Neko Monogatari 猫物語 von Bambusbesen (Sasori X Deidara) ================================================================================ Kapitel 1: Haru 春 ----------------- Deidara durchstreifte die Wälder, die sich an den Berghang klammerten. Hier wetzte er seine Krallen an einem Baumstamm, dort rieb er sich an einem Felsen und noch etwas weiter markierte er einen Strauch auf anderweitige Weise, um allen anderen zu zeigen, dass sie sich gefälligst nicht in seinem Revier aufzuhalten hatten, denn dieser Berg gehörte ihm. Der cremefarbene Kater liebte seinen Berg mit den schroffen Berghängen, den kräftigen Bäumen und den Serau-Herden[1]. Ihr Fleisch war herrlich saftig und er mochte das sehnige Muskelfleisch, weil er darauf schön herumkauen und den blutigen Beigeschmack erst richtig genießen konnte. Ab und an jagte Deidara auch Vögel. Fasane waren wunderbar zart, wenn da nur nicht immer die vielen Federn wären. Und manchmal wagten sich sogar schwache Menschen in sein Revier. Wenn sie nicht schnell genug Reißaus nahmen, riss er sie. Aber ihr Fleisch schmeckte langweilig fad. Meist ließ Deidara sie angeknabbert liegen. Außerdem waren sie viel zu leicht zu erlegen. Für ihn war das keine Herausforderung. Er tötete sie nur als Warnung für die anderen Menschen, dass sie nicht in sein Territorium kommen sollten. Geschickt kletterte der Kater auf eine alte, knorrige Kiefer. Nahe des Stammes erklomm er die Äste und ließ sich schließlich relativ weit oben nieder, wo er einen herrlichen Überblick über sein Reich hatte. In dieser hauskatzengroßen Gestalt bereitete ihm das Klettern keine Mühe. Zum Jagen jedoch war seine Yôkaigestalt[2] nützlicher. Dann war er größer als die Serau und konnte sie ohne Probleme erlegen. Überdies ließen sich Menschen besser erschrecken, wenn ihnen eine Nekomata[3] in der Größe eines Panters gegenüber stand. Nur selten dagegen nutzte Deidara seine anthropoide Form, weil es einfach nicht notwendig war. Ruhig hingen seine buschigen Schwänze hinab. Die großen Ohren waren aufmerksam aufgestellt und zuckten bei einem auffälligen Geräusch leicht. Blaugraue Katzenaugen erfassten jede noch so kleine Bewegung, selbst wenn es sich nur um ein paar Blätter handelte, die von einer Windböe getragen zu Boden schwankten. Der frische Wind trug eine Vielzahl von Gerüchen mit sich. Der Duft von Frühlingsblumen vermischte sich mit dem Geruch eines Hasen, der vor kurzem in der Nähe gewesen sein musste. Ein Fuchs hatte ihm nachgestellt und er kannte diesen Geruch. Deidara zog die Nase kraus. Das gefiel ihm nicht. In seinem Revier hatte ein anderer Jäger nichts zu suchen. Er sollte ihn vertreiben. Sein Blick huschte zu dem Wald und den Wiesen südlich seines Berges. Der Fuchs lebte dort. Wieso war er in sein Gebiet gekommen? Bisher hatte man das Revier des jeweils anderen stets respektiert und die Grenze nie überschritten. Irgendetwas musste den Fuchs vertrieben haben. Allerdings bedeutete das nicht, dass er so gütig war und sein Reich mit ihm teilte. Der Rotpelz musste hier verschwinden und sich ein anderes Territorium suchen. Deidara erhob sich und kletterte den Baum wieder hinab. Den Fuchs würde er leicht finden. Doch zuerst wollte er wissen, was im Süden vor sich ging. Zielstrebig trottete der Kater den Berghang hinab, sprang über einen schmalen Bachlauf, der sich zwischen den Bäumen hindurch schlängelte, und näherte sich der Grenze seines Reviers. Dort angekommen hielt er inne und griff nach seiner Magie. Der kleine Körper begann zu wachsen. Knochen knirschten, seine Haut spannte und in den Muskeln zog es unangenehm. Als die Wandlung vollendet war, schüttelte Deidara kurz seine Pfote. An dieses Gefühl würde er sich nie ganz gewöhnen. Aber in ein fremdes Revier wollte er nicht in Hauskatzengröße eindringen. Er würde sich in seiner wahren Gestalt präsentieren. Wer auch immer die Ordnung hier durcheinander gebracht hatte, sollte sehen, mit wem er sich nun auseinandersetzen musste. Entschlossen setzte Deidara eine Pfote vor die andere und drang in den Bambushain ein. Achtsam analysierte er die neue Geräuschkulisse und nahm die fremden Gerüche in sich auf. Die hohen Bambusstängel wichen mehr und mehr Laubbäumen. Am Boden gedieh zwischen den Grashalmen weiches Moos und viele weiße Blüten reckten sich dem Sonnenlicht entgegen, das im Frühling noch durch das erst sprießende Blätterdach drang. Ein Rabe pickte im Moos und flatterte erschrocken krächzend auf einen hoch gelegenen Ast, als er die Nekomata bemerkte. In Deidaras Nase kitzelte ein außergewöhnlicher Geruch und er hielt inne. Leicht öffnete der Kater sein Maul und sog tief die Luft ein. Sein Blick wurde starr, während er sich gänzlich auf diesen Geruch konzentrierte. Eher unbewusst rümpfte er die Nase. Der Duft war höchst interessant. Aus den einzelnen Komponenten filterte Deidara heraus, dass es sich ebenfalls um einen Kater handeln musste und zwar keinen gewöhnlichen Kater. Aber eine Nekomata war es nicht. Süßlich umschmeichelte der Geruch seine Sinne. Ein tiefes Schnurren drang aus Deidaras Kehle. Für einen Augenblick genoss er diesen faszinierenden Duft noch, dann schloss er sein Maul wieder. Er schlug die Richtung ein, aus welcher der leichte Wind den Geruch zu ihm herüber trug. Eine winzige Lichtung tat sich vor Deidara auf. In dessen Mitte lag ein großer Felsbrocken und darauf ruhte der fremde Kater. Gemütlich hatte dieser die Vorderpfoten ausgestreckt und seinen Kopf darauf gebettet. Die Augen entspannt geschlossen genoss er die ersten warmen Sonnenstrahlen des Jahres. Das rote Fell schimmerte seidig. Deidara spürte die magische Kraft, die dem roten Kater inne wohnte. Genauso wie dieser seine Kraft spüren musste, denn mit einem Ruck schnellte der Kopf hoch und rotbraune Augen fixierten ihn. Der Kater hatte ihn nicht riechen können, weil Deidara sich gegen den Wind genähert hatte. Elegant erhob der andere Kater sich und sprang vom Felsen herab. Dessen Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Aufmerksam glitt Deidaras Blick über den hübschen Kater. Er war ungefähr so groß wie er selbst und an der straffen Körperhaltung und dem gesträubten Nackenfell konnte er ablesen, dass dem anderen sein Eindringen nicht gefiel und er nun gereizt war. Deidara verharrte. Die Ohren waren aufmerksam aufgerichtet. Bei diesem Yôkai musste es sich um eine Bakeneko[4] handeln. Deswegen roch und spürte er eine gewisse Ähnlichkeit zu sich selbst. Warum der rote Kater wohl das Revier des Fuchses okkupiert hatte? Die graublauen Augen blieben wachsam auf den anderen gerichtet, als dieser sich unendlich langsam parallel zu ihm bewegte und ihm dabei beständig seine Breitseite zeigte. Er kam Deidara mit keinem Schritt näher, sondern umrundete ihn und hielt schließlich inne. Langsam öffnete der andere Kater das Maul einen Spalt breit, um seinen Geruch aufzunehmen. Interessiert beobachtete Deidara, wie sich allmählich das aufgerichtete Nackenfell glättete und sich die angespannte Haltung ein wenig lockerte. Als der rote Kater sein Maul schloss, öffneten sich seine Augen wieder richtig. Gemächlich setzte Deidara sich hin. Von dem anderen Kater ging vorerst keine Gefahr aus. Er erkannte kein Anzeichen von Aggressivität mehr, was sich aber auch schnell wieder ändern konnte. Allerdings interessierte ihn nach wie vor, warum die Bakeneko hierhergekommen war. Demnach machte er sich erneut seine Magie zu Nutze und nahm seine menschenähnliche Gestalt an, denn nur in dieser anthropoiden Form war er in der Lage Sätze zu formulieren. Unangenehm verschoben sich die Knochen in seinem Leib und sein Fell zog sich in seine Haut zurück. Langes, cremefarbenes Haar wuchs über seine Schulter bis zur Taille. Sasori musterte den Kater, der in sein neues Revier eingedrungen war. Der Fremde war gut, er hatte ihn erst bemerkt, als er seine magische Kraft spüren konnte. Und nun machte er von selbiger Gebrauch. Nach wenigen Herzschlägen saß der andere Kater in seiner menschenähnlichen Gestalt im Gras und schob die zerzauste Mähne über seine Schultern. Die Katzenohren zuckten kurz, ehe sich die blaugrauen Augen wieder auf ihn richteten. Statt Fell bedeckte nun ein elfenbeinfarbener Yukata seinen Körper. Verschlungene Ranken mit herzförmigen Blättern und roten Beeren verteilten sich unregelmäßig auf dem Stoff. Wo trieb der sich denn rum, wenn er in dieser Gestalt unterwegs war? Der Yukata hing an den Ärmeln und am unteren Saum in Fetzen. Manche Risse waren so tief, dass sie bis fast zur Mitte des Oberschenkels reichten. Der Stoff wurde auf seiner Hüfte von einem roten Obi zusammengehalten, sodass man ihn wohl einigermaßen bekleidet nennen konnte. Unter den zerrissenen Ärmeln lugte die ein oder andere Narbe hervor. Ruhig lagen die beiden Schwänze im Gras. Nur hin und wieder zuckte eine Schwanzspitze leicht. Seine ganze Erscheinung wies deutlich darauf hin, dass er sich schon sehr lange in der Wildnis aufhielt. Zudem roch Sasori nichts an ihm, was auch nur entfernt auf Menschen hindeutete. Für so ein ungepflegtes Vieh bot er einen recht attraktiven Anblick, wenn man etwas übrig hatte für die eher raue Schönheit. Hoffentlich musste er sich mit dem Kater nicht herumschlagen. Sasori war froh, die lästigen Dorfbewohner los zu sein. Jahrelang hatte er unerkannt unter ihnen gelebt und sich von ihnen füttern lassen. Es war bequem gewesen. Außerdem hatte die alte Frau ihm auch oft gebratene Fleisch- und Fischhappen oder eine andere Leckerei gegeben. Ja, in dem Dorf hatte es sich recht gut gelebt. Die dummen Menschen waren der Meinung gewesen, er hielte die Mäuse und Ratten fern, dabei hatten die kleinen Nager sich wegen seiner bloßen Anwesenheit nicht zum Dorf gewagt. Nur die lauten Kinder waren nervig. Manchmal waren sie ihm hinterhergerannt, weil sie mit ihm spielen wollten. Dann hatte er sie böse angefaucht und gekratzt. In der darauffolgenden Nacht hatte er sich einen Spaß daraus gemacht, einen der verstorbenen Dörfler aus seinem Grab auferstehen zu lassen. Genährt von Sasoris Magie war er durch das Dorf gewankt und hatte die Kinder, die zu neugierig gewesen waren, zu Tode erschreckt. Sie waren selbst schuld. Hätten sie ihn in Ruhe in der Sonne dösen lassen und ihn nicht durch das Dorf gejagt, nur weil sie mit ihm spielen wollten, hätte er ihnen diesen Schrecken erspart. Doch die alte Frau war im letzten Winter gestorben. Wann die Menschen misstrauisch geworden waren, wusste er nicht, aber irgendwann wollten sie ihm den Schwanz kupieren, um sicher zu gehen, dass er kein Yôkai war. Was für eine Unverfrorenheit! Sasori hatte daraufhin beschlossen, dem Dorf den Rücken zu kehren. Aber zuerst hatte er ihnen noch eine Lektion in Sachen Angst erteilt. An unsichtbaren Fäden hatte er die toten Dorfbewohner aus ihren Gräbern gerissen und die Lebenden angreifen lassen. Das Schauspiel war amüsant gewesen, wie verzweifelt die Männer mit ihren Bauerngerätschaften auf die Toten eingeprügelt hatten, obwohl diese doch nichts mehr fühlten und sich davon nicht beeindrucken ließen. In dem Dorf waren nur Leichen zurückgeblieben, als er es verlassen hatte. Man sollte nie den Zorn eines Yôkai wecken. Das Glück war aus seiner Seite. Nach wenigen Wochen hatte Sasori diesen Wald hier gefunden und der Fuchs war vor ihm geflohen, nachdem er ihm mit seiner krallenbewährten Pranke gedroht hatte. Dem kleinen Rotpelz war bewusst gewesen, dass er schwere Verletzungen von einem Hieb davongetragen hätte. Nun tat sich allerdings die Frage auf, was er mit dem cremefarbenen Kater machen sollte. Dieses neugierige Funkeln in den Augen des anderen ließ Sasori ahnen, dass der Kater nicht so schnell wieder verschwinden würde wie er hoffte. Wenigstens klebte der Menschengestank endlich nicht mehr an seinem roten Fell, sodass keine leidigen Fragen zu diesem Thema fallen würden. „Du hast den Fuchs in mein Revier gescheucht“, sprach die Nekomata mit tiefer Stimme. „Wieso hast du dir ausgerechnet dieses Gebiet ausgesucht, hm?“ Sasoris Ohren zuckten leicht. Dieser Wilde hatte auch noch einen Sprachfehler. Und das war von nun an sein Nachbar? Na wunderbar. Sollte er sich die Mühe machen und verwandeln, um ihm antworten zu können? Sasori zog die Nase kraus, dann gebrauchte er doch seine Magie. Interessiert beobachtete Deidara die Verwandlung des anderen Katers. Die Katzenohren waren umgeben von kurzem Haar. Das Fell gab makellose, helle Haut preis. Auf dem blütenweißen Yukata wuchsen junge Bambusstängel mit stilisierten Blättern empor. Ein grüner Obi sorgte dafür, dass der Stoff nicht aufklaffte. In einer eleganten Bewegung pendelte der rote Schwanz von einer Seite zur anderen, doch Deidara ignorierte den Hinweis auf die leichte Gereiztheit seines Gegenübers. Der Kater sah selbst in dieser eher schwachen Gestalt noch immer sehr hübsch aus. Stolz war das Kinn erhoben und der Blick aus den rotbraunen Augen zeigte eine gewisse Arroganz. Deidara kam unweigerlich in den Sinn, dass er nicht in den Wald gehörte, sondern als Herrscher in eine Burg. „Dann verjag ihn“, erwiderte der rote Kater zwar ruhig, doch auch in der ansonsten angenehmen Stimme schwang die Überheblichkeit mit, die seiner ganzen Erscheinung anhaftete. Der andere ließ ihn nicht aus den Augen, während er seine Frage beantwortete. „Es gefällt mir hier. Verziehst du dich jetzt in dein Revier zurück oder muss ich nachhelfen?“ Starr blieben die rotbraunen Augen auf ihn gerichtet. Die Pupillen waren nur noch schmale Schlitze. Deidara grinste. Der andere fühlte sich ihm überlegen und wollte ihn von seinem Grund und Boden vertreiben. Deidara erhob sich und näherte sich dem fremden Kater langsam. Es war nicht primär sein Ziel, ihn zum Angriff zu provozieren, aber er war neugierig und würde nicht mit zurückgelegten Ohren das Weite suchen. Als nur noch wenige Meter zwischen ihnen lagen, drang ein warnendes Knurren aus der Kehle des roten Katers. Deidara hielt inne. Noch ein Schritt näher und der andere griff ihn an. Die Grenze würde er nicht überschreiten, aber er wollte noch etwas wissen. „Und wie heißt du, hm?“ Wissbegierig waren seine Ohren aufgestellt und er wartete auf eine Antwort. Der rote Kater zog die Nase kraus. „Verschwindest du, wenn du deine Antwort hast?“ Er wollte ihn schnell loswerden. Dabei durfte er nicht vergessen, dass sie nun Nachbarn waren. Und die Bakeneko war weitaus interessanter als ein kleiner Fuchs, der mit Glück mal einen Hasen fing und sich ansonsten von Nagetieren, Aas und allerhand Kleingetier ernährte. „Meinetwegen, hm“, stimmte Deidara schmunzelnd zu. In Gedanken fügte er ein Vorerst an. Oh, sie würden sich wiedersehen. Das stand für die Nekomata fest. Der rote Kater weckte seine Neugier. „Sasori.“ Kaum hatte der andere seinen Namen genannt, peitsche sein Schwanz ungeduldig durch die Luft. Deidara hatte, was er wollte, für heute. Demnach wich er langsam zurück, seine Lippen formten sich aber erneut zu einem Grinsen. „Ich bin Deidara, hm.“ Sasori fauchte. „Interessiert mich nicht. Verschwinde!“ Der rote Kater wandelte sich zurück in seine Yôkaiform und hob drohend die rechte Vorderpfote. Deidara sollte sich besser endlich zurückziehen. „Wir sehen uns, hm“, sagte er noch amüsiert, bevor auch er seine Yôkaigestalt wieder annahm und ihm den Rücken kehrte. Eher unbewusst schüttelte er seine Hinterpfote im Gehen. Die Verwandlungen blieben einfach unangenehm. Vergnügt lief Deidara zwischen den Bäumen hindurch, nahm denselben Weg, den er gekommen war und hielt erst an der Grenze zu seinem Territorium an. Der Kater drehte sich halb und sah über seine Schulter auf Sasoris Wald zurück. Sie würden sich wiedersehen! Aber jetzt wollte er den Fuchs vertreiben. Deidara reckte seine Nase in den Wind und rannte los. Er liebte die Jagd. Sasoris Schwanz peitschte noch immer aggressiv durch die Luft. Der andere Kater sollte nicht auf die Idee kommen, wieder in sein Revier einzudringen. Dieser Wilde brachte seine Ruhe durcheinander. Er wollte nur ein Plätzchen, wo er in Frieden leben konnte. Es gab in diesem Wald genug Wild zum Erlegen und einen klaren See, in dem er baden gehen konnte. Eine Höhle zwischen den Wurzeln eines Baumes diente ihm als Versteck. Ein wenig schade war es, dass er sich nicht mehr füttern lassen konnte, aber nicht allzu tragisch. Die Jagd war ein notwendiges Übel, welches er problemlos zu bewältigen in der Lage war. Und den Rest der Zeit konnte er mit ausgiebiger Fellpflege und einem entspannenden Sonnenbad verbringen. Keine Kinder mehr, die ihn aus dem Schlaf schreckten und ihn zur Flucht auf einen hohen Baum zwangen, weil sie sonst schmerzhaft an seinem Schwanz zogen oder zu grob seine empfindlichen Ohren anfassten. Das war herrlich. Allmählich beruhigte Sasori sich wieder und schlug den Weg zum See ein. Noch immer meinte er den Duft von Deidara riechen zu können. Sein Geruch entsprach seinem Äußeren. So wild wie er aussah, so schnupperte er auch, herb und nach Erde, Gräsern und einer Spur Seraublut von seiner letzten Mahlzeit. Der Kater war offensichtlich eher ein Jäger, der größere Beute bevorzugte. Sasori mochte Hasen gern, vor allem wegen des zarten Fleisches. Und wenn er schon jagte, sollte es ihm auch Vergnügen bereiten. Hasen waren schnelle Läufer und rannten im Zickzack, um zu entkommen. Aber er war genauso flink und wendig. Und er war erfahren in der Hasenjagd. Das einzig Lästige daran war, stundenlang auf der Lauer zu liegen und warten zu müssen, bis sich die Langohren zeigten und einer nah genug an ihn heran gekommen war, um angreifen zu können. Deswegen war das Menschendorf recht bequem gewesen. Er ließ sich füttern und musste nicht warten, bis sich ein Beutetier zeigte. Sasori trat aus dem Wald und überwand die wenigen Meter zum See. Am Ufer setzte er sich und tauchte seine Zunge in das klare Wasser. Kühl rann es seine Kehle hinab. Als er genug getrunken hatte, trottete er am Ufer entlang und sprang auf einen großen Stein, der ein paar Schritt weit ins Wasser hinein reichte. Der Stein war angenehm warm unter seinen Pfoten. Gemütlich streckte Sasori sich aus und legte seinen Kopf auf die Pfoten. Aufmerksam wanderte sein Blick über die Wasseroberfläche. Ab und an schwammen Fische nahe an seinem Felsen vorbei. Seine nächste Mahlzeit würde aus Fisch bestehen, beschloss der rote Kater. Der war auch schön zart und weich. Deidara überschritt in den folgenden Wochen absichtlich hin und wieder die Grenze zu Sasoris Revier. Weit drang er nie ein, da er die Nerven des leicht reizbaren Katers nicht zu sehr strapazieren wollte. Doch der andere kam ihm stets entgegen, um ihn wieder in sein eigenes Territorium zurück zu scheuchen. Allmählich schien daraus ein Spiel zu werden. Deidara trottete ein paar Schritte und hielt inne, bewegte sich erst wieder, wenn Sasori sich knurrend näherte, um ihn weiter zu treiben. Sobald er an ihrer Grenze angelangt war, wandte Sasori sich ab und verschwand zwischen den hohen Bambusstängeln. Deidara machte dieses Spiel Spaß. Dennoch fragte er sich, wie er den roten Kater milde stimmen konnte. Nachdenklich betrachtete er von seinem Beobachtungsplatz auf der knorrigen Kiefer den Wald. Sasoris bevorzugte Beute war Fisch und Hase. Er hatte es an ihm gerochen. Dann würde er ihm wohl mal ein kleines Geschenk machen. Einen See gab es in seinem Revier nicht und der Bach verlief zu steil den Hang hinab, um Fischen ein angenehmes Lebensreich darbieten zu können. Aber einen Hasen konnte er fangen. Von der Idee begeistert verließ Deidara seinen Ast und verwandelte sich am Boden in seine Yôkaiform. Gezielt trottete Deidara einen seiner Pfade entlang. Achtsam näherte er sich den Felsspalten am Hang, von denen er wusste, dass die Hasen dort ihre Verstecke hatten. Die Dämmerung setzte bald ein, sodass der cremefarbene Kater auch nicht allzu lange warten musste, bis sich die ersten Hasen zeigten. Still lag er unter ein paar dicht stehenden Sträuchern. Als Beute wählte er einen noch nicht ganz ausgewachsenen Hasen aus, welcher sich arglos seinem Versteck näherte. Unerfahrene Jungtiere waren so leicht zu erbeuten und ihr Fleisch war herrlich zart. Allerdings mochte er dann doch einen jungen Serau lieber. Deidara machte sich bereit und sammelte seine Kraft in den Hinterbeinen. Jeder Muskel in seinem Körper war gespannt, bereit loszuschlagen. Und dann sprang er zwischen den Sträuchern hervor. Die ausgefahrenen Krallen gruben sich in weiches Fell und tief in die Haut des jungen Langohrs. Dieses hatte ihn zwar noch gesehen, doch für ein Ausweichmanöver war es zu spät gewesen. Deidaras Kiefer schlossen sich kraftvoll um das Genick und hielt den zappelnden Hasen fest. Während er wartete, dass der Tod einsetzte, lauschte er auf seine Umgebung. Die anderen Hasen waren weggerannt und hatten sich in ihren Felsspalten verkrochen. Deidara festigte seinen Biss und es knackte leise. Augenblicklich verebbte die Gegenwehr seiner Beute und er ließ sie los. Zufrieden betrachtete er sein Geschenk. Das musste Sasori doch gefallen. Deidara packte den toten Hasen im Genick und trug ihn fort. Die Sonne war bereits hinter dem Horizont verschwunden, als er die Grenze überquerte und in Sasoris Territorium eindrang. Wie immer dauerte es nicht lange und der andere Kater stellte sich ihm in den Weg mit aufgestelltem Nackenfell und schmalen Augen. Deidara legte seine Beute ab. Dann drehte er sich einfach wieder um und trat ausnahmsweise einmal freiwillig den Rückzug aus Sasoris Revier an. Immerhin wollte er ihm eine Freude machen. Irritiert sah Sasori dem cremefarbenen Kater nach. Das war… unerwartet. So schnell war Deidara noch nie gegangen und schon gar nicht freiwillig. Jedes Mal musste er knurrend hinter ihm her laufen und ihn in sein eigenes Gebiet zurück treiben. Sasori hatte immer das Gefühl gehabt, die Nekomata wollte ihn ärgern. Seine Augen richteten sich auf den toten Hasen. Immer wieder hatte er Deidara aus seinem Revier vertrieben und jetzt machte dieser ihm ein Geschenk? Langsam näherte er sich dem Langohr und schnupperte daran. Ein gesundes Jungtier, noch nicht ganz ausgewachsen. Vermutlich war der kleine Hase zu unvorsichtig gewesen. Leise schnurrte der rote Kater. Dieses Geschenk gefiel ihm. Nun musste er heute nicht mehr jagen gehen. Sasori schlug seine Zähne in den Hals des Hasen und hob ihn hoch. Zügig schritt er durch den Wald zu seinem großen Felsbrocken auf der Lichtung. Sein Geschenk legte er im Gras neben dem Felsen ab, wollte er seinen Ruheplatz nicht mit Blut und Innereien besudeln. Genüsslich begann er zu fressen. Der Hase war herrlich zart. Ja, er mochte das Geschenk wirklich sehr. Vielleicht sollte er das nächste Mal ein bisschen netter zu Deidara sein… _________________________________________________ [1]japanische Serau: Ziegenartige Säugetierart. [2]Yôkai: höherer Dämon in der japanischen Mythologie. [3]Nekomata: japanisch 猫股 oder 猫又; von japanisch neko „Katze“ und mata „Gabelung“ oder „gegabelt“; vollständig also „Gegabelte Katze“. Fiktives Wesen aus der japanischen Mythologie, das sich aus einer Hauskatze entwickeln kann, aber auch wild in bestimmten Bergregionen Japans und Chinas hausen soll. Sie gehört nach dem Volksglauben zur Gruppe der höheren Dämonen, den Yōkai. Besonderes Erkennungsmerkmal sind die zwei Schwänze. Die Nekomata gilt als bösartig und besitzt schwarzmagische Fähigkeiten. [4]Bakeneko: japanisch 化け猫 ‚Monsterkatze‘, ‚Katzenmonster‘, seltener Kaibyō (jap. 怪猫 ‚Geisterkatze‘). Fiktives Wesen der japanischen Mythologie. Sie ist ein Katzendämon aus der Gruppe der Yōkai und gilt als Verwandte der Nekomata. Bakeneko werden als bösartig beschrieben, besitzen schwarzmagische Fähigkeiten und gelten, wie die Nekomata, als das Gegenstück zur Glück bringenden Maneki-neko („Winke-Katze“). Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)