Das Teehaus am Ende der Straße von Seelenfinsternis ================================================================================ Kapitel 29: Nachschlag, der Erste: Zucker ----------------------------------------- 29 – Nachschlag, der Erste: Zucker Samstagnachmittage waren eigentlich schon immer die ungünstigste Zeit für eine Plünderung der Geschäfte der Einkaufsmeile. Es kamen immer alle zur gleichen Zeit auf dieselbe Idee und so endete es immer in einem dichten Gedränge; unzählige Menschen schoben ihre Körper dicht an dicht durch den Menschenauflauf. Trotzdem hatte sich eine Gruppe junger Frauen an diesem sommerlichen Tag am großen Brunnen verabredet, um gemeinsam die Läden zu stürmen. Es handelte sich dabei nicht um einen gewöhnlichen Einkaufsbummel, nein! An diesem Tag mussten Entscheidungen getroffen werden, die wohlmöglich Einfluss auf das gesamte Leben haben würden. Kagome und ihre drei Freundinnen hatten die Schule abgeschlossen. Alle Examen waren geschrieben, alle Prüfungen waren – mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg – bestanden und nun mussten sie sich nur noch auf die Abschlussfeier vorbereiten, bei der sie in festlichem Ambiente ihre Zeugnisse überreicht bekommen würden. Ein solcher Anlass erforderte natürlich eine entsprechend festliche und glamouröse Garderobe und die wollten die Mädchen heute beschaffen. Die meisten Schülerinnen stilisierten diese Frage zu einer Entscheidung hoch, die ihr ganzes weiteres Leben beeinflussen würde. Ein zu unscheinbares oder braves Kleid und ruckzuck musste man sein Dasein als treusorgende Ehefrau eines öden Finanzbeamten bestreiten und dem Schwinden dessen Haars zusehen. Umgekehrt galt natürlich auch, dass ein zu gewagter Schlitz unweigerlich zu einem chaotischen Leben an der Seite eines notorisch untreuen Taugenichts führte. Kombinierte man das unselige Kleid nun auch noch mit dem falschen, weil zu protzigem Schmuck, so konnte aus dem Nichtsnutz schnell ein Kleinkrimineller oder gar Yakuza werden. Schließlich wussten alle Mädchen aus entsprechenden Zeitschriften, Filmen und Serien, dass dieser Abend der wichtigste in ihrem ganzen Leben sein würde und es ausschließlich um ihr Aussehen und ihre Begleitung gehen würde. Die Abschlussnote und eigenen Zukunftspläne waren ja ganz nett, aber was brachte eine hochbezahlte Stelle als Professorin der Chemie, wenn frau keinen Mann hatte? Kagome ließ sich von all dem nur wenig beeindrucken. Natürlich wollte sie atemberaubend aussehen an diesem speziellen Abend, aber sie definierte sich nicht ausschließlich über ihr Äußeres. Dazu hatte sie einfach zu viel erlebt; eine attraktive Hülle hatte nichts zu bedeuten. Im Übrigen war sie sich bereits im Klaren darüber, wohin ihr weiterer Lebensweg sie führte und an wessen Seite sie ihn beschreiten würde. Daher war sie relativ gelassen, es ging heute nicht um Sein oder Nichtsein, Leben oder Tod. Sie hatte auch Hanako mit zu dieser Shoppingtour eingeladen. In den vergangenen Monaten hatte sie eine enge Freundschaft zu dem jüngeren Hanyoumädchen aufgebaut und es war eine gute Gelegenheit Hanako die Normalität des Lebens eines menschlichen Mädchens zu vermitteln. Neben diesen noblen Absichten hatte Kagome erhebliche Zweifel am Geschmack ihrer Freundinnen und deshalb war ihr eine vernünftige Stimme wichtig in der Jury, die über ihre Erscheinung entscheiden würde. Außerdem kannte Hanako Sesshoumaru gut genug um beurteilen zu können, ob sie seinen Geschmack traf. Seit nunmehr einem dreiviertel Jahr waren die Miko und der Daiyoukai offiziell ein Paar und es lief überraschend problemlos. Hanako war in Freudentränen ausgebrochen, als sie davon gehört hatte. Der Rest der Youkaiwelt hatte die Nachricht mit einem Schulterzucken quittiert; es interessierte sie nicht weiter. Kagomes Freundinnen waren da schon eher ein Problem gewesen, es hatte Wochen gebraucht sie davon zu überzeugen, dass Sesshoumaru kein Schürzenjäger war. Mittlerweile hatte sich der Hühnerhaufen damit abgefunden, aber Kagome achtete penibel darauf die Drei von ihrem Liebsten fernzuhalten. Zwar ignorierte Sesshoumaru sie gekonnt und nahm keinerlei Notiz, selbst wenn sie in einem Raum waren, aber sie wollte nicht riskieren, dass ihre Freundinnen in einem ihrer zahlreichen idiotischen Momenten etwas taten oder sagten, was das schlagartig ändern würde. Sie zweifelte nicht an seiner Liebe zu ihr, aber sie machte sich große Sorgen um die Gesundheit der Drei. „Hey Kagome! Hier sind wir!“, rief Yuka über die Straße, kaum dass Kagome und Hanako in Sichtweite kamen. „Wen hast du denn da mitgebracht?“, fragte Ayumi neugierig. Kagome war auf diese Frage vorbereitet und so antwortete sie gelassen: „Ah, das ist Hanako. Sie ist das Patenkind von meinem Freund und ich habe sie heute zur Verstärkung mitgebracht.“ Für einen Moment herrschte eine etwas angespannte Atmosphäre, wie so oft, wenn die Sprache auf Kagomes Beziehung kam. Schüchtern sah Hanako zu Kagome, die eigenartige Stimmung verunsicherte sie. Eri bemerkte, dass sie ungewollt das Mädchen in Verlegenheit gebracht hatten und versuchte die Situation zu retten. „Schön dich kennenzulernen. Ich bin Eri, das sind Yuka und Ayumi. Wir sind Kagomes beste Freundinnen und gehen zusammen zur Schule.“ „Du meintest wohl gingen“, lachte Yuka. „Deswegen sind wir doch hier.“ Das war das Stichwort und einen Augenblick später verschwanden sie im ersten Kaufhaus. Unter den wachsamen Augen einiger älterer Verkäuferinnen streiften die Mädchen zwischen den Kleiderständern hindurch und begutachteten mit kritischem Blick die angebotenen Stücke. Es war nervig die Verkäuferinnen davon helfen zu wollen. Gleich der erste Rat hatte einen furchterregend altmodischen Geschmack offenbart und Kagome wollte nicht aussehen wie ihre eigene Großmutter. Außerdem hatte sie ihre eigenen Vorstellungen und suchte nach einem Kleid, das sich damit deckte. Hanako hatte sich etwas von der Gruppe abgesondert und war einige Regale weiter hinten verschwunden, wo sie etwas gefunden zu haben schien, was ihr ganzes Interesse fesselte. Die Miko störte sich nicht daran, sie freute sich sogar, dass auch Hanako am stöbern war und wünschte ihr viel Glück für sich fündig zu werden. Als wollte das Schicksal sie für ihren uneigennützigen Gedanken belohnen, fiel ihr plötzlich auf, dass zwischen all dem Glitzerzeug ein verirrtes Kleid hing, das definitiv nicht an diesen Ständer gehörte. Es war Liebe auf den ersten Blick und so zog Kagome den feinen Stoff zwischen Pailletten und Strass hervor. Am anderen Ende des Ganges entdeckte sie nun Hanako, die auch einen Kleiderbügel über dem Arm liegen hatte. „Na, hast du auch was gefunden?“, fragte Kagome fröhlich. Schüchtern zeigte das Mädchen seine Beute. „Ich habe es in der Kinderabteilung gefunden, aber es passt. Ich finde es einfach süß“, begann sie sich zu rechtfertigen. Kagome verstand sofort, warum sie sich in das T-Shirt verliebt hatte. Auf den roten Stoff war ein niedlicher, weißer Comic-Hund gedruckt. „Ich verstehe“, zwinkerte Kagome. Der Raubzug durch die Regale und Gänge endete schon bald vor den Umkleidekabinen. Sie hatten vereinbart, dass jede einzeln die Kleider anprobieren würde und sich dem Urteil der anderen stellen musste. Glücklicherweise standen ein paar Stühle vor den Umkleiden, denn Kagome taten inzwischen die Füße weh. Es war eine Wohltat endlich einen Moment sitzen zu können. Der Vorhang raschelte, wurde zur Seite gezogen und hervor kam Yuka in einem Alptraum aus pinker Seide und Tüll. Kagomes erster Gedanke war ein knallrosa Baiser-Törtchen, das beim Backen explodiert war. „Ich liebe es!“, seufzte Yuka ergriffen, „Ich fühle mich wie eine Prinzessin.“ Die beiden anderen pflichteten ihr sofort bei, sie hatten sich auch Hals über Kopf in das Kleid verliebt. Nur Kagome rang noch immer um Worte und Hanako starrte mit großen Augen auf das leuchtende Pink. „Yuka, das ist nur der Abschied aus der Schule und nicht die Oscarverleihung! Meinst du nicht, dass das etwas zu viel ist?“ Es entsprach nicht wirklich Kagomes Gedanken, aber es war das Diplomatischste, das ihr gerade durch den Kopf ging. „Ja eben, deswegen muss man sich ja auch richtig aufdonnern! Langweiliges Zeug kann ich mein ganzes Leben noch anziehen.“ Damit war es beschlossen. Yuka, Eri und Ayumi hielten es für eine ungeheuer geniale Idee als Zeichen ihrer Freundschaft und Verbundenheit alle das gleiche Kleid zu tragen. Während die Drei gackernd Pläne für den großen Abend schmiedeten, flüsterte Hanako besorgt in Kagomes Ohr: „Tu das bloß nicht! Das sieht so scheußlich aus, ich will mir nicht mal vorstellen, was er dazu sagt…“ „Keine Angst“, beruhigte Kagome das schwer mitgenommene Mädchen wieder, „Soweit wird es nicht kommen.“ Dann nahm sie das Kleid, das sie schon die ganze Zeit über ihren Arm liegen hatte und verschwand ebenfalls hinter dem Vorhang. Kurze Zeit später hörte man es schnaufen und ächzen, auch der ein oder andere sehr undamenhafte Fluch erklang hinter der Sichtblende. Schließlich gab Kagome es auf und bat Ayumi zur Hilfe, die den störrischen Reißverschluss schließlich bezwang. Endlich wurde der Vorhang beiseite gezogen und gab den Blick frei auf das, was er verbarg. „Wieso schließt du dich uns nicht an?“, maulte Eri sofort. „Weil ich schon meinen Prinzen habe und mich nicht wie eine verzweifelte Prinzessin geben muss“, konterte Kagome schnippisch. Sie hatte sich schon lange vorher Gedanken gemacht, was sie anziehen würde und war heilfroh etwas gefunden zu haben, was ihren Vorstellungen entsprach. „Na, meinst du, das geht?“, zwinkerte sie Hanako verschwörerisch zu. Sie drehte sich einmal um ihre Achse um der Hanyou einen besseren Blick für ihr Urteil zu gewähren. Präsentiert wurde ein nachtblaues, ärmelloses Kleid, dass Kagome bis zum Knie reichte. Der zart schimmernde Stoff umspielte leicht ihre weiblichen Kurven und fiel fließend von ihrer Taille bis zum Saum. Darüber wirkte das Kleid wie aus einem langen Band gemacht, dass sich um ihren Oberkörper gewickelt hatte und so ihr Dekolleté äußerst vorteilhaft betonte, jedoch ohne zu tiefe Einblicke zuzulassen. Das dunkle Blau bildete einen schönen Kontrast zu ihrer hellen, makellosen Haut und ließ sie erstrahlen. „Und wie das geht!“, freute sich Hanako. Der Rest der Truppe enthielt sich seiner Stimme, da sie immer noch beleidigt waren, dass Kagome sich weigerte das Gleiche zu tragen wie sie. Hanako kehrte nach dem Raubzug der Welt der Menschen für eine Weile den Rücken und besuchte Sesshoumaru im Teehaus zum weißen Hund. Sie fand ihn an seinem üblichen Platz in einem alten Buch versunken vor. „Ich bin wieder da!“ Kurz sah er auf, nahm ihre Anwesenheit zur Kenntnis und widmete sich dann gleich wieder seiner Lektüre. „Bist du denn gar nicht neugierig?“, fragte Hanako erstaunt. Sie hatte ihm erzählt, warum sie sich mit Kagome getroffen hatte und hatte nun etwas mehr Interesse von ihm erwartet. „Nein, warum auch? Es betrifft mich nicht“, antwortete er schließlich, als ihm schwante, dass er nicht um ein Gespräch herumkam. „Wie? Das betrifft dich nicht? Du gehst doch mit ihr dahin!“ Schweigend antwortete er, indem er seine Augenbrauen empört nach oben zog. „Das ist nicht dein Ernst!“, wies ihn Hanako zurecht, als sie sich ihm gegenüber auf einen der Hocker fallen ließ. Mahnend sah er über den Rand des Buchs und erwartete damit eine Erklärung für den unvermittelten Vorwurf. Fassungslos fragte das Mädchen weiter: „Hast du eine Ahnung wie wichtig das für Kagome ist, was das ihr bedeutet?“ „Sie beendet die Schule. Ich wüsste nicht, warum das meine Anwesenheit erfordert“, stellte Sesshoumaru klar. „Oh Mann, du hast wirklich keine Ahnung vom Leben der Menschen heute“, seufzte Hanako und schüttelte resigniert den Kopf. Sofort verengten sich die Augen des Daiyoukai gefährlich, er war es nicht gewohnt, dass sein Schützling so mit ihm sprach. Seit sie so viel Zeit mit Kagome verbrachte, war das schüchterne Mädchen aufgeblüht und zu seinem Leidwesen hatte das vorlaute Wesen seiner Liebsten auf sie abgefärbt. „Vorsicht…“, zischte er gereizt. „Das ist ein ganz besonderer Tag für Kagome, ein neuer Lebensabschnitt beginnt, sie fängt ihr Leben als Erwachsene an. Das wird natürlich gefeiert, sie bekommt in einer Art Zeremonie ihr Abschlusszeugnis verliehen vor den Augen all ihrer Freunde und ihrer Familie.“ Sesshoumarus Blick war wie immer undurchschaubar, aber Hanako war sich sicher, dass er zuhörte. „Deswegen auch die ganze Aufregung um das Kleid“, fuhr die Hanyou fort. „Hn.“ Mit diesem Laut bestätigte der ehemalige Herr des Westens, dass er die Ausführungen zu den Initiationsriten in die Welt der Erwachsenen bei den Menschen zur Kenntnis genommen hatte. Weiter wollte er sich aber dazu nicht äußern und hüllte sich stattdessen wieder einmal in Schweigen und Rauch. „Wenn du nicht kommst, wird Kagome sehr enttäuscht und traurig sein. Und ich werde dir das niemals verzeihen, also überleg dir genau, was du tun willst.“ Mit dieser Drohung verschwand Hanako wieder und ließ einen mürrischen Sesshoumaru zurück. Niemand machte ihm Vorschriften, was er zu tun oder zu lassen hatte! Aber es stimmte ihn unfreiwillig nachdenklich und so war an ein Weiterlesen seines Buchs nicht mehr zu denken. Genervt legte er es beiseite und schaltete dann das verstaubte Radio wieder ein. Warum ließ ihn die Stille sich gerade so unwohl fühlen? Der große Tag war schließlich gekommen. Kagome hatte sich schon am Nachmittag im Bad verbarrikadiert um sich auf den Abend vorzubereiten. Baden, frisieren, Maniküre und ein straffes Kosmetikprogramm standen auf der Tagesordnung, damit sie vorzeigbar sein würde. Obwohl sie zeitig damit angefangen hatte, war sie jetzt kurz vor Ultimo erheblich im Stress. Es hatte viel länger als angenommen gebraucht ihr Haar davon zu überzeugen in weichen Kaskaden über ihren Rücken zu fallen, denn bei den ersten Versuchen endete es in einer Art After-Taifun-Frisur. Immerhin war das Problem nun gelöst, sie war bereits angezogen und musste nun nur noch etwas nachschminken. Plötzlich klopfte es an der Badezimmertür. „Kagome?“, hörte sie die gedämpfte Stimme ihrer Mutter rufen, „Dein Freund ist da.“ Vor lauter Schreck verschmierte sie die Mascara über ihre Wange. Sie hatte überhaupt nicht mit ihm gerechnet, nachdem er so mürrisch auf ihre Einladung reagiert hatte. Vor Wochen schon hatte sie ihn gefragt und er hatte nur darauf verwiesen, wie sehr er Menschen hasste. Eigentlich hatte sie sich vor Wochen auch schon damit abgefunden an diesem Abend allein zu sein, sie hatte sich sogar schon eine passende Ausrede parat gelegt, warum ihr Freund heute nicht diesen besonderen Tag mit ihr verbrachte. Es tat zwar weh, aber sie verstand ihn auch irgendwie; er war nun einmal ein Youkai und lebte in einer anderen Welt. Umso mehr war sie nun überrascht, dass er seine Meinung geändert hatte. „Sag ihm, er soll unten kurz warten“, antwortete sie durch die geschlossene Tür. Kurz nachdem sie und Sesshoumaru ein Paar geworden waren, hatte sie ihn ihrer Familie vorgestellt. Da alle bereits Inuyasha gekannt hatten, war es kein Problem gewesen und sie musste nicht über sein wahres Wesen lügen. Nur Sota hatte sie vorher behutsam erklärt, dass Sesshoumaru nicht so ein lustiger Dämon war wie Inuyasha, auch wenn sie Brüder waren. Ihr kleiner Bruder schien es verstanden zu haben, denn die wenigen Male, die er dem Daiyoukai begegnete, bestaunte er ihn aus sicherer Entfernung. Ihre Mutter behandelte ihr Gefährte relativ neutral, aber immer höflich. Zu ihrem Großvater jedoch hatte er ein sehr spezielles Verhältnis. Der alte Priester wusste natürlich sofort, wen er vor sich stehen hatte, als er von Kagome erfuhr, dass Sesshoumaru ein Daiyoukai war, noch dazu einer der vier Herrscher. Großvater Higurashi hatte eine umfangreiche Sammlung von Objekten und Schriften über die untergegangene Welt der Youkai und wusste viel darüber für einen Menschen der Neuzeit. Leider vergaß er des Öfteren, dass er in eben jener lebte und legte sehr viel Wert auf alten Aberglaube. Aber gerade dadurch hatte er sich Sesshoumarus Wohlwollen erarbeitet, denn dieser genoss es heimlich endlich einmal wieder den gleichen Respekt entgegengebracht zu bekommen wie damals und über alte Geschichten plaudern zu können. Untypisch aufmerksam hatte er dem alten Mann sogar ein Stück aus seinem eigenen Archiv zum Geburtstag überlassen. Ihm war aufgefallen, dass der Priester fast von allen Youkaiherrschern der jüngeren Geschichte einen Siegelabdruck besaß. Nur der des Westens fehlte bisher und so hatte Sesshoumaru den Anlass genutzt um die Lücke zu schließen. Sprach man ihn aber auf diese stillschweigende Freundschaft an, so stritt er alles ab, wie er es immer tat. Nach kurzer Zeit hatte Kagome das Malheur auf ihrer Wange beseitigt und war endlich fertig. Als sie die Treppe zum Wohnzimmer herunterkam, fand sie ihren Liebsten im Wohnzimmer sitzend mit ihrem Großvater. Vor den beiden Männern stand jeweils eine Schale Sake. „Ah, da bist du ja endlich, Kagome. Wir haben schon mal auf dein Glück angestoßen, ich konnte Sesshoumaru-sama ja nicht einfach hier sitzen lassen“, wurde ihr sofort die Erklärung für die gemütliche Runde geliefert. Sie wollte nicht ganz daran glauben, dass die beiden nur einmal auf ihr Glück getrunken hatten, denn das faltige Gesicht des Priesters leuchtete bereits an einigen Stellen verdächtig rötlich. Staunend glitt Kagomes Blick über ihren Gefährten. Sesshoumaru hatte tatsächlich einen schwarzen Anzug an, wo auch immer er ihn herhatte. Feine schwarze Schurwolle, perfekter Sitz; Sie wusste nicht, dass er so etwas besaß. Darunter trug er wie immer ein schwarzes Hemd, jedoch ohne Krawatte. Das störte sie jedoch überhaupt nicht, denn es hätte nicht zu ihm gepasst. Sie verband ihn immer mit Unabhängigkeit und Freiheit, da wäre ein so formales Kleidungsstück albern gewesen, wie eine Verkleidung. Da es sich aber um einen feierlichen Anlass handelte, hatte er einen Knopf mehr als für gewöhnlich geschlossen. Ansonsten sah er wie immer aus, die Haare locker auf Höhe der Schulterblätter zusammengebunden, den hölzerne Anhänger um seinen Hals und einen gelangweilten Ausdruck im Gesicht. „Ich lass euch beiden dann mal alleine und mach mich auf fertig“, verkündete ihr Großvater schließlich und machte sich auf den mühsamen Weg die Treppe hinauf. Kagome stand immer noch ohne ein Wort zu sagen vor dem auf einem Sessel sitzenden Daiyoukai. „Ich dachte, du wolltest nicht…“, begann Kagome zaghaft zu sprechen, doch sie wurde schnell unterbrochen. „Dir auch erst mal einen guten Abend“, sagte Sesshoumaru spöttisch und stand dabei auf. Peinlich betreten senkte Kagome den Blick, aber plötzlich tauchten ein Paar schwarze Schuhe in ihrem Blickfeld auf. „Es ist dir wichtig und irgendwie werde ich es schon überleben“, erklärte er ihr weiter. Kagome ahnte, dass er nicht alleine zu dieser Einsicht gelangt war, aber sie würde sich hüten ihm das zu sagen. Seine Hand legte sich unter ihr Kinn und brachte sie so dazu ihm direkt in die Augen zu sehen. „Du siehst hübsch aus. Sehr gute Wahl. Aber da fehlt noch etwas.“ Innerhalb von Sekundenbruchteilen stand er dicht hinter ihr, sie spürte die Wärme seines Körpers in ihrem Rücken. Doch auf einmal wurde das Gefühl der Geborgenheit unterbrochen durch etwas Kaltes, das sie an ihrem Hals spürte. Aufgeregt fühlte sie mit ihren Händen nach, was es war und sie ertastete kühles Metall. Als sie an sich heruntersah, entdeckte sie eine Kette aus Silber mit einem schweren Anhänger, der auf ihrer Brust ruhte. Begierig sie besser sehen zu können eilte sie in den Flur zu dem großen Spiegel und stand ungläubig staunend davor. Sesshoumaru folgte ihr gemächlich, stellte sich wieder hinter sie und genoss die offenbar gelungene Überraschung. Kagome sah sich selbst mit einer feingliedrigen Kette aus reinem Silber um den Hals. An ihr befestigt war ein ebenfalls silberner Anhänger in Form einer Mondsichel. Die Enden der Sichel zeigten nach oben und in den Zwischenraum war ein tiefblau funkelnder Saphir gearbeitet. Wieder und wieder fuhren ihre Finger die Konturen nach, als müsste sie sich überzeugen, dass das Schmuckstück real war. „Sie gehörte vor sehr langer Zeit meiner Mutter. Mein Vater hatte sie für sie anfertigen lassen lange vor meiner Geburt. Gefällt sie dir?“ Tränen der Freude und Rührung setzten zur Überflutung von Kagomes Augen an, tapfer versuchte sie sie wegzublinzeln. „Ja! Ich weiß nicht, was ich sagen soll…. Danke“, sagte sie leise. Überglücklich lehnte sie sich gegen ihn und schmiegte sich an seine Brust. Zärtlich legte er seine Arme um ihre Taille und flüsterte in ihr Ohr: „Vor fünfhundert Jahren wärst du damit jetzt offiziell Gefährtin des Westens gewesen.“ Der wunderbare Moment wurde leider rüde unterbrochen bevor sie ihren Gefährten zum Dank küssen konnte, da ihr Großvater die Treppen wieder herunter polterte. „So, wir wären dann alle soweit! 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