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Das Teehaus am Ende der Straße

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Gut Ding will Weile haben. Komplett anzeigen

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Morgenröte

16 – Morgenröte
 

Fassungslos starrte Hanako Kagome an, die plötzlich aus dem hinteren Teil des Hauses auftauchte. Verwundert rieb sie sich die Augen, aber die Gestalt der Miko verschwand nicht. Sie bildete sich das doch nicht ein. Kagome schien nicht weniger überrascht zu sein die junge Hanyou zu sehen, ihr Gesicht wurde um einige Nuancen bleicher, als hätte sie einen Geist gesehen. „Was ma…. Du.. hier?“, stammelte Hanako, die zuerst wieder die Sprache gefunden hatte. Sie musterte ihr Gegenüber genau und bemerkte irritiert Kagomes derangiertes Äußeres. Die Haare wirr, die Augen noch trüb… Hatte sie die Nacht etwa hier verbracht? Kagome war nicht fähig zu antworten, die Scham erstickte jeden Laut in ihrer Kehle. Die ganze Sache war auch so schon peinlich genug, ohne dass sie nun Hanako Rede und Antwort zu stehen hatte. So wie das Mädchen sie gerade ansah, ahnte sie bestimmt was vorgefallen war. Oder hatte Sesshoumaru ihr etwa schon alles erzählt?

Wo verdammt war das Loch, in das sie versinken konnte, wenn man es brauchte? Zu allem Überfluss spürte sie nun, wie das Blut in ihre Wangen schoss und sie heftig errötete. Wenn nicht schon vorher klar war, dass sie in einer hochnotpeinlichen Situation ertappt worden war, dann spätestens jetzt. Dröhnende Stille breitete sich aus, verschämte Betroffenheit waberte durch den Raum. Aber die beiden waren nach wie vor in ihrer Überraschung paralysiert und gafften sich weiter unverhohlen an. Schließlich fand Hanako als erste wieder zurück in das Hier und Jetzt. „Ich mach jetzt erst einmal Tee, du siehst nämlich so aus, als würdest du einen Starken brauchen. Und dann erzählst du mir, warum du hier bist und was alles passiert ist“, erklärte sie ruhig mit monotoner Stimme. Sie verbrachte definitiv zu viel Zeit mit diesem Eisklotz von einem Daiyoukai, stellte Kagome zerknirscht fest. Dessen kalte, analytische Art färbte auf die Kleine ab!

Kaum wähnte Kagome sich unbeobachtet, da Hanako sich um den Tee kümmerte, schlug sie ihre Stirn verzweifelt auf die Theke. Verdammt, verdammt, verdammt! Wieso passierte so etwas immer ihr? Wie sollte sie nun aus der Nummer wieder herauskommen? Und wie sollte sie etwas erklären, das ihr im Moment noch selbst Kopfzerbrechen bereitete? Eins stand fest, sie musste hier weg, so schnell wie möglich! Inzwischen war sie auch sehr dankbar dafür, dass Sesshoumaru nicht da war. Sie wusste nicht, ob – und vor allem wie – sie ihm je wieder unter die Augen treten konnte. Sie gönnte sich noch einen Moment des Selbstmitleids und lag mit geschlossenen Augen auf ihren Armen. Das war alles zu viel für sie und sie musste dieses Knäul an Gefühlen und Gedanken in sich erst einmal in Ruhe ordnen. Gnadenlos beendete Hanako die Schonfrist, stellte einen dampfenden Becher vor sie und begann ihr unbarmherziges Verhör: „Was ist gestern Abend passiert? Du tauchst plötzlich aus seinem Bereich auf, völlig neben der Spur und heute Morgen ist Sesshoumaru nicht weniger durcheinander verschwunden. Erzähl mir nicht, es wäre nichts! Also, ich höre?“

„Das verstehst du nicht“, murmelte Kagome und hielt ihren immer noch schweren Kopf mit der Hand. Immerhin versteckte das ihre Sorgenfalten. „Komm mir nicht so“, erwiderte Hanako ruhig, „Ich bin vielleicht zu jung dafür, aber da gibt es nichts, was man nicht verstehen kann.“ Verzweifelt legte Kagome den Kopf in den Nacken und stierte gegen einen dunklen Fleck an der Decke. Aber auch das half nichts, Hanako verhinderte jegliches Herauswinden. „Ich versteh doch selbst nicht, was genau passiert ist und vor allem warum! Das bin eigentlich gar nicht ich! Sowas ist nicht meine Art…“, platze es aufgebracht heraus. Das war alles zu viel; Tränen kullerten plötzlich ihre geröteten Wangen herab und sie vergrub ihr Gesicht auf ihren Armen, um bitterlich zu weinen. Ihre Schultern zitterten, immer wieder wurde sie heftig von ihrem Weinkrampf geschüttelt.

Plötzlich schreckte sie auf, als sie spürte wie sie an der Schulter berührt wurde. Hanakos Hand lag darauf und drückte sie aufmunternd. „Hey, beruhig dich wieder“, sagte sie sanft und versuchte sich an einem tröstenden Lächeln. „Es ist doch kein Weltuntergang, alles ist gut.“ Fassungslos wurde sie von Kagome mit verweinten Augen angestarrt. „Gar nichts ist gut! Ich habe völlig die Kontrolle über mich verloren, mit Sesshoumaru geschlafen und damit alles kaputtgemacht!“ Verloren versteckte sie sich wieder unter ihren Armen. Wenn sie nur lang genug die Augen schließen würde, wäre sie dann weg von diesem unglückseligen Ort? Zunächst schluckte Hanako einmal nach dem überraschenden Geständnis Kagomes. Einen Verdacht zu haben war eine Sache, ihn bestätigt zu bekommen eine ganz andere. Vorsichtig, aber dennoch bestimmt richtete sie die Weinende wieder auf. „Was geschehen ist, ist geschehen, egal wie sehr du es jetzt bereust. Und er ist auch nicht merkwürdiger als sonst, das renkt sich schon wieder alles ein.“ Bitter lachte Kagome auf. „Ja, er hat nur heute Morgen das Teehaus fluchtartig verlassen und ist seitdem spurlos verschwunden.“ „Er ist wahrscheinlich genauso durcheinander wie du, jetzt mal doch nicht alles schwarz. Der taucht schon wieder auf.“ Sie strich dem verweinten Häufchen Elend nochmals fürsorglich über den Rücken und schob die inzwischen nicht mehr ganz so heiße Tasse näher zu ihr. „So, jetzt trinkst du deinen Tee aus und gehst dann heim, um dich auszuruhen. Schlaf dich aus, wenn du dann aufwachst, sieht die Welt schon wieder ganz anders aus!“
 

Rückblickend wusste Kagome nicht mehr wie genau sie nachhause gekommen war, sie hatte jede Erinnerung an den Weg verloren. Nach mehreren Versuchen hatte sie es endlich geschafft die Haustür aufzuschließen und stand etwas verloren im Hausflur, als müsste sie überlegen, warum sie eigentlich hergekommen war. „Kagome, Gott sei Dank, da bist du ja! Ich hab mir schon Sorgen gemacht“, begrüßte sie ihre Mutter, die aus dem Wohnzimmer geeilt kam. Doch nach kurzer Zeit schon wich die mütterliche Sorge einem Kreuzverhör. „Wo bist du gewesen, Kind? Die ganze Nacht habe ich kein Auge zugetan, ich war krank vor Sorge! Es hätte sonst was mit dir sein können und jetzt tauchst du hier auf und siehst aus wie der leibhaftige Tod! Du hättest dich melden können, wenn du über Nacht wegbleibst!“ Müde schleppte sich Kagome an ihrer Mutter vorbei die Treppe hinauf. „Lass mich schlafen und ein Bad nehmen, bitte. Ich erzähle es dir später, ok?“ In der Zeit konnte sie sich eine plausible Notlüge für ihre Mutter überlegen. Sie würde ihr ganz sicher nicht die Wahrheit erzählen! Wie sollte sie das erklären? Ach Mama, übrigens ich habe mich gestern betrunken, nachdem ein Junge vor meinen Augen gestorben ist und habe es mit dem letzten Dämon wild auf einem alten Tisch mitten in einem Teehaus getrieben? Nein, das würde sie ihr ganz sicher nicht erzählen!

Mit letzter Kraft schlurfte sie ins Bad und schloss die Tür hinter sich ab. Geschafft, jetzt würde sie dem Dreck endlich wie ein Phönix aus der Asche entsteigen! Ungeduldig befreite sie sich von den nach durchzechtem Abend miefenden Klamotten, die sie umgehend in die Waschmaschine stopfte. Dann griff sie nach ihrer Zahnbürste, um endlich diesen scheußlichen Geschmack aus dem Mund zu bekommen. Leider stand sie dabei vor einem Spiegel und wurde nun mit ihrer eigenen Erscheinung konfrontiert, jetzt sah sie das ganze Elend. Der Teint aschfahl, immer noch trübe Augen, die ihr schon wieder zufallen wollten und Ringe darunter, die ins Endlose reichten. Um das Vogelnest auf ihrem Kopf würde sie sich gleich kümmern. Mutig entschlossen nahm sie ihre Bürste und setzte zum ersten Strich an, aber sie ächzte gepeinigt auf. Knoten reihte sich an Knoten, das würde wahrlich kein Vergnügen werden. Tapfer kämpfte sie sich durch das Gewirr und war am Ende überrascht überhaupt noch Haare auf dem Kopf zu haben; gefühlt mussten die doch eben alle ausgerissen worden sein. Den überlebenden Schopf flocht sie locker zu einem Zopf.

Kagome drehte den Hahn der Badewanne auf und angenehm warmes Wasser plätscherte hinein. Dazu gab sie eine frisch duftende Badeessenz, die gleich einen imposanten Schaumteppich bildete. Ihre verspannten Muskeln zuckten voller Vorfreude auf die bevorstehende Entspannung. Konnte das nicht schneller gehen? Ungeduldig stellte sie sich in die Wanne, um wenigstens ihre eiskalten Füße in dem heißen Badewasser schon einmal zu wärmen. Kurze Zeit später war das Bad endlich vollständig eingelassen und sie glitt mit einem wohligen Seufzen in das duftende Wasser. Die Hitze prickelte auf ihrer Haut, aber es dauerte nicht lange und sie hatte sich daran gewöhnt. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie so durchgefroren war, es musste wohl an der Erschöpfung liegen.

Endlich, nachdem ihr Körper die dringend notwenige Ruhe gefunden hatte, konnte sie klar auf die Ereignisse des vergangenen Abends blicken und das Chaos in ihren Gedanken sortieren. Das durfte alles nicht wahr sein! Bitte, es war ein Traum, ein seltsamer Traum, flehte sie in Gedanken das Schicksal an. Doch die Wahrheit wurde ihr unbarmherzig vor Augen geführt, als sie sich des Zustandes ihres Körpers gewahr wurde. Feine rote Striemen krochen von ihrer Hüfte hinauf zu ihrem Brustkorb, akkurat parallel. Beweise für die Leidenschaft des Daiyoukai, mit der er sie bedacht hatte. Sogar einen blauen Fleck an ihrer Hüfte hatte sie davon getragen, auch wenn sie gar nicht wusste, wann und wie genau sie ihn sich zugezogen hatte. Zum wiederholten Male an diesem noch jungen Tag schlug sie die Hände vor dem Gesicht zusammen. Es war einfach eine Katastrophe. Sie hatte dank des merkwürdigen Gebräus völlig die Kontrolle über sich verloren, ohne jeden Scheu oder Hemmung hatte sie Sesshoumaru verführt. Zwar hatte der sich bereitwillig verführen lassen und sich nicht im Geringsten dagegen zur Wehr gesetzt und sogar das Ganze weiter vorangetrieben, aber das zählte für sie nicht. Sie hatte den Stein ins Rollen gebracht, als sie ihrem plötzlichen Impuls gefolgt war und ihn geküsst hatte. Ihr Verstand rotierte, versuchte die Folgen zu erfassen, die diese betrunkene Nacht nach sich ziehen würde.

Wenn sich etwas wie ein fragiles Band der Freundschaft zwischen ihnen entwickelt hatte, so war es nun unwiederbringlich zerstört. Sie hatte wirklich gehofft eine – rein platonische! – Beziehung zu Sesshoumaru aufzubauen. Nicht nur, weil er die letzte Verbindung in die alte Welt war, sondern vor allem, weil sie ihn zu schätzen gelernt hatte. Sie mochte seinen schwarzen Humor, auch wenn er meist dazu diente seinen Schmerz zu verstecken. Die ruhige, besonnene Art, die er an den Tag legte, empfand sie auch als angenehm, besonders wenn sie an den leicht hysterischen Hühnerhaufen dachte, mit dem sie sonst ihre Zeit verbrachte. Aber das Kostbarste waren die Momente, in denen sie keine Worte brauchten einander zu verstehen. Sie hatten ähnliche Erfahrungen gemacht, sie musste nicht alles umständlich erklären, sondern er verstand auch so; Verstand den Trennungsschmerz und er verstand auch das Gefühl der Einsamkeit wie kein Zweiter.

Kalt und präzise beendete der vernünftige Teil ihres Ichs diesen Gedankengang. Ja, all das hattest du und du hast es ein für alle Mal kaputt gemacht. Er ist geflohen, vor dir geflohen, das war’s, hör auf zu jammern und finde dich damit ab. Doch tapfer hielt weiter ein Teil ihres Herzens die Stellung, der sich nicht mit dem Status quo abfinden wollte. Überrascht horchte sie tiefer in sich hinein und hörte, was ihr Gefühl ihr mitzuteilen hatte. Es erinnerte sie an die Geborgenheit, die sie immer in seiner Nähe verspürt hatte, daran, dass er die Einsamkeit aus ihrem Herzen vertrieben hatte und es machte nun eindeutig klar, dass es nicht kampflos seine Zuneigung zu dem Daiyoukai aufgeben würde! All die Gefühle, die sie gestern Abend im Rausch erlebt hatte, sie waren real und keine Trugbilder. Der Alkohol hatte lediglich die mahnende Stimme ihres Verstandes niedergerungen und ihnen Raum verschafft. War das wirklich ihr innerstes Gefühl, ihr Sehnen, ihr Verlangen?

Sie wollte ihn nicht verlieren. Sie wollte weiter bei ihm sein, auch wenn es völlig aussichtslos und schwachsinnig war. Eventuell sogar gefährlich, das hing von seiner Stimmung ab. Aber wenn sie nun ehrlich mit sich war, wollte sie weiter anknüpfen an dem Moment vor der Eskalation und sehen, wohin der Weg sie führen würde. Konnte sie diese unerwartete Eskalation zwischen ihnen nicht einfach als betrunkene Nacht abtun, als einen Ausrutscher, der weder zählte noch Bedeutung hatte? Nein, kannst du nicht, tadelte sie die kritische Vernunft. Vergiss deine Träume, schau in die Wirklichkeit! Er ist abgehauen, als ihm bewusst wurde, was geschehen ist! Sieh den Tatsachen ins Auge, Kagome!

Aber das wollte sie nicht, jetzt nicht. Jetzt wollte sie in der Abgeschiedenheit des Badezimmers unbeobachtet den Erinnerungen an diesen Zwischenfall nachhängen. Sein Spruch „Einmal Dämon, immer Dämon“ kam ihr wieder in den Sinn. Ein schnurrender Seufzer verließ sie. Verdammt, wie recht er hatte! Das Liebesspiel mit ihm war kein Vergleich zu den ungelenken Versuchen Hojos. In jeder Sekunde hatte sie es spüren können, diese rohe, ursprüngliche Männlichkeit, die der Daiyoukai ausstrahlte. Absoluter Willen, Selbstbewusstsein, Macht. Sein Youki hatte es sogar geschafft durch den versteckenden Zauber hindurch sie zu blenden, ihr Reiki hatte schnell auf ihn reagiert und die Verbindung ihrer Kräfte hatte ihre Ekstase nur verstärkt. Noch nie wurde sie in solch ungeahnte Höhen katapultiert, dass ihr Hören und Sehen verging!

Hojo dagegen… sie überlegte einen Moment, um ihn nach diesen neuen Erfahrungen einordnen zu können. Er war ein Junge, kein Mann. Unbeholfen, unsicher, immer darauf bedacht ja nichts falsch zu machen und ihr alles recht zu machen; langweilig und nicht aufregend. Es hatte zu Beginn natürlich seinen Reiz, es war alles neu und sie wollte wissen wie es sich anfühlte mit einem Jungen das Bett zu teilen. Aber schnell ging dieser Reiz verloren und sie hoffte immer, es würde schnell vorbei sein. Rückblickend war es ein Spiegelbild ihrer gesamten Beziehung. Bei Sesshoumaru war es anders, das gemeinsame Abenteuer hatte ihren Hunger entfacht. Unbewusst fuhr sie mit ihren Händen über die Kratzer an ihrem Bauch, dort wo vor Stunden noch seine Klauen auf ihr ruhten. Es hatte sich so gut angefühlt, sie wollte mehr, wieder diese ungezügelte Leidenschaft erleben!

Stopp, maßregelte sie sich selbst in Gedanken. Diese Überlegungen waren überhaupt nicht hilfreich um zu einer Entscheidung zu gelangen, wie sie mit all dem umgehen sollte. Sie seufzte schwer. Sie war immer noch keinen Schritt weiter, sie war sich nun nur ihrer inneren Zerrissenheit noch mehr bewusst. Der Verstand sagte, sie solle ihn schnellstmöglich vergessen, aber ihr Herz sehnte sich nach Sesshoumaru. Wenn sie nicht achtgeben würde, war sie gerade dabei sich Hals über Kopf zu verlieben!
 

Es war bereits früher Abend und der Trubel der Stadt begann sich zu legen, als Sesshoumaru wieder in sein Teehaus zurückkehrte. So plötzlich wie er verschwunden war, stand er nun wieder in der Tür und jagte Hanako den dritten Schrecken des Tages ein. Sie hatte den ganzen Tag über ausgeharrt und auf ihn gewartet; aus Pflichtbewusstsein, da er sie darum gebeten hatte, aber auch aus Neugier, wie er nun zu der Sache stand. Angespannt sah sich Sesshoumaru um. „Wo ist sie?“, schnaubte er kalt. „Wen meinst du?“, fragte Hanako unschuldig nach. Sie hatte beschlossen zunächst ahnungslos zu tun. „Du weißt genau, was ich meine! Ihr Geruch liegt immer noch in der Luft, klebt an dir, ihr habt miteinander gesprochen“, donnerte seine Stimme durch den Raum. Da sie aufgeflogen war und er ungeduldig vor Wut brodelte, gab Hanako ihre Strategie auf. „Sie ist heute Mittag nachhause gegangen, kurz nachdem sie aufgewacht ist. Sie sah sehr durcheinander aus, was ist…?“ Sie kam nicht dazu ihre Frage zu stellen, denn sofort schnitt Sesshoumaru ihr das Wort ab. „Das geht dich nichts an!“

Sie ergab sich ihrem Schicksal, es hatte keinen Zweck jetzt mit ihm darüber zu sprechen. Sein Blick gefror die Umgebung, seine Aura verströmte Wut und Aggression und er wollte sich nun in Ruhe in sein Schneckenhaus zurückziehen. Es war wohl besser ihn jetzt allein zu lassen. Sie schnappte sich ihre kleine Tasche und kam hinter der alten Theke hervor. Sie konnte es sich aber nicht verkneifen ihm noch etwas mit auf den Weg zu geben: „Was auch immer das zwischen euch ist, es freut mich.“ Noch bevor sein empörter Blick sie aufspießen konnte, war sie durch die Tür verschwunden.

Warum hatte es seinem Herzen einen Stich versetzt, als er sah, dass Kagome nicht mehr hier war? Natürlich war er froh darüber, er hatte keine Lust sich mit der Gefühlswelt eines Menschen auseinandersetzen zu müssen und er hatte schon die Befürchtung gehabt, dass sie mehr in dieses Intermezzo interpretieren würde. Aber es kratzte trotzdem irgendwie an seinem Stolz; schämte sie sich etwa? Schämte sie sich am Ende noch dafür, dass er es war, mit dem sie abgestürzt war? Sein ganzer Plan für den Tag war wie ein Kartenhaus zusammengefallen. Er hatte erwartet, sie hier zu treffen und endgültig die Fronten klären zu können. Dass sie gefälligst ihn in Ruhe lassen solle und aufhören solle sein Leben durcheinander zu bringen; dass sie in seiner Welt nichts verloren hatte und sich nicht einmischen solle. Dann hätte er sie aus seinem Teehaus geschmissen und mit einer eindeutigen Drohung klargestellt, dass es gesünder sein würde sich seinen Anordnungen nicht zu widersetzen. Und jetzt saß er alleine an seinem üblichen Platz, zog nachdenklich an einer Zigarette und wusste nichts mit sich anzufangen. All diese Gedanken und Gefühle würden ihn noch länger quälen, bis endlich alles geklärt sein würde, wenn sie wieder auftauchte. Aber würde sie wieder kommen, hallte nervös die Frage aus dem verbannten Teil seines Herzens. Was, wenn sie ihn nie wieder sehen wollte?
 

Nach dem sehr ausgiebigen Bad hatte Kagome sich in ihr Bett gelegt und den dringend notwendigen Schlaf nachgeholt. Es war bereits Abend, als der Duft des Essens ihrer Mutter sie weckte. Verschlafen rieb sie sich die Augen. Hanako hatte recht, jetzt fühlte sie sich etwas besser. Immer noch durcheinander, aber die Panik war verflogen und ihr unerschütterlicher Optimismus zu ihr zurückgekehrt. Irgendwie würde sie das mit Sesshoumaru schon schaukeln. Jetzt musste sie sich erst einmal ihrer Mutter stellen, die genauso neugierig wie besorgt war. Sie schlüpfte aus ihrem Pyjama und zog sich eine bequeme Stoffhose an, deren elastischer Bund genug Platz für ein reichhaltiges Abendessen bot und ein lockeres T-Shirt. Barfuß ging sie die Treppe hinab und war überrascht, dass ihre Mutter nur für zwei gedeckt hatte. „Großvater und Sota sind heute bei einem Fußballspiel und kommen erst später nachhause“, klärte ihre Mutter sie auf. Es war Kagome nur recht. Mit ihrer Mutter allein konnte sie offener reden, vielleicht hatte sie sogar einen Rat für sie. Sie hatte einen guten Draht zu ihr, deshalb beschloss sie ihr etwas mehr zu erzählen, als sie eigentlich geplant hatte. Ihrer Verschwiegenheit konnte sie sich gewiss sein.

Schweigend saßen sie sich gegenüber und aßen. Auch während des Abwaschs sprachen sie kein Wort. Schließlich saßen sich Mutter und Tochter bei einem Glas kühler Limonade gegenüber. „Also, wer ist der junge Mann, bei dem du heute Nacht warst?“, fragte Frau Higurashi fröhlich. Kagome hatte Mühe nicht die Limo aus ihrem Mund über den Tisch zu spucken vor verlegener Überraschung. Sie zwang sich zum Schlucken und stellte die empörte Gegenfrage: „Mama! Wie kommst du da drauf?“ Aber ihre leuchtenden Wangen ließen sie gerade mal wieder im Stich. Wie immer, wenn es um eine peinliche Situation ging. Ihre Mutter beobachtete amüsiert ihr Mienenspiel und kicherte: „Ach Kind, ich war auch mal jung. Die Anzeichen kann ich immer noch deuten, wenn man von so einer Nacht nachhause kommt.“ Empörung wich Erstaunen. „Mama?“ Was erzählte ihre Mutter da? Sie kannte sie immer als brave und etwas biedere Hausfrau, wovon sprach die Frau, die auf dem Stuhl ihrer Mutter saß? Sie konnte nicht mehr aufhören zu kichern und mit einem undeutbaren Lächeln sagte sie: „Kagome, ich bin nicht von Natur aus alt, also alt auf die Welt gekommen und war sofort mit deinem Vater verheiratet. Ich habe ihn auch einmal kennengelernt und diese Art heimlicher Treffen kenne ich nur zu gut. So und jetzt will ich wissen, mit wem du dich gestern Abend getroffen hast.“

„Du kannst dich noch an Inuyasha erinnern?“, begann Kagome schüchtern nach einer kurzen Pause. „Ja, natürlich. Warum fragst du?“, schallte es ihr prompt entgegen. „Er hat einen älteren Bruder, der ein Vollblutdämon ist und bis heute überlebt hat. Ich habe ihn vor einiger Zeit durch Zufall wiedergefunden und gestern haben wir uns eigentlich nur auf einen Tee getroffen.“ Den Teil mit dem tragischen Ende des Waschbäryoukais sparte sie aus. „Am Abend haben wir angefangen etwas zu trinken und irgendwann führte dann eins zum anderen. Ich glaube, weil wir beide uns einsam gefühlt haben und die Ereignisse von vor fünfhundert Jahren uns irgendwie verbinden. Heute Morgen war er verschwunden.“ Mit ehrlichem Interesse hörte ihre Mutter Kagomes Worten zu und ließ diese auf sich wirken. Doch die Wirkung setzte zuerst bei Kagome ein, zum wiederholten Male an diesem Tag versuchte sie angestrengt die aufsteigenden Tränen hinfort zu blinzeln. „Es ist alles kaputt! Ich hatte gehofft, eine Freundschaft zu ihm aufzubauen, jemanden zu haben, der all diese Dinge, über die ich nicht sprechen kann, versteht. Aber jetzt… Mama, ich weiß einfach nicht, was ich machen soll.“

Tröstend ergriff sie die Hand ihrer Tochter. „Kagome, beruhig dich doch. Ich verstehe, dass das alles sehr plötzlich über dich hereingebrochen ist und dich verwirrt. Das ist doch nur normal, dass er auch durcheinander ist und ihn das alles überfordert. Warte doch einfach ab, wie sich die Dinge entwickeln.“ Inzwischen schniefte Kagome hemmungslos und war dankbar für das dargereichte Taschentuch. „Wieso muss das alles so kompliziert sein? Wieso müssen Männer so kompliziert sein? Warum tut das immer so weh? Erst Inuyasha, dann Hojo und ich habe Angst, dass ich gerade auf dem besten Weg bin mich in Sesshoumaru zu verlieben.“ Sie hatte schon immer ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihrer Mutter, deshalb musste sie ihr nie verheimlichen, wenn sie einen Freund hatte. Ihre Mutter vertraute ihr und ihrem Urteil und wusste, dass sie verantwortungsbewusst mit sich umging. Und die kleine zuckerüberzogene Tablette jeden Tag trug ebenfalls zur mütterlichen Gelassenheit bei.

„Liebe ist nun mal manchmal ein unordentliches Gefühl und es gibt wenig, das so sehr schmerzt, wie ein gebrochenes Herz. Das gehört aber einfach zum Leben dazu.“ Mit einem verschmitzten Zwinkern fügte sie hinzu: „Lass dich nicht entmutigen und denk immer dran: Männer haben auch ihr Gutes!“
 

Ihre Mutter hatte sie noch eine ganze Weile schweigend in den Arm genommen und sie getröstet. Jetzt war Kagome froh, dass sie es gewagt hatte ihrer Mutter zu beichten, was geschehen war. Sie hatte nicht erwartet auf so viel Verständnis zu stoßen. Sie verabschiedete sich, da sie noch etwas an den liegen gebliebenen Hausaufgaben in ihrem Zimmer arbeiten wollte. Als sie die Treppe nach oben ging, blieb ihr Blick an dem gerahmten Portrait ihres Vaters hängen. Ein Mann, knapp 35 Jahre alt strahlte fröhlich in die Kamera mit zwei kleinen Kindern auf dem Arm. Unbeschwerte Zeiten. Kurze Zeit nach dem Tag, an dem dieses Foto aufgenommen wurde, hatte er den Kampf gegen den Krebs verloren. Sie bewunderte ihre Mutter dafür, wie sie mit diesem schweren Schicksalsschlag umgegangen war. Sie war eine starke Frau, die sich immer liebevoll um ihre beiden Kinder gekümmert hatte, egal wie schlecht es ihr ging. Da sie es in ihrem alten Zuhause nicht mehr ausgehalten hatte, zog sie mit Kagome und ihrem Bruder wieder zu ihrem Vater in den Schrein.

Nachdenklich öffnete sie die Tür zu ihrem Zimmer und hektisch suchten ihre Augen den Raum ab. Wo hatte sie ihre Schulsachen nur hingestellt? An ihrem üblichen Platz stand die Tasche nicht. Hatte sie sie vielleicht in ihrem Tran mit ins Bad genommen? Doch auch dort konnte sie nichts finden. Plötzlich drängte sich ein schrecklicher Gedanke in ihren Kopf: Sie hatte ihre Tasche im Teehaus vergessen!


Nachwort zu diesem Kapitel:
Da haben sich doch glatt zwei Loriot-Zitate eingeschlichen :)
Na das hat Kagome alles grad noch gefehlt....
Bitte lasst mich an euren Eindrücken teilhaben! Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2014-12-12T11:37:31+00:00 12.12.2014 12:37
Arme Kagome. Wird nun von Hanako verhört. Wenigstens zeigt es sich, dass Hanako auch für Kagome da ist und nichts gegen diese Verbindung hat, zwischen Sess und Kagome.
Die Beichte von Kagome an ihrer Mutter ist süß und amüsant zugleich. Und die zwei Loriot-Zitate sind da ganz passend dafür.
Von:  RizaElizabethHawkeye
2014-09-19T02:05:41+00:00 19.09.2014 04:05
Ich dachte ja, dass sie sich in dem Kapitel schon aussprechen. Da hast du mich ja reingelegt. XD Maaaaaaaaaaaaaaaaaaan. >///<
Ohjaaaaaa, da kann sie sich bei Hanako definitiv nicht rausreden würde ich sagen. *hust*
Man gut, dass ich im Gegensatz zu Kagome weiß, dass Sesshomaru mehr Gefühle hat, als er gerne haben würde. :D :D :D
Aber da sie ja so geistig umnachtet war von der Sache, muss sie ja sowieso wieder zu ihn und ihc freu mich da seeeeeeeeehr drüber. :3 Ich hoffe, dass das Treffen positiv wird, aber Sesshy wird erstmal soooo abblocken. :O
Es ist ja soooooo süß, dass die beiden sich so viele Gedanken machen. :3
Ich warte schon gespannt auf das nächste Kapitel. <3 Vielen Dank für dieses!
Antwort von:  Seelenfinsternis
19.09.2014 11:34
:P Ätsch!
Sess ist da auch selbst sehr überrascht von und es überfordert ihn... das macht ihn eigentlich nur unberechenbarer und gefährlicher in seiner Reaktion... ob das so gute Vorzeichen für das (unfreiwilillige) Treffen sind?
Antwort von:  RizaElizabethHawkeye
19.09.2014 13:13
Ein überforderter Sess. :D Das ist sowas von amüsand :'D
Ja, er könnte sich ultra aufregen und gegebenfalls gaaanz leicht ausrasten.
Wenn er aber ausrastet, könnte Kagome anfangen zu weinen und ihn vllt ihre Gefühle gestehen. Wer weiß, aber ich sage dem alten Hund nach, dass er bestimmt auch nicht wirklich Tränen sehen kann und er sich vllt indirekt damit beruhigen lässt oooooooder Hanako blubbert ihn nochmal voll :D OOOOOOder beides. :D
Antwort von:  Seelenfinsternis
19.09.2014 13:45
*unauffällig ins halb fertige Kapitel schiel* Neee... und dafür ist Kagome nicht der Typ, dass sie anfängt sentimental zu weinen, wenn sie provoziert wird
Antwort von:  RizaElizabethHawkeye
19.09.2014 13:55
*versuch auf das Kapi zu schielen*
Sie rastet aus??? *versuch mich an dich vorbei zu drängeln*
Laaaaass mal guuuckeeeeen.
Von:  Helena1702
2014-09-15T19:53:35+00:00 15.09.2014 21:53
Wieder mal ein Kapitel, bei dem man aus dem Schmunzeln nicht herum kommt. Kagomes Nervenkostüm ist stark strapaziert und ihre Mutter nimmt das Ganze auf die lässige Tour. Und dann noch Hanako, die Kagome tröstet, beruhigt und nach Hause schickt und die Sessy noch unter die Nase reibt, dass sie die Zweisammkeit der Beide gut heißt. Sessy dagegen sinniert darüber nach, was er hätte tun können, wenn Kagome noch im Teehaus geblieben wäre, nur um sie für immer aus seinem Leben zu verbannen. Dabei ist er innerlich bereits soweit, dass er sie vermisst.
Arme Kagome, sie traut sich eigentlich nicht zurück, hat nur keine Wahl...
Also wirklich, Seelenfinsternis, ich liebe es, wie Du Deine Protagonisten immer quälst. Kagome würde sich ja am Liebsten ins nächste Schneckenhaus zurückziehen... Irgendwie süß, die Beiden - bitte nicht Sessy erzählen, sonst bin ich Geschichte LACH - wie sie die ganze Situation als "Unfall" darstellen wollen. Nun ja, Du wirst ihnen noch schön einheizen, bin schon auf Deine nächsten Streich gespannt...
Antwort von:  Seelenfinsternis
19.09.2014 11:32
Kagomes Mutter hatte die große Ehre zwei Loriot-Zitate in den mund gelegt zu bekommen ;)
Sess leidet furchtbar unter seinem inneren Zwiespalt und wird immer unausstehlicher... Wie will man sonst wieder zur inneren Ruhe kommen, wenn man es nicht als Unfall darstellt?
Ich quäle immer gerne meine Charaktere, treibe sie an Grenzen und darüber hinaus. Es wäre mir sonst zu langweilig seichte Wohlfühlromanzen schreiben zu müssen. Schön, dass es dir gefällt :)
Von:  Tatzi88
2014-09-15T17:15:36+00:00 15.09.2014 19:15
hiihhiii.... joa kenn ich! grade wenn man weg will und weg ist fällt einem auf: scheiße hast was vergessen XD
bin gespannt wie es weiter geht
Antwort von:  Seelenfinsternis
19.09.2014 11:28
Ja das passiert mir auch ständig, vorzugsweise mit Brille oder Handy :)


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