Neko Monogatari 猫物語 von Bambusbesen (Sasori X Deidara) ================================================================================ Kapitel 3: Aki 秋 ---------------- Deidara folgte ihm schon seit einer Weile. Der rote Kater hörte das leise Rascheln von Gras hinter sich. Es war ertragbar für ihn, wenn der andere alle paar Tage vorbei kam, aber er musste ihm nun nicht auch noch nachlaufen. Genervt zuckte seine Schwanzspitze. Schließlich blieb Sasori ruckartig stehen und sah aus zusammengekniffenen Augen über die Schulter. Von seiner leicht aggressiven Haltung ließ der cremefarbene Kater sich jedoch nicht beeindrucken. Er kam näher und stupste schließlich sanft gegen seine Nase. Aus Reflex zog er selbige kraus. Jetzt tauschten sie schon Zuneigungsgesten aus? Was hatte er verpasst? Im Frühling hatte Deidara sich noch von seinen Abwehrreaktionen beeindrucken lassen. Doch seitdem er ihn gesund gepflegt hatte, ignorierte er seine Warnungen meistens einfach. So wie jetzt. Noch bevor er ihn anknurren konnte, rieb Deidara den Kopf an seiner Schulter und begann zu schnurren. Dieser verdammte Kater wusste genau, was er sich erlauben konnte. Erst hatte er ihn mit Futter gelockt und seitdem sie sich ein paar Wochen das Lager geteilt hatten, sorgte Deidara dafür, dass ihre Gerüche weiterhin vermischt blieben. Natürlich reagierte Sasori weniger aggressiv auf den anderen Kater, weil er vertrauter roch, nämlich auch nach ihm selbst. So übermütig Deidara war, einfältig war er nicht. Allerdings änderte dies nichts an der Tatsache, dass er den cremefarbenen Kater nicht mit in ein Menschendorf nehmen wollte. Und das musste er ihm nun klar machen. Sasori wandelte in seine anthropoide Gestalt, wofür er einen fragenden Blick erntete. „Geh zurück.“ Deidara setzte sich hin. Die Ohren waren aufmerksam auf ihn gerichtet. Genervt seufzte Sasori. Nun stellte sich der Kater auch noch stur. „Du kannst nicht mitkommen“, gab er als kurze Erklärung ab. Offensichtlich war dieser Kommentar der Anstoß für Deidaras Verwandlung. Denn kurz darauf erhob er sich in seiner menschenähnlichen Form. Unruhig betrachteten ihn die graublauen Katzenaugen. „Du willst weggehen, hm?“, fragte er. Der Blick, der ihn nun traf, war herzerweichend. „Mach kein Theater. Ich komme wieder.“ Deidaras Ohren zuckten leicht. „Wo willst du denn hin, hm?“ Neugier sprang ihm entgegen. Das fehlte ihm noch. „Geht dich nichts an“, brummte Sasori und wandte sich ab. Zügig schritt er weiter. Und wieder war Deidara ihm auf den Fersen. Nach ein paar Augenblicken hielt der Rotschopf erneut inne, inzwischen deutlich gereizt. „Zum letzten Mal, geh zurück!“ Scheinbar völlig entspannt kratzte der Hellhaarige sich am Ohr. „Sag mir erst, wo du hinwillst, hm“, forderte er mit einem dreisten Grinsen. Zornig peitschte Sasoris Schwanz. Der Blick aus den graublauen Augen verdeutlichte, dass er nicht einfach nachgeben würde. Erklärte er ihm, wo er hinwollte, hatte er vielleicht eine kleine Chance, dass Deidara umkehren würde. Schwieg er, kam er ihm nach. Unwillig gab Sasori nach. „Ich gehe ins Dorf.“ Damit war das Thema für ihn erledigt und er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen Weg. Erneut drang das Geräusch von Schritten an seine Ohren. Deidara folgte ihm immer noch. Harsch ruckte er zu ihm herum. Ein warnendes Knurren verließ seine Kehle. Frech grinste der Hellhaarige ihn an. „Ich hab nicht gesagt, dass ich zurückgehe, wenn du mir sagst, wo du hinwillst, hm.“ Ungeduldig peitschte Sasoris Schwanz hin und her. „Was willst du in einem Dorf? Du würdest nicht mal bis hinein kommen, da würdest du dich schon selbst verraten.“ Abschätzend betrachtete er Deidara, der nun empört schien. „Woher willst du das denn wissen, hm?“ Herausforderung lag in der Stimme des anderen. Langsam wanderte Sasoris Blick an ihm hinab und wieder hinauf. „Sieh dich doch mal an. In dem zerfetzten Yukata fällst du auf. Abgesehen davon wage ich zu bezweifeln, dass du deine Gestalt komplett einem Menschen angleichen kannst.“ Der Rotschopf reckte sein Kinn. Deidara war jung. Es würde ihn nicht wundern, wenn er sein Revier noch nie verlassen hatte. Die Nekomata zeichnete sich durch ihre ungestüme Art und den zur Schau getragenen Stolz aus. Es war schwer vorstellbar, dass Deidara sich in Aussehen und Verhalten an eine niedere Lebensform anpassen konnte, um unter ihnen zu wandeln. Denn das musste er, wollte er den ein oder anderen Vorteil eines Menschendorfes ausnutzen. Man könnte natürlich auch in der Yôkaigestalt in ein Dorf spazieren. Aber früher oder später würde ein selbsternannter Dämonenjäger auftauchen und das Übel bekämpfen wollen. Manche von denen waren durchaus fähig, einen Yôkai umzubringen. Davon wusste Deidara bestimmt auch nichts. Selbiger zog die Nase kraus. „Willst du behaupten, ich könne meine Magie nicht richtig anwenden, hm?“ Er schnaufte und konzentrierte sich. Tatsächlich gelang es dem Hellhaarigen eine Illusion um sich zu schaffen, die seine Katzenohren und die Schwänze verbarg. Die zuvor geschlitzten Pupillen wirkten nun vollkommen menschlich. Aber das reichte nicht. „Der Yukata“, erinnerte Sasori den übermütigen Kater. Mürrisch schaute Deidara an sich hinab und nur einen Augenblick später verhüllte die Illusion auch dieses aufsehenerregende Detail, sodass der Yukata sauber erschien und bis zu seinen Knöcheln reichte. Anscheinend war er doch mächtig genug, solche Illusionen anwenden zu können. Der Rotschopf zog eine Augenbraue hoch. „Du kannst trotzdem nicht mitkommen“, beharrte er. „Warum nicht? Ich sehe doch jetzt aus wie ein Mensch, hm.“ Wieso musste Deidara immer widersprechen oder sich ihm widersetzen? „Wie oft warst du schon in einem Menschendorf?“ Der Hellhaarige öffnete seinen Mund und wollte antworten, aber Sasori schnitt ihm harsch das Wort ab. „Du brauchst es nicht sagen. Ich weiß es. Niemals!“ An Aufgeben dachte der andere Kater allerdings wohl nicht. „Na und?“, maulte er. „Dann sehe ich es mir eben an, hm.“ Tief atmete Sasori durch, ehe er sich zu einer einigermaßen ruhigen Reaktion durchrang. Er war versucht, diese Diskussion mit körperlicher Gewalt zu lösen. Aber vermutlich müsste er Deidara töten, damit dieser ihm nicht folgte. Und das war Verschwendung seiner Zeit. Dann hätte er sich das Gesundpflegen auch sparen können. „Du hast keine Ahnung, wie du dich unter Menschen benehmen musst, um nicht aufzufallen.“ Ein Schulterzucken leitete die lapidare Antwort des Katers ein. „Dann zeigst du es mir eben, hm.“ Wer war er denn bitte? Deidaras Meister? „Such dir jemand anderen“, brummte er unwillig. Als er sich nun von Deidara abwandte, schwor er sich, kein weiteres Mal stehen zu bleiben, um ihn zum Umkehren zu bewegen. Seine Ohren zuckten ärgerlich. Der Hellhaarige kam ihm unbeirrt nach. Sasori beschloss ihn zu ignorieren. In einem geeigneten Moment würde er Deidaras Unerfahrenheit ausnutzen und ihn abschütteln. Während sie durch den Wald liefen, schloss selbiger langsam zu ihm auf und schritt schließlich neben ihm her. Eine Weile herrschte Schweigen zwischen ihnen. „Ich habe aber niemanden sonst, hm.“ Die Worte waren leise und so ernst, wie er Deidara noch nie erlebt hatte. Das überraschte ihn. Nach außen zeigte er keine Regung, aber das Bekenntnis fachte eine Reihe von Überlegungen an. Wie lange lebte der andere Kater schon alleine? War er vielleicht noch nie in einem Menschendorf gewesen, weil er niemanden gehabt hatte, der ihn das richtige Verhalten hätte lehren können? Was war mit seiner Mutter geschehen? Hatte man diese auch getötet, als er noch jung genug gewesen war, um ohne Schutz einem möglichen frühen Tod ausgeliefert zu sein? Hätte San den Rotschopf nicht mit sich genommen, wer weiß, ob er heute noch leben würde. Vielleicht sollte er ihn doch nicht abhängen. Da Sasori nicht weiter versuchte, ihn zurück zu schicken, ging Deidara davon aus, dass er ihn begleiten durfte. Bisher hatte ihn das Leben der Menschen nie interessiert und auch jetzt hegte er kein gesteigertes Interesse daran, doch er wollte gern wissen, was den anderen Kater in ein Menschendorf lockte. Sasori machte auf ihn nicht den Eindruck, dass ihm sonderlich viel an diesen schwachen Wesen lag. Aber irgendwas musste es geben, wenn er in ein Dorf wollte. Nahe des Waldrandes verbarg auch der Rotschopf mittels einer Illusion die letzten charakteristischen Merkmale, die ihn als Bakeneko zu erkennen gaben. Der Anblick war für Deidara ungewohnt. Denn nun fehlten die Ohren und der Schwanz, um den Gemütszustand seines Gegenübers präzise abzulesen. Die Bäume wichen gänzlich zurück und eine weitläufige Wiese breitete sich vor ihnen aus. Sie hatten nun auch Sasoris Revier verlassen. So weit war er noch nie von seinem Reich weg gewesen. In weiter Ferne erkannte Deidara etwas Ungewöhnliches. Darauf hielt Sasori zu. War das solch ein Menschendorf? „Du tust genau, was ich sage, klar?“ Sasoris Stimme duldete keinen Widerspruch. Leise brummte der Hellhaarige. „Meinetwegen, hm.“ Ein durchdringender Seitenblick traf ihn. „Das ist wichtig. Wenn sie dich erkennen, werden sie vielleicht einen Dämonenjäger auf dich hetzen.“ Fragend sah Deidara den anderen Kater an. „Dämonenjäger, hm?“, wiederholte er zweifelnd. So etwas gab es? Ein kaum merkliches Nicken folgte. „Das sind zwar nur Menschen, doch sie haben spezielle Ausbildungen, was sie für uns gefährlich macht.“ Ein ungläubiges Lachen entwich Deidara. „Menschen sind so schwach. Sie können uns nichts anhaben, hm.“ Jedoch glaubte er selbst nicht an seine eigenen Worte. Er fühlte sich unangenehm an den Tod seiner Mutter erinnert. Eines Tages hatte sie ihn plötzlich gedrängt, sich zu verstecken und zu warten, bis sie ihn holte. Das letzte, was er von seiner Mutter gehört hatte, war ein markerschütterndes Schreien. Deidara hatte sie gesucht und schließlich ihre Leiche gefunden. Der Geruch von Mensch hatte an ihr gehaftet. Für den jungen Kater war unverständlich gewesen, wie ein Mensch diese Stärke hatte aufbringen können. Seine Mutter war ihm unbesiegbar erschienen, bis zu jenem Tag. Die Wochen danach hatten ihn hart getroffen, kannte er noch nicht alle Jagdtricks. Vieles hatte er mit der Zeit und angetrieben vom nagenden Hunger durch allerhand missglückte Versuche selbst herausgefunden. Vermutlich war es einfach nur Glück, dass er noch am Leben war. „Du bist noch nie einem Dämonenjäger begegnet. Das sind nicht solche Menschen wie die, die du in deinem Territorium bisher umgebracht hast.“ Ernst sah ihn Sasori an. „Und genau deswegen ist es klüger, sich die Menschen, die du umbringst oder verjagst, vorher genau anzusehen. Im besten Fall hinterlässt man keine Überlebenden. Tote können deine Anwesenheit nicht an den Falschen ausplaudern. Einen Dämonenjäger sollte man dagegen nur angreifen, wenn man sicher ist, dass er anschließend auch tot sein wird.“ Es war ungewohnt, Sasori so viel am Stück reden zu hören. Aber der Inhalt seiner Worte entlockte ihm ein leises Schnurren. „Du machst dir Sorgen um mich, hm.“ Aufmerksam betrachtete er das Profil des anderen Katers. Missmutig zog dieser die Nase kraus. „Übertreib es nicht. Es ist erschreckend, wie wenig zu weißt.“ Da war er schon wieder, dieser überhebliche Blick. Sasori nahm ihn nicht wirklich ernst. Deidara verdrehte die Augen. „Ist ja gut, hm.“ Bisher hatte er ja auch überlebt. Und so schwer konnte es doch nicht sein, zwischen den Menschen nicht weiter aufzufallen. Allerdings störte ihn der Gedanke etwas, sich an ihr Verhalten anpassen zu müssen. Er war kein schwacher Mensch und wollte auch nicht als solcher gesehen werden. Deidara war stolz darauf, was er war. Allmählich schälten sich klar abgrenzbare Umrisse des Dorfes aus der Umgebung. Diese Menschen konnten anscheinend eine Art Behausung bauen, auch wenn die Gestelle seltsam aussahen. Ein weiterer Gedanke stahl sich in seinen Geist. „Du bist schon öfters Dämonenjägern begegnet, hm?“, fragte er Sasori. So wie er darüber gesprochen hatte, schien er bereits mehrere Erfahrungen mit dieser Sorte Mensch gesammelt zu haben. Ein knappes Nicken erhielt er als Antwort. Doch das reichte dem Hellhaarigen nicht. „Haben sie jemanden umgebracht, der dir wichtig war, hm?“ Sasoris ruhige Miene verhärtete sich und er schaute nun hartnäckig geradeaus. Aber er schien nicht verbal reagieren zu wollen. Gerade wollte Deidara weiter bohren, als der Rotschopf sich doch entschied, ihm zumindest eine kurze Erklärung zu liefern. „Meine Mutter und San.“ Sie hatten ganz offensichtlich etwas gemeinsam. Sasoris Mutter war also auch von einem Menschen umgebracht worden. Aber wer war der andere? „San, hm?“ Anhand des Namens konnte man wenig herausfiltern. Es war nicht einmal sicher, ob es sich dabei um ein Weibchen oder ein Männchen handelte. Sie stießen auf einen breiten Weg, der zum Dorf führte und dem sie nun folgten. Während er Sasori Zeit ließ mit der Antwort, sah er kurz zurück. Menschen waren doch wirklich dumm. Derart breite Wege machten es viel zu leicht, ihr Dorf zu finden. Ganz zu schweigen davon, dass man es über große Distanz sehen konnte. Warum verbargen sie sich nicht besser? Menschen waren wie Hasen oder Serau Beutetiere. Aber selbst Mäuse schienen intelligenter zu sein als die Menschen. Kein Beutetier präsentierte seine Behausung derart offensichtlich. „Mein Partner.“ Deidaras Kopf ruckte wieder zu Sasori. Mit neuem Interesse musterte er den roten Kater. So unzugänglich wie er sich gab, hätte er nicht erwartet, dass Sasori einen Partner gehabt hatte. Zudem schien er an Weibchen kein Interesse zu haben, andernfalls hätte er kein Männchen zu seinem Partner gewählt. Deidara selbst hatte bisher keinen Kontakt zu anderen Yôkai gehabt. Vielleicht hatte Sasori recht und er wusste wirklich wenig. „Warum hast du dir keine Partnerin gesucht, hm?“, fragte er ahnungslos. Er bekam das Gefühl, dass es noch vieles gab, was seine Mutter ihn nicht mehr hatte lehren können. Damals war er noch zu jung für sexuelle Triebe gewesen. Ungehalten fauchte Sasori. „Warum sollte ich mir ein Weibchen suchen? Um sie tagelang zu umgarnen, nur damit sie mir nach der Paarung ihre Pranken in die Nase schlägt, wenn ich nicht schnell genug zurückweiche? Ich verzichte.“ Abfällig schnaufte der Rotschopf. Verwirrt schaute Deidara den anderen an. „Wieso tun Weibchen so etwas, hm?“ Sasori schnaufte genervt. „Erklär ich dir ein anderes Mal. Sei jetzt still.“ Mit einer leichten Kopfbewegung deutete er nach vorn und Deidaras Protest verstummte, bevor er über seine Lippen kommen konnte. Sie hatten das Dorf fast erreicht. Natürlich verstand er, dass es nun klüger war, nicht über Themen zu sprechen, die sie verraten könnten. Aber er wollte definitiv noch wissen, was es mit dieser Andeutung auf sich hatte. Nun war aber erst einmal dieses Menschendorf interessanter. Sie passierten die ersten Behausungen, welche er neugierig musterte. Die Menschen benutzten dafür Holz und getrocknete Gräser. Trotzdem blieb die Form in seinen Augen merkwürdig. Unruhe erfasste ihn, weil überall Menschen umher liefen und der Geruch selbiger setzte sich hartnäckig in seiner Nase fest. Eher unbewusst näherte er sich Sasori, um Körperkontakt aufzubauen. Die vielen fremden Gerüche, die ungewohnte Umgebung und das Gefühl, in das Gebiet der Menschen eingedrungen zu sein, machten ihm Angst. Genervt sah Sasori zu dem anderen Kater. Musste er ihm jetzt so nahe kommen? Eigentlich wollte er ihn zurecht weisen, aber die geweiteten Pupillen und der starrende Blick hinderten ihn daran. Sasori wusste, wie er die Körpersprache in der anthropoiden Gestalt lesen musste. Kurz huschte sein Blick hinab. An Deidaras Unterarm erkannte er die feinen aufgerichteten Härchen. Das leise Knurren unterstützte seine Vermutung noch. Deidara hatte Angst. Warum hatte er ihn nur mitgenommen? Ach ja, der Hellhaarige war ihm eigensinniger Weise gefolgt. Und nun musste er verhindern, dass der junge Kater in Panik verfiel und ihre Tarnung zerstörte. Bestimmt griff er nach seiner Hand. „Beruhige dich“, murmelte er so leise, dass nur Deidara ihn hören konnte. „Dir droht keine Gefahr, solange du dich nicht selbst verrätst. Wir sind hier zwar im Revier der Menschen, aber bei ihnen ist das verschwommen. Du darfst nicht ohne Erlaubnis in ihre Häuser gehen. Die Straße und den Markt kann jeder benutzen.“ Sasori wusste, wie Deidara sich fühlte, hatte er sich ähnlich verhalten, als San ihm zum ersten Mal ein Menschendorf gezeigt hatte. Während er mit dem Großteil seiner Sinne auf den Hellhaarigen achtete, stahl er einem vom Sake angeheiterten Mann den Geldbeutel, der mit einer Frau am Arm nah an ihm vorbei lief. Er war zu abgelenkt, um zu bemerken, dass man ihn gerade bestohlen hatte. Seelenruhig schob Sasori den kleinen Beutel in seinen Yukata und registrierte zu seiner Zufriedenheit, dass Deidara sich ein wenig beruhigte. Der starrende Blick ließ langsam nach. Die Menschen in dem Dorf feierten anscheinend ein Matsuri[5], was im Herbst nicht ungewöhnlich war und für sie ein glücklicher Zufall. Denn die Menschen waren ausgelassen und unvorsichtig. Sicherlich beehrten auch einige Menschen aus den umliegenden Siedlungen das Dorf mit ihrem Besuch, weswegen Deidara und er nicht weiter auffielen. Außerdem konnten sie an einem der kleinen Stände Essen kaufen und genau das war sein Ziel. Die Menschen mochten in seinen Augen niedere Kreaturen sein, aber sie hatten auch leckeres Speisen. Unauffällig schnupperte Sasori und zog Deidara zu einem der Stände, die neben kostenlosem Wasser auch Milch anboten. Normalerweise tranken Menschen selten die Milch ihrer Rinder, aber es kam vor, dass sie zu besonderen Anlässen die weiße Flüssigkeit zu sich nahmen. Der Rotschopf mochte Milch. Während der Zeit, die er in dem Menschendorf verbracht hatte, war er oft in den Genuss gekommen. Doch seit er wieder in der Wildnis lebte, gab es für ihn keine Gelegenheit mehr. Es sei denn, er besorgte sich die Milch in einem Dorf so wie jetzt. Sasori gab der Frau ein paar Münzen und sie füllte die weiße Milch in zwei Schalen. Eine davon reichte er Deidara, der seine Angst nun völlig zu vergessen schien und an dem Inhalt der Schale schnupperte. Kaum hörbar zischte Sasori. „Trink“, murrte er. Deidara durfte nicht vergessen, wo er hier war. Wenn er schnuppern wollte, musste er das so tun, dass man ihn dabei nicht erwischte. Sasori entzog dem Hellhaarigen nun auch seine Hand, schien der andere Kater sich inzwischen einigermaßen gefasst zu haben. Gemächlich trank er aus seiner Schale. Der weiche, erfrischende Geschmack benetzte seine Zunge. Genüsslich leckte der Rotschopf sich über die Lippen. Für einen Augenblick schloss er seine Lider, um den Geschmack zu genießen. Die Milch war herrlich. Ein Schnurren erlaubte er sich jedoch nicht. Das leise Schnurren neben ihm riss ihn dafür aus seiner Entspannung. Deidara vergaß schon wieder, wo er war. „Deidara“, murmelte er warnend und der Laut des Wohlgefallens erstarb augenblicklich. „Die Milch ist lecker, hm.“ Ermahnend betrachtete er den Hellhaarigen. „Das weiß ich, aber vergiss nicht, was ich dir erklärt habe.“ Das war das zweite Mal Augenverdrehen an einem Tag. „Jaaa, Danna, hm“, murrte Deidara vor sich hin und trank den Rest seiner Milch. Steil wanderte eine Augenbraue in die Höhe. Danna? Hörbar stieß er die Luft aus und stellte die Schale auf die Abstellfläche des Standes zurück. Was hatte er sich nur eingebrockt. Als der Hellhaarige auch endlich seine Schale geleert hatte, schlenderte Sasori mit ihm weiter. Nach wie vor hielt Deidara sich dicht bei ihm, aber er musterte seine Umgebung nun mit gewisser Neugier. Die feiernden Menschen, die gemeinsam sangen und tanzten, beieinander saßen und aßen, waren für das Katerchen ein neuer Anblick. Dennoch blieb das einzige, was Sasori wichtig war, die Nahrung. An einem anderen Stand kaufte der Rotschopf geräucherte Fische. Erst jetzt fiel Deidara bewusst auf, dass er die Münzen gegen etwas Essbares eintauschte. „Waf ifft daf?“, fragte er mit vollem Mund und deutete auf den Beutel, den Sasori soeben in seinem Yukata verstaute. Deidara strapazierte heute seine Nerven wieder einmal über alle Maßen. „Schluck deinen Fisch runter, bevor du sprichst.“ Der andere Kater beeilte sich nun zu kauen und sprach wieder, sobald er geschluckt hatte. „Was ist das, hm?“ Auf eine Antwort musste er jedoch warten, denn Sasori ließ sich beim Essen nicht hetzen. „Geld. Man tauscht es gegen etwas anderes. Allerdings hat alles einen anderen Wert. Je wertvoller, desto mehr Geld muss man tauschen.“ So würde Deidara wohl am ehesten verstehen. Sasori hatte wenig Lust, sich noch weiter ausfragen zu lassen. Zumindest schien er mit dieser Erklärung zufrieden zu sein, denn er wandte sich seinem Fisch wieder zu. Lange ließ er dem Rotschopf aber keine Ruhe. „Wo hast du das her, hm?“ Genervt sah er Deidara an, der seinem Blick beharrlich Stand hielt. „Einem anderen in einem unaufmerksamen Moment abgenommen“, murmelte er leise, damit nur Deidara seine Worte hörte. Amüsiert funkelten die graublauen Augen. Sasori setzte sich langsam in Bewegung, während er an seinem Fisch knabberte. Wie nicht anders zu erwarten war, folgte Deidara ihm. Sie mussten wenigstens so tun, als seien sie etwas an dem Matsuri interessiert, um keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen. Demnach ließ er seinen Blick über die Tanzenden schweifen und blieb auch für einige Momente stehen, scheinbar um einem der Sänger zuzuhören. Er war froh, dass der helle Kater ihn einfach nachahmte und zur Abwechslung keine Fragen stellte. Schließlich verharrte Deidara an einem der Stände und schaute zu dem Fleisch, welches über dem Feuer briet. „Sasori, kann ich das probieren, hm?“, fragte er. Angesprochener rümpfte die Nase. Das war Wildschwein. Ihm war sowohl Geruch als auch Geschmack zu streng, aber da er Deidaras Vorlieben kannte, verwunderte ihn die Bitte nicht. Also bezahlte er für ihn und der Kater bekam eine Portion Wildschweinfleisch. „Pass auf, das ist…“ Und schon erklang ein wehleidiges Jammern, weil Deidara sich die Zunge verbrannt hatte. „…heiß“, beendete Sasori seine Warnung. „Lass es etwas abkühlen.“ Ein anklagender Blick traf ihn. „Das hättest du mir vorher sagen können, hm.“ Unbeeindruckt zuckte der Rotschopf mit den Schultern. „Wollte ich.“ Wäre Deidara in manch anderem auch so schnell wie er in das Fleisch gebissen hatte, wäre er leichter zu ertragen. Mit einer kleinen Geste bedeutete er dem Hellhaarigen, ihm zu folgen. „Los, wir gehen.“ Für Sasori gab es nichts Interessantes mehr. Er war nur wegen der Nahrung hierhergekommen, die er in der Wildnis nicht bekam. Da seine Bedürfnisse für die nächsten Monate gestillt waren, hielt ihn nichts mehr in dem Menschendorf. Gemächlich schritten sie den Weg entlang, an den Hütten vorbei und ließen das Dorf hinter sich. Aus den Augenwinkeln beobachtete Sasori den jungen Kater, der immer wieder prüfend sein Fleisch antippte und schließlich vorsichtig daran knabberte. Es schien nun weit genug abgekühlt zu sein, denn nach wenigen Augenblicken vergrub Deidara seine Zähne wie gewohnt in dem herzhaften Fleisch. Genüsslich leckte Deidara sich über die Finger. Das Wildschweinfleisch war köstlich gewesen. Er hatte sich auch kein weiteres Mal die Zunge daran verbrannt. Aber warmes Fleisch war auch appetitlich, stellte er fest. Dieser Ausflug ins Menschendorf war ziemlich interessant gewesen, vor allem wegen den leckeren Speisen. Aber wirklich wohl fühlte er sich erst wieder, als sie die Grenze zu Sasoris Revier überschritten. Der Rotschopf ließ seine Illusion nun fallen. Es tat gut, wieder die vertrauten Katzenmerkmale zu sehen. „Sasori“, begann der Hellhaarige, während er seine eigene Illusion auflöste. Er wollte gern noch etwas wissen und der heutige Tag drängte diese Frage erneut an die Oberfläche, weil der Rotschopf sich derart ausgiebig um ihn gekümmert hatte. „Wieso hast du mir geholfen, nachdem der Bär mich verletzt hat, hm?“ Es passte nicht so recht in Sasoris sonstiges Verhaltensmuster. Wartend betrachtete er den älteren Kater, doch dieser griff nach seiner Magie, wandelte in seine Yôkaigestalt und sprang zwischen den Bäumen hindurch. „Glaubst du, du kommst mir so davon, hm?“, fragte Deidara unwirsch und wechselte ebenfalls in die Yôkaiform. Eilig rannte er ihm nach. Er wollte doch nur eine Antwort. Das war seiner Meinung nach nicht zu viel verlangt. Aber Sasori war flink. Bevor er ihn auch nur ansatzweise einholen konnte, war er bei seinem Felsen angelangt und schaute ihn aus zu Schlitzen verengten Augen und mit wild peitschendem Schwanz an. Sasoris ganze Haltung sagte ihm, dass er heute nur noch eine nonverbale Reaktion erhalten würde und zwar eine der rabiaten Sorte, wenn er sich nicht in sein Territorium zurückzog. Der cremefarbene Kater schnaufte, dann gab er gezwungenermaßen nach und trottete Richtung Bambushain. Eigentlich sollte er inzwischen daran gewöhnt sein, dass Sasori gern allein war. Deidara hatte nur gehofft, dass er ihm vielleicht eine Antwort gab, weil sie heute auf recht privater Ebene miteinander gesprochen hatten. Doch anscheinend war seine Frage für den anderen zu persönlich. Manchmal war der Umgang mit dem roten Kater wirklich nicht einfach. Der Gedanke, dass Sasori bereits einen Partner gehabt hatte, war eigenartig. Deidara erinnerte sich daran, was er ihm vorhin über die Weibchen erzählt hatte. Vielleicht war Sasori sensibler als er zugab, wenn ihn das Paarungsverhalten der Weibchen störte. Allerdings klang es auch für ihn nicht sonderlich angenehm, einem Schlag ausweichen zu müssen. Warum machten Weibchen das? Sasori war ihm definitiv die ein oder andere Erklärung schuldig. Er konnte ihn doch nicht mit halben Informationen sitzen lassen. ______________________________________________________________ [5]Matsuri: sind japanische Volksfeste. Sie unterscheiden sich durch regionale Besonderheiten und stehen oft im Zusammenhang mit dem örtlichen Shintō-Schrein oder buddhistischen Tempel. Matsuri sind ausgelassene Feste, die aus dem Jahresablauf der Bauern entstanden sind. Es gibt kein landesweites Matsuri in ganz Japan, aber charakteristisch sind Frühlingsfeste zur Zeit der Kirschblüte und herbstliche Feste, die im Zusammenhang mit der Reisernte stehen. Mit den Matsuri verbunden sind Tanz, Musik, Sake-Gelage und Essen. Höhepunkt ist der festliche Umzug von Mikoshi-Schreinen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)