Fang mich doch! von punkermietz ================================================================================ Kapitel 5: Die Zelle II ----------------------- Das leise Quietschen der Tür weckte Eren. Erschrocken setzte sie sich auf und versuchte, die Ursache des Geräusches auszumachen. Die Zelle war in tiefe, schwere Dunkelheit getaucht, und ihre Augen brauchten einen Moment, sich an die Schwärze zu gewöhnen. Das dämmrige Mondlicht warf einen hellen Schimmer auf den Eindringling. Ein Klicken verriet Eren, dass er die Tür verriegelt hatte, bevor er langsam, mit schwingenden Hüften, auf sie zuschlenderte. „Wer ist da?“, fragte Eren alarmiert in die Dunkelheit. Ihre Finger krallten sich in die Decke, und das Herz schlug ihr heftig in der Brust. Ihre Sinne waren bis zum äußersten gespannt. Der dunkle Schatten kam näher, noch näher, und alles was Eren tun konnte, war gebannt auf ihn zu starren. Alarmglocken schrillten in ihrem Kopf auf als die Gestalt auf ihr Bett kletterte, aber sie hatte einfach nicht die Kraft, sich zu bewegen. Bohrende graue Augen erhellten die Dunkelheit, faszinierende und gefährliche Augen, die jede ihrer Bewegungen erfassten und bis auf den Grund ihrer Seele zu starren schienen. „W-Warum bist du hier?“, flüsterte Eren, als sie rückwärts nach hinten rutschte. Levi sagte nichts, stattdessen kroch er langsam in ihre Richtung, seinen wilden Blick auf ihr Gesicht gerichtet. Seine anmutigen Bewegungen hypnotisierten Eren, und sie war nicht in der Lage, wegzuschauen. Auch als er nach vorn langte um ihre Hände festzuhalten, und auch als er sie flach auf die Matratze drückte, war sie nicht in der Lage, dagegen anzukämpfen. Er setzte sich auf sie, beide Beine zur Seite ihrer Oberschenkel, und hielt sie fest. „Levi“, Eren fand endlich ihre Stimme wieder. „Was tust du da?!“ Die Hitze seines Körpers ließ sie erschaudern, ließ ihren Kopf dämmrig werden, und sie musste sich bemühen, sich nicht in diesem Duft von Aloe Lotion und einem milden Aftershave zu verlieren. Sie hatte nichts dagegen einzuwenden als Levi sich zu ihr herunter beugte und sein seidiges schwarzes Haar ihr Gesicht sanft kitzelte. Seine halbgeschlossenen, silbernen Augen nahmen ihren Blick gefangen. „Stell keine Frage, deren Antwort du schon kennst, Eren.“ knurrte Levi und verstärkte seinen Griff. Er kam näher, und sein Mund streiften federleicht ihre Lippen. Eren's Nackenhaare stellten sich auf, und sie schauderte wohlig. „Du willst mich, und das weißt du auch.“ Sein Atem streichelte geradezu ihre Haut, und ihr Herz klopfte wild in freudiger Erwartung. Sie konnte diesen Worten einfach nicht widersprechen als sie seine Lippen hungrig auf den ihren spürte. Der süße Geschmack von ihm berauschte ihren gesamten Körper, und sie erwiderte den Kuss ohne zu zögern. Levis Zunge strich an ihren Zähnen entlang, drang in ihren Mund ein und nahm ihr den Atem. Ihr Verstand war nicht mehr in der Lage, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, sie konnte nur noch dieses Prickeln fühlen, dass ihr durch den ganzen Körper rauschte. Eren riss ihre Hände los um ihn endlich zu berühren, um die raue Haut seines Gesichts zu streicheln und ihre Finger duch die sanften schwarzen Haarsträhnen gleiten zu lassen. Sie fühlten sich genauso an, wie sie es sich vorgestellt hatte: geschmeidig und samtweich am Scheitel, und etwas kratzig am rasierten Teil seines Undercuts. Levi biss sanft in ihre Unterlippe, knabberte etwas daran, und brachte sie damit zum Stöhnen. Seine Hände wanderten ihren Hals herunter, verfolgten die Linien ihres Schlüsselbeins und strichen sanft über die weiche Haut zwischen ihren Brüsten. Sie sog scharf die Luft ein und liss ihre Hände über seinen Rücken gleiten, bis sie ihre Fingernägel schließlich darin vergrub. Gierig begann Levi, ihre Bluse aufzuknöpfen, bis er es schließlich einfach achtlos von ihr riss. Immer noch leidenschaftlich küssend, umschloss er ihre Brüste mit seinen Händen und begann, einen Nippel zärtlich mit den Fingern zu kneifen. Eren konnte sich ein lustvolles Stöhnen nicht verkneifen, und presste sich automatisch gegen seine Brust. „Nicht so ungeduldig, Eren“, keuchte er ihr ins Ohr bevor er sich von ihr löste. Er setzte sich hin und blickte auf sie herab. „Fuck, du bist so heiß“, stöhnte er und beugte sich hinunter, um ihrer gebräunten Haut tausende kleine Küsse zu verpassen. Eren wand sich unter diesem Berührungen, ein warmes, angenehmes Feuer schien sich in ihr auszubreiten. Sie seufzte wohlig auf. Das dunkle kleine Lachen, dass Levi daraufhin von sich gab, schwirrte in ihrem Kopf herum und verzauberte sie. Seine Finger glitten hinunter zu ihrer Leistengegend und zerrten ungeduldig am kratzigen Stoff ihrer Jeans. Levi umschlang ihre Hüfte mit einem Arm und begann, ihr die Hose mit der anderen Hand auszuziehen. Er küsste ihren Bauch und ließ seine Zähne sanft über die empfindliche Haut unter ihrem Nabel kratzen. Eren hielt es nicht mehr aus, sie brauchte mehr, und zwar sofort. Sie wollte ihn ausziehen, doch bevor sie ihn überhaupt berühren konnte, wurden ihre Hände plötzlich zurückgerissen. Panisch wand und krümmte sie sich, doch es gelang ihr nicht, sich loszumachen. Levi kniete noch immer auf ihr, eine Hand massierte sanft ihre Hüfte während die andere langsam hinabglitt, um intimere Bereiche zu streicheln. „Nein...Nein!“ Eren riss an den Ketten, die sich plötzlich um ihre Handgelenke geformt hatten. „Levi, was soll der Scheiß! Bind mich sofort los!“ Sein Gesicht war unkenntlich in der Dunkelheit, alles was sie sehen konnte, waren diese eindringlichen grauen Augen, die auf sie herabblickten. „Ich befürchte, du warst nicht brav genug“ säuselte eine dunkle, unheilvolle Stimme. „Ich weiß was du getan hast, Süße. Du dachtest, niemand würde es herausfinden, aber ich habe es getan.“ Ihre Augen weiteten sich und sie kämpfte noch mehr gegen die Ketten an. Sie musste hier weg, egal wie sehr sie sich auch danach verzehrte, von ihm angefasst zu werden. „Nein, nein!“ rief sie nutzlos. Die stechenden kalten Augen kamen näher, schlanke Finger zogen an ihrem Halsband und brachten sie zum Husten. „Du warst ein böses Mädchen, Eren“, flüsterte die leise Stimme weiter, und sie zappelte immer panischer. „Du und ich, wir sind wohl doch nicht so verschieden.“ „Das ist nicht wahr!“, schrie Eren, als sie nach oben schnellte. Verwirrt sah sie sich um. Sie lag noch immer in diesem einfachen weißen Bett in der Zelle, aber kein Levi und keine Ketten waren zu sehen. Sie atmete tief ein und legte sich die Hand auf ihr rasendes Herz, um sich zu beruhigen. Es war alles nur ein Traum gewesen. Ein verdammt merkwürdiger Traum. Vielleicht waren die Drogen ja immer noch in ihrem Körper, denn warum sonst sollte sie ausgerechnet von Levi träumen? Und warum sonst sollte sie sich plötzlich an Dinge erinnern, die sie doch vor Jahren erfolgreich verdrängt hatte? Einige Minuten später war sie genug runtergekommen, um endlich aufstehen zu können. Die Sonne war bereits aufgegangen und sandte ihre ersten Strahlen durch das kleine vergitterte Fenster. Das surreale Licht und die bleierne Stille halfen nicht gerade dabei, Erens Nerven zu beruhigen. Es war alles schon so lange her, niemand würde es erfahren. Auch nicht Levi mit seinen verdammten Spionen überall. Kein Grund zur Sorge, erzählte sie sich immer wieder. Trotzdem, sie konnte es kaum erwarten, endlich wieder nach Hause zu kommen, in ihre gewohnte Umgebung. Dieser Ausflug in das Hauptquartier ihres Feindes zerrte an ihren Nerven und hatte sie sogar dahin gebracht, einen feuchten Alptraum über Levi zu haben. Wie lächerlich. Eren ging ins Badezimmer und schaute in den Spiegel. Ruhelose grüne Augen starrten zurück, und sie rümpfte ihre Nase beim Anblick dieses zerzausten braunen Mobs, dass sie Haar nannte. Das und die Tatsache, dass ihre Uniform praktisch an ihr klebte, veranlasste sie dazu eine schnelle Dusche in dieser hässlichen kleinen Kabine neben ihr zu nehmen. Als das kalte Wasser auf ihre warme Haut traf, war sie endlich in der Lage sich zu entspannen und ihre Gedanken zu sortieren. Von ihren Gegnern gefangen gehalten zu werden stieß sie an ihre psychischen Grenzen, und langsam aber sicher fühlte sie geistige Erschöpfung in sich aufsteigen. Eren hätte stundenlang duschen können, so sehr genoß sie das erfrischende Gefühl, aber sie wusste dass es besser war, sich zu beeilen. Das Letzte was sie wollte war, dass Levi hier hereingeplatzt käme und sie so nackt und verletztlich sehen würde. Als sie sich mit dem Handtuch abtrocknete, kam ihr der beinahe-Kuss vom vorherigen Abend wieder in den Sinn. Entschlossen rubbelte sie das raue Handtuch über ihre Haut. Vielleicht war das alles ja gar nicht passiert. Vielleicht hatten die Drogen ihren Geist so umnebelt, dass ihr Verstand nun Erinnerungen einfach erfinden würde. Sie konnte nicht glauben, dass sie wirklich darauf gewartet hatte, von Levi geküsst zu werden. Das war einfach so falsch, auf so viele Arten und Weisen. Eren war nicht die Art Mädchen die passiv darauf wartete, dass der Typ den ersten Schritt machen würde. Wenn sie jemanden wollte, dann würde sie ihn sich einfach schnappen. Oder sie. Was zum nächsten Problem führte - sie mochte Levi nicht einmal, um Himmels willen, nein. Er mochte vielleicht wie ein verdammtes Unterwäschemodel aussehen - jedenfalls stellte sie ihn sich so unter seinen ganzen Klamotten vor - aber er war eben immer noch ein Arschloch. Arrogant, unverschämt, und hatte sie schon mal kriminell erwähnt? „Du könntest verwirrende Gefühle gegenüber Levi entwickeln.“, geisterte Armins Stimme durch ihren Kopf. Nein, da waren keine verwirrenden Gefühle. Es war alles nur eine Einbildung von diesen Drogen gewesen. Es war noch nicht einmal real. Wenn sie diese Situation und den merkwürdigen Traum jetzt vergessen würde, dann wäre das alles nie passiert. Ignoranz und Unwissenheit konnten manchmal ein wahrer Segen sein. Eren trat aus der Dusche heraus und wickelte sich ein Handtuch um den Leib. Es war wirklich nichts. Es war nur eine seltsame Situation unter Drogeneinfluss gewesen, und daraus hatte ein merkwürdiger Albtraum gefolgt. Nicht mehr. Sie wollte gerade nach ihrer Bluse greifen und sich wieder anziehen, als die Tür plötzlich aufflog. Als sie den Schimmer von schwarzem Haar im Augenwinkel sah, wurde sie einfach von purem Instinkt geleitet. Sie ließ die Kleidung fallen und langte nach vorne, um den Eindringling anzugreifen. Fast schon automatisch vollführte ihr Körper die erlernten Verteidigungstechniken, und sie presste ihren Gegner an die Wand, ihren Arm bedrohlich schwer auf dem Hals der Person. Sie würde nicht zögern, ihn umzubringen. Leicht verwirrte blaue Augen schauten sie an. „Eren, stimmt etwas nicht?“ fragte Mikasa besorgt, als sie mühelos Erens Arm von ihrem Hals wegdrückte. Sie schien so gelassen und ruhig zu sein wie immer. „Oh, ähm“, stammelte Eren verblüfft. „Sorry, Mikasa. Ich hab nur schwarze Haare gesehen und da hab ich...“ Sie ließ den Satz unvollendet und fühlte sich plötzlich verlegen. „Ich bin erschöpft, und es war so eine Art Reflex.“ Sie trat zurück und rückte ihr Handtuch noch einmal zurecht. Mikasa schien augenblicklich zu verstehen. „Ist schon okay, ich bin's ja nur“, sagte sie beruhigend. Sie schaute in Erens besorgtes Gesicht. „Hey, ich versteh doch, dass du gestresst bist. Keine Sorge, in ein paar Stunden bist du wieder zuhause.“ Eren nickte und atmete tief ein und aus. Es war ein merkwürdiges Gefühl, von einer Gangsterin beruhigt zu werden, aber sie hatte irgendwann einfach aufgehört, ihre ungewöhnliche Beziehung zu Mikasa zu hinterfragen. Als die Frau ihr ihre Identität zum ersten Mal preisgegeben hatte, damals in der Fabrik, hatte Eren noch Zweifel an ihren guten Absichten gehegt. Aber inzwischen fühlte sie sich seltsam sicher in der Gegenwart von Mikasa. Es war merkwürdig, aber im Moment nicht weiter von Belang. Sie würde später mit Armin darüber sprechen müssen, vielleicht war es ja der Anfang eines Stockholm-Syndroms oder etwas Ähnlichem. Seufzend wollte Eren ihre Klamotten aufsammeln, als Mikasa einen Schritt vortrat und sie daran hinderte. „Nein warte, ich hab' dir ein paar von meinen alten Sachen mitgebracht. Du hast diese Polizeiuniform ja jetzt schon für zwei Tage angehabt“, sagte sie und deutete auf einen Stapel Kleidung unter ihrem Arm. „Ich dachte, du würdest vielleicht was Frisches anziehen wollen. Kannst es behalten.“ Eren nickte und dankte Mikasa, als sie die Sachen entgegenahm. Es waren simple, blaue Jeans und ein blütenweißes Hemd. Einfach, aber ordentlich, genau Mikasa's Stil. Als die Gangsterin wieder aus dem Badezimmer herausging, schlüpfte Eren schnell in die neue Kleidung, die überraschend gut anlag. Mikasa hatte Recht gehabt, es fühlte sich viel besser an, etwas Frisches zu tragen. Trotzdem war es ein komischer Gedanke für Eren, dass sie nun komplett in die Kleider einer Verbrecherin gehüllt war. Das einzige an ihrem Körper, was noch ihr gehörte, war die Halskette, die sie von Hange bekommen hatte. Es war vielleicht nicht der Glücksbringer gewesen, für den die Wissenschaftlerin das Schmuckstück ausgegeben hatte - wenn man bedachte, dass Eren dabei erwischt worden war, wie sie in Levis Club geschlichen ist, von einer brutalen Straßenbande unter Drogen gesetzt und schließlich von ihrem Erzfeind gekidnappt worden war, und das alles, während sie die Kette getragen hatte. Aber sie mochte sie trotzdem, und trug sie jeden Tag. Es war das Geschenk einer lieben Freundin, und allein schon deshalb liebte sie die Kette. Sie wanderte vom Badezimmer zurück in die Zelle, wo Mikasa bereits ein neues Tablett mit Essen und Tee bereitgestellt hatte. Erens Magen grummelte laut bei diesem Anblick, und Mikasa stieß ein helles Lachen darüber aus. Die Agentin schnaubte nur als Reaktion, aber sie war nicht wirklich schlecht gelaunt. Irgendwie war sie mehr und mehr dazu in der Lage, in Mikasas Gegenwart abzuschalten und sich zu entspannen. Während Eren sich die Haare mit einer Bürste, die sie von Mikasa bekommen hatte, kämmte, schlenderte sie gedankenverloren durch den Raum, und blieb schließlich vor dem kleinen Fenster stehen. Als sie versuchte, ihre braune wuschelige Mähne zu bändigen, schaute sie sehnsüchtig aus dem milchigen Glasfenster. Es war nur ein einziger Tag gewesen, den sie in dieser Zelle verbracht hatte, aber sie konnte es einfach nicht erwarten, hier wieder rauszukommen. „Bist du schon aufgeregt, endlich wieder nach Hause zu kommen?“, fragte Mikasa amüsiert. Irgendwie schien sie immer zu wissen, was genau in Eren vorzugehen schien. „Naja, ich kann dich schon verstehen. Um ehrlich zu sein, hab ich es auch sehr genossen, beim Aufklärungskommando zu arbeiten. Es hat schon Spaß gemacht, all diese verrückten Leute um einen herum zu haben.“ Eren schnaubte, während sie erfolglos versuchte, ihre Haare zu einem kleinen Knäuel zusammenzustecken. „Das musst du gerade sagen, Mikasa. Deine Gangkameraden sind ziemlich durchgeknallt, und fang mir gar nicht erst von diesem creeper an, den du deinen Boss nennst...“, sagte sie, während sie mit einer widerspenstigen Haarsträhne kämpfte. „Gottverdammt!“, brummelte Eren. „Fick doch diese blöden beschissenen Haare, die tun nie das, was sie tun sollen!“ „Warum steckst du sie nicht einfach wieder unter 'ne Perücke?“, unterbrach eine geschmeidige, tiefe Stimme ihr Gefluche. „Ich mochte die rote an dir.“ Eren wirbelte herum, nur um Levi zu entdecken, der gelassen am Tisch hinter ihr saß und den Kopf in die Hände stütze. „Gottverdammt nochmal!“, rief Eren erschrocken und zuckte zurück. „Wie lange sitzt du schon dort?!“ „Eine Weile“, sagte Levi unbewegt, „Konntest mich wohl bei deinem lauten Gefluche nicht hören.“ Er schaute auf zu ihr mit silber-grauen Augen. „Also ein 'creeper', ja?“ Ihr Herz hämmerte immer noch vor Schock, und Eren entschied sich, nicht darauf einzugehen. Stattdessen verschränkte sie die Arme und musterte ihn misstrauisch. Wie zur Hölle hatte er es geschafft, sich ohne ihr Wissen anzuschleichen? Er musste so eine Art Geheim-Spezialkraft haben, derer sie sich vorher nicht bewusst gewesen war, und sie verstaute diese Information gewissenhaft in ihrer mentalen Levi-Akte. Das unverhohlene Starren von Levi war Eren zwar unangenehm, aber sie widerstand dem Drang, zur Seite zu blicken. Nie und nimmer würde sie eine Niederlage eingestehen, auch nicht in einem kindischen Blick-Starrwettbewerb mit dem Mafiaboss. Ihre Finger gruben sich noch fester in ihre Oberarme, und Eren imitierte den bohrenden Blick so gut wie sie konnte. Sie schauten sich beide wortlos für ein paar Sekunden an, bevor Levi sich zurücklehnte und seine Arme ebenfalls verschränkte. Eren hätte schwören können, ein zufriedenes Grinsen über sein Gesicht huschen gesehen zu haben, aber als sie blinzelte, war sein Ausdruck verschlossen wie immer. „Mikasa, geh und bereite alles für heute vor“, ordnete Levi an, während er Eren mit zusammengekniffenen Augen beobachtete, „Ich werde mich währenddessen um Agent Yeager hier kümmern.“ Mikasa nickte einfach und verließ den Raum, nicht ohne Eren vorher einen entschuldigenden Blick zuzuwerfen. Aber die Agentin nahm keine Notiz von der Geste, sie war zu beschäftigt darüber nachzudenken, dass Levi zum ersten Mal überhaupt ihren korrekten Titel benutzt hatte, um sie zu addressieren. War er endlich zur Vernunft gekommen, hatte er eingesehen dass es besser war, sie zu respektieren? „Was denn, bekomm ich gar kein Guten-Morgen-Küsschen?“, fragte er mit komplett ausdrucksloser Miene. Okay, streich das von gerade eben wieder. Er war immer noch dasselbe nervige Arschloch. Eren bekämpfte den Drang, die Augen zu verdrehen. „Du kriegst eher einen Guten-Morgen-Fausthieb wenn du noch einmal so blöd fragst.“ Sie wusste, dass sie sich kindisch verhielt, aber es war auch einfach verdammt schwierig in dieser gottverdammten Zelle einen kühlen Kopf zu bewahren, vor allem, wenn sie die ganze Zeit von ihrem Feind umgeben war. Levi grinste und schob ihr den Teller mit Essen zu. „Hier, iss etwas, wir haben einen aufregenden Tag vor uns“, meinte er spöttisch, als er sich selbst etwas von der heißen Kanne in seine eigene Tasse eingoß. Eren starrte ihn ungläubig an. Ist das sein verdammter Ernst? „Ich werde hier auf keinen Fall ein kleines Kaffeekränzchen mit dir veranstalten, Levi.“ Als ob sie mit ihm zusammen frühstücken würde. Ihr Appetit war ihr eh vergangen, und sie wünschte sich verzweifelt, dass ihr Bauch endlich aufhören würde ständig zu kribbeln wenn sie ihn ansah. „Zu blöd“, meinte Levi unbewegt und nahm einen Schluck aus seiner Tasse. Er hatte eine wirklich merkwürdige Art, sie zu halten, seine Finger umfassten den Rand des Gefäßes anstatt wie üblich den Henkel. Er leckte sich die Lippen und stieß einen zufriedenen Seufzer aus. „Du solltest den schwarzen Tee trotzdem kosten.“ Ihr wütender Blick schien ihn nicht im geringsten zu stören. „Es ist der beste Tee, den du auf dieser gottverlassenen Insel bekommen kannst“, fügte er wie selbstverständlich hinzu. „Tatsache ist, ich bin mehr der Typ für Kaffee“, entgegnete Eren mit zusammengebissenen Zähnen. Immer noch rührte sie nichts an, was er ihr angeboten hatte. „Perlen vor die Säue.“ Levi seufzte, doch seine nach oben gekräuselten Lippen verrieten, dass er die Situation mehr als genoss. Eren bemerkte, dass sie sich in ein Gespräch verwickeln lassen hatte und verfluchte sich innerlich selbst dafür. „Ich bin auch nicht hier für ein nettes Pläuschchen!“, fauchte sie und umklammerte die Tischkante, als sie aufgesprang und Levi böse anfunkelte. „Ich hab' da so ein Gefühl, dass du wesentlich mehr als ich über diesen Vorfall am Hafen weißt.“ Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. „Und ich verlange Antworten!“ „Oh, du verlangst Antworten?“ Levi hob fragend eine seiner fein geschwungenen Brauen. „Lustig, und ich hatte das Gefühl, dass ich hier am längeren Hebel sitze.“ Einige Sekunden lang starrten sich beide herausfordernd an. Eren versank wieder in diesen eisgrauen, stechenden Augen, und vergaß alles um sich herum. Alles was sie tun wollte, war den ganzen Tag in diese Augen zu schauen- Nein. Nein, Eren würde diesen Fehler nicht noch einmal machen. Sie hatte sich ihre Stellung als führende Agentin nicht durch Herumgeblödel hart erarbeitet, und sie würde sich auch jetzt nicht ablenken lassen. Sie lehnte sich etwas in ihrem Stuhl zurück und versuchte rasch, ihre Gedanken zu ordnen. Einmal tief ein und ausatmend traf Eren ihre Entscheidung. Es würde nichts bringen, Levi wie jeden anderen gewöhnlichen Kriminellen zu verhören, nicht wenn er so mit ihr spielte. Also würde sie zu anderen Mitteln greifen müssen. Zwei Leute konnten dieses Spiel spielen, und Eren würde gewinnen, darin bestand für sie kein Zweifel. Alles in ihr sträubte sich dagegen, aber sie würde es tun, für das Aufklärungskommando. Sie atmete noch einmal tief ein und hob dann langsam ihren Blick. „Ok, ich bitte dich darum.“ sagte sie leise, doch mit fester Stimme. Levis Augen weiteten sich vor Überraschung. Er hatte erwartet, dass Eren wie immer wütend werden würde, laut fluchen und toben würde, aber nicht das hier. Ein Teil von ihm war mehr als befriedigt ob der Tatsache, dass sie sich ihm scheinbar endlich untergeordnet hatte. Es musste hart für eine stolze Person wie Eren sein, jemanden um etwas zu bitten, vor allem wenn es sich dabei um ihn handelte. Andererseits war Levi sich komplett bewusst, dass diese Geste alles andere als eine Unterwerfung gewesen war. Sie hatte sich einfach nur an seine Aussage von gestern - „Wie könnte ich dir eine Bitte abschlagen, Eren“ - erinnert und benutzte sie nun gegen ihn. Cleverer Schachzug, Agent Yeager. Immer noch ein wenig verblüfft stellte Levi die Tasse auf den Tisch, nicht ohne sie weiterhin mit seinem Blick zu fixieren. „Hm.“ murmelte er leise. „Nicht übel.“ Levi wollte sich weigern, mehr zu sagen, er wollte ihr unter die Nase reiben dass ihr kleiner Trick ganz sicher nicht bei ihm funktionieren würde. Aber wem wollte er da eigentlich etwas vormachen. Er war wirklich nicht in der Lage das zu ignorieren, was die Art und Weise wie sie ihn mit großen grünen Augen anshah und dabei leicht auf ihrer Unterlippe kaute, mit ihm anstellte. Levi glaubte, dass dieser Teil sicher eher unbewusst war - er konnte sich wirklich nicht vorstellen, dass Eren sich hier durchflirten würde, nur um das zu bekommen, was sie wollte. Aber verdammt noch mal, dieser Anblick war mehr als heiß. Wie konnte jemand so unbezwingbar und süß zur gleichen Zeit wirken? Es war einfach nicht fair. Er musste sich wirklich vorsehen, was er jetzt sagen würde, denn im Moment hätte er ihr am liebsten alles erzählt, was immer sie hätte wissen wollen. Aber Levi trug die Verantwortung für die Flügel der Freiheit, und er war kein liebeskranker Idiot. „Naja, im Moment kann ich dich nur eine einzige Sache wissen lassen,“ Er wog seine Worte sorgfältig ab. „Sei einfach verdammt vorsichtig, wem du dein Vertrauen schenkst, Eren. Nicht jeder in der Behörde ist der Freund, für den du ihn vielleicht hälst.“ Eren fixierte ihn wachsam. „Ich weiß dass du ein paar deiner verschissenen Spione in der Nähe meines Teams hast“, sagte sie und warf ihm einen wütenden Blick zu. „Ich habe keine Ahnung, wovon du da sprichst, Süße.“ Es war schon verdammt schwierig, bei diesen Worten nicht zu grinsen, aber er schaffte es. „Aber denk' dran, dass ich nicht der einzige bin, der jemanden eingeschleust haben könnte.“ „Willst du damit etwa andeuten, dass es noch mehr Kriminelle im Aufklärungskommando geben könnte?“, fragte sie scharf. Er sah sie an und schwieg für einige Momente. „Die Welt ist nicht unterteilt in gute Menschen und in Kriminelle“, sagte er kryptisch. „Manchmal bedeutet das Gesetz zu brechen, die bessere Person zu sein.“ Eren rollte mit den Augen. Was sie brauchte, waren klare Informationen, nicht irgendwelche verdammten Lebensweisheiten von Levi. Vor allem nicht, wenn sie so verdreht waren. Bessere Person am Arsch, dachte sie ärgerlich. „Du wirst der Korruption, Erpressung, des Waffenschmuggels und Mordes verdächtigt“, begann sie aufzulisten , und zählte die Taten dabei an ihren Fingern ab. „Und ich bin mir verdammt sicher, dass du noch viel mehr auf dem Kerbholz hast. Versuch nicht mich zu überzeugen, du würdest zu den Guten gehören, Levi.“ Belustigt und fast schon stolz hatte er ihren Ausführungen zugehört. Dann verschloss sich sein Gesicht wieder. „Ich habe nie gesagt, dass ich durch und durch gut bin“, sagte Levi, „aber manchmal heiligt der Zweck die Mittel. Wenn du etwas verändern willst, musst auch bereit sein, dafür etwas zu opfern.“ „Bullshit“, antwortete Eren mit einem Knurren. Sie hätte im am liebsten an den Kopf geschleudert, was für ausgemachter Blödsinn seine Aussagen waren, aber sie musste sich selbst daran erinnern, dass sie dieses Gespräch nicht zum Diskutieren führte, sondern um Informationen zu sammeln. „Also glaubst du, dass es noch mehr Verräter in der Behörde gibt?“ Er nickte als Antwort. „Soweit ich weiß.“ „Von den Titanen?“, fragte Eren und runzelte ihre Stirn. Nachdenklich sah Levi sie an. Er glaubte nicht dass sie auch nur ansatzweise wusste, wie süß sie mit dieser konzentrierten Miene aussah. „Ich weiß es nicht sicher“, gab er zu und wandte den Blick seiner Tasse zu, die er nun leicht in seiner Hand schwenkte. Er beobachtete den feinen Strudel, den seine Bewegungen in der Flüssigkeit auslösten, und dachte kurz nach. „Sei dir nur dessen bewusst, dass viele Leute im Untergrund wissen, was das Aufklärungskommando vorhat, befor du es tust, Eren.“ Das Runzeln auf ihrer Stirn verstärkte sich. „Warum wollen mich die Titanen eigentlich so unbedingt entführen?“, fragte sie, „ich ermittle doch noch nicht einmal in ihrem Fall.“ Also hatte sie es immer noch nicht kapiert, sie hatte zwei und zwei immer noch nicht zusammengezählt. Levi war erleichtert und wütend zur selben Zeit; erleichtert weil Eren ihn wohl nur noch mehr hassen würde, wenn sie es wüsste, und wütend weil es verdammt noch mal offensichtlich war. Er hatte es mehr als offensichtlich gemacht. Aber vielleicht war es besser so. Vielleicht war es zu früh, es ihr zu sagen, und sie war noch nicht bereit. Es war ja nicht so, dass er es ihr gleich erzählen würde - der Hauptgrund, warum die Titanen Eren so unbedingt fangen wollten, war etwas, was sie wohl selbst herausfinden würde müssen. Also beschloss Levi, ihr nur die halbe Wahrheit zu erzählen. „Weil du gefährlich für sie bist“, erklärte er einfach, „du hast in der Öffentlichkeit mehr als deutlich gemacht, dass du keine Korruption und Vergehen tolerieren wirst. Dieser Scheiß passt ihnen gar nicht in den Kram.“ Eren brummte nachdenklich und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, die Arme immer noch verschränkt. Ein paar Sekunden lang starrte sie gedankenverloren ins Nichts, bevor sie sich wieder Levi zuwandte. „Trotzdem, sie sollten doch eigentlich dankbar sein, dass ich dich jage. Du bist ihr Feind. Also wäre es doch besser für sie, abzuwarten bis ich dich gefangen habe, oder nicht? Da muss doch noch mehr dahinter stecken.“ Auch wenn sie manchmal Tomaten auf den Augen zu haben schien, war sie noch immer verdammt clever. Und sie hatte die Angewohnheit, unbequeme Fragen zu stellen, soviel musste Levi ihr lassen. „Vielleicht“, murmelte er vage, „sei einfach auf der Hut.“ Er nahm einen letzten Schluck von seinem Tee und stand auf. „Nun, ich glaube wir werden bald aufbrechen. Ich geh mal nachschauen, ob alle bereit sind.“ Eren war immer noch nicht ganz überzeugt. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass das der einzige Grund der Titanen sein sollte, sie zu entführen. Außerdem machte es noch nicht einmal Sinn, dass sie sie lebend fangen wollten, und nicht wie all ihre anderen Feinde einfach töteten. Was wiederum zu der Frage führte, warum Eren überhaupt ihre erklärte Feindin war? Sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass Levi mehr darüber wusste als er zugeben wollte. Gerade wie er seinen Blick kurz abgewendet hatte und so abrupt aufgestanden war, als ob er sich selbst davon abhalten wöllte, zuviel zu erzählen. Es war einfach mehr als ungewöhnlich für ihn gewesen, soweit sie überhaupt beurteilen konnte, wie der 'gewöhnliche' Levi eigentlich aussah. Eren hatte gedacht, er würde die Gelgenheit nutzen und sie noch weiter aufziehen, um seine Macht zu demonstrieren und sie nach allen Regeln der Kunst zur Weißglut zu bringen. Nicht, dass sie enttäuscht war, dass er sich endlich verzog. Aber es passte einfach so gar nicht zu ihm. Levi hatte die Hand schon auf dem Türknauf, als Eren ihn kurz zurückhielt. „Warte, Levi.“ sagte sie schnell. Sie konnte nicht glauben, dass sie das jetzt wirklich sagen würde. Aber Mikasas Worte von gestern sponnen ihr immer noch durch den Kopf. Sie war eine erwachsene Frau, verdammt nochmal, und sie würde das jetzt tun. Es war ein simples, einfaches Wort, überhaupt nicht schwierig. Eigentlich. Levi hatte aufgehört, den Schlüssel ins Schloss zu stecken, und warf Eren einen Blick über die Schulter zu. „Hm?“ Eren schaute zur Seite, sie war einfach nicht in der Lage, seinem Blick zu begegnen. „Ich...also...danke“, sagte sie und vergrub ihre Finger noch fester in den verschränkten Armen, „dass du mich gerettet hast. Und, du weißt schon. Mich nicht umgebracht hast und den ganzen Kram.“ Sie schielte hoch zu ihm und ihr stockte für einen Moment der Atem. Levi lächelte sie an. Es war kein anzügliches oder selbstgefälliges Grinsen, es war ein echtes, ehrliches Lächeln. Und verdammt nochmal, es brachte ihr Herz dazu, einen kleinen Hüpfer zu vollführen. In seinen gewöhnlich eiskalten Augen lag ein warmer Schimmer, der sein ganzes Gesicht erhellte. „Gern geschehen, Eren.“ sagte er leise und schlüpfte elegant aus dem Raum, befor er die Tür hinter sich zuzog. Für ein paar Sekunden lang war Eren nicht in der Lage, sich zu bewegen. Mit großen Augen starrte sie die schwere Eisentür an, während sie versuchte, ihr wie wild schlagendes Herz zu beruhigen. Was zur Hölle. Warum wurde sie so nervös, nur weil er sie anlächelte? Es war höchste Zeit, diesen Ort hier zu verlassen und endlich wieder zu klaren Gedanken zu kommen. Erst der beinahe-Kuss, dann dieser merkwürdige Traum, und jetzt auch noch dieses Lächeln. Dieser Ort schien ihre Sinne wirklich zu benebeln. Sie stöhnte entnervt auf und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Nur noch ein paar Stunden und wie würde endlich wieder zu Hause sein. Ein paar Minuten später betrat Levi erneut die Zelle. Eren's Ausdruck von Dankbarkeit hatte ihn unvorbereitet getroffen, und er hatte einen Moment gebraucht, wieder in seine alte Rolle zurückzufinden. Immerhin war er immer noch ein verdammter Mafiaboss und kein liebeskrankes Schulmädchen. So sehr er Eren auch mochte, er hatte einen schlechten Ruf zu verlieren, also würde er es sich nicht erlauben, einfach so aus der Rolle zu fallen. Trotzdem, die Tatsache dass sie zur Kenntnis genommen hatte, was er alles für sie riskiert hatte, versetzte Levi in eine geradezu gute Laune. Er fühlte sich fast schon ein wenig schlecht für den Streich, den er ihr gleich spielen würde. Fast. So leise wie möglich schlüpfte er in den Raum und beobachtete Eren, wie sie auf und ab wanderte wie eine eingesperrte Tigerin. Sie hatte seine Anwesenheit noch nicht bemerkt, wenn er von dem gedankenverlorenen Ausdruck auf ihrem Gesicht ausging. Irgendetwas schien sie zu beschäftigen und von ihrer Umgebung abzulenken. Nun ja, das spielte ihm in die Karten. Lautlos schlich er sich von hinten an sie heran, als sie gerade vor dem Fenster stehenblieb und raussah. Levi würde sich beeilen müssen, keine Chance dass Eren ihn das Folgende tun lassen würde, ohne auszurasten. Mit einer einzigen schnellen Bewegung umschlang er sie von hinten und umklammerte sie mit festem Griff. Noch bevor sie überhaupt „Was zur Hölle“ rufen konnte, hatte er die Handschellen bereits um ihre Handgelenke schnappen lassen. Er versuchte, sich ein Schmunzeln zu verkneifen, als er einen Schritt zurücktrat und darauf wartete, dass sie zu ihm herumwirbelte. Das ärgerliche Knurren, welches er als Antwort erhielt, ließ seinen Herz einen kleinen Hüpfer machen. „Levi!“, fauchte Eren zornig, „Warum muss ich Handschellen tragen?!“ Vorwurfsvoll hielt sie ihre gefesselten Hände hoch und funkelte ihn böse an, doch Levi schien nicht im mindesten beeindruckt von ihrem drohenden Blick. Er zuckte nur mit den Schultern und bedeutete ihr, durch die Tür auf den Gang herauszutreten. „Vielleicht ist das ja einfach nur Teil meiner geheimen Fantasien“, grinste er. „Lass den Scheiß!“, entgegente Eren aufgebracht, ging aber trotzdem durch den Türbogen hinaus auf den Gang, „das ist nicht fair, ich habe mein Versprechen an Mikasa gehalten und dich nicht angegriffen!“ Levi schloss die Eisentür und holte gelassen eine Pistole aus seiner Jackentasche heraus, die er Eren in den Rücken stieß. „Oh, also habe ich es ihr zu verdanken, dass ich immer noch unverletzt bin?“, antwortete er spöttisch und schubste sie sanft in Richtung des dunklen Flures hinunter. „und da dachte ich, du hättest dich einfach nur an mich gewöhnt.“ Eren knurrte abermals, hielt sich jedoch selbst davon ab, weiter darauf einzugehen. Egal was sie sagen würde, er würde ja doch einen Weg finden ihr die Worte im Mund umzudrehen und mit einem blöden Kommentar darauf antworten. Es war also besser, den Mund zu halten, fürs Erste jedenfalls. Sie gingen weiter den dunklen Korridor entlang, wobei sie zahlreiche hölzerne Türen passierten, bis sie an eine Treppe angelangten. Sie stiegen die Stufen hinab und befanden sich ein einer abgelebten alten Halle, an deren tapezierten Wänden zahlreiche abgenutzte Jagdtrophäen hingen, und deren Fenster mit giftgrünen schweren Vorhängen abgedunkelt waren. Eren ließ ihren Blick ungläubig wandern. „Die Einrichtung in deinem Nachtclub war ja hundertmal geschmackvoller als das hier“, brummte sie, bevor sie sich auf die Zunge beißen konnte. Denk nach bevor du den Mund aufmachst, du Idiotin, schalt sie sich selbst. „Oh, du mochtest die Einrichtung also?“, fragte Levi mit perfekter stoischer Miene, „Du bist immer eingeladen, mich dort zu besuchen, das könnte Spaß machen.“ „Danke, aber der Spaß den ich das letzte Mal hatte reicht mir für den Rest meines Lebens, glaube ich.“ Levi ließ ein dunkles Lachen ertönen und kramte in seinem Mantel herum, und im nächsten Moment spürte Eren auch schon, wie ihr die Augen mit einem weichen, fließenden Stoff verbunden wurden. Sie blinzelte überrascht, konnte jedoch nichts sehen als schwarze Finsternis. „Was, nein!“, rief sie erschrocken aus, „nein, nein! Was soll der Scheiß, ich kann ja gar nichts sehen!“ Als ob es nicht schlimm genug gewesen wäre, nur gefesselt zu sein. Auf diese Art und Weise fühlte sie sich Levi vollkommen ausgeliefert, noch mehr als zuvor. Und sie mochte es überhaupt nicht. Sie hörte, wie Levi eine Tür neben ihr öffnete. „Mach keinen Mist, das ist Sinn und Zweck einer Augenbinde.“ Sanft stieß er sie in Richtung Tür. „Komm schon Süße, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“ Doch Eren blieb stur im Türrahmen stehen. „Nein.“ Ungeduldig schnalzte Levi mit der Zunge. „Hör zu, ich würd' ja auch gern Zeit mit dir verbringen, aber wir müssen jetzt los.“ Eren hatte die Nerven, resolut mit dem Kopf zu schütteln. „Nicht bevor du mir dieses Ding wieder abnimmst!“, beharrte sie. „Eren.“ Levi konnte einfach nicht glauben, dass sie immer noch Forderungen stellte. Sogar gefesselt und mit verbunden Augen war sie nicht in der Lage dazu, sich unterzuordnen. „Denkst du denn, ich bin ein verdammter Idiot? Ich werde dir bestimmt nicht zeigen, wo sich unser Hauptquartier befindet. Und jetzt hör auf dich wie ein stures Balg aufzuführen und geh zu dem verdammten Auto!“ Nachdrücklich presste er ihr den Lauf der Pistole in den Rücken, doch Eren bewegte sich nicht einen Meter. „Wie soll ich da überhaupt hingehen? Ich werd' hinfallen und mir die Knochen brechen!“ beharrte sie weiterhin. Levi seufzte genervt auf und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel. Normalerweise fand er Erens sture Art immer wieder reizvoll, aber jetzt gerade hatte er Zeitdruck. Und langsam aber sicher bekam er den Eindruck dass sie nur einen Vorwand suchte, um ihm ans Bein zu pissen. Levi schaute zu ihr herüber, und das zufriedene kleine Lächeln, dass um ihre Lippen kräuselte, bestätigte seinen Verdacht. Na warte. Ein teuflisches Grinsen huschte über sein Gesicht als er seine Waffe wieder in der Jackentasche verstaute. Bevor Eren sich noch weiter beschweren konnte, packte er sie an den Kniekehlen und am Rücken und hob sie hoch wie eine Braut, die es über die Schwelle zu tragen galt. Sie protestierte mit einem überraschten Quieken, und Levi musste sich wirklich das Lachen verkneifen. Das hier war einfach so viel unterhaltsamer als der Gefangene letzte Woche, er könnte sich wirklich daran gewöhnen. Ungerührt ob ihrer heftigen Gegenwehr trug er sie auf seinen Armen aus dem Haus heraus und den kleinen Pfad die Einfahrt hinauf. Eren strampelte und zappelte wie eine fauchende Katze, aber er drückte sie nur umso fester an seine Brust. „Du hattest Recht“, verkündete er, „so ist es viel besser.“ Sie schien ihm nicht ganz zuzustimmen, wenn man von ihrem wilden Herumgezappel in seinen Armen ausging. „Du verdammter Mistkerl!“, zischte sie wütend, „lass mich sofort runter!“ „Ne, keine Lust.“ Levi bog um die Ecke und entdeckte die lange schwarze Limousine, die Erd vorbereitet hatte, bereits am Eingangstor. Sein Team wartete auch schon auf ihn, und er konnte bereits Mikasas vorwurfsvollen Blick auf sich ruhen sehen. Für einen kurzen Moment war er so in seinen Gedanken vertieft, dass er nicht aufpasste und ihn endlich einer von Eren's Tritten am Kiefer traf und fast umhaute. „Verdammt nochmal, Eren, hör auf so rumzufuchteln oder wir werden uns beide alle Knochen brechen!“ „Das wär's mir wert“, murrte Eren, entschied sich aber, von jetzt an still zu halten. Das Letzte was sie wollte, war, mit Levi zusammen zu stürzen und womöglich noch unter ihm begraben zu werden. Wer weiß auf welche Gedanke dieser Perverse dann noch kommen würde. Das Geräusch eines laufenden Motors und leises Geflüster deuteten darauf hin, dass sie nun am Auto angelangt waren, und Eren spürte wie seine Bewegungen langsamer wurden. „Levi,“ konnte sie Mikasas strenge Stimme hören, „jetzt hör doch mal auf Eren zu ärgern! Sie hatte die letzten Tage weiß Gott genug Stress.“ „Ich ärgere sie nicht, das war ihre Idee!“ „Das war es überhaupt nicht!“ fauchte Eren aufgebracht. Sein heißer Atem an ihrem Ohr ließ sie zusammenzucken. „Nächstes Mal benutze ich wohl zusätzlich einen Knebel", flüsterte er leise und brachte die Haare an ihrem Nacken zum Sträuben. Ein paar Sekunden später wurde Eren sanft in einem weichen, bequemen Autositz niedergelassen und hörte, wie andere Leute ebenfalls um sie herum einstiegen. Sie hatte keine Ahnung wieviele es waren, und sie war sich auch nicht sicher was sie davon halten sollte. Wenigstens war sie nicht wieder alleine mit Levi, also war das vermutlich zu ihren Gunsten. Endlich begann das Auto, sich zu bewegen, und die Spannung wich langsam aus Erens Körper. „Wenn wir nicht diese Göre hier babysitten müssten, würden wir auch rechtzeitig zum Meeting erscheinen“, schnarrte eine vertraute Stimme gegenüber von ihr. Zu ihrer Überraschung war es Petra, die auf diesen Kommentar etwas entgegnete, bevor Eren selbst auch nur den Mund öffnen konnte. „Ach beiss dir doch die Zunge ab, Autruo,“ zischte die Frau genervt. „Sie ist um Längen reifer als du es je sein wirst.“ Ok, also entweder träumte Eren wieder, denn hatte die Verrückte sie gerade allen Ernstes verteidigt? - oder diese Leute waren alle ein Haufen instabiler Spinner. Vermutlich Letzteres. Die Stimmen stritten sich weiter, aber niemand schien großartig Notiz davon zu nehmen. Eren war so in ihren Gedanken über Petra's merkwürdiges Verhalten vertieft, dass sie fast nicht bemerkt hätte, wie jemand sanft begonnen hatte mit ihren Haaren zu spielen und sie sich um den Finger zu wickeln. „Ich glaube, ich habe das schonmal gesagt“, knurrte Eren mit zusammengebissenen Zähnen, „behalt deine verdammten Pfoten bei dir, Levi!“ „Reizvolle Erinnerung, in der Tat“, gluckste er neben ihr, „aber woher wusstest du dass ich es bin?“ „Weil du der einzige bist, der so einen Scheiß überhaupt macht! Außerdem kann ich dich riechen.“ „Oh?“, fragte er in interessiertem Unterton, „du weißt also, wonach ich rieche?“ Eren hätte sich selbst ohrfeigen können. Sie sollte langsam mal lernen, ihre Klappe besser zu halten. „Nur weil du mein Feind bist. Ist doch ganz natürlich dass ich solche Dinge über dich weiß“,verteidigte sie sich und hoffte vergeblich, dass ihr Gesicht nicht rot anlaufen würde. Levi nahm eine Strähne ihres Haares und steckte sie zurück hinter ihr Ohr. Amüsiert bemerkte er, wie sie leicht errötete, als seine Finger eine Sekunde länger als nötig dort verharrten. Er beugte sich zu ihr herüber und bließ sanft auf die Muschel ihres Ohrs. Das leichte Beben ihrer Schultern und die Gänsehaut auf ihrem Nacken waren Antwort genug für seine unausgesprochene Frage. „Aber sicher“, hauchte er ihr leise ins Ohr, „Red dir das ruhig weiter selbst ein, Eren.“ Der Rest der Fahrt verlief relativ ereignislos, abgesehen vom gelegentlich Gezanke zwischen Auruo und Petra hier und da. Nach einer gefühlten Stunde - Eren hatte wirklich jegliches Zeitgefühl verloren - hatten sie endlich ihr Ziel erreicht. Mikasa war diejenige, die Eren die Handschellen und Augebinde abnahm - Levi hatte gemeint, Eren würde ihn wohl in Stücke zerreißen wenn er das tun würde - und sie begleitete Eren sogar den kurzen Weg über die Straße und um die Ecke herum, hinüber zum Hauptgebäude des Aufklärungskommandos. Sie hielten vor einem großen, gläsernen Hochhaus an, in dessen Fenstern sich die Mittagssonne bereits spiegelte. „Pass auf dich auf, Eren“, sagte Mikasa leise und umarmte sie zum Abschied. „Danke... das werde ich tun“, antwortete die Agentin verlegen und beobachtete, wie sich die Gangsterin umdrehte und hinter der nächsten Ecke verschwand. Mit einem tiefen Seufzer trat Eren an die große gläserne Eingangstür des Towers heran und stieß die Tür zur Lobby auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)