Forbidden Fruit von Goetterspeise (verboten und falsch | Neji x Hinata) ================================================================================ Prolog: Puppen -------------- Er stand hinter der Glasscheibe und blickte nach draußen, in den großen, vom Schnee bedeckten, Garten. Die Landschaft wirkte traumhaft schön, unberührt und einzigartig. Er nutzte die fünf Minuten Pause, die sein Vater ihm gegeben hatte, um ein wenig die Natur zu betrachten, den Schneeflocken, die noch immer leicht vom Himmel fielen, zuzuschauen und sich so vom Training zu erholen. Vielleicht wäre er sogar nach draußen gegangen, wenn er eins von den Kindern gewesen wäre, das gerne an der frischen Luft spielten. Aber dafür hatte er keine Zeit – nicht mehr. Bereits seit vier Monaten tat er nichts anderes, als zu trainieren. Er war noch nicht einmal in der Ninjaakademie, musste aber jetzt schon härter an sich arbeiten, als mancher Erwachsener. Deshalb fühlte er sich allerdings nicht unwohl oder vernachlässigt. Ganz im Gegenteil. Er wollte dieses Training, denn nur dadurch konnte er stärker werden und sich beweisen. Was ihn aber störte war, aus welchem Grund er trainieren sollte. Ihm war schon jetzt seine Zukunft auferlegt worden und diese verabscheute er nur. Von Anfang an hatte man ihm die Pflicht auferlegt, nur für die Hauptfamilie da zu sein. Für sie zu trainieren, zu kämpfen und, falls es nötig werden sollte, auch zu sterben. Er hasste diesen Gedanken. Sein Blick huschte über die schneebedeckten Sträucher und kahlen Äste im Garten und plötzlich nahm er eine Bewegung wahr. Ein Mädchen mit kurzen, blauschwarzen Haaren betrat von der anderen Seite des Hauses die Außenfläche und drehte sich ein paar Mal glücklich. Sie bückte sich, steckte die Hände in den Schnee und schmiss diesen dann mit einem strahlenden Lächeln nach oben. So unbeschwert durfte nicht jeder leben. Er beobachtete sie eine Weile abschätzig, was sie anscheinend bemerkte, denn plötzlich sah sie zu ihm hinüber. Sie winkte ihm, er drehte sich weg. Er mochte dieses Mädchen nicht. Falsch, er hasste sie. Sie war aus dem Hauptzweig der Familie, er nicht. Er war und würde ihr für immer untergeben sein und das wollte er nicht. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als selbst entscheiden zu dürfen, was er später aus seinem Leben machen würde. Doch stattdessen musste er mit diese Rollenverteilung klarkommen, die ihm nicht gefiel. Wieso hatten sie sein Leben schon vor seiner Geburt geplant und ihn in Dinge eingespannt, deren Teil er gar nicht sein wollte? Dieses Mädchen bildete sich sicher auf sich selbst und ihren Stand etwas ein. Sie war die Erstgeborene, die Tochter des Clanoberhauptes. Sie hatte eine große Zukunft vor sich und er? Er würde nichts weiter tun, als die Puppe dieser Familie zu spielen. Denn um mehr ging es nicht. Für ihn war alles nur ein dummes Schauspiel, ein Stück, zu welchem seine Mutter ihn gezerrt hatte, bis er alt genug geworden war, die Ausbildung zum Ninja beginnen zu dürfen. Dieses Kindertheater war noch nie seine bevorzugte Wahl gewesen, diese Puppen, die an Fäden hängend von einer Person gesteuert wurden und willig das taten, was man ihnen vorgab zu tun. Sie widersprachen nicht, besaßen keine eigene Stimme und ließen sich ohne wenn und aber Befehle erteilen. Und so fühlte sich Neji auch. Er war jung – viel zu jung – aber ihm war schon sehr oft die Wahrheit hinter dieser Familie vorgezeigt worden. Und für dieses Puppenspiel stand auch Hinata. Das Mädchen, welches irgendwann die Fäden, die diese Familie kontrollierten, in den Händen halten würde. Und dafür hasste Neji sie. Er ertrug ihren Anblick nicht. Dieses süße Lächeln, die leicht gerötete Wangen und ihre Augen, die so anders wirkten, als die des restlichen Hyuugaclans, obwohl sie die gleiche Farbe und Form besaßen. Das selbe Bluterbe. »Da bist du ja, Neji«, ertönte plötzlich eine Stimme hinter dem Jungen. Er drehte sich um und blickte in das freundlich lächelnde Gesicht seines Vaters. Dieser lehnte sich ein Stück vor, um auf eine ähnliche Größe wie sein Sohn zu kommen, wobei ihm seine langen, braunen Haare über die Schulter fielen. Neji wusste, dass sie wohl gleich weiter machen würden, schließlich bedeutete das Auftauchen seines Vaters nichts anderes, als trainieren, doch wollte er im Moment nicht mehr zurück in diesen furchtbaren Raum. »Hast du deiner Cousine beim Spielen zugesehen? Lern sie schon ein mal ein bisschen kennen, schließlich wirst du irgendwann auf sie aufpassen.« Neji starrte zur Seite und wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Sein Vater würde ihm sowieso nicht zuhören, geschweige denn zustimmen. Er war die perfekte Puppe. Hing an den Fäden seines älteren Bruders (es waren nur ein paar Minuten, die dies entschieden hatten), so wie sich das für die Zweigfamilie gehörte und ließ sich von Hiashi ohne jeglichen Widerspruch lenken und führen. »Oh je«, flüsterte sein Vater plötzlich und richtete sich wieder auf. Neji schaute ihn noch eine Sekunde an, bevor er schließlich seinem Blick folgte. Hinata stand da, Hände zu Fäuste geballt und gen Boden starrend. Vor ihr befand sich ihr Vater, welcher alles andere als glücklich wirkte. Er schien sie fast anzuschreien und Neji hatte das dumpfe Gefühl, dass sie gleich weinen würde. Geschah ihr Recht. »Das arme Ding«, murmelte Hizashi plötzlich und Neji drehte augenblicklich seinen Kopf zu ihm. »Was?«, fragte er ungläubig und spürte seinen Hass diesem Mädchen gegenüber erneut hoch kommen. »Sie hat es wohl schwerer, als wir alle zusammen. Du musst gut auf sie aufpassen, sobald du alt genug bist. Sie wird noch viel in ihrem Leben lernen müssen, bis Hiashi überhaupt einmal daran denken wird, sie als Nachfolgerin zu wählen. Und während all ihren Prüfungen musst du ihr zur Seite stehen.« Neji warf erneut einen Blick auf die Kulisse draußen, doch Hinata stand nicht mehr dort. Sie wurde von ihrem Vater ins Haus gezogen und tatsächlich schien sie zu weinen. »Vater«, begann Neji, ohne seine Augen von Hinata und diesem Mann zu lösen, »sie ist doch die Erbin. Also ...« Das auszusprechen traute sich Neji allerdings nicht und biss sich wütend – er war eben doch noch ein Kind und feige – auf die Unterlippe. »Warum war ihr Vater dann gerade so streng mit ihr? Das willst du doch wissen, oder?« Neji schwieg. »Weil sie seine Tochter ist. Er zeigt bei ihr mehr Strenge als bei uns allen zusammen. Wie schon gesagt, sie muss sich als Nachfolgerin noch beweisen.« Sein Vater stockte und reichte Neji die Hand. Die Erklärung reichte ihm nicht, aber sein Vater wirkte nicht so, als würde er noch ausführlicher darüber sprechen wollen. »Wir sollten weiter trainieren.« Widerwillig nahm er die ihm angebotene Hand und mit einem letzten Blick auf den, nun wieder leeren, Garten, liefen sie Richtung Trainingshalle. Und zum ersten Mal in seinem Leben hatte Neji plötzlich das Gefühl, dass Hinata auch nur eine Puppe in diesem ganzen Stück war, die willenlos an Fäden hing. Vielleicht – und diese Frage hatte er sich, wenn er absolut ehrlich war, schon öfter gestellt – sollte er nicht sie hassen, auch, wenn das einfacher war, sondern nur den Aufbau dieser Familie. Den Puppenspieler hinter den Kulissen. Hiashi Hyuuga. Kapitel 1: Mitleid ------------------ Die Monate und Jahre vergingen. Neji wuchs zu einem Eliteninja heran und auch Hinata absolvierte die Ninjaakademie, allerdings nicht mit annähernd so großem Erfolg wie er – zum Leidwesen aller Hyuuga. Neji hatte in den folgenden Jahren immer wieder miterlebt, wie schwer es für Hinata war die Erstgeborene in der Hauptfamilie zu sein. Und nun wusste er auch, was sein Vater damals noch hatte sagen wollen, aber nicht laut ausgesprochen hatte. Hinata war zu schwach für die Position des Oberhauptes. Sie war nicht stark genug, Mut fehlte ihr ebenso und Angst vor Kontakt mit anderen Menschen schien sie auch zu haben. Es gab Tage, an denen sie mit hochrotem Kopf durchs Dorf lief und bei jeder Person, die sie ansprach, begann zu stottern. Neji hasste sie nicht mehr – schon lange nicht mehr – vielleicht hatte er es auch nie. Er war damals nur ein dummes Kind gewesen. Mittlerweile empfand er ihr gegenüber etwas, das viel schlimmer als Hass war. Demütigender und auf eine traurige Art und Weise auch irgendwie normal. Mitleid. Er bemitleidete sie dafür, dass sie diese Bürde der Erstgeborenen zu tragen hatte, obwohl ihre kleine Schwester Hanabi dafür wohl geeigneter gewesen wäre. Oder, dass sie mit den Aufgaben nicht umgehen konnte, das Byakugan nicht so beherrschte, wie die Familie es sich wünschte. Ein Fehler war. Anders als ihre Schwester. Diese war talentiert, mutig und aufgeschlossen. Konnte ihren Kopf durchsetzten und wusste, wie man Dinge anpacken musste, um diese erfolgreich absolvieren zu können. Die Reihenfolge stimmte nicht. Sie hätte die Erstgeborene sein müssen und später einmal das Oberhaupt werden sollen. Hanabi kam sehr nach ihrem Vater und deshalb mochte Neji sie nicht. Es hatte sich auch nach weit mehr als zehn Jahren nichts an seiner Einstellung gegenüber dieses Mannes geändert. Höchstens verschlimmert, nachdem Nejis eigener Vater bei einer Mission, die er auf Befehl des Hyuugaclans ausgeführt hatte, verstorben war. Sein Hass, der sich von klein auf immer weiter aufgebaut hatte, war zu seinem Antrieb geworden. Er wollte ihnen beweisen, dass er besser war, als die Hauptfamilie, dass er der stärkste Ninja innerhalb des Hyuugaclans sein konnte und das, obwohl er nur aus der Zweigfamilie stammte. Er würde es allen zeigen. Zeigen, was er konnte und wie falsch ihre Ansichten waren. Zu Gute kam ihm in diesem Zusammenhang aber vor allem die Tatsache, dass er mittlerweile sein Bluterbe perfekt beherrschte. Dank diesem hatte sich die Chunin-Auswahlprüfung als ein Witz erwiesen und auch der Rang des Jo-nin war nicht mehr weit entfernt. Sein Sensei sagte ihm oft genug, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis sie ihn diesbezüglich kontaktieren würden. Neji wusste, dass sein Sensei Recht hatte, denn niemand in seiner Altersklasse war so talentiert und geschickt wie er. Am Nähesten kam ihm noch Sasuke Uchiha, der einen Jahrgang unter ihm war und selbst einen Kampf zu fechten hatte, der ihn antrieb immer besser zu werden. Sie interessierten sich nicht für einander, Sasuke wollte nicht der stärkste Ninja werden, er verfolgte eigene Ziele. Aber selbst wenn, wäre es Neji egal gewesen. Er selbst wollte nur zur Elite gehören, um es der Hauptfamilie zu zeigen, sie zu blamieren und beweisen zu können, dass es falsch war wie sie ihr System führten. Nun aber stand er erst einmal auf dem Trainigsplatz und starrte in den wolkenlosen, blauen Himmel. Wieso schaffte er es einfach nicht seinen blinden Fleck zu überwinden? Es musste doch irgendeine Möglichkeit geben diesen Effekt austricksen zu können. Seit Jahren schon versuchte er einen Weg zu finden, doch es gelang ihm nicht. Er kam genauso wenig weiter wie der Rest seines Clans. Generationen vor ihm hatten schon versucht diesen Punkt zu überwinden, wirklich 360° Durchblick zu erreichen, doch es hatte bisher noch kein Einziger geschafft. Und genau deshalb war es Neji so wichtig! Es gab so viele Möglichkeiten den Hauptzweig zu überflügeln, besser zu sein und zu zeigen wie schlecht ihre Ansichten waren, doch dieser war ihm am Wichtigsten. Der blinde Fleck war die Schande des Bluterbes und genau diese wollte Neji beenden. Erneut schmiedete er Chakra, konzentrierte sich auf seine Umgebung und … »Neji.« Vor ihm tauchte ein Hyuuga auf, mit langen, dunklen Haaren und großen, weißen Augen. Hyuugas sahen sich alle ähnlich. Neji kannte ihn nur vom Sehen und er wusste auch nicht wie dieser junge Mann hieß, aber das spielte keine Rolle. »Du sollst sofort zum Clanoberhaupt kommen. Es duldet keinerlei Aufschub.« Neji unterdrückte ein genervtes Stöhnen und nickte knapp. Der Mann verschwand so schnell wie er gekommen war und Neji machte sich ebenfalls auf den Weg zum Haupthaus. Er stand vor dem Anwesen seiner Familie und fragte sich ob er das Innere wirklich betreten sollte. Diese alten Holzhäuser, die sich majestätisch vor ihm erhoben und einem das Gefühl gaben klein und unbedeutend zu sein, gefielen ihm mindestens genauso wenig, wie die allgemeine Rangliste in seiner Familie. Manchmal versprühte er das seltsame Bedürfnis einfach alle Gebäude hier abzubrennen und etwas vollkommen Neues dorthin zu bauen. Der Bote, welcher ihn vom Training abgehalten hatte, war allerdings mit der höchsten Dringlichkeitsstufe zu ihm gekommen, was im Endeffekt bedeutete, Eile war geboten. Neji schloss kurz die Augen, drängte seine Gefühle aus seinen Gedanken und nachdem er seine Augenlider erneut geöffnet hatte, betrat er das Anwesen. Der Versammlungsraum des Hauptclans befand sich nur ein paar Gänge vom Eingang entfernt und so konnte Neji noch die letzten Mitglieder des Familienrates das Zimmer betreten sehen, bevor sich die Tür schloss – anscheinend war es selbst für sie kurzfristig gewesen. Er ging mit schnellen Schritten dort hin, kniete sich auf den Boden und machte durch ein Klopfen auf sich aufmerksam. Das Murmeln, welches von Innen in seine Ohren gedrungen war, verstummte augenblicklich und nach ein paar Augenblicken ertönte ein lautes und bestimmtes 'Herein'. Neji kannte diese Stimme und er hasste sie. Diesen eingebildeten, hochnäsigen Klang, der unterschwellig mitschwang, war einfach widerlich und er musste sich zusammen nehmen, nicht jedes Mal, wenn sein Clanoberhaupt zu ihm sprach, ihm sofort die Hände um den Hals zu legen und ihn so zum Schweigen zu bringen. Er erhob sich, schob die Tür auf und betrat den Raum. Links und rechts saßen Männer aller Altersklassen und schauten ihn stumm an, beobachteten wie er zwischen ihnen hindurch ging und sich direkt vor Hiashi Hyuuga setzte, der sich an der Stirnseite des Raumes niedergelassen hatte. Dieser musterte Neji kurz, bevor er sich räusperte. »Gut, dass du da bist, Neji«, begann er mit lauter und bestimmter Stimme. Neji unterdrückte den Drang mit den Augen zu rollen. »Ich habe gerade eben von Godaime Hokage eine wichtige Nachricht erhalten. Du wirst zum Jo-nin befördert. Das ist eine große Ehre und damit untermauern wir einmal mehr, dass wir zu den Stärksten in Konohagakure gehören. Bereite unserer Familie keine Schande!« Neji kniete stumm da, realisierte erst Stück für Stück, dass er seinem Ziel mit einem Mal einen großen Schritt näher gekommen war und schaffte es gerade noch so, ein selbstgefälliges Grinsen zu unterdrücken. Er war von der Zweigfamilie und dennoch der erste Jon-nin seit Jahren im Kreise der Hyuuga. Das war etwas, das ihn nicht nur mit Stolz, sondern vor allem mit Genugtuung erfüllte. »Ich verstehe«, antwortete er stattdessen distanziert. »Sobald es offiziell ist, wirst du eine neue Aufgabe erhalten. Du wirst vom regulären Dienst abgezogen und erhältst eine claninterne S-Rang Mission. Also wirst du verstehen, wie wichtig sie für uns ist.« Neji horchte verwundert auf. Was hatte er gerade gesagt? Er sollte ausschließlich für den Clan arbeiten? Wollte dieser Mann ihn wirklich so sehr quälen? »Verstanden?« »Ja.« Allerdings konnte er ihm schlecht widersprechen und sich diesem Mann widersetzten. Noch nicht zumindest. Er musste sich in Geduld üben. Die Tage verstrichen, ohne dass Neji von Godaime Hokage eine Nachricht erhielt. Erst nach mehr als einer Woche wurde er von zwei Anbu abgeholt und zum Hokageturm gebracht. Er klopfte an die Tür des Büros und öffnete diese schließlich. Tsunade saß an ihrem Schreibtisch und hatte einen ernsten Gesichtsausdruck aufgesetzt. Ihre blonden Haare waren wie üblich zu zwei Zöpfen, die links und rechts über ihre üppige Oberweite lagen, gebunden und trotz ihrem bereits recht stattlichen Alter sah sie immer noch wie Mitte zwanzig aus. Ansonsten befanden sich nur noch ihre Assistentin Shizune und zwei Alte aus dem Rat Konohas im Raum, die neben Tsunades Schreibtisch ihren Platz gefunden hatten. Ihre Namen kannte Neji nicht, aber mehr als einen flüchtigen Blick warf er ihnen sowieso nicht zu. Er würde es niemals zugeben, doch langsam verspürte er Ungeduld in sich aufkeimen. Sie sollte es endlich sagen, sodass er nun auch offiziell zur Elite des Dorfes gehören konnte und das obwohl er nur Mitglied der Zweigfamilie war . »Hyuuga, Neji«, begann Tsunade laut und blickte ihm eindringlich direkt in die Augen. Er nickte knapp. »Mit dem heutigen Tage ernenne ich, Godaime Hokage, dich zum Jo-Nin.« Erneut nickte er knapp. »Du wirst ab sofort eine Sonderaufgabe von mir erhalten, die ich dir auf Bitten deines Oberhauptes übertragen werde. Erfülle sie gewissenhaft.« Neji schwieg. Diese Sache musste ihm ja sehr wichtig gewesen sein, wenn er sogar eine richtige Bitte an die Hokage gerichtet hatte. Was es wohl sein mochte? Neji glaubte fast daran, dass er im Auftrag der Hyuuga das Dorf verlassen und nach möglichen Gefahren Ausschau halten sollte, einfach, damit sie ihn los sein konnten und sich nicht länger von einem sechzehnjährigen Sprössling der Zweifamilie vorführen lassen mussten. »Du wirst zum Schutze der ersten Tochter der Hauptfamilie eingesetzt.« »Verstanden.« Erst nachdem er dieses Wort ausgesprochen hatte, erfasste er, was sie von ihm verlangte. Er sollte Babysitter für ein Mädchen spielen, das gerade einmal ein Jahr jünger als er selbst war? Und das nur, weil sie die Tochter des Hauses war? Neji musste innerlich mit sich ringen, seine Fassungslosigkeit nicht nach außen zu tragen. »Hyuuga, Hinata dürfte dir bekannt sein. Sie soll nun Stück für Stück in die Aufgaben eingearbeitet werden und somit wird sie von ihrem Dienst Konoha gegenüber vorerst entbunden. Du wirst ihr nicht von der Seite weichen. Wir vermuten, dass es zu Angriffen und Attentaten kommen wird, sobald diese Neuigkeit die Runde macht.« Ein letztes Mal nickte Neji und Tsunade entließ ihn. Er trat auf den Gang, schloss die Tür hinter sich und musste erst einmal tief durchatmen. Was genau verspürte er gerade? Dieser Mann, den er so sehr hasste, dass es fast weh tat, wollte ihm das Leben seiner Tochter überlassen? Das Leben seiner unfähigen, erstgeborenen Tochter? Allein schon die Tatsache, Hinata zum Oberhaupt erziehen zu wollen, war lächerlich. Es entsprach den Regeln, ja, aber trotz allem wäre Hanabi, die ihrem Vater so sehr ähnelte, eine bessere Wahl gewesen. Neji musste grinsen. Bevor sie etwas an ihren heiligen Regeln änderten, machten sie lieber jemanden zum Oberhaupt, der absolut ungeeignet war. Am Liebsten würde er sagen, es könne ihm egal sein, aber da er von nun an Tag und Nacht an ihrer Seite bleiben musste, stimmte dies leider nicht. Er konnte wirklich nicht fassen, wie durchtrieben dieser Mann war. Oder war er doch einfach nur so naiv zu glauben, dass Neji alles für die Familie tun würde, weil er diese so sehr liebte? Mitleid. Erneut zog sich dieses Gefühl durch sein Inneres. Hinata stand vor ihm, lächelte verschüchtert und strich sich eine ihrer langen Haarsträhnen hinters Ohr. Sie schien allgemein zu versuchen ihre Hände zu beschäftigen, um so die Nervosität unterdrücken zu können, was diesen Effekt allerdings nur verstärkte. So jemanden konnte man wirklich nicht hassen. Neji biss sich auf die Zunge, um kein abfälliges Grinsen aufzusetzen. Das wäre absolut kontraproduktiv für seine Pläne. Die Tatsache, dass er nun auf sie aufpassen sollte, hatte sich allerdings als wahre Goldgrube erwiesen, je länger er darüber nachgedacht hatte. Schließlich saß er nun an der Quelle. Als Mitglied des Nebenzweiges war es ihm nicht erlaubt, die geheimen Schriften der Familie einzusehen, nun da er ihr nicht mehr von der Seite weichen würde, standen die Chancen besser. Und der direkte Vergleich. Gleichzeitig war er aber auch dazu in der Lage ihr immer wieder zu zeigen, wie wenig sie konnte und was er alles erlernt hatte. Sie waren durch die gleiche Ausbildung gegangen – nein, falsch, sie sogar durch eine intensivere – aber er war dennoch besser. Er war der Jo-nin, nicht sie. Er galt als Genie, nicht sie. Er hatte das stärkste Bluterbe seit Jahrzehnten erhalten, nicht sie. »Hinata wurde bereits über alle Formalitäten in Kenntnis gesetzt. Neji, ich überlasse dir hier nicht nur das zukünftige Familienoberhaupt, sondern vor allem auch meine Tochter.« Hiashi legte die Hand auf die Schulter seiner Tochter und blickte dabei direkt in Nejis Augen. »Verstanden.« Manchmal hatte er das Gefühl, dass er außer diesem einen Wort sonst nichts zu seinem Clan sagte – oder nickte. Allerdings fanden die meisten Konversationen auch in unterkühlten Situationen statt. Große Freundlichkeit oder Liebe wurde ihm selten entgegen gebracht, vor allem, da er keine Eltern mehr hatte und von den anderen als Untergebener angesehen wurde. Es waren geschäftliche Unterhaltungen, die nicht allzu viel Wortwechsel benötigten. »Gehe kein Risiko ein. Sobald es auch nur annähernd nach einem Angriff aussieht, schreitest du ein. Hinata hat die gleichen Künste gelernt, wie jeder in dieser Familie, aber ihr darf auf keinen Fall etwas passieren. Ein Kampf, in den sie involviert wird, muss verhindert werden.« Traute er seiner Tochter wirklich so wenig zu? Und dann sagte er diese Worte auch noch direkt vor ihr, so als wäre sie nicht anwesend. Neji schielte kurz zu Hinata, doch ihr Gesicht war gen Boden gerichtet und durch ihren Pony konnte er ihre Augen nicht sehen. Dieser Mann versteckte die Vorwürfe hinter Fürsorge. Das war wirklich zum Kotzen. So wenig er von schwachen Menschen auch hielt, noch weniger gefiel es ihm, wie ein Vater seine eigene Tochter behandeln konnte. In den folgenden Tagen und Wochen wohnten sie vor allem Besprechungen und Versammlungen bei, die sich sowohl um claninterne Probleme drehten, als auch um dorfrelevante Dinge. Neji stand dabei hinter Trennwänden oder über den Sälen. Meist mit verschränkten Armen und emotionslosen Ausdruck auf dem Gesicht. Er musste nicht jedem sofort zeigen, dass er den Unterhaltungen sehr genau lauschte und sich überlegte welche Informationen für ihn ebenfalls wichtig sein konnten. Es stellte sich allerdings zu seiner persönlichen Missgunst heraus, dass kaum etwas davon ihm helfen konnte weiter zu kommen, da er nichts mit der Betreuung des Nachwuchses zu tun hatte oder wirklich wissen musste, wie die Strategie bei Angriffen der anderen Ländern aussahen. Er wollte diese Informationen schließlich nicht weiter verkaufen und sollte es soweit kommen, war seine Position bereits geklärt. An Hinatas Seite. Und dadurch wurde seine Unzufriedenheit mit dieser Aufgabe betraut worden zu sein, immer größer. Informationen: Fehlanzeige und wirklich ins Rampenlicht musste er auch nicht treten, weil nichts geschah, das auch nur annähernd so wirkte, als könne es Hinatas Leben gefährden. Von ihm selbst abgesehen vielleicht. Ihre Versuche so etwas wie eine freundschaftliche Beziehung zueinander aufzubauen, waren wirklich nervig und diese gezwungenen Konversationen gingen ihm gewaltig gegen den Strich. Hinata merkte ganz sicher, dass er kein großes Interesse daran hatte, sie besser kennen zu lernen oder ihr gar familiär näher zu kommen, also wieso bemühte sie sich dann so sehr? Brauchte sie so dringend Freunde? Das konnte es nicht sein, da ihre alten Teamkameraden, dieser Trottel mit dem Hund und der Freak, der so auf Käfer stand, regelmäßig bei ihnen vorbei schauten und Hinata von ihren Pflichten abhielten. Neji war dann nur immer sehr froh, dass er sich zurückziehen konnte und nicht länger ihre traurigen Augen sehen musste. Sie strahlte schon so etwas wie Unfähigkeit und Einsamkeit aus und das bekam ihm überhaupt nicht. Sein Mitleid ihr gegenüber stieg von Tag zu Tag. Dabei hatte er zu Beginn noch gedacht, die Obergrenze wäre schon seit Langem erreicht worden. Er fuhr sich über sein Stirnband und schloss kurz die Augen. Wenn es wenigstens einmal um irgendetwas ging, das ihn weiterbrachte, dann wäre er schon zufrieden, aber so verschwendete er nur Zeit. Zeit, die er eigentlich zum trainieren nutzen sollte, um die 360° Abwehr zu perfektionieren beispielsweise. Da konnte er noch so nah an der Quelle sitzen, aber wenn diese kein Wasser führte, war es auch sinnlos. Training wäre wirklich die vernünftigere Option in diesem Fall. Schließlich spielte er schon seit geschlagenen zwei Monaten den Babysitter und es hatte sich nichts auch nur ansatzweise so entwickelt, wie er es sich erhofft hatte. Keine geheimen Schriftrollen, keine Kräftebeweise. Nur von einem zum nächsten Treffen rennen, sich dummes Geschwätz anhören, Hinatas Versuche ihn besser kennen zu lernen belächeln und abends im Nebenraum ihres Zimmers daliegen und an die Decke starren. Nicht einmal mehr vernünftig schlafen konnte er, vor Anspannung, dass jede Sekunde etwas passieren könne, was sein Einschreiten erforderte. Und das nur, um zu zeigen, warum er den Beinamen Genie trug. »Danke fürs warten.« Hinata verbeugte sich tief und strich die Falten ihres blauen Kimonos glatt. »Ich hoffe … du musstest di-dich nicht zu sehr langweilen«, stotterte sie unsicher und versuchte es mit einem Lächeln – erneut. Wieso wollte sie nicht verstehen, dass er keinerlei Interesse an einer Freundschaft mit ihr hatte? Sie war sein Auftrag, nicht mehr und nicht weniger. Ihre großen, weißen Augen, die traurig schimmerten, machten das Ganze aber nicht unbedingt leichter. Durch diese und das Mitleid, welches er ihr entgegenbrachte, zog sich innerlich immer alles zusammen, wenn er sie so direkt ansah. Sie sollte ihren Kopf senken! »Wir sollten gehen«, antwortete er und öffnete Hinata die Tür, die nach außen führte. Der Herbstwind wehte ihnen sachte ins Gesicht und da die Sonne bereits hinterm Horizont verschwunden war, war es kühl und dunkel. Hinata neben ihm schlang die Arme um ihren Körper. Wieso musste sie auch einen so dünnen Kimono anziehen, anstatt sich vernünftig zu kleiden oder zumindest dickere Stoffe zu verwenden? Er war sowieso recht schlicht und das blau machte ihre Hautfarbe noch heller, als sie sowieso schon war. Gut, aber das war nicht sein Problem. Schließlich wurde nicht er, sondern sie krank und so würden sie dann zumindest ein paar dieser dummen Treffen verpassen. Konnte nur im Interessen von beiden sein, schließlich sah man ihr an, wie sehr sie sich quälte jeden Tag dorthin zu gehen und zuzuhören. Jedes Mal, wenn jemand eine Frage direkt an sie richtete, weiteten sich ihre Augen geschockt und sie wurde entweder kreidebleich oder tomatenrot. Beides keine gute Hautfarbe für jemanden, der vernünftige Entscheidungen treffen sollte. Sie gingen die mit Laternen beleuchteten Straßen entlang, grüßten ein paar Leute und Hinata blieb vor dem Blumenladen der Familie Yamanaka stehen, um sich mit deren Tochter zu unterhalten. Einem schrillen, blondhaarigen Mädchen, dessen Name Neji sicher einmal gewusst, aber aus Interessenmangel bereits aus seinem Gedächtnis gestrichen, hatte. Unbeteiligt stand er daneben und wartete darauf, dass sie ihren Weg nachhause fortsetzen konnten. Er wollte hier keine Wurzeln schlagen und außerdem wurde es auch nicht wärmer. Im Gegenteil, Hinata schien es immer kälter zu werden. Nach unendlich langen zehn Minuten verabschiedete sie sich endlich und lächelte Neji entschuldigend an. Etwas anderes schien ihr wohl nicht einzufallen, oder? Schweigend gingen sie weiter und kamen schließlich im Clanviertel an, wie sehr er dieses hasste. Links und rechts von ihnen erhoben sich die alten Holzhäuser und an keinem anderen Ort fühlte er sich eingesperrter, als hier. Egal wo er hinsah, überall wurde er an seine Abstammung erinnert und daran, dass er bisher nichts weiter war, als ein unwichtiges Mitglied der Zweigfamilie. Dabei war er es, der Jo-nin geworden war und seit Akademietatgen Genie genannt wurde. Oft genug rief er sich genau das ins Gedächtnis und seine Fähigkeiten waren ihm selbst am besten bewusst, doch sobald er hier entlang ging, vergaß er all das und hatte nur doch das Gefühl nichts weiter als ein unbedeutendes Staubkorn unter tausend anderen zu sein. Nichts, was heraus stach, nur Teil der Masse, die sich von den Schuhen der wichtigen Menschen herumschubsen und treten lassen musste. Und dennoch bemitleidete er genau einen dieser Menschen, die doch eigentlich mehr wert waren, als er selbst. Zumindest, wenn man nach der Höhe ihres Standes ging. Hinata war in diese Rolle gezwängt worden, obwohl sie absolut ungeeignet war – er konnte es nicht oft genug betonen. Ihre Fähigkeiten waren lachhaft schwach und allein wie ihr eigener Vater von ihr sprach, unterstrich dieses Bild noch einmal zusätzlich. Dieses Mädchen hatte eine Zukunft vor sich, die sie niemals überstehen konnte. Bevor er sich weiter in seinen Gedanken verlor, kamen sie am Haupthaus an und betraten dieses. Hinatas Zimmer – und somit auch Nejis Schlafstätte – lagen relativ weit hinten und so durchquerten sie fast das komplette Gebäude, liefen Treppen hinauf und hinunter, bis sie endlich an ihrem gewünschten Ziel ankamen. Zum Glück war ihnen unterwegs niemand mehr entgegen gekommen, denn noch ein Gespräch wie das vor dem Blumenladen hätte er nun wirklich nicht gebrauchen können. Er wollte einfach nur in Ruhe auf seinem Futon liegen und an die Decke starren. Wobei trainieren noch besser gewesen wäre, aber das konnte er im Moment nicht tun. »Gute Nacht«, sagte Hinata leise, »und danke für heute.« Neji nickte knapp und wartete darauf, dass sie endlich in ihr Zimmer ging, doch sie blieb stehen. Unsicher, wie es schien, stand sie im Flur und sie schwiegen sich an, wobei Hinata versuchte ihm möglichst nicht direkt anzusehen. Sie öffnete ihren Mund, schloss ihn wieder. Neji war kurz davor etwas zu sagen, als sie ihre Stimme doch wieder fand. »Du musst mich wirklich hassen«, flüsterte sie und wagte es nach wie vor nicht, ihn direkt anzuschauen. Neji schüttelte den Kopf. Sie war wirklich dumm. Er hasste diese Familie, ja, aber nicht sie. »Ich hasse Euch nicht.« Sie hob ihren Blick und etwas wie Überraschung und Glück spiegelte sich in ihnen wider. Es würde sicher gleich erlöschen. »Ich bemitleide Euch.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)