich weiß wie sehr er sich rein gehängt hat um Captain zu werden, und wie empfindlich er auf Dinge reagiert die sein Team betreffen. Das er jetzt als Captain vom Thron gestoßen wurde lässt sich vermutlich mit einem Dolch im Herz vergleichen. Einfach weil Marcel nichts mehr liebt als Basketball. Irgendwann setze ich mich doch wieder in Bewegung und gehe weiter, bis ich fast am Busparkplatz angekommen bin, an dem sich schon die Autos von Eltern tummeln sowie Busse die zum Flughafen fahren für jeden der eben zum Flughafen muss. Und da sehe ich ihn auch schon! Marcel hockt auf einem Stück Rasen abseits der anderen Schüler neben seinem Koffer und zeichnet irgendetwas in sein Sketchbook. Kurz überlege ich ob es eine gute Idee ist zu ihm zu gehen, entscheide mich schlussendlich aber dafür. Einfach, weil nichts schlimmeres passieren kann als das wir uns gegenseitig in die Fresse schlagen. Noch bevor ich bei ihm angekommen bin sehe ich Kai neben einer Limousine stehen und sich mit einem Mann im schwarzen Anzug unterhalten, der aussieht wie er, nur eben etwas älter. Etwas viel älter. Wortlos lasse ich mich neben Marcel ins Gras fallen und schrecke ihn anscheinend auf, da er zusammen zuckt und sich die Stöpsel seines iPod aus den Ohren zieht während er mich mustert. „Hab's gelesen.“, kommentiere ich dann, während er sein Buch zuklappt und zusammen mit dem Stift in den Rucksack stopft. „Ich auch.“, kommt es zurück bevor ein freudloses Lachen über seine Lippen kommt und ich ihn deswegen ansehe. „Totaler Schwachsinn!“ „Du bist noch Captain?“, hakte ich nach und denke mir im selben Moment das ich mir die Suche dann hätte sparen können. Vor allem, weil wir nicht gerade die besten Freunde sind. Eine Weile herrscht Stille während Marcel die anderen Schüler beobachtet wie sie abgeholt werden oder eben in die Busse steigen und ich tue es ihm nach. „Ich bin nicht nur kein Captain mehr, sondern auch nicht mehr im Team.“, kommt es nach einer Weile und ich drehe meinen Kopf ruckartig um ihn anzusehen, während mir der Mund aufklappt. Ich glaub ich hab mich verhört! Er blickt aus dem Augenwinkel zu mir und zuckt mit den Schultern. „Ich bin unkooperativ und das Team hat entschieden. Da bleibt mir nicht mehr viel zu sagen.“ Ich schweige während es in meinem Hirn arbeitet und ich versuche zu verstehen, dass er nicht nur von Kai hintergangen wurde sondern gleich von seinem ganzen Team. Okay, vielleicht ist 'hintergangen' etwas übertrieben, aber ich würde mich nun mal hintergangen fühlen. Vorausgesetzt ich hätte so was wie ein Team. Würden Mac, Marvin und Taylor mich so verarschen würde ich fürchterliche Rache schwören und sie auch bekommen, scheißegal wie. „Eric auch, dieser miese, kleine Saftsack?“, murre ich dann und beschließe die Klappe zu halten als Marcel mich mit hochgezogener Augenbraue ansieht, weshalb ich einfach nur abwinke. „Ist egal. Ich find ein anderes Hobby.“ Ich blicke Marcel an, der wieder auf den Busparkplatz starrt und beschließe zu schweigen. Ich wüsste auch gar nicht was ich ihm sagen soll, weshalb gar nichts zu sagen wohl das Beste ist was ich im Moment machen kann. Es war eine scheiß Idee ihn zu suchen! Als Coach Vincent ruft das die Schüler die zum Flughafen müssen, nun endlich ihre Ärsche in den Bus bewegen sollen steht Marcel auf und schultert seinen Rucksack bevor er sich seinen Koffer schnappt. Ich bleibe währenddessen einfach sitzen und winke Mac der vorbei rennt und mir schöne Ferien wünscht. Kurz zucke ich zusammen als etwas auf meinem Kopf landet, das sich als Hand heraus stellt und mir durch die Haare wuschelt. Mit zusammen gekniffenen Augen sehe ich zu Marcel hoch, der lediglich eine Augenbraue hebt und sich dann in Bewegung setzt um Coach Vincent seinen Seelenfrieden zu geben und endlich in den Bus zu steigen. Ich stehe auf und klopfe mir den imaginären Dreck von der Hose als der Parkplatz leer und verlassen da liegt und auch Coach Vincent nirgendwo mehr zu sehen ist, bevor ich mich in Bewegung setze und den Weg zum Wohnheim einschlage. Sechs Wochen Ferien! Sechs Wochen alleine Ferien! „Sechs Wochen einfach nur tun was ich will!“, seufzte ich dann und fange an irgendeine Melodie zu summen, während ich schon fast zum Wohnheim hüpfe. Sechs Wochen kein Mac der das Bad blockiert. Sechs Wochen kein Kai der mir auf den Sack geht. Sechs Wochen kein Marvin der mir etwas über eine gesunde Lebensweise erzählen möchte. Sechs Wochen kein Marcel der sich mit mir prügeln will... Meine Ferien werden so langweilig! In meinem Zimmer angekommen werfe ich mich auf meinen Schreibtischstuhl und fahre den PC hoch, bevor ich etwas auf Facebook und diversen anderen Netzwerken herum surfe. Am Ende lande ich bei Amazon, wie so ziemlich jedes Mal. Und wie jedes Mal bin ich froh das ich zu der Sorte reicherer Jugendlicher gehöre und mir keine Sorgen um die Zahl machen muss die mein Warenkorb anzeigt. Als mein Handy brüllt 'Du kennst die Sau nicht', ein kleines Musikstück das ich irgendwann einmal mit Mac aufgenommen habe um unbekannte Anrufer zu entlarven um nicht im Halbschlaf ans Handy zu gehen, hebe ich eine Augenbraue, bevor ich nach meinem Handy angle. Whatsapp sagt mir das ich eine neue Nachricht habe. Ich kenne die Nummer nicht, öffne die Nachricht aber trotzdem. 'YOLO', steht da und meine Mundwinkel zucken, bevor ich anfange zu lachen und mich fast nicht mehr halten kann, als das Bild von Marcel erscheint, der im Bus sitzt, mit einer riesigen Sonnenbrille und das Piece-Zeichen macht während er die Zunge raus streckt. Natürlich schreibe ich ihm nicht zurück, sondern stöpsle mein Handy stattdessen am Computer an, nachdem ich einen Screenshot von der Nachricht gemacht habe. Diesen drucke ich brav und säuberlich aus, ehe ich wieder lache als ich das Bild ansehe und es dann zu den anderen Bildern in eine Schachtel packe, ehe ich mein Handy zur Hand nehme. 'So was von YOLO, du Swagger!' Anstatt mich also wie gewohnt um mich selbst in den Ferien zu kümmern, halte ich es gerade für eine äußerst hervorragende Idee es einfach nicht zu tun, und mich stattdessen um andere Leute zu kümmern. Um Leute die ganz viel Aufmerksamkeit und Liebe brauchen in etwa. Wie Kai zum Beispiel, der anscheinend ganz viel Liebe und Aufmerksamkeit der besonderen Sorte braucht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)