Nightcrawl von abgemeldet (Das ganz und gar nicht mystische Internat) ================================================================================ Kapitel 9: Ich hasse den Scheiß der aus 'reden' resultiert ---------------------------------------------------------- Ich stehe da und starre Eric an, der zurück starrt und dabei immer noch mein Handgelenk festhält. Wenn ich etwas abscheulich finde, also nicht hasse sondern nur abscheulich finde, ist es der Satz 'Wir müssen reden'. Der Satz steht auf ungefähr derselben Stufe wie 'Es liegt nicht an dir', 'Du bist zu gut für mich' und 'Räum dein Zimmer auf'. Ab Besten ist natürlich eine Kombination aus allem, mal abgesehen von dem Letzteren. Eric war noch nie der Meinung das wir 'reden' müssten im üblichen Sinne. 'Reden' heißt bei Eric meistens das wir uns nackt irgendwo herum wälzen aber definitiv nicht das wir ernsthafte Gespräche über weiß Gott was führen. Warum er ausgerechnet heute der Meinung sein muss mit mir Gespräche zu führen weiß ich nicht, aber ich weiß das der Zeitpunkt gerade wirklich ungünstig ist. Zumal Eric seit der Feststellung das wir reden müssten gar nichts mehr gesagt hat, was mich nur in der Annahme bestätigt das wir nicht gerade besonders kommunikativ sind. „Was zur Hölle läuft zwischen dir und diesen Kerlen?“ Ich weiß das ich gerade festgestellt habe das Eric und ich nicht kommunikativ sind, aber bekanntlich kann sich ja alles ganz schnell ändern, so wie auch dieser Punkt. Ich blinzle und starre ihn eine Weile an, bevor meine Augenbraue in die Höhe springt. „Welche Kerle?“ Man möge mir meine Dummheit verzeihen, aber ich habe im Moment wirklich nicht die geringste Ahnung wovon Eric gerade redet. Zumal ich bis gerade der Meinung war das man mir mit Mac oder Marvin nicht wirklich etwas andichten kann. „Kai, dieser Neue und Marcel!“ Meine andere Augenbraue gesellt sich zu der Ersten nach oben und ich gucke vermutlich gerade so dumm wie ich mich fühle, da ich immer noch nicht so wirklich blicke was Eric mir eigentlich erzählen will. „Was ist mit denen?“, frage ich deshalb vermutlich genauso dumm und zucke kurz zusammen als sein Griff um mein Handgelenk so fest wird, das es langsam weh tut. „Ja, vögelst du mit denen?“ Wenn Eric es gleich so direkt gefragt hätte, hätten wir uns die letzten 3 Minuten schenken können und wären schneller zur Sache gekommen. Ich versteh sowieso nicht warum man dauernd um den heißen Brei drum rum, drüber und drunter reden muss. Direkt ist doch viel besser. Vielleicht nicht unbedingt angebracht und intelligent, aber besser. „Spinnst du vollkommen?“, entkommt es mir etwas fassungslos und ich entwinde ihm mein Handgelenk nur um kurz darüber zu reiben und meine Hände dann in die Hosentaschen zu stecken. „Wie kommst du auf so eine gequirlte Scheiße?“, setze ich fauchend hinten dran und bekomme einen Blick der mich irritiert, einfach weil er etwas herablassend ist und ich so etwas an Eric nicht kenne. „Mit Kai hängst du anscheinend ständig rum und jetzt mit diesem Neuen. Und wo waren Marcel und du den ganzen Tag?“ Ich glaub mein Schwein pfeift Jingle Bells! Mit Kai hänge ich rum weil er mit Mac rumhängt und sowieso an mir zu kleben scheint, wovon ich alles aber nicht begeistert bin. Taylor ist da irgendwie rein gerutscht und ich bin für ihn so etwas wie eine Landkarte auf zwei Beinen. Und Marcel, Herrgott nochmal! Marcel und ich hatten schon immer viel miteinander zu tun und es wäre ja nicht das erste Mal das wir zusammen den ganzen Tag verschwunden wären. Meistens hockt einer von uns auf der Krankenstation und der Andere im Büro beim Direktor. Man kann sich vorstellen warum. „Sag mal bist du eifersüchtig oder was?“ „Und wenn schon! Das ist wohl mein gutes Recht!“ Wann er dieses Recht erworben haben soll ist mir im Übrigen unklar. „Dein Recht? Größenwahn oder was?“ Es kann sein das ich etwas überreagiere und mit einer gelassenen Reaktion sich das Ganze vermutlich nicht so hoch schaukeln würde, aber ich bin mit dem Thema nun mal leicht reizbar. Ich mag es nicht wenn man Ansprüche an mich oder irgendetwas was mit mir zu tun hat stellt. Man könnte es auch Panik nennen. Wer einmal auf die Fresse fliegt steht vermutlich wieder auf. Wer so oft auf die Fresse geflogen ist das er bei 10 das zählen aufgehört hat, hat irgendwann keine Lust mehr aufzustehen. Zur letzten Kategorie gehöre dann wohl ich. Es versetzt mich einfach in Panik wenn jemand irgendetwas ernstes von mir wollen könnte. Dabei muss man mir das nicht einmal sagen, es reicht vollkommen wenn ich vermute das es so ist. „Du bist mein Freund! Natürlich ist das mein Recht!“ „Woah, Moment mal!“, gebe ich abwehrend von mir und hebe auch in dieser Geste die Hände während ich einen Schritt zurück gehe. „Wir waren uns von Anfang an einig das es nur um Sex geht, nicht mehr und nicht weniger!“, stelle ich klar. Eine Weile herrscht Schweigen, ehe Eric mit der Faust gegen die Wand schlägt, was mich irritiert. Denn er ist wirklich nicht der Typ der wütend wird. Um genau zu sein habe ich in den Jahren in denen wir miteinander zu tun haben noch nie gesehen das Eric überhaupt auch nur im Ansatz wütend werden kann. „Das weiß ich! Aber das ist nicht mehr so!“ Für mich ist das gerade wie ein Schlag in die Magengrube, dass er das sagt. Wenn ich das richtig interpretiere dann ist es für ihn aus irgendeinem Grund und irgendwann mehr geworden, was ich nicht bemerkt habe. Normalerweise sollte ich mich jetzt darüber freuen, weil das einfach eine logische Gefühlsregung wäre, aber dem ist nicht so. Am Ende ist es so, dass die Sache zwischen mir und Eric damit beendet ist. Ich kann nicht mit jemandem schlafen der Gefühle für mich hat. Es liegt nicht mal daran das ich mich demjenigen dann verpflichtet fühle, sondern eher daran das ich damit nicht umgehen kann und es auch nicht will. Abgedreht, ich weiß. Mein Gott, ich könnte gerade heulen und zwar übelst. Leider, oder Gott sei Dank, bin ich nicht der Typ der vor anderen das heulen anfängt. Manchmal würde es vielleicht manche Dinge erleichtern, aber meistens würde mich das nur noch mehr in die Scheiße reiten. „Das geht nicht.“ „Wieso nicht? Wir könnten es versuchen!“ Ich schüttle den Kopf und weiche instinktiv noch einen Schritt zurück während ich meine Hände wieder in den Hosentaschen vergrabe und mich ganz weit weg wünsche, vorzugsweise auf einen anderen Planeten oder in ein anderes Sonnensystem. „Du musst doch auch irgendwas fühlen!“ Ich hasse es übrigens wenn man mich zu irgendwas zwingen oder überreden will. Wenn das Ganze dann auch noch Gefühle betrifft ist das noch viel schlimmer, weshalb ich wieder mit dem Kopf schüttle und Eric ansehe. „Es war nur eine Fickbeziehung und das wusstest du.“ Der Blick den ich von Eric bekomme lässt mich die Zähne zusammen beißen, weil er so verletzt ist. Es tut mir auch ehrlich leid ihm Schmerzen zuzufügen, aber ich habe beim besten Willen keine Gefühle für ihn die über eine gewisse Akzeptanz und eventuell leichte Freundschaft hinaus gehen. Das war noch nie so und ich bezweifle das sich das ändern würde wenn ich einwillige mich weiterhin mit ihm zu treffen. Eigentlich will ich Eric schonend erklären das ich zu so einer Art Beziehung niemals fähig sein werde und das möglichst schonend, aber wie alles andere heute, geht auch das in die Hose als Kai um die Ecke biegt. Was zur Hölle die Ausgeburt der Hölle jetzt hier will ist mir zwar etwas unklar, aber ich hoffe stark das er nichts von dem gehört hat was gesagt wurde. In erster Linie hoffe ich das noch nicht einmal für mich sondern für Eric. Ich mag den Jungen wirklich gern, aber mehr auch nicht. Kai sieht zwischen mir und Eric hin und her, ehe sein Blick auf mir kleben bleibt. „Touji, wir müssen reden!“ Ich schwöre das ich gerade das Bedürfnis habe zu schreien und danach lachend aus dem Fenster zu springen, wenn wir nicht gerade im Erdgeschoss wären. Warum heute jeder Vollidiot mit mir reden will und damit mein mühsam strukturiertes Leben aus den Fugen reißen will werde ich nie verstehen, aber einmal reicht mir vollkommen und ich habe die Schnauze gestrichen voll. „Ich will aber nicht mit dir reden!“, fauche ich in Kai's Richtung und knirsche mit den Zähnen. Das sollte ich mir auch abgewöhnen, aber ich bin gerade überfordert, gestresst und alles andere als super gut gelaunt. Ich will nicht reden. Mit gar keinem. Und schon gar nicht mit Kai diesem dahergelaufenen Pfosten der sich offensichtlich für eine Art männliche Mutter Theresa hält. Das ist auch der Grund warum ich mich in Bewegung setzte und mich an Kai vorbei schiebe, der mich am Ärmel meines Shirts festhält wodurch ich gezwungener Maßen stehen bleibe und ihn giftig anstarre. „Ich weiß der Moment ist gerade ungünstig, aber wir müssen reden!“ Der Typ hat keine Ahnung wie ungünstig genau dieser Moment überhaupt ist, und ich werde trotzdem nicht mit ihm reden. „Es ist wichtig.“, schiebt er hinterher und ich lache unweigerlich auf. Im Moment kann nichts wichtiger sein als hier zu verschwinden, zumindest für mich weshalb ich ihm meinen Arm entreiße und mich mit schnellen Schritten in Bewegung setze. „Jetzt lauf doch nicht weg!“ Das fehlt mir jetzt auch noch das er mich verfolgt, weswegen ich beschließe nicht mehr zu eilen sondern stattdessen zu laufen und um die nächste Ecke biege. Es ist ja nicht so als würde ich das Pech anziehen, aber heute hat sich alles und jeder gegen mich verschworen. Das mache ich allein schon an der Tatsache fest das ich Tom, Jem und Marcel in die Arme laufe, wobei ich mit Letzterem auch noch zusammen stoße. Jem kichert wie blöde und strahlt mal wieder wie ein Atomkraftwerk während Tom einfach stumm aber dekorativ und mit dem üblichen Pokerface in der Gegend herum steht. Marcel hebt eine Augenbraue und will anscheinend etwas sagen, zumindest schließe ich das daraus das er seinen Mund aufklappt. „Touji jetzt warte!“ Marcel klappt den Mund wieder zu während er mit den Augen rollt was mich irritiert und ich zucke zusammen als er mich an der Schulter packt und durch eine Lücke zwischen ihm und Jem schubst. Dazu macht er eine weg winkende Handbewegung. Ich weiß nicht womit ich verdient habe das keinen Stress macht weil ich in ihn rein gelaufen bin, aber ich renne trotzdem weiter. „Ah, ah, ah. Hiergeblieben!“, höre ich Marcel sagen und bevor ich um die nächste Ecke biege sehe ich wie die drei Kai den Weg versperren, was mich unweigerlich lächeln lässt. Offensichtlich hat Marcel Kai so gefressen, dass er sogar mir lieber hilft als den durch zu lassen, was in meiner momentanen Lage wirklich praktisch ist. Bei Gelegenheit sollte ich allerdings heraus finden was Kai verbrochen hat um Marcel's Zorn auf sich zu ziehen. Vermutlich irgendetwas banales oder aber er hat gegen grundlegende Regeln verstoßen. Ich verlasse das Gebäude durch den Seiteneingang der eigentlich für das Personal und die Lehrer gemacht ist, aber im Moment ist es mir ziemlich egal auf welchem Wege ich das Gebäude verlassen kann, ich würde Notfalls auch ein Fenster oder einen Schornstein nehmen. Draußen angekommen fange ich an zu rennen und steuere auf mein Wohnheim zu und ich glaube ich bin die Stufen noch nie so schnell nach oben gekommen. Vielleicht reagiere ich etwas melodramatisch, aber Geständnisse die mit Gefühlen zu tun haben regen mich auf und ich neige nicht dazu danach gefühlsmäßig stabil zu sein. Meistens bin ich danach so labil, dass Mac vermutet ich könnte mich unter gegebenen Umständen aus dem Fenster werfen und dabei das Opening der Glücksbärchis singen. Was ich im übrigen nie tun würde, aber das glaubt er mir dann sowieso nicht. In unserem Zimmer angekommen lasse ich mich auf mein Bett fallen und rolle mich dort zusammen, bevor ich mir meinen Hasen Yumeji schnappe und ihn an mich drücke. „So eine Scheiße.“, nuschle ich in den flauschigen Stoff und kneife die Augen zusammen. Ich habe ein schlechtes Gewissen weil ich Eric einfach so habe stehen lassen, aber hätte ich das tatsächlich vor Kai klären sollen? Ausgeschlossen! Wenn ich es vor Kai geklärt hätte, wüssten bald alle das Eric nicht zur Hälfte so hetero ist wie er tut und er wäre vermutlich das Gespött in ganz Nightcrawl. Wir schreiben das Jahr 2014 und doch haben die meisten hier Vorstellungen von 1840 oder so ähnlich. Schwule werden hier gemobbt auf die übelste Art und Weise und nicht alle die sich öffentlich dazu bekannt haben auf das gleiche Geschlecht zu stehen, sind hier lebend wieder heraus gekommen. Mobbing ist hier eine Art Hochleistungssport und wenn man zu sensibel ist, verkraftet man das vermutlich nicht. Ich selbst habe mir für den Notfall und durch einige Erfahrungen eine Art Schutzpanzer zugelegt, aber Eric ist nun mal sensibel. Mobbing auf so eine perfide Art und Weise wie es auf Nightcrawl angewendet wird würde ihn kaputt machen. Zumindest so viel weiß ich über ihn. Man glaubt es vielleicht nicht, aber ich bin tatsächlich fertig mit den Nerven. Das liegt allerdings weniger daran das ich mir Sorgen um Eric mache sondern eher daran das ich ihn dafür verfluche das er Gefühle für die ganze Scheiße entwickeln musste. Und ja, vielleicht bin ich oberflächlich, egoistisch und denke mit der unteren Körperhälfte aber Shit Happens, so bin ich nun mal. Und genau genommen weiß ich auch gar nicht was ich jetzt machen soll. Soll ich mich nochmal mit Eric unterhalten und ihm klar machen das er sich das alles nur einbildet? Soll ich ihn ignorieren? Soll ich mir möglichst schnell jemand Anderes suchen? Im Moment allerdings würde ich mich am liebsten in meinem Zimmer verbarrikadieren und niemanden sehen, zumal ich mit Kai wirklich nicht reden will. Schon gar nicht nach dem ganzen Mist von heute, seinen verdammten Unterstellungen und weil er im Moment für mich so eine Art rotes Tuch darstellt. Ich denke das ich kurz eingeschlafen sein muss, weil ich aufschrecke als sich etwas weiches über mich legt und kurz darauf auch schon senkrecht im Bett sitze. Das weiche Etwas entpuppt sich als Decke und vor meinem Bett steht Mac der schief grinst und eine Entschuldigung darüber murmelt das er mich aufgeweckt hat, was ich mit einem abwehrenden Murren kommentiere. Im ganzen Zimmer kann ich Gott sei Dank keine Spur von Kai entdecken was mich dazu verleitet mich zu entspannen. Da Mac und Kai neuerdings meistens zusammenkleben hatte ich kurzzeitig die Befürchtung das der Spacko sich hier ebenfalls aufhält, was anscheinend nicht der Fall ist. „Was ist los?“ Dieses Zögerliche mit dem Mac die Frage ausspricht lässt mich die Stirn runzeln und ihn fragend ansehen, nur um seine Körpersprache zu deuten. Mac steht da, die Hände in den Hosentaschen während er von einem Bein auf das andere tritt und mich mit diesem Ausdruck ansieht der nur auf eins schließen lässt: Mitleid. Mitleid mag ich fast noch weniger als wenn man mir auf die Nerven geht. Wenn ich so darüber nachdenke mag ich eigentlich ziemlich wenig. Aber im Endeffekt ist es einfach so, dass Mac der Einzige Mensch hier ist mit dem ich einfach mal so über Probleme reden könnte die mich belasten ohne die Hälfte zu verschweigen, weshalb ich beschließe ihm mein Problem zu schildern. Er setzt sich zu mir aufs Bett und schweigt während ich ihm bestimmt 20 Minuten mit meinem Scheiß in den Ohren liege, obwohl ich eigentlich gar nicht so ausführlich sein will. Aber man kennt das ja, man will sein Problem nur kurz beschreiben und am Ende sprudelt einfach alles so raus was damit zu tun hat und was sich in einem so anstaut. „Und was willst du jetzt tun?“ Meine Mundwinkel zucken wegen der Frage und wegen der Tatsache das Mac sich einfach alles angehört hat und jetzt meine Meinung zur Problemlösung hören will bevor er seine eigene kund tut. Ich laste ihm selten irgendwelche Probleme von mir auf, aber wenn ich es tue kommt als erstes dieser Satz. Das ist schon so Standard und sicher das ich einfach lächeln muss ohne es überhaupt zu wollen. Auf die Frage weiß ich trotzdem keine Antwort, weshalb ich einfach nur mit den Schultern zucke und nach meinen Zigaretten angle. Diese sind zwar etwas platt da sie in meiner Hosentasche waren und ich mich drauf gelegt habe, aber rauchen kann man die Dinger immer noch. Und mehr will ich ja auch nicht. „Vielleicht solltest du mit Eric nochmal in Ruhe reden.“ Ja, vielleicht sollte ich das. Aber nicht heute, nicht morgen und vermutlich auch nicht den Rest der Woche. „Und mit Kai solltest du auch reden.“ „Nein.“ „Warum nicht? Was könnte es schon schlimmes sein, das er mit dir reden will?“ Ich gucke Mac an als hätte er den Verstand verloren. Zwar ist die Wahrscheinlichkeit gering das Kai nun auch mit irgendeiner Gefühlsscheiße ankommt, aber trotzdem bin ich gerade traumatisiert und kann nicht mit ihm reden, abgesehen davon das ich das auch überhaupt nicht will. „So ziemlich alles?“ Mein Mitbewohner lacht belustigt auf und ich murre nur. Mir ist schon klar das er niemals verstehen wird was ich für ein Problem mit Kai habe, auch wenn es noch so offensichtlich ist: Er mischt sich zu viel in Dinge ein die ihn nichts angehen. Ach ja, und er ist abartig nervig, aber das nur so nebenbei. „Vielleicht ist es auch besser wenn du einfach mal hier bleibst und dich nicht ins Schulleben stürzt.“ Meine Augenbraue wandert nach oben und ich stoße den Rauch meiner Zigarette ruckartig aus, was ein widerliches Brennen in der Kehle zur Folge hat weshalb ich das Gesicht verziehe. „Wer bist du und was hast du mit Mac gemacht?“, frage ich deshalb und rücke etwas von meinem Mitbewohner ab der mir nur den Mittelfinger zeigt, aber immer noch grinst. „Alter, mal ehrlich. Ein bisschen Erholung tut dir vielleicht mal ganz gut. Ich meine bis vor ein paar Wochen gab's nur Eric und hin und wieder Marcel. Und auf einmal bist du von Typen umzingelt die alle was von dir wollen oder dir auf den Keks gehen. Ich glaube du bist überfordert. Wenn du so weiter machst bekommst du noch so was wie Burn out, und wer soll dann meine Seiten rastern?“ So einen langen Monolog habe ich ehrlich gesagt nicht erwartet, aber mit einem hat Mac recht. Ich bin von Typen umzingelt die entweder irgendwas wollen oder die mir gewaltig auf den Sack gehen. Im Allgemeinen finde ich die Idee einfach im Zimmer zu bleiben und es nur noch zu verlassen wenn ich Hunger habe gar nicht so schlecht. Und wer weiß, vielleicht bietet sich Mac auch als eine Art Zimmerservice an. Trotzdem... „Na danke, du denkst mal wieder nur an die Arbeit die ich für dich erledigen soll.“ Natürlich meine ich das nicht ernst und das weiß Mac auch weshalb er mich nur breit angrinst und ein „Selbst ist der Mann!“, ausstößt, was ich mit einem „Dann fang mal damit an.“, kommentiere. Nach diesem aufschlussreichen Gespräch mit Mac habe ich mich ins Bad verzogen um zu duschen, einfach um mich zu entspannen. Im Gegensatz zu sonstigen Abenden besteht mein Plan heute darin mich nach dem Duschen in mein Bett zu legen und möglichst schnell einzuschlafen. Ich will nichts mehr unternehmen, ich will keine Animes gucken und ich will keine Seiten rastern. Einfach nur schlafen klingt für mich gerade wie das Paradies. Zumal ich Schlaf wirklich nötig habe. Gerade als ich die Dusche ausgedreht habe und aus dieser raus bin höre ich Mac draußen mit jemandem reden zu dem er „Er ist nicht da!“, sagt. Ich bleibe stocksteif stehen und angle mir mehr aus Gewohnheit als aus irgendetwas anderem ein Handtuch das ich mir um die Hüften binde. Zwar weiß ich nicht mit wem Mac redet, aber dieser Jemand muss offensichtlich zu mir wollen. Und wer immer es ist, ich bin froh das Mac mich gerade verleugnet, oder es zumindest versucht. Letzteres schließe ich aus dem Satz der Person „Und wer zur Hölle duscht dann gerade?“. Der Stimme nach zu urteilen müsste es sich bei der Person um Taylor handeln, der zwar nicht so schlimm ist wie Eric oder Kai im Moment, aber den ich trotzdem nicht sehen will. Eigentlich will ich überhaupt keinen sehen, weshalb ich mir schon überlegt habe die Nacht in der Dusche zu verbringen. Auch wenn ich den Punk nicht sehen will hindert mich das nicht daran zur Badezimmertür zu schleichen und mein Ohr dagegen zu legen um das Gespräch besser verstehen zu können. „Ich wollte eigentlich nur hören wie es ihm geht.“, höre ich Taylor sagen und hebe eine Augenbraue. Soviel Besorgnis nachdem wir uns gerade seit heute kennen hätte ich ihm nicht zugetraut, aber man kann sich bekanntlich ja auch irren. „Wieso? War was?“ Mac ist misstrauisch, aber das ist er immer bei Leuten die er nicht auf gegabelt hat sondern ich. Ich neige einfach dazu lauter Idioten auf zu gabeln. „Da hier alles andere Maßstäbe hat, bin ich mir da nicht so sicher.“, murrt der Punk und es herrscht eine Weile Schweigen. „Auf der Treppe vom Wohnheim bin ich so nem blonden Typen begegnet der mit irgendwem telefoniert und sich über Touji unterhalten hat. Ich konnte allerdings nicht hören worum es genau ging. Im Flur bin ich dem Typen mit dem Haarband begegnet der ein Kühlkissen im Gesicht hatte und echt angepisst aussah. Und als ich dann in mein Zimmer gegangen bin war Kai total wütend auf irgendwen oder irgendwas und keine Ahnung. Hier scheint es nie wirklich langweilig zu werden irgendwie.“ Im letzten Satz steckt Belustigung die mich fast ansteckt, zumindest so weit das ich kurz lächeln muss. Nein, langweilig wird einem in Nightcrawl nie. Ob das gut oder schlecht ist kommt wohl auf die Betrachtungsweise an. Trotzdem macht mir Taylors 'Bericht' Sorgen. Der blonde Typ war bestimmt Eric, denn welcher blonde Typ sollte sich sonst über mich mit irgendwem unterhalten. Wobei ich überhaupt nicht wissen will mit wem und worüber sich Eric unterhalten hat, wenn es um mich ging. Die Beschreibung von Marcel und Kai lässt mich einfach darauf schließen, dass sie sich wieder in die Haare bekommen haben. Das scheint auch irgendwie Standard bei den Beiden zu werden und ich frage mich was zur Hölle der Grund dafür ist. Immerhin sind sie in derselben AG und ich war eigentlich der Auffassung dass sie sich gut verstehen. Zumindest so gut das sie sich nicht die Fresse einschlagen, aber da lag ich wohl falsch. „Und du wolltest nach Touji sehen, weil?“ „Es ihm offensichtlich nicht gut geht.“, kommt die trockene Antwort zurück und ich hebe eine Augenbraue. Das es mir 'offensichtlich' nicht gut geht, ist mir neu. Ich dachte immer das würden nur Leute merken die mich tatsächlich kennen, aber wenn Taylor das schon merkt sollte ich mir jetzt ernsthafte Sorgen darüber machen. Oder morgen, wenn ich irgendwann aufwache. Denn das Letzte was ich heute tun werde ist mir den Wecker zu stellen. „Na ja, sag ihm gute Besserung.“, höre ich Taylor sagen und kurz darauf wie Mac die Tür schließt, was mich dazu verleitet mir ein anderes Handtuch zu schnappen und mich abzutrocknen, bevor ich mir mein Makeup aus dem Gesicht kratze. Ich find es ja nett das Taylor sich anscheinend Sorgen um meine seelische und geistige Verfassung macht, aber andererseits habe ich jetzt Informationen die ich nicht wollte mit denen ich aber klar kommen muss. Vielleicht hätte ich auch nicht lauschen sollen. Ich denke ich werde morgen über all das nachdenken, wenn ich irgendwann gegen Mittag aufwache und nicht weiß was ich mit mir anfangen soll. Nachdem ich meine Schlafklamotten angezogen habe schlurfe ich aus dem Bad und habe sofort Mac's ungeteilte Aufmerksamkeit, und das obwohl er anscheinend gerade an seinem Mangakonzept arbeitet. Irgendwie macht mir das Angst. „Brauchst du noch irgendwas?“, fragt mich mein Mitbewohner und ich schüttle nur mit dem Kopf während ich mich in mein Bett bewege und mir die Decke bis zum Kinn hoch ziehe. Danach schalte ich meinen Wecker aus und mein Handy auf lautlos, denn wenn ich schon einmal ausschlafen kann will ich dabei nicht von irgendwem wegen einer Nichtigkeit gestört werden. „Na dann, schlaf gut.“ Ich murre als Antwort und rolle mich dann auf die Seite mit dem Gesicht zur Wand, schließe die Augen und ignoriere gekonnt denjenigen der wohl unter unserem Zimmerfenster steht und meinen Namen nach oben brüllt. Ich bekomme mit wie Mac sich bewegt und das Fenster aufreißt, aber was er zurück brüllt entzieht sich meiner Kenntnis, da ich einfach einschlafe, auch wenn mich wirklich interessiert hätte welcher Vollidiot da unten steht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)