Das Geheimnis von lulumint ================================================================================ Kapitel 4: Kap. 4 ...Schmerz ---------------------------- Kap. 4 ...Schmerz Nach dem, für mich extrem peinlichem, Frühstück bei Sleeping Forest vor zwei Wochen war ich wieder in mein normales Leben zurückgekehrt. Von meinem Chef hatte ich eine ausführliche Predigt erhalten, da ich durch die ganzen merkwürdigen Geschehnisse in der letzten Zeit und besonders an diesem Morgen vollkommen die Zeit vergessen hatte und dadurch meine Arbeit vernachlässigt hatte. Das sei meine erste und letzte Verwarnung, hatte er mir gesagt. Noch so eine Nachlässigkeit und es würde mich den Job kosten! Doch ich würde es nicht noch einmal dazu kommen lassen. Nicht jetzt, wo meine Mutter und ich auf das Geld von meiner Arbeit angewiesen waren! Seit ungefähr einer Woche ging es meiner Mutter nun schon sehr schlecht. Sie versicherte mir zwar jeden Tag, dass es ihr besser ginge, doch ich sah ihr an, dass genau das Gegenteil der Fall war. Hörte ihr krampfhaftes Husten in der Nacht. Spürte ihr wankendes Bewusstsein. Sah die dunklen Augenringe und die seltsamen rötlichen Flecken an ihren Handgelenken. Sie wollte nicht zum Arzt gehen und ich konnte sie nicht dazu zwingen, aber ihr Zustand machte mir große Sorgen. Für den Moment hatte ich die ATs aufgegeben, um mich in meiner freien Zeit um meine Mutter kümmern zu können. Ich nutzte sie nur noch, um schneller unterwegs zu sein. Leider wollte meine Mutter sich gar nicht von mir helfen lassen, eher stieß sie mich immerzu von sich weg und trieb sich selbst an ihr Limit. Vor zwei Tagen lag ein Kündigungsschreiben, an meine Mutter adressiert, im Briefkasten. Ich hatte es aus Versehen geöffnet, da ich es für ein Schreiben an mich gehalten hatte, und wurde von einem Schock getroffen, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Nur durch ihren Job hatten wir uns unsere Wohnung leisten können! Seit dem Tag suchte ich schon die ganze Zeit in der Zeitung nach einer neuen, kleineren Wohnmöglichkeit. Noch hatte ich nichts gefunden und die Zeit wurde knapp, nur noch die Miete dieses Monats hatten wir zahlen können. Im nächsten würden wir auf jeden Fall unser Zuhause verlieren. Die Klingel, welche über der weißen Eingangstür des Café's hing erklang und riss mich aus meinen von Sorgen geplagten Gedanken. Eilig lief ich zu den neuen Gästen und begrüßte sie herzlich mit einer Verbeugung in unserem Geschäft. Als ich jedoch wieder aufsah, weiteten sich meine Augen vor Überraschung. „He~ey!“, ertönte die freudige Stimme der Pledge Queen. Sie grinste mich breit an. „Hallo Hotaru-chan!“ Rika kam hinter der Brünetten hervor, ebenso wie Sora. „Oi Ine! Du hast doch gesagt hier gib’s was zu futtern! Ich hab Hungeeeer!“, plärrte er wie ein Kleinkind. „Oh! Du bist doch die Kleine von Kilik! Und, wie- AUA!“ Peinlich berührt sah ich zur Seite. Was sollte das denn bedeuten? 'Die Kleine von Kilik'... „Sora!“, mahnte die Thorn Queen den Schwarzhaarigen ab. „Was denn? Ich wollte sie doch nur was fragen, Rika-chan!“ „Hotaru-chan?“ Ich blickte wieder auf, noch immer etwas rot im Gesicht. „Ein Tisch für uns drei bitte!“ Sie lächelte mich freundlich an und irgendwie tat ich es ihr automatisch gleich. „Natürlich! Bitte folgt mir!“ --- Die Drei hatten mich zwar in Ruhe arbeiten lassen, doch ich spürte die ganze Zeit über ihre neugierigen Blicke auf mir. Ich vergaß dies jedoch schnell wieder, als das Café sich mehr und mehr füllte und ich gar keine Möglichkeit mehr hatte darüber nachzudenken, weil ich voll und ganz mit meiner Arbeit beschäftigt war. Als ich am Abend das Café verließ, wurde ich auf einmal auf der linken Schulter angetippt. Erschrocken drehte ich mich hastig um und wich einen Schritt zurück. „Entschuldige! Ich wollte dich nicht erschrecken! Wir sind's nur!“, grinste mir Ine entgegen. Ich legte mir erleichtert eine Hand aufs Herz und atmete einmal tief durch. Ich konnte gar keine Worte finden, so stark hatte sie mich erschrocken. Ich schaute zu Ine und bemerkte wieder Rika und Sora halb hinter ihr stehen. Sie trugen allesamt ihre ATs. „Wir haben dich gesucht, weißt du! Wo warst du denn die ganze letzte Woche? Und bei unserem letzten Battle warst du auch nicht da...“ Ich hörte ihr kaum zu, sah stattdessen nervös umher. Meine gedanken waren bei meiner kranken Mutter. Ich konnte hier nicht noch länger meine Zeit verschwenden, ich musste nach Hause zu ihr und mich versichern, dass es ihr gut oder wenigstens nicht noch schlechter ging. „Ich, ähm, sorry, aber ich muss jetzt gehen!“, damit drehte ich mich von den Dreien weg und sprang mit der Kraft meiner ATs in die Luft. Ich ließ ihnen keine Zeit mich zu verfolgen, zischte einfach schnurstracks in die Richtung meines Zuhauses. Ich musste mich beeilen. Ich hatte meiner Mutter versprochen heute direkt nach der Arbeit nach Hause zu kommen. Die Einkäufe für die nächsten Tage hatte ich bereits gestern erledigt, sodass ich heute mehr Zeit mit ihr verbringen konnte. Ich wollte ihr ja wenigstens die Zeit, die sie gezwungen war zu Hause zu verbringen etwas interessanter gestalten. Zugleich war ich auch noch immer auf Wohnungssuche, und dafür nutzte ich so viel Zeit, wie ich aufbringen konnte. Bei dem Gedanken an den schlechten Zustand meiner Mutter überkam mich ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Ich wusste, dass es ihr von Tag zu Tag mieser ging, doch bestimmt würde es sich bald umkehren und sie würde wieder gesund werden, oder? ------ Eine weitere Woche war vergangen und ich hatte niemanden von Sleeping Forest gesehen. Meiner Mutter ging es noch immer nicht besser und die Sorgen waren stets der Mittelpunkt meiner Gedanken, neben der Wohnungssuche. Immer mehr hatte ich das Gefühl zu verzweifeln. Die Arbeit erschien mir schwerer und mir geschahen hin und wieder kleinere Missgeschicke. Vorgestern hatte ich aus Versehen mein Tablett fallen lassen und die vielen Gläser darauf waren in tausend Scherben zersprungen und der Inhalt hatte sich auf dem Boden verteilt. Und gerade erst heute morgen hatte ich mehrere Gäste an den falschen Tisch gesetzt und damit ein Durcheinander geschaffen. Ich konnte mich einfach immer weniger auf meine Aufgaben konzentrieren! Es war, als entglitt mir mein Leben Stück für Stück. Ich spürte den Sturm, der sich unaufhaltsam auf mich zu bewegte und alles um mich herum, einschließlich mir selbst zerstören würde. Ich hörte nahezu schon die Stimme des Abgrundes nach mir rufen. Alles lief momentan schief bei mir und ich wusste einfach, dass es in Zukunft noch viel schlimmer kommen würde. Ich spürte es. ------ Nichts wurde besser, alles verschlimmerte sich nur jeden Tag, so, wie dieses mulmige Gefühl es mir schon länger voraussagte. Meine Mutter konnte nicht mehr aufstehen, war zu schwach, um auch nur irgendetwas zu tun. Ich musste mich für den heutigen Tag bei der Arbeit krankmelden, um mich um sie zu kümmern und sie in ein Krankenhaus zu bringen. Dafür machte ich mich daran erst einmal eine kleine Reisetasche für meine Mutter zu packen, danach würde ich ein Taxi rufen. „Kind, was machst du da?“, fragte meine Mutter, als ich aus einer ihrer Schubladen ein paar Shirts herausnahm und in die kleine Reisetasche verfrachtete. Sie beobachtete mich mit halb geöffneten Augen erschöpft. „Ich bringe dich ins Krankenhaus! So kann das nicht weitergehen, Mama!“, meinte ich mit ernster Stimme und konzentrierte mich weiterhin darauf ihre Sachen zu packen. Da ertönte ein Keuchen. Mein Blick huschte zu der zittrigen Figur auf dem Bett. Der geschockte Gesichtsausdruck meiner Mutter ließ mich in meinem Tun innehalten. „Nein! D-das darfst du nicht! D-das, nein! Kind! Ich kann nicht ins Krankenhaus geh-“ „Doch!“ Ich hielt die Tasche fest umschlossen und starrte der schwächlichen Frau hart entgegen. „Du. Musst. In. Ein. Krankenhaus! Dir geht es immer schlechter und ich kann mich hier einfach nicht alleine um dich kümmern! Du brauchst Hilfe! Ich kann das nicht mehr länger mit ansehen, wie du hier immer weiter zerbrichst! Sieh-“ „NEIN! Hotaru, ich sagte nein!“ Ihre Atmung wurde mit einem Mal unregelmäßig und ihre leicht aufgerappelte Gestalt sackte wieder kraftlos auf der Matratze zusammen. Ihr Körper verkrampfte sich sichtbar und meine Wut verschwand in Sekundenschnelle. Hastig glitt ich an ihrer Seite zu Boden, nachdem ich die Tasche fallen gelassen hatte. „Mama! Mama! Was hast du denn? Was ist los? Mama!“, rief ich ihr zu, doch sie hatte nur die Augen fest zusammengekniffen und bäumte sich mit einem Schmerzenslaut gequält auf. Ich griff nach ihrer rechten Hand und hielt diese sanft. „Mama! Bitte! Was soll ich machen? Kann ich dir helfen? Mama! Bitte sprich mit mir!“ Immer wieder redete ich auf sie ein, bat um Antworten. Doch erst nach einigen Minuten beruhigte sie sich endlich wieder. Ihre Atmung war schwer, jedoch war die Verkrampfung gewichen. „Mama!“ Erschöpft öffnete sie die Augen. Sie waren nicht mehr strahlend grün, sondern verschleiert und unklar. „Mein Kind, meine Zeit ist gekommen. Sie haben mich endlich da, wo sie mich schon seit Jahren haben wollen.“ Ihre Stimme war schwach und flüsternd, ich verstand sie kaum. „Was? Nein! Du schaffst das, ich muss dich nur zu einem Arzt-“ Ihre freie Hand legte sie auf meine, welche noch immer ihre rechte hielt, und drückte leicht. Diese Geste brachte mich zum Schweigen und Tränen sammelten sich in meinen Augen, als mich die Erkenntnis ihrer Worte traf. „Hotaru, es kann nicht mehr verhindert werden. Es gibt jedoch noch etwas, was ich dir sagen muss, bevor ich diese Welt verlasse.“ Nasse Streifen zogen sich über meine Wangen, bis zu meinem Kinn hinunter, ehe sie sich zu Tropfen zusammenschlossen und auf die Bettlaken unter meinem Gesicht fielen. „Auch wenn ich dich stets wie mein eigen Fleisch und Blut behandelt habe, bin ich nicht deine leibliche Mutter.“ Ich wollte etwas sagen, doch sie ließ mich nicht. „Nein, bitte unterbrich mich jetzt nicht! Ich habe nur noch wenig Zeit...“ Auf einmal überkam sie ein Hustenanfall, der ihren gesamten Körper erbeben ließ. Wenige Sekunden später sprach sie weiter, ihre Stimme dieses Mal etwas rauer und zittriger: „Es ist wichtig, dass du mir jetzt genau zuhörst! Sie dürfen dich nicht zurückholen! Du bist tatsächlich nicht meine leibliche Tochter, aber im Herzen wirst du immer mein Kind bleiben! Ich habe dich damals in schrecklichen Umständen gefunden und aus deiner Qual geholt, indem ich dich, im gewissen Sinne, entführt habe. Es mag für dich falsch klingen, aber glaube mir, es war das Richtige für dich! Sie wollten eine Waffe aus dir machen! Dich benutzen, wie einen Gegenstand! Sie wollten...“ Noch ein Hustenkrampf zog durch ihren Körper. Dieses Mal beruhigte sie sich jedoch nicht, bis zu dem Moment, in dem sie plötzlich zusammensackte und ich keine Bewegung mehr von ihr wahrnehmen konnte. „Mama?“ Ich griff nach ihren zarten Schultern und rüttelte leicht an ihnen. „Mama? Mama! MAMA! NEIN! BITTE!“ Doch sie rührte sich nicht mehr. Ihre Augen noch geöffnet starrte sie ins Leere. Da bemerkte ich, dass ihr Oberkörper sich nicht mehr hob und senkte, also fühlte ich mit zittrigen Händen nach ihrem Puls. Das Blut gefror mir in den Adern. Da war nichts. Nichts. Nichts! „MAMA! Nein! Mama...“ Schluchzer entwichen mir. Sie war tot! Tot! Die Trauer war so immens, dass sie sich mehr und mehr in mir ausbreitete. Meine Gedanken kreisten nur noch um meine Mutter und ihre Worte. Was hatte sie gesagt? 'Sie' wollten sie in dieser Lage? Tot? 'Sie'? Wer waren 'sie'? 'Sie' wollten sie tot sehen?! Ich spürte Wut. Eine unbändige, kraftvolle und zerstörerische Wut keimte in mir auf. Es war viel schlimmer, als jemals zuvor. Sie übertrumpfte die Trauer und nahm mich vollkommen ein und zum ersten Mal hieß ich sie mit Freuden willkommen! Ich würde 'sie' finden und vernichten! Wie konnten 'sie' es wagen meiner geliebten Mutter so etwas anzutun?! 'Sie' mussten es gewesen sein, so hatte Mama es schließlich gesagt! 'Sie' würden büßen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)