Das Teehaus am Ende der Straße von Seelenfinsternis ================================================================================ Kapitel 20: auf alte Zeiten --------------------------- 20 – auf alte Zeiten Immer höher türmte sich der rot leuchtende Rauch, er reichte bereits über die Giebel der umliegenden Dächer. Youki entlud sich an den Schwaden, etwas braute sich in dem Inneren zusammen. Mit weit aufgerissenen Augen, aus denen der Wahnsinn schien, begutachtete Zatsudan zufrieden sein Werk. Sein Mund war zu einer irre lachenden Fratze verzerrt. „So, du willst einen Kampf wie in alten Zeiten? Dann kämpfe gegen einen Gegner aus der alten Welt!“, schrie er durch das laute Toben der aus der Tafel strömenden Kraft. Mit einem gewaltigen Donnerhallen leuchtete die Rauchsäule auf und gab eine gigantische, geisterhafte Gestalt frei. Aus gelb leuchtenden Augen nahm ein riesiger Panther den ehemaligen Herrn der westlichen Länder in Augenschein und sah verächtlich auf ihn herab. Von seinem Kopf gingen drei lange Dornen ab, auch aus seinem Nacken ragten zwei spitze Hörner. Sein Körper steckte in einer Plattenrüstung, die sich schützend über die breiten Schultern legte, ein geschuppter Panzer verbarg die Brust. Über das katzenhafte Gesicht huschte ein Lächeln, das von den Reißzähnen unterbrochen wurde. Doch dieser beschworene Dämon war nicht real, er war ein Gespenst aus tiefer Vergangenheit in astraler Gestalt. Bedrohlich spreizte er die Krallen in unausgesprochener Drohung. Überwältigt starrte Kagome den Geist an, Angst kroch in ihre Glieder. Doch irgendwie kam er ihr seltsam bekannt vor, sie hatte diese riesige Katze schon einmal gesehen, aber wo nur? „Verneig dich vor dem Daiyoukai der Panther, Sesshoumaru! Mit seiner Hilfe werden wir das alte Reich des Südens wieder errichten und die Pantheryoukai wieder zu den rechtmäßigen Herrschern über die Youkai machen!“ Die Stimme Zatsudans überschlug sich bei diesem Aufruf, er kniete immer noch neben dem Schrein, der scheinbar den Geist dieses Daiyoukai im Diesseits gehalten hatte. Sofort fiel Kagome ein, warum ihr das alles so bekannt erschien. Sie hatte zusammen mit Inuyasha und auch Sesshoumaru im Mittelalter schon einmal gegen diesen Geist gekämpft! Damals hatten auch einige machthungrige Panther versucht mit Hilfe einiger Juwelensplitter und Seelen von gefangenen Menschen den toten Körper dieses Monsters wieder zum Leben zu erwecken. Sie wollten die Niederlage gegen Sesshoumaru rächen und auch damals schon wollten die Panther ihren Herrschaftsanspruch mit aller Gewalt durchsetzen. Zum Glück hatten es die beiden Hundedämonen mit vereinten Kräften geschafft den untoten Daiyoukai zu besiegen. Lange davor war das irdische Leben dieser überdimensionalen Katze bereits von Sesshoumarus und Inuyashas Vater beendet worden, etwas, wofür der wiedererweckte Dämon ebenfalls Rache nehmen wollte. Kagome stellte überrascht fest, dass es die durchtriebenen Panther wohl wieder geschafft hatten den Geist ihres Anführers vor dem Jenseits zu bewahren. Erkannte ihn Sesshoumaru auch, fragte sich Kagome. Mit stoischer Gelassenheit stand er mit gezogenem Schwert vor seinem überwältigend großen Gegner, aber wie immer verriet seine kalte Fassade nicht, was in ihm vorging. Die ganze Rettungsaktion war vollkommen aus dem Ruder gelaufen. Bis eben hatte Kagome noch gehofft, dass sie die Panther besiegen könnten ohne Sesshoumarus vollständige wahre Identität preisgeben zu müssen. Er hätte seine plötzlichen Kräfte auf das Schwert schieben können, er hatte ja kaum einen Bruchteil seiner eigentlichen Macht gezeigt. Doch gegen einen Daiyoukai musste auch Sesshoumaru seine Kraft als Daiyoukai einsetzen. Er hatte keine andere Wahl, wenn er diesen Kampf gewinnen wollte. „Ein Menschenmädchen und ein Möchtegerndämon wollen sich mir in den Weg stellen? Das ich nicht lache!“, donnerte die tiefe Stimme des Geistes über sie hinweg. Hämisch fragte Zatsudan, der sich hinter seiner Beschwörung in Sicherheit gebracht hatte: „Na, machst du dir schon in die Hose vor Angst? Du Schwächling hast keine Chance!“ Letztlich konnte Kagome nicht sagen, welche der beiden Sticheleien es war, die Sesshoumarus Geduldsfaden zum Reißen brachte. Wütend sah er auf seine Gegner, fixierte sie mit seinem Blick. Sein Stolz hatte die ganze Zeit über schon unter den Beschimpfungen gelitten, Kagome war erstaunt, dass er überhaupt so lange so ruhig geblieben war. Plötzlich umspielte ein mordlustiges Grinsen seine Lippen und er schlenderte in aufreizender Gelassenheit auf seine beiden Gegner zu. Voller Vorfreude auf den bevorstehenden Kampf ließ er die Knöchel seiner freien Hand knacken. „Ihr mickrigen Kätzchen seid noch nie ein Gegner für mich gewesen. Nicht jetzt, nicht früher; nicht für mich, nicht für meinen Vater. Nicht mal mit meinem armseligen Halbbruder seid ihr fertig geworden!“, schnaubte Sesshoumaru verächtlich. Verdutzt schaute Zatsudan seinen Meister nach Rat suchend an, doch auch der konnte sich keinen Reim auf das machen, was ihnen gerade entgegen gespien wurde. „Was glaubst du eigentlich, wer du bist, Bürschchen?“, brüllte der Geist zornig auf und versuchte damit wohl seine Ratlosigkeit zu verbergen. Fest umschloss er mit seiner linken Hand das kleine Holzplättchen, das um seinen Hals baumelte. Dann riss sich Sesshoumaru den Talisman vom Hals, der sein wahres Wesen Jahrhunderte vor der Welt versteckt hatte. Machtvoll entlud sich seine Aura, die endlich von ihren Fesseln befreit worden war und stürmte den Panthern entgegen. Seine Geburtssymbole, die ihn als Daiyoukai auswiesen, kamen wieder zum Vorschein, fein geschwungene magentafarbene Streifen zogen sich über seine Wangen und das Wappen des Westens, der blaue sichelförmige Halbmond, zeigte sich wieder auf seiner Stirn. Auch um seine Handgelenke legten sich wieder die purpurfarbenen Male. Kagome stockte der Atem; der Daiyoukai des Westens war wieder aus den Schatten getreten. Die Panther reagierten aber mit deutlich weniger Ehrfurcht. Verwirrt sahen sie Sesshoumaru an und versuchten zu verstehen, was geschehen war. Er hatte jetzt bunte Zeichen im Gesicht, aber was machte das schon für einen Unterschied? Die Überraschung hielt nicht lange an, schnell kehrte das überhebliche Grinsen in Zatsudans Gesicht zurück. Nur der Geist des Daiyoukai verstand, was sein Gegner soeben offenbart hatte. Die übrigen Hanyou konnten weder Auren spüren, noch wussten sie, was diese Symbole zu bedeuten hatten, aber dem großen Pantheryoukai gefroren die Gesichtszüge. Schreckgeweitete Augen konnten nicht aufhören den Inuyoukai anzustarren. Zatsudan bemerkte die plötzliche Zurückhaltung seines Meisters, es irritierte ihn. Hatte der Geist etwa Angst? „He, krieg dich wieder ein, der hat nur ein bisschen Schminke im Gesicht, na und? Er hat trotzdem keine Chance gegen dich!“, kommentierte er entspannt die schockierte Reaktion des Geistes. Doch dieser achtete gar nicht mehr auf die Bande Rowdys zu seinen Füßen. „Unmöglich!“, stieß der untote Daiyoukai mit zitternder Stimme aus, „Du bist vor über vierhundert Jahren verschwunden. Es gibt keine Inuyoukai mehr, du musst schon lange tot sein!“ „Du wolltest doch einen Kampf wie in alten Zeiten!“, knurrte Sesshoumaru mit grimmiger Freude. Der Schock der überrumpelnden Erkenntnis ließ nicht nach, fassungslos erklärte der Geist: „Der Daiyoukai des Westens ist tot, der Westen ist untergegangen! Du kannst es gar nicht sein!“ Jetzt wurde sogar Zatsudan stutzig. Hatte er eben richtig gehört? Sesshoumaru sollte ein Daiyoukai sein? Derselbe Sesshoumaru, der das heruntergekommene Teehaus betrieb? Wenn dem so war, warum lebte er dann so ärmlich und zurückgezogen? Angespannt überdachte Zatsudan die gesamte Situation; Er hatte vollkommen die Kontrolle über diesen Kampf verloren. Kagome nutzte die allgemeine Verwirrung und huschte in einem Bogen um den ganzen Kampfplatz herum. Ungesehen schaffte sie es bis zur seitliche Außenwand der Scheune, in der Hanako gefangen gehalten wurde. Selbst die Wächter waren von dem Aufeinandertreffen der beiden Daiyoukai so gebannt, dass sie gar nicht bemerkten, wie in ihrem Rücken jemand durch die Tür schlüpfte. Kagome brauchte einen Moment, bis sich ihre Augen an das schummrige Halbdunkel gewöhnt hatten, aber dann entdeckte sie Hanako. Die Hanyou lag gefesselt am Boden im Staub mit dem Kopf zur Rückwand. Ihre Kleidung war an einigen Stellen eingerissen, Kratzer überzogen ihren Rücken. Die Panther hatten es tatsächlich gewagt der Kleinen etwas anzutun! Kagome kniete sich neben sie und berührte sie vorsichtig an der Schulter. Noch bevor die Hanyou vor Schreck aufschreien konnte, flüsterte sie: „Ich bin’s, Kagome! Sei still, ich hol dich hier raus.“ Sofort riss Hanako ihren Kopf mühsam herum und starrte die junge Frau ungläubig an. Für Wiedersehensfreude hatten sie aber keine Zeit, auch nicht für weitere Erklärungen. Hastig machte sich Kagome daran die Fesseln zu lösen, doch die Riemen waren einfach zu fest verknotet. Ohne Messer oder etwas Scharfem würde sie sie nicht befreien können. „Ganz hinten in der Ecke ist ein Verschlag, da lagern sie Waffen drin“, murmelte Hanako leise, als sie Kagomes vergebliche Bemühungen bemerkte. „Dort findest du sicher etwas, mit dem du die Riemen durchtrennen kannst.“ Das ließ sich Kagome nicht zwei Mal sagen. Flink huschte sie tiefer in die Dunkelheit hinein und entdeckte auch gleich den erwähnten Verschlag. An die Rückwand der Scheune war eine Art Bretterschuppen gezimmert worden, dessen Tür zum Glück nicht verschlossen war. Kaum hatte sie sie geöffnet, entdeckte sie auf einem der Regalböden ein altes Messer, das aber noch scharf wirkte. Eilig überflogen ihre Augen die anderen gelagerten Gegenstände, vielleicht fand sie ja noch etwas, das hilfreich sein konnte. Jede Menge rostige Schwerter waren aufbewahrt, sogar einige Gewehre. Doch in der hintersten Ecke entdeckte Kagome etwas, das ihr wirklich nützlich sein konnte. In einen alten, ledernen Köcher gestopft stand dort ein Bogen an die Seitenwand gelehnt. In dem Köcher befanden sich sogar noch eine Handvoll Pfeile. Vorsichtig zog sie das Bündel aus dem Verschlag und versuchte keinen Lärm zu machen. Der Bogen war alt und nicht in bester Verfassung, aber würde ihren Zwecken genügen, stellte Kagome zufrieden fest. Jetzt fühlte sie sich deutlich besser, denn jetzt war sie nicht mehr hilflos und auf Sesshoumarus Schutz angewiesen. Sie schnappte sich auch das Messer und schlich sich zu Hanako zurück. Mit einigen kräftigen Schnitten hatte sie schließlich Hanako befreit. Vorsichtig rieb sich das Mädchen die geschundenen Handgelenke, die Fesseln waren viel zu fest gewesen und hatten eingeschnitten. „Geht es dir gut?“, fragte Kagome sie leise, „Kannst du laufen?“ „Ja, es wird schon gehen“, antwortete Hanako ebenso flüsternd und stellte sich auf die immer noch wackligen Beine. „Was ist da draußen passiert? Ich habe Geschrei und ein lautes Donnern gehört.“ „Sesshoumaru kämpft gegen die Panther“, klärte Kagome sie schnell auf, „Sie haben den Geist eines alten Daiyoukai beschworen und gleich wird es hier ungemütlich!“ Gebückt schlichen die beiden an der Wand entlang zum Tor der Scheune. Die Wachposten hatten immer noch alles um sich herum vergessen und so schafften sie es zwischen die Schatten der anderen zerstörten Gebäude zu schlüpfen und wieder den Bogen, den Kagome auch auf dem Hinweg gegangen war, zurück hinter Sesshoumaru zu laufen. Keiner der Panther hatte Hanakos Befreiung bemerkt, nur Sesshoumaru hatte gesehen, wie Kagome zunächst in die Scheune hinein geschlichen war und kurze Zeit später sich mit der Hanyou wieder davon stahl. Die Miko hatte sich dort drinnen sogar bewaffnet, stellte er zufrieden fest. Ein Umstand, der ihm sehr gelegen kam, denn nun konnte er sich ohne Rücksicht auf Verluste um die Panther kümmern; Hanako war in Sicherheit und er musste keine Angst haben sie versehentlich zu verletzen. Wieder einmal war die Miko überraschenderweise doch nützlich. „Ich werde euch Panther nun für alle Zeiten ausmerzen. Ihr seid mir das letzte Mal in die Quere gekommen“, drohte Sesshoumaru mit frischer Kampfeslust. Zum ersten Mal seit der Vernichtung des Westens ließ er seiner Kraft freien Lauf. Alle Fesseln um sein Youki sprengte er und der Sturm nahm von neuem Fahrt auf. Selbst die unwissenden jungen Panther spürten nun deutlich seine Macht, dass das nicht irgendein Dämon war, der ihnen gegenüber stand. Lichtbögen bildeten sich, die Luft knisterte und immer wieder entlud sich die dämonische Energie. Plötzlich leuchteten Sesshoumarus Augen rot auf und eine weitere Welle seiner Aura fegte über den Boden und riss einige der Hanyou von den Beinen. Langsam begann sein Gesicht sich zu verformen, die Nase wurde länger, bildete mit dem Mund eine Schnauze. Dann verschwand er mit einem Mal in einer Lichtkugel und schwebte einige Meter über dem Boden. „Was passiert da?“, fragte Hanako ängstlich, die zusammen mit Kagome alles aus sicherer Entfernung beobachtete. „Warum blitzt es so und was ist mit Sesshoumaru passiert?“ Selbst Kagome musste schlucken, ehe sie ehrfürchtig wisperte: „Das ist seine wahre Stärke, das war alles seine Kraft, die du gespürt hast. Jetzt verwandelt er sich in seine Dämonengestalt.“ Sie hatte es schon einige Male gesehen, wie Sesshoumaru sich verwandelt hatte im Kampf gegen Naraku und seine Abkömmlinge, aber es war immer noch eindrucksvoll und einschüchternd. Hanako schien nicht zu verstehen, was Kagome mit verwandeln meinte, aber noch bevor sie die Frage aussprechen konnte, bebte die Erde. Ein riesiger, weißer Hund sprang aus der Luft und landete auf dem Boden vor dem Geist des Pantheryoukai. War das etwa Sesshoumaru, fragte sich Hanako aufgeregt. Der Hund trug ebenfalls die blaue Mondsichel auf der Stirn, rote Streifen umrahmten das riesige Maul, aus denen scharfe Fänge ragten. Jetzt ergab es auch für Hanako Sinn, warum Sesshoumaru sein Teehaus „Zum weißen Hund“ genannt hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)